Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Okt. 2017 - L 4 KR 349/17

bei uns veröffentlicht am23.10.2017
vorgehend
Sozialgericht München, S 18 KR 168/16, 23.03.2017
nachgehend
Bundessozialgericht, B 3 KR 65/17 B, 15.03.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.03.2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt die Erstattung der Kosten für die Leihgebühr und des Kaufpreises für eine Orthese „Walk Aide“ in Höhe von 4.790,39 EUR.

Die 1963 geborene Klägerin beantragte am 22. Dezember 2014 unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Orthopädie-Technik K. GmbH vom 17. Dezember 2014 die Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für die Miete eines Hilfsmittels „Walk Aide“ - einer Fußheberorthese der Firma P. - in Höhe von 855,48 EUR durch die Beklagte. Es handelt sich um das Gerät Walk Aide WA-5000. Dem lag eine Verordnung des I. Klinikums vom 11. Dezember 2014 für vier Wochen mit der Diagnose „Multiple Sklerose mit primär-chronischem Verlauf“ zugrunde.

Die Beklagte hatte eine Fußheberorthese (Unterschenkelorthese in C-Faser-Technik) bereits am 8. April 2013 gemäß Verordnung des Prof. Dr. Dr. F. vom 4. April 2013 genehmigt, nachdem die vorhandene Unterschenkelorthese schwer beschädigt war.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern kam in einer Stellungnahme vom 14. Januar 2015 zu dem Ergebnis, dass das beantragte Gerät nicht im Hilfsmittelverzeichnis der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgeführt sei. Allein die gemäß vorliegender Verordnung angegebene Diagnose begründe nicht die Versorgung, insbesondere unter Berücksichtigung bereits stattgehabter zeitnaher Vorversorgung. Ergänzende Einzelangaben seien erforderlich.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 19. Januar 2015 die Kostenübernahme ab.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens brachte die Klägerin vor, sie sei dringend auf eine neue Versorgung angewiesen, nachdem die bisher benutzte C-Faser-Orthese gebrochen sei. Bei der Myoorthese Walk Aide handele es sich um ein Gerät zur funktionellen Elektrostimulation, das den Fußhebernerv stimuliere, um Gangstörungen auszugleichen. Dadurch werde das Gangbild deutlich verbessert und die bei ihr sehr ausgeprägte Fußheberschwäche links optimal versorgt. Gefährliche Sturz- und Stolperfälle könnten verringert oder sogar vermieden werden.

Die Beklagte holte eine nochmalige Stellungnahme des MDK vom 24. Februar 2015 ein; der MDK wies erneut auf das Erfordernis einer entsprechenden Begründung hin, insbesondere auch zur medizinischen Zweckmäßigkeit der Neuversorgung.

Die Klägerin reichte eine weitere ärztliche Verordnung vom 12. März 2015 für die Versorgung mit der Myoorthese Walk Aide mit Zubehör und einen Kostenvoranschlag hierfür in Höhe von 5.325,93 EUR nach, ferner zwei Rechnungen vom 10. Februar 2015 in Höhe von 478,00 Euro und vom 12. März 2015 in Höhe von 4.312,39 EUR (Kaufpreis für Walk Aide sowie bereits bezahlte Mietpauschale für den Zeitraum vom 6. Februar bis 5. März 2015 in Höhe von 478,00 EUR).

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2016 zurück. Der MDK habe festgestellt, dass eine Neuversorgung aus sozialmedizinischer Sicht nicht notwendig sei.

Mit der Klage zum Sozialgericht München hat die Klägerin einen Anspruch auf Kosten-erstattung für die Leihgebühr und den Kaufpreis geltend gemacht. Die bisherige C-Faser-Orthese sei nach 1,5 Jahren gebrochen und habe nicht mehr repariert werden können. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen vor. Durch die funktionelle Elektrostimulation mit der Orthese Walk Aide werde ein besseres und stabileres Gehvermögen erreicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleiches Anspruch auf möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizites unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen Fortschrittes. Die Versorgung sei auch nicht unwirtschaftlich, da eine Neuversorgung notwendig gewesen sei. In dem beigefügten Attest vom 24. März 2016 hat der Chefarzt der Klinik für Neurologie des I.-Klinikums, Prof. Dr. M., bescheinigt, dass durch den Einsatz des Walk Aide-Systems bei der Klägerin ein physiologischeres Gangbild linksseitig ermöglicht werde mit einer deutlich verlängerten Gehstrecke. Die Fußheberschwäche beruhe auf einer primär chronisch progredienten Multiplen Sklerose, die seit 1997 bekannt sei, ohne dass es relevante Therapieoptionen gebe.

In einem weiteren Attest vom 17. Mai 2016 hat Dr. S. bestätigt, dass die bisherige Versorgung aufgrund einer Verschlechterung der Fußheberschwäche nicht mehr ausreichend gewesen sei. Aufgrund der langen Tragedauer von 10 bis 12 Stunden täglich sei die bisherige Versorgung wegen der hohen Beanspruchung bereits nach knapp zwei Jahren gebrochen und nicht mehr reparierbar. Mit Schreiben vom 17. Mai 2016 bescheinigte die Orthopädietechnik K. GmbH, eine Reparatur der im April 2013 angefertigten und im Jahr 2015 gebrochenen Orthese sei nicht möglich gewesen, da diese zwischen Knöchelgelenk und Fußsohle gebrochen sei.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein Austausch der bisherigen Orthese ausreichend und bei Weitem kostengünstiger sei.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Sozialmedizin Dr. H. vom 9. Juli 2016 eingeholt, der nach ambulanter Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Versorgung der Klägerin mit dem Fußhebersystem Walk Aide zum unmittelbaren Ausgleich einer Körperfunktion als Hilfsmittel nach § 33 SGB V notwendig sei. Bei dieser Orthese handele es sich um eine Beinmanschette mit Neurostimulator mit integriertem Gangsensor. Mittels des Gangsensors (Gyrosensor) werde festgestellt, wenn der Fuß vom Boden abgehoben werde und die Schwungphase eintrete; zeitgesteuert werde dann ein Stromimpuls abgegeben, der über die Kontaktflächen den Nervus peronaeus stimulieren solle und so zu einem Anheben des Vorderfuß führe. Nach einer einstellbaren Zeitspanne werde die Nervenstimulation beendet und der Vorderfuß falle in seine passive Stellung zurück. Durch diese Stimulation werde der linke Fuß im Sprunggelenk angehoben und ein physiologischeres Gangbild erreicht. Beim Beugen des linken Kniegelenkes registriere der im Gerät enthaltene Bewegungssensor gangphasenabhängig, ob ein Elektroimpuls abgegeben werden solle. Sofern dies der Fall sei, kontrahiere die Muskulatur daraufhin und der Fuß werde in der Schwungphase angehoben. Dadurch werde ein Hängenbleiben der Fußspitze beim Gehen und Treppensteigen verhindert bzw. vermindert; die Geschwindigkeit beim Gehen erhöhe sich und die Sicherheit beim Gehen werde verbessert, da das Sturzrisiko durch ein Hängenbleiben an Bodenunebenheiten vermindert werde. Diese Versorgung sei auch nicht unwirtschaftlich, da eine Carbonschiene bei einem Preis von 1.000.- EUR nur etwa ein Jahr halte und der Nervenstimulator mit fünf Jahren Lebensdauer veranschlagt werde bei einem Preis von unter 5.000.- EUR. Das beantragte Fußhebersystem sei zum unmittelbaren Ausgleich einer Körperfunktion als Hilfsmittel nach § 33 SGB V zu empfehlen.

Die Beklagte hat eingewandt, die Versorgung mit einem Fußhebersystem Walk Aide könne nicht als Leistung der GKV beansprucht werden, da hierfür eine positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundessausschuss (G-BA) erforderlich sei, die bisher nicht vorliege. Diese Notwendigkeit ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 8. Juli 2015, Az.: B 3 KR 5/14 R, der zufolge eine Bewertung durch den G-BA zu erfolgen habe, wenn das Hilfsmittel wie im vorliegenden Fall untrennbar mit einer speziellen Behandlungsmethode verbunden sei. Mit der Methode der dauerhaften funkgesteuerten Elektrostimulation seien auch gesundheitliche Risiken verbunden und die Versorgung durch den Orthopädiemechaniker erfordere den Erwerb eines Zertifikates vom Hersteller. Eine Bewertung durch den G-BA sei angesichts dessen unerlässlich.

Dr. H. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 2016 an seinem Gutachtensergebnis festgehalten. Das Hilfsmittel Walk Aide sei ein technisch weiterentwickeltes Hilfsmittel, das dem unmittelbaren Behinderungsausgleich diene. Es handele sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Im Vergleich zu einer Peronaeusorthese stelle ein Nerven- und Muskelstimulator ein fortschrittlicheres, technisch weiterentwickeltes Hilfsmittel dar. Dieses könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht sei. Das Hilfsmittelverzeichnis sei nach der Rechtsprechung nur eine Auslegungshilfe. Neurostimulatoren zum Behinderungsausgleich seien im Hilfsmittelverzeichnis mit der Hilfsmittelnummer 09.37.04.1.x aufgeführt, jedoch ohne ein gelistetes Einzelprodukt. Es sei vom G-BA kein Ausschluss von sensorgesteuerten Stimulationsgeräten zum Behinderungsausgleich erfolgt, vielmehr seien lediglich keine einzelnen Geräte im Hilfsmittelkatalog gelistet. Grundsätzlich seien aber sensorgesteuerte Stimulationsgeräte vom G-BA als geeignet bewertet, da anderweitig die Aufnahme dieses Unterpunktes ins Hilfsmittelverzeichnis nicht plausibel erklärbar wäre.

Die Beklagte hat nochmals auf die Rechtsprechung des BSG verwiesen, insbesondere zum Glukosemessgerät; hierdurch ergebe sich die Notwendigkeit der Bewertung des Fußhebersystems durch den G-BA als neue Behandlungsmethode.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 23. März 2017 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 verurteilt, der Klägerin die Leihgebühr und den Kaufpreis für die Orthese Walk Aide zu erstatten. Es handele sich bei der Myoorthese Walk Aide um ein für die Klägerin notwendiges Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Das Sozialgericht hat sich hierbei auf die gutachterlichen Ausführungen des Dr. H. gestützt. Die von der Klägerin selbstbeschaffte Orthese Walk Aide diene dem Ausgleich der Fußheberschwäche links der Klägerin, die eine Behinderung darstelle.

Walk Aide gehöre zu den Hilfsmitteln, die einen unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkten. In diesem Bereich gelte nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizites unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinisch-technischen Fortschrittes. Der Indikationszweck des Fußhebersystems Walk Aide liege nach den überzeugenden Feststellungen des medizinischen Sachverständigen nicht darin, eine Erkrankung zu therapieren, sondern im Ausgleich der Gehbehinderung der Klägerin. Dass die Orthese Walk Aide selbst eine neue Behandlungsmethode darstelle, treffe im Hinblick darauf nicht zu.

Die Leistungspflicht der Beklagten entfalle auch nicht nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 8. Juli 2015 (BSG, Az.: B 3 KR 5/14 R). Sofern ein Hilfsmittel den Erfolg einer Krankenbehandlung im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V sichern solle und dabei in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V eingesetzt werde, sei dem BSG zufolge Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den G-BA anerkannt worden sei. Die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung lägen jedoch im vorliegenden Fall nicht vor. Weder diene die Orthese Walk Aide der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung noch sei nach den Äußerungen des Dr. H. ein untrennbarer Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode gegeben. Dies habe Prof. Dr. M. in seinem Attest vom 24. März 2016 bestätigt, in dem er ausgeführt habe, für die Erkrankung der Klägerin gebe es keine relevanten Therapieoptionen.

Auch dass Walk Aide bisher nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sei, stehe dem Leistungsanspruch der Klägerin nicht entgegen.

Schließlich hat die Kammer keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot geäußert.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte (fristgerecht) Berufung eingelegt und im Wesentlichen erneut dargelegt, dass es sich bei diesem Gerät um ein Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V handele, wofür eine positive Empfehlung des G-BA notwendig sei. Diese liege nicht vor. Dürfe eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels positiver Empfehlung des G-BA nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden, könne durch § 33 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. SGB V kein Anspruch des Versicherten auf das untrennbar mit dieser Behandlung verbundene Hilfsmittel begründet werden. Sie hat nochmals auf die Entscheidung des BSG vom 8. Juli 2015 (a.a.O.) hingewiesen.

Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. SGB V habe im Gegensatz zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nach der Rechtsprechung des BSG zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund stehe der unmittelbare Behinderungsausgleich, wobei das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts gelte. Würden lediglich direkte und indirekte Folgen der Behinderung ausgeglichen, liege ein sog. mittelbarer Behinderungsausgleich vor. Aufgabe der GKV sei hier die medizinische Rehabilitation.

Das streitige Hilfsmittel verfüge gemäß dem Benutzerhandbuch sowohl über eine Komponente des Behinderungsausgleichs (Ermöglichung eines sicheren bzw. einfacheren Gehens), es diene aber auch zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (wenn sich das Neurostimulationsgerät während des Sitzens im Übungsmodus befinde). Die durch das Gerät generierte dauerhafte funk-frequenzgesteuerte Neurostimulation der Fußhebermuskulatur, die auch mit Risiken bzw. Unabwägbarkeiten verbunden sei (siehe auch Hinweise im Handbuch), stelle somit eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V dar.

Es bestehe für die permanente, auch 24 Stunden pro Tag einsetzbare, elektrische Stimulation von Muskelgruppen auch keine entsprechende Abrechnungsziffer im EBM-Ä, insbesondere sei die EBM-Ziffer 02512 nicht anwendbar. Eine entsprechende Behandlung würde durch einen Arzt oder einen fachlich geschulten Therapeuten erfolgen. Das Fußhebersystem sei aber über Sanitätshäuser in Deutschland frei verkäuflich und könne von jedermann ohne jede medizinische Einweisung und Kontrolle eingesetzt werden; Reizparameter würden nicht medizinisch begründet festgelegt.

Schließlich hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des MDK auf eine Unterschenkelprothese in Carbontechnik bzw. eine adäquate Versorgung durch die im Bereich der Produktgruppe unter 23.03.02. 6 ff gelisteten Fußheberorthosen verwiesen. Es sei nicht schlüssig dargelegt, dass das begehrte Fußhebersystem demgegenüber wesentliche Gebrauchsvorteile zum Ausgleich der Behinderung beim Gehen biete.

Die Klägerin hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass das Hilfsmittel in erster Linie einen unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirke und nicht der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung diene. Dies habe auch der Sachverständige Dr. H. bestätigt. Eine fehlende positive Empfehlung des G-BA stehe deshalb ebensowenig einem Leistungsanspruch entgegen wie die Nichtaufführung im Hilfsmittelverzeichnis.

Der Senat hat auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 14. April 2015 (Az.: L 1 KR 277/13 - juris) sowie die Entscheidung des BSG vom 30. Juli 2015 (B 3 KR 39/15 B) hingewiesen. Ferner hat der Senat zuletzt noch auf die Entscheidungen des Hessisches LSG vom 23. Februar 2017 (Az.: L 8 KR 372/16 - juris) und des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. vom 5. Juli 2017, Az.: IV ZR 116/15 - juris) sowie die Homepage der Techniker Krankenkasse (TKK) zur Kostenübernahme für Elektrostimulationsgeräte (Stand: 21. April 2017) hingewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2017 hat die Klägerin die Funktion des Gerätes vorgeführt. Sie hat versichert, dass sie bei ihrem Krankheitsbild einen Übungsmodus nicht sinnvollerweise nutzen könne. Sie bediene nur nach dem Anlegen einen Knopf, um festzustellen, ob das Gerät funktioniere. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. März 2017 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.

Entgegen der Antragstellung und dem Tenor im erstinstanzlichen Verfahren kann der Erstattungsanspruch beziffert werden. Nach den vorgelegten Rechnungen vom 10. Februar 2015 in Höhe von 478,00 Euro und vom 12. März 2015 betragen die verauslagten Kosten 4.790,39 EUR: 4.312,39 EUR Kaufpreis für das Walk Aide System sowie bereits bezahlte Mietpauschale für den Zeitraum vom 6. Februar bis 5. März 2015 in Höhe von 478,00 EUR.

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch kommt hier nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Die aufgrund der nach § 13 Abs. 3 a S. 2 SGB V mitgeteilten Einholung einer Stellungnahme des MDK geltende 5-Wochenfrist des § 13 Abs. 3 a S. 1 SGB V ist eingehalten.

§ 13 Abs. 3 SGB V gibt für den Ausnahmefall einen Kostenerstattungsanspruch, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann.

Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten die Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte (erste Fallgruppe) oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte (zweite Fallgruppe). Dies käme hier zum Zuge, wenn die Ablehnung der beantragten Kostenübernahme mit Bescheid vom 19. Januar 2015 zu Unrecht erfolgte. Dabei setzt die zweite Fallgruppe eine Kausalität zwischen Ablehnung und Kostenentstehung voraus. Der Kostenerstattungsanspruch setzt insoweit voraus, dass der Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse veranlasst wird, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen (BSG, Breith. 2002, 154 ff). Davon ist vorliegend ganz offensichtlich auszugehen. Nahe liegt auch das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne der ersten Fallgruppe des § 13 Abs. 3 SGB V, da die bisherige Orthese gebrochen und nicht mehr zu reparieren war.

Der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung richtet sich nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei muss das begehrte Hilfsmittel nicht im sog. Hilfsmittelverzeichnis (siehe § 139 SGB V) gelistet sein; bei diesem Verzeichnis handelt es sich nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (so z.B. auch: Thüringer LSG, Urteil vom 23. August 2016 - L 6 KR 1037/13 - juris; Hessisches LSG, Urteil vom 23. Februar 2017, L 8 KR 372/16 - juris). Ein Hilfsmittel, das im Hilfsmittelverzeichnis nicht aufgeführt ist, muss zu seiner Verordnungsfähigkeit allerdings durch medizinisch-technische Studien in seiner Wirksamkeit nachgewiesen sein.

Das Sozialgericht hat hierbei unter wesentlicher Bezugnahme auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Dr. H. eine derartige Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 angenommen. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird auf die Begründung des Sozialgerichts verwiesen.

Hinsichtlich der medizinischen Fragen ist auch nach Ansicht des Senats auf das Gutachten des Dr. H. abzustellen, der das Fußhebersystem Walk Aide zum unmittelbaren Ausgleich einer Körperfunktion als Hilfsmittel nach § 33 SGB V bei der Klägerin für notwendig erachtet hat. Folge dieses technisch hochwertigen Produkts ist, dass ein Hängenbleiben der Fußspitze beim Gehen und Treppensteigen verhindert bzw. vermindert wird; die Geschwindigkeit beim Gehen erhöht sich und die Sicherheit beim Gehen wird verbessert. Maßgebliche medizinische Diagnose ist eine bei der Klägerin primär chronisch progredient verlaufende Multiple Sklerose mit links und beinbetonter spastischer Parese. Unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. H. ist auch von einer grundsätzlichen Wirksamkeit des Hilfsmittels auszugehen. Dies wird auch von der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Darin unterscheidet sich das Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung von dem in dem Verfahren, über das das Hessische LSG entschieden hat (Urteil vom 14. April 2015, a.a.O.). Dort hatte das LSG angenommen, dass es sich zwar um ein Hilfsmittel handele, bei dem jedoch durch medizinisch-technische Studien eine Wirksamkeit nicht nachgewiesen sei:

„Auch die im Berufungsverfahren erfolgte Beweiserhebung hat den erforderlichen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit der begehrten Hilfsmittel nicht erbracht. Der Sachverständige Dr. N. hat zwar Literatur zu den begehrten Hilfsmitteln genannt. Zugleich hat er aber den wissenschaftlich belegten Wirksamkeitsnachweis durch die in den von ihm aufgeführten Studien größtenteils in Zweifel gezogen. Darüber hinaus ist weiterhin nicht nachgewiesen, dass die begehrte Walk-Aide-Myoorthese bei der Klägerin eine bessere Wirksamkeit gegenüber der vorhandenen Fußheberschiene aufweist. Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Oktober 2012 (S 9 KR 167/11) berufen, da diesem ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Darüber hinaus ist in dieser Entscheidung keine Aussage zum Wirksamkeitsnachweis gemacht worden, worauf die Beklagte zutreffend verwiesen hat.“ (Hess. Landessozialgericht, a.a.O., juris Rn. 21).

Das BSG hat mit Beschluss vom 30. Juli 2015 die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen (Az.: B 3 KR 39/15 B) mit der Begründung, in der Beschwerde fehlten Ausführungen zu der „für die Hilfsmittelversorgung wichtigen Frage, ob es um die Sicherung des Behandlungserfolgs oder den Ausgleich einer Behinderung geht“.

In einer weiteren Entscheidung - vom 23. Februar 2017 (Hessisches LSG, a.a.O. - juris Rn. 19) - hat das Hessische LSG diese Ansicht im Ergebnis bestätigt und ausgeführt, dass zur Überzeugung des Senats im Anschluss an das Ergebnis der vorliegenden MDK-Gutachten der therapeutische Nutzen dieses Produktes sowie die Überlegenheit gegenüber einer herkömmlichen Unterschenkelbzw. Fußheberorthese nicht belegt sei. Darüber hinaus hat das Hessische LSG darauf hingewiesen, dass die Myo-Orthese Walk-Aide aufgrund der vorliegenden Epilepsie der dortigen Klägerin kontraindiziert sei.

Festzuhalten ist zunächst, dass vom G-BA kein Ausschluss von sensorgesteuerten Stimulationsgeräten zum Behinderungsausgleich erfolgt ist; es sind vielmehr lediglich keine einzelnen Geräte im Hilfsmittelkatalog gelistet. Dr. H. weist zutreffend darauf hin, dass Neurostimulatoren zum Behinderungsausgleich im Hilfsmittelverzeichnis mit der Hilfsmittelnummer 09.37.04.1.x aufgeführt sind, jedoch ohne ein gelistetes Einzelprodukt. Grundsätzlich seien aber sensorgesteuerte Stimulationsgeräte vom G-BA als geeignet bewertet, da anderweitig die Aufnahme dieses Unterpunktes ins Hilfsmittelverzeichnis nicht plausibel erklärbar wäre.

Hierauf verweist im Übrigen auch der MDK in Bayern in seiner Stellungnahme vom 14. Januar 2015: „Grundsätzlich sind Elektrostimulationsgeräte zur funktionellen Elektrostimulation (FES) im vorliegenden MDS-Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V unter der Produktuntergruppe 09.37.04 als Einkanalperonäusstimulatoren (Produktart 09.37.04.0…) und mehrkanalige, sensorgesteuerte Stimulationsgeräte zum Behinderungsausgleich (Produktart 09.37.04.1…) dargestellt“. Es fehle lediglich eine Aufführung gelisteter Einzelprodukte. Der MDK hat sich im Ergebnis dahingehend geäußert, dass alleine die in der vorliegenden Verordnung angegebene Diagnose eine Versorgung nicht begründen könne.

Der BGH (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017, a.a.O.) hat für den Bereich der privaten Krankenversicherung (zum Basistarif) entschieden, dass ein Gerät, das lediglich elektrische Impulse aussende, um Muskeln anzuregen, nicht deren Stützfunktion übernehme. Das Stimulationsgerät Walk Aide sei somit nicht unter die Geräte der Hilfsmittelliste zu subsumieren (BGH - juris Rn. 14). Implizit hat der BGH im Folgenden aber angenommen, dass Kosten für ein Elektrostimulationsgerät in der GKV erstattet würden (juris Rn. 16). Internetrecherchen haben ergeben, dass einige gesetzliche Krankenkassen „Elektrostimulationsgeräte“ als verordnungsfähiges Hilfsmittel betrachten, so z.B. die TKK bzgl. TENS- und EMS-Geräten (Homepage, a.a.O.).

Nach Überzeugung des Senats handelt es sich bei dem von der Klägerin beantragten Gerät um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V, bei dem nicht eine neue Behandlungsmethode bzw. ein untrennbarer Zusammenhang mit einer neuen Behandlungsmethode im Vordergrund steht, sondern bei dem es sich um ein Hilfsmittel handelt, das dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient.

Die Myoorthese ist nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. SGB V zu sichern. In Betracht kommen hierbei alle sächlichen Mittel, die der Krankheitsbekämpfung dienen und spezifisch im Rahmen der Krankenbehandlung eingesetzt werden. Es genügt, wenn der therapeutische Erfolg erst angestrebt wird und es nicht nur um die Sicherung eines schon eingetretenen Heilerfolgs geht. Hilfen zur körperlichen Betätigung können beansprucht werden, wenn die Betätigung in einem engen Zusammenhang mit einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung steht und für die gezielte Versorgung (Behandlungsziele des § 27 Abs. 1) erforderlich sind (KassKomm-Nolte, § 33 SGB V, Rn. 7).

Ist ein Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungsmethode, bedarf es einer positiven Stellungnahme durch den G-BA (BSG vom 8. Juli 2015, a.a.O.). Erst wenn die Prüfung durch den G-BA positiv verlaufen ist, sind die für den Einsatz im Rahmen der Behandlungsmethode erforderlichen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der GKV (BSG Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 1/16 R; BSG Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 6/16 R; BSG Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R; KassKomm-Nolte, a.a.O.). Eine positive Empfehlung des G-BA liegt nicht vor.

Das BSG hat in dem o.g. Beschluss zur Nichtzulassungsbeschwerde (a.a.O.) ebenfalls eine Abgrenzung zwischen der Frage, ob es um die Sicherung des Behandlungserfolgs oder den Ausgleich einer Behinderung geht - also eine Abgrenzung zwischen der 1. und 2. Alternative des § 33 Abs. 1 SGB V - für wesentlich erachtet. Dabei ist ferner im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. SGB V zu unterscheiden zwischen einem unmittelbaren und einem mittelbaren Behinderungsausgleich. Der Behinderungsausgleichs nach § 33 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. SGB V hat im Gegensatz zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nach der Rechtsprechung des BSG zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund steht der unmittelbare Behinderungsausgleich.

Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist der Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich auf den vollständigen funktionalen Ausgleich der Behinderung gerichtet. Damit steht der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen natürlichen Funktionen im Vordergrund. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Es gilt hier das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen und technischen Fortschritts (zum Ganzen KassKomm-Nolte, a.a.O., Rn. 11 unter Verweis auf BSGE 105, 170 - digitale Hörgeräte; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 34 Rn. 31 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 24 Rn. 18 - Badeprothese). Eine Kosten-Nutzen-Abwägung ist in diesem Bereich nicht statthaft (KassKomm-Nolte, a.a.O., Rn. 11a m.w.N.).

Die Myoorthese dient dem Ausgleich der Behinderung der Klägerin beim Gehen (zu einer Beinprothese: BSG vom 16. September 2004, B 3 KR 20/04 R).

Demgegenüber zielt der mittelbare Behinderungsausgleich auf die Beseitigung oder zumindest Milderung der direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ab, soweit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder zumindest gemildert werden und somit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist (BSG SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 26 Rn. 16 - GPS für blinde Versicherte; BSGE 98, 213). Hier schulden die gesetzlichen Krankenkassen lediglich einen Basisausgleich.

Der Sachverständige Dr. H. hat ergänzend zu seinem Gutachten mit überzeugender Begründung die Ansicht vertreten, dass nach seiner Einschätzung dieses Hilfsmittel ein technisch weiterentwickeltes Hilfsmittel ist, das dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient. Im Vergleich zu einer Peronaeusorthese stellt ein Nerven- und Muskelstimulator ein fortschrittlicheres, technisch weiterentwickeltes Hilfsmittel dar. Der mit den herkömmlichen Orthesen erzielbare Versorgungsstandard erreicht nicht den Maßstab des natürlichen Gehens. Solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist, ist Raum für eine Fortentwicklung des Hilfsmittels.

Dabei handelt sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V, so dass die 1. Alternative des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB ausscheidet.

Der MDK lässt diese Fragen in seinen Stellungnahmen zuletzt vom 24. Februar 2015 weitgehend offen; verlangt wird dort, dass „die gewünschte Versorgung mit Walk Aide als optionale Versorgung zu einer Versorgung mit Unterschenkelorthese in Carbonfasertechnik unter Berücksichtigung der gezielten Fragestellung der Krankenkasse verordnerseitig auch unter Berücksichtigung der Vorgaben gemäß § 7 Abs. 2 Hilfsmittelrichtlinien etc. entsprechend zu begründen“ wäre (Seite 3 der MDK-Stellungnahme). Dr. H. positioniert sich klar gegen das Vorliegen einer neuen Behandlungsmethode.

Nach Auffassung der Beklagten verfügt das Fußhebersystem Walk Aide sowohl über eine Komponente zum Behinderungsausgleich, durch die ein sicheres bzw. einfacheres Gehen ermöglicht werden soll, soll aber zusätzlich zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen, wofür insbesondere auch der Übungsmodus während des Sitzens spreche. Allerdings steht nach Überzeugung des Senats ganz überwiegend der Behinderungsausgleich im Vordergrund - vor allem bei der Nutzung, wie sie die Klägerin in Anspruch nimmt. Aufgrund ihres Krankheitsbildes einer Multiplen Sklerose kann sie den Übungsmodus nicht sinnvollerweise nutzen, wie sich auch aufgrund der mündlichen Verhandlung ergeben hat. Primärer Zweck des Nervenstimulators Walk Aide ist kein Biofeedbacksystem, wie der Sachverständige Dr. H. ausführte; d.h. die Zielsetzung besteht nicht darin, eine Rückkoppelung von physiologischen Körperzuständen zu ermitteln. Der ganz überwiegende Zweck besteht vielmehr nur darin, ein besseres und sicheres Gehen zu ermöglichen. Dr. H. weist darauf hin, dass das System keine Therapie darstellt. Zwar kann gegebenenfalls eine mögliche therapeutische Funktion zur Aktivierung der teilgelähmten und spastischen Peroneusmuskulatur bei Einsatz des Systems erfolgen; dies ist jedoch, wie auch oben dargelegt, nicht primär eine Indikation für dieses Hilfsmittel. Hierfür sind die anerkannten Therapieverfahren wie z.B. Physiotherapie oder Entspannungstherapie zu beanspruchen.

Im Vordergrund steht damit der Behinderungsausgleich. Dies deckt sich nicht nur mit der Annahme des Gutachters, sondern wird auch dem überwiegenden Sinn und Zweck des Systems gerecht. Die Firma P. bewirbt auf der Homepage (www.P..de) das Gerät zur Anpassung des individuellen Gehmusters mittels des speziellen Softwareprogramms. Die elektrischen Signale betreffen den Peroneus-Nerv, dessen Funktion die Steuerung der Bewegungen in dem Fußgelenk und dem Fuß ist. Die Muskeln werden dadurch veranlasst, den Fuß zum richtigen Zeitpunkt anzuheben. Selbst wenn man auf die Möglichkeit der Nutzung des Übungsmodus abstellt, dient auch dieser nur dazu, die Muskeln zu trainieren, die Nerven zum Gehirn anzusprechen und Bewegungen anzubahnen. Der Übungsmodus dient, zumal bei der Klägerin, nicht dazu, den Erfolg einer Krankenbehandlung (hier der Multiplen Sklerose) zu sichern, sondern die Nutzung des Hilfsmittels zu optimieren und sich an das System zu gewöhnen.

Zwar steht dem Anwender dauerhaft eine funk-frequenzgesteuerte Neurostimulation der Fußhebemuskulatur über den Peronaeusnerv zur Verfügung, jedoch erfolgt dies durch ein Softwareprogramm, das der Anpassung durch speziell ausgebildete Ärzte, aber auch Therapeuten und Techniker bedarf (Homepage Fa. P.). Die Beklagte argumentiert hierbei hinsichtlich einer Behandlungsmethode mit der permanenten Einsetzbarkeit, dem Fehlen einer Abrechnungsziffer im EBM-Ä, mit einer im Rahmen des § 125 Abs. 2 SGB V geschlossenen Vereinbarung zwischen den Ersatzkassen und den Physiotherapeuten mit einer „Regelbehandlungszeit von fünf bis zehn Minuten je Muskelnerveinheit“.

Dem steht entgegen, dass eine Bestimmung von Reizparametern bei dem Fußhebersystem nicht erfolgt, insbesondere nicht speziell durch einen Arzt. Das Fußhebersystem kann auch ohne ärztliche Verordnung von jedermann erworben werden. Der Vertrieb erfolgt in Deutschland überwiegend durch Sanitätshäuser.

