Arbeitsgericht München Endurteil, 25. Juni 2019 - 16 Ca 13174/18

bei uns veröffentlicht am25.06.2019

Gericht

Arbeitsgericht München

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat September 2018 weitere ... brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Oktober 2018 weitere ... brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2018 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat November 2018 weitere ... brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2018 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 01.09.2018 hinaus nach der Entgeltgruppe ERA-EG10 B zu vergüten.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Klägerin hat 20 %, die Beklagte 80 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Der Streitwert wird auf 25.584,46 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin bzw. die Höhe ihrer Bruttomonatsvergütung sowie im Zusammenhang damit über rückständiges Gehalt.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 15.12.1997 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin wird am Standort M. als Assistentin beschäftigt. Arbeitsvertraglich wurde vereinbart, dass die Tarifbestimmungen der bayerischen Metallindustrie zur Anwendung kommen sollen (vgl. Bl. 82 d.A.).

Am 01.11.2005 trat der ERA-Einführungstarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie (im Folgenden: ERA-ETV, Bl. 157 ff. d.A.) in Kraft. Der ERA-ETV enthält unter anderem folgende Regelungen:

㤠3 ERA-Ersteingruppierung

1. Im Rahmen der Einführung des ERA-TV und der hieraus resultierenden Ersteingruppierung der Arbeitnehmer gilt in Abänderung der §§ 99 ff. BetrVG nachfolgende Regelung.

2. (I) Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat möglichst frühzeitig, spätestens 4 Monate vor der betrieblichen Einführung des ERA-TV, die beabsichtigte Eingruppierung des Arbeitnehmers mit. Dabei hat er dem Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen/Informationen zu geben (u.a. schriftliche oder mündliche Aufgabenbeschreibung).

(II) Ist der Betriebsrat der Meinung, dass die Eingruppierung nicht dem Tarifvertrag entspricht, kann er innerhalb von 8 Wochen der vom Arbeitgeber beabsichtigten Eingruppierung mindestens unter Angabe der vom Betriebsrat für richtig gehaltenen Entgeltgruppe widersprechen. Der Betriebsrat soll seinen Widerspruch begründen.

Stimmt der Betriebsrat der Eingruppierung zu oder erfolgt innerhalb der Frist kein Widerspruch, ist das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen.

3. Im Falle eines Widerspruchs durch den Betriebsrat hat sich eine paritätische Kommission unverzüglich mit der Eingruppierung zu befassen.

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass mehrere paritätische Kommissionen gebildet werden.

Die paritätische Kommission besteht aus mindestens 4 Mitgliedern. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter sind je zur Hälfte vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber zu benennen und müssen dem Betrieb bzw. dem Unternehmen angehören. Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann die Anzahl der Mitglieder erhöht werden.

Den Mitgliedern der paritätischen Kommission sind die notwendigen Unterlagen/Informationen zur Verfügung zu stellen; die Arbeit der paritätischen Kommission ist durch die zuständigen betrieblichen Stellen zu unterstützen. Die paritätische Kommission kann weitere Regelungen zur organisatorischen Abwicklung ihrer Aufgaben treffen.

4. Kommt die paritätische Kommission innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab dem Widerspruch des Betriebsrats nicht zu einer Entscheidung, so entscheidet auf Antrag einer Betriebspartei eine tarifliche Schlichtungsstelle endgültig.

Erfolgt innerhalb einer weiteren Frist von 1 Woche keine Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle, ist das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen.

5. Die tarifliche Schlichtungsstelle besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und je zwei Beisitzern. Der unparteiische Vorsitzende wird aus einem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Pool von den Betriebsparteien gemeinsam benannt. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so wird der Vorsitzende von den Tarifvertragsparteien bestimmt. Die Beisitzer, von denen je einer dem Unternehmen angehören muss, werden von den Tarifvertragsparteien benannt. Die Betriebsparteien können sich mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien auf einen Vorsitzenden einigen, der nicht dem Pool angehört.

Kommt die tarifliche Schlichtungsstelle innerhalb einer Frist von 4 Wochen ab ihrer Anrufung zu keiner Entscheidung, ist das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen. Diese Frist kann von den Tarifvertragsparteien einvernehmlich verlängert werden.

6. Den Betriebsparteien steht gegen die Entscheidung der tariflichen Schlichtungsstelle innerhalb von 2 Wochen ab Mitteilung der Entscheidung der Rechtsweg nur im Hinblick auf Verfahrensfehler oder grobe Verkennung der tariflichen Eingruppierungsgrundsätze (§§ 2, 3 ERA-TV) offen.

7. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers ist vorläufig, wenn trotz Einhaltung der Frist gemäß Ziffer 2 Abs. (I) das Verfahren zum Termin der ERA-Einführung noch nicht abgeschlossen ist. Gleiches gilt, wenn die Frist wegen einer Neueinstellung bzw. Änderung der Arbeitsaufgabe nicht eingehalten werden kann.

Die endgültige Eingruppierung wirkt rückwirkend ab ERA-Einführung. Weicht diese von der vorläufigen Eingruppierung ab, so findet eine Nachberechnung statt.

8. Sofern sich die Arbeitsaufgabe nicht ändert, bleibt es für die Dauer von 3 Jahren nach der ERA-Einführung bei der Ersteingruppierung, d.h. weder Betriebsrat noch Arbeitgeber können eine Überprüfung der Eingruppierung verlangen.

9. Arbeitgeber und Betriebsrat können durch freiwillige Betriebsvereinbarung die in den Ziffern 2 Abs. (II), 4. und 8. genannten Fristen ändern.

10. Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer die Entgeltgruppe, in die er eingruppiert wird, schriftlich mit. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Eingruppierung ist nach § 29 Abschn. C MTV-Arb. bzw. § 18 Abschn. C MTV-Ang. zu verfahren.

11. Bei der Einführung des ERA-TV werden Beschäftigungszeiten in einer gleichartigen oder gleichwertigen Tätigkeit angerechnet. ...

§ 5 Besitzstandsregelung

1. Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des ERA-TV darf nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften für den einzelnen Arbeitnehmer keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie oder tariflichem Gehalt zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen.

2. Für den Fall, dass das bisherige Entgelt zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV das neue tarifliche ERA-Entgelt überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe. Diese Differenz wird wie folgt berechnet:

Grundlohn zuzüglich Leistungszulage oder Prämienmehrverdienst oder

Akkordmehrverdienst

oder

Grundgehalt zuzüglich Leistungszulage

abzüglich

Grundentgelt zuzüglich des leistungsabhängigen Entgelts + betrieblich ermöglichter Mehrverdienst.

Ein evtl. bestehender Verdienstausgleich wegen Leistungsminderung gem. § 24 MTV-Arbeiter und § 8 MTV-Angestellte ist bei der Berechnung des bisherigen tariflichen Entgelts und des tariflichen ERA-Entgelts einzubeziehen.

3. Eine Entgeltdifferenz gem. Ziff. 2 in Höhe von bis zu 10 % des bisherigen tariflichen Entgelts wird als Ausgleichszulage, eine darüber hinausgehende Differenz als Überschreitungszulage zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.

Die Überschreitungszulage nimmt an Tariferhöhungen teil. Die Ausgleichszulage vermindert sich entsprechend.

Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil. Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts in voller Höhe. Dies kann frühestens zwölf Monate nach der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gem. § 3 Ziff. 10 erfolgen. Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf 1 %-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszahlung angerechnet.

4. Auf die Ausgleichszulage und die Überschreitungszulage werden in voller Höhe angerechnet:

- individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruches zzgl. daraus resultierender Erhöhungen des leistungsabhängigen Entgelts

- Erhöhungen der Erschwerniszulagen

5. Der (positive) Ausgleichsbetrag geht in die Ermittlung der nicht leistungsabhängigen Zulagen und Zuschläge ein, jedoch nicht in die Berechnung des leistungsabhängigen Entgelts.

6. Die Betriebsparteien können den zeitlichen Verlauf der individuellen Anpassung durch freiwillige Betriebsvereinbarungen abweichend regeln. ...“

Am 28.09.2012 schlossen unter anderem der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und die IG-Metall für die Beklagte einen „Tarifvertrag zur ERA-Einführung bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH“ (im Folgenden: TV-ERA-Einführung Fujitsu, Bl. 86 ff. d.A.) ab. Dieser Tarifvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

