vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 1 K 15.1330, 08.12.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 6. August 2015 (außer in dessen Ziffer 3) weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung in den Kosovo angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf sechs Jahre befristet wurden (die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids wurde nicht angegriffen). Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 8. Dezember 2015 die Klage abgewiesen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (I.) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (II.).

I.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a.F.) für rechtmäßig erachtet.

Der Kläger habe den zwingenden Ausweisungstatbestand nach § 53 Nr. 1 AufenthG (a.F.) erfüllt; besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a.F.) stehe ihm nicht zu.

Es könne offenbleiben, ob der Kläger als faktischer Inländer gleichwohl nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 55 Abs. 1 AufenthG (a.F.) ausgewiesen werden könne. Die Beklagte habe nämlich zumindest hilfsweise eine solche Ermessensentscheidung getroffen; diese begegne rechtlich keinen Bedenken.

Die Ausweisung sei auch vereinbar mit Art. 8 EMRK; sie sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt verhältnismäßig. Sie werde zwar nicht unerheblich in das Privatleben des Klägers eingreifen, sei allerdings angesichts der von ihm ausgehenden erheblichen Gefahren gerechtfertigt.

2. Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant.

Der Senat hat daher das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 8. Dezember 2015 unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens - mangels entgegenstehender Übergangsregelung - anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung zu überprüfen. Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ausweisung ist nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (stRspr d. Senats, siehe z.B. B.v. 2.11.2016 - 10 ZB 15.2656 - juris Rn. 8).

3. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

a) Der Kläger macht zunächst geltend, die Ausweisung im Bescheid der Beklagten sei bereits nach der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Rechtslage rechtwidrig gewesen, denn sie habe nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung entsprochen. Die Bezugnahme in den Ermessenserwägungen in Nr. 1.5 des Bescheids auf die Ausführungen in den Nrn. 1.3 und 1.4 sei nicht zulässig gewesen; auch dürften generalpräventive Erwägungen nicht herangezogen werden. Damit habe in dem Bescheid auch eine wegen Art. 8 EMRK notwendige Einzelfallwürdigung nicht stattgefunden.

Wie vorstehend bereits erwähnt und wie auch vom Kläger vorgetragen, hat der Senat bei der vorliegenden Entscheidung die derzeitige Rechtslage, also §§ 53 bis 55 AufenthG in der aktuell geltenden Fassung, zugrunde zu legen. Entscheidend ist somit, ob das Urteil des Verwaltungsgerichts, die von der Beklagten verfügte Ausweisung sei rechtmäßig, auch nach Maßgabe der derzeitigen Rechtslage richtig ist. Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob das Verwaltungsgericht die Ermessensausübung der Beklagten gemäß der damaligen Rechtslage zu Recht als fehlerfrei angesehen hat, sondern ob im Sinn des § 53 Abs. 1 AufenthG in der aktuell geltenden Fassung der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

b) Soweit aus dem Begründungsschriftsatz vom 15. Februar 2016 entnommen werden kann, wendet der Kläger sich zum einen gegen die von der Beklagten sowie vom Verwaltungsgericht vorgenommene Gefahrenprognose. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen, hinsichtlich der Verurteilung vom 5. Juni 2014 liege eine atypische Fallgestaltung vor, denn der Kläger habe aus „Angst um das Leben seines kleinen Halbbruders“ seinen Stiefvater geschlagen. Die während der Strafunmündigkeit des Klägers vorgefallenen Straftaten müssten außer Betracht bleiben, und auch die „Zeit der jugendlichen Delinquenz“ liege so lange zurück, dass sie nicht mehr berücksichtigt werden dürfe. Eine Schlussfolgerung von dem langen Katalog von Straftaten aus zurückliegender Zeit auf die aktuelle Frage einer Wiederholungsgefahr verbiete sich. In der Haft führe der Kläger sich gut, es hätten bisher keine Disziplinarmaßnahmen verhängt werden müssen. Dies spreche für eine Verhaltensänderung des Klägers, zumal er in der Justizvollzugsanstalt von einer Vielzahl von auffälligen und gewalttätigen Jugendlichen umgeben sei. Er habe von Februar bis Juni 2015 ein Anti-Gewalt-Training besucht und abgeschlossen. Auch habe er durch seine berufliche Ausbildung die Grundlage für ein bürgerliches Erwerbsleben gelegt, welches er nach der Haftentlassung beginnen werde.