Die Orthese soll bei der Klägerin die zuvor verordnete und von der Beklagten übernommene Carbonschiene ersetzen, die unstreitig dem unmittelbaren Behinderungsausgleich diente, nur inzwischen gebrochen war.

Gerade auch im Hinblick auf die Anwendung bei der Klägerin liegt somit ein Fall des Behinderungsausgleichs, und zwar des unmittelbaren nach § 33 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. SGB V vor in Form der Erleichterung und Unterstützung der beeinträchtigten Körperfunktion Gehen. Abzustellen ist hierbei auf einen vollständigen funktionalen Ausgleich der Behinderung. Es geht um einen unmittelbaren Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten natürlichen Funktion des Gehens.

Der Senat sieht in der Zwischenzeit auch den therapeutischen Nutzen und die Wirksamkeit des Walk Aide-System im Sinne einer evidenzbasierten Medizin für nachgewiesen. Zu würdigen ist hierbei nur der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritts. Derart grundsätzliche Bedenken gegen das Walk Aide-System finden sich in den Stellungnahmen des MDK in Bayern aus dem Jahre 2015 nicht.

Zwar hat das Hessische LSG einen abschließenden Beleg anhand kontrollierter, prospektiver, randomisierter Studien als nicht bestehend angesehen (Hessisches LSG vom 23. Februar 2017, a.a.O.). Dies erfolgte allerdings unter Bezugnahme auf ein dort eingeholtes Gutachten des MDK aus dem Jahre 2014. Es sei nicht gesichert, ob die Myoorthese in der Lage sei, bei einer komplexen, zentralneurologischen Störung einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erzielen, da lediglich isoliert die Fußhebermuskulatur stimuliert werde. Ein Einfluss auf die hier vorliegende zentralneurologische Störung, auf den damit verbundenen veränderten Muskeltonus und die Störung von Gleichgewicht, Bewegungskoordination und Symmetrie sei durch das Walk Aide-System nicht möglich.

Die 2015 und 2017 vom Hessischen LSG aufgeführten Bedenken zum Wirksamkeitsnachweis bzw. zur besseren Wirksamkeit gegenüber der vorverordneten Fußheberschiene greifen heute nicht mehr. Das System hält sich auf dem Markt und wurde inzwischen auch für Kinder und Jugendliche weiterentwickelt. Auch der gerichtliche Sachverständige äußerte keine Zweifel an der besseren Wirksamkeit; dabei stellt er auf die Vorteile für die Klägerin ab. Es ermöglicht der Klägerin ein sichereres, schnelleres und ermüdungsfreieres Gehen. Im Gegensatz zu einer passiven Orthese kann ein Heben des Vorfußes bei entsprechendem Training auch über die Neutral-Null-Stellung hinaus bewerkstelligt werden. Hier kann sich somit ein weiterer, nach Ansicht des Sachverständigen entscheidender Vorteil zwischen dem aktiven System und einer passiv fixierenden Peronaeusschiene ergeben.

Kosten-Nutzen-Abwägungen sind im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs nicht statthaft. Es ist jedoch auch auf die Darlegung des Sachverständigen zu verweisen, dass die Versorgung mit dem Fußhebersystem auch nicht unwirtschaftlich ist. Eine Carbonschiene ist mit einem Preis von ca. 1.000.- EUR anzusetzen; die Haltbarkeit ist sehr beschränkt (etwas über ein Jahr). Die Lebensdauer bei einem Nervenstimulator wird mit fünf Jahren kalkuliert bei einem Preis von unter 5.000.- EUR.

Das Konkurrenzprodukt Ness L 300 der Fa. B. ist nach Recherche des Sachverständigen nicht baugleich (zusätzlicher Fußdrucksensor) und mit ca. 5.500.- EUR teurer.

Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V scheidet damit aus.

Unstreitig handelt es sich nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Ein Ausschluss nach § 34 SGB V greift nicht.

Die Höhe der von der Klägerin verauslagten Kosten ist belegt und unstreitig. Entsprechende vertragsärztliche Verordnungen liegen vor.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von einer Entscheidung des BSG ab, sondern berücksichtigt diese wie insbesondere das Urteil des BSG vom 8. Juli 2015 (BSG, a.a.O.). Auch setzte sich der Senat mit der vom BSG in dem Beschluss vom 30. Juli 2015 (BSG, a.a.O.) als wichtig herausgestellten Frage auseinander, ob es um die Sicherung des Behandlungserfolgs oder den Ausgleich einer Behinderung geht. Wie dargelegt war dabei gerade auch auf die konkrete Anwendung durch die Klägerin und das bei ihr bestehende Krankheitsbild abzustellen.

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Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 34 Ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel


(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 139 Hilfsmittelverzeichnis, Qualitätssicherung bei Hilfsmitteln


(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 125 Verträge zur Heilmittelversorgung


(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt mit bindender Wirkung für die Krankenkassen mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Heilmittelerbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene für jeden Heilmittelbereich einen

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Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.04.2017 wird zurückgewiesen.Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Tatbestand   1 Die Beteiligten s

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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein selbst beschafftes "Continuous Glucosemonitoring System" (CGMS) nebst Verbrauchsmaterialien (Sensoren und Pflaster).

2

Die 2008 geborene Klägerin leidet an Diabetes mellitus Typ I und wurde deshalb bereits mit einer Insulinpumpe ausgestattet. Im April 2012 beantragte sie bei der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einem CGMS. Hierdurch könne die Insulinpumpe zu dem sogenannten "Veo System" erweitert werden, das neben der Veo-Insulinpumpe aus dem Glukosesensor Enlite®, der in das Unterhautfettgewebe eingeführt werde, und dem MiniLink® TM Real-Time-Transmitter bestehe, der die Glukosewerte per Funk an die Veo-Insulinpumpe sende. Den Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.4.2012, Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012). Daraufhin hat sich die Klägerin das CGMS (bestehend aus einem CGM Starter Kit Enlite®, einem MiniLink® Transmitter Set Enlite®, fünf Enlite® Glukosesensoren und zehn Pflastern) am 23.10.2012 für 1289,48 Euro selbst beschafft. Am 4.2. und am 10.6.2013 erwarb sie weitere Glukosesensoren und Pflaster für jeweils 615,23 Euro.

3

Die Klage auf Erstattung aller Anschaffungskosten hat das SG abgewiesen (Urteil vom 22.8.2013). Die Berufung war ebenfalls erfolglos (Urteil vom 6.3.2014): Bei dem CGMS handele es sich nicht um ein Hilfsmittel, sondern um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Das Therapiekonzept zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ I bestehe nach der S3-Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) vom September 2011 aus den Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Schulung und psychosoziale Betreuung. Im Rahmen der Insulintherapie seien Blutglukosemessungen durchzuführen; der HbA1c-Wert müsse in regelmäßigen Abständen durch einen Arzt kontrolliert werden. Bei der Glukosemessung mittels CGMS handele es sich hingegen um ein anderes - neues - Konzept im Rahmen einer vertragsärztlichen Behandlungsmethode. Die Glukosekonzentration werde nicht im Blut, sondern in der Gewebeflüssigkeit im Unterhautfettgewebe (Interstitium) gemessen. In diesem Bereich liege eine leicht erniedrigte Zuckerkonzentration vor, sodass der mittels des CGMS bestimmte Wert nicht demjenigen der Blutzuckerkonzentration entspreche. Zudem ergäbe die konventionelle Blutzuckermessung Momentaufnahmen, während Ziel des CGMS die Abbildung des Glukoseverlaufs über einen längeren Zeitraum und damit eine langfristige Verbesserung der Stoffwechsellage von Diabetikern sei. Soweit die Klägerin geltend mache, durch das CGMS werde bei ihr ein elementarer Behinderungsausgleich erzielt, könne dies die Prüfung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht entbehrlich machen. Die demnach erforderliche Empfehlung des GBA nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V liege aber bis heute nicht vor. Anhaltspunkte für ein sogenanntes Systemversagen seien nicht gegeben. Aus diesen allein maßgeblichen Gründen scheide ein Anspruch der Klägerin aus, sodass die von ihr zu Beweiszwecken begehrte Beiziehung sämtlicher Beratungsunterlagen und Protokolle aller öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen des GBA zum Thema "kontinuierliche Glukosemessung" nicht erforderlich gewesen sei.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass es sich bei dem CGMS um ein Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 SGB V und nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V handele. Die Prüfung eines neuen Hilfsmittels falle nur dann in den Zuständigkeitsbereich des GBA, wenn es im Rahmen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingesetzt werden solle, zu der sich der GBA noch nicht positiv geäußert habe. Solle hingegen ein neues Hilfsmittel im Rahmen einer bereits anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen, sei gerade kein Bewertungsverfahren durch den GBA nach § 135 Abs 1 SGB V erforderlich. So liege der Fall hier. Das CGMS komme lediglich als ergänzendes Messgerät im Rahmen der etablierten Diabetestherapie zum Einsatz und verändere diese nicht wesentlich dadurch, dass die Glukosemessung kontinuierlich im Unterhautfettgewebe erfolge. Bestätigt werde dies auch durch den vorläufigen Berichtsplan des durch den GBA am 23.11.2012 mit der Bewertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung (CGM) mit Real-Time-Messgeräten beauftragten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom 30.9.2013. Hieraus ergebe sich, dass Sinn und Zweck des Einsatzes der Messgeräte die Verbesserung der Blutzuckerkontrolle durch mehr Messwerte oder eine größere Datenlage und die bessere Vermeidung zu hoher oder zu niedriger Blutzuckerwerte mittels Alarmfunktion sei. Damit sei der Anwendungsbereich des § 135 Abs 1 SGB V nicht eröffnet, weil auch mit einem konventionellen Blutzuckermessgerät alle fünf Minuten der Blutzucker bestimmt und die Werte anschließend mittels einer Software grafisch dargestellt werden könnten. Der GBA habe für Hilfsmittelinnovationen auch keinen originären Prüfauftrag. Vielmehr werde bereits durch die CE-Kennzeichnung bestätigt, dass das Hilfsmittel die erforderliche Qualität besitze. Zudem sei Voraussetzung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode eine übergeordnete ärztliche Leistung. An der eigentlichen ärztlichen Leistung habe sich seit Nutzung des CGMS indes nichts geändert. Der Kontakt mit ihrem Diabetologen beschränke sich weiterhin auf ca vier Besuche pro Jahr.

5

Unabhängig davon diene das CGMS auch dem Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Der GBA sei aber nicht dafür zuständig, Hilfsmittel im Hinblick auf einen Behinderungsausgleich zu bewerten. Kinder bis zu einem Alter von ca acht Jahren könnten das Diabetesmanagement nicht alleine durchführen und nähmen die Signale für Hypo- und Hyperglykämien nicht wahr oder könnten sie nicht deuten. Ein Gerät zur kontinuierlichen Messung des Glukosewertes mit Alarmfunktion übernehme diese Aufgabe und diene daher dem Behinderungsausgleich, weil die Messfunktion der Bauchspeicheldrüse nachgeahmt werde.

6

Als Verfahrensfehler rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Ihr Antrag auf Beiziehung der einschlägigen Beratungsunterlagen und Protokolle des GBA sei zu Unrecht abgelehnt worden. Auch unter den Mitgliedern des GBA habe es unterschiedliche Meinungen zu der rechtlichen Einordnung der im Rahmen der CGM eingesetzten Messgeräte gegeben (vgl Newsletter des GBA vom Mai 2012).

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2014 und des Sozialgerichts Trier vom 22. August 2013 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2519,95 Euro nebst 4% Zinsen aus einem Teilbetrag von 1289,48 Euro ab dem 1. Dezember 2012, aus einem Teilbetrag von 615,23 Euro ab dem 1. April 2013 und aus einem weiteren Teilbetrag von 615,23 Euro ab dem 1. August 2013 zu zahlen.

8

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verweist darauf, dass das von ihr seit Mitte 2015 als freiwillige Leistung an ausgewählte Mitglieder abgegebene kontinuierliche Glukosemesssystem des Herstellers Abbott (High-Tech-Sensor, System FreeStyle Libre) insbesondere wegen der fehlenden Kopplung an eine Insulinpumpe nicht in vollem Umfang mit dem von der Klägerin verwendeten System übereinstimme. Den Wechsel des Mediums der Glukosemessung, nämlich vom Blut zum Unterhautfettgewebe, sehe sie nicht (mehr) als Ausdruck eines Methodenwechsels an; denn die Methode sei allein durch die "Glukosewertselbstmessung" gekennzeichnet.

10

Der GBA und der GKV-Spitzenverband haben auf Aufforderung des Senats zu dem Verfahren Stellungnahmen abgegeben (vgl Schreiben des GBA vom 13.4.2015 und Schreiben des GKV-Spitzenverbands vom 14.4.2015).

11

Der Abschlussbericht des IQWiG vom 25.3.2015 ist am 21.5.2015 veröffentlicht worden. Er ist nunmehr Gegenstand des - noch nicht abgeschlossenen - Methodenbewertungsverfahrens des GBA.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte CGMS nebst Verbrauchsmaterialien (Sensoren und Pflaster) hat.

13

Wird ein Hilfsmittel als untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt, hat die Krankenkasse die Kosten hierfür grundsätzlich erst zu übernehmen, wenn der GBA die Methode positiv bewertet hat. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethoden das Prüfungsverfahren bei dem GBA vorgeschaltet. Erst wenn diese Prüfung positiv ausgefallen ist, sind die für den Einsatz der dann anerkannten Methode notwendigen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen. Eine Bewertung durch den GBA ist auch bezüglich bereits anerkannter oder zugelassener Methoden erforderlich, wenn diese im Hinblick auf ihre diagnostische bzw therapeutische Wirkungsweise, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren.

14

Das CGMS basiert auf einer neuen Untersuchungs- bzw Behandlungsmethode. Die kontinuierliche Messung des Zuckergehalts im Unterhautfettgewebe unterscheidet sich im Hinblick auf die diagnostische Vorgehensweise sowie mögliche Risiken und Aspekte der Wirtschaftlichkeit erheblich von der herkömmlichen Blutzuckermessung und stellt daher eine "neue", bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode dar. Solange der GBA hierzu keine positive Empfehlung abgegeben hat, besteht kein Anspruch auf Versorgung mit den Hilfsmitteln, die für die kontinuierliche Glukosewertbestimmung erforderlich sind. Eine abschließende Beurteilung des GBA dürfte wegen des bereits abgeschlossenen Bewertungsverfahrens beim IQWiG in einigen Monaten vorliegen, erlangt dann aber keine Rückwirkung.

15

1. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs 3 SGB V. Danach ist die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für eine von dem Versicherten selbst beschaffte Leistung verpflichtet, wenn sie entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang besteht (stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 12/10 R - Juris RdNr 7 mwN - Rollstuhl-Bike III; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 11 - Matratzen-Encasings). Eine unaufschiebbare Leistung iS der 1. Alternative der Vorschrift lag hier mangels medizinischer Dringlichkeit nicht vor (hierzu BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23). Die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 13 Abs 3 SGB V sind ebenfalls nicht erfüllt, weil zwar ein Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und der Kostenlast besteht, die Ablehnung der Leistung jedoch nicht zu Unrecht erfolgt ist.

16

a) Die geltend gemachten Aufwendungen für den Erwerb des CGMS beruhen auf der Versagung der Leistung durch die Beklagte, sodass der nach Wortlaut und Zweck des § 13 SGB V notwendige Ursachenzusammenhang zwischen der Kostenlast des Versicherten und der Leistungsablehnung durch die Krankenkasse besteht. Hieran würde es fehlen, wenn die Krankenkasse vor der Beschaffung der Leistung durch den Versicherten nicht mit dem Leistungsbegehren befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (stRspr, vgl BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 11 mwN - Hörgeräteversorgung; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 12 - Matratzen-Encasings). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat den Leistungsantrag mit Schreiben vom 16.4.2012 gestellt und das CGMS erst nach Ablehnung des Antrags (Bescheid vom 25.4.2012; Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012) am 23.10.2012 und die Sensoren am 4.2.2013 bzw 10.6.2013 selbst beschafft. Die Beklagte hatte ausdrücklich dargelegt, dass weder ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das CGMS noch für das Verbrauchsmaterial bestehe.

17

b) Allerdings hatte die Klägerin zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung nach den leistungsrechtlichen Bestimmungen des SGB V keinen Anspruch auf Ausstattung mit einem CGMS und den Verbrauchsmaterialien, sodass die Beklagte den Antrag nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Die Frage, ob die begehrte Leistung iS von § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V zu Unrecht abgelehnt wurde, ist nach dem für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsrecht zu beurteilen - für Leistungen der GKV somit nach den Bestimmungen des SGB V(BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 12/10 R - Juris RdNr 7 mwN - Rollstuhl-Bike III; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 11 - Matratzen-Encasings).

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2. Maßgebende Vorschrift für die Leistungspflicht der GKV im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung, dh am 23.10.2012 (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 10 - Therapiedreirad), geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG vom 22.12.2011 - BGBl I 2983) sowie in der am 4.2. und 10.6.2013 insoweit unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz vom 23.10.2012 - BGBl I 2246). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5 SGB V, ähnlich § 31 Abs 3 SGB IX).

19

a) Bei den von der Klägerin erworbenen Komponenten des CGMS handelt es sich um Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Zu den Hilfsmitteln zählen alle sächlichen medizinischen Leistungen (etwa Körperersatzstücke), während in Abgrenzung hierzu dem Begriff der Heilmittel (§ 32 SGB V) alle von entsprechend ausgebildeten Personen persönlich erbrachten medizinischen Dienstleistungen unterfallen, wie etwa Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie (BSGE 87, 105, 108 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 3 - Dauerpigmentierung; BSGE 88, 204, 206 ff = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 ff - PC-Zusatzausrüstung für häusliches Hirnleistungstraining; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 15 - Matratzen-Encasings). Das CGMS besteht insgesamt aus sächlichen Mitteln (Transmitter, Sensor sowie die - hier bereits als Sachleistung zur Verfügung gestellte - Insulinpumpe). Die Ansicht der Vorinstanzen, das CGMS selbst stelle eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar, trifft nicht zu. Die Eigenschaft als Hilfsmittel bleibt bei sächlichen Mitteln auch dann erhalten, wenn sie Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sind. Die Einstufung der kontinuierlichen Glukosemessung im Interstitium mittels des Real-Time-Messgerätes als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS des § 135 SGB V steht also der Einordnung der im Rahmen der Methode eingesetzten sächlichen Mittel als Hilfsmittel nicht entgegen.

20

b) Das von der Klägerin angeschaffte CGMS dient dem Versorgungsziel der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V). Dies ist der Fall, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V)eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21 mwN - Therapiedreirad; zur Auslegung des § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte: BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN - behindertengerechter Umbau eines Pkw; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17 - Matratzen-Encasings). Der spezifische Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21 - Therapiedreirad).

21

Die Klägerin leidet an Diabetes mellitus Typ I. Dieser Typ des Diabetes ist gekennzeichnet durch eine progrediente Zerstörung der insulinproduzierenden B-Zellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse und tritt vornehmlich in jüngeren Lebensjahren auf (Ziffer 2.1 der S3-Leitlinie "Therapie des Typ-1-Diabetes" der DDG, Stand: 30.9.2011, gültig bis 29.9.2016 - im Folgenden: S3-Leitlinie; vgl auch Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014, Stichwort: "Diabetes mellitus"). Folge des durch die Zellzerstörung bedingten Insulinmangels ist, dass Zucker nicht von den Zellen aufgenommen und verarbeitet werden kann, also im Blut verbleibt mit der weiteren Folge, dass der Blutzuckerspiegel steigt und zur Regelung des Glukosehaushaltes Insulin medikamentös zugeführt werden muss. Es handelt sich um eine Erkrankung, für die bis heute kausale Therapieansätze, die die Ursache der Erkrankung beseitigen, nicht existieren. Dass die Behandlung folglich nicht auf Heilung der Krankheit ausgerichtet sein kann, steht der Einstufung als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung nicht entgegen, denn es ist im Rahmen von § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V ausreichend, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17 - Matratzen-Encasings).

22

Dies ist vorliegend der Fall. Das Therapiekonzept des Typ-1-Diabetes besteht nach Ziffer 4. der S3-Leitlinie aus den Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Schulung und psychosoziale Betreuung. Im Rahmen der Insulintherapie werden zwei Strategien unterschieden: die konventionelle Insulintherapie und die sog intensivierten Therapieformen. Die konventionelle Therapie ist charakterisiert durch eine verbindliche Vorgabe sowohl der Insulindosis als auch der Abfolge und Größe der Mahlzeiten (feste Kohlehydratportionen; Ziffer 4.1.3, a) der S3-Leitlinie). Die - in der Regel bei einem Typ-1-Diabetes durchgeführte - intensivierte Insulintherapie ist hingegen definiert als Gabe von mindestens drei Insulininjektionen pro Tag, vor allem aber gekennzeichnet durch eine Substitution von basalem Insulinbedarf mit langwirkendem "Basalinsulin“ und prandialem (dh auf das Essen bezogenem) Insulinbedarf mit kurzwirksamem Insulin zu den Mahlzeiten (Basal-Bolus-Prinzip). Diese Therapie kann mit Insulinspritzen, Insulinpens oder - wie im Falle der Klägerin - Insulinpumpen durchgeführt werden und führt zu einem höheren Aufwand ua aufgrund vermehrt notwendiger Blutglukoseselbstmessungen (Ziffer 4.1.3, b) der S3-Leitlinie). Beide Insulintherapien dienen folgenden Zielen: durch Substitution der fehlenden Insulinsekretion des Körpers sollen zum einen eine möglichst normnahe Einstellung der Blutglukose erreicht (Pschyrembel, aaO, Stichwort: "Diabetes mellitus") und dadurch diabetesbedingte Minderungen der Lebensqualität vermieden werden (Ziffer 3. der S3-Leitlinie). Zum anderen soll das Auftreten von Hypoglykämien verhindert werden, die mit verhältnismäßig ungefährlichen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche, aber auch mit Krampfanfällen, Sprachstörungen und Lähmungen sowie - in ihrer maximalen Ausprägung - mit einem hypoglykämischen Schock einhergehen können, der mit zentralen Atem- und Kreislaufstörungen (bis hin zum Tod) verbunden ist (Pschyrembel, aaO, Stichwort: "Hypoglykämie"). Zudem soll das Auftreten von Folgeerkrankungen (wie Retinopathie, Nephropathie) vermieden werden (vgl zu den Zielen der Diabetestherapie auch den am 21.7.2014 veröffentlichten Vorbericht des IQWiG, S 3).

23

Auf die Erreichung dieser Ziele ist die ärztliche Behandlung der Klägerin bei dem Oberarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums M und Diabetologen L gerichtet, wie durch dessen - einer formellen vertragsärztlichen Verordnung (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) gleichstehenden - Schreiben vom 2.3.2012 deutlich wird, in dem er die Versorgung der Klägerin mit dem System zur kontinuierlichen Glukosemessung befürwortet. Danach sei die Einstellung des Diabetes bei einem Kleinkind von großen Schwierigkeiten geprägt. Die kontinuierliche Betreuung werde durch ihn sichergestellt.

24

Hieraus ergibt sich, dass der Einsatz des CGMS im Rahmen der ärztlichen Behandlung erfolgen soll, folglich ein enger Zusammenhang zu dieser besteht und durch dessen Einsatz die Erreichung der vorgenannten Ziele unterstützt werden soll. Das System soll nicht nur den Behandler in die Lage versetzen, durch Auswertung der kontinuierlich erhobenen Daten die Therapie ggf anzupassen und so zu optimieren, dass eine bestmögliche Blutzuckereinstellung erreicht wird, sondern es sollen auch hypoglykämische Trends erkannt werden. Bei Erreichen eines vorher definierten Grenzwertes wird die - über die Insulinpumpe gesteuerte - Insulinzufuhr automatisch unterbrochen (bei Einsatz eines CGMS ohne Kopplung mit einer Insulinpumpe wird ein Alarmton abgegeben), wodurch der Eintritt der konkret drohenden Hypoglykämie verhindert werden soll. Das CGMS soll folglich eine rasche Reaktion auf zu niedrige und zu hohe Glukosewerte insbesondere bei Patienten ermöglichen, die hypoglykämische Trends in der Regel nicht selbst erkennen können. Dies sind insbesondere Patienten mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen, mit schweren nächtlichen Hypoglykämien und - wie im Falle der Klägerin - Kinder (vgl die Stellungnahme des MDS vom April 2011 zur kontinuierlichen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten bei Diabetes mellitus). Durch das CGMS soll folglich die Therapiesicherheit erweitert werden, dh das Hilfsmittel soll den therapeutischen Erfolg fördern und steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung, dient also der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung. Dass das CGMS im täglichen Leben durch den Patienten selbst bedient wird, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da die Gesamttherapie durch den Behandler gestaltet und durch diesen in Abhängigkeit von den Messergebnissen optimiert werden muss.

25

Der die Klägerin behandelnde Diabetologe L bestätigt in dem "ärztlichen Gutachten für die Kostenübernahme", dass durch die kontinuierliche Aufzeichnung Blutzuckertrends erkannt und interpretiert werden können und dementsprechend eine gezielte Behandlung möglich ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Grenzwert, bei dessen Erreichen das Gerät entweder einen Alarmton abgibt oder - bei Kopplung mit einer Insulinpumpe - die Insulinzufuhr unterbricht, jedenfalls mit dem Arzt abgestimmt werden muss. Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sich die Zahl der Arztbesuche nach Einsatz des CGMS nicht vermehrt habe, vermag dies an der Beurteilung, dass der Einsatz im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt, nichts zu ändern, weil es hierbei nicht auf die Anzahl oder Häufigkeit der Arztbesuche ankommt.

26

3. Sofern ein Hilfsmittel den Erfolg einer Krankenbehandlung iS von § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V sichern soll und dabei in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V eingesetzt wird, ist Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V weiter, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den GBA anerkannt worden ist. Bei der "kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus" handelt es sich zwar um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, zu der das CGMS in einem untrennbaren Zusammenhang steht, diese war jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt - und ist es auch derzeit - nicht durch den GBA anerkannt.

27

a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung deren Erfolg sichern soll, seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V iVm § 135 Abs 1 SGB V zu trennen(BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode"(stRspr seit BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; vgl auch BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 19 mwN; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 22 mwN; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN). Vor dem Hintergrund einer streitigen Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) wurde hierzu ausgeführt, dass, solange die Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen ist, auch die dabei eingesetzten Geräte keine "von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel“ iS von § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V darstellen(so bereits BSGE 87, 105, 110 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7 f; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, RdNr 32; siehe auch BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18; ebenso für die Arzneimitteltherapie BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19 f; BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f, vgl auch bei neuartiger Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 15 f mwN; entsprechend für Heilmittel BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f),weil Voraussetzung hierfür ist, dass das Hilfsmittel den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 15 mwN). Dies ist gerade nicht der Fall, wenn der Einsatz im Rahmen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V erfolgt und die Methode durch den GBA nicht anerkannt wurde (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 16). Zwar obliegt die Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode dem GBA und nicht dem gemäß § 139 Abs 3 Satz 2 SGB V für die Aufnahme in das HMV zuständigen GKV-Spitzenverband, jedoch hat die Erstellung und Fortentwicklung des HMV jedenfalls dann nicht unabhängig von der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch den GBA zu erfolgen, wenn das Hilfsmittel untrennbar mit einer speziellen Behandlungsmethode verbunden ist(BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Darf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels positiver Empfehlung des GBA nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, kann der GKV-Spitzenverband trotz seiner Autonomie bei der Erstellung des HMV folglich nicht verpflichtet werden, die allein zur Durchführung dieser Therapie einsetzbaren Geräte in das Verzeichnis aufzunehmen (BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7).

28

b) Diese maßgeblich vor dem Hintergrund von Streitigkeiten über die Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV (§ 139 SGB V) entwickelten Grundsätze finden in gleichem Maße Anwendung, wenn - wie vorliegend - der Versicherte einen Anspruch aus § 33 SGB V geltend macht: Hat bei fehlender Empfehlung des GBA weder der Hersteller einen Anspruch auf Aufnahme des Produkts in das HMV noch darf die Methode als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, kann für den Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V nichts anderes gelten. Diese Vorschrift setzt voraus, dass das Hilfsmittel "den Erfolg der Krankenbehandlung" sichern soll. Ebenso wie durch § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V für den Bereich des HMV wird in § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V vorausgesetzt, dass die Behandlung als solche zunächst überhaupt nach § 135 Abs 1 SGB V anerkannt ist, also den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht.

29

In seinem Urteil vom 8.7.2015 im Verfahren B 3 KR 6/14 R - Juris (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) hat der Senat näher dargelegt, dass die Methodenbewertung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V durch den GBA Vorrang vor dem Aufnahmeverfahren nach § 139 SGB V hat, das der GKV-Spitzenverband durchführt. Hilfsmittel, die in untrennbarem Zusammenhang mit einer neuen Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden, sind danach sowohl leistungsrechtlich (§ 33 Abs 1 SGB V) wie leistungserbringungsrechtlich erst nach einer positiven Empfehlung des GBA zur Methode Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen.

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c) Die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang obliegt nach § 92 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem GBA, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert. Der Gesetzgeber setzt zudem in § 92 Abs 7d Satz 1 SGB V den Vorrang der Methodenbewertung durch den GBA voraus. Denn nach dieser Vorschrift ist bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinproduktes beruht, vor der Entscheidung über Richtlinien nach §§ 135, 137c und 137e SGB V auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der GBA wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband gebildet (§ 91 Abs 1 SGB V), und sein Beschlussgremium besteht neben den von diesen zu benennenden Mitgliedern grundsätzlich aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Daneben sieht das Gesetz Beteiligungen zB von Leistungserbringern (vgl zB § 92 Abs 3a Satz 1, Abs 5 Satz 1, Abs 6 Satz 2, Abs 7 Satz 2, Abs 7a, Abs 7b Satz 1, Abs 7c, Abs 7d Satz 1 SGB V) und Patientenvertretern vor (vgl § 140f Abs 2 SGB V). Damit hat der Gesetzgeber dann, wenn es (auch) um die Bewertung des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Methoden geht, diese Aufgabe grundsätzlich dem GBA als einem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung übertragen. Denn die Zuständigkeit des GBA verbürgt nach der Konzeption des Gesetzes die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung, die es (auch) rechtfertigt, dem GBA im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen. Ist der Einsatz eines Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer Behandlungsmethode, geht deshalb die Methodenanerkennung durch den GBA auch der Entscheidung des GKV-Spitzenverbandes nach § 139 Abs 4 SGB V systematisch vor. Davon geht schließlich auch der GBA selbst aus, der in § 6 Abs 11 seiner Hilfsmittel-Richtlinie die Verordnung eines Hilfsmittels ausschlossen hat, wenn es Bestandteil einer neuen, nicht anerkannten Behandlungsmethode nach § 135 SGB V ist.

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4. Bei der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung, in deren Rahmen das CGMS eingesetzt werden soll, handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode iS des § 135 Abs 1 SGB V, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem CGMS steht.

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a) Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN). "Neu" ist eine Behandlungsmethode grundsätzlich dann, wenn sie bislang nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21). Dem in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 und § 135 Abs 1 SGB V verwendeten Begriff der "Behandlungsmethode" kommt jedoch eine umfassendere Bedeutung zu als dem Begriff der "ärztlichen Leistung" im EBM-Ä nach § 87 SGB V, da einzelne vertragsärztliche Leistungen oftmals nur Bestandteil eines methodischen Konzepts sind(BSGE 84, 247, 250 = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50). Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener - für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammen, kann es sich um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt (vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26). Es kommt dann darauf an, ob die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 sowie BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 3/13 R - SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 21, auch für BSGE vorgesehen; vgl auch § 2 Abs 1 Kap 2 der Verfahrensordnung des GBA, sowie Schmidt-De Caluwe in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 135 RdNr 7).

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b) Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen wesentlich sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs 1 SGB V. Nach § 135 Abs 1 SGB V hat der GBA "Empfehlungen abzugeben über
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung."
Danach dient die Notwendigkeit einer solchen Empfehlung, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSGE 81, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f).

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Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll oder wenn mit der Methode gesundheitliche Risiken verbunden sein könnten, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (vgl BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 20).

