Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. Juni 2016 - L 16 R 265/14

bei uns veröffentlicht am08.06.2016

Gründe

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. Januar 2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2013 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsforderung aufgrund einer Betriebsprüfung. Streitig ist neben verfahrensrechtlichen Fragen die Höhe des den Beigeladenen zu 1) und 2) im Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 31.12.2009 zustehenden Lohns.

Die Klägerin betrieb bis zum 31.10.2011 das Chinarestaurant „F.“, A-Straße in A-Stadt. Sie beschäftigte dort seit 2006 neben weiteren Mitarbeitern die Beigeladenen zu 1) und 2) als sogenannte Spezialitätenköche. Bei den Spezialitätenköchen handelt es sich um sog. Alleinköche, die im Inland mit dem Tarifposten „Chef de partie“ vergleichbar und entsprechend zu entlohnen waren. Gemäß der von der Bundesagentur für Arbeit anzuwendenden Checkliste sind diese Personen entsprechend des jeweiligen Landestarifs des Hotel- und Gaststättengewerbes (HOGA Tarif) in der Bewertungsgruppe Alleinkoch einzugruppieren. Dies ist Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Arbeitserlaubnis und damit verbundenen Aufenthaltsgenehmigung (§ 39 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - in Verbindung mit den Bestimmungen der Beschäftigungsverordnung - § 26 BeschV). Auch die Arbeitsverträge der Beigeladenen zu 1) und 2) enthalten in § 7 (Sonstige Vereinbarungen) eine Klausel, wonach die Bestimmungen des jeweils gültigen Tarifvertrages (Lohn- und Manteltarif) für das Hotel- und Gaststättengewerbe Bestandteil des Arbeitsvertrages sind.

Nach dem HOGA Tarif Bayern waren im streitgegenständlichen Zeitraum für Alleinköche (Chef de partie) folgende Löhne zu bezahlen: 1.849,- EUR ab Mai 2006 1.890,- EUR ab Juni 2007 1.947,- EUR ab Mai 2008 1.996,- EUR ab September 2009

Für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2009 führte die Beklagte im Restaurant der Klägerin erstmals im Jahr 2010 eine Betriebsprüfung gem. § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch, die (so der Tenor) „keine Feststellungen bzw. Beanstandungen“ ergab (Schreiben des Prüfdienstes vom 05.07.2010). Die stichprobenweise Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Aufzeichnungen habe keine Beanstandung ergeben.

Im Rahmen einer verdachtsunabhängigen Kontrolle der Kontrolleinheit Prävention des Hauptzollamts F-Stadt vom 08.02.2011 sowie einer im Anschluss erfolgten Prüfung der Geschäftsunterlagen des Restaurants wurden dagegen laut Schlussbericht vom 17.07.2012 Unstimmigkeiten bei der Lohnzahlung festgestellt. Tatsächlich habe die Klägerin den Köchen zwar bei der Ersteinreise den jeweils gültigen bayerischen HOGA Tarif bezahlt, die während der anschließenden Beschäftigungsdauer (in der Regel vier Jahre) erfolgten tariflichen Lohnerhöhungen aber nicht an ihre Beschäftigten weitergegeben bzw. den Lohn tatsächlich nicht erhöht. Außerdem hätten sowohl der Beigeladene zu 1) als auch der Beigeladene zu 2), der seit dem 20.04.2007 bei der Klägerin beschäftigt gewesen sei, die vereinbarten Entgelte nicht vollständig erhalten.

Die an die Beigeladenen zu 1) und 2) erfolgten Zahlungen ergeben sich aus den sicher- gestellten Lohnabrechnungen, in denen die Lohnzahlungen selbst jeweils als „Lohn, Festlohn“ bezeichnet sind. Woraus sich die niedrigeren oder zum Teil völlig fehlenden Zahlungen in einzelnen Monaten ergeben könnten, ist aus den Gehaltsabrechnungen nicht ersichtlich, da darin keine Stunden ausgewiesen sind. Die Klägerin gab an, dass sich ein Herr N. um Details gekümmert habe. Ihr sei bekannt, dass ein Tariflohn gezahlt werden müsse. Sie habe aber nicht die Information gehabt, wann eine Lohnerhöhung stattgefunden habe. Ihr sei auch nicht klar gewesen, dass sie für Unterkunft und Verpflegung separat bezahlen müsse und keine Barauszahlungen tätigen dürfe. Die Köche hätten nicht einmal ein Konto und seien alle am gleichen Tag bezahlt worden. Quittungen habe sie nicht verlangt. Vernehmungsprotokolle der Beigeladenen zu 1) und 2) befinden sich nicht in den Akten, da diese bereits wieder nach China ausgereist und nicht mehr für die Klägerin tätig waren. Nach Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens den streitigen Bescheid vom 14.08.2012, mit dem „aufgrund der nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durchgeführten Beitragsüberwachung“ für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.03.2011 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 8.298,78 EUR nachgefordert werden. In dem Betrag sind Säumniszuschläge in Höhe von 1.764 EUR enthalten. Zur Begründung wurde auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens verwiesen, wonach mehrere Köche nicht nach Tariflohn bezahlt worden seien. Die Nachforderung betrifft neben den Beigeladenen zu 1) und 2) noch die Arbeitnehmer J. C., G. L., G. X. und X. J. Y. Der Berechnung wurde jeweils der monatliche Tariflohn zugrunde gelegt. Mit ihrem Widerspruch vom 13.09.2012 machte die Klägerin geltend, dass bereits am 05.07.2010 eine Betriebsprüfung stattgefunden habe, die zu keinen Beanstandungen geführt habe. Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass im streitgegenständlichen Zeitraum Fehlzeiten der Köche z. B. unbezahlter Urlaub oder unbezahlte arbeitsfreie Zeit enthalten seien, die nicht zur Beitragspflicht führten. Sie legte eine Liste über diejenigen Zeiten vor, in denen die einzelnen Arbeitnehmer jeweils unbezahlten Urlaub bzw. arbeits- freie Zeiten genommen hätten. Der Beigeladene zu 2) sei tatsächlich erst zum 01.05.2007 eingetreten. Die Forderung sei um 5.412,45 EUR zu korrigieren. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2013 zurück. Die Aussage, die Arbeitnehmer hätten unbezahlte Freistellungen und unbezahlten Urlaub erhalten, entspreche nicht der Lebenswirklichkeit. Auch stehe diesen wie allen Arbeitnehmern ein bezahlter Urlaubsanspruch zu. Unterlagen, die den Nachweis über unbe- zahlte Freistellungen bzw. unbezahlten Urlaub der Küche belegen könnten, seien weder vorhanden noch auf den Entgeltabrechnungen ausgewiesen worden. Mit Schriftsatz vom 18.04.2013 erhob die Klägerin am 22.04.2013 Klage zum Sozialgericht Landshut. Es dürften für die Zeiträume, in denen keine Löhne und Gehälter bezahlt worden seien, keine Beiträge nachgefordert werden. Lediglich die auf die versehentlich unterlassene Anpassung der Löhne an die Tariferhöhung zurückzuführenden Beiträge seien zu Recht erhoben worden. Dies betreffe einen Betrag von 1.122,38 EUR. Sie legte Kopien zweier von den Beigeladenen zu 1) und 2) in chinesischer Schrift verfasster, nicht datierter Erklärungen vor. Nach dem in Deutsch über diesen Erklärungen maschinenschriftlich verfassten Text hätten die Beigeladenen an einzelnen Tagen bzw. in verschiedenen Monaten unbezahlten Urlaub genommen, um private Angelegenheiten zu erledigen. Die Beklagte entgegnete, dass eine Beschäftigung für bis zu einem Monat als fortbestehend gelte, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere. Vorliegend hätten die Unterbrechungen regelmäßig weniger als einen Monat angedauert. Lediglich beim Beigeladenen zu 2) sei in der unleserlichen und als Beweis nicht verwertbaren Erklärung des Beigeladenen zu 2) für den Zeitraum vom 29.06.2009 bis zum 31.07.2009 ein längerer Zeitraum als unbezahlter Monat ausgewiesen. Allerdings werde auch die inhaltliche Richtigkeit dieser Angaben weiterhin angezweifelt. Die Anzahl und Dauer der aus privaten Gründen genommenen Zeiten unbezahlten Urlaubs wider- spreche den Anscheinsgrundsätzen, zumal der Aufenthaltstitel an die Ausübung der Tätigkeit im Restaurant der Klägerin gebunden gewesen sei und eine längere Unterbrechung den Meldebehörden hätte angezeigt werden müssen. Auch sei nicht klar, wie der Beigeladene zu 2) in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt hätte bestreiten sollen. Die Klägerin legte eine detaillierte Urlaubsaufstellung für die Beigeladenen zu 1) und 2) vor, in der nach Urlaub, unbezahltem Urlaub und unbezahltem Urlaub/Betriebsurlaub unterschieden wird. Mit Schriftsatz vom 25.11.2013 beantragte sie, die Klage auf den Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 31.12.2009 zu beschränken. Warum die von den Beigeladenen unterschriebene Bestätigung unschlüssig sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Mit Urteil vom 22.01.2014, das mit Einverständnis der Beteiligten nach der Durchführung eines Erörterungstermins ohne mündliche Verhandlung erging, hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2013 insoweit auf, als darin Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum 01.10.2006 bis 31.12.2009 nachgefordert werden. Es bestünden bereits erhebliche Be- denken, ob der Bescheid vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2012 dem Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gerecht werde, da Beitragsnachforderungsbescheide nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) den Prüfzeitraum unzweifelhaft benennen müssten. Dem Bescheid vom 14.08.2012 sei nur zu entnehmen, für welchen Zeitraum Beiträge nachgefordert werden, nicht jedoch, auf welchen Zeitraum sich die Prüfung bezogen habe. Vor allem sei aber die Beklagte infolge der Bestandskraft der vorangegangenen für den Prüfzeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2009 ergangenen Prüfmitteilung vom 05.07.2010 nicht berechtigt gewesen, ohne verfahrensrechtliche (Teil-)Aufhebung dieses Bescheids nach den §§ 44 ff. SGB X Beiträge für diesen Zeitraum nachzufordern. Auch eine Prüfmitteilung nach § 7 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) stelle einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X dar. Auf diesen Zeitraum sei auch mit Schriftsatz vom 25.11.2013 die Klage in zulässiger Weise beschränkt worden. Materielle Bestands- kraft bedeute, dass die in dem Verwaltungsakt getroffene Regelung für die Beteiligten materiell verbindlich sei. Bei der Durchführung einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV handle es sich um die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens nach § 8 SGB X, das durch die Prüfmitteilung im Sinne einer Sachentscheidung beendet werde. Dies gelte auch für die Mitteilung, dass die Betriebsprüfung keine Feststellungen bzw. Beanstandungen ergeben habe. Es sei nach ver- waltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht nachvollziehbar, weshalb die Feststellung einer Beitragspflicht einen Verwaltungsakt darstellen solle und das Gegenteil, dass keine Beanstandungen festgestellt wurden, nicht. Für einen Eingriff in die danach bestandskräftig geprüften Zeiträume wäre zumindest notwendig, dass dem Arbeitgeber im Bescheidtenor klar vor Augen geführt werde, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt einer späteren Nachprüfung stehe. Das Urteil wurde den Beteiligten am 20.02.2014 zugestellt. Am 20.03.2014 haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die Klägerin hat sich zur Begründung auf ihre erstinstanzlich vorgetragenen Argumente berufen. Die Beklagte wendet sich gegen die Feststellungen des Sozialgerichts zur entgegen- stehenden Bestandskraft der Prüfmitteilung vom 05.07.2010. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Rentenversicherungs- träger auch in kleineren Betrieben nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aller Versicherten verpflichtet seien und dass Betriebsprüfungen keine über eine Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung zukomme. Sie bezweckten insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm „Entlastung“ zu erteilen. Auch den Prüfberichten komme keine andere Bedeutung zu. Die Arbeitgeber seien durch die kurzen Verjährungsfristen ausreichend geschützt. Ein allgemeiner Prüfabschlussbescheid existiere nicht und könnte allenfalls durch Gesetzes- initiativen auf den Weg gebracht werden. In der mündlichen Verhandlung am 08.06.2016 erklärte die Klägerin, sie habe versucht sich zu erkundigen wie die Tarifverträge gestaltet seien und was sie den Köchen bezahlen müsse. Es sei für sie aber sehr schwierig gewesen und sie habe nicht alles klären können. Daher sei sie bereit, die Beiträge nachzubezahlen, weil sie unter Tarif bezahlt habe, nicht aber hierauf beruhende Zinsen und Säumniszuschläge. Auch habe sie die Köche nur bezahlt, wenn sie gearbeitet hätten. Die Köche hätten aber nicht immer gearbeitet. Sie hätten andere chinesische Köche in Deutschland kennen gelernt und diese besucht. Außerdem hätten sie auch Deutschland kennen lernen wollen und Verwandte in Deutschland besucht. Weil die Köche schon vorher ihren Urlaub für Heimatbesuche genommen hätten, sei es unbezahlter Urlaub gewesen. Heimaturlaub sei anlässlich von Geburten, wegen einer Hochzeit oder wegen des Geburtstags des Großvaters genommen worden, normalerweise etwa drei Wochen und hauptsächlich im Juni oder im November, wenn weniger Betrieb gewesen sei. Der gesetzliche Urlaub sei so gegeben worden, wie es im Vertrag gestanden habe, 23 oder 24 Tage. Im Juni 2008 sei das Restaurant wegen Renovierungsarbeiten geschlossen gewesen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22.01.2014 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2013 abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der ebenfalls beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft A-Stadt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und auch fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie ist wohl auch begründet. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Gegenstand der Klage sind nach der zulässigen Beschränkung des Klageantrags noch die die Beigeladenen zu 1) und 2) betreffenden Beitragsforderungen vom 01.10.2006 bis zum 31.12.2009 für Zeiten, in denen die Beigeladenen zu 1) und 2) nach Angaben der Klägerin nicht gearbeitet und unbezahlten Urlaub genommen hätten. Außerdem wendet sie sich gegen die Erhebung von Säumniszuschlägen, soweit nachträglich der angepasste Tariflohn zugrunde gelegt wurde. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Nachforderung von Beiträgen für andere Arbeitnehmer, deren Erhebung darauf beruht, dass das Entgelt nicht an die jeweiligen Tariflöhne angepasst wurde.

Der Bescheid vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2013 ist, soweit er noch Gegenstand der Klage ist, rechtmäßig ergangen und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.

Der Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig ergangen. Er ist ausreichend bestimmt und ihm steht nicht die Bestandskraft der Prüfmitteilung vom 05.07.2010 entgegen. Die Beklagte hat darin rechtmäßig festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) durchgehend und der Beigeladene zu 2) vom 01.05.2007 bis zum 31.12.2009 gegen Entgelt bei der Klägerin beschäftigt waren und damit im festgestellten Umfang der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung unterlegen haben. Die geforderten Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge werden von der Klägerin rechtmäßig gefordert.

Nach § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung - hier die Beklagte - bei den Arbeitgebern u. a. ob diese ihren Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere prüfen sie die Richtigkeit der Beitragszahlungen. In diesem Zusammenhang erlassen sie gemäß § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV Verwaltungsakte zur Beitragshöhe in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Die Prüfungs- und Feststellungskompetenz der Beklagten bezieht sich auf alle anlässlich der Prüfung aufgetretenen Sachverhalte, ggf. unter Beachtung der Regelungen der §§ 45 ff. SGB X sowie unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften. Dies gilt auch für die Abgrenzung der Prüfungskompetenzen der Rentenversicherungsträger zur umfassenden Prüfungskompetenz der Einzugsstellen gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV.

Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Das Erfordernis der Bestimmtheit bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auch auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden (BSG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 89/12 R).

Gemessen an diesen Maßstäben ist der angefochtene Bescheid inhaltlich hinreichend bestimmt. Die Klägerin als Adressatin konnte hieraus klar erkennen, dass von ihr aufgrund der für den Prüfzeitraum vom 01.10.2006 bis 31.03.2011 durchgeführten Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 8.298,78 EUR nachgefordert werden. Auf welche Arbeitnehmer und Monate sich die Nachforderung bezieht, ergibt sich für die einzelnen Monate klar und eindeutig aus den beigefügten Berechnungsblättern. Dass der Prüfzeitraum in der Betreffzeile nicht explizit genannt wird, ist unerheblich. Der Bezeichnung des Prüfzeitraums kommt weder im Verfahren noch im Bescheid eine rechtliche Relevanz zu. Die Bezugnahme auf die durchgeführte Betriebsprüfung und den geprüften Zeitraum ist kein Teil des Verfügungssatzes und enthält keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts.

Der Bescheid enthält auch die gemäß § 35 SGB X erforderliche Begründung. Die Beklagte hat in ihrer Entscheidung die für sie wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angegeben. Ob diese geeignet sind, die Entscheidung auch inhaltlich zu tragen, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, nicht seiner formellen.

Eine aus der Bestandskraft der Prüfmitteilung der Beklagten vom 05.07.2010 abgeleitete Bindungswirkung, die einer Erhebung der streitigen Beiträge entgegenstehen würde, besteht nicht. Die frühere „beanstandungsfrei“ verlaufene Betriebsprüfung, die mit der Prüfmitteilung vom 05.07.2010 endete, vermittelt der Klägerin keinen „Bestandsschutz“ gegenüber einer neuerlichen Beitragsforderung, die der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide entgegenstehen könnte (ständige Rspr. des BSG, zuletzt im Urteil vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R). Betriebsprüfungen entfalten keine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung. Betriebsprüfungsbescheide, mit denen Beiträge nachgefordert werden, entfalten lediglich insoweit Bindungswirkung, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Letztlich haben Betriebsprüfungen insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV) unternehmen können (BSG, Urteil vom 28.05.2015 - B 12 R 16/13 R). Für die vom Sozialgericht geforderte materielle Bindungswirkung besteht keine Rechtsgrundlage. Das Sozialversicherungsrecht enthält gerade keine Vorschrift, die mit der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung für Steuerbescheide, die aufgrund einer (steuerlichen) Außenprüfung ergangen sind, vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R).

Dass auch bei „kleineren“ Betrieben eine Betriebsprüfung auf Stichproben beschränkt bleiben kann, entspricht einer jahrzehntelangen Praxis, die sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung unbeanstandet gelassen haben. Dass die gesamte Praxis der Meldungen und Beitragszahlung eines Arbeitgebers in Bezug auf sämtliche Betriebsangehörigen unter allen denkbaren Aspekten behördlicherseits für „in Ordnung“ befunden wurde, ist schon angesichts der Vielzahl der regelmäßig vorzunehmenden Prüfungen nicht möglich. Im Übrigen haben Betriebsprüfungen - ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger - nicht den Zweck, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa mit Außenwirkung „Entlastung“ zu erteilen (grundlegend hierzu BSG, Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R -, juris).

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig ergangen. Der Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum durchgehend gegen Entgelt bei der Klägerin beschäftigt, der Beigeladene zu 2) vom 01.05.2007 bis zum 31.12.2009. Die Feststellung der Sozialversicherungspflicht in der der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, die von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt wird, beruht auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und § 1 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Anhaltspunkte für einen Monat übersteigende Unterbrechungen (vergleiche § 7 Abs. 3 SGB IV) bestehen auch für den Beigeladenen zu 2) nicht. Das bedeutet, dass die Beschäftigungsverhältnisse jeweils durchgehend bestanden haben.

Die Beklagte hat der Berechnung der Beiträge zutreffend ein durchgehend zu zahlendes Entgelt in Höhe des jeweils vereinbarten gültigen Bayerischen HOGA Tarifs zugrunde gelegt. Dies war bezogen auf das der Beitragspflicht zugrunde gelegte Bruttoentgelt ein Betrag von 1.849 EUR ab dem 01.10.2006, von 1.890 EUR monatlich ab dem 01.06.2007, von 1.947 EUR ab dem 01.05.2008 und von 1.996 EUR ab dem 01.09.2009. Die Anwendbarkeit des Tarifvertrags ergibt sich aus der einzelvertraglichen Bezugnahme in den jeweiligen Arbeitsverträgen. Gegen diese Feststellung wendet sich die Klägerin nicht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt dies aber auch für diejenigen Zeiten, in denen die Beigeladenen zu 1) und 2) tatsächlich kein Entgelt erhalten haben, weil sie nach Angabe der Klägerin unbezahlten Urlaub genommen hätten. Nach § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist der Fall, sobald eine versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt tatsächlich ausgeübt wird. Die Höhe des Beitragsanspruchs richtet sich dabei nicht nur danach, welche Einnahmen ein Beschäftigter tatsächlich erhält, sondern darüber hinaus auch nach den Einnahmen, die er zwar nicht erhielt, die aber arbeitsvertraglich bzw. nach einem für allgemeinverbindlich erklärten bzw. arbeitsvertraglich einbezogenen Tarifvertrag für den jeweiligen Tag zustehen und damit vom Arbeitgeber geschuldet werden (BSG, Urteil vom 21.05.1996, 12 RK 64/96; sog. Entstehungsprinzip).

Die Verpflichtung zur durchgehenden Entlohnung der Beigeladenen zu 1) und 2) ergibt sich zwar nicht zwingend aus den Anforderungen für die Erteilung der Arbeitserlaubnis oder die Bezugnahme auf den Tarifvertrag. Die Frage, ob die Beigeladenen zu 1) und 2) dadurch ihre Arbeitserlaubnis verlieren würden, ist von der Frage des geschuldeten Entgelts zu trennen. Die Vereinbarung eines unbezahlten Urlaubs ist auch weder nach dem Arbeitsvertrag noch dem Tarifvertrag ausgeschlossen. Die Klägerin hat aber nicht ausreichend dargelegt, dass eine solche Vereinbarung geschlossen wurde.

Ob die Beigeladenen zu 1) und 2) auch während der Tage, an denen sie nach Angaben der Klägerin unbezahlten Urlaub zur Erledigung privater Angelegenheiten hatten, Anspruch auf Bezahlung von Arbeitsentgelt hatten, hängt davon ab, welche Verabredungen getroffen wurden. Dabei ist die grundsätzlich zulässige einvernehmliche Vereinbarung, wonach die beiderseitigen Pflichten für die vereinbarte Zeit ruhen sollten, von einem einseitigen Annahmeverzug der Klägerin abzugrenzen, der die Vergütungsansprüche nicht entfallen lassen würde (§ 615 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Danach kann der zur Dienstleistung Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Dabei ist im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen, dass es Aufgabe des Arbeitgebers ist, dem Arbeitnehmer kalendermäßig bestimmt für jeden Tag mit Arbeitsverpflichtung einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Selbst bei einer unverschuldeten Betriebsstörung, bei der die Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann, trägt der Arbeitgeber daher das Arbeitsentgeltrisiko (Staudinger/Richardi/Fischinger, BGB, 2016, § 615, Rn. 98). Anders als bei anderen Austauschverträgen schließen sich insoweit Annahmeverzug und Unmöglichkeit beim Dienstvertrag nicht aus. Der Arbeitgeber wäre nur dann von dieser Verpflichtung befreit, wenn der Arbeitnehmer als Dienstverpflichteter außerstande ist, die Leistung zu bewirken, also bei dessen mangelnder Leistungsfähigkeit und -willigkeit (§ 297 BGB).

Grundsätzlich haben also arbeitsbereite, noch nicht (oder nicht mehr) urlaubsberechtigte Arbeitnehmer auch während der Betriebsferien Anspruch auf Lohnzahlung. Davon abweichende Vereinbarungen sind nur dann zulässig, wenn die Parteien zuvor die beiderseitige Interessenlage gehörig abgewogen haben. Zu der erforderlichen Interessenabwägung gehört, dass die Vereinbarungen über unbezahlten Urlaub während der Betriebsferien zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses klar und deutlich besprochen und ausgehandelt werden. Problematisch ist daher auch ihre Regelung in einer vom Arbeitgeber entworfenen Mustervereinbarung (Bundesarbeitsgericht - BAG, Urteil vom 30.06.1976 - 5 AZR 246/75). Das Auftrags- und Beschäftigungsrisiko des Arbeitgebers darf nicht allein dem Arbeitnehmer überbürdet werden (BAG, Urteil vom 13.08.1980 - 5 AZR 296/78).

Hinsichtlich des Vorliegens einer Vereinbarung über die Gewährung unbezahlten Urlaubs trägt letztlich, nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten, die Klägerin die objektive Beweislast. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung konnte der erforderliche Nachweis, dass unbezahlter Urlaub vereinbart wurde, nicht geführt werden.

Schriftliche Vereinbarungen über die Gewährung von unbezahltem Urlaub zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) und 2), die der Senat überprüfen könnte, liegen nicht vor. Die von der Klägerin vorgelegten nachträglich abgegebenen Erklärungen der Beigeladenen zu 1) und 2) genügen nicht den oben dargelegten Anforderungen an die Vereinbarung eines unbezahlten Urlaubs, da aus ihnen die erforderliche Freiwilligkeit und das Bewusstsein, eine beidseitige Vereinbarung zu schließen, nicht hervorgehen. Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind unbekannten Aufenthalts. Die Befragung zu den Umständen der Vereinbarung ergab wenig glaubhafte und nachvollziehbare Angaben. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass diese ausschließlich zum Arbeiten (und Geld verdienen) nach Deutschland gekommen sind. Ihre Arbeitserlaubnis war von einer durchgehenden Beschäftigung abhängig. Erfahrungsgemäß sind ausländische Arbeitnehmer, die aus Ländern mit einem niedrigeren Lohnniveau kommen, in dieser Situation bestrebt, möglichst viel Geld zu verdienen und nicht, möglichst viel Urlaub zu machen. Soweit die Beigeladenen zu 1) und 2) auch ihre Familien in China besucht haben, hatten sie wie jeder andere Arbeitnehmer ausreichend bezahlten Urlaub (auch nach Angaben der Klägerin 23 Tage), der ihnen dies ermöglicht hätte. Der Vortrag, dass die Köche die Klägerin praktisch gedrängt hätten, ihnen noch mehr Urlaub zu geben, um auch in Deutschland Urlaube zu machen und andere Köche oder Verwandte zu besuchen, erscheint auch nach dem Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnen hat, nicht glaubhaft. Andere Ermittlungsmöglichkeiten standen nicht zur Verfügung.

Auch im sozialgerichtlichen Verfahren kann eine Beweislastentscheidung getroffen werden, wenn die Ermittlungsmöglichkeiten erschöpft sind (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl.2014, §103, Rn. 8 und Rn. 19, jeweils m. w. N.). Grundsätzlich muss sich das Gericht die volle Überzeugung von den beweiserheblichen Tatsachen verschaffen (Leitherer, a. a. O., Rn. 6a). Der Untersuchungsgrundsatz hat zur Folge, dass die Beteiligten grundsätzlich keine Beweisführungslast haben, sofern das Gesetz nicht Abweichendes regelt. Eine Entscheidung nach der objektiven Beweislast kann nur dann getroffen werden, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht aufklären kann (vgl. BSG, Urteil vom 22.04.2015 - B 3 P 8/13 R, Rn. 36; Keller, a. a. O., § 118, Rn. 6). Das war vorliegend der Fall.

Rechtmäßig ergangen ist auch die Entscheidung über die Erhebung von Säumniszuschlägen. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Für die Frage, ob bei einer für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht bestand, ist es nicht ausreichend, dass der Beitragsschuldner von der Beitragspflicht keine Kenntnis hatte; die Unkenntnis muss unverschuldet sein. Das war vorliegend nicht der Fall (zur Frage, ob verschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV erst bei zumindest bedingtem Vorsatz oder schon bei Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch vorliegt: Bayer. LSG, Urteil vom 29.06.2015 - L 16 R 780/13 -, mit Nachweisen zum Meinungsstreit). Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ihre Beitragspflicht nicht vorsätzlich verletzt hat. Vorsätzlich in diesem Sinne handelt nämlich bereits, wer seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Der Klägerin war bekannt, dass sie den jeweils gültigen Tariflohn zu bezahlen hat. Dass sie keine Möglichkeit hatte, diesen jeweils zeitnah in Erfahrung zu bringen, ist ebenso wenig glaubhaft wie es die geschilderten Umstände hinsichtlich des unbezahlten Urlaubs sind. Die Klägerin war in der Lage, beim Abschluss neuer Arbeitsverträge, den zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifvertrag in Erfahrung zu bringen und zur Vertragsgrundlage zu machen. Daher wusste sie auch, dass dieser regelmäßig angepasst wurde. Weder die Tatsache, dass sie nach eigenen Angaben die Formalitäten einem Dritten (einem Herrn N.) überlassen hat, noch die beanstandungsfrei verlaufene Vorprüfung im Jahr 2010 waren geeignet, sie von dieser Verpflichtung und damit der Verantwortung zur Entrichtung der Beiträge zu entbinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. Juni 2016 - L 16 R 265/14 zitiert 28 §§.

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 28p Prüfung bei den Arbeitgebern


(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüf

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 33 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 35 Begründung des Verwaltungsaktes


(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behör

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 28h Einzugsstellen


(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht recht

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 24 Säumniszuschlag


(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgeru

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 297 Unvermögen des Schuldners


Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 22 Entstehen der Beitragsansprüche, Zusammentreffen mehrerer Versicherungsverhältnisse


(1) Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt sowie bei Arbeitsentgelt, das aus dem aus Arbeitszeitguthaben

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 8 Begriff des Verwaltungsverfahrens


Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlic

Beschäftigungsverordnung - BeschV 2013 | § 26 Beschäftigung bestimmter Staatsangehöriger


(1) Für Staatsangehörige von Andorra, Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Monaco, Neuseeland, San Marino, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 6 des Freizügigkeitsgesetzes/E

Beitragsverfahrensverordnung - BeitrVV | § 7 Grundsätze


(1) Die Prüfung nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung durch die Versicherungsträger. Die Ankündigung soll möglichst einen Monat, sie muss jedoch spätestens 14 Tage vor der Prüfung erfolgen. M

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. Juni 2016 - L 16 R 265/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Gründe Rechtskräftig: unbekannt Spruchkörper: Senat Hauptschlagwort: Beschäftigung Betriebsprüfung Säumniszuschläge Titel: Normenkette: Leitsatz: in dem Rechtsstreit A., A-Straße, A-Stadt - Kläger u

Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2015 - B 12 R 7/14 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2015

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. April 2014 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 28. Mai 2015 - B 12 R 16/13 R

bei uns veröffentlicht am 28.05.2015

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 22. Apr. 2015 - B 3 P 8/13 R

bei uns veröffentlicht am 22.04.2015

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. Juni 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit ein Ansp

Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2013 - B 12 AL 2/11 R

bei uns veröffentlicht am 30.10.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 10. Sept. 2013 - B 4 AS 89/12 R

bei uns veröffentlicht am 10.09.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur S

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(1) Für Staatsangehörige von Andorra, Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Monaco, Neuseeland, San Marino, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 6 des Freizügigkeitsgesetzes/EU sowie der Vereinigten Staaten von Amerika kann die Zustimmung mit Vorrangprüfung zur Ausübung jeder Beschäftigung unabhängig vom Sitz des Arbeitgebers erteilt werden.