㤠3 ERA - Ersteingruppierung

1. Abweichend von § 3 Ziffern 2 bis 7 ERA - ETV erfolgt die Ersteingruppierung in die ERA-Entgeltgruppen für die Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Einführungsstichtag in einem Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehen, gemäß den Regelungen der Überleitungstabelle in Anlage 1. Basis dieser Überleitung sind die am 01.10.2012 geltenden Einstufungen nach den jeweiligen tariflichen Eingruppierungsregelungen. Für Mitarbeiter, deren Eingruppierung (einschließlich Gruppenjahr) sich nach dem 01.10.2012 ändert, ist die zum Einführungsstichtag geltende Eingruppierung maßgeblich; die Überleitungstabelle ist für sie ggf. entsprechend anzupassen. Das Unternehmen teilt den jeweils zuständigen, örtlichen Betriebsräten spätestens einen Monat vor dem Einführungsstichtag die auf der Basis der ggf. angepassten Überleitungstabelle (Anlage 1) erstellten Ersteingruppierungen unter namentlicher Benennung der Arbeitnehmer mit. Die Parteien sind sich einig, dass damit die Ersteingruppierung durchgeführt ist und die Regelungen in § 3 Ziffern 2 bis 7 ERA - ETV keine Anwendung finden.

2. Die Regelung des § 3 Ziffer 8 ERA - ETV finden auf die nach diesem Tarifvertrag vorgenommene Ersteingruppierung Anwendung.

3. Spätere Ein- und Umgruppierungen, die nach der Ersteingruppierung (Ziffer 1 und 2) vorgenommen werden, erfolgen ausschließlich nach den Regelungen des ERA-TV sowie ggf. darauf beruhender, betrieblicher Regelungen. Die in Anlage 1 niedergelegte ggf. angepasste Überleitungstabelle findet für solche Ein- und Umgruppierungen keine Anwendung; dementsprechend sind auch die in Anlage 1 aufgeführten Zusatzstufen (Z-Stufen) für spätere Ein- und Umgruppierungen geschlossen. ...

§ 5 Besitzstandsregelung

Die Regelungen des § 5 ERA - ETV finden mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1. Bei der Ermittlung der Entgeltdifferenz zwischen dem bisherigen tariflichen Entgelt und dem neuen tariflichen ERA - Entgelt gemäß § 5 Ziffer 2 ERA - ETV wird die Besitzstandszulage gemäß § 4 dieses Tarifvertrages als Bestandteil des neuen tariflichen ERA-Entgelts berücksichtigt.

2. Abweichend von § 5 Ziffer 3 ERA-ETV findet die Verminderung der Ausgleichszulage durch Anrechnung der ersten Tariferhöhung ab dem Einführungsstichtag in voller Höhe statt, ohne Rücksicht auf die Frist von zwölf Monaten. ...“

Wegen des weiteren Inhalts des vorgenannten Tarifvertrages wird vollumfänglich auf Blatt 86 ff. der Akte verwiesen.

Aufgrund einer sogenannten „Regelüberführung“ wurde die Klägerin ab dem 01.02.2013 entsprechend der dem TV-ERA-Einführung Fujitsu als Anlage beigefügten Überleitungstabelle von der Beklagten gemäß der Entgeltgruppe ERA-EG10 Z vergütet.

Am 19.01.2015 schlossen unter anderem der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und die IG-Metall einen Ergänzungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur ERA-Einführung bei der Fujitsu Technology Solution GmbH vom 28.09.2012 ab (im Folgenden: Ergänzungstarifvertrag, Bl. 91 ff. d.A.). In § 3 Abs. 2 dieses Ergänzungstarifvertrages ist geregelt:

„Arbeitgeber und GBR streben an, bis zum 30.09.2015 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu vereinbaren, die einen verbindlichen Rahmen für zukünftige ERA-Eingruppierungen in Form eines gemeinsam zu entwickelnden Tätigkeitskataloges (betriebliche Orientierungsbeispiele) enthält.“

In § 5 des Ergänzungstarifvertrages wurde vereinbart, dass dessen Laufzeit am 30.09.2017 ohne Nachwirkung endet. Wegen des weiteren Inhalts des Ergänzungstarifvertrages wird auf Blatt 91 ff. der Akte verwiesen.

Am 20.06.2017 schloss die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu betrieblichen Orientierungsbeispielen nach ERA und deren Anwendung (im Folgenden: Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“, Bl. 93 ff. d.A.) sowie eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung und erstmaligen Anwendung der betrieblichen Orientierungsbeispiele nach ERA (im Folgenden: „Orient Express“, Bl. 96 ff. d.A.) ab. In der Folgezeit einigten sich die Betriebsparteien auf mehrere Nebenabreden bzw. Nachträge zu den beiden vorgenannten Betriebsvereinbarungen. Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarungen und den hierzu getroffenen Nebenabreden und Nachträgen wird vollumfänglich auf Blatt 93 bis 103 der Akte verwiesen.