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c) In Anwendung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine neue Behandlungsmethode betroffen. Abzustellen ist auf das konkrete Verfahren “kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus“. Im EBM-Ä sind zwar Positionen zur Messung des Parameters Glukose im Rahmen der allgemeinen Laborleistungen vorgesehen (etwa in den GOP 32025 und GOP 32057), Positionen für die subkutane Messung des Glukosewertes finden sich jedoch ebenso wenig wie anderweitige Positionen betreffend die hier zugrunde liegende Behandlungsmethode. Bei der kontinuierlichen Glukosemessung im Unterhautfettgewebe zur Steuerung einer insulinpflichtigen Diabetestherapie handelt es sich daher um eine neuartige Kombination verschiedener Einzelleistungen. Denn im Vergleich zu den herkömmlichen Diabetestherapien bringt dieses Verfahren wesentliche Änderungen mit sich.

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Weder bei der konventionellen noch bei der intensivierten Therapieform erfolgen kontinuierliche Glukosemessungen. Die Leitlinien empfehlen bei einem Typ-1-Diabetes generell mindestens viermal täglich (vor den Mahlzeiten und vor dem Zubettgehen) eine Glukosemessung durchzuführen. Häufigere Messungen können unter anderem vor und nach intensiver körperlicher Bewegung/Sport und auf Reisen angezeigt sein (Ziffer 9.1, Empfehlung 9.2 der Leitlinie). Darüber hinaus werden mit den herkömmlichen Messungen die Glukosewerte im Blut bestimmt, während mit den von der Klägerin begehrten Messgeräten die Glukosewerte mittels eines Sensors im Unterhautfettgewebe ermittelt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch bei Einsatz der CGM-Geräte auf die Messung von Blutzuckerwerten nicht verzichtet werden kann, weil die CGM-Geräte mittels der Blutzuckerwerte kalibriert werden müssen (dies betonen auch die Hersteller: etwa http://www.medtronic.de/erkrankungen/diabetes/produkt/kontinuierliches-glukosemonitoring/minimed-veo-system/index.htm, letzter Abruf am 8.5.2015); die Zahl der Blutzuckermessungen kann aber wesentlich verringert werden. Schließlich sendet das von der Klägerin beschaffte Gerät die Glukosewerte per Funk an die Veo-Insulinpumpe, so dass die Ausschüttung von Insulin sogleich über dieses System gesteuert wird.

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Bei dem zuletzt genannten Aspekt ist ohne Weiteres ersichtlich, dass damit gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Denn bei der herkömmlichen, anerkannten Insulinpumpentherapie wird die Insulinzufuhr ausschließlich vom Arzt oder Anwender auf der Basis von Blutzuckermessungen reguliert. Die Wirkungsweise einer automatischen Steuerung der von der Pumpe abgegebenen Insulinmenge auf der Grundlage kontinuierlicher Glukosemessungen im Interstitium ist bisher nicht abschließend vom GBA geprüft worden. Bei einer solchen Prüfung wird es insbesondere um die Verlässlichkeit der Glukosemessungen im Unterhautfettgewebe und die damit in Verbindung gebrachte, im Vergleich zu den Blutzuckerwerten um 5 bis 30 Minuten verzögerte Anzeige des Zuckergehaltes, aber auch um die Zuverlässigkeit der Kalibrierung der Geräte mithilfe der Blutzuckerwerte gehen müssen.

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Aber auch ohne Kopplung des Systems mit der Insulinpumpe und ohne automatische Regelung der Insulinzufuhr ist das Verfahren für die Patienten nicht nur mit Vorteilen, sondern auch mit Risiken verbunden. Dies gilt schon deshalb, weil die Patienten sich auf die kontinuierliche Messung der Glukosewerte verlassen und daher selbst nur noch sehr viel seltener konventionelle Blutzuckermessungen vornehmen werden. Selbst wenn dies im Einzelfall über entsprechende Anweisungen des Arztes ausgeschlossen und die CGM-Geräte ausschließlich zusätzlich zu den herkömmlichen Blutzuckermessungen eingesetzt würden, bliebe aber vor allem der Gesichtspunkt des diagnostischen Nutzens insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot zu prüfen. Es liegt nahezu auf der Hand, dass eine kontinuierliche interstitielle Glukosemessung nicht für alle Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes im Vergleich oder zusätzlich zu den herkömmlichen Blutzuckermessungen medizinische Vorteile bietet. So lässt sich der S3-Leitlinie entnehmen, dass bisher nicht ausreichend belegt sei, dass "die Anwendung der kontinuierlichen Glukosemessung zu einer Senkung des HbA1c-Wertes führt". Hinweise auf einen entsprechenden Nutzen bei Erwachsenen mit guter Adhärenz müssten danach in weiteren Studien bestätigt werden. Zudem liege für die Senkung der Hypoglykämierate widersprüchliche Evidenz vor (Ziffer 9.1, Empfehlung 9-3 der vorgenannten Leitlinie). Zwar wird sodann unter dem Punkt: Hintergrund und Evidenz zu Statement 9-3 ausgeführt, dass anhand einer Gesamtschau der vorliegenden Studien festgestellt werden könne, dass sich für die CGM Hinweise für eine mögliche Senkung des HbA1c-Wertes bei Erwachsenen zeigten, während für die Verbesserung von Hypoglykämien keine eindeutige Evidenz vorliege und auch keine Evidenz zur Verbesserung von Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen identifiziert werden könne.

39

Zusammenfassend wird damit deutlich, dass die Verwendung von CGM insbesondere dann Risiken birgt, wenn - wie im Fall der Klägerin - die Insulinpumpe automatisch über diese Geräte gesteuert wird und herkömmliche Blutzuckermessungen - wie vorgesehen - weitgehend entfallen und nur noch zur Kalibrierung der Geräte durchgeführt werden. Werden die CGM lediglich zusätzlich zum herkömmlichen Verfahren verwendet, ist ein medizinischer Vorteil der zusätzlichen kontinuierlichen Messungen - und insbesondere der Patientenkreis, für den dieses Verfahren tatsächlich einen zusätzlichen medizinischen Nutzen mit sich bringen könnte - bisher noch nicht abschließend mit hinreichender Evidenz festgestellt. Es ist auch nicht Aufgabe der Gerichte, sondern ausschließlich Aufgabe des GBA, mittels entsprechender (positiver oder negativer) Empfehlungen über einen hinreichend belegten medizinischen Nutzen einer neuen Methode zu entscheiden. Die Ausführungen zeigen lediglich, dass ein Entscheidungsbedarf des GBA besteht, es sich also - im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden - um eine "neue" Untersuchungs- bzw Behandlungsmethode handelt.

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d) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 15.3.2012 (B 3 KR 2/11 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 38 - Matratzen-Encasings). Soweit der Senat danach den Instanzengerichten aufgibt, die objektive und subjektive Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Sicherung einer Krankenbehandlung nach dem aktuellen, allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu ermitteln (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21), ist daraus für den vorliegenden Fall nicht abzuleiten, dass die kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Versicherten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus keiner positiven Bewertung durch den GBA bedürfe, sondern es für den Anspruch auf das begehrte CGMS genüge, wenn die genannten Maßstäbe erfüllt seien.

41

Der Verwendung von Matratzen-Encasings lag nämlich keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zugrunde, sondern es sollte vielmehr ein bestimmtes Hilfsmittel (Matratzen-Encasing) losgelöst von einer solchen Behandlungsmethode zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung eingesetzt werden. Der Einsatz der Encasings dient allein dazu, den Patienten besser vor der Exposition von allergieauslösenden Substanzen zu schützen, also der Allergiekarenz (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17). Der Umhüllung der Matratzen liegt kein eigenständiges therapeutisches Konzept zugrunde, sondern allein die Minderung des Kontaktes zwischen Patienten und allergenen Noxen. Folgerichtig hat der Senat auch in seiner Entscheidung zu der Hilfsmitteleigenschaft von Hüftprotektoren (BSGE 103, 66 = SozR 4-2500 § 33 Nr 22) § 135 Abs 1 SGB V nicht erwähnt, sondern allein geprüft, ob die Versorgung mit Protektoren der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung durch Vermeidung der Auswirkungen von Stürzen dient. Dass der Senat dies bei den Hüftprotektoren verneint und bei der Encasing bejaht hat, beruht auf den unterschiedlichen Zielsetzungen beider Produkte: die Encasings schützen den Patienten im Zusammenhang mit einer schon vorhandenen, zu behandelnden Erkrankung und die Protektoren schützen nur vor den Folgen eines Sturzes, ohne auf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Sturzes irgendeinen Einfluss zu haben. Gemeinsam haben beide Produkte, dass ihr Einsatz nicht Teil eines auf eine bestimmte Erkrankung bezogenen umfassenden Behandlungskonzeptes ist bzw mit einer solchen in einem allenfalls losen Zusammenhang steht. Die Vermeidung von Allergien ist Zweck der Verwendung von Encasings; er steht unabhängig davon, ob die Grunderkrankung des Patienten auch mit anderen Maßnahmen behandelt werden muss. Das ist bei der CGM nicht der Fall: allein die Messung des Glukosegehaltes zu einem bestimmten Zeitpunkt stellt für sich genommen keine Krankenbehandlung dar, sondern ist notwendiger Teil einer solchen. Die Information über den Zuckergehalt setzt Arzt und Patient in den Stand, die erforderlichen Maßnahmen (Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel, Insulinzufuhr, Neueinstellung des Patienten durch den Arzt) der Diabetesbehandlung zu ergreifen. Das Ziel der Vermeidung von Hypoglykämien wird durch das CGMS unterstützt, ist jedoch nicht mit dessen Wirkung gleichzusetzen.

42

5. Die Behandlungsmethode der "kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung" darf auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden. Selbst wenn möglicherweise vieles dafür spricht, dass die neue Methode für einen bestimmten Patientenkreis überwiegend vorteilhaft und - zumindest solange zusätzlich auf die herkömmlichen Blutzuckermessungen nicht verzichtet und die Insulinpumpe nicht automatisch über das System gesteuert wird - auch mit keinen weiteren Risiken verbunden ist, kann eine neue Methode grundsätzlich erst nach einer positiven Empfehlung des GBA gewährt werden. Denn es kommt nicht nur auf die gesundheitlichen Risiken, sondern insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot auch auf den diagnostischen bzw therapeutischen Nutzen der Methode an, der zuerst hinreichend belegt sein muss. Einheitlich für alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hierzu, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Die auch mit wertenden Nutzen-Risiko-Abwägungen verbundene Feststellung, ob die Leistung diesem Erkenntnisstand hinreichend gerecht wird (vgl hierzu zB Roters, SGb 2015, 413 ff), obliegt grundsätzlich dem GBA.

43

Ein Ausnahmefall, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist, liegt nicht vor. Eine solche Ausnahme regelt inzwischen § 2 Abs 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG im sog Nikolausbeschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl zusammenfassend ferner BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 ff mwN). Ferner ist eine Ausnahme für sog Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen (vgl etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 30), und schließlich für den Fall, dass der GBA dem in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen(vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN).

44

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zwar handelt es sich bei einer Diabeteserkrankung um eine schwerwiegende Erkrankung, die die Lebensqualität der Klägerin nicht unerheblich beeinträchtigt. Es geht aber weder um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende noch um eine wertungsmäßig mit einer solchen Krankheit vergleichbare Erkrankung. Zudem existiert jedenfalls eine dem medizinischen Standard entsprechende Therapie. Es handelt sich auch nicht um eine besonders seltene Erkrankung. Ferner findet sich kein Anhaltspunkt für eine willkürlich oder ansonsten mit dem Aktualisierungsauftrag des GBA unvereinbar verzögerte Handhabung des Verfahrens nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Gegen eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung spricht vielmehr, dass aktuell eine Prüfung durch den GBA erfolgt. Mit Beschluss vom 24.11.2011 hatte der GBA den Antrag des GKV-Spitzenverbandes vom 14.7.2011 auf Bewertung der CGM mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus gemäß § 135 Abs 1 SGB V angenommen und das Beratungsverfahren eingeleitet. Gleichzeitig wurde der Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung beauftragt. Mit Schreiben vom 23.11.2012 hat der GBA das IQWiG mit der Bewertung der CGM mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus beauftragt. Der Vorbericht wurde am 21.7.2014 veröffentlicht (abrufbar unter: https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahren/d12-01-kontinuierliche-interstitielle-glukosemessung-cgm-mit-real-time-messgeraten-bei-insulinpflichtigem-diabetes-mellitus.3258.html; letzter Abruf am 8.5.2015), der Abschlussbericht wurde am 26.3.2015 an den GBA versandt und am 21.5.2015 veröffentlicht. Das Verfahren wird folglich von dem GBA betrieben. Eine rechtswidrige Verzögerung ist nicht erkennbar.

45

Da die von der Klägerin selbst beschafften Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden, sind diese von der Sperrwirkung dieser Norm erfasst. Mangels positiver Empfehlung durch den GBA hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Sachleistung und damit auch nicht auf Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte Hilfsmittel nach § 13 Abs 3 SGB V.

46

6. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ausstattung mit dem CGMS nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 3 SGB V, also zum Ausgleich einer Behinderung. Ein Behinderungsausgleich kann mit dem begehrten Hilfsmittel nur erzielt werden, wenn es im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden darf, und dazu bedarf es zunächst einer positiven Empfehlung des GBA zu der zugrunde liegenden Behandlungsmethode. Nach den obigen Ausführungen ist der Einsatz des Hilfsmittels gerade nicht von der zugrunde liegenden Behandlungsmethode zu trennen. Eine vom therapeutischen Nutzen unabhängige Funktion des CGMS zum Ausgleich einer Behinderung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

47

7. Ein Anspruch auf das Hilfsmittel kommt auch nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB V, dh zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, nicht in Betracht, solange der GBA den therapeutischen Nutzen der zugrunde liegenden Behandlungsmethode nicht positiv bewertet hat. Denn ohne eine positive Empfehlung des GBA kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Hilfsmittels - unter Berücksichtigung möglicher Risiken und des Wirtschaftlichkeitsgebots - positive Wirkungen in Bezug auf Spätfolgen oder Folgeerkrankungen des Diabetes mit sich bringt und deshalb zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung objektiv geeignet sein könnte.

48

8. Das Urteil des LSG leidet auch nicht an einem Verfahrensmangel. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung der richterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) liegt nicht vor. Eine Verletzung des § 103 SGG setzt voraus, dass sich das Tatsachengericht auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung zur Sach- und Rechtslage hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28 mwN). Nach Auffassung des LSG scheiterte der Anspruch der Klägerin an der fehlenden positiven Empfehlung des GBA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Auf den Inhalt der Beratungsunterlagen und Protokolle der Sitzungen des GBA kam es aus Sicht des LSG folglich nicht an, da auch eine im Sinne der Klägerin (vorläufige) positive Stellungnahme die fehlende formelle Methodenentscheidung nach § 135 Abs 1 SGB V nicht ersetzen könnte. Hieran vermag der Einwand, dass es unterschiedliche Meinungen zur rechtlichen Einordnung des begehrten CGMS gebe, nichts zu ändern. Die rechtliche Bewertung, ob es sich bei dem CGMS um eine "neue" Untersuchungs- oder Behandlungsmethode handelt, obliegt allein dem Gericht und konnte von diesem auf der Grundlage der ihm bekannten Tatsachen über die Funktionsweise des CGMS vorgenommen werden. Insoweit ist nicht ersichtlich, welche weiteren Tatsachen zur Aufklärung des Sachverhaltes sich aus der Hinzuziehung der eingangs genannten Unterlagen hätten ergeben können. Derartige Tatsachen hat die Klägerin auch nicht benannt.

49

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein selbst beschafftes "Continuous Glucosemonitoring System" (CGMS) nebst Verbrauchsmaterialien (Sensoren und Pflaster).

2

Die 2008 geborene Klägerin leidet an Diabetes mellitus Typ I und wurde deshalb bereits mit einer Insulinpumpe ausgestattet. Im April 2012 beantragte sie bei der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einem CGMS. Hierdurch könne die Insulinpumpe zu dem sogenannten "Veo System" erweitert werden, das neben der Veo-Insulinpumpe aus dem Glukosesensor Enlite®, der in das Unterhautfettgewebe eingeführt werde, und dem MiniLink® TM Real-Time-Transmitter bestehe, der die Glukosewerte per Funk an die Veo-Insulinpumpe sende. Den Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.4.2012, Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012). Daraufhin hat sich die Klägerin das CGMS (bestehend aus einem CGM Starter Kit Enlite®, einem MiniLink® Transmitter Set Enlite®, fünf Enlite® Glukosesensoren und zehn Pflastern) am 23.10.2012 für 1289,48 Euro selbst beschafft. Am 4.2. und am 10.6.2013 erwarb sie weitere Glukosesensoren und Pflaster für jeweils 615,23 Euro.

3

Die Klage auf Erstattung aller Anschaffungskosten hat das SG abgewiesen (Urteil vom 22.8.2013). Die Berufung war ebenfalls erfolglos (Urteil vom 6.3.2014): Bei dem CGMS handele es sich nicht um ein Hilfsmittel, sondern um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Das Therapiekonzept zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ I bestehe nach der S3-Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) vom September 2011 aus den Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Schulung und psychosoziale Betreuung. Im Rahmen der Insulintherapie seien Blutglukosemessungen durchzuführen; der HbA1c-Wert müsse in regelmäßigen Abständen durch einen Arzt kontrolliert werden. Bei der Glukosemessung mittels CGMS handele es sich hingegen um ein anderes - neues - Konzept im Rahmen einer vertragsärztlichen Behandlungsmethode. Die Glukosekonzentration werde nicht im Blut, sondern in der Gewebeflüssigkeit im Unterhautfettgewebe (Interstitium) gemessen. In diesem Bereich liege eine leicht erniedrigte Zuckerkonzentration vor, sodass der mittels des CGMS bestimmte Wert nicht demjenigen der Blutzuckerkonzentration entspreche. Zudem ergäbe die konventionelle Blutzuckermessung Momentaufnahmen, während Ziel des CGMS die Abbildung des Glukoseverlaufs über einen längeren Zeitraum und damit eine langfristige Verbesserung der Stoffwechsellage von Diabetikern sei. Soweit die Klägerin geltend mache, durch das CGMS werde bei ihr ein elementarer Behinderungsausgleich erzielt, könne dies die Prüfung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht entbehrlich machen. Die demnach erforderliche Empfehlung des GBA nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V liege aber bis heute nicht vor. Anhaltspunkte für ein sogenanntes Systemversagen seien nicht gegeben. Aus diesen allein maßgeblichen Gründen scheide ein Anspruch der Klägerin aus, sodass die von ihr zu Beweiszwecken begehrte Beiziehung sämtlicher Beratungsunterlagen und Protokolle aller öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen des GBA zum Thema "kontinuierliche Glukosemessung" nicht erforderlich gewesen sei.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass es sich bei dem CGMS um ein Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 SGB V und nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V handele. Die Prüfung eines neuen Hilfsmittels falle nur dann in den Zuständigkeitsbereich des GBA, wenn es im Rahmen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingesetzt werden solle, zu der sich der GBA noch nicht positiv geäußert habe. Solle hingegen ein neues Hilfsmittel im Rahmen einer bereits anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen, sei gerade kein Bewertungsverfahren durch den GBA nach § 135 Abs 1 SGB V erforderlich. So liege der Fall hier. Das CGMS komme lediglich als ergänzendes Messgerät im Rahmen der etablierten Diabetestherapie zum Einsatz und verändere diese nicht wesentlich dadurch, dass die Glukosemessung kontinuierlich im Unterhautfettgewebe erfolge. Bestätigt werde dies auch durch den vorläufigen Berichtsplan des durch den GBA am 23.11.2012 mit der Bewertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung (CGM) mit Real-Time-Messgeräten beauftragten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom 30.9.2013. Hieraus ergebe sich, dass Sinn und Zweck des Einsatzes der Messgeräte die Verbesserung der Blutzuckerkontrolle durch mehr Messwerte oder eine größere Datenlage und die bessere Vermeidung zu hoher oder zu niedriger Blutzuckerwerte mittels Alarmfunktion sei. Damit sei der Anwendungsbereich des § 135 Abs 1 SGB V nicht eröffnet, weil auch mit einem konventionellen Blutzuckermessgerät alle fünf Minuten der Blutzucker bestimmt und die Werte anschließend mittels einer Software grafisch dargestellt werden könnten. Der GBA habe für Hilfsmittelinnovationen auch keinen originären Prüfauftrag. Vielmehr werde bereits durch die CE-Kennzeichnung bestätigt, dass das Hilfsmittel die erforderliche Qualität besitze. Zudem sei Voraussetzung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode eine übergeordnete ärztliche Leistung. An der eigentlichen ärztlichen Leistung habe sich seit Nutzung des CGMS indes nichts geändert. Der Kontakt mit ihrem Diabetologen beschränke sich weiterhin auf ca vier Besuche pro Jahr.

5

Unabhängig davon diene das CGMS auch dem Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Der GBA sei aber nicht dafür zuständig, Hilfsmittel im Hinblick auf einen Behinderungsausgleich zu bewerten. Kinder bis zu einem Alter von ca acht Jahren könnten das Diabetesmanagement nicht alleine durchführen und nähmen die Signale für Hypo- und Hyperglykämien nicht wahr oder könnten sie nicht deuten. Ein Gerät zur kontinuierlichen Messung des Glukosewertes mit Alarmfunktion übernehme diese Aufgabe und diene daher dem Behinderungsausgleich, weil die Messfunktion der Bauchspeicheldrüse nachgeahmt werde.

6

Als Verfahrensfehler rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Ihr Antrag auf Beiziehung der einschlägigen Beratungsunterlagen und Protokolle des GBA sei zu Unrecht abgelehnt worden. Auch unter den Mitgliedern des GBA habe es unterschiedliche Meinungen zu der rechtlichen Einordnung der im Rahmen der CGM eingesetzten Messgeräte gegeben (vgl Newsletter des GBA vom Mai 2012).

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2014 und des Sozialgerichts Trier vom 22. August 2013 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2519,95 Euro nebst 4% Zinsen aus einem Teilbetrag von 1289,48 Euro ab dem 1. Dezember 2012, aus einem Teilbetrag von 615,23 Euro ab dem 1. April 2013 und aus einem weiteren Teilbetrag von 615,23 Euro ab dem 1. August 2013 zu zahlen.

8

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verweist darauf, dass das von ihr seit Mitte 2015 als freiwillige Leistung an ausgewählte Mitglieder abgegebene kontinuierliche Glukosemesssystem des Herstellers Abbott (High-Tech-Sensor, System FreeStyle Libre) insbesondere wegen der fehlenden Kopplung an eine Insulinpumpe nicht in vollem Umfang mit dem von der Klägerin verwendeten System übereinstimme. Den Wechsel des Mediums der Glukosemessung, nämlich vom Blut zum Unterhautfettgewebe, sehe sie nicht (mehr) als Ausdruck eines Methodenwechsels an; denn die Methode sei allein durch die "Glukosewertselbstmessung" gekennzeichnet.

10

Der GBA und der GKV-Spitzenverband haben auf Aufforderung des Senats zu dem Verfahren Stellungnahmen abgegeben (vgl Schreiben des GBA vom 13.4.2015 und Schreiben des GKV-Spitzenverbands vom 14.4.2015).

11

Der Abschlussbericht des IQWiG vom 25.3.2015 ist am 21.5.2015 veröffentlicht worden. Er ist nunmehr Gegenstand des - noch nicht abgeschlossenen - Methodenbewertungsverfahrens des GBA.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte CGMS nebst Verbrauchsmaterialien (Sensoren und Pflaster) hat.

13

Wird ein Hilfsmittel als untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt, hat die Krankenkasse die Kosten hierfür grundsätzlich erst zu übernehmen, wenn der GBA die Methode positiv bewertet hat. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethoden das Prüfungsverfahren bei dem GBA vorgeschaltet. Erst wenn diese Prüfung positiv ausgefallen ist, sind die für den Einsatz der dann anerkannten Methode notwendigen Hilfsmittel Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen. Eine Bewertung durch den GBA ist auch bezüglich bereits anerkannter oder zugelassener Methoden erforderlich, wenn diese im Hinblick auf ihre diagnostische bzw therapeutische Wirkungsweise, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren.

14

Das CGMS basiert auf einer neuen Untersuchungs- bzw Behandlungsmethode. Die kontinuierliche Messung des Zuckergehalts im Unterhautfettgewebe unterscheidet sich im Hinblick auf die diagnostische Vorgehensweise sowie mögliche Risiken und Aspekte der Wirtschaftlichkeit erheblich von der herkömmlichen Blutzuckermessung und stellt daher eine "neue", bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode dar. Solange der GBA hierzu keine positive Empfehlung abgegeben hat, besteht kein Anspruch auf Versorgung mit den Hilfsmitteln, die für die kontinuierliche Glukosewertbestimmung erforderlich sind. Eine abschließende Beurteilung des GBA dürfte wegen des bereits abgeschlossenen Bewertungsverfahrens beim IQWiG in einigen Monaten vorliegen, erlangt dann aber keine Rückwirkung.

15

1. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs 3 SGB V. Danach ist die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten für eine von dem Versicherten selbst beschaffte Leistung verpflichtet, wenn sie entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang besteht (stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 12/10 R - Juris RdNr 7 mwN - Rollstuhl-Bike III; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 11 - Matratzen-Encasings). Eine unaufschiebbare Leistung iS der 1. Alternative der Vorschrift lag hier mangels medizinischer Dringlichkeit nicht vor (hierzu BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23). Die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 13 Abs 3 SGB V sind ebenfalls nicht erfüllt, weil zwar ein Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und der Kostenlast besteht, die Ablehnung der Leistung jedoch nicht zu Unrecht erfolgt ist.

16

a) Die geltend gemachten Aufwendungen für den Erwerb des CGMS beruhen auf der Versagung der Leistung durch die Beklagte, sodass der nach Wortlaut und Zweck des § 13 SGB V notwendige Ursachenzusammenhang zwischen der Kostenlast des Versicherten und der Leistungsablehnung durch die Krankenkasse besteht. Hieran würde es fehlen, wenn die Krankenkasse vor der Beschaffung der Leistung durch den Versicherten nicht mit dem Leistungsbegehren befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (stRspr, vgl BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 11 mwN - Hörgeräteversorgung; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 12 - Matratzen-Encasings). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat den Leistungsantrag mit Schreiben vom 16.4.2012 gestellt und das CGMS erst nach Ablehnung des Antrags (Bescheid vom 25.4.2012; Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012) am 23.10.2012 und die Sensoren am 4.2.2013 bzw 10.6.2013 selbst beschafft. Die Beklagte hatte ausdrücklich dargelegt, dass weder ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das CGMS noch für das Verbrauchsmaterial bestehe.

17

b) Allerdings hatte die Klägerin zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung nach den leistungsrechtlichen Bestimmungen des SGB V keinen Anspruch auf Ausstattung mit einem CGMS und den Verbrauchsmaterialien, sodass die Beklagte den Antrag nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Die Frage, ob die begehrte Leistung iS von § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V zu Unrecht abgelehnt wurde, ist nach dem für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsrecht zu beurteilen - für Leistungen der GKV somit nach den Bestimmungen des SGB V(BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 12/10 R - Juris RdNr 7 mwN - Rollstuhl-Bike III; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 11 - Matratzen-Encasings).

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2. Maßgebende Vorschrift für die Leistungspflicht der GKV im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung, dh am 23.10.2012 (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 10 - Therapiedreirad), geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG vom 22.12.2011 - BGBl I 2983) sowie in der am 4.2. und 10.6.2013 insoweit unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz vom 23.10.2012 - BGBl I 2246). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5 SGB V, ähnlich § 31 Abs 3 SGB IX).

19

a) Bei den von der Klägerin erworbenen Komponenten des CGMS handelt es sich um Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Zu den Hilfsmitteln zählen alle sächlichen medizinischen Leistungen (etwa Körperersatzstücke), während in Abgrenzung hierzu dem Begriff der Heilmittel (§ 32 SGB V) alle von entsprechend ausgebildeten Personen persönlich erbrachten medizinischen Dienstleistungen unterfallen, wie etwa Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie (BSGE 87, 105, 108 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 2 RdNr 3 - Dauerpigmentierung; BSGE 88, 204, 206 ff = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 ff - PC-Zusatzausrüstung für häusliches Hirnleistungstraining; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 15 - Matratzen-Encasings). Das CGMS besteht insgesamt aus sächlichen Mitteln (Transmitter, Sensor sowie die - hier bereits als Sachleistung zur Verfügung gestellte - Insulinpumpe). Die Ansicht der Vorinstanzen, das CGMS selbst stelle eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar, trifft nicht zu. Die Eigenschaft als Hilfsmittel bleibt bei sächlichen Mitteln auch dann erhalten, wenn sie Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sind. Die Einstufung der kontinuierlichen Glukosemessung im Interstitium mittels des Real-Time-Messgerätes als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS des § 135 SGB V steht also der Einordnung der im Rahmen der Methode eingesetzten sächlichen Mittel als Hilfsmittel nicht entgegen.

20

b) Das von der Klägerin angeschaffte CGMS dient dem Versorgungsziel der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V). Dies ist der Fall, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V)eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21 mwN - Therapiedreirad; zur Auslegung des § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte: BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN - behindertengerechter Umbau eines Pkw; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17 - Matratzen-Encasings). Der spezifische Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21 - Therapiedreirad).

21

Die Klägerin leidet an Diabetes mellitus Typ I. Dieser Typ des Diabetes ist gekennzeichnet durch eine progrediente Zerstörung der insulinproduzierenden B-Zellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse und tritt vornehmlich in jüngeren Lebensjahren auf (Ziffer 2.1 der S3-Leitlinie "Therapie des Typ-1-Diabetes" der DDG, Stand: 30.9.2011, gültig bis 29.9.2016 - im Folgenden: S3-Leitlinie; vgl auch Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl 2014, Stichwort: "Diabetes mellitus"). Folge des durch die Zellzerstörung bedingten Insulinmangels ist, dass Zucker nicht von den Zellen aufgenommen und verarbeitet werden kann, also im Blut verbleibt mit der weiteren Folge, dass der Blutzuckerspiegel steigt und zur Regelung des Glukosehaushaltes Insulin medikamentös zugeführt werden muss. Es handelt sich um eine Erkrankung, für die bis heute kausale Therapieansätze, die die Ursache der Erkrankung beseitigen, nicht existieren. Dass die Behandlung folglich nicht auf Heilung der Krankheit ausgerichtet sein kann, steht der Einstufung als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung nicht entgegen, denn es ist im Rahmen von § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V ausreichend, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17 - Matratzen-Encasings).

22

Dies ist vorliegend der Fall. Das Therapiekonzept des Typ-1-Diabetes besteht nach Ziffer 4. der S3-Leitlinie aus den Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Schulung und psychosoziale Betreuung. Im Rahmen der Insulintherapie werden zwei Strategien unterschieden: die konventionelle Insulintherapie und die sog intensivierten Therapieformen. Die konventionelle Therapie ist charakterisiert durch eine verbindliche Vorgabe sowohl der Insulindosis als auch der Abfolge und Größe der Mahlzeiten (feste Kohlehydratportionen; Ziffer 4.1.3, a) der S3-Leitlinie). Die - in der Regel bei einem Typ-1-Diabetes durchgeführte - intensivierte Insulintherapie ist hingegen definiert als Gabe von mindestens drei Insulininjektionen pro Tag, vor allem aber gekennzeichnet durch eine Substitution von basalem Insulinbedarf mit langwirkendem "Basalinsulin“ und prandialem (dh auf das Essen bezogenem) Insulinbedarf mit kurzwirksamem Insulin zu den Mahlzeiten (Basal-Bolus-Prinzip). Diese Therapie kann mit Insulinspritzen, Insulinpens oder - wie im Falle der Klägerin - Insulinpumpen durchgeführt werden und führt zu einem höheren Aufwand ua aufgrund vermehrt notwendiger Blutglukoseselbstmessungen (Ziffer 4.1.3, b) der S3-Leitlinie). Beide Insulintherapien dienen folgenden Zielen: durch Substitution der fehlenden Insulinsekretion des Körpers sollen zum einen eine möglichst normnahe Einstellung der Blutglukose erreicht (Pschyrembel, aaO, Stichwort: "Diabetes mellitus") und dadurch diabetesbedingte Minderungen der Lebensqualität vermieden werden (Ziffer 3. der S3-Leitlinie). Zum anderen soll das Auftreten von Hypoglykämien verhindert werden, die mit verhältnismäßig ungefährlichen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche, aber auch mit Krampfanfällen, Sprachstörungen und Lähmungen sowie - in ihrer maximalen Ausprägung - mit einem hypoglykämischen Schock einhergehen können, der mit zentralen Atem- und Kreislaufstörungen (bis hin zum Tod) verbunden ist (Pschyrembel, aaO, Stichwort: "Hypoglykämie"). Zudem soll das Auftreten von Folgeerkrankungen (wie Retinopathie, Nephropathie) vermieden werden (vgl zu den Zielen der Diabetestherapie auch den am 21.7.2014 veröffentlichten Vorbericht des IQWiG, S 3).