(2) Für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien können in den Jahren 2021 bis einschließlich 2023 Zustimmungen mit Vorrangprüfung zur Ausübung jeder Beschäftigung erteilt werden. Die erstmalige Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung in einem der in Satz 1 genannten Staaten gestellt wird. Die Anzahl der Zustimmungen in den Fällen des Satzes 2 ist auf bis zu 25 000 je Kalenderjahr begrenzt. Die Zustimmung darf nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. § 9 findet keine Anwendung, es sei denn, dass eine Zustimmung nach § 26 Absatz 2 in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 geltenden Fassung erteilt wurde.

(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.

(1a) Die Prüfung nach Absatz 1 umfasst die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Künstlersozialabgabe durch die Arbeitgeber. Die Prüfung erfolgt

1.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, die als abgabepflichtige Unternehmer nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes bei der Künstlersozialkasse erfasst wurden,
2.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten und
3.
bei mindestens 40 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr zur Prüfung nach Absatz 1 anstehenden Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten.
Hat ein Arbeitgeber mehrere Beschäftigungsbetriebe, wird er insgesamt geprüft. Das Prüfverfahren kann mit der Aufforderung zur Meldung eingeleitet werden. Die Träger der Deutschen Rentenversicherung erlassen die erforderlichen Verwaltungsakte zur Künstlersozialabgabepflicht, zur Höhe der Künstlersozialabgabe und zur Höhe der Vorauszahlungen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz einschließlich der Widerspruchsbescheide. Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Künstlersozialkasse über Sachverhalte, welche die Melde- und Abgabepflichten der Arbeitgeber nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz betreffen. Für die Prüfung der Arbeitgeber durch die Künstlersozialkasse gilt § 35 des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

(1b) Die Träger der Rentenversicherung legen im Benehmen mit der Künstlersozialkasse die Kriterien zur Auswahl der nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfenden Arbeitgeber fest. Die Auswahl dient dem Ziel, alle abgabepflichtigen Arbeitgeber zu erfassen. Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfen sind, werden durch die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe beraten. Dazu erhalten sie mit der Prüfankündigung Hinweise zur Künstlersozialabgabe. Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 lässt sich der zuständige Träger der Rentenversicherung durch den Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bestätigen, dass der Arbeitgeber über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurde und abgabepflichtige Sachverhalte melden wird. Bestätigt der Arbeitgeber dies nicht, wird die Prüfung nach Absatz 1a Satz 1 unverzüglich durchgeführt. Erlangt ein Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung nach Absatz 1 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 geprüft werden, Hinweise auf einen künstlersozialabgabepflichtigen Sachverhalt, muss er diesen nachgehen.

(1c) Die Träger der Rentenversicherung teilen den Trägern der Unfallversicherung die Feststellungen aus der Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 166 Absatz 2 des Siebten Buches mit. Die Träger der Unfallversicherung erlassen die erforderlichen Bescheide.

(2) Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.

(3) Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem die Träger der Rentenversicherung ihre elektronischen Akten führen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 1, 1a und 1c stehen. Die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten dürfen nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern durch die jeweils zuständigen Träger der Rentenversicherung verarbeitet werden.

(5) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen.

(6) Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz dieser Stellen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(6a) Für die Prüfung nach Absatz 1 sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger die notwendigen Daten elektronisch aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln; für Daten aus der Finanzbuchhaltung kann dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestimmt in Grundsätzen bundeseinheitlich das Nähere zum Verfahren der Datenübermittlung und der dafür erforderlichen Datensätze und Datenbausteine. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das vorher die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anzuhören hat.

(7) Die Träger der Rentenversicherung haben eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen zu führen und bis zum 31. März eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr den Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das Nähere über Inhalt und Form der Übersicht bestimmen einvernehmlich die Aufsichtsbehörden der Träger der Rentenversicherung mit Wirkung für diese.

(8) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem der Name, die Anschrift, die Betriebsnummer, der für den Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger und weitere Identifikationsmerkmale eines jeden Arbeitgebers sowie die für die Planung der Prüfungen bei den Arbeitgebern und die für die Übersichten nach Absatz 7 erforderlichen Daten gespeichert sind; die Deutsche Rentenversicherung Bund darf die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern und zur Ermittlung der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtigen Unternehmer verarbeiten. In das Dateisystem ist eine Kennzeichnung aufzunehmen, wenn nach § 166 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches die Prüfung der Arbeitgeber für die Unfallversicherung nicht von den Trägern der Rentenversicherung durchzuführen ist; die Träger der Unfallversicherung haben die erforderlichen Angaben zu übermitteln. Die Datenstelle der Rentenversicherung führt für die Prüfung bei den Arbeitgebern ein Dateisystem, in dem neben der Betriebsnummer eines jeden Arbeitgebers, die Betriebsnummer des für den Arbeitgeber zuständigen Unfallversicherungsträgers, die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches des Arbeitgebers, das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Entgelt der bei ihm Beschäftigten in Euro, die anzuwendenden Gefahrtarifstellen der bei ihm Beschäftigten, die Versicherungsnummern der bei ihm Beschäftigten einschließlich des Beginns und des Endes von deren Beschäftigung, die Bezeichnung der für jeden Beschäftigten zuständigen Einzugsstelle sowie eine Kennzeichnung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung gespeichert sind. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches sowie die Daten des Dateisystems nach § 150 Absatz 3 des Sechsten Buches und der Stammdatendatei nach § 101 für die Prüfung bei den Arbeitgebern speichern, verändern, nutzen, übermitteln oder in der Verarbeitung einschränken; dies gilt für die Daten der Stammsatzdatei auch für Prüfungen nach § 212a des Sechsten Buches. Sie ist verpflichtet, auf Anforderung des prüfenden Trägers der Rentenversicherung

1.
die in den Dateisystemen nach den Sätzen 1 und 3 gespeicherten Daten,
2.
die in den Versicherungskonten der Träger der Rentenversicherung gespeicherten, auf den Prüfungszeitraum entfallenden Daten der bei dem zu prüfenden Arbeitgeber Beschäftigten,
3.
die bei den für den Arbeitgeber zuständigen Einzugsstellen gespeicherten Daten aus den Beitragsnachweisen (§ 28f Absatz 3) für die Zeit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber zuletzt geprüft wurde,
4.
die bei der Künstlersozialkasse über den Arbeitgeber gespeicherten Daten zur Melde- und Abgabepflicht für den Zeitraum seit der letzten Prüfung sowie
5.
die bei den Trägern der Unfallversicherung gespeicherten Daten zur Melde- und Beitragspflicht sowie zur Gefahrtarifstelle für den Zeitraum seit der letzten Prüfung
zu verarbeiten, soweit dies für die Prüfung, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, sowie ihre Pflichten als zur Abgabe Verpflichtete nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und ihre Pflichten nach dem Siebten Buch zur Meldung und Beitragszahlung ordnungsgemäß erfüllen, erforderlich ist. Die dem prüfenden Träger der Rentenversicherung übermittelten Daten sind unverzüglich nach Abschluss der Prüfung bei der Datenstelle und beim prüfenden Träger der Rentenversicherung zu löschen. Die Träger der Rentenversicherung, die Einzugsstellen, die Künstlersozialkasse und die Bundesagentur für Arbeit sind verpflichtet, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Datenstelle die für die Prüfung bei den Arbeitgebern erforderlichen Daten zu übermitteln. Sind für die Prüfung bei den Arbeitgebern Daten zu übermitteln, so dürfen sie auch durch Abruf im automatisierten Verfahren übermittelt werden, ohne dass es einer Genehmigung nach § 79 Absatz 1 des Zehnten Buches bedarf. Soweit es für die Erfüllung der Aufgaben der gemeinsamen Einrichtung als Einzugsstelle nach § 356 des Dritten Buches erforderlich ist, wertet die Datenstelle der Rentenversicherung aus den Daten nach Satz 5 das Identifikationsmerkmal zur wirtschaftlichen Tätigkeit des geprüften Arbeitgebers sowie die Angaben über die Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigten des geprüften Arbeitgebers aus und übermittelt das Ergebnis der gemeinsamen Einrichtung. Die übermittelten Daten dürfen von der gemeinsamen Einrichtung auch zum Zweck der Erfüllung der Aufgaben nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes genutzt werden. Die Kosten der Auswertung und der Übermittlung der Daten nach Satz 9 hat die gemeinsame Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu erstatten. Die gemeinsame Einrichtung berichtet dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 1. Januar 2025 über die Wirksamkeit des Verfahrens nach Satz 9.

(9) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers, der Beschäftigten und der in Absatz 6 genannten Stellen bei Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden,
2.
die Durchführung der Prüfung sowie die Behebung von Mängeln, die bei der Prüfung festgestellt worden sind, und
3.
den Inhalt des Dateisystems nach Absatz 8 Satz 1 hinsichtlich der für die Planung der Prüfungen bei Arbeitgebern und der für die Prüfung bei Einzugsstellen erforderlichen Daten, über den Aufbau und die Aktualisierung dieses Dateisystems sowie über den Umfang der Daten aus diesem Dateisystem, die von den Einzugsstellen und der Bundesagentur für Arbeit nach § 28q Absatz 5 abgerufen werden können.

(10) Arbeitgeber werden wegen der Beschäftigten in privaten Haushalten nicht geprüft.

(11) Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß.

(1) Die Prüfung nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung durch die Versicherungsträger. Die Ankündigung soll möglichst einen Monat, sie muss jedoch spätestens 14 Tage vor der Prüfung erfolgen. Mit Zustimmung des Arbeitgebers kann von Satz 2 abgewichen werden. In den Fällen des § 98 Abs. 1 Satz 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch kann die Prüfung ohne Ankündigung durchgeführt werden. Der Prüfer oder die Prüferin des Versicherungsträgers hat sich auszuweisen.

(2) Für die Prüfung dürfen auf Kosten des Versicherungsträgers schriftliche Unterlagen des Arbeitgebers vervielfältigt und elektronische Unterlagen gespeichert werden, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Der Arbeitgeber oder der Auftragnehmer nach § 28p Abs. 6 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch hat einen zur Durchführung der Prüfung geeigneten Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen; Kosten oder Verdienstausfall, die durch die Prüfung entstehen, werden nicht erstattet.

(3) (weggefallen)

(4) Das Ergebnis der Prüfung ist dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung mitzuteilen; auf Wunsch des Arbeitgebers kann dies durch Datenübertragung erfolgen. Der Arbeitgeber soll durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den beanstandeten Sachverhalten erhalten, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden. Die Mitteilung ist vom Arbeitgeber bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren. In den Fällen des § 28p Abs. 1a Satz 6 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind der Künstlersozialkasse die Prüfberichte und Prüfbescheide zu übersenden. Für das Ergebnis der Prüfung nach § 166 Abs. 2 des Siebten Buches gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend. Die Feststellungen zu den Arbeitsentgelten, die bei der Berechnung der Beiträge nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch zu berücksichtigen sind, und deren Zuordnung zu den Gefahrtarifstellen sind den zuständigen Unfallversicherungsträgern zu übersenden.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.

(1a) Die Prüfung nach Absatz 1 umfasst die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Künstlersozialabgabe durch die Arbeitgeber. Die Prüfung erfolgt

1.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, die als abgabepflichtige Unternehmer nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes bei der Künstlersozialkasse erfasst wurden,
2.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten und
3.
bei mindestens 40 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr zur Prüfung nach Absatz 1 anstehenden Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten.
Hat ein Arbeitgeber mehrere Beschäftigungsbetriebe, wird er insgesamt geprüft. Das Prüfverfahren kann mit der Aufforderung zur Meldung eingeleitet werden. Die Träger der Deutschen Rentenversicherung erlassen die erforderlichen Verwaltungsakte zur Künstlersozialabgabepflicht, zur Höhe der Künstlersozialabgabe und zur Höhe der Vorauszahlungen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz einschließlich der Widerspruchsbescheide. Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Künstlersozialkasse über Sachverhalte, welche die Melde- und Abgabepflichten der Arbeitgeber nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz betreffen. Für die Prüfung der Arbeitgeber durch die Künstlersozialkasse gilt § 35 des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

(1b) Die Träger der Rentenversicherung legen im Benehmen mit der Künstlersozialkasse die Kriterien zur Auswahl der nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfenden Arbeitgeber fest. Die Auswahl dient dem Ziel, alle abgabepflichtigen Arbeitgeber zu erfassen. Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfen sind, werden durch die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe beraten. Dazu erhalten sie mit der Prüfankündigung Hinweise zur Künstlersozialabgabe. Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 lässt sich der zuständige Träger der Rentenversicherung durch den Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bestätigen, dass der Arbeitgeber über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurde und abgabepflichtige Sachverhalte melden wird. Bestätigt der Arbeitgeber dies nicht, wird die Prüfung nach Absatz 1a Satz 1 unverzüglich durchgeführt. Erlangt ein Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung nach Absatz 1 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 geprüft werden, Hinweise auf einen künstlersozialabgabepflichtigen Sachverhalt, muss er diesen nachgehen.

(1c) Die Träger der Rentenversicherung teilen den Trägern der Unfallversicherung die Feststellungen aus der Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 166 Absatz 2 des Siebten Buches mit. Die Träger der Unfallversicherung erlassen die erforderlichen Bescheide.

(2) Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.

(3) Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem die Träger der Rentenversicherung ihre elektronischen Akten führen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 1, 1a und 1c stehen. Die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten dürfen nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern durch die jeweils zuständigen Träger der Rentenversicherung verarbeitet werden.

(5) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen.

(6) Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz dieser Stellen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(6a) Für die Prüfung nach Absatz 1 sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger die notwendigen Daten elektronisch aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln; für Daten aus der Finanzbuchhaltung kann dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestimmt in Grundsätzen bundeseinheitlich das Nähere zum Verfahren der Datenübermittlung und der dafür erforderlichen Datensätze und Datenbausteine. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das vorher die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anzuhören hat.

(7) Die Träger der Rentenversicherung haben eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen zu führen und bis zum 31. März eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr den Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das Nähere über Inhalt und Form der Übersicht bestimmen einvernehmlich die Aufsichtsbehörden der Träger der Rentenversicherung mit Wirkung für diese.

(8) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem der Name, die Anschrift, die Betriebsnummer, der für den Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger und weitere Identifikationsmerkmale eines jeden Arbeitgebers sowie die für die Planung der Prüfungen bei den Arbeitgebern und die für die Übersichten nach Absatz 7 erforderlichen Daten gespeichert sind; die Deutsche Rentenversicherung Bund darf die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern und zur Ermittlung der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtigen Unternehmer verarbeiten. In das Dateisystem ist eine Kennzeichnung aufzunehmen, wenn nach § 166 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches die Prüfung der Arbeitgeber für die Unfallversicherung nicht von den Trägern der Rentenversicherung durchzuführen ist; die Träger der Unfallversicherung haben die erforderlichen Angaben zu übermitteln. Die Datenstelle der Rentenversicherung führt für die Prüfung bei den Arbeitgebern ein Dateisystem, in dem neben der Betriebsnummer eines jeden Arbeitgebers, die Betriebsnummer des für den Arbeitgeber zuständigen Unfallversicherungsträgers, die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches des Arbeitgebers, das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Entgelt der bei ihm Beschäftigten in Euro, die anzuwendenden Gefahrtarifstellen der bei ihm Beschäftigten, die Versicherungsnummern der bei ihm Beschäftigten einschließlich des Beginns und des Endes von deren Beschäftigung, die Bezeichnung der für jeden Beschäftigten zuständigen Einzugsstelle sowie eine Kennzeichnung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung gespeichert sind. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches sowie die Daten des Dateisystems nach § 150 Absatz 3 des Sechsten Buches und der Stammdatendatei nach § 101 für die Prüfung bei den Arbeitgebern speichern, verändern, nutzen, übermitteln oder in der Verarbeitung einschränken; dies gilt für die Daten der Stammsatzdatei auch für Prüfungen nach § 212a des Sechsten Buches. Sie ist verpflichtet, auf Anforderung des prüfenden Trägers der Rentenversicherung

1.
die in den Dateisystemen nach den Sätzen 1 und 3 gespeicherten Daten,
2.
die in den Versicherungskonten der Träger der Rentenversicherung gespeicherten, auf den Prüfungszeitraum entfallenden Daten der bei dem zu prüfenden Arbeitgeber Beschäftigten,
3.
die bei den für den Arbeitgeber zuständigen Einzugsstellen gespeicherten Daten aus den Beitragsnachweisen (§ 28f Absatz 3) für die Zeit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber zuletzt geprüft wurde,
4.
die bei der Künstlersozialkasse über den Arbeitgeber gespeicherten Daten zur Melde- und Abgabepflicht für den Zeitraum seit der letzten Prüfung sowie
5.
die bei den Trägern der Unfallversicherung gespeicherten Daten zur Melde- und Beitragspflicht sowie zur Gefahrtarifstelle für den Zeitraum seit der letzten Prüfung
zu verarbeiten, soweit dies für die Prüfung, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, sowie ihre Pflichten als zur Abgabe Verpflichtete nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und ihre Pflichten nach dem Siebten Buch zur Meldung und Beitragszahlung ordnungsgemäß erfüllen, erforderlich ist. Die dem prüfenden Träger der Rentenversicherung übermittelten Daten sind unverzüglich nach Abschluss der Prüfung bei der Datenstelle und beim prüfenden Träger der Rentenversicherung zu löschen. Die Träger der Rentenversicherung, die Einzugsstellen, die Künstlersozialkasse und die Bundesagentur für Arbeit sind verpflichtet, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Datenstelle die für die Prüfung bei den Arbeitgebern erforderlichen Daten zu übermitteln. Sind für die Prüfung bei den Arbeitgebern Daten zu übermitteln, so dürfen sie auch durch Abruf im automatisierten Verfahren übermittelt werden, ohne dass es einer Genehmigung nach § 79 Absatz 1 des Zehnten Buches bedarf. Soweit es für die Erfüllung der Aufgaben der gemeinsamen Einrichtung als Einzugsstelle nach § 356 des Dritten Buches erforderlich ist, wertet die Datenstelle der Rentenversicherung aus den Daten nach Satz 5 das Identifikationsmerkmal zur wirtschaftlichen Tätigkeit des geprüften Arbeitgebers sowie die Angaben über die Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigten des geprüften Arbeitgebers aus und übermittelt das Ergebnis der gemeinsamen Einrichtung. Die übermittelten Daten dürfen von der gemeinsamen Einrichtung auch zum Zweck der Erfüllung der Aufgaben nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes genutzt werden. Die Kosten der Auswertung und der Übermittlung der Daten nach Satz 9 hat die gemeinsame Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu erstatten. Die gemeinsame Einrichtung berichtet dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 1. Januar 2025 über die Wirksamkeit des Verfahrens nach Satz 9.

(9) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers, der Beschäftigten und der in Absatz 6 genannten Stellen bei Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden,
2.
die Durchführung der Prüfung sowie die Behebung von Mängeln, die bei der Prüfung festgestellt worden sind, und
3.
den Inhalt des Dateisystems nach Absatz 8 Satz 1 hinsichtlich der für die Planung der Prüfungen bei Arbeitgebern und der für die Prüfung bei Einzugsstellen erforderlichen Daten, über den Aufbau und die Aktualisierung dieses Dateisystems sowie über den Umfang der Daten aus diesem Dateisystem, die von den Einzugsstellen und der Bundesagentur für Arbeit nach § 28q Absatz 5 abgerufen werden können.

(10) Arbeitgeber werden wegen der Beschäftigten in privaten Haushalten nicht geprüft.

(11) Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß.

Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.

(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.

(1a) Die Prüfung nach Absatz 1 umfasst die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Künstlersozialabgabe durch die Arbeitgeber. Die Prüfung erfolgt

1.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, die als abgabepflichtige Unternehmer nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes bei der Künstlersozialkasse erfasst wurden,
2.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten und
3.
bei mindestens 40 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr zur Prüfung nach Absatz 1 anstehenden Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten.
Hat ein Arbeitgeber mehrere Beschäftigungsbetriebe, wird er insgesamt geprüft. Das Prüfverfahren kann mit der Aufforderung zur Meldung eingeleitet werden. Die Träger der Deutschen Rentenversicherung erlassen die erforderlichen Verwaltungsakte zur Künstlersozialabgabepflicht, zur Höhe der Künstlersozialabgabe und zur Höhe der Vorauszahlungen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz einschließlich der Widerspruchsbescheide. Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Künstlersozialkasse über Sachverhalte, welche die Melde- und Abgabepflichten der Arbeitgeber nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz betreffen. Für die Prüfung der Arbeitgeber durch die Künstlersozialkasse gilt § 35 des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

(1b) Die Träger der Rentenversicherung legen im Benehmen mit der Künstlersozialkasse die Kriterien zur Auswahl der nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfenden Arbeitgeber fest. Die Auswahl dient dem Ziel, alle abgabepflichtigen Arbeitgeber zu erfassen. Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfen sind, werden durch die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe beraten. Dazu erhalten sie mit der Prüfankündigung Hinweise zur Künstlersozialabgabe. Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 lässt sich der zuständige Träger der Rentenversicherung durch den Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bestätigen, dass der Arbeitgeber über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurde und abgabepflichtige Sachverhalte melden wird. Bestätigt der Arbeitgeber dies nicht, wird die Prüfung nach Absatz 1a Satz 1 unverzüglich durchgeführt. Erlangt ein Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung nach Absatz 1 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 geprüft werden, Hinweise auf einen künstlersozialabgabepflichtigen Sachverhalt, muss er diesen nachgehen.

(1c) Die Träger der Rentenversicherung teilen den Trägern der Unfallversicherung die Feststellungen aus der Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 166 Absatz 2 des Siebten Buches mit. Die Träger der Unfallversicherung erlassen die erforderlichen Bescheide.

(2) Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.

(3) Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem die Träger der Rentenversicherung ihre elektronischen Akten führen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 1, 1a und 1c stehen. Die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten dürfen nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern durch die jeweils zuständigen Träger der Rentenversicherung verarbeitet werden.

(5) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen.

(6) Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz dieser Stellen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(6a) Für die Prüfung nach Absatz 1 sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger die notwendigen Daten elektronisch aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln; für Daten aus der Finanzbuchhaltung kann dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestimmt in Grundsätzen bundeseinheitlich das Nähere zum Verfahren der Datenübermittlung und der dafür erforderlichen Datensätze und Datenbausteine. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das vorher die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anzuhören hat.

(7) Die Träger der Rentenversicherung haben eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen zu führen und bis zum 31. März eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr den Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das Nähere über Inhalt und Form der Übersicht bestimmen einvernehmlich die Aufsichtsbehörden der Träger der Rentenversicherung mit Wirkung für diese.

(8) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem der Name, die Anschrift, die Betriebsnummer, der für den Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger und weitere Identifikationsmerkmale eines jeden Arbeitgebers sowie die für die Planung der Prüfungen bei den Arbeitgebern und die für die Übersichten nach Absatz 7 erforderlichen Daten gespeichert sind; die Deutsche Rentenversicherung Bund darf die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern und zur Ermittlung der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtigen Unternehmer verarbeiten. In das Dateisystem ist eine Kennzeichnung aufzunehmen, wenn nach § 166 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches die Prüfung der Arbeitgeber für die Unfallversicherung nicht von den Trägern der Rentenversicherung durchzuführen ist; die Träger der Unfallversicherung haben die erforderlichen Angaben zu übermitteln. Die Datenstelle der Rentenversicherung führt für die Prüfung bei den Arbeitgebern ein Dateisystem, in dem neben der Betriebsnummer eines jeden Arbeitgebers, die Betriebsnummer des für den Arbeitgeber zuständigen Unfallversicherungsträgers, die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches des Arbeitgebers, das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Entgelt der bei ihm Beschäftigten in Euro, die anzuwendenden Gefahrtarifstellen der bei ihm Beschäftigten, die Versicherungsnummern der bei ihm Beschäftigten einschließlich des Beginns und des Endes von deren Beschäftigung, die Bezeichnung der für jeden Beschäftigten zuständigen Einzugsstelle sowie eine Kennzeichnung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung gespeichert sind. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches sowie die Daten des Dateisystems nach § 150 Absatz 3 des Sechsten Buches und der Stammdatendatei nach § 101 für die Prüfung bei den Arbeitgebern speichern, verändern, nutzen, übermitteln oder in der Verarbeitung einschränken; dies gilt für die Daten der Stammsatzdatei auch für Prüfungen nach § 212a des Sechsten Buches. Sie ist verpflichtet, auf Anforderung des prüfenden Trägers der Rentenversicherung

1.
die in den Dateisystemen nach den Sätzen 1 und 3 gespeicherten Daten,
2.
die in den Versicherungskonten der Träger der Rentenversicherung gespeicherten, auf den Prüfungszeitraum entfallenden Daten der bei dem zu prüfenden Arbeitgeber Beschäftigten,
3.
die bei den für den Arbeitgeber zuständigen Einzugsstellen gespeicherten Daten aus den Beitragsnachweisen (§ 28f Absatz 3) für die Zeit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber zuletzt geprüft wurde,
4.
die bei der Künstlersozialkasse über den Arbeitgeber gespeicherten Daten zur Melde- und Abgabepflicht für den Zeitraum seit der letzten Prüfung sowie
5.
die bei den Trägern der Unfallversicherung gespeicherten Daten zur Melde- und Beitragspflicht sowie zur Gefahrtarifstelle für den Zeitraum seit der letzten Prüfung
zu verarbeiten, soweit dies für die Prüfung, ob die Arbeitgeber ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, sowie ihre Pflichten als zur Abgabe Verpflichtete nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und ihre Pflichten nach dem Siebten Buch zur Meldung und Beitragszahlung ordnungsgemäß erfüllen, erforderlich ist. Die dem prüfenden Träger der Rentenversicherung übermittelten Daten sind unverzüglich nach Abschluss der Prüfung bei der Datenstelle und beim prüfenden Träger der Rentenversicherung zu löschen. Die Träger der Rentenversicherung, die Einzugsstellen, die Künstlersozialkasse und die Bundesagentur für Arbeit sind verpflichtet, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Datenstelle die für die Prüfung bei den Arbeitgebern erforderlichen Daten zu übermitteln. Sind für die Prüfung bei den Arbeitgebern Daten zu übermitteln, so dürfen sie auch durch Abruf im automatisierten Verfahren übermittelt werden, ohne dass es einer Genehmigung nach § 79 Absatz 1 des Zehnten Buches bedarf. Soweit es für die Erfüllung der Aufgaben der gemeinsamen Einrichtung als Einzugsstelle nach § 356 des Dritten Buches erforderlich ist, wertet die Datenstelle der Rentenversicherung aus den Daten nach Satz 5 das Identifikationsmerkmal zur wirtschaftlichen Tätigkeit des geprüften Arbeitgebers sowie die Angaben über die Tätigkeit nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigten des geprüften Arbeitgebers aus und übermittelt das Ergebnis der gemeinsamen Einrichtung. Die übermittelten Daten dürfen von der gemeinsamen Einrichtung auch zum Zweck der Erfüllung der Aufgaben nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes genutzt werden. Die Kosten der Auswertung und der Übermittlung der Daten nach Satz 9 hat die gemeinsame Einrichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu erstatten. Die gemeinsame Einrichtung berichtet dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 1. Januar 2025 über die Wirksamkeit des Verfahrens nach Satz 9.

(9) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über

1.
den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers, der Beschäftigten und der in Absatz 6 genannten Stellen bei Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden,
2.
die Durchführung der Prüfung sowie die Behebung von Mängeln, die bei der Prüfung festgestellt worden sind, und
3.
den Inhalt des Dateisystems nach Absatz 8 Satz 1 hinsichtlich der für die Planung der Prüfungen bei Arbeitgebern und der für die Prüfung bei Einzugsstellen erforderlichen Daten, über den Aufbau und die Aktualisierung dieses Dateisystems sowie über den Umfang der Daten aus diesem Dateisystem, die von den Einzugsstellen und der Bundesagentur für Arbeit nach § 28q Absatz 5 abgerufen werden können.

(10) Arbeitgeber werden wegen der Beschäftigten in privaten Haushalten nicht geprüft.

(11) Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben hat.

Im Übrigen wird das bezeichnete Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2007.

2

Die 1958 geborene Klägerin lebte seit Oktober 2004 mit Herrn S. (im Folgenden "S") zusammen, den sie in ihrem Erstantrag zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 15.10.2004 als ihren Lebensgefährten bezeichnet hatte. Die Klägerin erzielte Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung, S bis Ende 2005 aus einer Angestelltentätigkeit. Sein Einkommen war jeweils im Folgemonat fällig. Für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte der Beklagte weiterhin Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 26.10.2005). Von dem Gesamtbedarf setzte er ein anrechenbares monatliches Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 51,82 Euro sowie des S in Höhe von 797,82 Euro ab und bewilligte monatliche Leistungen in Höhe von 344,36 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 231,18 Euro).