Durch diese Ausführungen hat der Kläger die Annahme einer fortdauernden Gefahr nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Das Verwaltungsgericht hat seine Prognose der fortdauernden Rückfallgefahr aus den erheblichen strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers abgeleitet. Er sei schon in frühester Jugend durch strafbares Verhalten und Verfehlungen auffällig geworden, auch wenn diese wegen Strafunmündigkeit nicht geahndet worden seien. Bereits im Alter von 12 Jahren habe der Kläger erstmals strafrechtlich relevante Tatbestände verwirklicht. Auch in der Folgezeit sei es zu wiederholten Verfehlungen gekommen, der Kläger habe Körperverletzungen, Beleidigungen und Diebstähle sowie Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung anderer begangen. Letztlich habe er eine Vielzahl strafrechtlich relevanter Handlungen durchgeführt und dabei deutlich gezeigt, dass er keinerlei Respekt vor den Interessen anderer habe. Er sei jederzeit und rücksichtslos bereit, Rechtsgüter anderer zu beeinträchtigen oder zu verletzen. Die strafrechtliche Karriere des Klägers habe sich nach Eintritt der Strafmündigkeit fortgesetzt. Bis zu seiner Inhaftierung sei eine Vielzahl von Verurteilungen wegen verschiedenster Delikte erfolgt. Zuletzt sei er im April 2014 und im Januar 2015 zu erheblichen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die zuletzt begangene Straftat habe er unter offener Bewährung begangen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er sich auch durch strafrechtliche Ahndungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lasse. Auch sämtliche bislang eingeleiteten erzieherischen Maßnahmen hätten keinen Erfolg gezeigt. Den Behördenakten sei zu entnehmen, dass sich mehrere Stellen erfolglos darum bemüht hätten, den Kläger in die richtigen Bahnen zu lenken, all diese Versuche hätten letztlich nicht den gewünschten Erfolg gezeigt. Ebenso könne den Führungsberichten der Justizvollzugsanstalt kein positives Bild entnommen werden. In dem Bericht vom 2. April 2015 sei ausgeführt, dass der Kläger diverse Betriebe durchlaufen habe, bei denen es immer wieder zu Problemen mit Bediensteten gekommen sei, da der Kläger die Arbeit verweigert habe. Es sei noch nicht möglich, eine aussagefähige Zukunftsprognose abzugeben. Deutlich negativer falle der Führungsbericht vom 10. November 2015 aus. Dort sei ausgeführt, der Erfolg der bisherigen Maßnahmen (des Anti-Gewalt-Trainings) dürfe angezweifelt werden, da der Kläger wiederholt geäußert habe, in künftigen Konfliktsituationen genauso zu handeln wie früher. Aufgrund der geschilderten massiven Gewaltproblematik habe die Justizvollzugsanstalt die Einholung eines Prognosegutachtens empfohlen. Diese Beurteilung decke sich mit den Einschätzungen in den strafgerichtlichen Entscheidungen vom 20. Juni 2014 und 15. Januar 2015. Zuletzt habe auch der Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hinterlassen habe, nicht zu einer Einschätzung durch das Gericht geführt, die diese übereinstimmenden und nachhaltig schlechten Beurteilungen in Frage stellen könnte.

Aus diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich überzeugend, dass vom Kläger die hohe Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten vor allem aus dem Bereich der Gewalt- und Diebstahlskriminalität ausgeht. Mit seinem Vortrag in der Begründung des Zulassungsantrags konnte der Kläger dem nicht durchgreifend entgegentreten.

Der Vortrag zu der Verurteilung vom 5. Juni 2014 (richtig: vom 20. Juni 2014) ist nicht nachvollziehbar. Mit dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg von diesem Tag wurden Gewalttaten zum Nachteil seiner damaligen Freundin abgeurteilt. Offenbar meint der Kläger das Urteil vom 27. Juni 2012, mit dem er wegen Beleidigung, Bedrohung, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil seines Stiefvaters verurteilt wurde; irgendwelche Anhaltspunkte einer (auch nur vermeintlichen) „Nothilfe“ für seinen kleinen Stiefbruder finden sich darin jedoch nicht.

Auch hat das Verwaltungsgericht die strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers während seiner Strafunmündigkeit und seine jugendrichterlichen Ahndungen nicht zu Unrecht herangezogen. Diese bilden nicht den Ausweisungsanlass; das Verwaltungsgericht hat sie vielmehr im Rahmen seiner Würdigung der Persönlichkeit des Klägers, mit ihren schnell aufeinander folgenden Straftaten schon ab der Strafmündigkeit und der sich steigernden Schwere der Straftaten, in seine Gefahrenprognose einbezogen. Dies ist entgegen der Meinung des Klägers für die Beurteilung einer fortbestehenden Rückfallgefahr durchaus angebracht und rechtlich nicht zu beanstanden.

Allein der Umstand, dass gegen den Kläger in der Justizvollzugsanstalt keine Disziplinarmaßnahmen verhängt werden mussten, obwohl er dort, wie er vorbringt, von einer Vielzahl von auffälligen und gewalttätigen Jugendlichen umgeben sei, und dass er ein Anti-Gewalt-Training absolviert hat, bedeutet nicht, dass er sein Verhalten nunmehr grundlegend geändert hat. Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Justizvollzugsanstalt in ihrem Führungsbericht vom 10. November 2015 sogar erhebliche Zweifel am Erfolg gerade des Anti-Gewalt-Trainings deutlich gemacht; der Kläger habe wiederholt geäußert, in künftigen Konfliktsituationen genauso zu handeln wie früher. Weiter wird dort mitgeteilt, dass der Kläger zur weiteren Auseinandersetzung mit der Aggressions-Dynamik vor dem Hintergrund seiner desolaten Kindheit und der dysfunktionalen Impulskontrolle auf der Warteliste für Einzelgespräche beim Psychologischen Dienst vermerkt sei, und dass aufgrund der geschilderten massiven Gewaltproblematik im Rahmen der Prüfung einer möglichen vorzeitigen Entlassung die Einholung eines Prognosegutachtens empfohlen worden sei.