23

Auf die Erreichung dieser Ziele ist die ärztliche Behandlung der Klägerin bei dem Oberarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums M und Diabetologen L gerichtet, wie durch dessen - einer formellen vertragsärztlichen Verordnung (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) gleichstehenden - Schreiben vom 2.3.2012 deutlich wird, in dem er die Versorgung der Klägerin mit dem System zur kontinuierlichen Glukosemessung befürwortet. Danach sei die Einstellung des Diabetes bei einem Kleinkind von großen Schwierigkeiten geprägt. Die kontinuierliche Betreuung werde durch ihn sichergestellt.

24

Hieraus ergibt sich, dass der Einsatz des CGMS im Rahmen der ärztlichen Behandlung erfolgen soll, folglich ein enger Zusammenhang zu dieser besteht und durch dessen Einsatz die Erreichung der vorgenannten Ziele unterstützt werden soll. Das System soll nicht nur den Behandler in die Lage versetzen, durch Auswertung der kontinuierlich erhobenen Daten die Therapie ggf anzupassen und so zu optimieren, dass eine bestmögliche Blutzuckereinstellung erreicht wird, sondern es sollen auch hypoglykämische Trends erkannt werden. Bei Erreichen eines vorher definierten Grenzwertes wird die - über die Insulinpumpe gesteuerte - Insulinzufuhr automatisch unterbrochen (bei Einsatz eines CGMS ohne Kopplung mit einer Insulinpumpe wird ein Alarmton abgegeben), wodurch der Eintritt der konkret drohenden Hypoglykämie verhindert werden soll. Das CGMS soll folglich eine rasche Reaktion auf zu niedrige und zu hohe Glukosewerte insbesondere bei Patienten ermöglichen, die hypoglykämische Trends in der Regel nicht selbst erkennen können. Dies sind insbesondere Patienten mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen, mit schweren nächtlichen Hypoglykämien und - wie im Falle der Klägerin - Kinder (vgl die Stellungnahme des MDS vom April 2011 zur kontinuierlichen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten bei Diabetes mellitus). Durch das CGMS soll folglich die Therapiesicherheit erweitert werden, dh das Hilfsmittel soll den therapeutischen Erfolg fördern und steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung, dient also der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung. Dass das CGMS im täglichen Leben durch den Patienten selbst bedient wird, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da die Gesamttherapie durch den Behandler gestaltet und durch diesen in Abhängigkeit von den Messergebnissen optimiert werden muss.

25

Der die Klägerin behandelnde Diabetologe L bestätigt in dem "ärztlichen Gutachten für die Kostenübernahme", dass durch die kontinuierliche Aufzeichnung Blutzuckertrends erkannt und interpretiert werden können und dementsprechend eine gezielte Behandlung möglich ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Grenzwert, bei dessen Erreichen das Gerät entweder einen Alarmton abgibt oder - bei Kopplung mit einer Insulinpumpe - die Insulinzufuhr unterbricht, jedenfalls mit dem Arzt abgestimmt werden muss. Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sich die Zahl der Arztbesuche nach Einsatz des CGMS nicht vermehrt habe, vermag dies an der Beurteilung, dass der Einsatz im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt, nichts zu ändern, weil es hierbei nicht auf die Anzahl oder Häufigkeit der Arztbesuche ankommt.

26

3. Sofern ein Hilfsmittel den Erfolg einer Krankenbehandlung iS von § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V sichern soll und dabei in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V eingesetzt wird, ist Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V weiter, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den GBA anerkannt worden ist. Bei der "kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus" handelt es sich zwar um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, zu der das CGMS in einem untrennbaren Zusammenhang steht, diese war jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt - und ist es auch derzeit - nicht durch den GBA anerkannt.

27

a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung deren Erfolg sichern soll, seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V iVm § 135 Abs 1 SGB V zu trennen(BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode"(stRspr seit BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; vgl auch BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 19 mwN; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 22 mwN; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN). Vor dem Hintergrund einer streitigen Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) wurde hierzu ausgeführt, dass, solange die Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen ist, auch die dabei eingesetzten Geräte keine "von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel“ iS von § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V darstellen(so bereits BSGE 87, 105, 110 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7 f; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, RdNr 32; siehe auch BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18; ebenso für die Arzneimitteltherapie BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19 f; BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f, vgl auch bei neuartiger Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 15 f mwN; entsprechend für Heilmittel BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f),weil Voraussetzung hierfür ist, dass das Hilfsmittel den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 15 mwN). Dies ist gerade nicht der Fall, wenn der Einsatz im Rahmen einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V erfolgt und die Methode durch den GBA nicht anerkannt wurde (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 16). Zwar obliegt die Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode dem GBA und nicht dem gemäß § 139 Abs 3 Satz 2 SGB V für die Aufnahme in das HMV zuständigen GKV-Spitzenverband, jedoch hat die Erstellung und Fortentwicklung des HMV jedenfalls dann nicht unabhängig von der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch den GBA zu erfolgen, wenn das Hilfsmittel untrennbar mit einer speziellen Behandlungsmethode verbunden ist(BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7). Darf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels positiver Empfehlung des GBA nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, kann der GKV-Spitzenverband trotz seiner Autonomie bei der Erstellung des HMV folglich nicht verpflichtet werden, die allein zur Durchführung dieser Therapie einsetzbaren Geräte in das Verzeichnis aufzunehmen (BSGE 87, 105, 110 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7).

28

b) Diese maßgeblich vor dem Hintergrund von Streitigkeiten über die Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV (§ 139 SGB V) entwickelten Grundsätze finden in gleichem Maße Anwendung, wenn - wie vorliegend - der Versicherte einen Anspruch aus § 33 SGB V geltend macht: Hat bei fehlender Empfehlung des GBA weder der Hersteller einen Anspruch auf Aufnahme des Produkts in das HMV noch darf die Methode als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, kann für den Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V nichts anderes gelten. Diese Vorschrift setzt voraus, dass das Hilfsmittel "den Erfolg der Krankenbehandlung" sichern soll. Ebenso wie durch § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V für den Bereich des HMV wird in § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB V vorausgesetzt, dass die Behandlung als solche zunächst überhaupt nach § 135 Abs 1 SGB V anerkannt ist, also den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht.

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In seinem Urteil vom 8.7.2015 im Verfahren B 3 KR 6/14 R - Juris (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) hat der Senat näher dargelegt, dass die Methodenbewertung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V durch den GBA Vorrang vor dem Aufnahmeverfahren nach § 139 SGB V hat, das der GKV-Spitzenverband durchführt. Hilfsmittel, die in untrennbarem Zusammenhang mit einer neuen Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden, sind danach sowohl leistungsrechtlich (§ 33 Abs 1 SGB V) wie leistungserbringungsrechtlich erst nach einer positiven Empfehlung des GBA zur Methode Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen.

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c) Die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang obliegt nach § 92 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem GBA, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert. Der Gesetzgeber setzt zudem in § 92 Abs 7d Satz 1 SGB V den Vorrang der Methodenbewertung durch den GBA voraus. Denn nach dieser Vorschrift ist bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinproduktes beruht, vor der Entscheidung über Richtlinien nach §§ 135, 137c und 137e SGB V auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der GBA wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband gebildet (§ 91 Abs 1 SGB V), und sein Beschlussgremium besteht neben den von diesen zu benennenden Mitgliedern grundsätzlich aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Daneben sieht das Gesetz Beteiligungen zB von Leistungserbringern (vgl zB § 92 Abs 3a Satz 1, Abs 5 Satz 1, Abs 6 Satz 2, Abs 7 Satz 2, Abs 7a, Abs 7b Satz 1, Abs 7c, Abs 7d Satz 1 SGB V) und Patientenvertretern vor (vgl § 140f Abs 2 SGB V). Damit hat der Gesetzgeber dann, wenn es (auch) um die Bewertung des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Methoden geht, diese Aufgabe grundsätzlich dem GBA als einem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung übertragen. Denn die Zuständigkeit des GBA verbürgt nach der Konzeption des Gesetzes die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung, die es (auch) rechtfertigt, dem GBA im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen. Ist der Einsatz eines Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer Behandlungsmethode, geht deshalb die Methodenanerkennung durch den GBA auch der Entscheidung des GKV-Spitzenverbandes nach § 139 Abs 4 SGB V systematisch vor. Davon geht schließlich auch der GBA selbst aus, der in § 6 Abs 11 seiner Hilfsmittel-Richtlinie die Verordnung eines Hilfsmittels ausschlossen hat, wenn es Bestandteil einer neuen, nicht anerkannten Behandlungsmethode nach § 135 SGB V ist.

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4. Bei der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung, in deren Rahmen das CGMS eingesetzt werden soll, handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode iS des § 135 Abs 1 SGB V, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem CGMS steht.

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a) Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN). "Neu" ist eine Behandlungsmethode grundsätzlich dann, wenn sie bislang nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21). Dem in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 und § 135 Abs 1 SGB V verwendeten Begriff der "Behandlungsmethode" kommt jedoch eine umfassendere Bedeutung zu als dem Begriff der "ärztlichen Leistung" im EBM-Ä nach § 87 SGB V, da einzelne vertragsärztliche Leistungen oftmals nur Bestandteil eines methodischen Konzepts sind(BSGE 84, 247, 250 = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50). Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener - für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen zusammen, kann es sich um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt (vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26). Es kommt dann darauf an, ob die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 sowie BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 3/13 R - SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 21, auch für BSGE vorgesehen; vgl auch § 2 Abs 1 Kap 2 der Verfahrensordnung des GBA, sowie Schmidt-De Caluwe in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 135 RdNr 7).

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b) Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen wesentlich sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs 1 SGB V. Nach § 135 Abs 1 SGB V hat der GBA "Empfehlungen abzugeben über
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung."
Danach dient die Notwendigkeit einer solchen Empfehlung, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSGE 81, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f).

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Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll oder wenn mit der Methode gesundheitliche Risiken verbunden sein könnten, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (vgl BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 20).

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c) In Anwendung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine neue Behandlungsmethode betroffen. Abzustellen ist auf das konkrete Verfahren “kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus“. Im EBM-Ä sind zwar Positionen zur Messung des Parameters Glukose im Rahmen der allgemeinen Laborleistungen vorgesehen (etwa in den GOP 32025 und GOP 32057), Positionen für die subkutane Messung des Glukosewertes finden sich jedoch ebenso wenig wie anderweitige Positionen betreffend die hier zugrunde liegende Behandlungsmethode. Bei der kontinuierlichen Glukosemessung im Unterhautfettgewebe zur Steuerung einer insulinpflichtigen Diabetestherapie handelt es sich daher um eine neuartige Kombination verschiedener Einzelleistungen. Denn im Vergleich zu den herkömmlichen Diabetestherapien bringt dieses Verfahren wesentliche Änderungen mit sich.

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Weder bei der konventionellen noch bei der intensivierten Therapieform erfolgen kontinuierliche Glukosemessungen. Die Leitlinien empfehlen bei einem Typ-1-Diabetes generell mindestens viermal täglich (vor den Mahlzeiten und vor dem Zubettgehen) eine Glukosemessung durchzuführen. Häufigere Messungen können unter anderem vor und nach intensiver körperlicher Bewegung/Sport und auf Reisen angezeigt sein (Ziffer 9.1, Empfehlung 9.2 der Leitlinie). Darüber hinaus werden mit den herkömmlichen Messungen die Glukosewerte im Blut bestimmt, während mit den von der Klägerin begehrten Messgeräten die Glukosewerte mittels eines Sensors im Unterhautfettgewebe ermittelt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch bei Einsatz der CGM-Geräte auf die Messung von Blutzuckerwerten nicht verzichtet werden kann, weil die CGM-Geräte mittels der Blutzuckerwerte kalibriert werden müssen (dies betonen auch die Hersteller: etwa http://www.medtronic.de/erkrankungen/diabetes/produkt/kontinuierliches-glukosemonitoring/minimed-veo-system/index.htm, letzter Abruf am 8.5.2015); die Zahl der Blutzuckermessungen kann aber wesentlich verringert werden. Schließlich sendet das von der Klägerin beschaffte Gerät die Glukosewerte per Funk an die Veo-Insulinpumpe, so dass die Ausschüttung von Insulin sogleich über dieses System gesteuert wird.

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Bei dem zuletzt genannten Aspekt ist ohne Weiteres ersichtlich, dass damit gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Denn bei der herkömmlichen, anerkannten Insulinpumpentherapie wird die Insulinzufuhr ausschließlich vom Arzt oder Anwender auf der Basis von Blutzuckermessungen reguliert. Die Wirkungsweise einer automatischen Steuerung der von der Pumpe abgegebenen Insulinmenge auf der Grundlage kontinuierlicher Glukosemessungen im Interstitium ist bisher nicht abschließend vom GBA geprüft worden. Bei einer solchen Prüfung wird es insbesondere um die Verlässlichkeit der Glukosemessungen im Unterhautfettgewebe und die damit in Verbindung gebrachte, im Vergleich zu den Blutzuckerwerten um 5 bis 30 Minuten verzögerte Anzeige des Zuckergehaltes, aber auch um die Zuverlässigkeit der Kalibrierung der Geräte mithilfe der Blutzuckerwerte gehen müssen.

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Aber auch ohne Kopplung des Systems mit der Insulinpumpe und ohne automatische Regelung der Insulinzufuhr ist das Verfahren für die Patienten nicht nur mit Vorteilen, sondern auch mit Risiken verbunden. Dies gilt schon deshalb, weil die Patienten sich auf die kontinuierliche Messung der Glukosewerte verlassen und daher selbst nur noch sehr viel seltener konventionelle Blutzuckermessungen vornehmen werden. Selbst wenn dies im Einzelfall über entsprechende Anweisungen des Arztes ausgeschlossen und die CGM-Geräte ausschließlich zusätzlich zu den herkömmlichen Blutzuckermessungen eingesetzt würden, bliebe aber vor allem der Gesichtspunkt des diagnostischen Nutzens insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot zu prüfen. Es liegt nahezu auf der Hand, dass eine kontinuierliche interstitielle Glukosemessung nicht für alle Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes im Vergleich oder zusätzlich zu den herkömmlichen Blutzuckermessungen medizinische Vorteile bietet. So lässt sich der S3-Leitlinie entnehmen, dass bisher nicht ausreichend belegt sei, dass "die Anwendung der kontinuierlichen Glukosemessung zu einer Senkung des HbA1c-Wertes führt". Hinweise auf einen entsprechenden Nutzen bei Erwachsenen mit guter Adhärenz müssten danach in weiteren Studien bestätigt werden. Zudem liege für die Senkung der Hypoglykämierate widersprüchliche Evidenz vor (Ziffer 9.1, Empfehlung 9-3 der vorgenannten Leitlinie). Zwar wird sodann unter dem Punkt: Hintergrund und Evidenz zu Statement 9-3 ausgeführt, dass anhand einer Gesamtschau der vorliegenden Studien festgestellt werden könne, dass sich für die CGM Hinweise für eine mögliche Senkung des HbA1c-Wertes bei Erwachsenen zeigten, während für die Verbesserung von Hypoglykämien keine eindeutige Evidenz vorliege und auch keine Evidenz zur Verbesserung von Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen identifiziert werden könne.

39

Zusammenfassend wird damit deutlich, dass die Verwendung von CGM insbesondere dann Risiken birgt, wenn - wie im Fall der Klägerin - die Insulinpumpe automatisch über diese Geräte gesteuert wird und herkömmliche Blutzuckermessungen - wie vorgesehen - weitgehend entfallen und nur noch zur Kalibrierung der Geräte durchgeführt werden. Werden die CGM lediglich zusätzlich zum herkömmlichen Verfahren verwendet, ist ein medizinischer Vorteil der zusätzlichen kontinuierlichen Messungen - und insbesondere der Patientenkreis, für den dieses Verfahren tatsächlich einen zusätzlichen medizinischen Nutzen mit sich bringen könnte - bisher noch nicht abschließend mit hinreichender Evidenz festgestellt. Es ist auch nicht Aufgabe der Gerichte, sondern ausschließlich Aufgabe des GBA, mittels entsprechender (positiver oder negativer) Empfehlungen über einen hinreichend belegten medizinischen Nutzen einer neuen Methode zu entscheiden. Die Ausführungen zeigen lediglich, dass ein Entscheidungsbedarf des GBA besteht, es sich also - im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden - um eine "neue" Untersuchungs- bzw Behandlungsmethode handelt.

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d) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 15.3.2012 (B 3 KR 2/11 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 38 - Matratzen-Encasings). Soweit der Senat danach den Instanzengerichten aufgibt, die objektive und subjektive Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Sicherung einer Krankenbehandlung nach dem aktuellen, allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu ermitteln (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21), ist daraus für den vorliegenden Fall nicht abzuleiten, dass die kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Versicherten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus keiner positiven Bewertung durch den GBA bedürfe, sondern es für den Anspruch auf das begehrte CGMS genüge, wenn die genannten Maßstäbe erfüllt seien.

41

Der Verwendung von Matratzen-Encasings lag nämlich keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zugrunde, sondern es sollte vielmehr ein bestimmtes Hilfsmittel (Matratzen-Encasing) losgelöst von einer solchen Behandlungsmethode zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung eingesetzt werden. Der Einsatz der Encasings dient allein dazu, den Patienten besser vor der Exposition von allergieauslösenden Substanzen zu schützen, also der Allergiekarenz (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17). Der Umhüllung der Matratzen liegt kein eigenständiges therapeutisches Konzept zugrunde, sondern allein die Minderung des Kontaktes zwischen Patienten und allergenen Noxen. Folgerichtig hat der Senat auch in seiner Entscheidung zu der Hilfsmitteleigenschaft von Hüftprotektoren (BSGE 103, 66 = SozR 4-2500 § 33 Nr 22) § 135 Abs 1 SGB V nicht erwähnt, sondern allein geprüft, ob die Versorgung mit Protektoren der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung durch Vermeidung der Auswirkungen von Stürzen dient. Dass der Senat dies bei den Hüftprotektoren verneint und bei der Encasing bejaht hat, beruht auf den unterschiedlichen Zielsetzungen beider Produkte: die Encasings schützen den Patienten im Zusammenhang mit einer schon vorhandenen, zu behandelnden Erkrankung und die Protektoren schützen nur vor den Folgen eines Sturzes, ohne auf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Sturzes irgendeinen Einfluss zu haben. Gemeinsam haben beide Produkte, dass ihr Einsatz nicht Teil eines auf eine bestimmte Erkrankung bezogenen umfassenden Behandlungskonzeptes ist bzw mit einer solchen in einem allenfalls losen Zusammenhang steht. Die Vermeidung von Allergien ist Zweck der Verwendung von Encasings; er steht unabhängig davon, ob die Grunderkrankung des Patienten auch mit anderen Maßnahmen behandelt werden muss. Das ist bei der CGM nicht der Fall: allein die Messung des Glukosegehaltes zu einem bestimmten Zeitpunkt stellt für sich genommen keine Krankenbehandlung dar, sondern ist notwendiger Teil einer solchen. Die Information über den Zuckergehalt setzt Arzt und Patient in den Stand, die erforderlichen Maßnahmen (Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel, Insulinzufuhr, Neueinstellung des Patienten durch den Arzt) der Diabetesbehandlung zu ergreifen. Das Ziel der Vermeidung von Hypoglykämien wird durch das CGMS unterstützt, ist jedoch nicht mit dessen Wirkung gleichzusetzen.

42

5. Die Behandlungsmethode der "kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung" darf auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden. Selbst wenn möglicherweise vieles dafür spricht, dass die neue Methode für einen bestimmten Patientenkreis überwiegend vorteilhaft und - zumindest solange zusätzlich auf die herkömmlichen Blutzuckermessungen nicht verzichtet und die Insulinpumpe nicht automatisch über das System gesteuert wird - auch mit keinen weiteren Risiken verbunden ist, kann eine neue Methode grundsätzlich erst nach einer positiven Empfehlung des GBA gewährt werden. Denn es kommt nicht nur auf die gesundheitlichen Risiken, sondern insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot auch auf den diagnostischen bzw therapeutischen Nutzen der Methode an, der zuerst hinreichend belegt sein muss. Einheitlich für alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hierzu, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Die auch mit wertenden Nutzen-Risiko-Abwägungen verbundene Feststellung, ob die Leistung diesem Erkenntnisstand hinreichend gerecht wird (vgl hierzu zB Roters, SGb 2015, 413 ff), obliegt grundsätzlich dem GBA.

43

Ein Ausnahmefall, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist, liegt nicht vor. Eine solche Ausnahme regelt inzwischen § 2 Abs 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG im sog Nikolausbeschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl zusammenfassend ferner BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 ff mwN). Ferner ist eine Ausnahme für sog Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen (vgl etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 30), und schließlich für den Fall, dass der GBA dem in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen(vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN).

44

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zwar handelt es sich bei einer Diabeteserkrankung um eine schwerwiegende Erkrankung, die die Lebensqualität der Klägerin nicht unerheblich beeinträchtigt. Es geht aber weder um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende noch um eine wertungsmäßig mit einer solchen Krankheit vergleichbare Erkrankung. Zudem existiert jedenfalls eine dem medizinischen Standard entsprechende Therapie. Es handelt sich auch nicht um eine besonders seltene Erkrankung. Ferner findet sich kein Anhaltspunkt für eine willkürlich oder ansonsten mit dem Aktualisierungsauftrag des GBA unvereinbar verzögerte Handhabung des Verfahrens nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Gegen eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung spricht vielmehr, dass aktuell eine Prüfung durch den GBA erfolgt. Mit Beschluss vom 24.11.2011 hatte der GBA den Antrag des GKV-Spitzenverbandes vom 14.7.2011 auf Bewertung der CGM mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus gemäß § 135 Abs 1 SGB V angenommen und das Beratungsverfahren eingeleitet. Gleichzeitig wurde der Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung beauftragt. Mit Schreiben vom 23.11.2012 hat der GBA das IQWiG mit der Bewertung der CGM mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus beauftragt. Der Vorbericht wurde am 21.7.2014 veröffentlicht (abrufbar unter: https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahren/d12-01-kontinuierliche-interstitielle-glukosemessung-cgm-mit-real-time-messgeraten-bei-insulinpflichtigem-diabetes-mellitus.3258.html; letzter Abruf am 8.5.2015), der Abschlussbericht wurde am 26.3.2015 an den GBA versandt und am 21.5.2015 veröffentlicht. Das Verfahren wird folglich von dem GBA betrieben. Eine rechtswidrige Verzögerung ist nicht erkennbar.

45

Da die von der Klägerin selbst beschafften Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode iS von § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden, sind diese von der Sperrwirkung dieser Norm erfasst. Mangels positiver Empfehlung durch den GBA hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Sachleistung und damit auch nicht auf Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte Hilfsmittel nach § 13 Abs 3 SGB V.

46

6. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ausstattung mit dem CGMS nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 3 SGB V, also zum Ausgleich einer Behinderung. Ein Behinderungsausgleich kann mit dem begehrten Hilfsmittel nur erzielt werden, wenn es im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden darf, und dazu bedarf es zunächst einer positiven Empfehlung des GBA zu der zugrunde liegenden Behandlungsmethode. Nach den obigen Ausführungen ist der Einsatz des Hilfsmittels gerade nicht von der zugrunde liegenden Behandlungsmethode zu trennen. Eine vom therapeutischen Nutzen unabhängige Funktion des CGMS zum Ausgleich einer Behinderung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

47

7. Ein Anspruch auf das Hilfsmittel kommt auch nach § 33 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB V, dh zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, nicht in Betracht, solange der GBA den therapeutischen Nutzen der zugrunde liegenden Behandlungsmethode nicht positiv bewertet hat. Denn ohne eine positive Empfehlung des GBA kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Hilfsmittels - unter Berücksichtigung möglicher Risiken und des Wirtschaftlichkeitsgebots - positive Wirkungen in Bezug auf Spätfolgen oder Folgeerkrankungen des Diabetes mit sich bringt und deshalb zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung objektiv geeignet sein könnte.

48

8. Das Urteil des LSG leidet auch nicht an einem Verfahrensmangel. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung der richterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) liegt nicht vor. Eine Verletzung des § 103 SGG setzt voraus, dass sich das Tatsachengericht auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung zur Sach- und Rechtslage hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28 mwN). Nach Auffassung des LSG scheiterte der Anspruch der Klägerin an der fehlenden positiven Empfehlung des GBA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V. Auf den Inhalt der Beratungsunterlagen und Protokolle der Sitzungen des GBA kam es aus Sicht des LSG folglich nicht an, da auch eine im Sinne der Klägerin (vorläufige) positive Stellungnahme die fehlende formelle Methodenentscheidung nach § 135 Abs 1 SGB V nicht ersetzen könnte. Hieran vermag der Einwand, dass es unterschiedliche Meinungen zur rechtlichen Einordnung des begehrten CGMS gebe, nichts zu ändern. Die rechtliche Bewertung, ob es sich bei dem CGMS um eine "neue" Untersuchungs- oder Behandlungsmethode handelt, obliegt allein dem Gericht und konnte von diesem auf der Grundlage der ihm bekannten Tatsachen über die Funktionsweise des CGMS vorgenommen werden. Insoweit ist nicht ersichtlich, welche weiteren Tatsachen zur Aufklärung des Sachverhaltes sich aus der Hinzuziehung der eingangs genannten Unterlagen hätten ergeben können. Derartige Tatsachen hat die Klägerin auch nicht benannt.

49

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 116/15
vom
5. Juli 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:050717BIVZR116.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz
am 5. Juli 2017

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11. Februar 2015 durch Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.
Streitwert: 4.829 €

Gründe:


1
I. Der Kläger leidet infolge des Ausfalls von Nervenfunktionen an einer Fußhebeschwäche, deretwegen ein Elektrostimulationsgerät "Walk Aide 1000" eingesetzt werden soll, welches über eine Manschette elektrische Signale an den Peronealnerv sendet und so die Steuerung des Fußes und Fußgelenks ermöglicht. Er streitet mit seinem privaten Krankenversicherer darüber, ob dieser die Kosten für das Gerät in Höhe von 4.829 € erstatten muss.
2
Die Versicherungsbedingungen der seit dem 1. Januar 2008 bestehenden Krankheitskostenvollversicherung regeln unter Teil II § 5 Abs. 4 die Erstattung von Hilfsmitteln wie folgt: "Erstattungsfähig sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich
a) die Aufwendungen für Bandagen, Bruchbänder, Leibbinden , Kunstaugen, künstliche Kehlköpfe, orthopädische Stützapparate, orthopädische Einlagen, Gummistrümpfe , Beinprothesen, Armprothesen, Insulinpumpen , Unterarmgehstützen, Gehstöcke, Stoma-Versorgungsartikel , Hörgeräte und handbetriebene Standard- krankenfahrstühle, … [es folgen unter b) und c) Regelungen betreffend Sehhilfen und orthopädische Schuhe] Zusätzlich sind bei medizinischer Notwendigkeit ausschließlich die Aufwendungen für folgende Hilfsmittel erstattungsfähig , sofern sie nach vorheriger Abstimmung mit … [dem Versicherer] über das Hilfsmittel-Management … [des Versicherers] bezogen werden: Heimmonitore … zur Vorbeugung gegen plötzlichen Kindstod (SIDS), Sauerstoffgeräte, Ernährungspumpen , Wechseldruckmatratzen/-systeme, Krankenbetten in funktionaler Standardausführung, Schmerzmittelpumpen , Beatmungsgeräte, Schlafapnoegeräte, MotorBewegungsschienen und Heimdialysegeräte."
3
Der Kläger meint, das Elektrostimulationsgerät sei ein orthopädischer Stützapparat im Sinne der genannten Bedingungen, die insoweit weit und "zukunftsfähig" ausgelegt werden müssten. Jedenfalls sei das Gerät auch den erstattungsfähigen "Beinprothesen" und/oder "MotorBewegungsschienen" zuzuordnen. Im Übrigen sei der beklagte Krankenversicherer verpflichtet, zumindest die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar zuzusichern. In der gesetzlichen Krankenversicherung sei das Elektrostimulationsgerät als medizinisch notwendiges Hilfsmittel erstattungsfähig.
4
II. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Elektrostimulationsgerät sei kein bedingungsgemäßer orthopädischer Stützapparat, es erfülle keine Stützfunktion, sondern stimuliere lediglich Beinnerven. Die Beschränkung der Hilfsmittelkostenerstattung auf einen abschließenden Katalog von Hilfsmitteln sei wirksam. Dem stehe auch die Einführung der Basistarife in der privaten Krankenversicherung nicht entgegen, denn nur in diesen Basistarifen sei der private Krankheitskostenversicherer verpflichtet , das Mindestmaß der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu bieten. Bei anderen Tarifen richte sich der Umfang der geschuldeten Versicherungsleistungen in den Grenzen des § 307 BGB allein nach den vereinbarten Versicherungs- und Tarifbedingungen.
6
Das Elektrostimulationsgerät sei auch keine Beinprothese im Sinne von Teil II § 5 Abs. 4 der Bedingungen, weil es kein Körperteil ersetze. Ob das Gerät eine Motor-Bewegungsschiene im Sinne der Klausel sei, könne dahinstehen, weil eine Kostenerstattung insoweit nur nach - hier nicht erfolgter - Abstimmung mit dem Hilfsmittelmanagement des Versi- cherers in Betracht gekommen wäre. Im Übrigen fehle dem Geräte das "Element des Schienens".
7
Auf die medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels komme es nach allem nicht an. Weiter könne offen bleiben, ob ein Versicherungsnehmer in der privaten Krankenversicherung Anspruch auf eine vorherige Deckungszusage habe.
8
Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.
9
III. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
10
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Regelungen über die Erstattung der Kosten für Hilfsmittel in Teil II § 5 Abs. 4 der Versicherungsbedingungen dahin ausgelegt, dass dort ein abgeschlossener Katalog erstattungsfähiger Hilfsmittel erstellt ist. Das ergibt schon die zweimalige Verwendung des Wortes "ausschließlich" vor den jeweiligen Aufzählungen von Hilfsmitteln. Dagegen erinnert die Revision auch nichts (zur Wirksamkeit abgeschlossener Hilfsmittelkataloge vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 2004 - IV ZR 176/03, juris Rn. 26 ff.; IV ZR 29/03, r+s 2004, 423 unter 3 b; OLG Köln r+s 2016, 248; OLG Hamm VersR 2017, 681).
11
2. Soweit sie beanstandet, das Berufungsgericht habe das Elektrostimulationsgerät zu Unrecht nicht als bedingungsgemäßen Stützapparat eingestuft und verkannt, dass eine "zukunftsfähige" Auslegung der Hilfsmittelliste geboten sei, deckt das weder einen Revisionszulassungsgrund noch einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.
12
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senatsurteile vom 16. November 2016 - IV ZR 356/15, VersR 2017, 85 Rn. 12; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 unter III 1 b; st. Rspr.).
13
Ein solcher Versicherungsnehmer wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgebend ist (Senatsurteil vom 8. Mai 2013 - IV ZR 84/12, VersR 2013, 995 Rn. 21; Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - IV ZR 17/10, VersR 2011, 1179 Rn. 14 m.w.N.).
14
b) Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht beachtet und zu Recht angenommen, für einen orthopädischen Stützapparat sei eine Stützfunktion bezeichnend, die das Stimulationsgerät nicht erfülle. Ein Stützapparat ist nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens ein mechanisches Gerät, das infolge seiner eigenen Stabilität in der Lage ist, Gewichte oder Kräfte aufzunehmen, um so Körperteile oder Gliedmaßen , die damit überfordert sind, zu unterstützen, zu entlasten und/oder zu ersetzen (vgl. dazu auch OLG Köln r+s 2016, 248 Rn. 27). Ein Gerät, das lediglich elektrische Impulse aussendet, um Muskeln anzuregen , übernimmt deren Stützfunktion nicht. Insoweit zielt der Revisionsangriff auf eine analoge Erweiterung der Hilfsmittelliste, die sich angesichts der oben beschriebenen Regelungstechnik eines abgeschlossenen Hilfsmittelkatalogs verbietet.
15
c) Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass insoweit ein grundsätzlicher Klärungsbedarf infolge einer Diskussion in Rechtsprechung und Literatur über die genannte Auslegung bestünde. Auch das Berufungsgericht hat einen solchen Klärungsbedarf nicht angenommen, sondern die Revision allein mit Blick auf die nachfolgende Rechtsfrage zugelassen.
16
3. Die Revision meint, selbst wenn das vom Kläger genutzte Stimulationsgerät nicht unter die Geräte der Hilfsmittelliste zu subsumieren sei, sei die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet, weil sie - auch unter Zugrundelegung des hier vereinbarten Tarifs - seit Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung nicht mehr hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, welche die Kosten für das Elektrostimulationsgerät erstatte, zurückstehen dürfe. Mit § 193 Abs. 3 VVG sei ein gesetzlicher Mindeststandard für alle nach dem 1. April 2007 (vgl. § 193 Abs. 3 Satz 3 VVG) abgeschlossenen Krankenversicherungsverträge eingeführt worden. Der von den Versicherern anzubietende Basistarif, dessen Leistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches V entsprechen müssten, garantiere deshalb einen gesetzlich geregelten Mindestschutz , der auch in anderen Krankenversicherungstarifen zu gewährleisten sei (vgl. dazu OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2014 - 7 U 224/13 n.v. unter II 6, 7; Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. § 192 Rn. 14; Wandt, Versicherungsrecht 5. Aufl. Rn. 1307; Grote/Bronkars, VersR 2008, 580,

581).