3

Die Beschäftigung von S endete zum 31.12.2005. Auf sein Konto wurde am 5.12.2005 ein Betrag in Höhe von 1482,59 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 11.2005") sowie am 19.12.2005 ein weiterer Betrag in Höhe von 23 838,11 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 12.2005") gutgeschrieben. Hiervon hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis. Ab Januar 2006 erhielt S für die Dauer von 780 Kalendertagen Alg I in Höhe von monatlich 787,80 Euro. Nach Eingang des Alg-Bescheids bei dem Beklagten im Januar 2006 hörte dieser die Klägerin dazu an, dass S im Januar 2006 zwei Einkommen (Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld) erhalten habe und daher Leistungen zu Unrecht bezogen worden seien (Schreiben vom 31.3.2006). Hierzu erklärte S, er habe im Januar 2006 keine zwei Einkommen erzielt, sein letzter Verdienst sei am 19.12.2005 ausgezahlt worden. Sodann bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung des Alg I für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.3.2006 SGB II-Leistungen in Höhe von 354,58 Euro, der Klägerin davon in Höhe von 236,19 Euro (Änderungsbescheid vom 31.3.2006). Auf den Fortzahlungsantrag vom 7.4.2006 wurden vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 404,95 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 261,48 Euro) unter Berücksichtigung eines anrechenbaren monatlichen Erwerbseinkommens der Klägerin sowie des Alg I von S festgesetzt (Bescheid vom 24./25.4.2006). Wegen der Anhebung der Regelleistungen ab 1.7.2006 erhöhte der Beklagte die monatlichen Leistungen für die Klägerin auf 274,48 Euro (Änderungsbescheid vom 13.5.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 bewilligte er auf der Grundlage eines Fortzahlungsantrags vom 12.9.2006 weiterhin SGB II-Leistungen unter Anrechnung der Einkünfte (Bescheid vom 14.9.2006).

4

Im Juni 2006 gingen bei dem Beklagten die geforderten Kontoauszüge von S für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.1.2006 ein, nach weiterer Anforderung am 26.9.2006 die Gehaltsabrechnung von S für Dezember 2005. Hieraus ergab sich, dass S neben seinem Lohn für Dezember 2005 in Höhe von 1079,86 Euro auch eine Abfindung in Höhe von 33 406,75 Euro brutto (= 22 758,25 Euro netto) erhalten hatte. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 9.1.2007 zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug in Höhe von 4434,09 Euro in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 und einer möglichen Erstattung teilte die Klägerin mit, ihr Lebensgefährte habe seine Unterlagen, auch die Papiere über die Abfindung, persönlich vorgelegt. Die bewilligten Leistungen seien verbraucht.

5

Der Beklagte hob die Entscheidung über die Bewilligung von SGB II-Leistungen gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X ab dem 1.12.2005 ganz auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Erstattung an. Wegen der Einkommensverhältnisse des Lebensgefährten sei die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen, weil im Dezember 2005 das Einkommen von November/Dezember 2005 angerechnet und ab Januar 2006 die Abfindung, aufgeteilt auf 15 Monate in Höhe von monatlich 1517,22 Euro, als Einkommen berücksichtigt werde (Bescheid vom 31.1.2007). Den Widerspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Klägerin erst im Juni 2006 durch Vorlage der Kontoauszüge den Erhalt einer Abfindung und das zusätzliche Erwerbseinkommen des Partners im Dezember 2005 angezeigt habe. Wegen dieses Einkommens sei die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 aufzuheben. Es seien Leistungen in Höhe von 4434,09 Euro zu erstatten (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).

6

Das SG hat den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehoben (Urteil vom 8.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme vorlägen, weil der Aufhebungs- und Rückerstattungsbescheid sowohl hinsichtlich des Adressaten als auch inhaltlich zu unbestimmt sei und eine geltungserhaltende Reduktion ausscheide.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Beklagte die von ihm eingelegte Berufung teilweise zurückgenommen, soweit die Erstattungsforderung einen Betrag in Höhe von 2808,27 Euro (Leistungsanteil für S) überschreite und dessen Leistungsanteil geltend gemacht werde. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie sich nicht durch Berufungsrücknahme des Beklagten erledigt hat (Urteil vom 19.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 sei § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB X, weil durch die zusätzliche Lohnzahlung für den laufenden Monat und die Abfindungszahlung im Dezember 2005 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Die Klägerin und S bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Dessen Einkommen sei daher auch bei dem Leistungsanspruch der Klägerin zu berücksichtigen; dies führe zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit ab 1.12.2005. Das sich aus den Lohnzahlungen für November und Dezember ergebende Einkommen von S übersteige den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft. Ab Januar 2006 sei neben dem Alg I die im Dezember zugeflossene Abfindungszahlung mit einem monatlichen Teilbetrag anzurechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Festlegung des Verteilzeitraums auf 15 Monate begegne keinen Bedenken. Der "Aggregatzustand" der nach Antragstellung zugeflossenen Abfindung habe sich nicht dadurch verändert, dass im Zuflussmonat auch ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Allein die vorgezogene Auszahlung des Dezemberlohns begründe keine derart geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen rechtfertigen könne. Eine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen liege nicht vor. Die Klägerin sei ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen mindestens grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Angabe, bereits im Januar 2006 sei eine Mitteilung über die Abfindungszahlung erfolgt, sei nicht nachvollziehbar. Mit der Einreichung von Kontoauszügen des Partners im April 2006 sei durch eine Manipulation der Kontostände offensichtlich versucht worden, den Erhalt der Abfindung zu verschleiern. Erstmals aus den am 1.6.2006 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszügen sei die Zahlung der Nettoabfindung in Höhe von 23 838,11 Euro ersichtlich gewesen. Der Vortrag der Klägerin, über die genauen Einnahmen ihres Partners keine Kenntnis gehabt zu haben, widerspreche ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zur Mitteilung der Abfindung bereits im Januar 2006. Es habe sich aufgrund ihrer Kenntnis vom Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 mit Barzahlung durch ihren Partner aufdrängen müssen, dass dieser über zusätzliche Einnahmen verfügt habe. Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.4.2006 bis 31.3.2007 sei § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Die rechtswidrigen Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der angefochtene Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 werde hinsichtlich der Aufhebung und der Erstattungsforderung dem Bestimmtheitserfordernis wie auch dem Anhörungserfordernis gerecht. Die Revision sei zuzulassen. Klärungsbedürftig sei, ob eine einmalige Einnahme auch dann weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen sei, wenn die Hilfebedürftigkeit für einen Monat nur wegen des Zuflusses von zwei Monatsentgelten aus derselben Beschäftigung (und ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme) beseitigt werde.

8

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach der Rechtsprechung des BSG werde der Verteilzeitraum dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfalle (Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R). Ihr Lebensgefährte habe Arbeitsentgelt erhalten, welches die Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat aufgehoben habe, ohne dass die Abfindung dabei eine Rolle gespielt habe. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen Hilfebedürftigkeit für den Folgemonat sei keine Voraussetzung für die weitere Behandlung der Abfindung als Einkommen. Entscheidend sei das Zuflussprinzip, welches stringent anzuwenden sei.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Juni 2010 zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Aufhebung der laufenden Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.3.2006 betrifft. Insofern hat das LSG die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen. Wegen der Erstattungsforderung des Beklagten für diesen Zeitraum ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, in welcher Höhe die Erstattung für diese Zeit rechtmäßig ist. Auch soweit der Beklagte die Bewilligungsbescheide für die weiter streitigen Zeiträume vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 aufgehoben hat und die Erstattung der SGB II-Leistungen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

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1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007, mit dem der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Klägerin ab 1.12.2005 in vollem Umfang aufgehoben und die Erstattung der ihr vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 erbrachten Leistungen verlangt. Durch seine Erklärungen im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Berufung gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgenommen, soweit der angefochtene Bescheid die Aufhebung und Erstattung des Individualanspruchs von S betrifft (vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Gegen den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Entgegen der Ansicht des LSG enthielt der Ausgangsbescheid vom 31.1.2007 auch bereits eine Erstattungsverfügung und wahrt insgesamt das Bestimmtheitserfordernis. Bezogen auf die Klägerin ist er auch formell rechtmäßig.

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2. Der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung durch den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist eine ordnungsgemäße Anhörung vorausgegangen. Nach § 24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 15, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 9.1.2007 zu dem Einkommenszufluss bei S im Dezember 2005 und zu der beabsichtigten Anrechnung, auch der Abfindung - aufgeteilt auf 15 Monate - für die Zeit ab 1.1.2006, angehört. Er hat ihr vorgehalten, eine Überzahlung verursacht zu haben, indem sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Schließlich umfasste das Anhörungsschreiben vom 9.1.2007 die Erstattungsforderung, indem der Beklagte darauf hinwies, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.1.2007 Alg II in Höhe von 4434,09 Euro zu Unrecht bezogen und diesen Betrag zu erstatten habe. Hiermit eröffnete er in hinreichendem Umfang die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den objektiven und subjektiven Merkmalen der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Aufhebungsentscheidung.

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3. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 16, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38).

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Nach diesen Maßstäben geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 hinreichend bestimmt hervor, dass der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen ab 1.12.2005 ausschließlich gegenüber der Klägerin in vollem Umfang aufheben wollte. Dies lässt sich - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - seiner Adressierung, seinem Verfügungssatz sowie seiner Begründung entnehmen. Diese betreffen - ohne Erwähnung der Bedarfsgemeinschaft oder des S - jeweils nur die Klägerin. Der Bestimmtheit eines Aufhebungsbescheides steht insoweit nicht entgegen, dass er nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist, wenn die Auslegung - wie hier - ergibt, dass nur dieses Mitglied in Anspruch genommen werden soll (vgl BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 f). Ebenso ist das Maß der Aufhebung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont für die Klägerin erkennbar auf den Zeitraum ab 1.12.2005 und eine Aufhebung sämtlicher Bewilligungen in vollem Umfang festgelegt. Zwar hat der Beklagte in der "Betreff-Zeile" des Bescheides vom 31.1.2007 nur die den jeweiligen Bewilligungsabschnitt insgesamt regelnden Bescheide vom 26.10.2005, 25.4.2006 und 14.9.2006 aufgeführt. Aus dem Inhalt der weiteren Begründung des Bescheides ergibt sich jedoch für den objektiven Empfänger unzweideutig, dass auch die Änderungsbescheide vom 31.3.2006 und 13.5.2006 erfasst sein sollten, die für jeweils kürzere Zeiträume innerhalb der jeweiligen Bewilligungsabschnitte geringfügig höhere Leistungen festlegten. Einer näheren Differenzierung nach Monaten sowie nach dem Umfang der Aufhebung bezüglich der Leistungsarten (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung) bedurfte es hier wegen der vollumfänglichen Aufhebung nicht, weil für die Klägerin erkennbar war, welche Bezugsmonate von der Aufhebung in vollem Umfang betroffen waren (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16).

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Der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist auch bezüglich der Erstattungsforderung hinreichend bestimmt. Der Beklagte hat bereits durch die Angabe einer Erstattungsforderung in der "Betreffzeile" des Bescheides vom 31.1.2007 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erstattung eine Regelung iS von § 31 SGB X getroffen. Zwar ist die Höhe der zu erstattenden Beträge nicht bereits in diesem Bescheid, sondern erst im Widerspruchsbescheid genannt. Nach den vom LSG zutreffend gewürdigten Einzelfallumständen ist dies jedoch für die Annahme einer Regelung iS des § 31 SGB X sowie auch für die Bestimmtheit der Erstattungsforderung unschädlich, weil zur Höhe der Erstattungsforderung insbesondere auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 9.1.2007 und die vorangegangenen Bewilligungsbescheide zurückgegriffen werden konnte.

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4. a) Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mit Bescheid vom 26.10.2005 für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligten Leistungen ist hier § 40 SGB II, § 330 Abs 3 SGB III, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist - ohne Ausübung von Ermessen - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 26.10.2005 ist erst nach dessen Bekanntgabe der Zufluss der doppelten Entgeltzahlung sowie der Abfindung an S erfolgt, sodass unter Berücksichtigung der maßgebenden objektiven tatsächlichen Verhältnisse, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben (vgl nur BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), eine wesentliche Änderung nach Erlass des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, eingetreten ist. Die wesentliche Änderung lag hier darin, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und damit eine Anspruchsvoraussetzung für die bewilligten SGB II-Leistungen mit dem Zufluss dieser Beträge ab Dezember 2005 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 entfallen ist (vgl für die Zeit ab 1.4.2006 unter 6).

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b) Zwar konnte die Klägerin ihren von dem Beklagten zutreffend ermittelten Bedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen decken. Sie gehörte aber im gesamten hier streitigen Zeitraum einer Bedarfsgemeinschaft mit S an. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II(idF des Gesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebt. Das LSG hat nach Würdigung der vorliegenden Tatsachen das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft positiv festgestellt. Es hat die erforderlichen Kriterien für das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft überprüft und diese im Ergebnis bejaht, indem es in der Art des Zusammenlebens der Klägerin und S eine Partnerschaft, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie ein gegenseitiges Einstehen bejaht hat. Neben der auch von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellung einer Partnerschaft sah das LSG das erforderliche Einstehen aufgrund der Kontoauszüge des S bestätigt, woraus eine finanzielle Unterstützung der Klägerin ersichtlich war. Ferner wohnten die Klägerin und S seit Oktober 2004 in der gemeinsamen Wohnung (vgl zur auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zuletzt BSGE 111, 250 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 32). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft führt nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II dazu, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind.

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Für den Monat Dezember 2005 entfiel die Hilfebedürftigkeit der Klägerin bereits wegen des Zuflusses der Lohnzahlungen an S für November 2005 am 5.12.2005 und für Dezember 2005 am 19.12.2005. Diese stellten Einkommen iS von § 11 SGB II dar, welches als laufende Einnahme gemäß § 2 Abs 2 S 1 Alg II-V für den Monat zu berücksichtigen ist, in dem es zufließt. Bereits das auf den Gesamtbedarf der Klägerin und S anrechenbare Einkommen aus der Lohnzahlung für November 2005 betrug 1104,45 Euro. Auch unter Heranziehung des vom LSG zutreffend ermittelten Gesamtbedarfs von 1095,26 Euro ergibt sich ein Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in vollem Umfang.

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c) Auch die weitere vollständige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 (sowie des Änderungsbescheides vom 31.3.2006) bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 ist rechtmäßig. Die am 19.12.2005 mit einem Nettobetrag in Höhe von 22 758,25 Euro zugeflossene Abfindung ist anrechenbares Einkommen iS von § 11 SGB II. Zu Abfindungszahlungen haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass für diese vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist und es sich nicht um von der Anrechnung ausgenommene zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II handelt(vgl BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 15, BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - juris RdNr 18).

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d) Der Verteilzeitraum, in dem das Einkommen aus der Abfindung zu berücksichtigen war, erstreckte sich unter voller Anrechnung auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bleibt eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungsabschnitt hinaus zu berücksichtigendes Einkommen. Der Aggregatzustand der Einnahme verändert sich nicht durch eine neue Antragstellung. Das Einkommen mutiert nicht gleichsam zu Vermögen (vgl nur BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 20). Die konkrete Verteilung wird normativ durch § 2 Abs 3 Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) bestimmt. Hiernach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend davon ist nach S 2 der Regelung eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, dh monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag, anzusetzen (§ 2 Abs 3 S 3 Alg II-V). Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der einzelfallbezogen zu bestimmende angemessene Zeitraum der Verteilung ausfüllungsbedürftig und unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle. Zulässige Sachgesichtspunkte, die für die Angemessenheit einer Verteilung, die Belassung eines (geringfügigen) Anspruchs auf SGB II-Leistungen bei der Anrechnung und die zeitliche Dauer des Verteilzeitraums maßgebend sein können, sind die Höhe der einmaligen Einnahme, der mögliche Bewilligungszeitraum sowie der Umstand, ob der Hilfebedürftige durch die Höhe des festgesetzten monatlichen Teilbetrags seinen Krankenversicherungsschutz behalten kann (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 29). Zwar liegt grundsätzlich ein Regelfall mit einem Erfordernis zur Aufteilung nach § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V vor, wenn der über den SGB II-Bezug vermittelte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahme für mindestens einen Monat entfallen würde. Sind indes - wie hier - höhere Beträge im Streit, welche die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft bei prognostischer Betrachtung auf längere Dauer - hier konkret für einen Zeitraum von über einem Jahr - entfallen ließen, ist eine vollständige Anrechnung ohne Belassung von SGB II-Leistungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein solcher Fall liegt hier vor.

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Allerdings ist der Verteilzeitraum nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 auf ein Jahr, dh hier auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006, zu beschränken. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 2 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404 S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zu der bis dahin geltenden Rechtslage hat das BSG eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus im Einzelfall als angemessen angesehen, ist jedoch nicht über den Zeitabschnitt von zwölf Monaten hinausgegangen (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32; sa BVerfG Beschluss vom 7.4.2010 - 1 BvR 688/10). Dies berücksichtigt, dass eine Erstreckung über den im Gesetz angelegten maximalen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten (§ 41 SGB II) hinaus Leistungsbezieher mit hohen einmaligen Einnahmen unbillig lange von der Möglichkeit einer Vermögensbildung ausnehmen würde.

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e) Die Bestimmung eines Verteilzeitraums und die Anrechnung der einmaligen Einnahme auf denselben entfällt hier auch nicht deshalb, weil die Abfindung in einem Monat zufloss, in dem bereits aufgrund der vorhergehenden Entgeltzahlungen an S die Hilfebedürftigkeit entfallen war. Soweit das LSG auf die Entscheidung des Senats vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15) Bezug genommen hat, lag ein (abweichender) Sachverhalt zugrunde, weil sich die für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse erst nach Beginn des Verteilzeitraums durch einen Steuerklassenwechsel mit einem höheren monatlichen Nettoeinkommen sowie Wohngeld verändert haben konnten. Die als mögliche Konsequenz diskutierte Unterbrechung des Verteilzeitraums wegen Überwindung der Hilfebedürftigkeit für einen Monat erfasst die vorliegende Konstellation nicht, weil die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und S allein im Dezember 2005, also zeitlich bereits vor dem Beginn des Verteilzeitraums wegen der Abfindung im Januar 2006, unterbrochen war. Unabhängig hiervon liegt auch keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit vor. Allein die Tatsache, dass die erhöhte Lohnzahlung für November 2005 aus dem Arbeitsverhältnis als einem Dauerrechtsverhältnis zu einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur in diesem Monat führte, begründete keine geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen zu rechtfertigen vermögen. Es lag keine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen vor, weil es sich um ein bloßes Aussetzen der Hilfebedürftigkeit wegen einer höheren Lohnzahlung und einen vom Normalverlauf abweichenden Auszahlungsvorgang ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handelte.

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f) Der vollständigen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 für den bis zum 31.3.2006 laufenden Bewilligungsabschnitt steht auch nicht entgegen, dass die Abfindungszahlung ausweislich der Feststellungen des LSG "für den Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 durch ihren Partner" verwendet worden ist. Nähere Angaben zum Umfang des Verbrauchs der Abfindung und zum Zeitpunkt der Anschaffungen fehlen. Für den Bewilligungsabschnitt bis zum 31.3.2006 ist dies jedoch irrelevant. Die Aufhebung der laufenden Bewilligung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X erfolgt schon deshalb, weil nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 und während des laufenden Bewilligungsabschnitts Einkommen tatsächlich zugeflossen ist ("erzielt" im Sinne einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X), zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand und daher im Verteilzeitraum zu berücksichtigen war. Bereits hierin lag die wesentliche Änderung, die dazu führte, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Ein späterer Verbrauch als weiteres Ausgabeverhalten des Hilfebedürftigen während des Verteilzeitraums ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insofern hat der 14. Senat zu Recht betont, dass bei der Anwendung des § 48 SGB X - wegen Nichtanzeige der zugeflossenen Einnahme - mit Wirkung für die Vergangenheit nicht eine aktuelle Bedarfslage ungedeckt blieb - also eine Hilfebedürftigkeit tatsächlich bestand, sondern erst nach Aufhebung der Bewilligung bezogen auf die Vergangenheit und Rückforderung und daher regelmäßig und auch hier erst künftig eine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Grundsicherung entstehe(vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 15).

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5. Ausgehend von einer rechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 vermochte der Senat anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend zu entscheiden, in welcher Höhe die Erstattungsforderung für diesen Zeitraum rechtmäßig ist. Gemäß § 40 Abs 2 S 1 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sind - abweichend von § 50 SGB X - 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 S 1 Nr 1 und S 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten. S 1 gilt nicht in Fällen des § 45 Abs 2 S 3 SGB X(§ 40 Abs 2 S 2 SGB II). Bis zum 31.3.2006 war eine Rückausnahme von der nur reduziert möglichen Rückforderung von Unterkunftskosten bei einer Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 SGB X gesetzlich nicht vorgesehen. Eine ohnehin nur in engen Grenzen mögliche analoge Anwendung einer Regelung zum Nachteil von Leistungsberechtigen (vgl BSG Urteil des Senats vom 23.8.2012 - B 4 AS 32/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 61 RdNr 24 mwN) scheidet schon deshalb aus, weil die Bezugnahme auf § 48 Abs 1 S 2 SGB X aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 15.10.2003 (vgl BT-Drucks 15/1728 S 190; BT-Drucks 15/1749 S 33) aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1516 = BT-Drucks 15/1638 S 18) gestrichen worden ist (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 723, Stand 6/2012).

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Für den Aufhebungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 ist die Erstattungsforderung daher um den in § 40 Abs 2 S 1 SGB II genannten Anteil zu reduzieren. Insofern sind noch Feststellungen des LSG zu den in den aufgehobenen Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2005 und 31.3.2006 berücksichtigten (nicht den tatsächlichen) Unterkunftsbedarfen (Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 RdNr 135, Stand 12/2012) sowie zur Höhe der für die Heizungs- und Warmwasserversorgung angesetzten Kosten erforderlich.

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6. a) Soweit die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung für die weiter streitigen Bewilligungsabschnitte vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 betroffen ist, ist die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

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Grundlage für die Rücknahme dieser Bescheide ist § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Wegen der für einen angemessenen Verteilzeitraum zu berücksichtigenden einmaligen Einnahme aus der Abfindungszahlung können diese Bescheide nur von Beginn an rechtswidrig sein. Einer Rücknahme nach § 45 SGB X steht nicht schon entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 31.1.2007 auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61). Ein Austausch der Rechtsgrundlage aus dem Bescheid des Beklagten vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist möglich, weil nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt - wegen § 330 Abs 2 SGB III - gleichfalls ohne Ermessensausübung - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist hier der Fall (vgl hierzu unter d).

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b) Bezogen auf eine Rücknahme nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X fehlt es aber an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 13.5.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.4.2006 bis 30.9.2006) und vom 14.9.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.10.2006 bis 31.3.2007) objektiv anfänglich rechtswidrig iS des § 45 SGB X waren. Dies war der Fall, wenn der Klägerin Leistungen bewilligt worden sind, obwohl sie aufgrund der Abfindungszahlung über noch ausreichend bedarfsdeckendes Einkommen verfügte, also nicht hilfebedürftig war. Zwar spricht hierfür die normative Verteilregelung des § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V, die grundsätzlich vorsieht, dass eine einmalige Einnahme - unabhängig vom Ablauf eines Bewilligungsabschnitts und einer erneuten Antragstellung über den angemessenen Zeitraum von zwölf Monaten als oberste Grenze - zu verteilen und weiterhin zu berücksichtigen ist.

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Aufgrund der rechtlichen Ausgangslage bei § 45 SGB X ist jedoch zu prüfen, ob die von der Klägerin bei den erneuten Antragstellungen am 7.4.2006 und 12.9.2006 angegebene Hilfebedürftigkeit wegen des Nichtvorhandenseins von Mitteln zur Deckung des Lebensunterhalts dennoch tatsächlich gegeben war, weil hier ein (zwischenzeitlicher) Verbrauch der zugeflossenen Mittel geltend gemacht wird. Waren die Mittel aus der Abfindung tatsächlich und unwiederbringlich verbraucht, standen "bereite Mittel" also bei den erneuten Bewilligungen tatsächlich - auch nicht als Restbeträge - zur Verfügung, erweisen sich diese nicht als anfänglich rechtswidrig iS von § 45 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Insofern haben die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber der nur normativen und als Berechnungsgrundlage zu verstehenden Regelung des § 2 Abs 3 Alg II-V den Vorrang(Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 9 zu § 11; aA LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.4.2010 - L 3 AS 79/08 - und LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 15.4.2011 - L 13 AS 333/10 - RdNr 34 f; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 16 f mit Verweis auf § 34 SGB II). Ist nach weiteren Feststellungen des LSG eine anfängliche Rechtswidrigkeit der bezeichneten Bewilligungsbescheide zu bejahen, ist weiter zu prüfen, ob - nach Ablauf des zwölfmonatigen Verteilzeitraums zum 31.12.2006 - ein ggf noch vorhandener Betrag aus der Abfindung als zu berücksichtigendes Vermögen die Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung auch für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.3.2007 rechtfertigen konnte. Auch insofern müssten allerdings die formellen Voraussetzungen (§ 24 SGB X) zu bejahen sein.

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c) Das LSG wird also zu prüfen haben, ob, in welcher Höhe und wann die Abfindungszahlung für die Anschaffung eines Pkw sowie einer Küche bereits Anfang 2006 verwendet und daher (auch) etwaige Restbeträge aus der Abfindung bei der Antragstellung und Bewilligung im April 2006 bzw September 2006 nicht mehr vorhanden waren und auch nicht realisiert werden konnten. Insofern liegt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer anfänglichen Rechtswidrigkeit - nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts - zwar grundsätzlich bei der Behörde. Es dürfte aber eine Beweislastumkehr zu erwägen sein. Diese hat das BSG zB für tatsächliche Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl insgesamt BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; auch BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5). Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung angenommen (BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R).

33

d) Kommt das LSG nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine anfängliche Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligungsbescheide vorlag, wird es davon ausgehen können, dass diese auf Angaben beruhte, die die Klägerin als Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dem gleichzustellen ist eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen, welche kausal zu der Leistungsbewilligung geführt hat (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

34

Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass weder die Klägerin noch S die Zahlung der Abfindung vor Erlass der Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 14.9.2006 mitgeteilt haben. Hierzu wären sie jedoch verpflichtet gewesen, weil die Zahlung der Abfindung erkennbar eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen bewirkt hat. Das LSG hat zutreffend erst die Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung zum 26.9.2006 als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Beklagten hinsichtlich der einmaligen Einnahme in Form der Abfindung angesehen. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte nur bruchstückhafte Informationen über einen generellen Geldzufluss erhalten, ohne dass sich aus diesen die Zahlung einer einmaligen Einnahme hat erkennen lassen. Der Klägerin ist schließlich zumindest der Schuldvorwurf eines grob fahrlässigen Handelns zu machen. Den Antragsunterlagen zum Bewilligungsabschnitt ab dem 1.4.2006 waren die - vom LSG als manipuliert bewerteten - Kontoauszüge von S ua für den Monat Dezember 2005 beigefügt, die einen unzutreffenden Kontostand in Höhe von nur 959,73 Euro anstatt von 6959,73 Euro enthielten. Die unrichtige Angabe wirkte sich sowohl auf den Bewilligungsbescheid vom 24./25.4.2006 als auch auf denjenigen vom 14.9.2006 aus, weil die Angabe aus April 2006 bis zur Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung am 26.9.2006 "fortwirkte".

35

7. Die Höhe der Erstattungsforderung ist von der weiteren Sachaufklärung des LSG zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung abhängig. Das LSG hat zu Recht die bereits mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 13.9.2006 für Juni bis September 2006 zurückgeforderten Leistungen in Höhe von 62,80 Euro berücksichtigt. Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. April 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1115,56 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der nach einer Betriebsprüfung geltend gemachten Nachforderung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung.

2

Am 23.6.2006 hatte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund bei dem Kläger, einem Rechtsanwalt, eine Betriebsprüfung hinsichtlich des Zeitraums 1.1.2002 bis 31.5.2006 durchgeführt. Mit (bestandskräftig gewordenem) Bescheid vom 22.8.2006 hatte sie für diesen Prüfzeitraum Beiträge in Höhe von 531,09 Euro betreffend die Beschäftigung seiner Mitarbeiterin Frau F. nachgefordert.

3

Am 24.2.2010 führte die Beklagte bei dem Kläger erneut eine Betriebsprüfung durch, nunmehr für den Prüfzeitraum 1.12.2005 bis 31.12.2009. Mit Bescheid vom 25.2.2010 (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 1.10.2010) forderte sie von ihm nach Abschluss der Prüfung Beiträge und Säumniszuschläge bezüglich der bei ihm beschäftigten Beigeladenen zu 1. und 2. für den Zeitraum vom 1.12.2003 bis 31.7.2008 in Höhe von insgesamt 3647,41 Euro nach. Grundlage dafür seien Steuernachforderungen für Fahrtkostenzuschüsse, die sich aus einem bestandskräftigen Bescheid des Finanzamts vom 19.9.2008 ergäben. Die Fahrtkostenzuschüsse seien auch beitragsrechtlich von Bedeutung. Für die Beitragsnachforderung gelte die 30-jährige Verjährungsfrist, weil der Kläger die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe.

4

Auf die ua auf die Einrede der Verjährung der Beitragsforderung gestützte Klage hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben, soweit Nachforderungen bis einschließlich 31.5.2006 inklusive der hierauf entfallenden Säumniszuschläge erhoben wurden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.6.2012).