Im April 2018 belief sich das sog. „IRWAZ-Gesamteinkommen“ der Klägerin auf ... (siehe Gehaltsabrechnung für den Monat April 2018, Bl. 8 d.A.). Zu einer Änderung der Arbeitsaufgaben der Klägerin seit der ERA-Ersteingruppierung ist von den Parteien nichts vorgetragen worden.

Mit Schreiben vom 18.04.2018 teilte die Beklagte der Klägerin auszugsweise Folgendes mit (Bl. 17 f. d.A.):

„Umsetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung ERA Orient/Orient Express zum 01.04.2018 - Ihre neue Entgeltzusammensetzung

Sehr geehrte Frau E. W.-K,

gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung und erstmaligen Anwendung der betrieblichen Orientierungsbeispiele nach ERA („Orient Express“) vom 20.06.2017 erhalten Sie mit Gültigkeit zum 01.04.2018 anbei Ihre individuelle Aufgabenbeschreibung.

Aufgrund der Ihnen übertragenen Aufgabe sind Sie auf Basis des Ihnen zugeordneten Orientierungsbeispiels Assistant 2 [und der Ihnen zusätzlich übertragenden prägenden Aufgaben], vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrates und mit Wirkung zum 01.04.2018 in der Entgeltgruppe (EG) 8 des Entgeltrahmentarifvertrages für die bayerische Metall- und Elektroindustrie eingruppiert.

Ihr Monatseinkommen, berechnet auf Basis einer 35 Stunden Woche, setzt sich - unbeschadet einer später möglichen anderen Zusammensetzung - wie folgt zusammen:

ERA Grundentgelt: (EG 8. Stufe B)

EREA Leistungszulagen:

ERA Ausgleichszulage

ERA Ausgleichszulage 2*:

Sonderzulage:

BAWAZ-Gesamteinkommen:

* Die hier erstmals ausgewiesene ERA Orient Ausgleichszulage wird gemäß den Regelungen der GBV Orient Express nur vorübergehend gewährt. Abhängig von der Anzahl der Entgeltgruppen um die die Abgruppierung erfolgte, reduziert sie sich jeden Monat um einen festgelegten Anteil, bis sie schließlich spätestens nach 2 Jahren ganz entfällt. Den Anteil und Zeitraum der monatlichen Reduktion entnehmen Sie bitte Ziffer 4 der GBV Orient Express. ...“

Dem vorgenannten Schreiben war eine individuelle Aufgabenbeschreibung für die Klägerin beigefügt (Bl. 19 ff. d.A.). Im Mai 2018 kürzte die Beklagte das Gehalt der Klägerin erstmals um .... In den Folgemonaten wurde das Gehalt jeweils um weitere gekürzt. Lediglich im August 2018 kam es zu einer Erhöhung des Gehalts um Erstmals mit Schreiben vom 04.12.2018 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Rückzahlung der aus ihrer Sicht zu Unrecht einbehaltenen Kürzungsbeträge geltend. Diese wurde von der Beklagten abgelehnt.

Mit ihrer am 18.12.2018 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage verlangt die Klägerin die monatlichen Differenzbeträge zur Ausgangsvergütung aus April 2018 und die Feststellung der Vergütungshöhe bzw. der maßgeblichen Entgeltgruppe. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Kürzung ihrer Vergütung die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV entgegenstehe. Für die Frage des Bestandsschutzes komme es auf den Zeitpunkt der erstmaligen tätigkeitsbezogenen Eingruppierung an. Diese sei im April 2018 erfolgt.

Nach Ansicht der Klägerin steht einer Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“ und „Orient Express“ § 77 BetrVG entgegen. Mit einer Gesamtbetriebsvereinbarung könne der Bestandsschutz nicht unterlaufen werden. Im Übrigen sei zu beachten, dass der Ergänzungstarifvertrag am 30.09.2017 ohne Nachwirkung endete. Die Regelungen für Ein- und Umgruppierungen in § 2 dieses Ergänzungstarifvertrages würden nur für Ein- und Umgruppierungen bis zum 30.09.2017 gelten.