17
a) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es anders als das Oberlandesgericht Stuttgart (aaO) angenommen hat, das Gebot, nicht hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversiche- rung zurückzubleiben, gelte nur für den - hier nicht vereinbarten - Basistarif.
18
b) Der genannte Revisionszulassungsgrund einer Divergenz der Berufungsentscheidung zum Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (aaO) ist jedoch inzwischen entfallen, und die Revision hat auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
19
Nach Erlass des hier angefochtenen Berufungsurteils hat der Senat aus Anlass der - aus anderen Gründen erfolgten - Aufhebung des genannten Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart ausgesprochen, dass er dessen Auffassung, die Tarifbedingungen in der privaten Krankheitskostenversicherung müssten sich wegen der Versicherungspflicht aus § 193 Abs. 3 VVG und der Substitutionsfunktion der privaten Krankenversicherung in der Weise an den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung messen lassen, dass sie deren Leistungsumfang nicht unterschreiten dürften, nicht teilt (Senatsurteil vom 24. Juni 2015 - IV ZR 181/14, r+s 2015, 405 Rn. 22).
20
Vielmehr hat er wiederholt entschieden, dass schon wegen der Strukturunterschiede beider Systeme Versicherte einer privaten Krankenversicherung nicht erwarten könnten, in gleicher Weise versichert zu sein wie Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. nur Senatsurteil vom 18. Februar 2009 - IV ZR 11/07, r+s 2009, 246 Rn. 16 m.w.N.). Demzufolge kann jedenfalls für Krankheitskostenversicherungen , die - wie hier - nicht im Basistarif abgeschlossen sind, den Vorschriften des Sozialgesetzbuches V, hier insbesondere § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, kein das Leistungsversprechen des privaten Krankenversicherers bestimmendes gesetzliches Leitbild entnommen werden. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG in anderen Tarifen als dem Basistarif eine Selbstbeteiligung des Versiche- rungsnehmers von bis zu 5.000 € zulässt, während für den Basistarif niedrigere Obergrenzen für die Selbstbeteiligung gelten (Selbstbeteili- gungsstufen bis maximal 1.200 €,vgl. schon § 12 Abs. 1a Satz 3 VAG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung, jetzt § 152 Abs. 1 Satz 3 VAG).
Felsch Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller Dr. Götz
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 17.06.2014- 146 C 29/14 -
LG Köln, Entscheidung vom 11.02.2015- 23 S 13/14 -

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(2) Soweit dies zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist, sind im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder einsatzbezogen besondere Qualitätsanforderungen für Hilfsmittel festzulegen. Besondere Qualitätsanforderungen nach Satz 1 können auch festgelegt werden, um eine ausreichend lange Nutzungsdauer oder in geeigneten Fällen den Wiedereinsatz von Hilfsmitteln bei anderen Versicherten zu ermöglichen. Im Hilfsmittelverzeichnis sind auch die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln.

(3) Die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Hält der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Prüfung des Antrags eine Klärung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich, ob der Einsatz des Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, holt er hierzu unter Vorlage der ihm vorliegenden Unterlagen sowie einer Begründung seiner Einschätzung eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Auskunft innerhalb von sechs Monaten zu erteilen. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass das Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, beginnt unmittelbar das Verfahren zur Bewertung der Methode nach § 135 Absatz 1 Satz 1, wenn der Hersteller den Antrag auf Eintragung des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nicht innerhalb eines Monats zurücknimmt, nachdem ihm der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Ergebnis der Auskunft mitgeteilt hat.

(4) Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Auf Anfrage des Herstellers berät der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Hersteller im Rahmen eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von neuartigen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis über Qualität und Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen. Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf die grundlegenden Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels. Sofern Produkte untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind, bezieht sich die Beratung nicht auf das Verfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 1. Erfordert der Nachweis des medizinischen Nutzens klinische Studien, kann die Beratung unter Beteiligung der für die Durchführung der Studie vorgesehenen Institution erfolgen. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Verfahrensordnung nach Absatz 7 Satz 1. Für die Beratung kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren nach pauschalierten Gebührensätzen erheben. Hat der Hersteller Nachweise nach Satz 1 nur für bestimmte Indikationen erbracht, ist die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis auf diese Indikationen zu beschränken. Nimmt der Hersteller an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, Änderungen vor, hat er diese dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn ein Hilfsmittel nicht mehr hergestellt wird.

(5) Für Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden. Prüfungen nach Satz 3 können nach erfolgter Aufnahme des Produkts auch auf der Grundlage von Stichproben vorgenommen werden. Ergeben sich bei den Prüfungen nach Satz 2 bis 4 Hinweise darauf, dass Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet sind, sind unbeschadet sonstiger Konsequenzen die danach zuständigen Behörden hierüber zu informieren.

(6) Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, ist ihm eine angemessene Frist, die insgesamt sechs Monate nicht übersteigen darf, zur Nachreichung fehlender Unterlagen einzuräumen. Wenn nach Ablauf der Frist die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen, ist der Antrag abzulehnen. Ansonsten entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen. Bis zum Eingang einer im Einzelfall nach Absatz 3 Satz 3 angeforderten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Über die Entscheidung ist ein Bescheid zu erteilen. Die Aufnahme ist zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht mehr erfüllt sind.

(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung, in der er nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6, 8 und 9 das Nähere zum Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis, zu deren Streichung und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sowie das Nähere zum Verfahren der Auskunftseinholung beim Gemeinsamen Bundesausschuss regelt. Er kann dabei vorsehen, dass von der Erfüllung bestimmter Anforderungen ausgegangen wird, sofern Prüfzertifikate geeigneter Institutionen vorgelegt werden oder die Einhaltung einschlägiger Normen oder Standards in geeigneter Weise nachgewiesen wird. In der Verfahrensordnung legt er insbesondere Fristen für die regelmäßige Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses fest. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene ist vor Beschlussfassung innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Verfahrensordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Für Änderungen der Verfahrensordnung gelten die Sätze 4 und 5 entsprechend. Sofern dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 8 vorgesehen ist, erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren zur Deckung seiner Verwaltungsausgaben nach Satz 1.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren von den Herstellern zu erheben sind. Es legt die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner fest. In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind.

(9) Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat bis zum 31. Dezember 2018 sämtliche Produktgruppen, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und sie im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Er legt dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages über das Bundesministerium für Gesundheit einmal jährlich zum 1. März einen Bericht über die im Berichtszeitraum erfolgten sowie über die begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Fortschreibungen vor. Die Fortschreibung umfasst die Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2, die Aufnahme neuer Hilfsmittel sowie die Streichung von Hilfsmitteln.

(10) Zum Zweck der Fortschreibung nach Absatz 9 Satz 1, 2 und 4 kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von dem Hersteller für seine im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte innerhalb einer in der Verfahrensordnung festgelegten angemessenen Frist die zur Prüfung der Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Unterlagen anfordern. Bringt der Hersteller die angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß bei, verliert die Aufnahme des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis ihre Wirksamkeit und das Produkt ist unmittelbar aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Ergibt die Prüfung, dass die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt sind, ist die Aufnahme zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Eintritt der Bestandskraft des Rücknahme- oder Widerrufsbescheids ist das Produkt aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Für die Prüfung, ob ein Hilfsmittel noch hergestellt wird, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Streichung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.

(11) Vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 ist den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann auch Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik einholen. Soweit vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 mögliche Berührungspunkte des voraussichtlichen Fortschreibungsbedarfs mit digitalen oder technischen Assistenzsystemen festgestellt werden, ist zusätzlich mindestens eine Stellungnahme eines Sachverständigen oder unabhängigen Forschungsinstituts aus dem Bereich der Technik einzuholen; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(2) Soweit dies zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist, sind im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder einsatzbezogen besondere Qualitätsanforderungen für Hilfsmittel festzulegen. Besondere Qualitätsanforderungen nach Satz 1 können auch festgelegt werden, um eine ausreichend lange Nutzungsdauer oder in geeigneten Fällen den Wiedereinsatz von Hilfsmitteln bei anderen Versicherten zu ermöglichen. Im Hilfsmittelverzeichnis sind auch die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln.

(3) Die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Hält der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Prüfung des Antrags eine Klärung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich, ob der Einsatz des Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, holt er hierzu unter Vorlage der ihm vorliegenden Unterlagen sowie einer Begründung seiner Einschätzung eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Auskunft innerhalb von sechs Monaten zu erteilen. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass das Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, beginnt unmittelbar das Verfahren zur Bewertung der Methode nach § 135 Absatz 1 Satz 1, wenn der Hersteller den Antrag auf Eintragung des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nicht innerhalb eines Monats zurücknimmt, nachdem ihm der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Ergebnis der Auskunft mitgeteilt hat.

(4) Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Auf Anfrage des Herstellers berät der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Hersteller im Rahmen eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von neuartigen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis über Qualität und Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen. Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf die grundlegenden Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels. Sofern Produkte untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind, bezieht sich die Beratung nicht auf das Verfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 1. Erfordert der Nachweis des medizinischen Nutzens klinische Studien, kann die Beratung unter Beteiligung der für die Durchführung der Studie vorgesehenen Institution erfolgen. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Verfahrensordnung nach Absatz 7 Satz 1. Für die Beratung kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren nach pauschalierten Gebührensätzen erheben. Hat der Hersteller Nachweise nach Satz 1 nur für bestimmte Indikationen erbracht, ist die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis auf diese Indikationen zu beschränken. Nimmt der Hersteller an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, Änderungen vor, hat er diese dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn ein Hilfsmittel nicht mehr hergestellt wird.

(5) Für Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden. Prüfungen nach Satz 3 können nach erfolgter Aufnahme des Produkts auch auf der Grundlage von Stichproben vorgenommen werden. Ergeben sich bei den Prüfungen nach Satz 2 bis 4 Hinweise darauf, dass Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet sind, sind unbeschadet sonstiger Konsequenzen die danach zuständigen Behörden hierüber zu informieren.

(6) Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, ist ihm eine angemessene Frist, die insgesamt sechs Monate nicht übersteigen darf, zur Nachreichung fehlender Unterlagen einzuräumen. Wenn nach Ablauf der Frist die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen, ist der Antrag abzulehnen. Ansonsten entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen. Bis zum Eingang einer im Einzelfall nach Absatz 3 Satz 3 angeforderten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Über die Entscheidung ist ein Bescheid zu erteilen. Die Aufnahme ist zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht mehr erfüllt sind.

(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung, in der er nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6, 8 und 9 das Nähere zum Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis, zu deren Streichung und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sowie das Nähere zum Verfahren der Auskunftseinholung beim Gemeinsamen Bundesausschuss regelt. Er kann dabei vorsehen, dass von der Erfüllung bestimmter Anforderungen ausgegangen wird, sofern Prüfzertifikate geeigneter Institutionen vorgelegt werden oder die Einhaltung einschlägiger Normen oder Standards in geeigneter Weise nachgewiesen wird. In der Verfahrensordnung legt er insbesondere Fristen für die regelmäßige Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses fest. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene ist vor Beschlussfassung innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Verfahrensordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Für Änderungen der Verfahrensordnung gelten die Sätze 4 und 5 entsprechend. Sofern dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 8 vorgesehen ist, erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren zur Deckung seiner Verwaltungsausgaben nach Satz 1.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren von den Herstellern zu erheben sind. Es legt die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner fest. In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind.

(9) Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat bis zum 31. Dezember 2018 sämtliche Produktgruppen, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und sie im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Er legt dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages über das Bundesministerium für Gesundheit einmal jährlich zum 1. März einen Bericht über die im Berichtszeitraum erfolgten sowie über die begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Fortschreibungen vor. Die Fortschreibung umfasst die Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2, die Aufnahme neuer Hilfsmittel sowie die Streichung von Hilfsmitteln.

(10) Zum Zweck der Fortschreibung nach Absatz 9 Satz 1, 2 und 4 kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von dem Hersteller für seine im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte innerhalb einer in der Verfahrensordnung festgelegten angemessenen Frist die zur Prüfung der Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Unterlagen anfordern. Bringt der Hersteller die angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß bei, verliert die Aufnahme des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis ihre Wirksamkeit und das Produkt ist unmittelbar aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Ergibt die Prüfung, dass die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt sind, ist die Aufnahme zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Eintritt der Bestandskraft des Rücknahme- oder Widerrufsbescheids ist das Produkt aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Für die Prüfung, ob ein Hilfsmittel noch hergestellt wird, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Streichung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.

(11) Vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 ist den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann auch Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik einholen. Soweit vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 mögliche Berührungspunkte des voraussichtlichen Fortschreibungsbedarfs mit digitalen oder technischen Assistenzsystemen festgestellt werden, ist zusätzlich mindestens eine Stellungnahme eines Sachverständigen oder unabhängigen Forschungsinstituts aus dem Bereich der Technik einzuholen; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine Kopforthese.

2

Eine Kopforthese ist ein leichter Helm, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und in der Regel mehrere Monate lang für 23 Stunden täglich vom Säugling getragen wird. In dieser Zeit wird sie dem Kopfwachstum entsprechend mehrfach angepasst.

3

Bei dem am 2.10.2012 geborenen, bis Juli 2013 bei der beklagten Krankenkasse und ab August 2013 bei der Beigeladenen versicherten Kläger bestand eine den gesamten Hinterkopf betreffende Abflachung (Brachycephalus) bei gleichzeitiger Asymmetrie des Schädels (Lagerungsplagiocephalus links) mit einer Differenz der Schädeldiagonalen von 1,6 cm. Dieser Zustand konnte mittels Lagerungswechseln und Physiotherapie nicht ausgeglichen werden. Den - durch seine Eltern gestellten - Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für eine dynamische Kopforthese vom 28.2.2013, dem eine Stellungnahme und ein Kostenvoranschlag des Universitätsklinikums W. beigefügt waren, lehnte die Beklagte mangels ausreichend nachgewiesener Wirksamkeit der Kopforthese ab (Bescheid vom 7.3.2013; Widerspruchsbescheid vom 15.7.2013).

4

Der Kläger ließ die Kopforthese von einem Sanitätshaus in B. zum 7.6.2013 anfertigen, welches auch die monatlichen Kontrollen vornahm. Die zunächst auf Freistellung der dafür anfallenden Kosten gerichtete Klage ist - wie auch die Berufung - erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 8.7.2014; Urteil des LSG vom 24.2.2015). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe weder Anspruch auf Kostenfreistellung noch auf Kostenerstattung für die Kopforthese (Ausgleich der Rechnung des Sanitätshauses vom 27.2.2014 über 2013,21 Euro). Ein Anspruch könne sich nicht aus § 13 Abs 3a SGB V ergeben, da der Antrag am 28.2.2013 eingegangen und die Beklagte darüber bereits am 7.3.2013 entschieden habe. Die Kopforthesenbehandlung gehöre nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erbringenden Leistungen. Es fehle an einer dafür nötigen positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für diese neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS des § 135 SGB V. Als Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 SGB V sei die Kopforthese untrennbar mit einer neuen Therapieform verbunden. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedürfe. Randomisierte Studien zur Wahrscheinlichkeit einer drohenden Behinderung oder mit Hinweisen auf funktionelle Störungen gebe es nicht. Auf den Krankheitswert eines Plagiocephalus bei Säuglingen komme es daher nicht an. Ebenso unerheblich sei, ob die begehrte Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen sei oder einzelne Ärzte die Therapie befürworteten.

5

Mit der Revision rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe ein Sachverständigengutachten einholen müssen zu der Frage, ob es sich bei seiner Kopforthesenbehandlung um eine neue Behandlungsmethode oder um die Versorgung mit einem Hilfsmittel handele. Kopforthesen seien seit vielen Jahren bekannt und die Leistungspflicht der Krankenkassen für Hilfsmittel richte sich allein nach § 33 SGB V. Eine Empfehlung des GBA nach § 135 Abs 1 SGB V sei hierfür keine Voraussetzung. Auch in seiner Entscheidung zum Therapiedreirad habe das BSG deshalb eine Empfehlung des GBA nicht für notwendig erachtet (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32).

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Februar 2015 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Juli 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2013 zu verurteilen, ihm 2013,21 Euro zu erstatten,
hilfsweise,
die Beigeladene unter Aufhebung der genannten Urteile und Bescheide entsprechend zu verurteilen.

7

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Die Beklagte führt aus, es habe sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung iS des § 13 Abs 3 Alt 1 SGB V gehandelt, und die Leistung sei auch nicht iS von § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V zu Unrecht abgelehnt worden. Hilfsmittel, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern sollten, seien nicht von dem ihnen zugrunde liegenden Behandlungskonzept einschließlich der dafür geltenden gesetzlichen Anforderungen zu trennen. Das BSG-Urteil zum Therapiedreirad sei auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Fraglich sei bereits, ob der Kopfform des Klägers überhaupt Krankheitswert zukomme, oder ob es nicht vielmehr um eine rein kosmetische Korrektur ohne funktionelle Störungen gehe, die in den meisten Fällen spontan ausheile. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft.

9

Die Beigeladene folgt dem Berufungsurteil. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Leistungspflicht in der GKV führen könne. Es liege keine lebensbedrohliche Erkrankung vor und gebe anerkannte Therapiemöglichkeiten. Demgegenüber befinde sich die Kopforthesentherapie noch im Stadium der wissenschaftlichen Erprobung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet; er hat weder gegen die Beklagte noch gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der ihm von einem Sanitätshaus in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 2013,21 Euro, die er für die Versorgung mittels einer Kopforthese aufgewandt hat, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht vorliegen.

11

Versicherte erhalten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs 1 S 1, Abs 2 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs 1 SGB V). Ein solcher Ausnahmefall, der zur Erstattung der für die Herstellung sowie Anpassung der Kopforthese aufgewandten Kosten führen könnte, ist nicht gegeben (dazu im Folgenden unter 1. bis 3.).

12

1. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 2 SGB V iVm § 15 SGB IX scheidet aus, weil es sich bei der Kopforthese nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation handelt(vgl hierzu allgemein ausführlich BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zudem liegen die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach § 15 Abs 1 S 3 iVm S 2 SGB IX bereits deshalb nicht vor, weil dies eine Fristsetzung seitens des Leistungsberechtigten erfordert, mit der Erklärung, dass er sich nach Ablauf der Frist die Leistung selbst beschaffe. Eine solche qualifizierte Fristsetzung fehlt hier.

13

2. Auf den durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Art 2 Nr 1 Patientenrechtegesetz vom 20.2.2013, BGBl I 277) mit Wirkung vom 26.2.2013 neu eingefügten § 13 Abs 3a SGB V kann der Erstattungsanspruch ebenfalls nicht gestützt werden.

14

Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Eine Kostenerstattungspflicht kommt nach § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V nur in Betracht, wenn die Krankenkasse diese Fristen nicht einhält. Der Kläger hat die Kopforthese indessen am 28.2.2013 beantragt und die Beklagte hat hierüber bereits am 7.3.2013 - mithin innerhalb von drei Wochen - eine (abschlägige) Verwaltungsentscheidung getroffen.

15

3. Wie das LSG darüber hinaus zutreffend entschieden hat, lagen die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs auch nach beiden Alternativen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V(in der bis heute unveränderten Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266) nicht vor.

16

a) Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt den primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch, wenn das Sachleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen (vgl zB BSGE 73, 271, 276 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 9, 15; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 106). Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen, sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nach beiden Tatbeständen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen(stRspr, vgl zB BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 12 Nr 2 S 1, 3; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 10 mwN). Daran fehlt es im zu entscheidenden Fall.

17

b) Der Kläger hatte zu dem Zeitpunkt, als er sich die Kopforthese selbst beschaffte (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V allgemein näher vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 29 RdNr 14 und Nr 32 RdNr 10; BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 13), keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese. Der Schädelasymmetrie kann in der beim Kläger vorliegenden Ausprägung zwar nicht von vornherein jeder Krankheitswert bzw die Behandlungsbedürftigkeit im Rahmen der nach § 11 SGB V vorgesehenen verschiedenen Leistungsarten abgesprochen werden(hierzu sogleich c), die Kopforthese gehört aber nicht zum Leistungskatalog der GKV (hierzu d), und der Kläger konnte die Kopforthese auch unter dem Gesichtspunkt eines anzunehmenden Systemversagens nicht beanspruchen (hierzu e). Deshalb kann es sich in seinem Fall weder um eine unaufschiebbare Leistung iS des § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V noch um eine zu Unrecht abgelehnte Leistung iS des § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V handeln. Wenn der Versicherte sich nämlich eine Leistung beschafft, die unter jedem Gesichtspunkt vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen ist, hat die Krankenkasse die Kosten dafür nicht nach § 13 Abs 3 SGB V zu erstatten; denn solche Leistungen können schon mangels Notwendigkeit weder dringlich gewesen noch zu Unrecht abgelehnt worden sein. Selbst wenn der Krankheitszustand einer dringenden Behandlung bedarf, stehen - abgesehen von Notfällen - grundsätzlich nur die vom Leistungskatalog umfassten sowie die unter den Voraussetzungen eines Systemversagens zu gewährenden Leistungen zur Verfügung.

18

c) Die GKV erbringt ihre Leistungen in den nach § 11 SGB V vorgesehenen Leistungsarten, dh ua zur Behandlung einer Krankheit(§ 11 Abs 1 Nr 4 iVm §§ 27 bis 52 SGB V) und zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung (§ 11 Abs 1 Nr 2 iVm §§ 20 bis 24b SGB V). Die beim Kläger zur Zeit der Selbstbeschaffung der Kopforthese vorliegende Abflachung des Hinterkopfes bei gleichzeitiger Schädelasymmetrie war so ausgeprägt, dass der Senat weder das Vorliegen einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 SGB V ausschließt noch eine für Leistungen zur medizinischen Vorsorge hinreichende Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung des Klägers iS des § 23 Abs 1 Nr 2 SGB V. Das folgt aus dem medizinischen Erkenntnisstand, wie er sich beanstandungsfrei aus einschlägigen, allgemein zugänglichen fachmedizinischen Quellen derzeit ergibt, auf die auch das LSG und die Beteiligten zum Teil bereits hingewiesen haben.

19

So werden in einer Stellungnahme von mit dem Gebiet der Kinderheilkunde befassten medizinischen Fachgesellschaften, nämlich der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin zu dynamischen Kopforthesen ("Helmtherapie", Autoren: Rosenbaum, Borusiak, Schweitzer, Berweck, Sprinz, Straßburg, Klepper, 2012, S 2 f, abrufbar unter: www.neuropaediatrie.com/info_fuer_aerzte/stellungnahmen.html, recherchiert im April/Mai 2017) mehrere einschlägige Studien zur Thematik aufgeführt. In dieser Stellungnahme wird aufbauend auf andere Fachveröffentlichungen ausgeführt, dass bei den betroffenen Kindern zur Vermessung der Schädelasymmetrie zwei Diagonalen auf den knöchernen Schädel projiziert werden, die durch den Kreuzungspunkt von Längs- und Querdurchmesser des Schädels gehen und jeweils um 30 Grad vom Längsdurchmesser des Schädels abweichen. Wird nun die Längendifferenz dieser beiden Diagonalen durch die größere Diagonalenlänge dividiert, ergibt sich ein Wert, der bis zu 3 mm bzw 3,5 mm noch als Normwert angesehen und bei bis einschließlich 12 mm als milde/moderate Form der Asymmetrie eingestuft wird; erst wenn der Wert 12 mm übersteigt, wird von einer moderaten bis schweren Form der Asymmetrie ausgegangen.

20

Diese als fachmedizinisch hochrangig einzustufende konsentierte Einschätzung korrespondiert mit der Bewertung von anderen Fachautoren (Funke ua in: Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 440 f, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017), nach der noch Werte bis 10 mm dem Normbereich zugerechnet werden (so auch Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 12); erst ab Werten von 15 mm und mehr werde eine Schiefheit des Schädels erreicht, bei der eine Helmtherapie indiziert sein könne.

21

Beim Kläger wurde vor der Kopforthesenbehandlung eine Differenz der Schädeldiagonalen von 16 mm gemessen. Zusätzlich dürfte die den gesamten Hinterkopf betreffende Abflachung zu berücksichtigen sein. Insgesamt handelte es sich dabei nach den Messwerten und auf der Grundlage der derzeit allgemein zur Verfügung stehenden medizinischen Erkenntnisse jedenfalls um eine schwere Form der Deformität des Schädels, der nicht von vornherein jeder Krankheitswert und jede Behandlungsbedürftigkeit abgesprochen werden kann.

22

d) Kopforthesen gehören allerdings selbst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht zum Leistungskatalog der GKV und schließen damit im Regelfall einen Klageerfolg aus.

23

Der Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese richtet sich grundsätzlich nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung geltenden Fassung, dh hier in der in 2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.

24

Der auf die Überlassung von beweglichen Gegenständen gerichtete Anspruch umfasst grundsätzlich sowohl die Kopforthese selbst, als auch notwendige Anpassungen und Änderungen (vgl § 33 Abs 1 S 4 SGB V). Deshalb wären grundsätzlich auch über die Materialkosten hinausgehende (nichtärztliche) Kosten für einen Schädelscan bzw einen Gipsabdruck vom Schädel, für Anprobe und Korrekturen, einschließlich der Passformüberprüfung und Endkontrolle, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Überprüfung der Wirkung des Hilfsmittels stehen, von einem Anspruch nach § 33 Abs 1 SGB V umfasst.

25

Allerdings lagen die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung nicht vor. Eine Krankenkasse hat Hilfsmittel, die im Rahmen einer neuen vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt werden, nämlich regelmäßig erst nach einer positiven Bewertung durch den GBA zu gewähren. Mit anderen Worten: Solange der GBA zur Behandlung einer Schädelasymmetrie im Säuglingsalter mittels Kopforthese keine positive Empfehlung abgegeben hat, kann nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalls ein Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese bestehen. Dies ist eine Rechtsfrage; der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es zu ihrer Beantwortung nicht. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von bis dahin noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführten Behandlungsmethoden und ärztlichen Leistungen das Prüfungsverfahren beim GBA vorgeschaltet. Das gilt auch für Behandlungsmethoden, deren diagnostische bzw therapeutische Wirkungsweise, Anwendungsgebiete, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 13). So verhält es sich - wie im Folgenden näher auszuführen ist - auch hier.

26

Kopforthesen werden zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V)eingesetzt (hierzu im Folgenden aa). Für Hilfsmittel, deren Verwendung nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept zu trennen ist, gilt die Sperrwirkung des § 135 Abs 1 S 1 SGB V mit dem grundsätzlichen Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA(hierzu bb). Der Behandlung mittels einer Kopforthese liegt ein eigenständig zu bewertendes Behandlungskonzept in diesem Sinne zugrunde (hierzu cc) und dieses Behandlungskonzept war - als der Kläger sich die Kopforthese beschaffte - eine "neue", nicht vom GBA anerkannte Methode (hierzu dd). Dabei bestehen gegen die Rechtssetzungsbefugnis durch den GBA keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (hierzu ee). Der Kläger kann die Kopforthese schließlich auch nicht zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 2 und 3 SGB V) oder im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V) beanspruchen (hierzu ff).

27

aa) Die Kopforthese wird im Rahmen einer ärztlich verantworteten Behandlung eingesetzt und soll letztlich dazu beitragen, den "Erfolg der Krankenbehandlung" zu sichern (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V; vgl zu dieser Zielrichtung allgemein BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 20 mwN). Der Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 S 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 20).

28

Der Einsatz der Kopforthese stand hier in diesem Sinne in einem engen Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Behandlung, denn die ärztliche Verordnung der Kopforthese machte auch eine weiter andauernde ärztliche Überwachung und Kontrolle der Therapie erforderlich. Der Therapieplan bestand darin, den Kopf mittels der Orthese in die gewünschte symmetrische Form zu bringen. Dieses Behandlungsziel dient der "Sicherung des Erfolgs" der Krankenbehandlung iS des § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen klargestellt, dass der Wortlaut dieser Regelung insoweit einer Erweiterung bedarf. Der Anspruch umfasst nämlich auch solche Hilfsmittel, mit denen ein therapeutischer Erfolg erst angestrebt wird; der Erfolg muss nicht schon vor dem Einsatz des Hilfsmittels vorliegen und mit dem Hilfsmittel nur noch gesichert werden (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17).

29

bb) Nach der Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung deren Erfolg sichern soll, seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V iVm § 135 Abs 1 SGB V zu trennen(BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst die Sperrwirkung des durch § 135 Abs 1 S 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten Methode(stRspr seit BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19 f für die Arzneimitteltherapie; vgl auch BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; für die neuartige Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung: BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 15 f mwN; entsprechend für Heilmittel: BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f). Solange eine Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der GKV empfohlen worden ist, sind die dabei eingesetzten Geräte grundsätzlich keine von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel und auch das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) kann nicht entsprechend fortentwickelt werden (zur streitigen Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV vgl bereits BSGE 87, 105, 110 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7 f; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, RdNr 32; siehe auch BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 - Magnetodyn; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11 - CAM-Bewegungsschiene; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 28 - Continuous Glucosemonitoring System für Diabetiker, jeweils mwN). Darf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels positiver Empfehlung des GBA nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, kann der GKV-Spitzenverband trotz seiner Autonomie bei der Erstellung des HMV nicht verpflichtet werden, die allein zur Durchführung dieser Therapie einsetzbaren Geräte in das Verzeichnis aufzunehmen. Denn die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang obliegt nach § 92 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem GBA, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert. Auch § 92 Abs 7d S 1 SGB V zeigt, dass der Gesetzgeber den Vorrang der Methodenbewertung durch den GBA voraussetzt. Damit hat der Gesetzgeber die Aufgabe der Bewertung des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Methoden grundsätzlich dem GBA übertragen. Der GBA bürgt nach der Konzeption des Gesetzes für die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung, die es rechtfertigt, diesem Gremium im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen. Davon geht schließlich auch der GBA selbst aus, der in § 6 Abs 11 seiner auf § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V beruhenden Hilfsmittel-Richtlinie die Verordnung eines Hilfsmittels ausgeschlossen hat, wenn es Bestandteil einer neuen, nicht anerkannten Behandlungsmethode nach § 135 SGB V ist(vgl zum Ganzen zuletzt BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11 - CAM-Bewegungsschiene; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 28 - Continuous Glucosemonitoring System für Diabetiker, jeweils mwN).

30

cc) Der Therapie mit einer Kopforthese liegt im vorbeschriebenen Sinne eine eigenständig zu bewertende Behandlungsmethode zugrunde.

31

Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 32). Das theoretische Konzept, der Plan der Kopforthesentherapie liegt darin, das schnelle Wachstum eines Säuglingskopfes im ersten Lebensjahr bei noch nicht abschließend verknöcherten Wachstumsnähten mithilfe des Helms, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und vom Säugling etwa 23 Stunden täglich getragen wird, in die gewünschte Richtung zu lenken, um eine symmetrische Kopfform zu erhalten (vgl zB Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de; Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 2 ff, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com, jeweils recherchiert im April/Mai 2017; Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 14 f).