5

Die hiergegen - ausschließlich von der Beklagten eingelegte - Berufung hat das LSG zurückgewiesen: Die Beitragsnachforderung für den bereits früher geprüften Zeitraum bis 31.5.2006 sei ohne (vorherige) Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 22.8.2006 rechtswidrig. Durch diesen Bescheid habe die Beklagte Beiträge in einer bestimmten Höhe nachgefordert, ohne Hinweis darauf, dass nur eine stichprobenhafte Prüfung stattgefunden habe. Vielmehr habe der Bescheid den eindeutigen Verfügungssatz enthalten, dass für den Prüfzeitraum 1.1.2002 bis 31.5.2006 ein Betrag von 531,09 Euro nachzuzahlen sei. Aus dem Bescheid ergebe sich, dass nicht lediglich die Unterlagen betreffend Frau F., sondern auch diejenigen von weiteren Arbeitnehmern geprüft worden seien. Zudem sei im Prüfbericht darauf hingewiesen worden, dass die Prüfung zeitintensiv gewesen sei. Vom (maßgebenden) Empfängerhorizont aus sei daher nicht erkennbar gewesen, dass es sich lediglich um eine stichprobenhafte Prüfung gehandelt habe. Der (bestandskräftige) nicht nach § 45 SGB X zurückgenommene Bescheid vom 22.8.2006 stehe daher der neuerlichen Beitragsnachforderung der Beklagten für die Zeit bis 31.5.2006 entgegen (Urteil vom 16.4.2014).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 28p Abs 1 S 5 SGB IV. Die angefochtenen Bescheide seien auch bezüglich der Nachforderung für den Zeitraum bis einschließlich 31.5.2006 rechtmäßig, ohne dass es einer teilweisen Aufhebung des früheren Bescheides vom 22.8.2006 bedurft habe. Die gegenteilige Auffassung des LSG stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG zu Betriebsprüfungen und der Bindungswirkung von dabei ergangenen Prüfbescheiden (Hinweis ua auf BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5 und BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1).

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. April 2014 insgesamt aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25. Juni 2012 aufzuheben, soweit der Bescheid vom 25. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 für die Zeit bis einschließlich 31. Mai 2006 aufgehoben wurde und die Klage auch insoweit abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

10

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG).

12

Das Urteil des LSG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang Stand und ist daher aufzuheben. Der Senat kann allerdings wegen Fehlens erforderlicher tatrichterlicher Feststellungen nicht abschließend selbst in der Sache entscheiden, ob das LSG zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG abgewiesen hat.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 25.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.10.2010. Im Revisionsverfahren ist allerdings nur noch über die Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Kläger durch die angefochtenen Bescheide festgesetzten Beitragsnachforderung für die Zeit bis 31.5.2006 in Höhe von 1115,56 Euro zu entscheiden, weil für die Beiträge in Bezug auf die darüber hinausgehende Zeit Rechtskraft eingetreten ist. Bereits das SG hat die Klage für spätere Zeiträume abgewiesen und nur die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt.

14

2. Gegen die Nachforderung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung durch die Beklagte als solche bestehen revisionsrechtlich grundsätzlich keine Bedenken (dazu a). Anders als vom LSG angenommen und von Klägerseite geltend gemacht stehen der Festsetzung von Beiträgen und Säumniszuschlägen durch den angefochtenen Verwaltungsakt weder die Bindungswirkung des früheren Bescheides vom 22.8.2006 entgegen (dazu b) noch ein Bestandsschutz bzw eine "Bindungswirkung" aus früherer "beanstandungsfreier Betriebsprüfung" (dazu c). Ob die angefochtenen Bescheide allerdings unter dem Blickwinkel bereits eingetretener Verjährung rechtswidrig und aufzuheben sind, soweit darin ua auch Beiträge für die Zeit bis 31.12.2005 gefordert werden, kann der Senat wegen fehlender tatrichterlicher Feststellungen allerdings nicht abschließend selbst beurteilen (dazu d); das führt zur Zurückverweisung an das LSG.

15

a) Die Vorinstanzen haben im Ausgangspunkt revisionsrechtlich beanstandungsfrei entschieden, dass die Beklagte gemäß § 28p Abs 1 S 5 SGB IV grundsätzlich berechtigt war, vom Kläger in den angefochtenen Bescheiden Beiträge zu den Zweigen der Sozialversicherung hinsichtlich der entgeltlichen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. und 2. für den Kläger in der noch streitigen Höhe nachzufordern.

16

Auch die der Beitragsnacherhebung zugrunde liegenden, den genannten Beigeladenen gewährten Fahrtkostenzuschüsse zählen grundsätzlich zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IV iVm den für die einzelnen Versicherungszweige geltenden speziellen Regelungen. Eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 Arbeitsentgeltverordnung(in der bis 31.12.2006 gültigen Fassung des Art 2 der VO zur Änderung der Sachbezugsverordnung und der Arbeitsentgeltverordnung vom 18.12.1998, BGBl I 3822) bzw nach § 1 Abs 1 S 1 Nr 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung(in der ab 1.1.2007 gültigen Fassung des Art 1 der VO zur Neuordnung der Regelungen über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt vom 21.12.2006, BGBl I 3385) kommt mangels einer seitens des Klägers erfolgten Pauschalversteuerung gemäß § 40 Abs 2 S 2 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht in Betracht. Die Beteiligten haben gegen die Anwendung dieser Regelungen und die ihnen zugrunde liegenden finanzbehördlichen Feststellungen Einwände nicht erhoben; auch sonst sind gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung und ihre Höhe sprechende Umstände nicht ersichtlich.

17

b) Zu Unrecht haben die Vorinstanzen allerdings angenommen, der Beitragsnachforderung in den angefochtenen Bescheiden stehe in der Zeit vom 1.12.2003 bis 31.5.2006 eine aus der Bestandskraft des früheren Bescheides der Beklagten vom 22.8.2006 abgeleitete Bindungswirkung entgegen. Der Bescheid vom 22.8.2006 entfaltet nämlich für den vorliegenden Rechtsstreit keine solche Bindungswirkung. Daher bedurfte es im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen nicht seiner Aufhebung gemäß §§ 44 ff SGB X vor Erlass der angefochtenen Bescheide.

18

aa) Eine aus der Bestandskraft des früheren Bescheides der Beklagten vom 22.8.2006 abgeleitete Bindungswirkung kann schon deshalb nicht bejaht werden, weil durch ihn seinerzeit personenbezogen Beiträge nur bezüglich der Beschäftigung von Frau F., nicht aber hinsichtlich der Beschäftigung der am vorliegenden Rechtsstreit beteiligten Beigeladenen zu 1. und 2. nachgefordert wurden. Das LSG kann sich für seine Auffassung insbesondere nicht auf das Urteil des BSG vom 30.10.2013 (BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24) berufen. Der Senat hat darin unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung (wiederholend) ausgeführt, dass sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit ergeben könnte, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Dem genannten Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, dass bei Erlass eines personenbezogenen Beitragsbescheides damit zugleich (spiegelbildlich bzw mittelbar) eine Regelung darüber getroffen wird, dass "im Übrigen", dh insbesondere hinsichtlich aller sonstigen Beschäftigten, die von der personenbezogen Beitragsfestsetzung nicht betroffen sind, im Prüfzeitraum "alles in Ordnung" sei, dass also hinsichtlich dieser zB keine Versicherungspflicht bzw kein Beitragsanspruch bestehe. Im Übrigen enthält das geltende Sozialversicherungsrecht gerade keine Vorschrift, die mit der Änderungssperre nach § 173 Abs 2 S 1 Abgabenordnung für Steuerbescheide, die aufgrund einer (steuerlichen) Außenprüfung ergangen sind, vergleichbar ist(vgl bereits BSG aaO, RdNr 33-35).

19

bb) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt auch der im früheren Bescheid vom 22.8.2006 fehlende Hinweis darauf, dass nur eine stichprobenartige Prüfung stattgefunden habe, kein anderes Ergebnis.

20

Wie der 12. Senat nämlich ebenfalls bereits entschieden hat, darf auch bei "kleineren" Betrieben eine Betriebsprüfung auf Stichproben beschränkt bleiben (vgl BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 26). Selbst bei einer Betriebsprüfung in einem sog Kleinstbetrieb mit nur einem einzigen "Aushilfsarbeiter" besteht danach keine Verpflichtung der Prüfbehörden, die versicherungsrechtlichen Verhältnisse (aller) Mitarbeiter vollständig zu beurteilen (vgl BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 36). Dass die nach § 28p Abs 1 S 1 SGB IV mindestens alle vier Jahre durchzuführenden Betriebsprüfungen durch die Rentenversicherungsträger prinzipiell nur stichprobenartig erfolgen können, liegt bei lebensnaher Betrachtung auf der Hand. Stichprobenartig vorgenommene Betriebsprüfungen entsprechen einer jahrzehntelangen Praxis, die sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung unbeanstandet gelassen haben. Demzufolge lässt das Fehlen eines - aus der Sicht eines verständigen Bescheidempfängers eine Selbstverständlichkeit wiedergebenden - Hinweises nicht ohne Weiteres den Schluss darauf zu, dass der Betroffene bei seiner Prüfung vom Vorliegen eines gänzlich atypischen Falles hätte ausgehen dürfen. Ähnliches gilt für die im Protokoll der Schlussbesprechung am 23.6.2006 gemachten Hinweise der Beklagten, dass weitere Arbeitnehmer geprüft wurden und die Prüfung zeitintensiv gewesen sei. Daraus kann bei einer praxisorientierten, der Eigenart einer Massenverwaltung im Bereich der Sozialversicherung gerecht werdenden Betrachtungsweise ebenfalls nicht geschlossen werden, dass die gesamte Praxis der Meldungen und Beitragszahlung eines Arbeitgebers (vgl §§ 28a, 28e, 28f, 28g SGB IV) in Bezug auf sämtliche Betriebsangehörigen unter allen denkbaren Aspekten behördlicherseits für "in Ordnung" befunden wurde. Betriebsprüfungen - ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger - bezwecken nämlich insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa mit Außenwirkung "Entlastung" zu erteilen (vgl erneut BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24 mwN).

21

c) Die frühere "beanstandungsfrei" verlaufene Betriebsprüfung mit ihrer Schlussbesprechung am 23.6.2006 und der in diesem Zusammenhang ergangene frühere Bescheid vom 22.8.2006 entfalten auch aus sonstigen Gründen keine Bindungswirkung und vermitteln dem Kläger keinen "Bestandsschutz" gegenüber einer neuerlichen Beitragsforderung, die der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide entgegenstehen könnte. Der Senat hat sich bereits in seinem Urteil vom 30.10.2013 (BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 33-35; hierzu auch Körtek, jurisPR-SozR 13/2014 Anm 2; Neidert, DB 2014, 2471) ausführlich mit der vom Berufungsgericht und Teilen des Schrifttums erhobenen Forderung nach einem derartigen "Bestandsschutz" als Folge von beanstandungsfrei endenden Betriebsprüfungen befasst und darauf hingewiesen, dass es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt (BSG aaO, RdNr 28 ff mwN). Hieran hält der Senat fest.

22

d) Ob die angefochtenen Bescheide indessen möglicherweise rechtswidrig sind, soweit den darin geltend gemachten Beitragsforderungen für den Zeitraum bis 31.12.2005 die Verjährung des Anspruchs nach § 25 Abs 1 S 1 SGB IV entgegensteht, kann der Senat selbst nicht abschließend beurteilen. Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - Feststellungen zur möglichen Verjährung nicht getroffen, insbesondere nicht zur Fälligkeit der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Monat Dezember 2003 (dazu aa) sowie zum (bedingten) Vorsatz einer Beitragsvorenthaltung (dazu bb).

23

aa) Es fehlen bereits Tatsachenfeststellungen des LSG zur Fälligkeit der von der Beklagten für den Monat Dezember 2003 geltend gemachten Beiträge. Solche Feststellungen sind aber erforderlich, um beurteilen zu können, ob die entsprechende Forderung bereits am 31.12.2007 - und damit schon vor Erlass des Lohnsteuerhaftungsbescheides des Finanzamts vom 19.9.2008 und erst recht vor Erlass der im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Bescheide aus dem Jahr 2010 - nach § 25 Abs 1 S 1 SGB IV verjährt war.

24

Gemäß § 23 Abs 1 S 2 und 3 SGB IV in der insoweit bis 31.12.2005 gültigen Fassung (Art 1 des Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6.4.1998, BGBl I 688) werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Beiträge sind abweichend hiervon spätestens am Fünfundzwanzigsten des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt, wenn das Arbeitsentgelt bis zum Fünfzehnten dieses Monats fällig ist; fällt der Fünfundzwanzigste eines Monats nicht auf einen Arbeitstag, werden die Beiträge am letzten banküblichen Arbeitstag davor fällig; dies gilt nicht bei Verwendung eines Haushaltsschecks.

25

Ob vorliegend die für Dezember 2003 geltend gemachten Beiträge spätestens bereits am Dienstag, den 23.12.2003 (= Tag vor Heiligabend 2003) oder - mit der Folge eines späteren Verjährungsbeginns - spätestens erst am 15.1.2004 fällig wurden, lässt sich mangels Feststellungen zur Fälligkeit des Arbeitsentgeltanspruchs der Beigeladenen zu 1. und 2. nicht beurteilen. Diese Feststellungen sind vom LSG nachzuholen.

26

bb) Die für die Zeit bis 31.12.2005 geltend gemachten Beitragsansprüche wären bei Anwendung der regelmäßigen vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 S 1 SGB IV bereits am 1.1.2010 und damit vor Erlass der angefochtenen Bescheide verjährt gewesen.

27

Etwas anderes würde jedoch gelten, wenn der Kläger bereits durch den Lohnsteuerprüfbericht des Finanzamts vom 19.9.2008 hinsichtlich der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen als bösgläubig anzusehen wäre. Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zwar zunächst von Beginn des folgenden Kalenderjahres an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs 1 S 2 SGB IV), wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird (vgl bereits BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 34 f). Bösgläubigkeit ist in diesem Zusammenhang nämlich nicht erst bei einer absichtlichen bzw bewusst vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung - zB bei klassischer "Schwarzarbeit" - anzunehmen, es reicht vielmehr aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthält, er also seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (vgl BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 mwN; BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 26). Bedingter Vorsatz liegt nach der Rechtsprechung des Senats in diesem Zusammenhang nahe, wenn etwa Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder zumindest ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht (so BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 f). Zwar kann von einer prinzipiellen Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht von Lohn iS von § 19 EStG und Arbeitsentgelt iS von §§ 14, 17 SGB IV ausgegangen werden(vgl dazu näher Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 25 RdNr 32; Roßbach in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 25 SGB IV RdNr 4); auch dürfte bekannt sein, dass Lohnsteuerhaftungsbescheide in aller Regel auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht Konsequenzen haben (vgl hierzu zB Zieglmeier in Kasseler Komm, Stand Juni 2015, § 25 SGB IV RdNr 49). Um einen für eine die Verjährungsfrist verschiebende Beitragsvorenthaltung erforderlichen Vorsatz bejahen zu können, ist jedoch tatrichterlich das Vorliegen des dafür erforderlichen inneren (subjektiven) Tatbestandes festzustellen. Dieser darf regelmäßig nicht pauschal aufgrund allgemeiner rechtlicher Erwägungen unterstellt werden, sondern ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell zu ermitteln (vgl BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 22 ff; BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 36 f, vgl aber erneut S 35 f).

28

Letzteres muss das LSG hier nachholen. Es wird neben dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge für den Monat Dezember 2003 festzustellen haben, inwieweit nach den Umständen beim Kläger (bedingter) Vorsatz angenommen werden kann oder nicht. Dabei wird es ua auch zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte den Kläger schon im früheren Bescheid vom 22.8.2006 ausdrücklich darum gebeten hatte, die im Rahmen einer künftigen Lohnsteueraußenprüfung ergehenden Prüfberichte und Bescheide auch sozialversicherungsrechtlich auszuwerten (vgl zur Bedeutung derartiger Gesichtspunkte vgl allgemein Roßbach, aaO, § 25 SGB IV RdNr 4).

29

3. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

30

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags festzusetzen, der nach den von den Beteiligten nicht beanstandeten Feststellungen des LSG dem im Revisionsverfahren noch streitigen Teil der Beitragsnachforderung entspricht.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 101 046,18 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, hier noch darüber, ob und in welchem Umfang ein prüfender Rentenversicherungsträger diese Beiträge durch Leistungs- bzw Zahlungsbescheid festsetzen durfte.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der K. GmbH, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf am 1.8.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er stellte anschließend Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung frei. Zum 31.1.2010 gab er den Geschäftsbetrieb vollständig auf; letzter Beschäftigungsmonat für die Arbeitnehmer war Januar 2010. Unter dem 1.2.2010 gab der Kläger die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Insolvenzordnung) ab.

3

Nach einer "Ad-hoc"-Betriebsprüfung (= Arbeitgeberprüfung nach § 28p Abs 1 S 3 SGB IV) des Geschäftsbetriebs der GmbH einschließlich aller Unterbetriebe (Prüfzeitraum 1.8.2009 bis 30.6.2010) durch den beklagten Rentenversicherungsträger erhob dieser mit gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der insolventen GmbH erlassenem Bescheid vom 6.8.2010 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 101 046,18 Euro als sonstige Masseverbindlichkeiten nach. Die Beklagte forderte unter Fristsetzung die Zahlung dieses Betrags an die im Rechtsstreit zu 2. bis 19. beigeladenen Einzugsstellen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, zum einen seien für die freigestellten Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Beitragsnachweise bei den zuständigen Einzugsstellen eingereicht worden, zum anderen seien sämtliche Meldungen für diesen Personenkreis mit einem fehlerhaften Meldegrund ("Grund 30 statt 71") versehen gewesen und es hätten Abmeldungen zum rechtlichen Ende der Beschäftigung ("Grund 72") gefehlt. Nach der Rechtsprechung des BSG werde der Fortbestand von Beschäftigungsverhältnissen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt; Versicherungs- und Beitragspflicht bestünden bis zur rechtlichen Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse, längstens bis zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung fort. Die Beklagte erteilte in dem Bescheid ua folgende Hinweise: Die Höhe des Nachforderungsbetrages könne sich künftig noch ändern, etwa wenn sich herausstelle, dass Arbeitnehmer vor dem Auslaufen der Kündigungsfristen neue Arbeitsverhältnisse eingegangen seien, oder bei Ersatzfällen nach dem SGB III. Inwieweit Zahlungspflichten nach der InsO im Einzelfall tatsächlich bestünden, sei nicht vom Rentenversicherungsträger, sondern im Rahmen des Beitragseinzugs von den Einzugsstellen in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Eine Minderung der im Prüfbescheid ausgewiesenen Beitragsforderungen erfolge erst nach einer "Sollkorrektur" im Arbeitgeberkonto und dem Erlass eines entsprechenden Beitragsbescheids; rückständige Beiträge seien von der Einzugsstelle zur Tabelle anzumelden.

4

Mit seinem Widerspruch teilte der Kläger zunächst mit, gegen die ermittelten Beitragsansprüche "dem Grunde nach" keine Einwendungen zu erheben, wandte sich aber gegen die "Feststellung des vollen Nachforderungsbetrags zu Gunsten der Einzugsstellen" sowie dessen "Fälligstellung unter Zahlungsfristsetzung" und verwies auf das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 210 InsO). Darüber hinaus sei der Arbeitgeber in den Fällen der arbeitsförderungsrechtlichen Gleichwohlgewährung im Umfang der Beitragsentrichtung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA = Beigeladene zu 1.) von der Zahlungspflicht befreit. Er könne nicht darauf verwiesen werden, diesbezügliche Einwendungen gegenüber den Einzugsstellen geltend zu machen. Der Kläger reichte Unterlagen der Beigeladenen zu 1. zu "Anspruchsübergängen nach § 115 SGB X" und deren Bescheid vom 11.11.2010 über die Festsetzung ihres Anspruchs gegen den Kläger auf Beitragsersatz ein.

5

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 unter Hinweis darauf zurück, dass über spätere Änderungen versicherungs- und beitragsrechtlicher Relevanz die Einzugsstellen durch Bescheid befänden, der eigenständig überprüft werden könne. Mit der Entscheidung der Einzugsstelle erledige sich dann der Prüfbescheid auf andere Weise, ohne dass es dann noch eines Änderungs- oder Aufhebungsbescheides bedürfe.

6

Das SG hat die dagegen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Rentenversicherungsträger dürfe die rückständigen Beiträge nach § 28p Abs 1 S 5 iVm § 28e SGB IV mit Leistungsbescheid fordern. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO stehe insoweit nicht entgegen, weil der Erlass eines Leistungsbescheids noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung sei; dieses hindere erst auf der zweiten Stufe des im Falle einer Betriebsprüfung zweigeteilten Verfahrens eine Durchsetzung der Beitragsforderung durch die Einzugsstellen. Der Leistungsbescheid des Rentenversicherungsträgers schaffe erst die Grundlage für das Beitragsverfahren. Ebenso wenig sei der Nachforderungsbescheid wegen der zugunsten des Arbeitgebers wirkenden Befreiungsregelung in § 335 Abs 3 S 2 SGB III rechtswidrig. Da sich Grund und Umfang der Befreiung von der Zahlungsverpflichtung nach dem Ersatzanspruch der Beigeladenen zu 1. richteten, spreche dies dafür, dass der Befreiungseinwand gegenüber den Einzugsstellen geltend zu machen sei. Er stehe dann als Erfüllungseinwand der in die Zuständigkeit der Einzugsstellen fallenden Durchsetzung des Zahlungsanspruchs entgegen (Urteil vom 20.6.2013).

7

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 28p SGB IV, § 335 Abs 3 SGB III, § 33 SGB X und § 210 InsO. Das SG habe Inhalt und Tragweite dieser Vorschriften verkannt. Soweit § 210 InsO für Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs 1 Nr 3 InsO, zu denen auch Beitragsforderungen gehörten, ein Vollstreckungsverbot anordne, dürfe ein Leistungsbescheid nicht (mehr) ergehen. Zwar stelle ein solcher Bescheid keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar. Er sei jedoch unverhältnismäßig und verstoße gegen das Übermaßverbot, weil er über eine bloße Forderungsfeststellung hinaus keine Wirkungen entfalten könne. Der Leistungsbescheid erwecke demgegenüber den Anschein einer unbedingten Leistungsverpflichtung, die aber so nicht (mehr) durchgesetzt werden könne. Auf Parallelen zum Ordnungsrecht und Steuerrecht könne sich das SG für seine Auffassung nicht berufen. Das erstinstanzliche Gericht negiere auch den Regelungsgehalt des § 335 Abs 3 S 2 SGB III. Soweit der Arbeitgeber nach dieser Regelung im Umfang der Gleichwohlgewährung durch die Beigeladene zu 1. von seiner Beitragszahlungspflicht an die Einzugsstellen befreit sei, stelle der Nachforderungsbescheid Leistungsverpflichtungen fest, die in voller Höhe gar nicht mehr bestünden; die Beitragsschuld sei insoweit vielmehr bereits von der Beigeladenen zu 1. getilgt. Der Arbeitgeber könne auch nicht darauf verwiesen werden, den Erfüllungseinwand erst später, auf der Ebene der Anspruchsdurchsetzung durch die Einzugsstellen zu erheben. Dieses Ergebnis lasse sich weder durch die "Funktion als Beitragsnachweis" erklären noch sei es sachgerecht. Der Bescheid der Beklagten sei schließlich inhaltlich unbestimmt, weil die Verminderung der Zahlungsverpflichtung um die von der Beigeladenen zu 1. entrichteten Beiträge bei der Tenorierung überhaupt keinen Niederschlag gefunden habe.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2011 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO greife erst auf der zweiten Stufe des Beitragserhebungsverfahrens, also dann, wenn die Einzugsstellen die vom Rentenversicherungsträger festgesetzte Nachforderung durchsetzten.

11

Die zu 1. beigeladene BA weist - ohne einen eigenen Antrag zu stellen - ua darauf hin, dass eine Erfüllungswirkung ihrer Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge nicht angenommen werden könne, weil sie Beiträge auf das Arbeitslosengeld, nicht auf das Arbeitsentgelt entrichte und somit eine eigene Beitragsschuld erfülle, nicht dagegen diejenige des Arbeitgebers. Auch seien in diesen Fällen die Gläubiger der Sozialversicherungsbeiträge nicht identisch. Die Entsprechung sei "rein betragsmäßig", die Nachforderungssumme aber gleichwohl "im Umfang der Befreiung" zu mindern.

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Die zu 2. bis 19. beigeladenen Einzugsstellen stellen keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Sprungrevision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden konnte (§ 124 Abs 2 SGG), ist unbegründet und zurückzuweisen.

14

Zutreffend hat das SG die Klage gegen den vom beklagten Rentenversicherungsträger im Rahmen der Betriebsprüfung (Arbeitgeberprüfung) erlassenen Bescheid vom 6.8.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 abgewiesen. Das angegriffene erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte war insbesondere befugt, die Beitragssumme gegenüber dem Kläger durch Nachforderungsbescheid "mit Fälligstellung und Zahlungsfristsetzung" festzusetzen (dazu 1.). Sie durfte die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge - gegen deren (materiell-rechtliche) Berechtigung und rechnerische Ermittlung der Kläger "dem Grunde nach" keine Einwendungen erhebt - auch in der genannten Höhe verlangen; die angefochtenen Bescheide sind zudem inhaltlich hinreichend bestimmt (dazu 2.).

15

1. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der insolventen K. GmbH für die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch noch nach seiner Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) am 1.2.2010 durch Erlass eines Nachforderungsbescheides in Anspruch zu nehmen. Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten maßgebend von derjenigen - vom Kläger hervorgehobenen - im Arbeitsrecht, wonach einer Leistungsklage des Arbeitnehmers nach vom Insolvenzverwalter angezeigter Masseunzulänglichkeit bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlen soll (vgl dazu BAG Urteil vom 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, AP Nr 1 zu § 209 InsO).

16

a) Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht(Satz 5).

17

Im Interesse einer wirksamen Beitragsüberwachung, die eine enge Zusammenarbeit der Einzugsstellen und der Rentenversicherungsträger erfordert, verpflichtet § 28p Abs 1 S 3 SGB IV die Einzugsstellen außerdem, den für den Arbeitgeber zuständigen Rentenversicherungsträger zu unterrichten, wenn ihnen Tatsachen bekannt werden, die beim Arbeitgeber eine alsbaldige Prüfung erforderlich erscheinen lassen. Die Voraussetzungen der Unterrichtungspflicht sind dann gegeben, wenn Anhaltspunkte für eine Prüfung aus besonderen Gründen bestehen; solche können in der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen (vgl hierzu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs - 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1205 S 6 zu Art 1 Nr 3 <§ 28p>, hier zu Absatz 1). In den Fällen eines Insolvenzereignisses etwa veranlassen die Einzugsstellen "ad-hoc"-Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) durch die Rentenversicherungsträger.

18

b) Zeigt der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an, so wird die Vollstreckung einer (Alt)Masseverbindlichkeit iS des § 209 Abs 1 Nr 3 InsO nach § 210 InsO unzulässig (Vollstreckungsverbot). Das - von Amts wegen zu beachtende - Vollstreckungsverbot für Massegläubiger wird kraft Gesetzes mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter wirksam. Sinn und Zweck des § 210 InsO ist, die Befriedigung der Massegläubiger in einem gesetzmäßigen Verfahren zu erreichen und zu verhindern, dass nachrangige (Alt)Massegläubiger zulasten der vorrangigen Gläubiger nach § 209 Abs 1 Nr 1 und 2 InsO durch Einzelvollstreckung die volle Befriedigung ihrer Forderungen durchsetzen und auf diese Weise die Insolvenzmasse vorzeitig entleeren(vgl Hefermehl in Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl 2013, § 210 RdNr 1, 3; Uhlenbruck in Berscheid/Hirte/Lüer/Maus/Sinz/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl 2003, § 210 RdNr 1; Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl 2001, § 210 RdNr 1). Das Vollstreckungsverbot erfasst Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jeder Art; es bezieht sich auf alle Verfahren, die zu einer Vollstreckung in die Insolvenzmasse führen (vgl Hefermehl, aaO, § 210 RdNr 7; Uhlenbruck, aaO, § 210 RdNr 3) und gilt damit auch für Verwaltungsbehörden als (Alt)Massegläubiger (vgl - für § 60 KO und Vollstreckungen des Finanzamts in die Konkursmasse - schon BFHE 181, 202, 203 f = BStBl II 1996, 511).

19

In der finanzgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings geklärt (vgl etwa BFHE 218, 432, 434 = BStBl II 2008, 322; Sächsisches OVG NVwZ-RR 2013, 333 f = ZIP 2013, 424; s auch - zur Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Vornahme vertretbarer Handlungen im Immissionsschutzrecht trotz Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO - VGH Mannheim NVwZ-RR 2012, 460, 461 f = ZIP 2012, 1819), dass abgabenrechtliche Forderungen gegen den Insolvenzverwalter auch dann (noch) durch Verwaltungsakt festgesetzt werden dürfen, wenn dieser bereits die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs 1 InsO angezeigt hat. Im Hinblick auf die in der Abgabenordnung (AO) angelegte systematische Trennung zwischen Festsetzungs- (§§ 155 ff AO) und Erhebungsverfahren (§§ 218 ff AO) schränke das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO lediglich die Befugnis ein, den Verwaltungsakt zu vollstrecken, nicht aber, ihn zu erlassen. Die Festsetzung der Abgabenschuld durch Verwaltungsakt wird hierbei als Grundlage für die Verwirklichung (Erhebung) der Abgabe betrachtet. Nichts anderes kann im Kern in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche Beitragsforderungen gelten. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwendungen können nicht überzeugen.

20

c) Vor dem dargestellten Hintergrund durfte auch die Beklagte die Beitragssumme dem Kläger gegenüber trotz eines - möglicherweise bestehenden - Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO durch Leistungs- bzw Zahlungsbescheid festsetzen und musste sich nicht - wie der Kläger meint - auf eine (bloße) Feststellung der Forderung beschränken(so aber LSG Baden-Württemberg ZIP 2015, 396 ff, Revision beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen B 12 R 2/15 R; LSG Baden-Württemberg Urteile vom 16.12.2014 - L 11 R 1115/14 und L 11 R L 11 R 1116/14 - Juris RdNr 22, Revisionen anhängig unter B 12 R 3/15 R und B 12 R 4/15 R; aA wohl SG Duisburg Urteil vom 8.11.2010 - S 21 R 187/09). Insbesondere erweist sich ein solches Leistungs- bzw Zahlungsgebot nicht deshalb als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, nur weil es aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht vollstreckt werden könnte.