Allein die Absicht, nach seiner Haftentlassung ein „bürgerliches Erwerbsleben“ zu beginnen, kann die Rückfallprognose des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht in Frage stellen.

c) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise seine Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.

Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte im Rahmen seiner Prüfung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt, die nach neuer Rechtslage auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Diese Bewertung begegnet damit auch unter dem Blickwinkel der Abwägung im Sinne von § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG keinen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG ist beim Kläger nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG aufgrund seiner Verurteilungen gegeben.

Sein Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt dagegen nicht besonders schwer, weil keiner der Tatbestände des § 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AufenthG erfüllt ist; die ihm am 12. Juli 1999 - nicht, wie er meint, am 16. Februar 1998 - erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die ab 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), wurde durch bestandskräftigen Bescheid vom 6. September 2005 widerrufen. Die dem Kläger zuletzt erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis lief am 16. Oktober 2009 ab. Seither bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 6. August 2015 besaß der Kläger nur noch Fiktionsbescheinigungen gemäß § 81 Abs. 5, Abs. 4 Satz 1 AufenthG, was gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG nicht als rechtmäßiger Aufenthalt berücksichtigt wird.

Sein Bleibeinteresse wiegt auch nicht im Sinn von § 55 Abs. 2 AufenthG schwer, weil keiner der Tatbestände der nicht abschließenden Aufzählung („insbesondere“) in § 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 AufenthG erfüllt ist und keine vergleichbare Fallgestaltung, wie etwa eine besondere Betreuungsleistung durch den Kläger für nahe Angehörige, erkennbar ist (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung, BT-Drs 18/4097, S. 52 ff.; ferner Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 55 Rn. 15; Cziersky-Reis in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 55 Rn. 27).

Gleichwohl kommt dem Gesichtspunkt, dass der Kläger als Kleinkind nach Deutschland gekommen ist, seither hier gelebt hat (allerdings unterbrochen von einem nach Aktenlage etwa zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Kirgisistan) und bis Oktober 2009 eine Aufenthaltserlaubnis besessen hat, erhebliches Gewicht im Rahmen der zu treffenden Abwägung zu. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger daher zu Recht als „faktischen Inländer“ angesehen und diesen Umstand gemäß seiner Bedeutung in seine Prüfung der Verhältnismäßigkeit eingestellt (UA S. 6), ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass dies angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr seiner Ausweisung nicht entgegensteht.

Auch die weiteren vom Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags vorgebrachten Argumente, soweit sie sich auf die Richtigkeit der Abwägung beziehen, können deren Richtigkeit nicht durchgreifend in Zweifel ziehen. Das gilt sowohl für die desolate familiäre Situation in seiner Kindheit noch die Tatsache, dass der Kläger längere Zeit in verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe verbracht hat. Dass für das Fehlschlagen dieser erzieherischen Maßnahmen wesentlich „Pflegepersonen, Lehrer und Jugendämter“ verantwortlich wären, wie der Kläger vorträgt, ist nicht zu erkennen, ebenso wenig ein Bezug der einzelnen Umstände der Jugendhilfemaßnahme in Kirgisistan zu der hier vorzunehmenden Abwägung. Die Schul- und Berufsausbildung hat das Verwaltungsgericht durchaus zugunsten des Klägers berücksichtigt, ihnen allerdings keine entscheidende Bedeutung beigemessen.

Es trifft zwar zu, dass die Beziehung des Klägers zu seiner Verlobten, die in Österreich lebe und arbeite, ihn aber regelmäßig in der Haft besuche, vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt wurde, doch wurde dies erstmals in der Begründung des Zulassungsantrags vorgebracht. Da die Verlobte nach den Angaben des Klägers in Österreich lebt - weitere Angaben zu ihrer Person wurden nicht vorgetragen - kann auch diese Beziehung seinen Verbleibeinteressen kein entscheidendes Übergewicht verleihen.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht - entgegen dem Vorbringen des Klägers - durchaus berücksichtigt, dass er (nur) gebrochen Albanisch spricht, allerdings hieraus den Schluss gezogen, dass er in der Lage sein wird, sich im Kosovo grundsätzlich zurechtzufinden.

II.

Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.

Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 106).