32

Der dieser Auffassung grundsätzlich entgegengehaltenen Kritik, das eingesetzte Mittel sei als Leistung von dem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept zu trennen, sodass allein die Verordnung eines Hilfsmittels noch nicht dessen Einsatz im Rahmen einer neuen Methode darstelle (so Axer, GesR 2015, 641, 643; Axer/Wiegand, KrV 2016, 85 ff), folgt der Senat nicht. Die Kritik stützt ihre Auffassung wesentlich auf § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V, der eine Abgrenzung zwischen Leistung und Methode erforderlich mache. Der für die Erstellung und Fortentwicklung des EBM-Ä zuständige Bewertungsausschuss ist nach der genannten Vorschrift aber verpflichtet, im Einvernehmen mit dem GBA hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den EBM-Ä in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den GBA bedarf. Das Nähere regeln nach § 87 Abs 3e S 6 SGB V der Bewertungsausschuss und der GBA im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung.

33

Der Begriff der "Leistung" hat im Recht der GKV eine andere Funktion als der Begriff der "Methode". Nicht jeder neuen Leistung muss auch eine neue Methode zugrunde liegen. Das ergibt sich nicht erst aus dem durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der GKV (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) eingefügten § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V; das BSG hat bereits im Jahr 2006 entschieden, dass der Einsatz bestimmter Vakuumstützsysteme keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode darstellt, weil ihnen das gleiche theoretische Konzept der Ruhigstellung, Fixierung und späteren Mobilisierung zugrunde liegt, wie herkömmlichen Behandlungen mittels Gipsverbänden, Orthesen und orthopädischen Schuhen (BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2). Andererseits können auch bereits anerkannte oder zugelassene Leistungen so kombiniert werden, dass von einer neuen Behandlungsmethode auszugehen ist, nämlich dann, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener für sich allein jeweils anerkannter Einzelleistungen liegt (vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26). Die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen bilden also - ebenso wie bereits zugelassene Behandlungsmethoden - nur einen Vergleichsmaßstab, anhand dessen zu prüfen ist, ob die in Frage stehende Maßnahme noch den bereits anerkannten Leistungen bzw Methoden zuzurechnen ist oder sie wesentliche Änderungen oder Erweiterungen enthält (BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 sowie BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 21; vgl ferner Kap 2 § 2 der Verfahrensordnung des GBA idF vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009, geändert am 20.10.2016, BAnz AT 19.1.2017 B3, BAnz AT 24.2.2017 B1, in Kraft getreten am 20.1.2017, sowie Schmidt-De Caluwe in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 135 RdNr 7).

34

Entscheidend ist mithin die Frage, wann eine Methode "neu" ist, weil sie sich von bereits anerkannten und zugelassenen Behandlungen oder Untersuchungen so deutlich unterscheidet, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist. Weil diese Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann, hat der Gesetzgeber in § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V den Bewertungsausschuss verpflichtet, hierüber im Einvernehmen mit dem GBA Auskunft zu erteilen. Das spricht aber nicht dagegen, dass auch in einer einzelnen Leistung, namentlich in der (auf bestimmten Erwägungen beruhenden "unkonventionellen") ärztlichen Verordnung eines Hilfsmittels, bereits die Anwendung einer neuen Methode liegen kann.

35

dd) Die Kopforthesentherapie war im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung und Anwendung der Kopforthese beim Kläger eine "neue" Behandlungsmethode, denn sie war weder als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten noch bereits vom GBA anerkannt worden (sie ist dies auch bis heute nicht). Sie weist vielmehr im Vergleich zu bereits anerkannten und zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede auf, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist.

36

Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen in diesem Sinne "wesentlich" sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs 1 SGB V. Nach § 135 Abs 1 SGB V hat der GBA "Empfehlungen abzugeben … über

1.    

die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,

2.    

die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und

3.    

die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung."

37

Danach dient die Notwendigkeit einer solchen Empfehlung, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (so schon BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f; vgl auch BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11).

38

In dieses Normgefüge hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VSG vom 16.7.2015 mit Wirkung zum 16.7.2015 (BGBl I 1211) § 137h SGB V für die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse eingefügt und damit den von der Rechtsprechung entwickelten Begriff der Untersuchungs- und Behandlungsmethode als zugrunde liegendes theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufgegriffen(§ 137h Abs 1 S 3 SGB V); das Konzept ist nach § 137h Abs 2 S 2 SGB V dann "neu", wenn sich sein Wirkprinzip oder sein Anwendungsgebiet von anderen, in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet.

39

Die insoweit gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Beurteilung der "Neuheit" einer ärztlichen Behandlungsmethode mit besonderen Medizinprodukten greift der Senat auch für Hilfsmittel auf, die zwar nicht zu Medizinprodukten hoher Risikoklasse gehören, deren Einsatz aber ebenfalls untrennbar mit einer ärztlichen Behandlung verbunden ist. Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll bzw sich ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet von anderen, in der vertragsärztlichen Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet, oder wenn mit der Methode aus anderen Gründen gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (vgl auch BSGE 81, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f; BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 20; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 33).

40

Der Senat stellt insoweit klar, dass das Methodenbewertungsverfahren des GBA letztlich auch die Bewertung wesentlicher Unterschiede im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete und bisher nicht erforschte Risiken umfasst. Dies wird auch an der Regelung des § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V deutlich, nach der der Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem GBA eine Auskunft darüber zu erteilen hat, ob eine neue Leistung auf einem bereits anerkannten Konzept beruht oder ob es sich um eine neue, noch durch den GBA nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V zu bewertende Methode handelt.

41

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats zur CAM-Bewegungsschiene vom 8.7.2015 zugrunde lag, gab es zwar eine schriftliche Äußerung der Verwaltung des GBA dahin, dass es keiner Methodenprüfung durch ihn bedürfe, aber keinen formellen GBA-Beschluss (BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 24). Nur das jeweils zuständige Beschlussgremium des GBA kann aber letztlich eine Bewertung über wesentliche Unterschiede von Wirkprinzipien, Anwendungsgebieten und Risiken vornehmen. Die Gerichte haben - solange das zuständige Beschlussgremium des GBA zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode noch keine Bewertung abgegeben hat - zu prüfen, ob die Methode im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden oder zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede aufweist, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist; der GBA kann dann später dennoch aufgrund seines Sachverstandes dazu kommen, dass die Unterschiede zu bereits anerkannten oder zugelassenen Verfahren letztlich im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete, Risiken, Nutzen und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich sind.

42

Die dem Einsatz einer Kopforthese zugrunde liegende Methode ist ausgehend davon als solche als bisher nicht anerkannt anzusehen, und es zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zu bereits anerkannten Verfahren. Die Wirkprinzipien von Orthesen sind zwar in anderen Anwendungsgebieten anerkannt und bezüglich des Stütz- und Bewegungsapparates auch im EBM-Ä abgebildet. So beinhaltet die nach der Präambel der für Vertragsärzte geltenden orthopädischen Gebührenordnungspositionen (18.1 EBM-Ä) ausschließlich von Fachärzten für Orthopädie und Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie abrechenbare Nr 18310 EBM-Ä eine Zusatzpauschale für Behandlungen und ggf Diagnostik des Stütz- und Bewegungsapparates (angeboren, traumatisch, posttraumatisch, perioperativ) und/oder von (einer) entzündlichen Erkrankung(en) des Stütz- und Bewegungsapparates und/oder von (einer) Skelettanomalie(n) bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Kindern. Der fakultative Leistungsinhalt ist ua die Anlage/oder Wiederanlage einer Orthese. Nahezu wortgleich ist die Nr 07310 EBM-Ä, die nur von Fachärzten für Chirurgie, Fachärzten für Kinderchirurgie und Fachärzten für Plastische und Ästhetische Chirurgie abgerechnet werden darf. Diese Zusatzpauschalen beziehen sich allerdings nur auf Krankheitsbilder des Stütz- und Bewegungsapparates. Dazu gehört der Kopf mithin nicht.

43

Das Anwendungsgebiet einer Kopforthese unterscheidet sich von den bereits eingeführten Anwendungsgebieten von Orthesen deutlich. Das Gleiche gilt erst recht für - offensichtlich nicht einschlägige - gelegentlich gleichwohl für die Abrechnung von Kopforthesen entsprechend herangezogene Abrechnungsziffern für kieferorthopädische Behandlungen aus dem privatzahnärztlichen Bereich (zB GOZ 5170, 5340, 6070).

44

Das vorliegend deutlich abweichende Anwendungsgebiet macht eine selbstständige Bewertung der streitigen Versorgung durch den GBA erforderlich. Denn mit dem Einsatz der Kopforthese sind im Vergleich zu anderen Orthesen einige spezielle Risiken denkbar, wie zB mögliche Auswirkungen auf die Wirbelsäule durch das Gewicht des Helms, nicht abschließend untersuchte Auswirkungen auf die Temperaturregulation des Säuglings oder mögliche Druckstellen, die durch die mangelnde Passgenauigkeit oder das Verrutschen des Helms entstehen können (vgl zB Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017). Hinsichtlich des medizinischen Nutzens stellt sich die Frage, ob und ggf ab welchem Ausmaß eine Schädelasymmetrie funktionelle Beeinträchtigungen hervorrufen oder mit einer dauerhaft entstellenden Wirkung verbunden sein kann, denen die Helmtherapie entgegenwirken soll. Auffällige Kopfasymmetrien können auf anderen strukturellen und/oder funktionellen Störungen (zB Beeinträchtigungen der Nackenmuskulatur) beruhen. Diesbezüglich ist aber das Ursachen- und Wirkungsgefüge nicht abschließend geklärt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz einer Kopforthese sogar kontraproduktiv ist, weil die Ursachen der Schädelasymmetrie unbehandelt bleiben und lediglich die sichtbar gewordene Folge einer rein kosmetischen Korrektur zugeführt wird. Jedenfalls fehlen kontrollierte randomisierte Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von Kopforthesen, während die Wirksamkeit physiotherapeutischer Interventionen ohne die Anwendung von Kopforthesen hinreichend belegt ist. Schließlich gibt es Qualitätsvorgaben oder Qualitätsstandards weder für eine valide Diagnostik von Schädelasymmetrien noch für die technische Ausgestaltung, Anfertigung und Anpassung der Kopforthese noch für die begleitende ärztliche Behandlung, Kontrolle oder den Abschluss der Behandlung, was die dargestellten Gefahren erhöhen und zu weiteren unerwünschten Nebenwirkungen führen kann (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, aaO, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com; Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe - SEG 5 "Hilfsmittel und Medizinprodukte" der MDK-Gemeinschaft zum Thema Kopforthesen - Molding helmets vom 29.10.2010; sowie das aus diesem Anlass gefertigte Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, laufende Nr: RS 2011/342 vom 13.7.2011, S 6 ff; insoweit ebenfalls kritisch Deutsches Ärzteblatt vom 6.5.2014, abrufbar unter: www.aerzteblatt.de/nachrichten/58560; Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437 sowie Biedermann, Kinder- und Jugendarzt 2010, 723, jeweils abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, Dokumente jeweils recherchiert im April/Mai 2017).

45

Vor diesem Hintergrund haben weder die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften noch andere wissenschaftliche Fachgesellschaften aus Deutschland positive, evidenzbasierte Leitlinienempfehlungen zum Einsatz von Kopforthesen bei Schädelasymmetrien abgegeben, obwohl Kopforthesen inzwischen seit über 30 Jahren bekannt sind und ihr Einsatz zunehmend populär geworden ist. Auch der aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen bestehende Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 3 S 1 SGB V) hat die vertragsärztliche Behandlung mittels Kopforthese - trotz zunehmender Diskussionen um diese Leistung - nicht in eigener Zuständigkeit in den EBM-Ä aufgenommen oder sie klarstellend einer bereits bewerteten Leistung zugeordnet. Vielmehr geht auch der Krankenkassen-Spitzenverband davon aus, dass es diesbezüglich zunächst einer Bewertung durch den GBA bedarf (vgl Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, RS 2011/342 vom 13.7.2011 aus Anlass eines im Jahre 2010 aktualisierten Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe - SEG 5 "Hilfsmittel und Medizinprodukte" zum Thema Kopforthesen - Molding helmets).

46

Zur Vornahme dieser Bewertung bedurfte es im gerichtlichen Verfahren keines Sachverständigengutachtens. Denn entscheidend dafür ist allein die Studienlage, die zum Zeitpunkt der Beschaffung der Kopforthese bereits vorlag. Für deren Auswertung anhand der genannten Kriterien bedurfte es angesichts der vorliegenden Veröffentlichungen hier nicht der Hilfe durch einen medizinischen Sachverständigen.

47

ee) An der Verfassungsmäßigkeit der - für den Leistungsanspruch verbindlichen (vgl § 91 Abs 6 SGB V), ihn vorliegend einschränkenden - Rechtsetzung durch den GBA hat der Senat auch unter Berücksichtigung der hierzu zuletzt ergangenen Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - BVerfGE 140, 229) bezogen auf die Richtlinie nach § 135 Abs 1 S 1, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V keine Zweifel und hält mit ergänzenden Erwägungen an der bisherigen Rechtsprechung fest(bereits die og Entscheidung des BVerfG berücksichtigend <1. Senat> BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 42 ff; bezogen auf die Richtlinien über häusliche Krankenpflege BSG <3. Senat> SozR 4-2500 § 132a Nr 9 RdNr 21; zu § 137 SGB V vgl BSG<1. Senat> SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 28).

48

Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass die demokratische Legitimation des GBA zum Erlass einer verbindlichen Richtlinie fehlen kann, wenn diese zB mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist danach insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet wird (BVerfGE, aaO, RdNr 22).

49

§ 135 Abs 1, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm Abs 7d SGB V enthalten diese geforderte hinreichend bestimmte und konkrete Anleitung des GBA zum Erlass von Richtlinien zur Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Zudem sieht § 92 Abs 7d SGB V vor, dass vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und 137e SGB V den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dadurch wird deren Belangen angemessen Rechnung getragen.

50

ff) Der Kläger kann die Kopforthese schließlich auch nicht auf der Grundlage des § 33 Abs 1 S 1 Var 2 SGB V zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, nach § 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V zum Ausgleich einer Behinderung oder im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen(§ 23 SGB V) beanspruchen.

51

Ohne eine positive Empfehlung des GBA kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Hilfsmittels - unter Berücksichtigung möglicher Risiken und des Wirtschaftlichkeitsgebots - positive Wirkungen in Bezug auf Spätfolgen oder Folgeerkrankungen des Plagiocephalus mit sich bringt und deshalb zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung objektiv geeignet sein könnte (vgl zu diesen Erfordernissen allgemein BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 46). Zudem ist nicht geklärt, ob und ggf welche konkreten Behinderungen durch einen lediglich mit den anerkannten Behandlungsmethoden der Lagerungs- und der Physiotherapie behandelten Plagiocephalus eintreten können, und auch ein im Vergleich zu den anerkannten Behandlungen höherer Nutzen der Kopforthese ist - wie oben ausgeführt - nicht belegt. Zu einer von dem nicht anerkannten therapeutischen Nutzen unabhängigen Funktion der Kopforthese zum Ausgleich einer Behinderung ist im Übrigen auch von den Beteiligten weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

52

Die Voraussetzungen für Hilfsmittel zur Sicherung eines Behandlungserfolgs gelten auch für Hilfsmittel, die im Rahmen einer medizinischen Vorsorgeleistung nach § 23 SGB V verordnet werden. Zwar gewährt § 23 SGB V bereits dann einen Anspruch auf Vorsorgeleistungen, wenn sich beim Versicherten noch keine Krankheit manifestiert hat, womit über die vertragsärztlichen Leistungen hinaus ein breiteres Leistungsspektrum insbesondere mit ganzheitlichen Leistungsangeboten und Komplexleistungen eröffnet wird; allerdings gelten für Hilfsmittel, die Versicherten für den Einsatz außerhalb von Vorsorgeeinrichtungen ärztlich verordnet werden, die Voraussetzungen des § 33 SGB V auch, wenn die Verordnung als Vorsorgeleistung erfolgt(§ 23 Abs 3 SGB V).

53

e) Es liegt schließlich auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist.

54

Eine solche Ausnahme regelt mit Wirkung vom 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 S 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 ff mwN). Ferner ist eine Ausnahme für sog Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen (vgl etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 30; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 19 f mwN). Gleiches gilt schließlich für den Fall des sog Systemversagens, dh dann, wenn der GBA dem in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen(vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 44). Derartige Ausnahmefälle liegen hier nicht vor.

55

aa) Bei einem nicht synostotisch verursachten Plagiocephalus ist regelmäßig weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung iS des § 2 Abs 1a SGB V gegeben. Folgen einer solchen Krankheit drohen - ausgehend von den zitierten fachmedizinischen Veröffentlichungen - im Übrigen auch dann nicht, wenn der Plagiocephalus (lediglich) mit den herkömmlichen Mitteln der Lagerungs- und Physiotherapie behandelt wird. Vielmehr beeinträchtigt die Schädelasymmetrie das Wohlbefinden eines Säuglings in der Regel nicht (so zB Biedermann, Kinder- und Jugendarzt 2010, 723, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de , recherchiert im April/Mai 2017 ). Selbst bei ausgeprägten Befunden boten die im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung vorliegenden, bereits zitierten Studien keine Anhaltspunkte dafür, dass ein unbehandelter Plagiocephalus für schwerwiegende Erkrankungen ursächlich werden könnte.

56

bb) Die Annahme eines Seltenheitsfalles scheidet ebenfalls aus. Schädelasymmetrien treten bei Säuglingen nicht derart selten auf, dass sie sich einer systematischen Erforschung entziehen, sondern kommen sogar relativ häufig vor. Sie bilden sich zudem regelmäßig unter der herkömmlichen Lagerungstherapie und/oder Krankengymnastik weitgehend - und ohne bleibende Folgen - zurück (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 6, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com , recherchiert im April/Mai 2017 ).

57

cc) Darüber hinaus lag auch kein Systemversagen vor, auf das der Kläger einen Erstattungsanspruch für die Kosten der Kopforthese stützen könnte (vgl zum ausnahmsweise leistungsauslösenden Systemversagen wegen nicht rechtzeitigen Tätigwerdens des GBA allgemein zB: BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff; BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 23; E. Hauck, NZS 2007, 461, 464; Plagemann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 2 RdNr 56; Roters in Kasseler Komm, § 135 SGB V, RdNr 11, Bearbeitungsstand 09/2016).

58

Für die Beurteilung des Vorliegens eines Systemversagens ist ebenfalls auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung abzustellen, denn es geht um die Erstattung der durch die Selbstbeschaffung entstandenen Kosten. Die Eltern des Klägers ließen die Kopforthese zum 7.6.2013 anfertigen. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse und keine gesicherte Datenbasis, nach denen sich die Überprüfung der Methode durch den GBA oder eine Verfahrenseinleitung durch die insoweit antragsberechtigten Institutionen hätte aufdrängen müssen. Solche Erkenntnisse können insbesondere nicht der bereits oben zitierten Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin aus dem Jahr 2012 entnommen werden. Da darin (erst) die weitere wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung des Themas empfohlen wird, gehen die Autoren gerade umgekehrt selbst davon aus, dass zunächst noch weitere Daten zu erheben und methodisch gesicherte Forschungen zu betreiben sind. Es gibt keinen Grundsatz, nach dem alle innovativen Leistungen zeitnah vom GBA zu bewerten sind; ein solches Erfordernis ergibt sich erst dann, wenn nach der vorhandenen Studienlage hinreichende Aussicht auf eine positive Bewertung besteht (vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 27 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 mwN).

59

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. August 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine Kopforthese.

2

Eine Kopforthese ist ein leichter Helm, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und in der Regel mehrere Monate lang für 23 Stunden täglich vom Säugling getragen wird. In dieser Zeit wird sie dem Kopfwachstum entsprechend mehrfach angepasst.

3

Der am 13.11.2008 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger litt an einer Blockierung des Iliosakralgelenks links (M 99.83/LG) und es bestand eine Asymmetrie des Schädels (Plagiocephalus Q 67.3/G), die mittels einer Atlastherapie, Krankengymnastik nach Voijta und eines privat beschafften Lagerungskissens nicht ausgeglichen werden konnte. Der behandelnde Kinderorthopäde verordnete ihm deshalb am 16.4.2009 eine Kopforthese nach Gipsabdruck, auf deren Basis eine Firma für Orthopädietechnik einen Kostenvoranschlag fertigte und am 20.4.2009 die Kostenübernahme bei der Beklagten beantragte.

4

Am 14.5.2009 erteilten die Eltern des Klägers den Auftrag zur Fertigung der Kopforthese und erklärten sich zur Zahlung der Kosten in Höhe von 1320,57 Euro bereit, wenn die Krankenkasse diese nicht übernehme. Sie erhielten die Kopforthese am 22.5.2009. Nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt hatte, lehnte sie die Kostenübernahme mit Bescheid vom 27.5.2009 ab. Die Eltern des Klägers zahlten im Juni 2009 den in der angegebenen Höhe in Rechnung gestellten Betrag. Ihr Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009).

5

Das SG hat die Klage auf Zahlung von 1320,57 Euro abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25.4.2012). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25.8.2015) und zur Begründung ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die sog Helmtherapie zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehöre; jedenfalls scheide ein Kostenerstattungsanspruch aus, wenn sich der Versicherte die streitige Behandlung schon vor einer Entscheidung der Krankenkasse hierüber besorgt habe, obwohl ein Abwarten auf diese Entscheidung aus medizinischer Sicht möglich gewesen wäre. Eine solche Dringlichkeit habe bei der Helmtherapie zur Behandlung der Plagiocephalie nicht vorgelegen. Dennoch seien die Eltern des Klägers bereits vor einer Entscheidung der Beklagten eine verbindliche Verpflichtung zur Abnahme und Zahlung der Kopforthese eingegangen.

6

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Beschaffungsweg sei eingehalten worden, weil sowohl die Rechnungslegung als auch die Zahlung der Kopforthese erst erfolgt seien, als die ablehnende Entscheidung bereits vorgelegen habe. Zudem könne in dringenden Fällen die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet werden. Seine Eltern hätten die Pflicht gehabt, die sicherste und effektivste Heilbehandlung zu wählen. Es sei allein ihrem schnellen Handeln sowie dem Kinderarzt zu verdanken, dass er (der Kläger) keine Folgeschäden davongetragen habe. Der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse liege nicht im Einflussbereich des Versicherten. Bei der Behandlung mit einer Kopforthese handele es sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, sondern um ein Hilfsmittel. Die medizinische Wirkung von Orthesen sei anerkannt, ihre Wirkprinzipien seien allgemein bekannt. Deshalb handele es sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. August 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 25. April 2012 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2009 zu verurteilen, ihm 1320,57 Euro zu erstatten.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanzen und führt ergänzend aus, das Antragsverfahren aus dem Jahr 2009 sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe den MDK unverzüglich beauftragt und nach Rücklauf der Stellungnahme ihre ablehnende Entscheidung zeitnah versandt. Der Gesetzgeber habe § 13 Abs 3a SGB V erst zum 26.2.2013 neu eingefügt. Ein weiteres Abwarten um 13 Tage wäre dem Kläger zumutbar gewesen, zumindest aber eine kurze Kontaktaufnahme vor der Auftragsvergabe. Bei der Kopforthese handele es sich um ein Hilfsmittel, das als untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungsmethode eingesetzt werde. Kosten dafür seien erst nach einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zu übernehmen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet; er hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 1320,57 Euro, die er für die Versorgung mittels einer Kopforthese aufgewandt hat, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht vorliegen.

11

Versicherte erhalten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs 1 S 1, Abs 2 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs 1 SGB V). Ein solcher Ausnahmefall, der zur Erstattung der für die Herstellung sowie Anpassung der Kopforthese aufgewandten Kosten führen könnte, ist nicht gegeben (dazu im Folgenden unter 1. bis 3.).

12

1. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 2 SGB V iVm § 15 SGB IX scheidet aus, weil es sich bei der Kopforthese nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation handelt(vgl hierzu allgemein ausführlich BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zudem liegen die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach § 15 Abs 1 S 3 iVm S 2 SGB IX bereits deshalb nicht vor, weil dies eine Fristsetzung seitens des Leistungsberechtigten erfordert, mit der Erklärung, dass er sich nach Ablauf der Frist die Leistung selbst beschaffe. Eine solche qualifizierte Fristsetzung fehlt hier.

13

2. Auf den durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Art 2 Nr 1 Patientenrechtegesetz vom 20.2.2013, BGBl I 277) neu eingefügten § 13 Abs 3a SGB V kann der Erstattungsanspruch ebenfalls nicht gestützt werden. Die Vorschrift wurde mit Wirkung vom 26.2.2013 erlassen und kann deshalb auf den Sachleistungsantrag zur Versorgung des Klägers mit einer Kopforthese vom 20.4.2009, den die Beklagte am 27.5.2009 ablehnend beschied, keine Anwendung finden.

14

3. Wie das LSG darüber hinaus zutreffend entschieden hat, lagen die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs auch nach beiden Alternativen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V(in der bis heute unveränderten Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266) nicht vor.

15

a) Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt den primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch, wenn das Sachleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen (vgl zB BSGE 73, 271, 276 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 9, 15; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 106). Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen, sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nach beiden Tatbeständen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen(stRspr, vgl zB BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 12 Nr 2 S 1, 3; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 10 mwN). Daran fehlt es im zu entscheidenden Fall.

16

b) Der Kläger hatte zu dem Zeitpunkt, als er sich die Kopforthese selbst beschaffte (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V allgemein näher vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 29 RdNr 14 und Nr 32 RdNr 10; BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 13), keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese. Der Schädelasymmetrie kann in der beim Kläger vorliegenden Ausprägung zwar nicht von vornherein jeder Krankheitswert bzw die Behandlungsbedürftigkeit im Rahmen der nach § 11 SGB V vorgesehenen verschiedenen Leistungsarten abgesprochen werden(hierzu sogleich c), die Kopforthese gehört aber nicht zum Leistungskatalog der GKV (hierzu d), und der Kläger konnte die Kopforthese auch unter dem Gesichtspunkt eines anzunehmenden Systemversagens nicht beanspruchen (hierzu e). Deshalb kann es sich in seinem Fall weder um eine unaufschiebbare Leistung iS des § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V noch um eine zu Unrecht abgelehnte Leistung iS des § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V handeln. Wenn der Versicherte sich nämlich eine Leistung beschafft, die unter jedem Gesichtspunkt vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen ist, hat die Krankenkasse die Kosten dafür nicht nach § 13 Abs 3 SGB V zu erstatten; denn solche Leistungen können schon mangels Notwendigkeit weder dringlich gewesen noch zu Unrecht abgelehnt worden sein. Selbst wenn der Krankheitszustand einer dringenden Behandlung bedarf, stehen - abgesehen von Notfällen - grundsätzlich nur die vom Leistungskatalog umfassten sowie die unter den Voraussetzungen eines Systemversagens zu gewährenden Leistungen zur Verfügung.

17

Auf die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gerückte Voraussetzung der Einhaltung des Beschaffungsweges kommt es daher nicht an. Allerdings haben die Eltern des Klägers ausdrücklich die sofortige Versorgung ihres Sohnes mit einer Kopforthese gewünscht und den Auftrag zur Anfertigung unabhängig von einer Kostenzusage der Beklagten erteilt, obwohl sie vom Leistungserbringer darauf hingewiesen worden waren, dass grundsätzlich vor Abgabe des verordneten Hilfsmittels eine Kostenzusage der Krankenkasse eingeholt werden muss. Das veranlasst den Senat darauf hinzuweisen, dass das Kausalitätserfordernis nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V, das ein Abwarten der Entscheidung der Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung erfordert, nicht nur eine Formalie darstellt(vgl hierzu ausführlich bereits BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris RdNr 10). § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Stellt die Krankenkasse demgegenüber fest, dass keine Versorgungslücke besteht, hat sie den Versicherten über die Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen der Sachleistung umfassend zu beraten. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs wird die auf dem Sachleistungsgrundsatz beruhende und insbesondere dem Schutz der Versicherten dienende Sicherung von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen vereitelt.

18

c) Die GKV erbringt ihre Leistungen in den nach § 11 SGB V vorgesehenen Leistungsarten, dh ua zur Behandlung einer Krankheit(§ 11 Abs 1 Nr 4 iVm §§ 27 bis 52 SGB V) und zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung (§ 11 Abs 1 Nr 2 iVm §§ 20 bis 24b SGB V). Die beim Kläger zur Zeit der Selbstbeschaffung der Kopforthese vorliegende Schädelasymmetrie war (vermutlich) so ausgeprägt, dass der Senat weder das Vorliegen einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 SGB V ausschließt noch eine für Leistungen zur medizinischen Vorsorge hinreichende Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung des Klägers iS des § 23 Abs 1 Nr 2 SGB V. Das folgt aus dem medizinischen Erkenntnisstand, wie er sich beanstandungsfrei aus einschlägigen, allgemein zugänglichen fachmedizinischen Quellen derzeit ergibt, auf die auch die Beteiligten zum Teil bereits hingewiesen haben.

19

So werden in einer Stellungnahme von mit dem Gebiet der Kinderheilkunde befassten medizinischen Fachgesellschaften, nämlich der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin zu dynamischen Kopforthesen ("Helmtherapie", Autoren: Rosenbaum, Borusiak, Schweitzer, Berweck, Sprinz, Straßburg, Klepper, 2012, S 2 f, abrufbar unter: www.neuropaediatrie.com/info_fuer_aerzte/stellungnahmen.html, recherchiert im April/Mai 2017) mehrere einschlägige Studien zur Thematik aufgeführt. In dieser Stellungnahme wird aufbauend auf andere Fachveröffentlichungen ausgeführt, dass bei den betroffenen Kindern zur Vermessung der Schädelasymmetrie zwei Diagonalen auf den knöchernen Schädel projiziert werden, die durch den Kreuzungspunkt von Längs- und Querdurchmesser des Schädels gehen und jeweils um 30 Grad vom Längsdurchmesser des Schädels abweichen. Wird nun die Längendifferenz dieser beiden Diagonalen durch die größere Diagonalenlänge dividiert, ergibt sich ein Wert, der bis zu 3 mm bzw 3,5 mm noch als Normwert angesehen und bei bis einschließlich 12 mm als milde/moderate Form der Asymmetrie eingestuft wird; erst wenn der Wert 12 mm übersteigt, wird von einer moderaten bis schweren Form der Asymmetrie ausgegangen.

20

Diese als fachmedizinisch hochrangig einzustufende konsentierte Einschätzung korrespondiert mit der Bewertung von anderen Fachautoren (Funke ua in: Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 440 f, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017), nach der noch Werte bis 10 mm dem Normbereich zugerechnet werden (so auch Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 12); erst ab Werten von 15 mm und mehr werde eine Schiefheit des Schädels erreicht, bei der eine Helmtherapie indiziert sein könne.

21

Das Berufungsurteil enthält - im Rahmen seines Begründungswegs konsequent - keine Feststellungen zur Ausprägung der Schädelasymmetrie des Klägers vor der Behandlung mit der Kopforthese. Wenn die vom behandelnden Facharzt für Kinderorthopädie mitgeteilten Werte vom MDK im Gutachten vom 14.7.2009 richtig zugeordnet wurden (diesbezüglich waren sich die Gutachter des MDK nicht sicher), dann lag die Schädelasymmetrie des Klägers vor der Beschaffung der Kopforthese bei einer Differenz der Schädeldiagonalen von 20 mm. Dabei handelt es sich nach den Messwerten und auf der Grundlage der derzeit allgemein zur Verfügung stehenden medizinischen Erkenntnisse jedenfalls um eine schwere Form der Deformität des Schädels, der nicht von vornherein jeder Krankheitswert und jede Behandlungsbedürftigkeit abgesprochen werden kann. Einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung bezüglich der Zuordnung der mitgeteilten Werte bedurfte es jedoch nicht, weil der Kläger weder einen Sachleistungsanspruch auf die Kopforthese hatte, noch diese ausnahmsweise wegen eines Systemversagens beanspruchen konnte.

22

d) Kopforthesen gehören selbst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht zum Leistungskatalog der GKV und schließen damit im Regelfall einen Klageerfolg aus.

23

Der Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese richtet sich grundsätzlich nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung geltenden Fassung, dh hier in der im Mai 2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.

24

Der auf die Überlassung von beweglichen Gegenständen gerichtete Anspruch umfasst grundsätzlich sowohl die Kopforthese selbst, als auch notwendige Anpassungen und Änderungen (vgl § 33 Abs 1 S 4 SGB V). Deshalb wären grundsätzlich auch über die Materialkosten hinausgehende (nichtärztliche) Kosten für einen Schädelscan bzw einen Gipsabdruck vom Schädel, für Anprobe und Korrekturen, einschließlich der Passformüberprüfung und Endkontrolle, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Überprüfung der Wirkung des Hilfsmittels stehen, von einem Anspruch nach § 33 Abs 1 SGB V umfasst.