21

Der Senat kann offenlassen, welchen Rang die Verpflichtung zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Gefüge des Insolvenzrechts einnimmt, dh, ob sie den (Alt-)Masseverbindlichkeiten des § 209 Abs 1 Nr 3 InsO zuzuordnen ist oder nicht und ob § 210 InsO insoweit (überhaupt) zur Anwendung gelangt oder nicht(im erstgenannten Sinne LSG Baden-Württemberg ZIP 2015, 396, 398, Revision beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen B 12 R 2/15 R; aA wohl SG Stuttgart Urteil vom 3.11.2011 - S 5 R 2494/11 - Juris RdNr 12). Denn selbst wenn die Beitreibung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen eines Verbots der Einzelzwangsvollstreckung nach § 210 InsO unzulässig sein sollte, schlüge dies jedenfalls nicht auf die Befugnis der Beklagten durch, gegenüber dem Kläger einen Nachforderungsbescheid zu erlassen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, berücksichtigt der Kläger bereits nicht, dass der Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Verwaltungsakts als solcher selbst noch keine Vollstreckungsmaßnahme darstellt, wie sie § 210 InsO verbietet. Er beachtet außerdem nicht, dass der Leistungs- und Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erst die Grundlage für das Beitragsverfahren schafft. Ob ein solcher Bescheid dann vollstreckt werden darf oder ob die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheidet, ist erst auf einer späteren Ebene von den Krankenkassen (als Einzugsstellen) beim Einzug der Beiträge und hier in einem letzten, selbstständigen Verfahrensabschnitt zu prüfen, wenn die vom Arbeitgeber geschuldete Beitragssumme nicht freiwillig gezahlt wird.

22

Zu Recht hat das SG im Übrigen darauf hingewiesen, dass das Verfahren zur Erhebung (§ 76 Abs 1 SGB IV) von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Fall einer Betriebsprüfung durch die Träger der Rentenversicherung zweigeteilt ist. Seit 1.1.1999 liegt die Überprüfung von Arbeitgebern nicht mehr - wie bis dahin - bei den Krankenkassen als Einzugsstellen, sondern obliegt den Rentenversicherungsträgern, die diese grundsätzlich in alleiniger Verantwortung durchzuführen haben (zu den Gründen und der stufenweisen Einführung der Prüfzuständigkeit der Rentenversicherungsträger vgl die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1205 S 6 zu Art 1 Nr 3 <§ 28p>, hier zu Absatz 1, sowie Neidert DRV 1995, 651, 654 ff; ferner Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand März 2014, K § 28p RdNr 3 ff). In der Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger liegt seither die Prüfung der ordnungsgemäßen Erledigung der melde- und beitragsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeber, während die laufende Überwachung des Meldeverfahrens (vgl § 28a SGB IV) und - in diesem Zusammenhang - der Einreichung der Beitragsnachweise und der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Beitragseinzug, hier die Geltendmachung von (rückständigen) Beiträgen, weiterhin den Einzugsstellen übertragen ist (vgl § 28h Abs 1 S 2 und 3 SGB IV). Auf die Rentenversicherungsträger "ausgelagert" ist danach nur die turnusmäßige (Außen)Prüfung, also die Prüfung "vor Ort" in den Unternehmen (vgl hierzu etwa Schlegel in Küttner, Personalbuch 2015, 22. Aufl, "Außenprüfung" RdNr 12; ferner Wehrhahn in Kasseler Komm, Stand März 2013, § 28p SGB IV RdNr 6; Neidert DRV 195, 651, 657). Die Einzelheiten dieser Prüfung sind in der Beitragsverfahrensordnung - BVV - vom 3.5.2006 (BGBl I 1138) geregelt.

23

Zwar trifft es zu, dass die Rentenversicherungsträger nach Maßgabe des § 28p Abs 1 S 5 SGB IV (umfassend) ermächtigt sind, im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und - ausdrücklich auch zur - Beitragshöhe einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern zu erlassen; die hierfür (sonst) bestehende Zuständigkeit der Einzugsstellen nach § 28h Abs 2 S 1 SGB IV tritt insoweit zurück(§ 28p Abs 1 S 5 Halbs 2 SGB IV). Sie dürfen - wie jene - auch die Handlungsform des Verwaltungsakts in der Gestalt eines Leistungs- bzw Zahlungsgebots einsetzen. Macht ein Rentenversicherungsträger von der ihm durch § 28p Abs 1 S 5 SGB IV eingeräumten Befugnis zur Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Gebrauch, so kommt seinem Leistungs- bzw Zahlungsbescheid aber gleichwohl nur der Charakter eines Grundlagenbescheides für die Erhebung der Beiträge zu, weil Betriebsprüfungen ihrerseits eine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung nicht entfalten(vgl zuletzt - im Zusammenhang mit einer geforderten Entlastungswirkung für Arbeitgeber - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 19). Die Betriebsprüfung hat insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl § 28h Abs 1 S 3 SGB IV) unternehmen können; im Insolvenzverfahren hat der Nachforderungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vor allem die Funktion, den Einzugsstellen die Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen zu ermöglichen, wenn - wie im vorliegenden Fall - Beitragsnachweise und/oder Meldungen des Arbeitgebers fehlen bzw unvollständig oder unzutreffend sind (vgl § 28f Abs 3 S 3 SGB IV). In diesem Sinne regelt ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Leistungs- bzw Zahlungsbescheid des Rentenversicherungsträgers für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug (so auch SG Duisburg Urteil vom 8.11.2010 - S 21 R 187/09). Der Beitragseinzug ist nach der dem Beitrags(erhebungs)verfahren des SGB IV immanenten Trennung zwischen Überprüfung des Arbeitgebers einerseits und seiner Überwachung sowie der Geltendmachung von Beitragsansprüchen andererseits (vgl hierzu den Zusammenhang zwischen § 28h Abs 1 S 2 und 3, § 28p Abs 1 S 3, Abs 3, § 76 Abs 3 und 4 SGB IV) nämlich Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen und von diesen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorzunehmen, wenn wegen versicherungs- und/oder beitragsrechtlicher Änderungen eine Abweichung von den Prüffeststellungen in Betracht kommt. Erst der (Leistungs- bzw Zahlungs-)Bescheid des Rentenversicherungsträgers schafft die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittelt insoweit den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinne zu haben, die Verwaltungsakten mit einem Leistungs- bzw Zahlungsgebot üblicherweise zukommt. Dass der Bescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers - wie der Kläger einwendet - "ein Verhalten abverlangt", das "rechtmäßiger Weise gar nicht mehr durchgesetzt werden kann", ist vor diesem Hintergrund - wegen der vom Gesetz vorgegebenen und von den Versicherungsträgern zu beachtenden Zweiteilung der Aufgaben - am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips nicht zu beanstanden. Rechte der Betroffenen im Insolvenzverfahren werden dadurch schon mit Blick auf § 209 InsO nicht beeinträchtigt, zumal es sich bei Insolvenzverwaltern - wie dem Kläger - um sachkundige Adressaten solcher Bescheide der Rentenversicherungsträger handelt, denen (trotz aus Laiensicht möglicherweise zu Missverständnissen Anlass gebenden Bescheidformulierungen) ohne Weiteres die Funktion der aufgezeigten Vorgehensweise der Träger (= Ersetzung fehlender bzw fehlerhafter Arbeitgebermeldungen gegenüber den Einzugsstellen) klar sein muss und die aufgrund ihrer Fachkenntnis von der betroffenen Materie keinen Zweifel daran haben können, dass durch deren Vorgehen keineswegs bereits eine Regelung der endgültigen und ohne Weiteres der Vollstreckung fähigen Beitragsforderung vorgenommen wird(dazu auch näher sogleich).

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2. Die Beklagte durfte die Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Kläger auch in Höhe von 101 046,18 Euro festsetzen.

25

Die angefochtenen Bescheide sind nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte im Hinblick auf § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB III gehalten gewesen wäre, die rückständigen Beiträge von Beginn an in niedrigerer Höhe zu ermitteln oder ihre Summe im Widerspruchsverfahren im Wege der Teilabhilfe bzw später durch "Bescheidkorrektur" zu reduzieren(dazu a). Die Bescheide sind auch nicht etwa inhaltlich zu unbestimmt, weil - wie der Kläger vorträgt - unter den Beteiligten "Einigkeit darüber bestehen" dürfte, dass die von der Beklagten "austenorierte" Gesamtforderung gegenüber den Einzugsstellen später wegen beitragsrechtlicher Veränderungen nicht in voller Höhe beglichen werden muss (dazu b).

26

a) Nach § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB III wird der Arbeitgeber von seiner Verpflichtung befreit, Beiträge (auf das Arbeitsentgelt) an die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu entrichten, soweit er der BA (= Beigeladene zu 1.) Sozialversicherungsbeiträge zu ersetzen hat, die diese für dieselbe Zeit im Zusammenhang mit einer "Gleichwohlgewährung" von Arbeitslosengeld - nach § 143 Abs 3 S 1 SGB III in der hier maßgebenden, bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung - (auf das Arbeitslosengeld) entrichtet hat. Die Befreiung des Arbeitgebers von der Entrichtungsverpflichtung reicht damit dem Grunde und der Höhe nach so weit, wie der Ersatzanspruch der BA besteht; dieser Anspruch entsteht mit der Entrichtung der Beiträge durch die BA an die Einzugsstellen (vgl noch zu § 160 Abs 1 S 2 AFG BSG SozR 2200 § 29 Nr 13 S 34 f). Darüber hinaus verbleibt es bei der Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen auf das Arbeitsentgelt an die zuständigen Einzugsstellen (vgl zB Wagner in GK-SGB III, Stand August 2014, § 335 RdNr 9; Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand September 2014, § 335 RdNr 77; ferner Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 335 RdNr 33).

27

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass aus einer "Freistellung" von der Entrichtungsverpflichtung im Sinne des § 335 Abs 3 S 2 SGB III für das Beitrags(festsetzungs)verfahren "Konsequenzen zu ziehen" seien und auch in einem im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erlassenen Verwaltungsakt der Rentenversicherungsträger berücksichtigt werden müsse, dass und in welchem Umfang Zahlungspflichten des Arbeitgebers nach § 335 Abs 3 S 2 SGB III entfallen seien; andernfalls - so der Kläger - würden dort Leistungspflichten festgelegt, die (jedenfalls teilweise) nicht mehr bestünden, weil die zu 1. beigeladene BA die Beitragsschuld des Arbeitgebers insoweit getilgt habe. Der Kläger meint, die vollumfängliche, nicht um die von der BA bereits entrichteten Beiträge verminderte Nachforderung in den angefochtenen Bescheiden lasse sich auch nicht - wie das SG angenommen habe - mit deren angeblicher "Funktion als Beitragsnachweis" begründen. Dem ist nicht zu folgen.

28

Der Senat kann offenlassen, ob eine Befreiung des Arbeitgebers von der Verpflichtung zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen nach § 335 Abs 3 S 2 SGB III schon dann eintritt, wenn die zu 1. beigeladene BA - wie hier mit Schreiben vom 11.11.2010 - ihren Anspruch auf Beitragsersatz durch Bescheid gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt hat, oder ob hierfür allgemein hinzukommen muss, dass diese auf Ersatz gerichtete Forderung der BA auch tatsächlich beglichen wurde (ablehnend insoweit SG Dortmund Urteil vom 4.5.2012 - S 34 R 84/11); einem solchen Erfordernis wäre allerdings im Insolvenzverfahren nur schwer zu genügen. Jedenfalls gibt die "Freistellung" des Arbeitgebers von der Entrichtungsverpflichtung diesem nicht - wie der Kläger (im Anschluss an SG Düsseldorf ZIP 2010, 1814, 1815, SG Stuttgart Urteil vom 3.11.2011 - S 5 R 2494/11 - Juris RdNr 15 und SG Dortmund Urteil vom 4.5.2012 - S 34 R 84/11) meint - einen von den Rentenversicherungsträgern bei der Festsetzung von Beitragsnachforderungen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu beachtenden Erfüllungseinwand. Zutreffend weist die Beigeladene zu 1. im Revisionsverfahren nämlich darauf hin, dass sie mit ihrer Beitragszahlung anlässlich der "Gleichwohlgewährung" nicht etwa eine Beitragsschuld des Arbeitgebers, sondern eine eigene Beitragsschuld erfüllt; denn die Beigeladene zu 1. führt Beiträge - wegen einer Versicherungspflicht aufgrund des Leistungsbezugs (vgl § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB XI)- nur auf das Arbeitslosengeld ab und nicht etwa - wegen einer Versicherungspflicht aufgrund (fortbestehender) Beschäftigung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI)- auf das Arbeitsentgelt. Gegen die Beurteilung als Erfüllungseinwand spricht auch, dass ein solcher Einwand dann in funktionswidriger Weise letztlich immer schon dann eingriffe, wenn die Beiträge auf das Arbeitslosengeld von der BA tatsächlich gezahlt wurden.

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In diesem Sinne verschafft § 335 Abs 3 S 2 SGB III dann, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, dem Arbeitgeber nur einen Einwand der Zahlungsbefreiung, der - wie Beklagte und Beigeladene zu 1. zutreffend ausführen - verhindern soll, dass der Arbeitgeber der Gefahr einer Doppelbelastung ausgesetzt ist. Es soll vermieden werden, dass der Arbeitgeber Beiträge faktisch doppelt - zum einen auf das Arbeitslosengeld und zum anderen auf das Arbeitsentgelt - entrichtet bzw trotz Beitragsersatz nach § 335 Abs 3 S 1 SGB III den vollen Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlt. Der Befreiungseinwand besteht damit - wie die Beigeladene zu 1. richtig vorträgt - lediglich im Hinblick auf eine "betragsmäßige Entsprechung" der Beiträge, ohne dass eine Erfüllungswirkung eintreten kann. Dieser Einwand der Zahlungsbefreiung ist aufgrund der dargestellten Zweiteilung des Beitrags(erhebungs)verfahrens im Fall der Betriebsprüfung (dazu oben 1. c) gegenüber den Einzugsstellen vorzubringen, denen der Bescheid nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV für den Inhalt des mit ihnen konkret bestehenden Beitragsrechtsverhältnisses eine Berechnungsgrundlage und - im Insolvenzverfahren - ein Mittel der Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen(vgl § 28f Abs 3 S 3 SGB IV) verschafft.

30

Dass die von der zu 1. beigeladenen BA geleisteten Sozialversicherungsbeiträge von der mit einem Bescheid der Rentenversicherungsträger nachgeforderten Beitragssumme nicht "in Abzug" zu bringen sind und dass der Arbeitgeber mit seinem Einwand der Zahlungsbefreiung erst auf das Verfahren vor den Einzugsstellen beim Vollzug der Beitragsforderung verwiesen werden muss, ist - entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung - auch sachgerecht. Er trägt selbst vor, dass die Geltendmachung der "Anspruchsübergänge" durch die BA und ihre bescheidmäßige Festsetzung des Anspruchs auf Beitragsersatz gegenüber dem Arbeitgeber "oftmals recht zögerlich" erfolgen. Ein Zuwarten vertrüge sich aber nicht mit der schon oben beschriebenen (dazu 1. a) Funktion von Betriebsprüfungen in Fällen eines Insolvenzereignisses, auf ein berechtigtes Prüfersuchen der Einzugsstellen hin "ad hoc" die Höhe noch bestehender Beitragsforderungen zu ermitteln. Auch hätte der Arbeitgeber bei einem solchen Verfahrensverständnis nicht "anstelle der Behörde" über eigene Berechnungen herauszufinden, welche Beitragssumme er letztlich an die Einzugsstellen zahlen muss; denn mit dem an ihn gerichteten Festsetzungsbescheid der BA über den Ersatz der von ihr anlässlich der "Gleichwohlgewährung" geleisteten Sozialversicherungsbeiträge wäre der Umfang der "Freistellung" von der Zahlungsverpflichtung einfach nachzuweisen. Auch ist nicht nachzuvollziehen, warum eine Geltendmachung des Befreiungseinwands gegenüber den Einzugsstellen beim Vollzug der Beitragsforderung eine doppelte Inanspruchnahme des Arbeitgebers weniger wirkungsvoll verhindern können soll als in dem Fall, in dem der Befreiungseinwand bereits dem (prüfenden) Rentenversicherungsträger entgegenzusetzen wäre.

31

b) War die Beklagte nach alledem berechtigt, mit Bescheiden nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV die (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in voller Höhe nachzufordern, so sind diese Bescheide - entgegen der vom Kläger(im Anschluss an SG Düsseldorf ZIP 2010, 1814, 1815) vertretenen Ansicht - auch in Übereinstimmung mit § 33 Abs 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

33

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 15 830,54 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von der Klägerin getragener Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

2

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ua einen Spezialgroßhandel für Brems- und Betätigungszüge. Einer von zwei Geschäftsführern war seit 25.2.1980 (Gründung der Gesellschaft) der Gesellschafter L. (im Folgenden: L.), der bis 26.2.1995 37,5 vH, vom 27.2.1995 bis 11.5.1997 62,5 vH und seitdem (wieder) 37,5 vH der Gesellschaftsanteile hielt. Während des gesamten Zeitraums verfügte L. bei wichtigen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung über eine sog Sperrminorität, weil diese Beschlüsse der Zustimmung von mindestens 80 vH der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen bedurften. Die Klägerin entrichtete für L. vom 25.2.1980 bis 31.12.1999 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung.

3

Am 20.10.1997 führte die AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen (im Folgenden AOK) als Einzugsstelle eine Betriebsprüfung (Arbeitgeberprüfung) bei der Klägerin durch (Prüfzeitraum 1.10.1993 bis 31.12.1996). In einer aus Anlass der Abschlussbesprechung vom Steuerberater der Klägerin gefertigten Aktennotiz heißt es: Zwar habe der Mitarbeiter der AOK erwähnt, "dass eventuell zu prüfen sei, ob die Sozialversicherungspflicht für die beiden Gesellschafter korrekt ist, bzw. ob es zu einer Versicherungsfreiheit kommen kann". Der Mitarbeiter habe "dieses Thema aber nicht mehr weiter verfolgt, da auch noch die Erben H. an der Gesellschaft beteiligt waren". Die AOK verwies hierzu darauf, dass die Prüfung der Versicherungspflicht der beiden Geschäftsführer der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht Gegenstand der im Jahr 1997 durchgeführten Betriebsprüfung gewesen sei. Die Einzugsstelle habe sich bei der Prüfung auf Stichproben beschränken dürfen. Im Anschluss an eine (weitere) Betriebsprüfung durch die LVA Hessen am 5.6.2001 trug die Prüferin im Protokoll der Schlussbesprechung ein, dass für L. ab 1.1.2000 keine Beiträge zur Sozialversicherung mehr abgeführt würden, "obwohl dem Grunde nach Sozialversicherungspflicht besteht".

4

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.11.2001 stellte die AOK als Einzugsstelle gegenüber der Klägerin fest, dass L. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer ab 25.2.1980 nicht wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliege.

5

Am 18.12.2001 beantragte die Klägerin bei der AOK, ihr die vom 25.2.1980 bis 31.12.1999 für L. gezahlten "Beiträge" zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten. Die AOK leitete den Antrag unter Hinweis auf eine in Betracht kommende Verjährung zuständigkeitshalber an die Rechtsvorgängerin der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) weiter. Mit zwei Bescheiden vom 11.6.2002 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und L. fest, dass die von der Klägerin zur Arbeitslosenversicherung gezahlten Beiträge in voller Höhe zu Unrecht entrichtet worden seien, und setzte den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 1.12.1996 bis 31.12.1999 auf jeweils 9785,10 DM (= 5003,04 Euro) fest. Für die Zeit vor dem 1.12.1996 lehnte sie eine Erstattung ab, weil der Erstattungsanspruch insoweit verjährt und sie nicht verpflichtet sei, im Wege einer Ermessensentscheidung auf die Einrede der Verjährung zu verzichten; die Beitragsüberzahlung sei nämlich nicht auf fehlerhaftes Verwaltungshandeln zurückzuführen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2002 zurück.

6

Die Klägerin hat Klage erhoben und begehrt, die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, an sie die für L. "für die Zeit vom 25.2.1980 bis zum 30.11.2001 gezahlten Beiträge in Höhe von 94 326,25 Euro abzüglich bereits gezahlter 5003,04 Euro zu erstatten". Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.10.2007). Die Klägerin hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, "ihr gezahlte Beiträge in Höhe von weiteren 89 323,21 Euro für den Zeitraum vom 25.2.1980 bis zum 30.11.1996 zu erstatten". Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe sich ermessensfehlerfrei auf die Einrede der Verjährung berufen. Das SG habe die Rechtsfolgen durchgeführter Betriebsprüfungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zutreffend dargestellt. Betriebsprüfungen bezweckten danach nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen. Vielmehr liege es primär in der Verantwortung des Arbeitgebers, den Versicherungsstatus seiner Mitarbeiter richtig zu beurteilen. In Zweifelsfällen sei der zuständige Versicherungsträger oder die Einzugsstelle zu befragen und ein Feststellungsverfahren einzuleiten. Bei Klein- oder Kleinstbetrieben (mit nur sehr wenigen oder überhaupt keinen weiteren Arbeitnehmern) bestehe keine weitergehende Prüfungspflicht; eine solche lasse sich weder den Vorschriften des SGB IV noch der Beitragsüberwachungsverordnung (BeitrÜV) entnehmen. Auch hier dürfe sich eine Betriebsprüfung infolgedessen auf Stichproben beschränken, sodass einzelne gemeldete Mitarbeiter von der Prüfung ausgeschlossen bleiben könnten. Anlass, die Umstände der im Jahr 1997 durchgeführten Betriebsprüfung weiter aufzuklären, gebe es nicht (Urteil vom 18.2.2011).

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von § 27 Abs 2 S 1 SGB IV sowie der für eine Prüfung der Sozialversicherungsträger bei den Arbeitgebern geltenden Vorschriften. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei "rechtsmissbräuchlich". Bei den vorangegangenen Betriebsprüfungen habe sich die Sozialverwaltung nicht auf stichprobenartige Prüfungen beschränken dürfen. Jedenfalls für Kleinbetriebe müssten andere Maßstäbe gelten. Ein Kleinbetrieb, der - wie sie - nur wenige Mitarbeiter habe, könne erwarten, dass ein Betriebsprüfer die Sozialversicherungspflicht dieser Mitarbeiter vollständig und verlässlich beurteile. Insoweit sei der vom LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 25.8.2005 (L 1 AL 5/05 - Juris = NZA 2006, 534) vertretenen Auffassung zu folgen. Soweit es um die begriffliche Abgrenzung des Kleinbetriebs von sonstigen Betrieben gehe, könne an die Vorstellungen des Gesetzgebers im Kündigungsschutzgesetz angeknüpft werden. Es sei unerträglich, dass Betriebsprüfer bei fehlerhafter Prüfung keiner Haftung unterlägen und sich darüber hinaus die Sozialverwaltung - einerseits - gegen eine Beitragserstattung durch die Verjährungseinrede schützen könne, während sie - andererseits - die Zahlung von Arbeitslosengeld verweigern dürfe.

8

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2011 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 11. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2002 zu verurteilen, ihr weitere 15 830,54 Euro zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Erhebung der Verjährungseinrede stelle keine unzulässige Rechtsausübung dar. Nach der Rechtsprechung des BSG begründeten auch bei Kleinbetrieben durchgeführte Betriebsprüfungen keinen Vertrauensschutz.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Zutreffend hat das LSG ihre Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Klägerin kann von der beklagten Bundesagentur für Arbeit die Erstattung der von ihr als Arbeitgeberin für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 für den Gesellschafter-Geschäftsführer L. getragenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht verlangen. Die Beklagte hat die Erfüllung des bestehenden Erstattungsanspruchs zu Recht verweigert; ihre Entscheidung, hinsichtlich dieser Beiträge die Einrede der Verjährung zu erheben, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 11.6.2002 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 ist daher (auch) insoweit rechtmäßig.

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der - an die Klägerin gerichtete - Bescheid vom 11.6.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 nur noch insoweit, als die Beklagte darin den Erstattungsantrag der Klägerin - hinsichtlich der für L. gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 - abgelehnt hat. Zu überprüfen ist darüber hinaus lediglich, ob die Klägerin die Erstattung der (in diesem Zeitraum) von ihr getragenen Beiträge (vgl § 26 Abs 3 S 1 SGB IV iVm § 185a Abs 1 S 2 Arbeitsförderungsgesetz), also der Arbeitgeberanteile, verlangen kann. Nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits ist - was die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klageantrag ebenfalls begehrt hat - nach entsprechender Beschränkung des Klagebegehrens die Erstattung der für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 von ihr getragenen Beiträge zur Rentenversicherung.

14

2. Die Klägerin kann von der Beklagten die Arbeitgeberanteile der für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 für L. entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht erstattet verlangen. Zwar war(en) ihr(e) Anspruch (Ansprüche) auf Beitragserstattung insoweit entstanden - und fällig geworden - (dazu a); er (sie) war(en) jedoch für die zwischen 1980 und November 1996 entrichteten Beiträge verjährt (dazu b). Die Beklagte macht auch beanstandungsfrei die Einrede der Verjährung geltend und ist deshalb zur Verweigerung der Erstattung berechtigt (dazu c).

15

a) Nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV bzw dem für das Recht der Arbeitsförderung bis zum 31.12.1997 geltenden - mit § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nahezu textidentischen - § 185a Abs 1 S 1 AFG(vgl zum Zeitpunkt des Entstehens von Beitragserstattungsansprüchen allgemein BSG SozR 3-2400 § 28 Nr 1 S 4) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge (zur Arbeitslosenversicherung) zu erstatten; eine Erstattung solcher Beiträge kommt nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, keine Leistungen erbracht oder zu erbringen hat (sog Verfallklausel). Gemäß § 26 Abs 3 S 1 SGB IV(iVm § 185a Abs 1 S 2 AFG) steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.

16

Die von der Klägerin für L. im streitigen Zeitraum getragenen und gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von ihr iS von § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV bzw § 185a Abs 1 S 1 AFG zu Unrecht entrichtet; denn mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.11.2001 stellte die Einzugsstelle fest, dass L. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer ab 25.2.1980 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht - und im Recht der Arbeitsförderung der Beitragspflicht - unterliegt. Die Klägerin hat ihren Beitragserstattungsanspruch erstmals im Dezember 2001 geltend gemacht; bis zu diesem Zeitpunkt wurden von der Beklagten Leistungen an L. nicht erbracht bzw waren nicht zu erbringen. Die Beklagte erfüllte den Beitragserstattungsanspruch bzw die Beitragserstattungsansprüche für die von Dezember 1996 bis Dezember 1999 entrichteten Beiträge durch entsprechende Zahlung.

17

Die für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von der Klägerin nicht etwa (bereits) deshalb gleichwohl zu Recht entrichtet, weil - wie die Beklagte einwendet - in der Vergangenheit bei früheren Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) ein für diese verbindlicher (§ 77 SGG) Verwaltungsakt über die Feststellung der Versicherungspflicht bzw - im Bereich der Arbeitslosenversicherung - der Beitragspflicht des L. ab 25.2.1980 ergangen sein könnte; ein solcher Verwaltungsakt wäre dann nämlich (weiterhin) Rechtsgrund für die Tragung der Beiträge und ließe einen Beitragserstattungsanspruch (schon gar) nicht entstehen mit der Folge, dass über Fragen der Verjährung vorliegend (überhaupt) nicht entschieden werden müsste (vgl zu einem solchen Fall BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2). Nach den Feststellungen des LSG waren bei früheren Betriebsprüfungen durch Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträger konkret die Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht des L. und die Richtigkeit der Beitragszahlungen feststellende, also der materiellen Bindung fähige personenbezogene Bescheide für einen bestimmten Zeitraum (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; auch BSG-Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) nicht ergangen. Zwar hat das Berufungsgericht von (weiteren) Ermittlungen zu der im Oktober 1997 (für den Prüfzeitraum 1.10.1993 bis 31.12.1996) von der Einzugsstelle durchgeführten Betriebsprüfung abgesehen und nicht (weiter) aufgeklärt, ob und in welchem Umfang die versicherungsrechtlichen Verhältnisse des L. seinerzeit (tatsächlich) vollständig überprüft wurden (bzw Anlass hierfür bestand). Jedenfalls hat das LSG aber festgestellt, dass wegen fehlender Kenntnis der Vertragsgestaltung und tatsächlichen Durchführung der Geschäftsführertätigkeit von einer solchen vollständigen Prüfung abgesehen (und diese - unvollständige - Prüfung damit auch nicht durch einen Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung und die Beitragshöhe abgeschlossen) wurde. Im Übrigen wären bei früheren Betriebsprüfungen ergangene Bescheide der Einzugsstelle zur Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht des L. durch den Bescheid der Einzugsstelle vom 18.12.2001 mit Rückwirkung ab 25.2.1980 schlüssig aufgehoben worden (siehe - zu einer vergleichbaren Konstellation - BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 13).

18

b) Die hier geltend gemachten entstandenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind verjährt.

19

Nach § 27 Abs 2 S 1 SGB IV(iVm § 185a Abs 1 S 2 AFG)verjährt der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. § 27 Abs 2 S 2 SGB IV, wonach die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahrs einer Beitragsbeanstandung durch den Versicherungsträger beginnt, findet in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung(vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 9, und BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341; ferner BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 11; nunmehr ausdrücklich § 351 Abs 1 S 2 SGB III). Die Verjährungsvorschriften bedürfen für den besonderen Zusammenhang des Beitragsrechts in der Arbeitslosenversicherung keiner Modifikation (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 10 ff; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341; BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 11). Auch ist - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - ihre Unkenntnis von den Beitragserstattungsansprüchen und damit die Möglichkeit, diese (rechtzeitig) geltend zu machen, für die Frage der Verjährung ohne Bedeutung (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341).