Der pauschale Hinweis auf die geänderten Rechtsgrundlagen für eine Ausweisung durch die am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Gesetzesänderung begründet keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten. Die rechtliche Beurteilung von Ausweisungsentscheidungen, die unter der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Rechtlage ergangen sind, anhand der aktuell geltenden Rechtsgrundlagen ist in der Rechtsprechung des Senats in ständiger Rechtsprechung geklärt (zuletzt z.B. B.v. 3.5.2017 - 10 ZB 15.2310). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich mittlerweile dazu geäußert (U.v. 22.2.2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 20 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 81 Beantragung des Aufenthaltstitels


(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist u

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 101 Fortgeltung bisheriger Aufenthaltsrechte


(1) Eine vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt fort als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Eine unbefristete Auf

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Oktober 2015‚ soweit darin ihr Bescheid vom 25. März 2015 aufgehoben worden ist. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Nr. 1) und die Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre befristet (Nr. 2).

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils‚ die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten‚ lägen nur vor‚ wenn die Beklagte einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG‚ B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Diese Voraussetzung erfüllt das Zulassungsvorbringen der Beklagten‚ auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO)‚ jedoch nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers aufgehoben. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung das Vorliegen eines Regelausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 1 2. Alt. AufenthG angenommen‚ ist aber davon ausgegangen‚ dass die Ausweisung angesichts der Gesamtumstände unverhältnismäßig sei. Das Erstgericht hat die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr als gering eingestuft‚ weil nach einer erfolgreich abgeschlossenen Drogentherapie keine Straftaten aus dem Bereich der Betäubungsmittel- und Beschaffungskriminalität mehr zu erwarten seien. Die Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung erschütterten die positive Prognose nicht‚ weil beim Kläger kein erhöhtes Aggressions- oder Gewaltpotential festzustellen gewesen sei. Für den Kläger spreche‚ dass er sich seit 1991 in Deutschland befinde, seine Mutter und Geschwister hier lebten und seine beiden Töchter eine starke Bindung zu ihm hätten.

Demgegenüber wendet die Beklagte im Zulassungsverfahren ein‚ die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe bewiesen‚ dass er in der Lage sei‚ drogenfrei zu leben‚ begegne erheblichen Zweifeln. Er habe nicht nur illegale Betäubungsmittel konsumiert, sondern auch ein erhebliches Alkoholproblem‚ das nicht behandelt worden sei. Deswegen sei er im Jahr 2014 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden. Die Prognose‚ der Kläger werde künftig nicht mehr straffällig werden‚ beruhe ausschließlich auf vagen Hoffnungen. Dafür gebe es keine belastbaren Fakten. Er habe auch nach der Drogentherapie sein die Rechtsordnung ignorierendes Verhalten kontinuierlich fortgesetzt. Er habe sich völlig haftunempfindlich erwiesen. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt‚ dass von der ganz erheblichen und fortdauernden kriminellen Energie des Klägers hochrangigste Rechtsgüter wie die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit Dritter bedroht seien. Der Kläger sei bereits zum dritten Mal wegen vorsätzlicher Körperverletzung belangt worden. Zudem habe das Verwaltungsgericht übersehen‚ dass die Ausweisung auch aus Gründen der Generalprävention erfolgt sei.

Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts‚ die Ausweisung des Klägers sei nach Art. 8 EMRK unverhältnismäßig‚ gemessen an den nunmehr geltenden Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung (des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11.3.2016, BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisungsentscheidung und damit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes ist nach ständiger Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 21.3.2016 - 10 ZB 15.1968 - juris Rn. 8 m. w. N., B.v. 3.2.2016 -10 ZB 14.844 - juris Rn. 8 m. w. N.) grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant.

Der Senat hat daher die verwaltungsgerichtliche Entscheidung unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens anhand der gesetzlichen Regelungen über die Ausweisung in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung zu überprüfen. Diese differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung‚ der Ausweisung im Regelfall oder der Ermessensausweisung‚ sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung‚ die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (vgl. BayVGH‚ B.v. 21.3.2016 - 10 ZB 15.1968 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Der Senat kommt vorliegend bei der Beurteilung der Ausweisungsentscheidung der Beklagten in Nr. 1 des Bescheids vom 25. März 2015 zum Ergebnis‚ dass zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt das Bleibeinteresse des Klägers unter Abwägung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt.

Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aber noch gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG‚ U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose‚ ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht‚ sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen‚ insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat‚ die Umstände ihrer Begehung‚ das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH‚ U.v. 28.6.2016 - 10 B 13.1982 - juris Rn. 32 m. w. N.). Gemessen an diesen Vorgaben ist nach Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 VwGO) die Wahrscheinlichkeit‚ dass der Kläger auch weiterhin Straftaten‚ die sich gegen die körperliche Unversehrtheit und des Eigentum anderer richten, begehen wird, auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens der Beklagten allerdings gering. Der Senat teilt die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung‚ dass angesichts der im Jahr 2011 erfolgreich abgeschlossenen Drogentherapie nicht mehr mit Straftaten des Klägers‚ die seiner Betäubungsmittelabhängigkeit geschuldet waren‚ zu rechnen ist. Nach Abschluss der Therapie ist der Kläger nicht mehr mit Betäubungsmitteldelikten auffällig geworden. Offenbar ist ihm im Rahmen der Therapie ein dauerhafter Einstellungswandel bezüglich des Konsums von Marihuana gelungen. Soweit die Beklagte demgegenüber anführt‚ der Kläger habe ein erhebliches Alkoholproblem, das keinesfalls erfolgreich behandelt worden sei‚ begründet dies noch keine Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten aus diesem Deliktsbereich. Es ist zwar zutreffend‚ dass der Kläger erheblich alkoholisiert ein Fahrzeug geführt hat und deswegen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden ist. Aus dieser einmaligen alkoholbedingten Straftat lässt sich jedoch nicht der Rückschluss ziehen‚ dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht‚ der Kläger werde erneut unter Alkoholeinfluss Straftaten begehen. Hinreichende Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit bzw. ein dauerhaftes problematisches Trinkverhalten lassen sich den Akten nicht entnehmen und wurden von der Beklagten auch nicht dargelegt. Berücksichtigt man bezüglich der vor dem Abschluss der Drogentherapie liegenden Straftaten die Höhe der verhängten Strafen und die Schwere der konkreten Straftaten‚ so lässt sich feststellen‚ dass die schwereren Straftaten dem Betäubungsmittelbereich zuzurechnen waren‚ während bei den anderen Verurteilungen überwiegend geringe Strafhöhen ausgesprochen wurden und die höheren Strafen nur aus der Gesamtstrafenbildung aus mehreren Verurteilungen resultierten. Auch liegen die angeführten Verurteilungen bereits Jahre zurück. Da der Kläger aber nach Abschluss seiner Drogentherapie erneut straffällig geworden ist, besteht‚ wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, nach wie vor eine zu berücksichtigende Wiederholungsgefahr. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind vorliegend aber nicht zu geringe Anforderungen zu stellen‚ weil der möglicherweise durch vergleichbare Straftaten eintretende Schaden bezüglich seiner Folgen nicht so schwer wiegt. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe für die beiden Diebstählen erfolgte nicht wegen der Schwere der Tat‚ sondern weil der Kläger bereits einschlägig vorbestraft war. Dasselbe gilt für das Körperverletzungsdelikt. Bei der Strafzumessung hat hier das Strafgericht ausdrücklich ausgeführt‚ die Schmerzen des Geschädigten seien am untersten Rand gewesen‚ so dass dieser nicht einmal ein Arzt aufgesucht und auch kein Strafverfolgungsinteresse an den Tag gelegt habe. Ferner habe sich der Kläger unmittelbar nach der Tat bei dem Geschädigten entschuldigt. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgte wiederum nur‚ weil er bereits einschlägig vorbestraft war und die Körperverletzung in nur geringem Abstand zu den abgeurteilten Diebstahlsdelikten begangen hat.

Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit seinen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt‚ dass sein Bleibeinteresse überwiegt. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen‚ dass die Ausweisung des Klägers unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG (allerdings nicht abschließend) aufgeführten Umstände und mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig ist.

Eine Gegenüberstellung der gegenläufigen Interessen anhand der im Aufenthaltsgesetz typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen ergibt‚ dass der Kläger ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat. Er ist am 5. März 2002 vom Amtsgericht Augsburg zu einer Jugendstraße von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt worden, wobei die vorherige Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen vom 12. Februar 2001 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten in diese Verurteilung miteinbezogen worden ist. Weiterhin liegt eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten durch das Amtsgericht Augsburg vom 1. Januar 2010 vor. Dem steht ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG gegenüber‚ weil der Kläger inzwischen mit der Mutter gemeinsam das Sorgerecht für seine beiden minderjährigen Töchter ausübt.

Bei der nach § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG erforderlichen Gesamtabwägung hat das Verwaltungsgericht zu Recht die lange Dauer des Aufenthalts des Klägers von nunmehr 25 Jahren berücksichtigt. Hinzu kommt‚ dass er bereits im Alter von acht Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in die Bunderepublik gekommen ist und keine familiären Kontakte in seinem Heimatland mehr hat. Weiterhin hat das Verwaltungsgericht der Beziehung zu seinen beiden noch kleinen Töchtern erhebliches Gewicht beigemessen. In der mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2016 bezüglich der Klage des Klägers auf Erteilung einer Duldung (Au 1 K 15.1648) hat die Mutter der beiden Töchter nochmals betont, dass der Kläger seine Kinder jedes zweite Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntag zu sich nehme. Er beteilige sich auch an der Erziehung der Kinder. Der Kläger übe sein Umgangsrecht seit seiner Haftentlassung regelmäßig aus. Betreffen aufenthaltsrechtliche Entscheidungen den Umgang mit einem Kind‚ so ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen. Hohes Gewicht haben die Folgen einer (vorübergehenden) Trennung insbesondere‚ wenn ein noch ein sehr kleines Kind betroffen ist (BVerfG‚ B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 14). In Anbetracht des Alters der Kinder (drei und fünf Jahre)‚ die die Trennung vom Kläger nicht richtig begreifen können‚ und ihrer engen Beziehung zu ihm stellt sich die von der Beklagten verfügte Ausweisung trotz einer noch bestehenden‚ aber nicht so gravierenden Gefahr erneuter Straftaten seitens des Klägers als unverhältnismäßig dar.