25

Allerdings lagen die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung nicht vor. Eine Krankenkasse hat Hilfsmittel, die im Rahmen einer neuen vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt werden, nämlich regelmäßig erst nach einer positiven Bewertung durch den GBA zu gewähren. Mit anderen Worten: Solange der GBA zur Behandlung einer Schädelasymmetrie im Säuglingsalter mittels Kopforthese keine positive Empfehlung abgegeben hat, kann nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalls ein Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese bestehen. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von bis dahin noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführten Behandlungsmethoden und ärztlichen Leistungen das Prüfungsverfahren beim GBA vorgeschaltet. Das gilt auch für Behandlungsmethoden, deren diagnostische bzw therapeutische Wirkungsweise, Anwendungsgebiete, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 13). So verhält es sich - wie im Folgenden näher auszuführen ist - auch hier.

26

Kopforthesen werden zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V)eingesetzt (hierzu im Folgenden aa). Für Hilfsmittel, deren Verwendung nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept zu trennen ist, gilt die Sperrwirkung des § 135 Abs 1 S 1 SGB V mit dem grundsätzlichen Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA(hierzu bb). Der Behandlung mittels einer Kopforthese liegt ein eigenständig zu bewertendes Behandlungskonzept in diesem Sinne zugrunde (hierzu cc) und dieses Behandlungskonzept war - als der Kläger sich die Kopforthese beschaffte - eine "neue", nicht vom GBA anerkannte Methode (hierzu dd). Dabei bestehen gegen die Rechtssetzungsbefugnis durch den GBA keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (hierzu ee). Der Kläger kann die Kopforthese schließlich auch nicht zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 2 und 3 SGB V) oder im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V) beanspruchen (hierzu ff).

27

aa) Die Kopforthese wird im Rahmen einer ärztlich verantworteten Behandlung eingesetzt und soll letztlich dazu beitragen, den "Erfolg der Krankenbehandlung" zu sichern (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V; vgl zu dieser Zielrichtung allgemein BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 20 mwN). Der Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 S 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 20).

28

Der Einsatz der Kopforthese stand hier in diesem Sinne in einem engen Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Behandlung, denn die ärztliche Verordnung der Kopforthese machte auch eine weiter andauernde ärztliche Überwachung und Kontrolle der Therapie erforderlich. Der Therapieplan bestand darin, den Kopf mittels der Orthese in die gewünschte symmetrische Form zu bringen. Dieses Behandlungsziel dient der "Sicherung des Erfolgs" der Krankenbehandlung iS des § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen klargestellt, dass der Wortlaut dieser Regelung insoweit einer Erweiterung bedarf. Der Anspruch umfasst nämlich auch solche Hilfsmittel, mit denen ein therapeutischer Erfolg erst angestrebt wird; der Erfolg muss nicht schon vor dem Einsatz des Hilfsmittels vorliegen und mit dem Hilfsmittel nur noch gesichert werden (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17).

29

bb) Nach der Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung deren Erfolg sichern soll, seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V iVm § 135 Abs 1 SGB V zu trennen(BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst die Sperrwirkung des durch § 135 Abs 1 S 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten Methode(stRspr seit BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19 f für die Arzneimitteltherapie; vgl auch BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; für die neuartige Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung: BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 15 f mwN; entsprechend für Heilmittel: BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f). Solange eine Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der GKV empfohlen worden ist, sind die dabei eingesetzten Geräte grundsätzlich keine von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel und auch das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) kann nicht entsprechend fortentwickelt werden (zur streitigen Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV vgl bereits BSGE 87, 105, 110 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7 f; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, RdNr 32; siehe auch BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 - Magnetodyn; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11 - CAM-Bewegungsschiene; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 28 - Continuous Glucosemonitoring System für Diabetiker, jeweils mwN). Darf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels positiver Empfehlung des GBA nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, kann der GKV-Spitzenverband trotz seiner Autonomie bei der Erstellung des HMV nicht verpflichtet werden, die allein zur Durchführung dieser Therapie einsetzbaren Geräte in das Verzeichnis aufzunehmen. Denn die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang obliegt nach § 92 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem GBA, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert. Auch § 92 Abs 7d S 1 SGB V zeigt, dass der Gesetzgeber den Vorrang der Methodenbewertung durch den GBA voraussetzt. Damit hat der Gesetzgeber die Aufgabe der Bewertung des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Methoden grundsätzlich dem GBA übertragen. Der GBA bürgt nach der Konzeption des Gesetzes für die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung, die es rechtfertigt, diesem Gremium im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen. Davon geht schließlich auch der GBA selbst aus, der in § 6 Abs 11 seiner auf § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V beruhenden Hilfsmittel-Richtlinie die Verordnung eines Hilfsmittels ausgeschlossen hat, wenn es Bestandteil einer neuen, nicht anerkannten Behandlungsmethode nach § 135 SGB V ist(vgl zum Ganzen zuletzt BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11 - CAM-Bewegungsschiene; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 28 - Continuous Glucosemonitoring System für Diabetiker, jeweils mwN).

30

cc) Der Therapie mit einer Kopforthese liegt im vorbeschriebenen Sinne eine eigenständig zu bewertende Behandlungsmethode zugrunde.

31

Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 32). Das theoretische Konzept, der Plan der Kopforthesentherapie liegt darin, das schnelle Wachstum eines Säuglingskopfes im ersten Lebensjahr bei noch nicht abschließend verknöcherten Wachstumsnähten mithilfe des Helms, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und vom Säugling etwa 23 Stunden täglich getragen wird, in die gewünschte Richtung zu lenken, um eine symmetrische Kopfform zu erhalten (vgl zB Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de; Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 2 ff, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com, jeweils recherchiert im April/Mai 2017; Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 14 f).

32

Der dieser Auffassung grundsätzlich entgegengehaltenen Kritik, das eingesetzte Mittel sei als Leistung von dem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept zu trennen, sodass allein die Verordnung eines Hilfsmittels noch nicht dessen Einsatz im Rahmen einer neuen Methode darstelle (so Axer, GesR 2015, 641, 643; Axer/Wiegand, KrV 2016, 85 ff), folgt der Senat nicht. Die Kritik stützt ihre Auffassung wesentlich auf § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V, der eine Abgrenzung zwischen Leistung und Methode erforderlich mache. Der für die Erstellung und Fortentwicklung des EBM-Ä zuständige Bewertungsausschuss ist nach der genannten Vorschrift aber verpflichtet, im Einvernehmen mit dem GBA hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den EBM-Ä in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den GBA bedarf. Das Nähere regeln nach § 87 Abs 3e S 6 SGB V der Bewertungsausschuss und der GBA im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung.

33

Der Begriff der "Leistung" hat im Recht der GKV eine andere Funktion als der Begriff der "Methode". Nicht jeder neuen Leistung muss auch eine neue Methode zugrunde liegen. Das ergibt sich nicht erst aus dem durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der GKV (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) eingefügten § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V; das BSG hat bereits im Jahr 2006 entschieden, dass der Einsatz bestimmter Vakuumstützsysteme keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode darstellt, weil ihnen das gleiche theoretische Konzept der Ruhigstellung, Fixierung und späteren Mobilisierung zugrunde liegt, wie herkömmlichen Behandlungen mittels Gipsverbänden, Orthesen und orthopädischen Schuhen (BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2). Andererseits können auch bereits anerkannte oder zugelassene Leistungen so kombiniert werden, dass von einer neuen Behandlungsmethode auszugehen ist, nämlich dann, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener für sich allein jeweils anerkannter Einzelleistungen liegt (vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26). Die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen bilden also - ebenso wie bereits zugelassene Behandlungsmethoden - nur einen Vergleichsmaßstab, anhand dessen zu prüfen ist, ob die in Frage stehende Maßnahme noch den bereits anerkannten Leistungen bzw Methoden zuzurechnen ist oder sie wesentliche Änderungen oder Erweiterungen enthält (BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 sowie BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 21; vgl ferner Kap 2 § 2 der Verfahrensordnung des GBA idF vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009, geändert am 20.10.2016, BAnz AT 19.1.2017 B3, BAnz AT 24.2.2017 B1, in Kraft getreten am 20.1.2017, sowie Schmidt-De Caluwe in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 135 RdNr 7).

34

Entscheidend ist mithin die Frage, wann eine Methode "neu" ist, weil sie sich von bereits anerkannten und zugelassenen Behandlungen oder Untersuchungen so deutlich unterscheidet, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist. Weil diese Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann, hat der Gesetzgeber in § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V den Bewertungsausschuss verpflichtet, hierüber im Einvernehmen mit dem GBA Auskunft zu erteilen. Das spricht aber nicht dagegen, dass auch in einer einzelnen Leistung, namentlich in der (auf bestimmten Erwägungen beruhenden "unkonventionellen") ärztlichen Verordnung eines Hilfsmittels, bereits die Anwendung einer neuen Methode liegen kann.

35

dd) Die Kopforthesentherapie war im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung und Anwendung der Kopforthese beim Kläger eine "neue" Behandlungsmethode, denn sie war weder als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten noch bereits vom GBA anerkannt worden (sie ist dies auch bis heute nicht). Sie weist vielmehr im Vergleich zu bereits anerkannten und zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede auf, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist.

36

Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen in diesem Sinne "wesentlich" sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs 1 SGB V. Nach § 135 Abs 1 SGB V hat der GBA "Empfehlungen abzugeben … über

1.    

die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,

2.    

die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und

3.    

die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung."

37

Danach dient die Notwendigkeit einer solchen Empfehlung, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (so schon BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f; vgl auch BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11).

38

In dieses Normgefüge hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VSG vom 16.7.2015 mit Wirkung zum 16.7.2015 (BGBl I 1211) § 137h SGB V für die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse eingefügt und damit den von der Rechtsprechung entwickelten Begriff der Untersuchungs- und Behandlungsmethode als zugrunde liegendes theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufgegriffen(§ 137h Abs 1 S 3 SGB V); das Konzept ist nach § 137h Abs 2 S 2 SGB V dann "neu", wenn sich sein Wirkprinzip oder sein Anwendungsgebiet von anderen, in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet.

39

Die insoweit gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Beurteilung der "Neuheit" einer ärztlichen Behandlungsmethode mit besonderen Medizinprodukten greift der Senat auch für Hilfsmittel auf, die zwar nicht zu Medizinprodukten hoher Risikoklasse gehören, deren Einsatz aber ebenfalls untrennbar mit einer ärztlichen Behandlung verbunden ist. Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll bzw sich ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet von anderen, in der vertragsärztlichen Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet, oder wenn mit der Methode aus anderen Gründen gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (vgl auch BSGE 81, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f; BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 20; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 33).

40

Der Senat stellt insoweit klar, dass das Methodenbewertungsverfahren des GBA letztlich auch die Bewertung wesentlicher Unterschiede im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete und bisher nicht erforschte Risiken umfasst. Dies wird auch an der Regelung des § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V deutlich, nach der der Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem GBA eine Auskunft darüber zu erteilen hat, ob eine neue Leistung auf einem bereits anerkannten Konzept beruht oder ob es sich um eine neue, noch durch den GBA nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V zu bewertende Methode handelt.

41

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats zur CAM-Bewegungsschiene vom 8.7.2015 zugrunde lag, gab es zwar eine schriftliche Äußerung der Verwaltung des GBA dahin, dass es keiner Methodenprüfung durch ihn bedürfe, aber keinen formellen GBA-Beschluss (BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 24). Nur das jeweils zuständige Beschlussgremium des GBA kann aber letztlich eine Bewertung über wesentliche Unterschiede von Wirkprinzipien, Anwendungsgebieten und Risiken vornehmen. Die Gerichte haben - solange das zuständige Beschlussgremium des GBA zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode noch keine Bewertung abgegeben hat - zu prüfen, ob die Methode im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden oder zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede aufweist, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist; der GBA kann dann später dennoch aufgrund seines Sachverstandes dazu kommen, dass die Unterschiede zu bereits anerkannten oder zugelassenen Verfahren letztlich im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete, Risiken, Nutzen und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich sind.

42

Die dem Einsatz einer Kopforthese zugrunde liegende Methode ist ausgehend davon als solche als bisher nicht anerkannt anzusehen, und es zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zu bereits anerkannten Verfahren. Die Wirkprinzipien von Orthesen sind zwar in anderen Anwendungsgebieten anerkannt und bezüglich des Stütz- und Bewegungsapparates auch im EBM-Ä abgebildet. So beinhaltet die nach der Präambel der für Vertragsärzte geltenden orthopädischen Gebührenordnungspositionen (18.1 EBM-Ä) ausschließlich von Fachärzten für Orthopädie und Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie abrechenbare Nr 18310 EBM-Ä eine Zusatzpauschale für Behandlungen und ggf Diagnostik des Stütz- und Bewegungsapparates (angeboren, traumatisch, posttraumatisch, perioperativ) und/oder von (einer) entzündlichen Erkrankung(en) des Stütz- und Bewegungsapparates und/oder von (einer) Skelettanomalie(n) bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Kindern. Der fakultative Leistungsinhalt ist ua die Anlage/oder Wiederanlage einer Orthese. Nahezu wortgleich ist die Nr 07310 EBM-Ä, die nur von Fachärzten für Chirurgie, Fachärzten für Kinderchirurgie und Fachärzten für Plastische und Ästhetische Chirurgie abgerechnet werden darf. Diese Zusatzpauschalen beziehen sich allerdings nur auf Krankheitsbilder des Stütz- und Bewegungsapparates. Dazu gehört der Kopf mithin nicht.

43

Das Anwendungsgebiet einer Kopforthese unterscheidet sich von den bereits eingeführten Anwendungsgebieten von Orthesen deutlich. Das Gleiche gilt erst recht für - offensichtlich nicht einschlägige - gelegentlich gleichwohl für die Abrechnung von Kopforthesen entsprechend herangezogene Abrechnungsziffern für kieferorthopädische Behandlungen aus dem privatzahnärztlichen Bereich (zB GOZ 5170, 5340, 6070).

44

Das vorliegend deutlich abweichende Anwendungsgebiet macht eine selbstständige Bewertung der streitigen Versorgung durch den GBA erforderlich. Denn mit dem Einsatz der Kopforthese sind im Vergleich zu anderen Orthesen einige spezielle Risiken denkbar, wie zB mögliche Auswirkungen auf die Wirbelsäule durch das Gewicht des Helms, nicht abschließend untersuchte Auswirkungen auf die Temperaturregulation des Säuglings oder mögliche Druckstellen, die durch die mangelnde Passgenauigkeit oder das Verrutschen des Helms entstehen können (vgl zB Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017). Hinsichtlich des medizinischen Nutzens stellt sich die Frage, ob und ggf ab welchem Ausmaß eine Schädelasymmetrie funktionelle Beeinträchtigungen hervorrufen oder mit einer dauerhaft entstellenden Wirkung verbunden sein kann, denen die Helmtherapie entgegenwirken soll. Auffällige Kopfasymmetrien können auf anderen strukturellen und/oder funktionellen Störungen (zB Beeinträchtigungen der Nackenmuskulatur) beruhen. Diesbezüglich ist aber das Ursachen- und Wirkungsgefüge nicht abschließend geklärt. Beim Kläger lag neben der Kopfasymmetrie auch eine Blockierung des Iliosakralgelenks links vor. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz einer Kopforthese sogar kontraproduktiv ist, weil die Ursachen der Schädelasymmetrie unbehandelt bleiben und lediglich die sichtbar gewordene Folge einer rein kosmetischen Korrektur zugeführt wird. Jedenfalls fehlen kontrollierte randomisierte Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von Kopforthesen, während die Wirksamkeit physiotherapeutischer Interventionen ohne die Anwendung von Kopforthesen hinreichend belegt ist. Schließlich gibt es Qualitätsvorgaben oder Qualitätsstandards weder für eine valide Diagnostik von Schädelasymmetrien noch für die technische Ausgestaltung, Anfertigung und Anpassung der Kopforthese noch für die begleitende ärztliche Behandlung, Kontrolle oder den Abschluss der Behandlung, was die dargestellten Gefahren erhöhen und zu weiteren unerwünschten Nebenwirkungen führen kann (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, aaO, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com; Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe - SEG 5 "Hilfsmittel und Medizinprodukte" der MDK-Gemeinschaft zum Thema Kopforthesen - Molding helmets vom 29.10.2010; sowie das aus diesem Anlass gefertigte Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, laufende Nr: RS 2011/342 vom 13.7.2011, S 6 ff; insoweit ebenfalls kritisch Deutsches Ärzteblatt vom 6.5.2014, abrufbar unter: www.aerzteblatt.de/nachrichten/58560; Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437 sowie Biedermann, Kinder- und Jugendarzt 2010, 723, jeweils abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, Dokumente jeweils recherchiert im April/Mai 2017).

45

Vor diesem Hintergrund haben weder die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften noch andere wissenschaftliche Fachgesellschaften aus Deutschland positive, evidenzbasierte Leitlinienempfehlungen zum Einsatz von Kopforthesen bei Schädelasymmetrien abgegeben, obwohl Kopforthesen inzwischen seit über 30 Jahren bekannt sind und ihr Einsatz zunehmend populär geworden ist. Auch der aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen bestehende Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 3 S 1 SGB V) hat die vertragsärztliche Behandlung mittels Kopforthese - trotz zunehmender Diskussionen um diese Leistung - nicht in eigener Zuständigkeit in den EBM-Ä aufgenommen oder sie klarstellend einer bereits bewerteten Leistung zugeordnet. Vielmehr geht auch der Krankenkassen-Spitzenverband davon aus, dass es diesbezüglich zunächst einer Bewertung durch den GBA bedarf (vgl Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, RS 2011/342 vom 13.7.2011 aus Anlass eines im Jahre 2010 aktualisierten Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe - SEG 5 "Hilfsmittel und Medizinprodukte" zum Thema Kopforthesen - Molding helmets).

46

ee) An der Verfassungsmäßigkeit der - für den Leistungsanspruch verbindlichen (vgl § 91 Abs 6 SGB V), ihn vorliegend einschränkenden - Rechtsetzung durch den GBA hat der Senat auch unter Berücksichtigung der hierzu zuletzt ergangenen Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - BVerfGE 140, 229) bezogen auf die Richtlinie nach § 135 Abs 1 S 1, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V keine Zweifel und hält mit ergänzenden Erwägungen an der bisherigen Rechtsprechung fest(bereits die og Entscheidung des BVerfG berücksichtigend <1. Senat> BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 42 ff; bezogen auf die Richtlinien über häusliche Krankenpflege BSG <3. Senat> SozR 4-2500 § 132a Nr 9 RdNr 21; zu § 137 SGB V vgl BSG<1. Senat> SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 28).

47

Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass die demokratische Legitimation des GBA zum Erlass einer verbindlichen Richtlinie fehlen kann, wenn diese zB mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist danach insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet wird (BVerfGE, aaO, RdNr 22).

48

§ 135 Abs 1, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm Abs 7d SGB V enthalten diese geforderte hinreichend bestimmte und konkrete Anleitung des GBA zum Erlass von Richtlinien zur Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Zudem sieht § 92 Abs 7d SGB V vor, dass vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und 137e SGB V den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dadurch wird deren Belangen angemessen Rechnung getragen.

49

ff) Der Kläger kann die Kopforthese schließlich auch nicht auf der Grundlage des § 33 Abs 1 S 1 Var 2 SGB V zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, nach § 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V zum Ausgleich einer Behinderung oder im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen(§ 23 SGB V) beanspruchen.

50

Ohne eine positive Empfehlung des GBA kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Hilfsmittels - unter Berücksichtigung möglicher Risiken und des Wirtschaftlichkeitsgebots - positive Wirkungen in Bezug auf Spätfolgen oder Folgeerkrankungen des Plagiocephalus mit sich bringt und deshalb zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung objektiv geeignet sein könnte (vgl zu diesen Erfordernissen allgemein BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 46). Zudem ist nicht geklärt, ob und ggf welche konkreten Behinderungen durch einen lediglich mit den anerkannten Behandlungsmethoden der Lagerungs- und der Physiotherapie behandelten Plagiocephalus eintreten können, und auch ein im Vergleich zu den anerkannten Behandlungen höherer Nutzen der Kopforthese ist - wie oben ausgeführt - nicht belegt. Zu einer von dem nicht anerkannten therapeutischen Nutzen unabhängigen Funktion der Kopforthese zum Ausgleich einer Behinderung ist im Übrigen auch von den Beteiligten weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

51

Die Voraussetzungen für Hilfsmittel zur Sicherung eines Behandlungserfolgs gelten auch für Hilfsmittel, die im Rahmen einer medizinischen Vorsorgeleistung nach § 23 SGB V verordnet werden. Zwar gewährt § 23 SGB V bereits dann einen Anspruch auf Vorsorgeleistungen, wenn sich beim Versicherten noch keine Krankheit manifestiert hat, womit über die vertragsärztlichen Leistungen hinaus ein breiteres Leistungsspektrum insbesondere mit ganzheitlichen Leistungsangeboten und Komplexleistungen eröffnet wird; allerdings gelten für Hilfsmittel, die Versicherten für den Einsatz außerhalb von Vorsorgeeinrichtungen ärztlich verordnet werden, die Voraussetzungen des § 33 SGB V auch, wenn die Verordnung als Vorsorgeleistung erfolgt(§ 23 Abs 3 SGB V).

52

e) Es liegt schließlich auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist.

53

Eine solche Ausnahme regelt inzwischen mit Wirkung vom 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 S 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 ff mwN). Ferner ist eine Ausnahme für sog Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen (vgl etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 30; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 19 f mwN). Gleiches gilt schließlich für den Fall des sog Systemversagens, dh dann, wenn der GBA dem in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen(vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 44). Derartige Ausnahmefälle liegen hier nicht vor.

54

aa) Bei einem nicht synostotisch verursachten Plagiocephalus ist regelmäßig weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche, noch eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6.12.2005 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5), die nunmehr in § 2 Abs 1a SGB V gesetzlich fixiert ist, gegeben. Folgen einer solchen Krankheit drohen - ausgehend von den zitierten fachmedizinischen Veröffentlichungen - im Übrigen auch dann nicht, wenn der Plagiocephalus (lediglich) mit den herkömmlichen Mitteln der Lagerungs- und Physiotherapie behandelt wird. Vielmehr beeinträchtigt die Schädelasymmetrie das Wohlbefinden eines Säuglings in der Regel nicht (so zB Biedermann, Kinder- und Jugendarzt 2010, 723, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017). Selbst bei ausgeprägten Befunden boten die im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung vorliegenden, bereits zitierten Studien keine Anhaltspunkte dafür, dass ein unbehandelter Plagiocephalus für schwerwiegende Erkrankungen ursächlich werden könnte.

55

bb) Die Annahme eines Seltenheitsfalles scheidet ebenfalls aus. Schädelasymmetrien treten bei Säuglingen nicht derart selten auf, dass sie sich einer systematischen Erforschung entziehen, sondern kommen sogar relativ häufig vor. Sie bilden sich zudem regelmäßig unter der herkömmlichen Lagerungstherapie und/oder Krankengymnastik weitgehend - und ohne bleibende Folgen - zurück (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 6, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com, recherchiert im April/Mai 2017).

56

cc) Darüber hinaus lag auch kein Systemversagen vor, auf das der Kläger einen Erstattungsanspruch für die Kosten der Kopforthese stützen könnte (vgl zum ausnahmsweise leistungsauslösenden Systemversagen wegen nicht rechtzeitigen Tätigwerdens des GBA allgemein zB: BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff; BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 23; E. Hauck, NZS 2007, 461, 464; Plagemann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 2 RdNr 56; Roters in Kasseler Komm, § 135 SGB V, RdNr 11, Bearbeitungsstand 09/2016).

57

Für die Beurteilung des Vorliegens eines Systemversagens ist ebenfalls auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung abzustellen, denn es geht um die Erstattung der durch die Selbstbeschaffung entstandenen Kosten. Die Eltern des Klägers ließen die Kopforthese im Mai 2009 anfertigen. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse und keine gesicherte Datenbasis, nach denen sich die Überprüfung der Methode durch den GBA oder eine Verfahrenseinleitung durch die insoweit antragsberechtigten Institutionen hätte aufdrängen müssen. Die bereits oben zitierte Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin datiert erst aus dem Jahr 2012. Selbst in dieser Stellungnahme wird aber (erst) die weitere wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung des Themas empfohlen. Die Autoren gingen also sogar im Jahr 2012 noch davon aus, dass zunächst noch weitere Daten zu erheben und methodisch gesicherte Forschungen zu betreiben sind. Es gibt keinen Grundsatz, nach dem alle innovativen Leistungen zeitnah vom GBA zu bewerten sind; ein solches Erfordernis ergibt sich erst dann, wenn nach der vorhandenen Studienlage hinreichende Aussicht auf eine positive Bewertung besteht (vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 27 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 mwN).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine Kopforthese.

2

Eine Kopforthese ist ein leichter Helm, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und in der Regel mehrere Monate lang für 23 Stunden täglich vom Säugling getragen wird. In dieser Zeit wird sie dem Kopfwachstum entsprechend mehrfach angepasst.

3

Bei der am 5.5.2012 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse versicherten Klägerin bestand von Geburt an eine Schädelasymmetrie (Plagiocephalus) mit einer Differenz der Schädeldiagonalen von2,3 cm und eine Gesichtsskoliose. Dieser Zustand besserte sich durch krankengymnastische und osteopathische Behandlungen nicht. Am 24.1.2013 beantragten die Eltern der Klägerin die Kostenübernahme für eine Kopforthesentherapie unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung bei der Beklagten. Noch vor einer Bescheiderteilung erhielten die Eltern der Klägerin am 6.2.2013 die Rechnung für eine Kopforthese nach Maß (Sonderbau) inklusive 3D-Vermessung, CAD-Modellierung und Versand von dem ausführenden Leistungserbringer C. in Höhe von 1819 Euro, die sie am 11.3.2013 beglichen.

4

Ihr Antrag auf Kostenübernahme blieb nach Einholung sozialmedizinischer Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 20.2.2013 und vom 6.8.2013 erfolglos (Bescheid vom 12.3.2013; Widerspruchsbescheid vom 23.5.2013), weil es sich bei der Kopforthesentherapie um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) handele, die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gemäß § 135 Abs 1 SGB V positiv bewertet werden müsse, bevor sie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden könne. Eine solche Bewertung liege nicht vor.

5

Das Klageverfahren (Gerichtsbescheid vom 24.4.2015) und das Berufungsverfahren (Urteil vom 26.5.2016) sind ebenfalls erfolglos geblieben. Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Ablehnung der Kostenübernahme sei rechtmäßig erfolgt, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Kopforthese habe. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung seien weder nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 noch nach Alt 2 SGB V erfüllt. Zu Recht habe das SG entschieden, dass der sog Beschaffungsweg bereits nicht eingehalten worden sei. Die Helmtherapie sei bei der Klägerin schon durchgeführt und bezahlt worden (am 11.3.2013), bevor die Entscheidung der Beklagten am 12.3.2013 ergangen sei. Eine Kausalität zwischen der Leistungsablehnung der Beklagten und den entstandenen Kosten bestehe deshalb nicht. Auch habe keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen, die eine vorherige Bescheidung durch die Beklagte entbehrlich gemacht habe. Überdies stelle die Kopforthesentherapie eine NUB dar. Mangels positiver Empfehlung des GBA komme eine Kostenübernahme nicht in Betracht. Dies gelte auch, wenn wie hier ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung eingesetzt werde. Ein Ausnahmefall, der keiner Empfehlung des GBA bedürfe, liege nicht vor. Weder habe eine lebensbedrohliche Situation vorgelegen, noch ein sog Systemversagen. Denn die Voraussetzungen für ein Systemversagen, dass der GBA das für NUB vorgesehene Anerkennungsverfahren trotz Anhaltspunkten für die therapeutische Zweckmäßigkeit der Methode aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt habe bzw dass eine Aktualisierung der Richtlinie unterblieben sei, seien nicht gegeben. Die vom GBA erlassenen Richtlinien seien wie untergesetzliches Regelwerk verbindlich und durch die Rechtsprechung überprüfbar. Eine Ausnahme zur Bindungswirkung der Richtlinien des GBA sei nicht ersichtlich.

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 13 Abs 3 S 1, § 135 SGB V) und ist der Ansicht, dass die Versorgung mit einer Kopforthese keine NUB iS von § 135 SGB V sei. Auch sei der Beschaffungsweg eingehalten worden, weil es sich um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt habe. Sie (die Klägerin) sei in zeitlicher Bedrängnis gewesen, weil die krankengymnastischen bzw osteopathischen Behandlungen selbst nach sieben Monaten keinen Erfolg gezeigt hätten. Sie habe unter einer extrem schwerwiegenden Asymmetrie des Kopfes gelitten und die Kopforthesenbehandlung sei spätestens im sechsten Lebensmonat geboten gewesen. Das zeitliche Moment sei im Verhältnis zur Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu bewerten. Im Zeitpunkt des Beginns der Behandlungsmethode mit der Kopforthese (23.1.2013) sei sie (die Klägerin) bereits über acht Monate alt gewesen. Ein weiteres Zuwarten hätte eine erfolgversprechende Anwendung der Versorgung mittels Kopforthese ausgeschlossen. Die Kopforthesenbehandlung sei objektiv über alle Erwartungen hinaus erfolgreich verlaufen. Sämtliche funktionalen und begleitend auch optische Asymmetrien seien zurückgebildet worden. Auf die Richtlinien des GBA komme es nicht an, wenn bei der selbstbeschafften Leistung die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Qualität und Wirksamkeit eingehalten worden seien. Dies sei der Fall, da die Selbstbeschaffung der Kopforthese insbesondere wegen des erheblichen Ausmaßes der Asymmetrie zu einer massiven Kostenersparnis bei der Krankenkasse geführt habe. Anschlussbehandlungen seien entbehrlich geworden.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Mai 2016 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. April 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 zu verurteilen, ihr 1819 Euro zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe zu erstatten.

8

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen,

9

und schließt sich den Ausführungen der Vorinstanzen an.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet; sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 1819 Euro, die sie für die Versorgung mittels einer Kopforthese aufgewandt hat, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht vorliegen.

11

Versicherte erhalten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs 1 S 1, Abs 2 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs 1 SGB V). Ein solcher Ausnahmefall, der zur Erstattung der für die Herstellung sowie Anpassung der Kopforthese aufgewandten Kosten führen könnte, ist nicht gegeben (dazu im Folgenden unter 1. bis 3.).

12

1. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 2 SGB V iVm § 15 SGB IX scheidet aus, weil es sich bei der Kopforthese nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation handelt(vgl hierzu allgemein ausführlich BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zudem liegen die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach § 15 Abs 1 S 3 iVm S 2 SGB IX bereits deshalb nicht vor, weil dies eine Fristsetzung seitens des Leistungsberechtigten erfordert, mit der Erklärung, dass er sich nach Ablauf der Frist die Leistung selbst beschaffe. Eine solche qualifizierte Fristsetzung fehlt hier.

13

2. Auf den durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Art 2 Nr 1 Patientenrechtegesetz vom 20.2.2013, BGBl I 277) neu eingefügten § 13 Abs 3a SGB V kann der Erstattungsanspruch ebenfalls nicht gestützt werden. Die Vorschrift wurde mit Wirkung vom 26.2.2013 erlassen. Unerheblich ist, ob die Vorschrift überhaupt auf Sachleistungsanträge anwendbar ist, die bereits vor dem 26.2.2013 gestellt wurden, über die die Krankenkasse aber am 26.2.2013 noch nicht entschieden hatte. Selbst wenn die Wirksamkeit der Vorschrift auch den bereits am 24.1.2013 bei der Beklagten gestellten Sachleistungsantrag zur Versorgung der Klägerin mit einer Kopforthese erfassen sollte, kann die Klägerin Kostenerstattung nicht nach dieser Vorschrift beanspruchen. Eine Kostenerstattungspflicht kommt nach § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V nur in Betracht, wenn die Krankenkasse die in § 13 Abs 3a S 1 SGB V genannten Fristen nicht einhält. Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen in Fällen, in denen - wie hier - eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Diese Frist hat die Beklagte mit der Bescheiderteilung am 12.3.2013 eingehalten. Denn die in § 13 Abs 3a SGB V genannten Fristen können jedenfalls frühestens mit dem Wirksamwerden der Vorschrift am 26.2.2013 zu laufen beginnen.

14

3. Wie das LSG darüber hinaus zutreffend entschieden hat, lagen die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs auch nach beiden Alternativen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V(in der bis heute unveränderten Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266) nicht vor.