20

Die entstandenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der bis November 1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind demgemäß mit Ablauf des Jahres 2000 insgesamt verjährt. Anhaltspunkte für eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nach den sinngemäß geltenden Vorschriften des BGB (vgl § 27 Abs 3 S 1 SGB IV idF bis 31.12.2001 iVm §§ 198 ff BGB aF) sind nicht gegeben. Insbesondere hat die Klägerin einen schriftlichen Antrag auf Erstattung, der die Verjährung unterbrechen konnte (vgl § 27 Abs 3 S 2 SGB IV), erst im Dezember 2001 und damit nach Ablauf des Verjährungszeitraums gestellt.

21

c) Die Beklagte war auch, soweit es um die vor Dezember 1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geht, zur Verweigerung der Beitragserstattung wegen Verjährung berechtigt; sie hat ohne Rechtsfehler die Einrede der Verjährung erhoben.

22

Der Verjährungseinrede steht nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (venire contra factum proprium) als Unterfall des auch im öffentlichen Recht maßgebenden - und von Amts wegen zu beachtenden - § 242 BGB entgegen. Ob dieser Gesichtspunkt der Berufung auf den Verjährungseintritt bereits tatbestandsmäßig entgegensteht oder erst im Zusammenhang mit dem dem Schuldner nach § 27 Abs 3 S 1 SGB IV iVm § 222 Abs 1 BGB aF zustehenden Ermessen zu beachten ist(vgl zu dieser Frage BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 14 mwN; ferner BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Zutreffend geht das LSG - unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG) - nämlich davon aus, dass aus der Begründung des Bescheides der Beklagten vom 11.6.2002 und ihres Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 jedenfalls (auch) zu entnehmen ist, dass sie ihre Pflicht erkannte, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu treffen (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 15, mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341), und eine solche Ermessensentscheidung tatsächlich getroffen hat. Dabei hielt sie sich an ihre Verwaltungsanweisungen, die vorsehen, in Fällen einer "unbilligen Härte" von der Verjährungseinrede abzusehen. Hierzu heißt es in der Durchführungsanweisung der Beklagten zu § 27 SGB IV: "Eine besondere Härte ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der BA, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung (letzterer als Prüfinstitution) beruht, dh die fehlerhafte Beitragszahlung muss von einer dieser Stellen nachweislich verursacht worden sein." Dies verneinte die Beklagte für den vorliegenden Zusammenhang zu Recht.

23

Für das Ermessen relevante Gesichtspunkte im Sinne einer unbilligen oder besonderen Härte, die ausnahmsweise dazu hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft, unvorhergesehene Belastungen zu verhindern, hintanzustellen (vgl BSGE 40, 279, 280 = SozR 2200 § 29 Nr 4) und von der Verjährungseinrede abzusehen, liegen nicht vor. Insbesondere ist der (bloße) Umstand, dass in der Vergangenheit von Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträgern durchgeführte Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) hinsichtlich erfolgter Beitragszahlungen ohne Beanstandungen blieben, später aber für bereits geprüfte (abgeschlossene) Zeiträume festgestellt wurde, dass der Mitarbeiter nicht versicherungspflichtig bzw beitragspflichtig war, kein - der Beklagten zuzurechnendes - fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörden (dazu aa). Das ist unabhängig von der Betriebsgröße als "Rechtsfolge" auch bei Betriebsprüfungen in kleinen oder Kleinstbetrieben anzunehmen (dazu bb). Jüngere Instanzrechtsprechung "zur Beitragsprüfung", zu "Anforderungen der Rechtsentwicklung" oder "aktuelle rechtliche Bedürfnisse" veranlassen hier nicht zu einer anderen Beurteilung (dazu cc).

24

aa) Der Senat hat sich bereits wiederholt - im Zusammenhang mit sog Beitragsnachforderungsfällen (vgl BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1) und sog Beitragserstattungsfällen (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) - mit den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen befasst, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich später jedoch herausstellte, dass die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht von Mitarbeitern vom geprüften Arbeitgeber schon im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurden, dieses im Rahmen der Betriebsprüfung aber nicht aufgefallen war. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich als grundlegende Erkenntnis, dass Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten können, weil Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern (vgl stellvertretend BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 36, mwN; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20). Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen schon deshalb nicht zukommen, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 19 mwN). Betriebsprüfungen - ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger - bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa - mit Außenwirkung - "Entlastung" zu erteilen (vgl BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). Eine materielle Bindungswirkung kann sich lediglich dann und insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341). Hiervon ausgehend hat der Senat bei unterbliebenen Beanstandungen in Beitragsnachforderungsfällen das Bestehen einer Vertrauensgrundlage für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer) bzw eines vertrauensbegründenden (Verwirkungs-)Verhaltens des prüfenden Versicherungsträgers (vgl BSGE 47, 194, 196 ff = SozR 2200 § 1399 Nr 11) und in Beitragserstattungsfällen das Vorliegen eines eigenen oder zuzurechnenden fehlerhaften Verwaltungshandelns der Prüfbehörde (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21) verneint.

25

Ist die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters für den Arbeitgeber (oder Arbeitnehmer) zweifelhaft, so stehen ihm nämlich mehrere Möglichkeiten offen, Rechtsklarheit zu erlangen. Er kann gemäß § 28h Abs 2 S 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Beitragseinzugsstelle über die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht des Mitarbeiters durch Verwaltungsakt herbeiführen(vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr 7 S 35). An diese Entscheidung sind die Versicherungsträger nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X gebunden(§ 77 SGG). Mit dem gleichen Ziel kann heute der Weg des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV beschritten werden.

26

bb) Der Senat wendet diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Betriebsprüfungen in "kleineren" Betrieben an (vgl - im Zusammenhang mit Nachforderungsfällen - BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 33 bzw 34; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1 RdNr 38, und - im Zusammenhang mit Erstattungsfällen - BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341). Selbst für Betriebsprüfungen in sog Kleinstbetrieben mit nur einem (einzigen) "Aushilfsarbeiter" hat er eine Verpflichtung der Prüfbehörden verneint, die versicherungsrechtlichen Verhältnisse der (aller) Mitarbeiter vollständig zu beurteilen (vgl BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 1, 36). Obwohl in der Literatur teilweise die Forderung erhoben wird, die Prüfung solle umso dichter sein, je kleiner ein Betrieb ist (vgl hierzu Neidert/Scheer, DB 2011, 2547, 2548), darf die Prüfung von Aufzeichnungen und Unterlagen hier ebenfalls auf Stichproben beschränkt bleiben. Der Senat hat seine Auffassung schon in der Vergangenheit damit begründet, dass sich dem SGB IV und dem für Betriebsprüfungen geltenden Verordnungsrecht eine Unterscheidung zwischen "kleinen" und "großen" Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzweck von Betriebsprüfungen nicht entnehmen lässt (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341). Er hat weiter darauf hingewiesen, dass es im Übrigen auch bei kleineren Betrieben mit wenigen Arbeitnehmern ausgeschlossen sei, eine vollständige Überprüfung der Lohn(Entgelt)unterlagen vorzunehmen, weil die Prüfzeiträume mehrere Jahre umfassen und sich eine Vollüberprüfung sonst auf sämtliche Abrechnungszeiträume in allen Versicherungszweigen erstrecken müsste.

27

cc) An dieser Rechtsprechung - zum obligatorischen Umfang einer Betriebsprüfung, zur fehlenden Relevanz der Betriebsgröße insoweit und zu den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen - hält der Senat auch in Ansehung neuerer Instanzrechtsprechung "zur Beitragsprüfung" und trotz im Schrifttum erhobener (vorrangig sozialpolitisch einzuordnender) Forderungen nach einer Herstellung von Rechtsfrieden zwischen Sozialverwaltung einerseits und Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) andererseits fest.

28

Entgegen der vom LSG Rheinland-Pfalz in seinem - vom Berufungsgericht zitierten und von der Klägerin für ihren Rechtsstandpunkt herangezogenen - Urteil vom 25.8.2005 (L 1 AL 5/05 - Juris = NZA 2006, 534) vertretenen Auffassung sind Prüfbehörden, wenn "außer dem Gesellschafter-Geschäftsführer nur eine weitere Angestellte gemeldet" ist, nicht (von vornherein) zur umfassenden und erschöpfenden Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Mitarbeiter verpflichtet. Das LSG Rheinland-Pfalz belegt seine Ansicht, dass im Hinblick auf solche betrieblichen Besonderheiten für eine Stichprobenprüfung "kein Raum" sein bzw "grundsätzlich keine Veranlassung bestehen" soll, die Betriebsprüfung auf Stichproben zu beschränken (LSG, aaO, Juris RdNr 21 f) nicht mit einer juristisch nachvollziehbaren Argumentation.

29

Es ist auch nicht der vereinzelt im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl Rittweger, DB 2011, 2147 ff, unter Hinweis auf Bayerisches LSG Urteil vom 18.1.2011 - L 5 R 752/08 - Juris = ASR 2011, 250, und Bayerisches LSG Beschluss vom 7.10.2011 - L 5 R 613/11 B ER - Juris = NZS 2012, 280; kritisch - auf den Gesichtspunkt der Transparenz für die Rechtsverfolgung abhebend - auch Brand, NZS 2013, 641, 644) zu folgen, nach der zur Herstellung von "Kalkulationssicherheit bei den Arbeitgebern" in Beitragsnachforderungsfällen bei beanstandungsfreien Betriebsprüfungen ein "Bestandsschutz" für den gesamten geprüften Zeitraum und die versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Mitarbeiter angenommen werden müsse. Dieser "Bestandsschutz" soll dieser Auffassung zufolge - konstruktiv - dadurch erreicht werden, dass eine Betriebsprüfung als in jeder Hinsicht (verfahrens)abschließend betrachtet und zu diesem Zweck das Ergebnis der Prüfung festhaltenden Prüfberichten - in ihrer (nur noch) bis Ende 2010 bestehenden Form (vgl hierzu die Streichung des § 7 Abs 3 Beitragsverfahrensverordnung vom 3.5.2006 durch Art 10 Nr 1 Buchst a des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010, BGBl I 1127) - im Verhältnis zum Arbeitgeber Verwaltungsaktsqualität "zuerkannt" bzw ein "formeller Prüfabschluss-Bescheid" gegenüber dem Arbeitgeber gefordert wird (vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2148 f); bei Beitragsnachforderungen solle dann die Pflicht bestehen, die Bindungen des § 45 SGB X und dessen Vertrauensschutzregelungen zu beachten(vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2149), sodass "Eingriffe" in abgeschlossene (oder sich jedenfalls überschneidende) Prüfzeiträume nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich seien. In der Konsequenz dieser Auffassung müsste dann für Beitragserstattungsfälle - zum Zweck der Herstellung von "Kalkulationssicherheit bei den Arbeitgebern" - gefordert werden, dass eine Berufung auf den Verjährungseintritt als unzulässige Rechtsausübung gehindert sei, weil die Beitragsüberzahlung auf ein zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörde zurückgehe.

30

Gegen diese vor allem mit den "Anforderungen der Rechtsentwicklung" und "aktuellen rechtlichen Bedürfnissen" begründete Ansicht ist indessen einzuwenden, dass es - was aber (zunächst) erforderlich wäre - eine Ermächtigung für die Versicherungsträger (Prüfinstitutionen), Prüfberichte als Verwaltungsakte (mit Außenwirkung für den Arbeitgeber) zu erlassen, im SGB IV und in dem für Betriebsprüfungen geltenden Verordnungsrecht nicht gibt. So musste etwa nach § 1 Abs 3 S 1 der bis 30.6.2006 geltenden BeitrÜV vom 22.5.1989 (BGBl I 992) - und § 7 Abs 3 S 1 BVV in ihrer bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aaO) - jeder Versicherungsträger (Prüfinstitution), der eine Prüfung durchgeführt hatte, den Umfang und das Ergebnis der Prüfung … in einem "Bericht" festhalten. Der Prüfbericht, der - mit dem Ziel seiner Weitergabe etwa an die Einzugsstellen (vgl § 1 Abs 3 S 3 BÜV und § 7 Abs 4 S 3 BVV) - lediglich festhielt, welches versicherungsrechtliche Ergebnis aus dem geprüften Sachverhalt hervorging (vgl zu dessen Funktion BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20, mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) sollte nach der Konzeption des Verordnungsgebers, die in den einschlägigen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden hat, aber nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger (Prüfinstitution) Bedeutung erlangen und damit internen Charakter (ohne Außenwirkung für den Arbeitgeber) erhalten (so auch Neidert/Scheer, DB 2011, 2547). Eine (ausdrückliche) Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten "im Rahmen der Prüfung" besteht nur in § 28p Abs 1 S 5 SGB IV, nämlich soweit Versicherungspflicht und/oder Beitragspflicht sowie Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume (oder ggf durch Summenbescheid) festgestellt werden sollen.

31

Keine Verwaltungsakte stellen auch die - dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich abzugebenden (vgl § 1 Abs 4 S 1 BeitrÜV und § 7 Abs 4 S 1 BVV) - Mitteilungen der Versicherungsträger (Prüfinstitutionen) über das Ergebnis der Betriebsprüfung dar. Eine solche (bloße) Prüfmitteilung kommt in Betracht, wenn die Betriebsprüfung ohne Beanstandungen blieb; andernfalls wird das Ergebnis der Betriebsprüfung nämlich in der Gestalt von Bescheiden nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV bekanntgegeben(vgl auch Neidert/Scheer, DB 2011, 2547; Jochim in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 28p RdNr 138 f; Roßbach in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28p SGB IV RdNr 11). Schon nach dem Wortlaut der Verordnungsregelungen ("Mitteilung") setzt die Mitteilung an den Arbeitgeber diesem gegenüber keine (verbindliche) - regelnde oder feststellende - Rechtsfolge, sondern enthält lediglich eine (unverbindliche) Information des Versicherungsträgers (Prüfinstitution) über die zurückliegende Betriebsprüfung (so ausdrücklich Jochim, aaO, RdNr 138; Roßbach, aaO, RdNr 11; vgl auch Brand, NZS 2013, 641, 645).

32

Gegen die Annahme eines umfassenden "Bestandsschutzes" für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer) nach beanstandungsfreien Betriebsprüfungen spricht schließlich, dass das Verfahren der Betriebsprüfung (heute) inhaltsgleich und rechtlich gleichwertig neben dem Einzugsstellenverfahren (vgl § 28h Abs 2 SGB IV)und dem Anfrageverfahren (vgl § 7a SGB IV) besteht (vgl - zum Anfrageverfahren - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 17, 22 f; BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 13, 18 f)und für die Entscheidungskompetenzen der Einzugsstelle und der "Clearing-Stelle" im Rahmen der Beschäftigtenversicherung (entsprechende) zeitliche Einschränkungen gesetzlich (gerade) nicht gelten. Die Entscheidung, ob eine bestimmte Tätigkeit als Beschäftigung zur Versicherungspflicht führt oder nicht, kann auch im Einzugsstellen- und Anfrageverfahren grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkungen nachträglich getroffen werden; das hat der Senat für diese Verfahren stets ohne Weiteres angenommen und ist davon ausgegangen, dass Verwaltungsakte über das (Nicht)Bestehen von Versicherungspflicht hier unabhängig davon ergehen können, ob die Tätigkeit bereits zuvor von einer Einzugsstelle, der "Clearing-Stelle" oder bei einer Betriebsprüfung beurteilt und ohne Beanstandungen geblieben war (so auch - zum Einzugsstellenverfahren - LSG Baden-Württemberg Urteil vom 28.4.2009 - L 11 KR 2495/05 - Juris RdNr 53 = ArbuR 2009, 264). Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind allerdings auch im Einzugsstellen- und Anfrageverfahren (jedenfalls) dann zu prüfen, wenn in der Vergangenheit Verwaltungsakte mit materieller Bindungswirkung ergangen sind.

33

Vor diesem Hintergrund kann die im Schrifttum erhobene Forderung nach einem "neuen rechtlichen Rahmen", insbesondere einem formellen "Prüfabschluss-Bescheid", bzw einer "neuen Beitragsordnung" (vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2149) letztlich nur als Anregung an den Gesetzgeber verstanden werden, dem "Bestands- bzw Vertrauensschutz" nach Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen geblieben sind, mehr Beachtung zu schenken. Als Referenz wird insoweit vor allem die für Steuerbescheide, die aufgrund einer (steuerlichen) Außenprüfung ergangen sind, geltende Änderungssperre nach § 173 Abs 2 S 1 Abgabenordnung (AO) benannt, die - unter den dort geregelten Voraussetzungen - als zusätzliches Korrekturhindernis die allgemeinen Korrekturtatbestände des § 173 Abs 1 AO modifiziert; eine entsprechende Vorschrift existiert indessen für das Sozialversicherungsrecht nicht. Angesichts der jahrzehntelangen, dem Gesetzgeber bekannten Rechtsprechung des Senats zu den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen kann auch nicht von einer durch eine Analogie auszufüllenden Gesetzeslücke ausgegangen werden.

34

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

35

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrages der noch streitigen Forderung nach Erstattung der Arbeitgeberanteile der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung festzusetzen.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt sowie bei Arbeitsentgelt, das aus dem aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben errechnet wird, entstehen die Beitragsansprüche, sobald dieses ausgezahlt worden ist. Satz 2 gilt nicht, soweit das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt nur wegen eines Insolvenzereignisses im Sinne des § 165 Absatz 1 des Dritten Buches vom Arbeitgeber nicht ausgezahlt worden ist oder die Beiträge für aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben schon aus laufendem Arbeitsentgelt gezahlt wurden.

(2) Treffen beitragspflichtige Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen zusammen und übersteigen sie die für das jeweilige Versicherungsverhältnis maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze, so vermindern sie sich zum Zwecke der Beitragsberechnung nach dem Verhältnis ihrer Höhe so zueinander, dass sie zusammen höchstens die Beitragsbemessungsgrenze erreichen. Die beitragspflichtigen Einnahmen aus dem jeweiligen Versicherungsverhältnis sind vor der Verhältnisrechnung nach Satz 1 auf die maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze zu reduzieren. Für die knappschaftliche Rentenversicherung und die allgemeine Rentenversicherung sind die Berechnungen nach Satz 1 getrennt durchzuführen. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Personen, die als ehemalige Soldaten auf Zeit Übergangsgebührnisse beziehen (§ 166 Absatz 1 Nummer 1c des Sechsten Buches).

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. Juni 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit ein Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 31. Mai 2011 bis 30. November 2011 betroffen ist. Für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 30. Mai 2011 wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Im Revisionsverfahren ist noch ein Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1.8.2005 bis zum 30.11.2011 streitig.

2

Die 1947 geborene Klägerin ist bei dem beklagten privaten Krankenversicherungsunternehmen pflegeversichert und beantragte im August 2005 Leistungen für die häusliche Pflege. Die Beklagte beauftragte die "Gesellschaft für medizinische Gutachten MedicProof GmbH" (im Folgenden: MedicProof) mit der Erstellung eines Gutachtens. Die für die MedicProof tätige Ärztin K.
ermittelte am 8.10.2005 einen Pflegebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege von 23 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten täglich. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit ab, und die Klägerin hat am 26.6.2006 Klage beim SG erhoben. Im laufenden Klageverfahren holte die Beklagte ein weiteres Gutachten ein, weil die Klägerin eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend gemacht hat. Der für die MedicProof tätige Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin Dr. Z. stellte in einem Gutachten vom 11.7.2009 einen seit März 2009 bestehenden Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 70 Minuten und im Bereich der Hauswirtschaft von 45 Minuten täglich fest. Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin ab 1.4.2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe I.

3

Das SG hat neben diversen Unterlagen und ärztlichen Stellungnahmen ein Gutachten von Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin und physikalische und rehabilitative Medizin vom 27.6.2011 eingeholt, nach welchem sich der Hilfebedarf der Klägerin seit dem Tag der Begutachtung am 30.5.2011 im Bereich der Grundpflege auf 123 Minuten und im Bereich der Hauswirtschaft auf 60 Minuten täglich erhöht habe. Für den Zeitraum davor sei jeweils den Gutachten der MedicProof zu folgen. Das SG hat - nach einer Zeugenvernehmung der Pflegeperson der Klägerin - die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des für das Pflegegeld jeweils vorgesehenen Betrages unter Abzug bereits gewährter Zahlungen verurteilt, und zwar für die Zeit vom 1.8.2005 bis zum 15.11.2008 entsprechend der Pflegestufe II und seit dem 16.11.2008 entsprechend der Pflegestufe III (Urteil vom 16.11.2011). Es hielt die Gutachten der MedicProof für offensichtlich fehlerbehaftet und folgte weitgehend den Aussagen der Zeugin, die ua ausgeführt hatte, die Klägerin gehe zweimal pro Woche zur Lymphdrainage und zweimal pro Woche zur ärztlich angeordneten Physiotherapie (Massage) und müsse jede Woche einen Termin zur ärztlichen Untersuchung wahrnehmen.

4

Im Berufungsverfahren holte die Beklagte - wegen geltend gemachter weiterer Verschlechterungen - ein weiteres Gutachten der MedicProof von dem Arzt H. vom 10.5.2012 ein, der einen grundpflegerischen Hilfebedarf der Klägerin von täglich 143 Minuten und einen unveränderten hauswirtschaftlichen Hilfebedarf feststellte. Die Beklagte bewilligte schließlich im Wege eines Teilanerkenntnisses Pflegegeld nach der Pflegestufe I auch für den Monat März 2009 sowie seit Dezember 2011 nach der Pflegestufe II.

5

Das Hessische LSG hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen, soweit sie über das angenommene Anerkenntnis hinaus geht (Urteil vom 20.6.2013). Es hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob der Rechtsprechung des BSG zu folgen sei, dass nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) die ärztlichen Feststellungen in den von privaten Pflegeversicherungsunternehmen eingeholten Gutachten grundsätzlich verbindlich und nur im Falle einer offenbar von der wirklichen Sachlage erheblichen Abweichung unverbindlich seien. Die Voraussetzungen für Pflegegeld nach höheren als den jeweils anerkannten Pflegestufen lägen auch unter Berücksichtigung des vom SG eingeholten Gutachtens nicht vor. Der darin für den Zeitraum nach dem 30.5.2011 angegebene Hilfebedarf von 123 Minuten täglich sei jedenfalls auf unter 120 Minuten täglich zu korrigieren, da der Gutachter einen zu hohen Zeitbedarf für regelmäßige Arztbesuche angesetzt habe.

6

Mit ihrer infolge der Zulassung auf die Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 1.8.2005 bis zum 30.11.2011 beschränkten Revision macht die Klägerin geltend, der Gesetzgeber habe die Versicherten der privaten Pflegeversicherung denen der sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf Leistungsumfang, Versicherungsbedingungen und Rechtsschutz im Wesentlichen gleichstellen wollen (§ 23 Abs 6 Nr 1 SGB XI). Deshalb seien die Feststellungen der von der Beklagten beauftragten medizinischen Sachverständigen nicht verbindlich, und das vom SG eingeholte Sachverständigengutachten sei verwertbar. Die Verbindlichkeit der Feststellungen der Sachverständigen sei in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung - Bedingungsteil (MB/PPV) nicht vereinbart. Zudem beruft sich die Klägerin auf offenbare erhebliche Abweichungen der in den Gutachten der MedicProof getroffenen Feststellungen von der wirklichen Sachlage. Die Häufigkeit der Arztbesuche sei nicht thematisiert worden.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20.6.2013 zu ändern und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, soweit sie über das Anerkenntnis hinausgeht.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Nach den Regelungen des VVG seien die Feststellungen in den von ihr eingeholten Sachverständigengutachten nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abwichen. Die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens sei nach den wirksamen MB/PPV zwischen ihr und den Versicherten verbindlich vereinbart. Auch in der datenschutzrechtlichen Einwilligungs- und Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten sei eine Vereinbarung über die Durchführung des Sachverständigenverfahrens zu sehen. Für die Versicherten ergebe sich daraus keine Benachteiligung, da bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu einer Pflegestufe dieselben Maßstäbe angelegt würden, wie in der sozialen Pflegeversicherung. Sie sei auch selbst an die Feststellungen der Gutachter gebunden und habe keine Möglichkeit, sich von einer Leistungszusage zu lösen, selbst wenn die Feststellungen erheblich von der wirklichen Sachlage abwichen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin scheitert weder bereits am Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen (dazu 1.) noch an einer verspäteten gerichtlichen Geltendmachung des Leistungsanspruchs (dazu 2.). Zur Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf Pflegegeld ist das vom SG eingeholte Gutachten voll verwertbar. Der Senat hält nicht an der Auffassung fest, die Feststellungen in den von privaten Versicherungsunternehmen eingeholten Gutachten seien für die Sozialgerichte verbindlich, solange und soweit sie nicht "offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen" (dazu 3.). Die Gutachten der MedicProof sind daneben grundsätzlich gleichwertig, jeweils entsprechend ihrer Überzeugungskraft zu werten (dazu 4.). Auf dieser Grundlage ist die Revision für den Zeitraum vom 1.8.2005 bis zum 30.5.2011 unbegründet, weil der Klägerin für diese Zeit über die bereits anerkannten Leistungen nach der Pflegestufe I kein weiteres Pflegegeld zusteht (dazu 5.). Für den Zeitraum vom 31.5.2011 bis zum 30.11.2011 ist die Revision im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet, denn der Senat vermag auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend über einen Leistungsanspruch nach der Pflegestufe II für diesen Zeitraum zu entscheiden (dazu 6.).

11

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Klage ist als isolierte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) zulässig. Als privates Versicherungsunternehmen erlässt die Beklagte keine Verwaltungsakte, sodass es weder einer zusätzlichen Anfechtungsklage bedurfte, noch der Durchführung eines Vorverfahrens oder der Einhaltung einer Klagefrist. Nach der endgültigen Leistungsablehnung durch die Beklagte konnte Rechtsschutz nur durch Beschreitung des Klageweges erlangt werden (vgl BSG SozR 4-3300 § 23 Nr 2).

12

2. Der Leistungsanspruch ist nicht bereits wegen verspäteter gerichtlicher Geltendmachung ausgeschlossen. Nach § 12 Abs 3 VVG(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung der Verordnung zur Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsversicherung vom 19.12.1939, RGBl 2443, 2444) ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Diese Frist beginnt jedoch nach § 12 Abs 3 Satz 2 VVG(in der oben genannten Fassung) erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Die Beklagte hat in keinem ihrer Schreiben die mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen angegeben, sodass die Frist nicht in Gang gesetzt wurde. Gleiches gilt nach § 17 Abs 2 MB/PPV in der zur Zeit der Klageerhebung geltenden Fassung(Stand 1.6.2005), weil auch danach die Frist erst beginnt, nachdem der Versicherer den Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich abgelehnt hat.

13

3. Für die Beurteilung des Anspruchs auf Pflegegeld ist auch das vom SG eingeholte Gutachten uneingeschränkt zu berücksichtigen. Die Feststellungen, die die von der Beklagten beauftragten Gutachter getroffen haben, sind für die Gerichte nicht verbindlich. § 64 Abs 1 Satz 1 VVG(in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30.5.1908, RGBl 263, 276 f) sowie der seit 1.1.2008 geltende, wortgleiche § 84 Abs 1 Satz 1 VVG(idF des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007, BGBl I 2631), der im Folgenden allein aufgeführt wird, ist auf private Pflegepflichtversicherungsverträge nicht anwendbar. Insoweit gibt der Senat seine bisherige anderslautende Rechtsprechung (vgl BSG SozR 4-7690 § 64 Nr 1 = SozR 4-3300 § 23 Nr 3 = SozR 4-1500 § 103 Nr 3; BSGE 88, 262 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5; BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6) ausdrücklich auf. Nach § 84 Abs 1 Satz 1 VVG ist - wenn nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden sollen - die getroffene Feststellung nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Vorschrift ordnet damit grundsätzlich die Verbindlichkeit der Feststellungen eines Sachverständigen an, wenn vertraglich die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vereinbart wurde und die Feststellungen nicht offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen (vgl Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl 2014, § 84 RdNr 14; Kloth/Neuhaus in Schwintowski/Brömmelmeyer , Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl 2011, § 84 VVG RdNr 14; Beckmann in Honsell , Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 1999, § 64 RdNr 20; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl 2004, § 64 RdNr 22 ff). Die Verbindlichkeitsanordnung dieser Regelung lässt sich nicht mit den für private Pflegepflichtversicherungsverträge spezielleren Regelungen des § 23 SGB XI vereinbaren.

14

a) § 23 SGB XI enthält Sonderregelungen für private Pflegepflichtversicherungsverträge, die gegenüber den allgemeinen Regelungen des VVG vorrangig zu berücksichtigen sind, und - soweit die Vorschriften nicht in Einklang zu bringen sind - die allgemeinen Normen des VVG verdrängen. Private Versicherungsverhältnisse zur Durchführung der Pflegepflichtversicherung unterliegen zwar grundsätzlich dem zivilrechtlichen Versicherungsvertragsrecht; die private Vertragsfreiheit ist jedoch durch die Ausgestaltung als Pflichtversicherung erheblichen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen, die sich im Wesentlichen aus § 23 SGB XI ergeben. Der Gesetzgeber hat sich zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit für eine allgemeine Versicherungspflicht entschieden. Er hat dabei die Systementscheidung getroffen, die Versicherung nur für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung in der gesetzlichen sozialen Pflegeversicherung durchzuführen (§ 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI). Die private Pflegeversicherung ist zwar als Pflichtversicherung ausgestaltet, sie wird aber als privatrechtliches Versicherungsvertragsverhältnis durchgeführt. Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen oder im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 VVG genügen, versichert sind, sind verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen oder aufrechtzuerhalten(§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI), es sei denn, der Versicherte schließt einen entsprechenden Vertrag mit einem anderen privaten Versicherungsunternehmen (§ 23 Abs 2 Satz 1 SGB XI). Mit der Ausgestaltung als Pflichtversicherung hat der Gesetzgeber aber nicht nur die Vertragsabschlussfreiheit eingeschränkt, sondern auch weitgehende inhaltliche Vorgaben gemacht. Nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI muss der Vertrag Leistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des 4. Kapitels des SGB XI gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI). Nach § 23 Abs 6 Nr 1 SGB XI sind das private Krankenversicherungsunternehmen oder ein anderes die Pflegeversicherung betreibendes Versicherungsunternehmen verpflichtet, für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie für die Zuordnung zu einer Pflegestufe dieselben Maßstäbe wie in der sozialen Pflegeversicherung anzulegen. Diese Regelungen verdrängen die für private Versicherungsverhältnisse allgemein geltenden Vorschriften des VVG, soweit sie nicht miteinander vereinbar sind (vgl zum Ganzen bereits BVerfG Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197, 217 f = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 S 22 f = Juris RdNr 69 f). Seit 1.1.2008 stellt § 192 Abs 6 Satz 3 VVG klar, dass die Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung (von den Vorschriften des VVG) unberührt bleiben. Damit hat der Gesetzgeber den Vorrang der Regelungen des SGB XI gegenüber denen des VVG ausdrücklich normiert. Das schließt im Ergebnis die Anwendbarkeit der Verbindlichkeitsanordnung des § 84 Abs 1 Satz 1 VVG auf Gutachten im Auftrag des privaten Versicherungsunternehmens aus.