Die von der Beklagten angeführten generalpräventiven Erwägungen ändern daran nichts. Generalpräventive Aspekte sind Teil des öffentlichen Ausweisungsinteresses. Generalpräventive Erwägungen können jedoch nur dann entscheidend zum Tragen kommen, wenn dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommt (BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 38 m. w. N.). Dies kann sich bei Straftaten aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben. Zwar ist der Kläger vor seiner Drogentherapie sehr häufig straffällig geworden. Es handelte sich aber ausgenommen die BtM-Delikte um viele Straftaten, die eher dem Bereich der Kleinkriminalität zuzuordnen sind (z. B. Leistungserschleichung, Ladendiebstahl). Angesichts dessen, dass diese Taten schon lange zurückliegen, vermag eine sich darauf beziehende Ausweisung kaum mehr eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Bei den vom Kläger nach der Drogentherapie begangen Straftaten handelt sich ebenfalls um keine schweren Straftaten, auch die Art ihrer Begehung begründet keinen besonders gewichtigen Ausweisungsanlass, auch wenn zumindest bis in das Jahr 2014 eine Häufung der Straftaten festzustellen ist. Im Hinblick auf die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Beziehung zu seinen Töchtern führen jedoch auch die insoweit bestehenden generalpräventiven Aspekte letztlich nicht zum Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Eine vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt fort als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 (BGBl. I S. 1057) oder in entsprechender Anwendung des vorgenannten Gesetzes erteilt worden ist, und eine anschließend erteilte Aufenthaltsberechtigung gelten fort als Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2.

(2) Die übrigen Aufenthaltsgenehmigungen gelten fort als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt.

(3) Ein Aufenthaltstitel, der vor dem 28. August 2007 mit dem Vermerk „Daueraufenthalt-EG“ versehen wurde, gilt als Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU fort.

(4) Ein Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4, der vor dem 1. März 2020 erteilt wurde, gilt mit den verfügten Nebenbestimmungen entsprechend dem der Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt im Rahmen seiner Gültigkeitsdauer fort.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 10. April 2015 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und seine Abschiebung in die Türkei angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht wurde. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 29. September 2015 zwar die in dem Bescheid ebenfalls enthaltene Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung aufgehoben, die Klage aber im Übrigen abgewiesen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Hinsichtlich der noch im Schriftsatz vom 16. Oktober 2015 aufgeführten weiteren Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwGO hat der Kläger zur Begründung nichts mehr vorgetragen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a.F.) für rechtmäßig erachtet.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG (a.F.) seien wegen der rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers erfüllt. Es brauche nicht abschließend geklärt zu werden, ob der Kläger als türkischer Staatsangehöriger ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht und damit den besonderen Ausweisungsschutz nach ARB 1/80 genieße, denn die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung sei auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden. Aufgrund des persönlichen Verhaltens des Klägers liege eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, es bestehe eine gegenwärtige Gefahr weiterer Straftaten.

Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen Art. 8 EMRK. Der Kläger könne als sog. faktischer Inländer nur unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes des Art. 8 EMRK ausgewiesen werden, doch führe die vorzunehmende Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens als gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen sei.

2. Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744).

Der Senat hat daher das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 29. September 2015 unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens - mangels entgegenstehender Übergangsregelung - anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung zu überprüfen. Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ausweisung ist nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Wenn man - mit dem Verwaltungsgericht - zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ihm ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/ Türkei zusteht, darf er gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

3. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei rechtmäßig, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung, im Ergebnis nicht ernsthaft im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Zweifel gezogen.

a) Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich bei ihm um einen „assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsbürger“ handle, trifft dies so nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage - mit der Bemerkung, dass für diese Rechtsstellung „einiges spricht“ - offengelassen, weil die getroffene Ermessensentscheidung auch diesen Anforderungen entspreche.

Dieses vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis trifft auch unter Anwendung der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung weiterhin zu. Zunächst ist insoweit festzustellen, dass die vom Aufenthalt des Ausländers ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nunmehr im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG zu prüfen ist.

