Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 22. Juli 2015 - Vf. 84-VI/14
Gründe
Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Aktenzeichen: Vf. 84-VI-14
vom
Leitsatz:
über die Verfassungsbeschwerde des Herrn B. P. in S.
gegen
1. den Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 8. Juli 2013 Az. I e - I b 1 - 46/05
2. den Beschluss des Landgerichts Regensburg
3. den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg
erlässt in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B. P. in S., durch die Richterinnen und Richter Küspert, Kersten, Koch, Hilzinger, Schaudig, Dr. Weiß M., Dr. Kössinger, König-Rothemund, Prof. Dr. Lorenz ohne mündliche Verhandlung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 22. Juli 2015 folgende Entscheidung:
Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
I.
II.
III.
IV.
V.
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Urteil einreichenBayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 22. Juli 2015 - Vf. 84-VI/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Der Gefangene darf in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen.
(2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands
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mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder - 2.
das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde.
(3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Auf die Rüge eines durch eine Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung oder eine andere Abänderungsmöglichkeit nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung an diesen Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch nicht anfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist.
(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.
(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde, die die Überlassung von Kopien aus der Krankenakte des strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft, wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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1. Vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde, mit der eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, muss im Regelfall der Rechtsweg erschöpft werden (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Zum Rechtsweg gehört, soweit statthaft, auch die Anhörungsrüge (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>).
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Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde einen Gehörsverstoß durch das Oberlandesgericht nicht ausdrücklich rügt, ist insofern unerheblich, denn für die Obliegenheit, vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg - einschließlich einer statthaften Anhörungsrüge - zu erschöpfen (§ 90 Abs. 2 BVerfGG), kommt es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde einen Gehörsverstoß rügen will. Eine Anhörungsrüge muss daher auch dann erhoben werden, wenn der Beschwerdeführer zwar mit der Verfassungsbeschwerde keinen Gehörsverstoß rügt, die Erhebung einer Anhörungsrüge aber bei objektiver Betrachtung zur Korrektur der von ihm gerügten sonstigen Grundrechtsverstößeführen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris, Rn. 6).
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Im vorliegenden Fall war eine Anhörungsrüge (§ 33a StPO in Verbindung mit § 120 Abs. 1 StVollzG) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts nicht aussichtslos.
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a) Allerdings verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht, auf jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich einzugehen (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>; 96, 205 <216 f.>; stRspr). Erst recht kann in Fällen, in denen ein Gericht von der Pflicht, seine Entscheidung zu begründen, ohne Verfassungsverstoß durch Gesetz - hier: § 119 Abs. 3 StVollzG - ausdrücklich entbunden ist, nicht schon aus dem Fehlen von Ausführungen zu einem bestimmten Vorbringen des Rechtsschutzsuchenden geschlossen werden, dass das Gericht dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Umgekehrt schließt aber nicht schon der Umstand, dass eine Entscheidung von Gesetzes wegen keiner Begründung bedurfte, das Vorliegen eines Gehörsverstoßes aus. Eine Anhörungsrüge ist in einem solchen Fall vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erforderlich, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen oder erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 2011 - 2 BvR 2374/10 -, juris, Rn. 4, BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 6, m.w.N.). Ein solch besonderer Umstand kann auch darin liegen, dass das Fachgericht bei der Verwerfung eines Rechtsbehelfs von einer Begründung abgesehen hat, obwohl der Rechtschutzsuchende die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs substantiiert dargelegt hat (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 6, m.w.N.).
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b) Danach liegen hier besondere Umstände vor, die eine Anhörungsrüge vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde erforderlich machten.