15

b) Wegen der weitgehenden gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung des privaten Pflegepflichtversicherungsverhältnisses kann bereits in der Sache kaum noch von einem vertraglich ausgehandelten Sachverständigenverfahren ausgegangen werden, für dessen Feststellungen § 84 Abs 1 Satz 1 VVG Verbindlichkeit anordnet(so bereits LSG NRW Urteil vom 11.7.2002 - L 16 P 9/01 - Juris; ebenfalls kritisch: Bastian, NZS 2004, 76 <80 ff>; vgl auch Heinemann, Medizinische Begutachtung in der privaten und sozialen Pflegeversicherung, 2009, 53 f). § 84 Abs 1 Satz 1 VVG setzt voraus, dass "nach dem Vertrag" einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden. Die Vorschrift findet daher nur auf vertraglich vereinbarte Sachverständigenverfahren Anwendung (vgl Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl 2014, § 84 RdNr 1; Kloth/Neuhaus in Schwintowski/Brömmelmeyer , Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl 2011, § 84 RdNr 4; Johannsen in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl, Bd 3, 2009, § 84 RdNr 21; Beckmann in Honsell , Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 1999, § 64 RdNr 21; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl 2004, § 64 RdNr 22).

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Die MB/PPV der Beklagten sehen die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vor. Nach § 6 Abs 2 Satz 1 MB/PPV(Stand 1.6.2005 sowie die bis zu der Fassung mit Stand vom 1.1.2010 insoweit - bis auf die durch die Klammersetzung gekennzeichneten Worte - identisch gebliebenen Fassungen, die den hier streitigen Zeitraum bis zum 30.11.2011 erfassen) sind Eintritt, Stufe und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit, die Eignung, Notwendigkeit und Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit, die Voraussetzungen des zusätzlichen Betreuungsbedarfs und die Notwendigkeit der Versorgung mit beantragten Pflegehilfsmitteln (und technischen Hilfen) durch einen von dem Versicherer beauftragten Arzt festzustellen. Mit der Durchführung der Untersuchungen kann der Medizinische Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung beauftragt werden (§ 6 Abs 2 Satz 3 MB/PPV in den og Fassungen). Die Kosten der Untersuchungen trägt der Versicherer, es sei denn, es wird innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten erneut der Eintritt eines Versicherungsfalles behauptet, ohne dass der Versicherer seine Leistungspflicht anerkennt (§ 6 Abs 2 Satz 8 MB/PPV in den og Fassungen). Auch in der Regelung des § 1 Abs 9 MB/PPV(in den og Fassungen) kommt zum Ausdruck, dass die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vorgesehen ist.

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Diese Vertragsbedingungen sind jedoch nicht Ausdruck der Vertragsfreiheit, sondern zeichnen im Wesentlichen das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI nach(vgl auch Heinemann, Medizinische Begutachtung in der privaten und sozialen Pflegeversicherung, 2009, 54; ähnlich Johannsen in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl, Bd 3, 2009, § 84 RdNr 10, die von einer zwingend vorgeschriebenen ärztlichen Begutachtung spricht). Das private Versicherungsunternehmen ist bei der Ausführung der privaten Pflegeversicherung nach § 23 Abs 6 Nr 1 SGB XI verpflichtet, zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit dieselben Maßstäbe anzulegen, wie in der sozialen Pflegeversicherung. Damit ist eine möglichst enge Anlehnung an das im SGB XI für die soziale Pflegeversicherung vorgegebene Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit bereits gesetzlich vorgegeben; wesentliche Abweichungen dürfen nicht vereinbart werden. Die grundsätzlich unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten für vertraglich vereinbarte Versicherungsbedingungen und solche, die auf gesetzlichen Vorgaben beruhen, machen deutlich, dass die Verbindlichkeitsanordnung des § 84 Abs 1 Satz 1 VVG nur für vertraglich vereinbarte, nicht für gesetzlich vorgegebene Sachverständigenverfahren gelten kann.

18

c) Das grundrechtlich geschützte Recht auf effektiven Rechtsschutz gebietet gerichtliche Kontrollmöglichkeiten, die nicht auf den Zugang zu den Gerichten beschränkt sind, sondern auch eine inhaltliche gerichtliche Kontrolle gewährleisten. Dies gilt nach Art 19 Abs 4 GG zunächst für die gerichtliche Kontrolle von Akten der öffentlichen Gewalt, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich in vollem Umfang von den Gerichten zu überprüfen sind. Die Maßstäbe für die gerichtliche Beurteilung privat-rechtlicher Streitigkeiten ergeben sich demgegenüber aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (vgl zum Ganzen zB Schulze-Fielitz in Dreier , Grundgesetz-Kommentar, Bd 1, 2013, Art 19 IV RdNr 36 f, 80 f, 116 f; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 13. Aufl 2014, Art 20 RdNr 91 f).

19

Der gerichtlichen Inhaltskontrolle von frei zwischen gleichen Partnern ausgehandelten Verträgen liegt der Gedanke zugrunde, dass bei vergleichbarer Verhandlungsstärke beider Vertragspartner die Vertragsfreiheit im allgemeinen zu ausgewogenen Vertragsinhalten führt, sodass sich die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle regelmäßig auf grobe Unbilligkeit, Sittenwidrigkeit, Treuwidrigkeit uÄ beschränken kann. Werden die Vertragsinhalte von einer Vertragspartei in allgemeinen Vertragsbedingungen vorgegeben, ist nach den §§ 305 ff BGB eine weitergehende Inhaltskontrolle vorgesehen, zB auf überraschende Klauseln oder auf eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Der Gesetzgeber hat die Verbindlichkeit der Feststellungen in einem vertraglich vereinbarten Sachverständigenverfahren nach § 84 Abs 1 Satz 1 VVG daher vor dem Hintergrund angeordnet, dass auch die vertraglichen Regelungen zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens mit einer grundsätzlich hinreichenden materiellen Gerechtigkeitsgewähr vereinbart bzw durch die Gerichte entsprechend korrigiert werden. Regelmäßig sehen die allgemeinen Versicherungsbedingungen vor, dass jede Partei einen Sachverständigen benennt und diese gemeinsam einen Obmann bestimmen (vgl Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl 2014, § 84 RdNr 4 ff, 11; Johannsen in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl, Bd 3, 2009, § 84 RdNr 28; Beckmann in Honsell , Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 1999, § 64 RdNr 22). Behält sich ein Versicherungsunternehmen jedoch - wie hier - in allgemeinen Geschäftsbedingungen das Recht vor, allein den Gutachter zu bestimmen, der dann verbindliche Regelungen trifft, wird darin regelmäßig eine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers (§ 307 BGB) gesehen, insbesondere wenn der Gutachter dem Verwender der Klausel aufgrund einer regelmäßigen Zusammenarbeit besonders nahe steht (vgl BGH Urteil vom 9.7.1981 - VII ZR 139/80 - BGHZ 81, 229, 236 = Juris RdNr 25; ähnlich BGH NJW-RR 2007, 1466 ; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 11.7.2002 - L 16 P 9/01 - Juris; vgl auch Johannsen in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl, Bd 3, 2009, § 84 RdNr 31 mwN; Heinemann, Medizinische Begutachtung in der privaten und sozialen Pflegeversicherung, 2009, 54; Bastian, NZS 2004, 76 <81 f>; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl 2004, § 64 RdNr 7; ähnlich Grüneberg in Palandt, BGB, 72. Aufl 2013, § 307 RdNr 129 f). Eine entsprechende Klausel kann daher regelmäßig nicht wirksamer Vertragsbestandteil werden. Die für die MedicProof tätigen Sachverständigen werden zudem einseitig von Seiten der Versicherer geschult, was neben der regelmäßigen Zusammenarbeit ebenfalls für ein besonderes Näheverhältnis spricht.

20

Vorliegend muss diese zivilrechtliche Inhaltskontrolle jedoch versagen. Denn die Durchführung des nach den MB/PPV vorgesehenen Sachverständigenverfahrens beruht auf den gesetzlichen Vorgaben des SGB XI und zeichnet das dort vorgesehene Verfahren ganz weitgehend nach. Es ist jedenfalls sachgerecht, wenn das die private Pflegepflichtversicherung betreibende Versicherungsunternehmen in seinen allgemeinen Versicherungsbedingungen möglichst weitgehende Parallelen zu dem im SGB XI für die soziale Pflegeversicherung vorgesehenen Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vorsieht. Es ist dazu nach § 23 Abs 6 Nr 1 SGB XI sogar verpflichtet. Darin kann weder eine überraschende Klausel noch eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden. In dieser Konstellation kann somit ersichtlich nicht die Vertragsfreiheit und die dazu vorgesehene Inhaltskontrolle als Argument für eine materielle Gerechtigkeitsgewähr herangezogen werden. Die Verbindlichkeitsanordnung ist aber nur vor dem Hintergrund der bestehenden zivilrechtlichen Wirksamkeitskontrolle der vertraglichen Regelungen zum Sachverständigenverfahren vom Gesetzgeber gewollt. Denn den privat Pflege(pflicht)versicherten können nicht sowohl die zivilrechtlichen als auch die sozialrechtlichen Kontrollmöglichkeiten, die ua eine grundsätzlich uneingeschränkte Überprüfung der von den Versicherungsträgern veranlassten Gutachten vorsehen (näher dazu unter e) aa)), versagt werden. Eine solche Auslegung könnte den Grundsätzen zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht mehr gerecht werden.

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d) Um Akte öffentlicher Gewalt geht es hingegen im beamtenrechtlichen Beihilferecht, sodass die Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes durch eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeiten der Gutachten in diesem Bereich besonders deutlich wird. Nach § 23 Abs 3 SGB XI sind Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, ebenfalls zum Abschluss einer entsprechenden anteiligen beihilfekonformen Versicherung im Sinne des § 23 Abs 1 SGB XI verpflichtet, sofern sie nicht nach § 20 Abs 3 SGB XI versicherungspflichtig sind, und diese beihilfekonforme Versicherung ist so auszugestalten, dass ihre Vertragsleistungen zusammen mit den Beihilfeleistungen den in § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI vorgeschriebenen Versicherungsschutz gewährleisten. In den Beihilfeverordnungen des Bundes und der Länder wird regelmäßig das Gutachten zugrunde gelegt, das für die private oder soziale Pflegeversicherung zum Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sowie zu Art und Umfang der notwendigen Pflege erstellt worden ist. Nur wenn (ausnahmsweise) kein Gutachten für die private oder soziale Pflegeversicherung erstellt worden ist, zB weil die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person nicht in der privaten oder sozialen Pflegeversicherung versichert ist, lässt die Festsetzungsstelle ein entsprechendes Gutachten erstellen (vgl § 51 Abs 2 BBhV idF vom 18.7.2014; ähnlich auch § 40 Satz 2 BayBhV idF vom 2.1.2007; § 51 Abs 2 Satz 1 LBhVO für Berlin idF vom 8.5.2012; nach § 9 Abs 8 Satz 3 erster Halbsatz BVO für Baden-Württemberg idF vom 20.12.2013 ist die von der privaten oder sozialen Pflegeversicherung festgestellte Pflegestufe bindend). Wird danach regelmäßig der Entscheidung der Beihilfestelle das Gutachten oder die Entscheidung der privaten Pflegeversicherung zugrunde gelegt, würde sich die Bindungswirkung des von der privaten Pflegeversicherung eingeholten Gutachtens bei Anwendung der Verbindlichkeitsanordnung nach § 84 VVG auch auf die beamtenrechtliche Beihilfe erstrecken. Den versicherten Beamten, die einen erheblichen Teil der Versicherten der privaten Pflegeversicherung ausmachen, wäre dann die Möglichkeit verschlossen, die Einstufung in eine höhere Pflegestufe mit der Folge auch höherer Leistungen der Beihilfe zu erreichen, so lange das Gutachten der privaten Pflegeversicherung nicht "offenbar" unzutreffend ist. Hier wird deutlich, dass es um Akte öffentlicher Gewalt geht, deren gerichtliche Überprüfung durch die Anwendung des § 84 VVG im Vergleich mit den Versicherten der sozialen Pflegeversicherung in einer nicht gerechtfertigten und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht werdenden Weise eingeschränkt wird.

22

e) Es gibt vor diesem Hintergrund keinen sachlichen Grund dafür, den von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen eingeholten Gutachten einen höheren Beweiswert zukommen zu lassen als den von den Trägern der sozialen Pflegeversicherung eingeholten Gutachten.

23

aa) Durch die Anordnung der Verbindlichkeit der Feststellungen der von dem privaten Versicherungsunternehmen eingeholten Gutachten wird diesen bis zur Grenze offenbarer, erheblicher Abweichung von der wirklichen Sachlage der alleinige Beweiswert zugeschrieben. Das widerspricht grundsätzlichen sozialgerichtlichen Verfahrensregelungen. Denn nach § 128 SGG entscheidet das Gericht grundsätzlich nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Deshalb werden die von einer Pflegekasse im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung eingeholten Gutachten im sozialgerichtlichen Prozess genauso bewertet wie die gerichtlich eingeholten Gutachten, gleichwertig und allein nach ihrer jeweiligen Überzeugungskraft (vgl hierzu Keller in Meyer-LadewigKeller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014 § 128 RdNr 4 ff). Regelungen zur Beweiskraft enthält das Gesetz nicht. Der Versicherte hat sogar darüber hinaus nach § 109 Abs 1 Satz 1 SGG noch die Möglichkeit, (zusätzlich) vom Gericht ein Gutachten von einem von ihm benannten Arzt einholen zu lassen. Dieses Recht wird ihm genommen, wenn die Feststellungen des vom privaten Versicherungsunternehmen eingeholten Gutachters bereits verbindlich sind. Der Gesetzgeber hat mit der Zuordnung der Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der privaten Pflegeversicherung in die Sozialgerichtsbarkeit aber deutlich gemacht, dass sich auch das gerichtliche Verfahren nach den Vorschriften des SGG richten soll. Den von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen eingeholten Gutachten einen höheren Beweiswert zukommen zu lassen als den von der sozialen Pflegeversicherung eingeholten Gutachten, widerspricht dieser Intention des Gesetzgebers.

24

bb) Die Verbindlichkeitsanordnung wird insbesondere der Eigenart der Pflegegutachten nicht gerecht. Denn die Feststellung des Pflegebedarfs gibt nur eine Momentaufnahme innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite wieder und beruht im Wesentlichen auf Schätzwerten im Rahmen eines bestimmten Zeitkorridors. Die gerichtliche Erfahrung zeigt, dass bei mehreren Sachverständigengutachten zum Pflegebedarf einer bestimmten Person nur selten übereinstimmende Werte ermittelt werden (so auch Ladage in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 673, 687). Auch gut ausgebildete, unabhängige Sachverständige können daher im Einzelfall zu einem nicht dem tatsächlichen Hilfebedarf entsprechendem Zeitwert gelangen. Die Grenze offensichtlicher Abweichungen von der tatsächlichen Sachlage dürfte dennoch nur vergleichsweise selten überschritten werden. Zwar kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ein gerichtliches Gutachten den tatsächlichen Bedarf des Versicherten besser erfasst, und es macht die gerichtliche Entscheidung auch nicht einfacher, wenn Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen vorliegen. Werden aber verschiedene Gutachten einschließlich aller anderen vorliegenden Unterlagen zum Gesundheitszustand, Angaben der Pflegepersonen etc im Zusammenhang gewürdigt, wird das Gericht der tatsächlichen Sachlage besser gerecht werden können, als allein auf der Basis eines einzigen Gutachtens (aA offenbar Heinemann, Medizinische Begutachtung in der privaten und sozialen Pflegeversicherung, 2009, 48; Ladage in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 673, 687). Das gilt auch, weil die Pflegesituation schwer zu prognostizierenden Veränderungen unterliegt. Regelmäßige Überprüfungen sind deshalb ohnehin erforderlich. Im Einzelfall lässt sich aber schwer vorhersagen, wie lange der Gesundheitszustand die Einschätzung des Gutachters noch zu rechtfertigen vermag. Auch diesem Gesichtspunkt wird die Würdigung aller vorliegenden und ggf aktuelleren Unterlagen besser gerecht, als die auf einer Momentaufnahme basierende Feststellung nur eines Gutachters. Das wird in der Praxis der privaten Pflegeversicherung wohl ebenso gesehen, denn den privat Versicherten wird regelmäßig die Möglichkeit eingeräumt, ein Zweitgutachten zu beantragen (vgl Heinemann, aaO, 58 ff). Wären aber bereits die Feststellungen des Erstgutachtens verbindlich, wäre für ein Zweitgutachten rechtlich kein Raum.

25

cc) Anders als im Zivilgerichtsverfahren gibt es für die Anordnung der Verbindlichkeit der Feststellungen eines Gutachters im sozialgerichtlichen Verfahren keine nachvollziehbare Begründung. Im Zivilgerichtsverfahren bezweckt die gesetzliche Verbindlichkeitsanordnung des § 84 Abs 1 Satz 1 VVG den Feststellungen des Privatgutachters einen den Aufwand und die Kosten des Gutachtens rechtfertigenden Beweiswert zukommen zu lassen. Denn Privatgutachten werden im Zivilrecht regelmäßig wie substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen oder als Urkundenbeweis gewertet (vgl Ladage in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 673, 685), wobei der Urkundenbeweis nach § 416 ZPO lediglich den Beweis begründen kann, dass die enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben sind. Als Sachverständigenbeweis sind sie nur mit Zustimmung beider Parteien verwertbar (BGH NJW 1993, 2382; vgl auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl 2014, Vorbem § 402 RdNr 5). Im sozialgerichtlichen Verfahren gibt es demgegenüber keine Regelungen zur Beweiskraft; alle Gutachten können grundsätzlich gleichwertig zur Überzeugungsbildung des Gerichts herangezogen werden (BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 11 = SozR 3-3300 § 18 Nr 1; zur beweisrechtlichen Würdigung von Verwaltungsgutachten und Privatgutachten vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 7d ff). Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben erst dann ein gerichtliches Gutachten einzuholen, wenn sie sich anhand der bereits vorliegenden und ggf beigezogenen Unterlagen einschließlich aller etwaiger Gutachten keine hinreichende Überzeugung bilden können. Sie können deshalb auch auf der Grundlage der von der Pflegekasse eingeholten Gutachten entscheiden, wenn sie keine Zweifel an deren Feststellungen haben. Eine Verbindlichkeitsanordnung ist daher weder erforderlich noch sachgerecht.

26

dd) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz vom 23.10.2012 (BGBl I 2246) das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§ 18 SGB XI) erheblich geändert, die Tätigkeit des Medizinischen Dienstes der Kranken- und Pflegeversicherung (MDK) um den Einsatz unabhängiger Gutachter ergänzt und dabei die Rechte der Versicherten hinsichtlich der Auswahl eines Gutachters gestärkt (§ 18 Abs 3a SGB XI). Gleichwohl hat der Gesetzgeber den Feststellungen dieser unabhängigen Gutachter keinen höheren Beweiswert zuerkannt und nicht deren Verbindlichkeit im gerichtlichen Verfahren angeordnet, und zwar auch nicht in den Fällen, in denen der Gutachter vom Versicherten ausgewählt worden ist. Wenn selbst eine Verbesserung der Qualität der Gutachten und die Einräumung von Auswahloptionen an die Betroffenen in der sozialen Pflegeversicherung nicht zu einer anderen Beurteilung des Beweiswertes von gutachterlichen Feststellungen führen, ist nicht zu rechtfertigen, dass in der privaten Pflegeversicherung selbst Gutachten, denen kein derartiges Auswahlverfahren des Betroffenen vorangegangen ist, generell ein höherer Beweiswert zukommt und für die Gerichte verbindlich sind. Insbesondere diese Neugestaltung des Begutachtungsrechts veranlasst den Senat, an seiner abweichenden Auffassung zur Verbindlichkeit von Gutachten, die von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Ermittlung des Pflegebedarfs in Auftrag gegeben wurden (vgl BSG SozR 4-7690 § 64 Nr 1 = SozR 4-3300 § 23 Nr 3 = SozR 4-1500 § 103 Nr 3; BSGE 88, 262 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5; BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6), nicht länger festzuhalten.

27

ee) Der Auffassung des Senats, dass § 84 Abs 1 Satz 1 VVG wegen des Vorrangs der spezielleren Vorschriften des § 23 SGB XI nicht zur Anwendung kommt, steht § 194 Abs 1 Satz 1 VVG nicht entgegen. Diese Vorschrift gehört zum 2. Teil des VVG, in dem sich die Regelungen für die einzelnen Versicherungszweige befinden, und dort zu Kapitel 8. Krankenversicherung. Danach sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 VVG anzuwenden, soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird. Die Pflegekrankenversicherung wird in dieser Vorschrift, anders als in der auch zum 8. Kapitel gehörenden Regelung des § 192 Abs 6 VVG, nicht ausdrücklich erwähnt. Der Gesetzgeber hat demnach eine Anwendung des § 84 VVG auf die Pflegekrankenversicherung nicht ausdrücklich angeordnet. Er hat vielmehr in § 192 Abs 6 Satz 3 VVG für die Pflegekrankenversicherung ausdrücklich den Vorrang der Regelungen des SGB XI normiert. Die Vorschrift steht schon deshalb dem Auslegungsergebnis des Senats nicht entgegen. Es kann daher offenbleiben, ob und ggf inwieweit der Versicherungsschutz in der Pflegeversicherung nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird. Das Versicherungsvertragsrecht unterscheidet insoweit zwischen der auf die Deckung eines konkreten Schadens ausgerichteten Schadens- und der einen abstrakt zu berechnenden Bedarf deckenden Summenversicherung. Das Pflegegeld wurde nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats der Schadensversicherung zugerechnet, weil es sich zwar um eine pauschale Leistung handele, die Höhe aber von der Zuordnung zu einer Pflegestufe und damit vom Ausmaß der Pflegebedürftigkeit abhänge (BSGE 88, 262 = BSG SozR 3-3300 § 23 Nr 5 = SozR 3-1300 § 48 Nr 79). Der Fall bietet keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob und ggf inwieweit die private Pflegekrankenversicherung zu den Schadensversicherungen im Sinne des VVG gehört.

28

f) Im Ergebnis gibt es deshalb im sozialgerichtlichen Verfahren keine hinreichende Rechtfertigung dafür, dass Ermittlungsmöglichkeiten der Gerichte bei einem von einem privaten Pflegeversicherungsunternehmen eingeholten Gutachten auf den Fall einer offenbaren erheblichen Abweichung von der wirklichen Sachlage begrenzt sein sollten, obwohl die tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen übereinstimmen und der Gesetzgeber die Entscheidung nach übereinstimmenden Maßstäben ausdrücklich vorschreibt. Eine Verbindlichkeit der Feststellungen des Gutachters wirkt sich für die Betroffenen insbesondere nachteilig aus, wenn in Bezug auf bereits abgelaufene Zeiträume eine höhere Einstufung begehrt wird. Für vergangene Zeiträume ist der Nachweis, dass die Feststellungen eines Gutachters "offenbar" von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, schwer zu erbringen. Dies gilt selbst dann, wenn sich bei einer erneuten Begutachtung aufgrund eines Höherstufungsantrages zeigt, dass die Voraussetzungen für eine höhere Einstufung so offensichtlich vorliegen, dass vieles dafür spricht, dass dies nicht erst seit dem Tag der Begutachtung der Fall ist. Die Anwendung gleicher Maßstäbe hat schließlich auch Bedeutung in Konstellationen, in denen sich die rechtlichen Vorgaben für Leistungen der Pflegversicherung ändern, etwa durch die Einführung zusätzlicher Leistungen für demenziell erkrankte Versicherte (durch das Erste Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 17.12.2014, BGBl I 2222) oder durch die für 2016 vorgesehene Neuausrichtung der Pflegestufen oder Pflegegrade. Die dargelegten Argumente sprechen auch dagegen, zwischen den gutachterlichen Feststellungen des MDK und der MedicProof zu differenzieren, wenn es für Übergangs- oder Besitzstandsregelungen auf die Ermittlung des tatsächlichen Zustands des Betroffenen zu einem bestimmten Stichtag ankommt. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die stärkere Bindung an gutachterliche Feststellungen, auf die § 84 Abs 1 VVG abzielt, in solchen Übergangskonstellationen zu Gunsten oder zu Lasten der Versicherten auswirken würde. Die übergangsrechtliche Begünstigung eines pflegebedürftigen Beamten, der von einem "nur" falschen, aber nicht "offenbar" unrichtigen Gutachten der MedicProof aus der Vergangenheit profitieren und damit auch höhere Beihilfeleistungen behalten oder erhalten könnte, als Versicherte der sozialen Pflegeversicherung mit gleichen Einschränkungen, ist nicht zu rechtfertigen. Damit werden die Unterschiede in der öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehung in der sozialen Pflegeversicherung und dem privat-rechtlich geprägten in der privaten Pflegeversicherung nicht in Frage gestellt. Diese sollen sich nach dem Bundesgesetzgeber aber auf die verwaltungsmäßige Umsetzung der Pflegeversicherung beziehen, nicht auf den Umfang der gerichtlichen Kontrolle von Entscheidungen der Versicherung.

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4. Für die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf Pflegegeld ist danach das von der Beklagten eingeholte Gutachten nicht verbindlich, es ist aber - grundsätzlich gleichwertig neben dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten - entsprechend seiner Überzeugungskraft uneingeschränkt verwertbar. Denn der Senat hat derzeit keine grundsätzlichen Zweifel an der Objektivität und Unbefangenheit der Gutachter der MedicProof. Die MedicProof GmbH betreibt als Tochterunternehmen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung eV (PKV-Verband) den Medizinischen Dienst der privaten Pflegeversicherung und ist privatrechtlich organisiert. Sie wird - ebenso wie der MDK - kassenübergreifend für alle privaten Krankenversicherungsunternehmen tätig und stellt so bundesweit eine einheitliche Begutachtung sicher (umfassend zur Verbindung der MedicProof zum Verband der PKV vgl Heinemann, Medizinische Begutachtung in der privaten und sozialen Pflegeversicherung, 2009, 103 ff; vgl auch 79 f). In Bezug auf die rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der MedicProof GmbH von einem einzelnen privaten Krankenversicherungsunternehmen ergeben sich daher keine grundsätzlichen Unterschiede zur Unabhängigkeit des MDK von einer einzelnen Kranken- oder Pflegekasse (ebenso Heinemann, aaO, 126 ff). Die MedicProof GmbH arbeitet überwiegend mit freiberuflich tätigen Gutachtern, die in den Belangen der Pflegeversicherung regelmäßig geschult und weitergebildet werden (Heinemann, aaO, 81, 126 ff). Die Schulung dient der Qualitätssicherung und der Umsetzung einheitlicher Begutachtungskriterien entsprechend denen der sozialen Pflegeversicherung. Deshalb kooperiert die MedicProof eng mit dem medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Pflegekassen (vgl Heinemann, aaO, 80, 98 ff). Der Senat sieht derzeit keinen Hinweis für ein zu Lasten der Versicherten etabliertes besonderes Näheverhältnis zwischen den privaten Versicherungsunternehmen und den Gutachtern. Es gibt insbesondere keine Veranlassung, an der Qualität und Objektivität der Gutachten der MedicProof GmbH zu zweifeln. Denn statistisches Vergleichsmaterial der letzten Jahre zeigt eine in der privaten Pflegeversicherung deutlich großzügigere Bewilligungspraxis, als in der sozialen Pflegeversicherung. Obwohl die gesetzlich Versicherten durchschnittlich ein höheres Risiko bezüglich der Pflegebedürftigkeit aufweisen, werden sie häufiger als "nicht pflegebedürftig" eingestuft und weisen durchschnittlich niedrigere Pflegestufen auf, als die Versicherten der privaten Pflegeversicherung (vgl Schmucker, Verzerrungen im Begutachtungsprozess? Zum Einfluss sozialer Parameter auf die Leistungsgewährung in der Pflegeversicherung, G + S 2011, 54 ff; Heinemann, aaO, 120 ff; so auch Ladage in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 673, 688). Aus den tatsächlichen Verhältnissen ergibt sich daher jedenfalls keine systematische Verzerrung im Begutachtungsprozess zu Lasten der privat Versicherten im Vergleich zu den gesetzlich Pflegeversicherten. Das spricht aber lediglich für eine faktische Berücksichtigung der Gutachten der MedicProof mit grundsätzlich gleicher Beweiskraft wie andere Gutachten. Für eine darüber hinausgehende rechtliche Bindung an die Feststellungen des Gutachters nach § 84 Abs 1 Satz 1 VVG ist indes wegen des Vorrangs der spezielleren Vorschriften des § 23 SGB XI kein Raum.