b) Entgegen den Ausführungen in der Zulassungsbegründung und auch unter Berücksichtigung der seit dem erstinstanzlichen Urteil eingetretenen Entwicklungen ist auch unter Anwendung des § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG weiterhin davon auszugehen, dass von dem vom Kläger zu erwartenden persönlichen Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht. Der Kläger hat diese Gefahrenprognose in seiner Zulassungsbegründung nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Im Fall des Klägers bestehen Gefahren für Rechtsgüter von hohem Rang, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren. Er ist wegen einer Vielzahl von Gewalt- und Eigentumsdelikten zuletzt mit Urteil vom 11. März 2013, unter Einbeziehung bereits früher verhängter Strafen, zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Gefahrenprognose entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger seit seiner Jugend massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Er sei bereits zehnmal strafrechtlich geahndet worden, unter anderem wegen Straftaten aus dem Bereich der Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikte, und werde bei der Polizei als jugendlicher Intensivtäter geführt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts wiegt schwer, dass sich bei ihm eine erschreckende Skrupellosigkeit und in den Taten zum Ausdruck kommende Aggressivität manifestiert habe, die er nicht aufzuarbeiten bereit sei. Er habe in der Vergangenheit wiederholt ohne vorangegangene Provokation andere Personen massiv geschlagen und verletzt. Das Amtsgericht sei schon in seinem Urteil vom 13. September 2012 nachvollziehbar zu der Erkenntnis gekommen, dass die Defizite des völlig haltlosen Angeklagten so gravierend seien, dass auf ihn im Rahmen des Strafvollzugs länger eingewirkt werden müsse. Das Strafvollstreckungsgericht habe mit Beschluss vom 9. März 2015 den Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt, da unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine vorzeitige Haftentlassung nicht verantwortet werden könne, insbesondere weil seine Sucht- und Gewaltproblematik nach wie vor nicht behandelt sei. Eine Behandlung der Delikts- und Persönlichkeitsproblematik habe aus disziplinarischen Gründen nach kurzer Zeit abgebrochen werden müssen. Er habe während der Haft an keinem Anti-Gewalt- oder Anti-Aggressions-Training teilgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe er zwar angegeben, dass er dies nach Haftentlassung nachholen werde, die Kammer habe aber nicht zu der Überzeugung gelangen können, dass er therapiewillig sei. Es sei keine Einsichtsfähigkeit in sein Handeln erkennbar gewesen, sondern vielmehr die Tendenz, seine Straftaten zu bagatellisieren. Nach ihrem Eindruck in der mündlichen Verhandlung gehe die Kammer davon aus, dass sein Vorbringen, die Gewaltproblematik nach seiner Haftentlassung angehen zu wollen, unter dem Eindruck der drohenden Ausweisung und nicht aufgrund eigener Einsicht erfolgt sei. Es sei deshalb nicht zu erkennen, dass die Inhaftierung beim Kläger zu einer Verhaltensänderung geführt habe. Während seiner Inhaftierung sei er zwanzig Mal disziplinarisch gemaßregelt worden, unter anderem weil er gegenüber Mitgefangenen Gewalt ausgeübt habe. Der Kläger habe durch sein wiederholtes massives strafbares Verhalten gezeigt, dass die erzieherischen Maßnahmen des Jugendstrafrechts und auch die sozialtherapeutischen Maßnahmen während seiner Jugend nicht gefruchtet hätten. Die Prognose verschlechtere sich zudem dadurch, dass der Kläger noch keine Ausbildung begonnen habe. Er habe keine berufliche Perspektive für die Zeit nach seiner Haftentlassung. Zwar habe er in der Haft den „Grundlehrgang Bau“ abgeschlossen, sich jedoch nicht um einen Ausbildungsplatz nach der Haft bemüht. Die Kammer habe aufgrund der Gesamtumstände keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Ankündigung in der mündlichen Verhandlung, sich nach seiner Haftentlassung um einen Ausbildungsplatz bemühen zu wollen, auch in die Tat umsetzen werde. Die Kammer könne nach alldem nicht erkennen, dass der Kläger ernsthaft gewillt und bemüht sei, sein Leben nach seiner Haftentlassung zu ändern. Es stehe aufgrund der fehlenden beruflichen Perspektive und der unbehandelten Gewaltproblematik zu befürchten, dass er erneut Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, begehen werde. Die begangenen Taten offenbarten Persönlichkeitsdefizite, schädliche Neigungen und eine Rohheit gegenüber seinen Mitmenschen sowie einen mangelnden Respekt vor den Rechtsgütern anderer und der Rechtsordnung, so dass sich eine Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten ergebe (UA S. 9-10).

Aus diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich überzeugend, dass das persönliche Verhalten des Klägers im Sinn des § 53 Abs. 3 AufenthG gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Mit seinem Vortrag in der Begründung des Zulassungsantrags konnte der Kläger dem nicht durchgreifend entgegentreten.

Der Kläger meint, die strafrechtlichen Ahndungen, die mit einer Verwarnung bzw. einer jugendrichterlichen Weisung geendet hätten, könnten weder isoliert noch in ihrer Gesamtheit eine Ausweisungsentscheidung rechtfertigen. Davon ist das Verwaltungsgericht auch nicht ausgegangen. Vielmehr hat es die gesamte strafrechtliche „Karriere“ des Klägers, mit ihren schnell aufeinander folgenden Straftaten schon ab der Strafmündigkeit und der sich steigernden Schwere der Straftaten, in seine Gefahrenprognose einbezogen.