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Die Rechtsbeschwerde stützte sich unter anderem ausdrücklich darauf, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung die dem Beschwerdeführer von Seiten der Justizvollzugsanstalt gemachten schriftlichen Zusagen unberücksichtigt gelassen habe. Angesichts des umfangreichen und detaillierten schriftsätzlichen Vorbringens des Beschwerdeführers zu diesen Zusagen einerseits und des völligen Schweigens der landgerichtlichen Beschlussgründe hierzu andererseits lag der damit gerügte Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch das Landgericht nahe. Denn auch wenn die Gerichte - wie dargelegt - nicht verpflichtet sind, jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, so haben sie jedenfalls die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Verteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>; 58, 353 <357>). Unter den gegebenen Umständen lag auch ohne weiteres nahe, dass die Entscheidung des Landgerichts auf der Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens beruhte. Denn im Falle einer bindenden schriftlichen Zusage der Justizvollzugsanstalt hätte der Beschwerdeführer unabhängig von der einfachrechtlichen Rechtslage einen das Antragsbegehren stützenden Anspruch auf die Aushändigung der begehrten Kopien gehabt (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 38 Rn. 1 ff.).
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Wenn das Oberlandesgericht unter diesen Umständen annahm, dass es auf die Rechtsbeschwerde hin nicht geboten sei, die Nachprüfung der Entscheidung des Landgerichts zu ermöglichen, obwohl § 116 Abs. 1 StVollzG allgemein dahin ausgelegt wird, dass mit der Rechtsbeschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 5, m.w.N.), liegt die Annahme nahe, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit es die Nichtberücksichtigung seines Vorbringens zu den Zusagen betraf, nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und berücksichtigt wurde.
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2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufhebung einer Aussetzung der Unterbringung im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 463 Abs. 1 in Verbindung mit § 454a Abs. 2 Satz 1 StPO.
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1. Der Beschwerdeführer wurde wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Aufgrund einer weiteren Tatserie wurde er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Mit Beschluss vom 28. Januar 2010 setzte das Landgericht Regensburg die Vollstreckung der Reststrafe sowie die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ab dem 15. September 2010 unter anderem unter der Voraussetzung aus, dass der Beschwerdeführer in ein näher bezeichnetes Männerwohnheim einziehe.
- 3
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a) Mit Beschluss vom 3. September 2010 hat das Landgericht Traunstein diesen Beschluss nach § 463 Abs. 1 in Verbindung mit § 454a Abs. 2 Satz 1 StPO aufgehoben, weil die Aufnahme des Beschwerdeführers von dem in Aussicht genommenen Männerwohnheim mit der Begründung verweigert worden war, dass der Beschwerdeführer die Tat nicht eingestehe, er sich nicht schuldbewusst zeige und die für eine Aufnahme unverzichtbare Voraussetzung einer abgeschlossenen Therapie nicht vorliege. Damit fehle es an einem geeigneten sozialen Empfangsraum als Voraussetzung dafür, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde.
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b) In seiner sofortigen Beschwerde hat der Beschwerdeführer die fehlende Verhältnismäßigkeit der fortgesetzten Unterbringung gerügt und sich insbesondere gegen die Weisung im Bewährungsbeschluss gewandt, wonach er in das die Aufnahme verweigernde Männerwohnheim einzuziehen habe. Die Erfüllung der Weisung hänge in unzulässiger Weise allein vom "guten Willen Dritter" ab.
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c) Mit Beschluss vom 9. Dezember 2010 hat das Oberlandesgericht München die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen. Die Ausführungen des Landgerichts hielten den gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich stand. Es sei absehbar, dass bei einem von Anfang an fehlenden sozialen Empfangsraum in einem aufnahmebereiten Männerwohnheim bereits die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nicht erfolgt wäre.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen diese Entscheidungen und rügt insbesondere den Beschluss des Oberlandesgerichts München als willkürlich. Das Oberlandesgericht München habe sich mit verschiedenen Aspekten des Maßregelvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nicht auseinandergesetzt und überdies verkannt, dass die bedingte Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung gerade keinen vollumfänglichen Erfolg des bisherigen Vollzugs verlange.
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3. Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unzulässig, weil der Rechtsweg nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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a) Vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde muss im Regelfall der Rechtsweg erschöpft werden (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Dazu gehört, soweit sie statthaft ist, auch die Anhörungsrüge (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Oktober 2011 - 2 BvR 2407/10 -, juris, Rn. 2).