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5. Nach diesen Grundsätzen sowie auf der Basis der Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Revision unbegründet, soweit ein Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 1.8.2005 bis zum 30.5.2011 in Streit steht. Denn die Klägerin erfüllte für die Zeit von der Antragstellung im August 2005 bis einschließlich Februar 2009 nicht die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit und ab März 2009 bis zum 30.5.2011 lediglich die Voraussetzungen der Pflegestufe I. Dies ergibt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl aus den Gutachten der MedicProof als auch aus dem gerichtlichen Gutachten von Dr. S. Letzterer hat die Feststellungen der Gutachter der MedicProof bis zu dem Tag, an dem er selbst die Klägerin begutachtet hat (am 30.5.2011), voll bestätigt. Für den Zeitraum von der Antragstellung der Klägerin im August 2005 bis zum Tag der Begutachtung am 30.5.2011 ergeben sich daher keine über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinausgehenden Leistungen.

31

6. Für den Zeitraum vom 31.5.2011 bis einschließlich 30.11.2011 kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht über das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe II entscheiden. Das Berufungsgericht durfte den von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. festgestellten Grundpflegebedarf von 123 Minuten täglich nicht in der von ihm vorgenommenen Art und Weise reduzieren. Zwar sind zur Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs nur solche Verrichtungen zu berücksichtigen, die mindestens einmal wöchentlich anfallen (hierzu a); das Berufungsgericht hat jedoch keine ausreichenden Ermittlungen zur Häufigkeit der Arztbesuche geführt, obwohl es gerade hierauf seine Entscheidung gestützt hat. Es hat dadurch den Amtsermittlungsgrundsatz sowie den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (hierzu b).

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a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nur der Zeitaufwand zu berücksichtigen ist, der mindestens einmal wöchentlich für die berücksichtigungsfähigen Verrichtungen anfällt. Der Senat hat bereits im Urteil vom 29.4.1999 (BSG Urteil vom 29.4.1999 - B 3 P 12/98 R - Juris) entschieden, dass nach § 15 Abs 3 SGB XI für die Bemessung des für die Pflege erforderlichen Zeitaufwands auf die Woche abzustellen und aus dem gesamten in einer Woche anfallenden Pflegeaufwand der Tagesdurchschnitt zu ermitteln ist. Das schließt es aus, bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch Verrichtungen einzubeziehen, die seltener als zumindest einmal wöchentlich anfallen. Die Regelung des § 15 Abs 3 SGB XI ist insoweit in den von der privaten Pflegepflichtversicherung verwandten MB/PPV wortgleich übernommen worden(§ 1 Abs 8 MB/PPV mit Stand 1.6.2005 sowie die bis zu der Fassung mit Stand vom 1.1.2010 insoweit identisch gebliebenen Fassungen, die den hier streitigen Zeitraum bis zum 30.11.2011 erfassen). Sie ist daher in dieser Auslegung Vertragsinhalt geworden. Geht es um die Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI, der wortgetreu in § 1 Abs 5c MB/PPV in den genannten Fassungen wiedergegeben ist), sind nur solche Maßnahmen außerhalb der Wohnung zu berücksichtigen, die - wie das Aufsuchen von Ärzten oder die Inanspruchnahme ärztlicher verordneter Therapien - für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zuhause notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Antragsstellers erfordern (vgl Meßling in jurisPK-SGB XI, 1. Aufl 2014, § 14 RdNr 107 ff, 120 ff mwN; vgl auch Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch Sozialgesetzbuch vom 8.6.2009 unter D.4.3 Mobilität Nr 15). Für die Feststellung, ob die Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" regelmäßig mindestens einmal pro Woche und dauerhaft (voraussichtlich mindestens sechs Monate) anfällt, ist nicht jede Maßnahme für sich isoliert zu betrachten. Vielmehr sind alle berücksichtigungsfähigen Maßnahmen zum Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zusammen zu betrachten. Dies gilt auch für die private Pflegeversicherung, um für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit dieselben Maßstäbe anzulegen, wie in der sozialen Pflegeversicherung.

33

b) Nach diesen Grundsätzen bedurfte die Klägerin in der Zeit von 31.5.2011 bis zum 30.11.2011 zumindest zweimal wöchentlich der Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Es steht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fest, dass sie dauerhaft zweimal wöchentlich aufgrund einer ärztlichen Verordnung Physiotherapeuten aufsuchte. Ob die Verrichtung ein drittes Mal pro Woche oder ggf sogar häufiger zu berücksichtigen ist, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entscheiden.

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Der gerichtlich bestellte Gutachter Dr. S. hat diesbezüglich ausgeführt, die Klägerin besuche zweimal pro Monat einen Arzt und achtmal pro Monat einen Therapeuten. Danach fällt die berücksichtigungsfähige Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung jede zweite Woche zweimal und jede zweite Woche dreimal an. Regelmäßig fällt die Verrichtung danach nur zweimal wöchentlich an. Das Gutachten von Dr. S. datiert vom 27.6.2011. Wenige Monate später hat die Pflegeperson der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2011 als Zeugin demgegenüber jedoch ausgeführt, die Klägerin gehe zweimal pro Woche zur Lymphdrainage und zweimal pro Woche zur ärztlich angeordneten Physiotherapie (Massage). Darüber hinaus besuche sie in abwechselndem Turnus jede zweite Woche Dr. Ha.
und jede zweite Woche Dr. I. Danach fällt die Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung bei der Klägerin berücksichtigungsfähig fünfmal pro Woche an, wenn auch die Lymphdrainage ärztlich verordnet wurde.

35

Bei dieser Sachlage hätte sich das Berufungsgericht zu weiteren Ermittlungen bzgl der Häufigkeit der anfallenden Verrichtungen gedrängt fühlen müssen, wenn es diesem Aspekt entscheidungserhebliche Bedeutung beimisst. Denn das LSG hatte hierzu keine abschließende Überzeugung gewonnen (was aufgrund der gegensätzlichen Angaben auch kaum möglich war). Es hat seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, es sei nicht nachgewiesen, dass Arztbesuche mindestens einmal wöchentlich anfielen, denn die Klägerin habe die Aussage der als Zeugin vernommenen Pflegeperson, dass jede Woche ein Arztbesuch anfalle, nicht durch entsprechende Unterlagen untermauert. Damit hat das LSG zum Ausdruck gebracht, dass es die Frage der Häufigkeit der Arztbesuche der Klägerin aufgrund der Beweislastverteilung zu Lasten der Klägerin entscheide, und nicht weil es von den Angaben im Gutachten überzeugt war.

36

Im sozialgerichtlichen Verfahren kann eine Beweislastentscheidung jedoch erst dann ergehen, wenn die Ermittlungsmöglichkeiten erschöpft sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 103 RdNr 8 und RdNr 19 jeweils mwN). Das Gericht muss sich grundsätzlich die volle Überzeugung von den beweiserheblichen Tatsachen verschaffen (Leitherer, aaO, § 103 RdNr 6a). Der Untersuchungsgrundsatz hat zur Folge, dass die Beteiligten grundsätzlich keine Beweisführungslast haben, sofern das Gesetz nichts Abweichendes regelt. Eine Entscheidung nach der objektiven Beweislast kann nur getroffen werden, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht aufklären kann (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 118 RdNr 6). Deshalb durfte das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht darauf stützen, dass die Klägerin die Aussage der Zeugin nicht durch entsprechende Unterlagen untermauert habe. Denn für die Aufklärung der Tatsache, wie häufig die Klägerin wöchentlich ihre Wohnung verlassen und wiederaufsuchen muss, bieten sich zahlreiche verschiedene Ermittlungsmöglichkeiten. Ua liegt es nah, hierzu die genannten Ärzte zu befragen. Untauglich scheint es dagegen zu sein, auf die Feststellungen zeitlich länger zurückliegender Sachverständiger zurückzugreifen, da sich die Häufigkeit von Arzt- und Therapeutenbesuchen im Laufe längerer Zeitabschnitte ändern kann.

37

Zudem hat das Berufungsgericht in diesem Punkt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt. Denn das Urteil darf nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (BVerfG NJW 2012, 2262; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 15 RdNr 13). Die Frage der Häufigkeit von Arzt- und Therapeutenbesuchen hat das Berufungsgericht nicht mit der Klägerin erörtert. Für die Klägerin war nicht ersichtlich, dass sich das Berufungsgericht diesen Umstand herausgreifen würde, mit der Folge, dass sich der vom Sachverständigen Dr. S. ermittelte Hilfebedarf soweit verringern würde, dass in der Folge die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe II nicht festzustellen waren. Der Rechtsstreit hat dadurch für die Klägerin eine unerwartete Wendung genommen. Denn es sind zwei Aspekte zusammen gekommen: Der Sachverständige Dr. S. ist (ohne erkennbaren Grund) von Tatsachen ausgegangen, die von den Angaben der Klägerin und der kurz nach der Begutachtung als Zeugin vernommenen Pflegeperson abweichen. Dies führte aber im Ergebnis nicht zu einem Nachteil für die Klägerin, weil der Gutachter dann den rechtlichen Gesichtspunkt, dass nur Verrichtungen zu berücksichtigen sind, die mindestens einmal in der Woche anfallen, zu Gunsten der Klägerin nicht beachtet hat. Es bestand deshalb für die Klägerin insgesamt kein Anlass, das Gutachten zu kritisieren. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Gerichts die Tatsachen aufzuklären, von denen der Sachverständige auszugehen hat (vgl Leitherer, aaO, § 103 RdNr 11a). Jedenfalls ist es für die Klägerin bei dieser Sachlage überraschend, wenn das Berufungsgericht seiner Entscheidung im tatsächlichen Bereich die Angaben des Gutachters zur Häufigkeit der Arztbesuche zugrunde legt, ohne ihr hierzu die Möglichkeit der Stellungnahme einzuräumen. Dass das Berufungsgericht bei den zahlreichen für die Feststellung der Pflegestufe maßgeblichen Verrichtungen gerade diesem Aspekt entscheidende Bedeutung beimessen würde, war nicht erkennbar und vor dem Hintergrund der entgegenstehenden umfassenden Zeugenaussage auch nicht zu erwarten.

38

Das Berufungsgericht wird daher die Frage aufzuklären haben, wie häufig pro Woche die Klägerin in der Zeit vom 31.5.2011 bis 30.11.2011 regelmäßig und dauerhaft (voraussichtlich für mindestens sechs Monate) ihre Wohnung für Maßnahmen zur unmittelbaren Aufrechterhaltung der Lebensführung zuhause verlassen und wiederaufsuchen musste. Es hat aufgrund des hierzu ermittelten Sachverhaltes dann zu entscheiden, ob es auf der Grundlage der bisherigen Gutachten und unter Berücksichtigung der Angaben der Beteiligten einen Zeitwert für die Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung selbst ermitteln kann, oder ob es hierfür ggf erneut Sachverständigenhilfe (möglicherweise auch durch Rückfragen bei dem Sachverständigen Dr. S.) zu Rate zieht. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Ermittlung angemessener Zeitwerte, die auf der Basis eines Sachverständigengutachtens vom Gerichts selbst errechnet werden.

39

7. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Eine jeweils gesonderte Abrundung rückständiger Beiträge und Beitragsvorschüsse unterschiedlicher Fälligkeit ohne vorherige Addition ist zulässig. Bei einem rückständigen Betrag unter 150 Euro ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert anzufordern wäre. Für die Erhebung von Säumniszuschlägen in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt § 169 des Siebten Buches.

(1a) (weggefallen)

(2) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.

(3) Hat der Zahlungspflichtige ein Lastschriftmandat zum Einzug der Beiträge erteilt, so sind Säumniszuschläge zu erheben, wenn der Beitragseinzug aus Gründen, die vom Zahlungspflichtigen zu vertreten sind, nicht ausgeführt werden kann oder zurückgerufen wird. Zusätzlich zum Säumniszuschlag soll der Gläubiger vom Zahlungspflichtigen den Ersatz der von einem Geldinstitut erhobenen Entgelte für Rücklastschriften verlangen; dieser Kostenersatz ist wie die Gebühren, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Beitragsansprüchen erhoben werden, zu behandeln.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

Gründe

Rechtskräftig: unbekannt

Spruchkörper: Senat

Hauptschlagwort: Beschäftigung Betriebsprüfung Säumniszuschläge

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Kläger und Berufungskläger -

gegen

... Rentenversicherung ..., vertreten durch die Mitglieder der Geschäftsführung, ...

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Beigeladen

1. B., A-Straße, A-Stadt

- Beigeladene -

2. ... Krankenkasse, Hauptverwaltung, vertreten durch den Vorstand, ...

- Beigeladene -

3. ... Krankenkasse, Pflegekasse, vertreten durch den Vorstand, ...

- Beigeladene -

4. Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Geschäftsführung des Operativen Service der Agentur für Arbeit ...

- Beigeladene -

5. ..., ..., vertreten durch die Geschäftsführung, vertreten durch die Geschäftsstelle Süd, Tiefbau, ...

- Beigeladene -

Der 16. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz in München am26. Juni 2015 durch die Vorsitzende Richterin am Bayer. Landessozialgericht Berndt, die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Dr. Alexander und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Hohlen sowie die ehrenamtlichen Richter M. und G. für Recht erkannt:

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 8.983,24 € festgesetzt.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von 8.983,24 € für die Zeit von 07.08.2007 bis zum 03.03.2008 aufgrund einer Betriebsprüfung.

Der 1956 geborene Kläger betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum ein Gebäudereinigungsunternehmen als Subunternehmer für die X Dienstleistungen (Werkvertrag vom 01.10.2004).

Am 02.03.2008 führte das Hauptzollamt A-Stadt im Schloss S. eine Prüfung nach § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung

(Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) durch. Dort wurden der Kläger und die Beigeladene zu 1) als Reinigungskräfte angetroffen. Die Beigeladene zu 1) ist rumänische Staatsangehörige. Sie legte eine Gewerbeanmeldung vor, verfügte aber über keine gültige Arbeitserlaubnis.

In ihrer Vernehmung am 02.03.2008, die unter Hinzuziehung eines Dolmetschers geführt wurde, gab die Beigeladene zu 1) an, dass sie sich in den Kläger verliebt habe und deswegen nach Deutschland gekommen sei. Weil sie arbeiten müsse, um Geld zu verdienen, habe ihr der Kläger gesagt, dass sie ein Gewerbe anmelden müsse. Sie spreche nur schlecht deutsch und habe selbst keine Kenntnisse über die Rechte und Pflichten eines Gewerbetreibenden. Daher habe ihr Freund alles Erforderliche für sie erledigt (Gewerbeanmeldung, Kontoeröffnung, Steuernummer, Wohnungsanmietung). Dieser erledige auch alle Büroarbeiten und organisiere den gesamten Tagesablauf. Er hole sie morgens in ihrer Wohnung ab und meist würden sie von Montag bis Freitag von 05.00 bis 10.00 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr auf verschiedenen Objekten arbeiten, die der Kläger vorgebe. Meist arbeite sie dort gemeinsam mit dem Kläger und zum Teil allein. Sie selbst habe weder Geld noch Arbeitsmittel eingesetzt. Bei den meisten Objekten würden diese von einem Dritten, einem Serben namens D., zur Verfügung gestellt, dessen Beziehung zum Kläger sie nicht kenne. Vertraglich sei nur geregelt, dass sie etwa 2.000 € brutto verdiene. Sie führe weder Stundenzettel noch könne sie sagen, wie viel sie insgesamt verdiene. Der Kläger sage ihr auf rumänisch die Summe, die sie dann aufschreibe. Sie wisse auch nicht, wo die Rechnungen hingeschickt würden oder bei welcher Bank sie ein Konto habe, da ihr Freund eine Kontovollmacht habe und alles für sie erledige.

Nach der Vernehmungsniederschrift vom 15.05.2008 bestätigte der Kläger, dass er die Beigeladene zu 1) schon länger kenne und nach der EU-Erweiterung mit ihr vereinbart habe, dass sie nach Deutschland komme und er für sie ein Gewerbe anmelde. Er habe gemeinsam mit ihr eine Wohnung angemietet, die Kaution hinterlegt, ein Konto eröffnet und ihr Reinigungsobjekte zugewiesen sowie die erforderlichen Arbeitsmittel gestellt. Vereinbart gewesen sei ein Stundenlohn von 12 €, wobei er die Rechnungen diktiert habe, indem er ihr die Zeiten vorgegeben und sie hieraus ihren Lohn errechnet und aufgeschrieben habe. Den Betrag habe er auf ihr Konto überwiesen, für das er die Verfügungsberechtigung und die Kontoauszüge besitze. Gearbeitet hätte die Beigeladene zu 1) ähnlich wie er zwischen 170 und 190 Stunden (acht Stunden werktags und jedes 2. Wochenende ca. vier Stunden). In der von ihm unterschriebenen Niederschrift erklärte er auch: „Mittlerweise ist mir klar geworden, dass sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu mir steht. Mir ist klar geworden, dass ihre Tätigkeit der eines abhängig Beschäftigten entspricht. Allerdings habe ich gedacht, sie ist meine Subunternehmerin, weil ich ihr die Arbeit gegeben habe.“

Anschließend führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch.

Aufgrund der vorgelegten Rechnungen und anhand der Angaben des Klägers ermittelte sie einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer folgende Einkünfte der Beigeladenen zu 1):

August 2007 2.427,60 €

September 2007 3.570,00 €

Oktober 2007 2.955,92 €

November 2007 3.241,52 €

Dezember 2007 2.798,88 €

Januar 2008 3.684,24 €

Februar 2008 3.555,27 €

1. bis 3. März 2008 188,00 € (16 Std.)

Nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) vom 07.08.2007 bis 02.03.2008 in Höhe von 10.578,89 € einschließlich darin enthaltener Säumniszuschläge von 1.280 € nach. Die Beigeladene zu 1) habe in der für den Kläger ausgeübten Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und der Rentenversicherung der Arbeiter sowie zur Bundesanstalt für Arbeit unterlegen.

Mit seinem Widerspruch vom 09.03.2009 erklärte der Kläger, er sei in bestem Glauben gewesen, dass er die Beigeladene zu 1) als freiberuflich tätige Mitarbeiterin beschäftigt habe, und legte Rechnungen aus der Zeit vom 07.08.2007 bis 02.03.2008 vor. Die Beigeladene zu 1) habe die eingenommenen Beträge auch ordnungsgemäß versteuert.

Mit Teilabhilfebescheid vom 24.08.2009 reduzierte die Beklagte die Beitragsforderung unter Berücksichtigung der Nettorechnungsbeträge auf einen Betrag von 8.983,24 € (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 1086,50 €). Im Übrigen wies sie den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2011 als unbegründet zurück. Die Beigeladene sei vom 07.08.2007 bis 31.03.2008 beim Kläger versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Versicherungspflicht habe mit Aufnahme der Beschäftigung zum 07.08.2007 begonnen. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV seien auch Säumniszuschläge zu erheben.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2011 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München.

In der mündlichen Verhandlung am 14.05.2013 gab er an, im streitgegenständlichen Zeitraum selbst als Subunternehmer für eine Firma tätig gewesen zu sein. Da er und seine Familie diese Arbeit alleine nicht geschafft hätten, habe er die Beigeladene zu 1) als seine Hilfe beschäftigt. Dieser habe er pro Stunde 12 € zuzüglich Umsatzsteuer bezahlt, wobei für die jeweilige Putzstelle ein bestimmtes Stundenkontingent vereinbart worden sei. Bei einer Festanstellung hätte die Beigeladene zu 1) einen deutlich geringeren Stundenlohn von ihm erhalten.

Die Beigeladene zu 1) erklärte, sie habe den Kläger schon aus Rumänien gekannt. Sie habe jeden Tag von Montag bis Freitag für den Kläger gearbeitet. Dabei hätte sie drei bis vier Putzstellen zu betreuen gehabt. Manchmal habe sie dort allein oder auch zusammen mit dem Kläger gearbeitet. Sie habe nach einem vom Kläger gestellten feststehenden Plan gearbeitet. Die Putzgeräte und Putzmittel seien ihr vom Auftraggeber des Klägers gestellt worden. Ihre Rechnungen habe sie anhand ihres Arbeitsplanes zusammen mit dem Kläger erstellt. Alleine hätte sie sich nicht genügend ausgekannt.

Mit Urteil vom 14.05.2013 wies das Sozialgericht München die Klage als unbegründet ab.

Die Beklagte habe vom Kläger zu Recht die streitigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Säumniszuschläge gefordert. Die Beigeladene zu 1) habe beim Kläger in einer abhängigen Beschäftigung gestanden. Die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sprechenden Kriterien würden gegenüber den für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Kriterien deutlich überwiegen. Die Beigeladene zu 1) habe sich weder eigener Reinigungsgeräte und Reinigungsmittel bedient noch eine eigene Betriebsstätte unterhalten. Sie habe kein Unternehmerrisiko getragen und hinsichtlich Zeit und Ort ihrer Arbeitsleistung den Weisungen des Klägers unterlegen. Dieser habe ihr einen feststehenden Arbeitsplan vorgegeben. Entsprechend dieses Arbeitsplanes habe sie zusammen mit dem Kläger ihre Arbeit in Rechnung gestellt. Sie sei ausschließlich für den Kläger tätig gewesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 24.09.2013 zugestellt.

Am 09.08.2013 hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und erneut darauf hingewiesen, dass er im besten Glauben gewesen sei, dass die Beigeladene zu 1) völlig selbstständig gewesen sei.

Im Erörterungstermin am 04.03.2014 hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, dass er bis heute nicht verstehe, wieso er die Beiträge bezahlen müsse, zumal die Beigeladene zu 1) ihre Krankenversicherungsbeiträge schon selbst bezahlt habe. Deren Tätigkeit habe sich nicht von seiner Tätigkeit unterschieden. Wenn er gewusst hätte, dass er Beiträge zahlen müsse, hätte er sie natürlich angemeldet, sofern das gegangen wäre. Dann hätte er auch weniger bezahlt. Sehr viele Leute, die er kenne, hätten mit einer Gewerbeanmeldung gearbeitet. Auch sein Steuerberater habe ihm gesagt, dass das in Ordnung sei. Es könne nicht sein, dass man in Deutschland doppelt für die Krankenversicherung bezahlen müsse.

Er hat mit Schriftsatz vom 16.03.2015 die Anmeldung der Beigeladenen zu 1) bei einer privaten Krankenversicherung und die Anmeldung zur Handwerkskammer vorgelegt.

Der Kläger hat beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.05.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) halten die Forderung einschließlich der Säumniszuschläge weiterhin für berechtigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Mit Urteil vom 04.06.2009 des Amtsgerichts A-Stadt ist gegenüber dem Kläger eine Geldbuße in Höhe von 3500 € festgesetzt worden (...).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und auch fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet.

Der Bescheid vom 10.02.2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 24.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.04.2011 ist rechtmäßig ergangen und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.

Nach § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung - hier die Beklagte - bei den Arbeitgebern u. a. ob diese ihren Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere prüfen sie die Richtigkeit der Beitragszahlungen. In diesem Zusammenhang erlassen sie gemäß § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV Verwaltungsakte zur Beitragshöhe in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.

Die Beklagte hat danach zutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum vom 01.08.2007 bis 31.03.2008 im Rahmen einer Beschäftigung für den Kläger tätig war.

In der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Gesetz der Arbeitsförderung sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI; § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V; § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, SGB III). In den Schutz der sozialen Pflegeversicherung sind alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind (§ 1 Abs. 2 S. 1 SGB XI).

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach S. 2 dieser Vorschrift sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Die Abgrenzung einer Beschäftigung von einer selbstständig ausgeübten Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Konkretisierung vorzunehmen. Danach setzt eine Beschäftigung voraus, dass ein Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung; vgl. aus jüngerer Zeit BSG, Urteile vom 29.08.2012, B 12 R 7/10 R und B 12 R 25/10 R, sowie vom 05.03.2014, B 12 R 7/12 R; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzungskriterien BVerfG, Beschluss vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96 in SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Dabei setzt die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 15 Leitsatz und Rn. 25 ff).

Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse ergeben sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis, wie es sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus der gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29.08.2010, B 12 R 25/10 R).

Schriftliche Vereinbarungen wurden zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) nicht abgeschlossen.

Für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) spricht praktisch nur, dass sie dies mit dem Kläger mündlich vereinbart hat und das Vertragsverhältnis auch entsprechend abgewickelt wurde. Das gilt insbesondere für die Gewerbeanmeldung und den Abschluss einer privaten Krankenversicherung für die Beigeladene zu 1). Auch der vereinbarte Stundenlohn von 12 € lag über dem Betrag, der im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses im Reinigungsgewerbe üblicherweise gezahlt wird. Entscheidend ist aber, dass abgesehen davon die Durchführung des Vertragsverhältnisses in praktisch allen zu beurteilenden Punkten einem Beschäftigungsverhältnis entsprach. Dies ergibt sich aus den Feststellungen der Beklagten und des Hauptzollamtes sowie den eigenen Einlassungen des Klägers und der Beigeladenen zu 1).

Die Beigeladene zu 1) ist nicht als Unternehmerin am Markt aufgetreten, sondern hat ausschließlich im Auftrag des Klägers, nach dessen Anweisung und mit Hilfe des von ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterials die von ihm vorgegebenen Objekte gereinigt. Dabei war sie zumeist mit ihm zusammen tätig. Im Übrigen wurde sie von ihm zu den Einsatzorten gebracht und wieder abgeholt. Damit steht für den Senat fest, dass sie in den Betrieb des Klägers eingegliedert war. Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber während der Arbeit durchgehend anwesend ist. Auch soweit die Beigeladene zu 1) alleine tätig war, unterlag sie hinsichtlich Zeit und Ort ihrer Arbeitsausführung einem Weisungsrecht des Klägers. Ein unternehmerisches Risiko ist aufgrund des vereinbarten Stundenlohns nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass die Beigeladene zu 1) die Rechnungen nicht aufgrund eigener Feststellungen, sondern nach Anweisung des Klägers erstellt hat. Über die überwiesenen Beträge konnte sie aufgrund der Kontovollmacht des Klägers selbst nicht uneingeschränkt verfügen.

Auch der Höhe nach besteht die streitige Beitragsforderung zu Recht. Grundlage der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt, d. h. alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV).

Vorliegend hat die Beklagte als Grundlage für die Beitragsbemessung die tatsächlich in Rechnung gestellten Beträge herangezogen. Lediglich im Teilmonat März erfolgt die Berechnung auf der Grundlage des geschuldeten Lohns unter Berücksichtigung der vom Kläger und der Beigeladenen zu 1) angegebenen Arbeitszeiten. Eine „Hochrechnung“ auf ein hypothetisches Bruttoarbeitsentgelt als Beitragsbemessungsgrundlage (vgl. § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV) hat die Beklagte im Ergebnis nicht mehr vorgenommen (vgl. auch Teilabhilfebescheid vom 24.08.2009).

Rechtmäßig ergangen ist auch die Entscheidung über die Erhebung von Säumniszuschlägen.

Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV).

Für die Frage, ob bei einer für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht bestand, genügt es nicht, dass der Beitragsschuldner von der Beitragspflicht keine Kenntnis hatte; die Unkenntnis muss unverschuldet sein. Hierauf beruft sich vorliegend der Kläger, der bis heute bereits das Entstehen dieser Verpflichtung nicht zur Kenntnis nehmen will. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an.

Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob verschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV erst bei zumindest bedingtem Vorsatz (so der 12. Senat des BSG (Urteile vom 09.11.2011, B 12 R 18/09 R und 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R) oder schon bei Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (so der 13. Senat des BSG, Urteil vom 1.7.2010, B 13 R 67/09 R; Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 24 Rdnr. 60 m. w. N.) vorliegt. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass er seine Beitragspflicht nicht vorsätzlich verletzt hat. Vorsätzlich in diesem Sinne handelt nämlich bereits, wer seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Dazu muss das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, d. h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner individuell ermittelt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.04.2012, L 8 R 981/12). Zwar sind allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestandes ausgeschlossen. Jedoch wird Vorsatz regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z. B. bei „Schwarzarbeit“) überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (BSG, Urteil vom 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R). Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit die Möglichkeit hat, darüber im Einzugsstellen- bzw. Anfrageverfahren (vgl. §§ 7a, 28h SGB IV) Gewissheit durch Herbeiführung der Entscheidung einer fachkundigen Stelle zu erlangen; der Verzicht auf einen entsprechenden Antrag kann auf bedingten Vorsatz schließen lassen (BSG, Urteil vom 09.11.2011, a. a. O.). Ein darauf beruhender Rechtsirrtum ist in der Regel unbeachtlich (Segebrecht a. a. O.,

Rdnr. 61f.).

Nach Überzeugung des Senats hat der Kläger das Vorliegen einer beitragspflichtigen Beschäftigung mindestens für möglich gehalten und die Nichtabführung von Beiträgen zumindest billigend in Kauf genommen hat. So hat der Kläger selbst mehrfach davon gesprochen, dass er die Beigeladene zu 1) beschäftigt habe, und auch im Übrigen seine dominierende bzw. beherrschende Rolle bei der Begründung und Abwicklung des streitigen Auftragsverhältnisses eingeräumt. Die Arbeitsbedingungen der Beigeladenen zu 1) waren ihm nicht nur bekannt, sondern sind von ihm vorgegeben worden. Er wusste auch von den Unterschieden zu einer Anstellung und hat die streitige Konstruktion mit seinem Steuerberater besprochen. Dass er vor diesem Hintergrund keinerlei Anstrengungen unternahm, auch den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) klären zu lassen, ist nach seiner Einlassung vor allem darauf zurückzuführen, dass diese aufgrund ihrer fehlenden Arbeitserlaubnis gar keine Möglichkeit gehabt hätte, einer Beschäftigung nachzugehen. Die Entscheidung und Durchführung der Beschäftigung als „freiberufliche“ Tätigkeit ist vor diesem Hintergrund nicht auf die Überzeugung zurück zu führen, dass die Beigeladene zu 1) tatsächlich selbstständig tätig sei, sondern weil es keine andere Möglichkeit für sie gab, in Deutschland erwerbstätig zu sein. Dieser Beurteilung kann der Kläger nicht erfolgreich entgegenhalten, dass das „Tausende“ so gemacht hätten und sich für ihn die Arbeitsbedingungen der Beigeladenen zu 1) nicht von seinen eigenen unterschieden hätten.

Die Berechnung der Säumniszuschläge durch die Beklagte ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Festsetzung des Streitwertes ist für die Beteiligten nicht anfechtbar (§ 68 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.