15

a) Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt den primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch, wenn das Sachleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen (vgl zB BSGE 73, 271, 276 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 9, 15; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 106). Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen, sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nach beiden Tatbeständen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen(stRspr, vgl zB BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 12 Nr 2 S 1, 3; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 10 mwN). Daran fehlt es im zu entscheidenden Fall.

16

b) Die Klägerin hatte zu dem Zeitpunkt, als sie sich die Kopforthese selbst beschaffte (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V allgemein näher vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 29 RdNr 14 und Nr 32 RdNr 10; BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 13), keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese. Der Schädelasymmetrie kann in der bei der Klägerin vorliegenden Ausprägung zwar nicht von vornherein jeder Krankheitswert bzw die Behandlungsbedürftigkeit im Rahmen der nach § 11 SGB V vorgesehenen verschiedenen Leistungsarten abgesprochen werden(hierzu sogleich c), die Kopforthese gehört aber nicht zum Leistungskatalog der GKV (hierzu d), und die Klägerin konnte die Kopforthese auch unter dem Gesichtspunkt eines anzunehmenden Systemversagens nicht beanspruchen (hierzu e). Deshalb kann es sich in ihrem Fall weder um eine unaufschiebbare Leistung iS des § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V noch um eine zu Unrecht abgelehnte Leistung iS des § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V handeln. Wenn der Versicherte sich nämlich eine Leistung beschafft, die unter jedem Gesichtspunkt vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen ist, hat die Krankenkasse die Kosten dafür nicht nach § 13 Abs 3 SGB V zu erstatten; denn solche Leistungen können schon mangels Notwendigkeit weder dringlich gewesen noch zu Unrecht abgelehnt worden sein. Selbst wenn der Krankheitszustand einer dringenden Behandlung bedarf, stehen - abgesehen von Notfällen - grundsätzlich nur die vom Leistungskatalog umfassten sowie die unter den Voraussetzungen eines Systemversagens zu gewährenden Leistungen zur Verfügung.

17

Auf die vom Berufungsgericht zusätzlich verneinte Einhaltung des Beschaffungsweges kommt es daher nicht an. Allerdings haben die Eltern der Klägerin den Auftrag zur Anfertigung der Kopforthese erteilt und diese auch schon bezahlt, bevor die Beklagte erstmalig über den Leistungsantrag entschieden hatte. Das Kausalitätserfordernis nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V, das ein Abwarten der Entscheidung der Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung erfordert, stellt jedoch nicht nur eine Formalie dar(vgl hierzu ausführlich bereits BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris RdNr 10). § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Stellt die Krankenkasse demgegenüber fest, dass keine Versorgungslücke besteht, hat sie den Versicherten über die Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen der Sachleistung umfassend zu beraten. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs wird die auf dem Sachleistungsgrundsatz beruhende und insbesondere dem Schutz der Versicherten dienende Sicherung von Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen vereitelt.

18

c) Die GKV erbringt ihre Leistungen in den nach § 11 SGB V vorgesehenen Leistungsarten, dh ua zur Behandlung einer Krankheit(§ 11 Abs 1 Nr 4 iVm §§ 27 bis 52 SGB V) und zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung (§ 11 Abs 1 Nr 2 iVm §§ 20 bis 24b SGB V). Die bei der Klägerin zur Zeit der Selbstbeschaffung der Kopforthese vorliegende Schädelasymmetrie mit Gesichtsskoliose war so ausgeprägt, dass der Senat weder das Vorliegen einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 SGB V ausschließt noch eine für Leistungen zur medizinischen Vorsorge hinreichende Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin iS des § 23 Abs 1 Nr 2 SGB V. Das folgt aus dem medizinischen Erkenntnisstand, wie er sich beanstandungsfrei aus einschlägigen, allgemein zugänglichen fachmedizinischen Quellen derzeit ergibt, auf die auch das LSG und die Beteiligten zum Teil bereits hingewiesen haben.

19

So werden in einer Stellungnahme von mit dem Gebiet der Kinderheilkunde befassten medizinischen Fachgesellschaften, nämlich der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin zu dynamischen Kopforthesen ("Helmtherapie", Autoren: Rosenbaum, Borusiak, Schweitzer, Berweck, Sprinz, Straßburg, Klepper, 2012, S 2 f, abrufbar unter: www.neuropaediatrie.com/info_fuer_aerzte/stellungnahmen.html, recherchiert im April/Mai 2017) mehrere einschlägige Studien zur Thematik aufgeführt. In dieser Stellungnahme wird aufbauend auf andere Fachveröffentlichungen ausgeführt, dass bei den betroffenen Kindern zur Vermessung der Schädelasymmetrie zwei Diagonalen auf den knöchernen Schädel projiziert werden, die durch den Kreuzungspunkt von Längs- und Querdurchmesser des Schädels gehen und jeweils um 30 Grad vom Längsdurchmesser des Schädels abweichen. Wird nun die Längendifferenz dieser beiden Diagonalen durch die größere Diagonalenlänge dividiert, ergibt sich ein Wert, der bis zu 3 mm bzw 3,5 mm noch als Normwert angesehen und bei bis einschließlich 12 mm als milde/moderate Form der Asymmetrie eingestuft wird; erst wenn der Wert 12 mm übersteigt, wird von einer moderaten bis schweren Form der Asymmetrie ausgegangen.

20

Diese als fachmedizinisch hochrangig einzustufende konsentierte Einschätzung korrespondiert mit der Bewertung von anderen Fachautoren (Funke ua in Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 440 f, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017), nach der noch Werte bis 10 mm dem Normbereich zugerechnet werden (so auch Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 12); erst ab Werten von 15 mm und mehr werde eine Schiefheit des Schädels erreicht, bei der eine Helmtherapie indiziert sein könne.

21

Bei der Klägerin wurde vor der Kopforthesenbehandlung eine Differenz der Schädeldiagonalen von 23 mm gemessen und zusätzlich eine Gesichtsskoliose angegeben. Insgesamt handelte es sich dabei nach den Messwerten und auf der Grundlage der derzeit allgemein zur Verfügung stehenden medizinischen Erkenntnisse jedenfalls um eine schwere Form der Deformität des Schädels, der nicht von vornherein jeder Krankheitswert und jede Behandlungsbedürftigkeit abgesprochen werden kann.

22

d) Kopforthesen gehören allerdings selbst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht zum Leistungskatalog der GKV und schließen damit im Regelfall einen Klageerfolg aus.

23

Der Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese richtet sich grundsätzlich nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsbeschaffung geltenden Fassung, dh hier in der in 2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.

24

Der auf die Überlassung von beweglichen Gegenständen gerichtete Anspruch umfasst grundsätzlich sowohl die Kopforthese selbst, als auch notwendige Anpassungen und Änderungen (vgl § 33 Abs 1 S 4 SGB V). Deshalb wären grundsätzlich auch über die Materialkosten hinausgehende (nichtärztliche) Kosten für einen Schädelscan bzw einen Gipsabdruck vom Schädel, für Anprobe und Korrekturen, einschließlich der Passformüberprüfung und Endkontrolle, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Überprüfung der Wirkung des Hilfsmittels stehen, von einem Anspruch nach § 33 Abs 1 SGB V umfasst.

25

Allerdings lagen die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung nicht vor. Eine Krankenkasse hat Hilfsmittel, die im Rahmen einer neuen vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt werden, nämlich regelmäßig erst nach einer positiven Bewertung durch den GBA zu gewähren. Mit anderen Worten: Solange der GBA zur Behandlung einer Schädelasymmetrie im Säuglingsalter mittels Kopforthese keine positive Empfehlung abgegeben hat, kann nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalls ein Anspruch auf Versorgung mit einer Kopforthese bestehen. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von bis dahin noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführten Behandlungsmethoden und ärztlichen Leistungen das Prüfungsverfahren beim GBA vorgeschaltet. Das gilt auch für Behandlungsmethoden, deren diagnostische bzw therapeutische Wirkungsweise, Anwendungsgebiete, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 13). So verhält es sich - wie im Folgenden näher auszuführen ist - auch hier.

26

Kopforthesen werden zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V)eingesetzt (hierzu im Folgenden aa). Für Hilfsmittel, deren Verwendung nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept zu trennen ist, gilt die Sperrwirkung des § 135 Abs 1 S 1 SGB V mit dem grundsätzlichen Erfordernis einer positiven Empfehlung des GBA(hierzu bb). Der Behandlung mittels einer Kopforthese liegt ein eigenständig zu bewertendes Behandlungskonzept in diesem Sinne zugrunde (hierzu cc) und dieses Behandlungskonzept war - als die Klägerin sich die Kopforthese beschaffte - eine "neue", nicht vom GBA anerkannte Methode (hierzu dd). Dabei bestehen gegen die Rechtssetzungsbefugnis durch den GBA keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (hierzu ee). Die Klägerin kann die Kopforthese schließlich auch nicht zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 2 und 3 SGB V) oder im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V) beanspruchen (hierzu ff).

27

aa) Die Kopforthese wird im Rahmen einer ärztlich verantworteten Behandlung eingesetzt und soll letztlich dazu beitragen, den "Erfolg der Krankenbehandlung" zu sichern (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V; vgl zu dieser Zielrichtung allgemein BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 20 mwN). Der Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 S 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 20).

28

Der Einsatz der Kopforthese stand hier in diesem Sinne in einem engen Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Behandlung, denn die ärztliche Verordnung der Kopforthese machte auch eine weiter andauernde ärztliche Überwachung und Kontrolle der Therapie erforderlich. Der Therapieplan bestand darin, den Kopf mittels der Orthese in die gewünschte symmetrische Form zu bringen. Dieses Behandlungsziel dient der "Sicherung des Erfolgs" der Krankenbehandlung iS des § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V. Der Senat hat bereits in früheren Entscheidungen klargestellt, dass der Wortlaut dieser Regelung insoweit einer Erweiterung bedarf. Der Anspruch umfasst nämlich auch solche Hilfsmittel, mit denen ein therapeutischer Erfolg erst angestrebt wird; der Erfolg muss nicht schon vor dem Einsatz des Hilfsmittels vorliegen und mit dem Hilfsmittel nur noch gesichert werden (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 17).

29

bb) Nach der Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung deren Erfolg sichern soll, seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1 SGB V iVm § 135 Abs 1 SGB V zu trennen(BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst die Sperrwirkung des durch § 135 Abs 1 S 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten Methode(stRspr seit BSGE 82, 233, 238 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19 f für die Arzneimitteltherapie; vgl auch BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; für die neuartige Kombination einzeln bereits zugelassener Maßnahmen im Rahmen der Arzneimittelversorgung: BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 15 f mwN; entsprechend für Heilmittel: BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 15 f). Solange eine Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der GKV empfohlen worden ist, sind die dabei eingesetzten Geräte grundsätzlich keine von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel und auch das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) kann nicht entsprechend fortentwickelt werden (zur streitigen Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV vgl bereits BSGE 87, 105, 110 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 7 f; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, RdNr 32; siehe auch BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 - Magnetodyn; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11 - CAM-Bewegungsschiene; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 28 - Continuous Glucosemonitoring System für Diabetiker, jeweils mwN). Darf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels positiver Empfehlung des GBA nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, kann der GKV-Spitzenverband trotz seiner Autonomie bei der Erstellung des HMV nicht verpflichtet werden, die allein zur Durchführung dieser Therapie einsetzbaren Geräte in das Verzeichnis aufzunehmen. Denn die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang obliegt nach § 92 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem GBA, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert. Auch § 92 Abs 7d S 1 SGB V zeigt, dass der Gesetzgeber den Vorrang der Methodenbewertung durch den GBA voraussetzt. Damit hat der Gesetzgeber die Aufgabe der Bewertung des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Methoden grundsätzlich dem GBA übertragen. Der GBA bürgt nach der Konzeption des Gesetzes für die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung, die es rechtfertigt, diesem Gremium im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen. Davon geht schließlich auch der GBA selbst aus, der in § 6 Abs 11 seiner auf § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V beruhenden Hilfsmittel-Richtlinie die Verordnung eines Hilfsmittels ausgeschlossen hat, wenn es Bestandteil einer neuen, nicht anerkannten Behandlungsmethode nach § 135 SGB V ist(vgl zum Ganzen zuletzt BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11 - CAM-Bewegungsschiene; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 28 - Continuous Glucosemonitoring System für Diabetiker, jeweils mwN).

30

cc) Der Therapie mit einer Kopforthese liegt im vorbeschriebenen Sinne eine eigenständig zu bewertende Behandlungsmethode zugrunde.

31

Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSGE 82, 233, 237 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 19; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 mwN; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 32). Das theoretische Konzept, der Plan der Kopforthesentherapie liegt darin, das schnelle Wachstum eines Säuglingskopfes im ersten Lebensjahr bei noch nicht abschließend verknöcherten Wachstumsnähten mithilfe des Helms, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und vom Säugling etwa 23 Stunden täglich getragen wird, in die gewünschte Richtung zu lenken, um eine symmetrische Kopfform zu erhalten (vgl zB Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de; Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 2 ff, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com, jeweils recherchiert im April/Mai 2017; Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 14 f).

32

Der dieser Auffassung grundsätzlich entgegengehaltenen Kritik, das eingesetzte Mittel sei als Leistung von dem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept zu trennen, sodass allein die Verordnung eines Hilfsmittels noch nicht dessen Einsatz im Rahmen einer neuen Methode darstelle (so Axer, GesR 2015, 641, 643; Axer/Wiegand, KrV 2016, 85 ff), folgt der Senat nicht. Die Kritik stützt ihre Auffassung wesentlich auf § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V, der eine Abgrenzung zwischen Leistung und Methode erforderlich mache. Der für die Erstellung und Fortentwicklung des EBM-Ä zuständige Bewertungsausschuss ist nach der genannten Vorschrift aber verpflichtet, im Einvernehmen mit dem GBA hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den EBM-Ä in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V zunächst einer Bewertung durch den GBA bedarf. Das Nähere regeln nach § 87 Abs 3e S 6 SGB V der Bewertungsausschuss und der GBA im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung.

33

Der Begriff der "Leistung" hat im Recht der GKV eine andere Funktion als der Begriff der "Methode". Nicht jeder neuen Leistung muss auch eine neue Methode zugrunde liegen. Das ergibt sich nicht erst aus dem durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der GKV (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) eingefügten § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V; das BSG hat bereits im Jahr 2006 entschieden, dass der Einsatz bestimmter Vakuumstützsysteme keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode darstellt, weil ihnen das gleiche theoretische Konzept der Ruhigstellung, Fixierung und späteren Mobilisierung zugrunde liegt, wie herkömmlichen Behandlungen mittels Gipsverbänden, Orthesen und orthopädischen Schuhen (BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2). Andererseits können auch bereits anerkannte oder zugelassene Leistungen so kombiniert werden, dass von einer neuen Behandlungsmethode auszugehen ist, nämlich dann, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener für sich allein jeweils anerkannter Einzelleistungen liegt (vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26). Die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen bilden also - ebenso wie bereits zugelassene Behandlungsmethoden - nur einen Vergleichsmaßstab, anhand dessen zu prüfen ist, ob die in Frage stehende Maßnahme noch den bereits anerkannten Leistungen bzw Methoden zuzurechnen ist oder sie wesentliche Änderungen oder Erweiterungen enthält (BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 21 sowie BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 21; vgl ferner Kap 2 § 2 der Verfahrensordnung des GBA idF vom 18.12.2008, BAnz Nr 84a vom 10.6.2009, geändert am 20.10.2016, BAnz AT 19.1.2017 B3, BAnz AT 24.2.2017 B1, in Kraft getreten am 20.1.2017, sowie Schmidt-De Caluwe in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 135 RdNr 7).

34

Entscheidend ist mithin die Frage, wann eine Methode "neu" ist, weil sie sich von bereits anerkannten und zugelassenen Behandlungen oder Untersuchungen so deutlich unterscheidet, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist. Weil diese Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann, hat der Gesetzgeber in § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V den Bewertungsausschuss verpflichtet, hierüber im Einvernehmen mit dem GBA Auskunft zu erteilen. Das spricht aber nicht dagegen, dass auch in einer einzelnen Leistung, namentlich in der (auf bestimmten Erwägungen beruhenden "unkonventionellen") ärztlichen Verordnung eines Hilfsmittels, bereits die Anwendung einer neuen Methode liegen kann.

35

dd) Die Kopforthesentherapie war im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung und Anwendung der Kopforthese bei der Klägerin eine "neue" Behandlungsmethode, denn sie war weder als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten noch bereits vom GBA anerkannt worden (sie ist dies auch bis heute nicht). Sie weist vielmehr im Vergleich zu bereits anerkannten und zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede auf, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist.

36

Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen in diesem Sinne "wesentlich" sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs 1 SGB V. Nach § 135 Abs 1 SGB V hat der GBA "Empfehlungen abzugeben … über

1.    

die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,

2.    

die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und

3.    

die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung."

37

Danach dient die Notwendigkeit einer solchen Empfehlung, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (so schon BSGE 81, 54, 57 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 12 f; vgl auch BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 11).

38

In dieses Normgefüge hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VSG vom 16.7.2015 mit Wirkung zum 16.7.2015 (BGBl I 1211) § 137h SGB V für die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse eingefügt und damit den von der Rechtsprechung entwickelten Begriff der Untersuchungs- und Behandlungsmethode als zugrunde liegendes theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufgegriffen(§ 137h Abs 1 S 3 SGB V); das Konzept ist nach § 137h Abs 2 S 2 SGB V dann "neu", wenn sich sein Wirkprinzip oder sein Anwendungsgebiet von anderen, in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet.

39

Die insoweit gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Beurteilung der "Neuheit" einer ärztlichen Behandlungsmethode mit besonderen Medizinprodukten greift der Senat auch für Hilfsmittel auf, die zwar nicht zu Medizinprodukten hoher Risikoklasse gehören, deren Einsatz aber ebenfalls untrennbar mit einer ärztlichen Behandlung verbunden ist. Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll bzw sich ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet von anderen, in der vertragsärztlichen Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet, oder wenn mit der Methode aus anderen Gründen gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (vgl auch BSGE 81, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 13 f; BSGE 88, 51, 60 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 20; BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 33).

40

Der Senat stellt insoweit klar, dass das Methodenbewertungsverfahren des GBA letztlich auch die Bewertung wesentlicher Unterschiede im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete und bisher nicht erforschte Risiken umfasst. Dies wird auch an der Regelung des § 87 Abs 3e S 4 ff SGB V deutlich, nach der der Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem GBA eine Auskunft darüber zu erteilen hat, ob eine neue Leistung auf einem bereits anerkannten Konzept beruht oder ob es sich um eine neue, noch durch den GBA nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V zu bewertende Methode handelt.

41

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats zur CAM-Bewegungsschiene vom 8.7.2015 zugrunde lag, gab es zwar eine schriftliche Äußerung der Verwaltung des GBA dahin, dass es keiner Methodenprüfung durch ihn bedürfe, aber keinen formellen GBA-Beschluss (BSGE 119, 180 = SozR 4-2500 § 139 Nr 7, RdNr 24). Nur das jeweils zuständige Beschlussgremium des GBA kann aber letztlich eine Bewertung über wesentliche Unterschiede von Wirkprinzipien, Anwendungsgebieten und Risiken vornehmen. Die Gerichte haben - solange das zuständige Beschlussgremium des GBA zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode noch keine Bewertung abgegeben hat - zu prüfen, ob die Methode im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden oder zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede aufweist, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist; der GBA kann dann später dennoch aufgrund seines Sachverstandes dazu kommen, dass die Unterschiede zu bereits anerkannten oder zugelassenen Verfahren letztlich im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete, Risiken, Nutzen und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich sind.

42

Die dem Einsatz einer Kopforthese zugrunde liegende Methode ist ausgehend davon als solche als bisher nicht anerkannt anzusehen, und es zeigen sich zudem deutliche Unterschiede zu bereits anerkannten Verfahren. Die Wirkprinzipien von Orthesen sind zwar in anderen Anwendungsgebieten anerkannt und bezüglich des Stütz- und Bewegungsapparates auch im EBM-Ä abgebildet. So beinhaltet die nach der Präambel der für Vertragsärzte geltenden orthopädischen Gebührenordnungspositionen (18.1 EBM-Ä) ausschließlich von Fachärzten für Orthopädie und Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie abrechenbare Nr 18310 EBM-Ä eine Zusatzpauschale für Behandlungen und ggf Diagnostik des Stütz- und Bewegungsapparates (angeboren, traumatisch, posttraumatisch, perioperativ) und/oder von (einer) entzündlichen Erkrankung(en) des Stütz- und Bewegungsapparates und/oder von (einer) Skelettanomalie(n) bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Kindern. Der fakultative Leistungsinhalt ist ua die Anlage/oder Wiederanlage einer Orthese. Nahezu wortgleich ist die Nr 07310 EBM-Ä, die nur von Fachärzten für Chirurgie, Fachärzten für Kinderchirurgie und Fachärzten für Plastische und Ästhetische Chirurgie abgerechnet werden darf. Diese Zusatzpauschalen beziehen sich allerdings nur auf Krankheitsbilder des Stütz- und Bewegungsapparates. Dazu gehört der Kopf mithin nicht.

43

Das Anwendungsgebiet einer Kopforthese unterscheidet sich von den bereits eingeführten Anwendungsgebieten von Orthesen deutlich. Das Gleiche gilt erst recht für - offensichtlich nicht einschlägige - gelegentlich gleichwohl für die Abrechnung von Kopforthesen entsprechend herangezogene Abrechnungsziffern für kieferorthopädische Behandlungen aus dem privatzahnärztlichen Bereich (zB GOZ 5170, 5340, 6070).

44

Das vorliegend deutlich abweichende Anwendungsgebiet macht eine selbstständige Bewertung der streitigen Versorgung durch den GBA erforderlich. Denn mit dem Einsatz der Kopforthese sind im Vergleich zu anderen Orthesen einige spezielle Risiken denkbar, wie zB mögliche Auswirkungen auf die Wirbelsäule durch das Gewicht des Helms, nicht abschließend untersuchte Auswirkungen auf die Temperaturregulation des Säuglings oder mögliche Druckstellen, die durch die mangelnde Passgenauigkeit oder das Verrutschen des Helms entstehen können (vgl zB Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017). Hinsichtlich des medizinischen Nutzens stellt sich die Frage, ob und ggf ab welchem Ausmaß eine Schädelasymmetrie funktionelle Beeinträchtigungen hervorrufen oder mit einer dauerhaft entstellenden Wirkung verbunden sein kann, denen die Helmtherapie entgegenwirken soll. Auffällige Kopfasymmetrien können auf anderen strukturellen und/oder funktionellen Störungen (zB Beeinträchtigungen der Nackenmuskulatur) beruhen. Diesbezüglich ist aber das Ursachen- und Wirkungsgefüge nicht abschließend geklärt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz einer Kopforthese sogar kontraproduktiv ist, weil die Ursachen der Schädelasymmetrie unbehandelt bleiben und lediglich die sichtbar gewordene Folge einer rein kosmetischen Korrektur zugeführt wird. Jedenfalls fehlen kontrollierte randomisierte Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von Kopforthesen, während die Wirksamkeit physiotherapeutischer Interventionen ohne die Anwendung von Kopforthesen hinreichend belegt ist. Schließlich gibt es Qualitätsvorgaben oder Qualitätsstandards weder für eine valide Diagnostik von Schädelasymmetrien noch für die technische Ausgestaltung, Anfertigung und Anpassung der Kopforthese noch für die begleitende ärztliche Behandlung, Kontrolle oder den Abschluss der Behandlung, was die dargestellten Gefahren erhöhen und zu weiteren unerwünschten Nebenwirkungen führen kann (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, aaO, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com; Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe - SEG 5 "Hilfsmittel und Medizinprodukte" der MDK-Gemeinschaft zum Thema Kopforthesen - Molding helmets vom 29.10.2010; sowie das aus diesem Anlass gefertigte Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, laufende Nr: RS 2011/342 vom 13.7.2011, S 6 ff; insoweit ebenfalls kritisch Deutsches Ärzteblatt vom 6.5.2014, abrufbar unter: www.aerzteblatt.de/nachrichten/58560; Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437 sowie Biedermann, Kinder- und Jugendarzt 2010, 723, jeweils abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, Dokumente jeweils recherchiert im April/Mai 2017).

45

Vor diesem Hintergrund haben weder die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften noch andere wissenschaftliche Fachgesellschaften aus Deutschland positive, evidenzbasierte Leitlinienempfehlungen zum Einsatz von Kopforthesen bei Schädelasymmetrien abgegeben, obwohl Kopforthesen inzwischen seit über 30 Jahren bekannt sind und ihr Einsatz zunehmend populär geworden ist. Auch der aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen bestehende Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 3 S 1 SGB V) hat die vertragsärztliche Behandlung mittels Kopforthese - trotz zunehmender Diskussionen um diese Leistung - nicht in eigener Zuständigkeit in den EBM-Ä aufgenommen oder sie klarstellend einer bereits bewerteten Leistung zugeordnet. Vielmehr geht auch der Krankenkassen-Spitzenverband davon aus, dass es diesbezüglich zunächst einer Bewertung durch den GBA bedarf (vgl Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands, RS 2011/342 vom 13.7.2011 aus Anlass eines im Jahre 2010 aktualisierten Gutachtens der Sozialmedizinischen Expertengruppe - SEG 5 "Hilfsmittel und Medizinprodukte" zum Thema Kopforthesen - Molding helmets).

46

ee) An der Verfassungsmäßigkeit der - für den Leistungsanspruch verbindlichen (vgl § 91 Abs 6 SGB V), ihn vorliegend einschränkenden - Rechtsetzung durch den GBA hat der Senat auch unter Berücksichtigung der hierzu zuletzt ergangenen Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - BVerfGE 140, 229) bezogen auf die Richtlinie nach § 135 Abs 1 S 1, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V keine Zweifel und hält mit ergänzenden Erwägungen an der bisherigen Rechtsprechung fest(bereits die og Entscheidung des BVerfG berücksichtigend <1. Senat> BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 42 ff; bezogen auf die Richtlinien über häusliche Krankenpflege BSG <3. Senat> SozR 4-2500 § 132a Nr 9 RdNr 21; zu § 137 SGB V vgl BSG<1. Senat> SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 28).

47

Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass die demokratische Legitimation des GBA zum Erlass einer verbindlichen Richtlinie fehlen kann, wenn diese zB mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht mitwirken konnten. Maßgeblich ist danach insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet wird (BVerfGE, aaO, RdNr 22).

48

§ 135 Abs 1, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm Abs 7d SGB V enthalten diese geforderte hinreichend bestimmte und konkrete Anleitung des GBA zum Erlass von Richtlinien zur Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Zudem sieht § 92 Abs 7d SGB V vor, dass vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und 137e SGB V den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dadurch wird deren Belangen angemessen Rechnung getragen.

49

ff) Die Klägerin kann die Kopforthese schließlich auch nicht auf der Grundlage des § 33 Abs 1 S 1 Var 2 SGB V zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung, nach § 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V zum Ausgleich einer Behinderung oder im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen(§ 23 SGB V) beanspruchen.

50

Ohne eine positive Empfehlung des GBA kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz des Hilfsmittels - unter Berücksichtigung möglicher Risiken und des Wirtschaftlichkeitsgebots - positive Wirkungen in Bezug auf Spätfolgen oder Folgeerkrankungen des Plagiocephalus mit sich bringt und deshalb zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung objektiv geeignet sein könnte (vgl zu diesen Erfordernissen allgemein BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 46). Zudem ist nicht geklärt, ob und ggf welche konkreten Behinderungen durch einen lediglich mit den anerkannten Behandlungsmethoden der Lagerungs- und der Physiotherapie behandelten Plagiocephalus eintreten können, und auch ein im Vergleich zu den anerkannten Behandlungen höherer Nutzen der Kopforthese ist - wie oben ausgeführt - nicht belegt. Zu einer von dem nicht anerkannten therapeutischen Nutzen unabhängigen Funktion der Kopforthese zum Ausgleich einer Behinderung ist im Übrigen auch von den Beteiligten weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

51

Die Voraussetzungen für Hilfsmittel zur Sicherung eines Behandlungserfolgs gelten auch für Hilfsmittel, die im Rahmen einer medizinischen Vorsorgeleistung nach § 23 SGB V verordnet werden. Zwar gewährt § 23 SGB V bereits dann einen Anspruch auf Vorsorgeleistungen, wenn sich beim Versicherten noch keine Krankheit manifestiert hat, womit über die vertragsärztlichen Leistungen hinaus ein breiteres Leistungsspektrum insbesondere mit ganzheitlichen Leistungsangeboten und Komplexleistungen eröffnet wird; allerdings gelten für Hilfsmittel, die Versicherten für den Einsatz außerhalb von Vorsorgeeinrichtungen ärztlich verordnet werden, die Voraussetzungen des § 33 SGB V auch, wenn die Verordnung als Vorsorgeleistung erfolgt(§ 23 Abs 3 SGB V).

52

e) Es liegt schließlich auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist.

53

Eine solche Ausnahme regelt mit Wirkung vom 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 S 3 SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 ff mwN). Ferner ist eine Ausnahme für sog Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen Erforschung entziehen (vgl etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 30; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 19 f mwN). Gleiches gilt schließlich für den Fall des sog Systemversagens, dh dann, wenn der GBA dem in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen(vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 RdNr 44). Derartige Ausnahmefälle liegen hier nicht vor.

54

aa) Bei einem nicht synostotisch verursachten Plagiocephalus ist regelmäßig weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung iS des § 2 Abs 1a SGB V gegeben. Folgen einer solchen Krankheit drohen - ausgehend von den zitierten fachmedizinischen Veröffentlichungen - im Übrigen auch dann nicht, wenn der Plagiocephalus (lediglich) mit den herkömmlichen Mitteln der Lagerungs- und Physiotherapie behandelt wird. Vielmehr beeinträchtigt die Schädelasymmetrie das Wohlbefinden eines Säuglings in der Regel nicht (so zB Biedermann, Kinder- und Jugendarzt 2010, 723, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017). Selbst bei ausgeprägten Befunden boten die im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung vorliegenden, bereits zitierten Studien keine Anhaltspunkte dafür, dass ein unbehandelter Plagiocephalus für schwerwiegende Erkrankungen ursächlich werden könnte.

55

bb) Die Annahme eines Seltenheitsfalles scheidet ebenfalls aus. Schädelasymmetrien treten bei Säuglingen nicht derart selten auf, dass sie sich einer systematischen Erforschung entziehen, sondern kommen sogar relativ häufig vor. Sie bilden sich zudem regelmäßig unter der herkömmlichen Lagerungstherapie und/oder Krankengymnastik weitgehend - und ohne bleibende Folgen - zurück (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 6, abrufbar ua unter: www.neuropaediatrie.com, recherchiert im April/Mai 2017).

56

cc) Darüber hinaus lag auch kein Systemversagen vor, auf das die Klägerin einen Erstattungsanspruch für die Kosten der Kopforthese stützen könnte (vgl zum ausnahmsweise leistungsauslösenden Systemversagen wegen nicht rechtzeitigen Tätigwerdens des GBA allgemein zB: BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff; BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 23; E. Hauck, NZS 2007, 461, 464; Plagemann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 2 RdNr 56; Roters in Kasseler Komm, § 135 SGB V, RdNr 11, Bearbeitungsstand 09/2016).

57

Für die Beurteilung des Vorliegens eines Systemversagens ist ebenfalls auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung abzustellen, denn es geht um die Erstattung der durch die Selbstbeschaffung entstandenen Kosten. Die Eltern der Klägerin ließen die Kopforthese im Januar/Februar 2013 anfertigen. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse und keine gesicherte Datenbasis, nach denen sich die Überprüfung der Methode durch den GBA oder eine Verfahrenseinleitung durch die insoweit antragsberechtigten Institutionen hätte aufdrängen müssen. Solche Erkenntnisse können insbesondere nicht der bereits oben zitierten Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin aus dem Jahr 2012 entnommen werden. Da darin (erst) die weitere wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung des Themas empfohlen wird, gehen die Autoren gerade umgekehrt selbst davon aus, dass zunächst noch weitere Daten zu erheben und methodisch gesicherte Forschungen zu betreiben sind. Es gibt keinen Grundsatz, nach dem alle innovativen Leistungen zeitnah vom GBA zu bewerten sind; ein solches Erfordernis ergibt sich erst dann, wenn nach der vorhandenen Studienlage hinreichende Aussicht auf eine positive Bewertung besteht (vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 27 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 mwN).

58

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.