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b) Für die Erhebung der Anhörungsrüge ist es unerheblich, ob der Beschwerdeführer die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör ausdrücklich und unter Anführung von Art. 103 Abs. 1 GG rügt. Denn die Obliegenheit, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg zu erschöpfen, erfasst auch die Erhebung einer statthaften und nicht von vornherein völlig aussichtslosen Anhörungsrüge, unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer einen Gehörsverstoß geltend machen will. Entscheidend ist allein, ob bei objektiver Betrachtung eine Korrektur der von ihm gerügten sonstigen Grundrechtsverstöße durch die Erhebung einer Anhörungsrüge möglich gewesen wäre (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Oktober 2011 - 2 BvR 2407/10 -, juris, Rn. 3).
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c) Zwar verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht, sich mit jeglichem tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>; 96, 205 <216 f.>; stRspr). Gleichwohl können besondere Umstände darauf hindeuten, dass ein Gehörsverstoß durch eine nicht hinreichende Erwägung entscheidungserheblichen Vorbringens eingetreten ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. April 2011 - 2 BvR 2374/10 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 610/08 -, juris, Rn. 6; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Oktober 2011 - 2 BvR 2407/10 -, juris, Rn. 5).
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d) Vorliegend wäre eine Anhörungsrüge (§ 33a StPO) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München statthaft und nicht von vornherein aussichtslos. In der Begründung seiner sofortigen Beschwerde hat der Beschwerdeführer unter anderem angeführt, dass die Aussetzung einer Unterbringung im Maßregelvollzug zur Bewährung nicht mit einer Auflage oder Weisung versehen werden darf, deren Einhaltung ausschließlich vom Verhalten Dritter abhängig ist. Das Oberlandesgericht hat sich weder mit diesem Einwand im Hinblick auf bestehende Alternativen zur Schaffung eines geordneten und strukturierten sozialen Empfangsraums auseinandergesetzt noch die Zulässigkeit einer solchen Bestimmung im Bewährungsbeschluss geprüft.
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e) Tatsächlich begegnet eine ausschließlich vom Verhalten Dritter abhängige Voraussetzung für eine Begünstigung, die einem der hoheitlichen Freiheitsentziehung unterliegenden Betroffenen gewährt werden kann beziehungsweise soll, verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGK 13, 137 <140 ff.>). Da der grundrechtlich verbürgte Freiheitsanspruch aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG nur durch die Gerichte eingeschränkt werden kann, kommt eine Delegation der Entscheidung, insbesondere an nicht der staatlichen Aufsicht unterworfene Dritte, nicht in Betracht. Den Gerichten ist es zwar nicht verwehrt, sich bei der Ausführung und Kontrolle einer das Freiheitsgrundrecht beschränkenden Entscheidung der Mithilfe privater Dritter, etwa der Einholung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage der eigenen Entscheidung (vgl. BVerfGE 70, 297 <309 f.>; 109, 133 <162 f.>; 117, 71 <107>), zu bedienen. Sie dürfen derartige Entscheidungen jedoch nicht von ihnen nicht steuer- oder kontrollierbaren Dritten überantworten oder allein von deren Urteil abhängig machen (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>; 109, 133 <164>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Mai 2011 - 2 BvR 942/11 - juris, Rn. 25; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2011 - 2 BvR 2135/10 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 1998 - 2 BvR 77/97 -, NJW 1998, S. 2202 <2203>).
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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Bedeutung und Tragweite des in den Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG verbürgten Freiheitsgrundrechts im vorliegenden Fall verkannt worden sind, weil die angegriffenen Entscheidungen maßgeblich auf die Weigerung des Männerwohnheims abgestellt haben, den Beschwerdeführer aufzunehmen, und auf das hieraus folgende Fehlen eines sozialen Empfangsraums. Alternativen erwogen haben sie nicht.
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f) Da das Oberlandesgericht München keine Ausführungen zu dieser Fragestellung gemacht hat, obwohl der Beschwerdeführer dazu Anstoß gegeben hatte, liegt die Annahme nahe, dass es das diesbezügliche Beschwerdevorbringen entweder übergangen oder zumindest nicht hinreichend gewürdigt hat.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.
(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.
(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.
(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.
(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
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eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.
(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.