Weiter bringt der Kläger vor, von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht sei fehlerhaft nicht berücksichtigt worden, dass er „in seinen Kinder- und Jugendjahren unter der anerkannten Krankheit Hyperaktivität gelitten hat, welche ganz offensichtlich nicht adäquat behandelt wurde und den Kläger bis in den Strafvollzug hinein begleitet hat“. Zwar ergibt sich aus den Akten durchaus, dass beim Kläger in jungen Jahren Hyperaktivität diagnostiziert und mit Medikamenten behandelt wurde. Dass die Krankheit nicht adäquat behandelt worden und sie beim Kläger in späteren Jahren immer noch ausgeprägt gewesen sei, beruht jedoch nur auf Vermutungen des Bevollmächtigten; es ist auch nicht ersichtlich, warum dies die vielfachen Straftaten des Klägers entschuldigen oder die Gefahrenprognose relativieren könnte. Im Gegenteil ist mehrfach eine generelle Therapieunwilligkeit des Klägers dokumentiert, wie etwa im Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 25. Februar 2015.

An der Gefahrenprognose ändert es auch nichts, dass nach seinem Vortrag die der Ausweisung zugrundeliegenden Verurteilungen innerhalb von nur neun Monaten erfolgt seien und die damit abgeurteilten Straftaten innerhalb von nur fünf Monaten stattgefunden hätten. Dass es sich bei den Verfehlungen lediglich um einen „isolierten Lebensabschnitt“ gehandelt hätte, kann daraus angesichts der seit Strafmündigkeit einsetzenden und sich steigernden Delinquenz des Klägers nicht abgeleitet werden.

Die Führungsberichte der Justizvollzuganstalt zeigen entgegen der Meinung des Klägers keine signifikante Besserung des „Bildes“ des Klägers, auch wenn sich angeblich ein Justizvollzugs-Bediensteter gegenüber dem Kläger anders geäußert haben soll.

Auch die erneut bekundete Absicht, sich nach der Haftentlassung um eine Ausbildung und/oder Arbeit zu bemühen und eine Anti-Gewalt-Therapie zu beginnen, sowie der Hinweis auf die enge Verbundenheit zu Eltern und Geschwistern können die Gefahrenprognose nicht erschüttern.

Die vom Kläger zunächst vertretene Ansicht, eine Suchtproblematik bestehe bei ihm nicht, hat er selbst wieder zurückgezogen, nachdem die von ihm eingeholte und mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 vorgelegte Stellungnahme einer Suchtberatungsstelle vom 25. November 2015 das Gegenteil festgestellt hat.

Schließlich bestätigt aber die seit der Haftentlassung des Klägers am 13. November 2015 zu beobachtende Entwicklung der Geschehnisse eindrucksvoll die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts. Der Kläger wurde seither mehrfach wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Leistungserschleichung, Diebstählen, Körperverletzungen sowie wegen Verstößen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht auffällig. Wegen Leistungserschleichung wurde er am 31. Mai 2016 zu einer Geldstrafte von 80 Tagessätzen verurteilt. Bezüglich der Anklageschriften vom 28. September 2016 und 23. November 2016 jeweils wegen Verstößen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) und vom 21. Oktober 2016 wegen zweier Diebstähle ist nach Aktenlage offenbar noch keine strafgerichtliche Entscheidung ergangen. Jedenfalls aber ist daraus zu erkennen, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung keineswegs eine grundlegende Änderung seines Verhaltens vorgenommen hat.

c) Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass die Ausweisung für die Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist. Unerlässlichkeit ist dabei nicht im Sinne einer „ultima ratio“ zu verstehen, sondern bringt den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass das nationale Gericht eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen hat (BayVGH, B.v. 13.3.2017 - 10 ZB 17.226 - juris Rn. 6 ff. m.w.N.).

Die streitgegenständliche Ausweisung des Klägers ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Der Kläger bringt in seinem Zulassungsantrag vor, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass er nicht über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge. Jedoch besitze er die Rechtsstellung nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80, weshalb es keine Rolle spiele, dass seine (deklaratorische) Aufenthaltserlaubnis im Dezember 2012 abgelaufen sei.

Daraus ergeben sich jedoch auch unter dem Blickwinkel der Abwägung im Sinne von § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung des Verwaltungsgerichts, die Ausweisung sei ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig.

Wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass ihm tatsächlich ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zusteht, führt dies dazu, dass sein Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (in entsprechender Anwendung; vgl. BayVGH, U.v. 28.3.2017 - 10 BV 16.1601 - juris Rn. 41) besonders schwer wiegt. Dem steht aber ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber.

Bei der vorzunehmenden Abwägung ergibt sich auch aktuell eine Unerlässlichkeit der Ausweisung für die Wahrung des vom Kläger bedrohten Grundinteresses der Gesellschaft. Das Verwaltungsgericht hat bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung im Übrigen sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Es hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger zwar ein sog. faktischer Inländer ist, im Ergebnis aber die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Straftaten von höherem Gewicht ist. Eine eigene Kernfamilie hat der Kläger nicht, zu seinen Eltern und Geschwistern besteht kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Dem Kläger sei es auch möglich und zumutbar, sich sprachlich und kulturell in der Türkei zu integrieren, zumal er Türkisch spreche.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.