Außerdem führt die Klägerin aus, dass, wenn man in der Regelüberführung die Ersteinführung sähe, die im April 2018 durchgeführte Eingruppierung als korrigierende Rückgruppierung zu bewerten sei. Im Falle einer solchen Rückgruppierung liege die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Rückgruppierung bzw. die Korrektur sachlich geboten ist, beim Arbeitgeber. Der Vortrag der Beklagten sei zur Rechtfertigung der von ihr vorgenommenen Rückgruppierung nicht ausreichend.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

  • 1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Mai 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.05.2018 zu zahlen,

  • 2.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juni 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.06.2018 zu zahlen,

  • 3.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juli 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.07.2018 zu zahlen,

  • 4.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat August 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.08.2018 zu zahlen,

  • 5.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat September 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.09.2018 zu zahlen,

  • 6.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Oktober 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 31.10.2018 zu zahlen,

  • 7.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat November 2018 weitere ... brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.11.2018 zu zahlen,

  • 8.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Dezember 2018 weiterhin monatliche Basisbezüge (IRWAZ-Gesamteinkommen) in Höhe von ... brutto zu zahlen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 8. beantragt die Klägerin,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 01.04.2018 hinaus nach der Entgeltgruppe ERA-EG10 B zu vergüten.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten hat die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 10 Z bzw. 10 B. Die neue Eingruppierung der Klägerin sei aufgrund der Regelungen des ERA-TV gerechtfertigt. Auf die auf der Basis ergänzungstariflicher Regelungen vereinbarten Gesamtbetriebsvereinbarungen „Orient“ und „Orient Express“ komme es im Hinblick auf die richtige Eingruppierung im vorliegenden Fall gar nicht an. Die Klägerin habe auf der Basis der ihr übertragenen Arbeitsaufgaben keinen Anspruch auf eine Entgeltgruppe 10 gemäß des ERA-TV. Der Beklagten stehe es jederzeit frei, eine als unrichtig erkannte Eingruppierung zu korrigieren. Den Zeitpunkt einer Umgruppierung lege der Arbeitgeber fest. Dies sei vorliegend am 01.04.2018 geschehen. Der ERA-ETV gebe lediglich in Bezug auf die erstmalige Anwendung des ERA-TV einen dreijährigen Umgruppierungsschutz und mache ansonsten keine Vorgaben über Zeitpunkte einer Umgruppierung. Den Dreijahreszeitraum habe die Beklagte eingehalten. Ein- und Umgruppierungen seien nach diesem Dreijahreszeitraum nach den allgemeinen Grundsätzen möglich und vorzunehmen. Vorliegend sei zu Gunsten der Arbeitnehmer eine Besitzstandsregelung („ERA-Ausgleichszulage“) vereinbart worden, die weder durch Gesetz noch durch Tarif vorgegeben sei. Die ERA-Ausgleichszulage basiere auf der Gesamtbetriebsvereinbarung ERA Orient Express. Die Abschmelzung der ERA-Ausgleichszulage der Klägerin erfolge zu Recht. Die ERA-Ausgleichszulage kollidiere nicht mit § 77 Abs. 3 BetrVG, sondern stelle eine über den Tarifvertrag hinausgehende Übergangsregelung dar.

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die eine höhere als die vorgenommene Eingruppierung rechtfertigen sollen, liege bei der Klägerin. Dies gelte in der vorliegenden Konstellation der Neueingruppierung ebenfalls, da die Klägerin gar kein Vertrauen in den Fortbestand der Zuordnung zur ursprünglichen Entgeltgruppe 10 Z aufbauen konnte. Der Klägerin habe klar sein müssen, dass die im Zuge der Regelüberführung vorgenommene Eingruppierung nur vorläufig gewesen sei. Es handele sich nicht um eine korrigierende Rückgruppierung.

Der neuen Eingruppierung und Abschmelzung stehe die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV nicht entgegen. Diese habe den Besitzstand bei der Ersteingruppierung geschützt, die im Jahr 2013 erfolgt sei und damals - unstreitig - die Vergütungshöhe nicht beeinträchtigt habe. Im Übrigen sei die Vergütung der Klägerin nach Entgeltgruppe 8 zum heutigen Zeitpunkt höher als die Vergütung nach Entgeltgruppe 10 im Jahre 2013.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschriften der Sitzungen am 07.02.2019 und 04.06.2019 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts München folgt aus § 48 Abs. 1 a ArbGG.

2. Mit dem Feststellungsantrag zu 8. strebt die Klägerin die Klärung der Höhe ihres Bruttomonatsgehalts an. Es handelt sich hierbei um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Darunter fallen auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht - so genannte Elementenfeststellungsklage (BAG, Urteil vom 18.05.2017 - 2 AZR 721/16).

Auch das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag kann der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden (BAG, Urteil vom 15.6.2016 - 4 AZR 805/14).

3. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig. Es handelt sich um eine typische Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch in der Privatwirtschaft in der Regel ohne Weiteres zulässig ist (BAG, Urteil vom 16.11.2016 - 4 AZR 127/15). Über die Berechnung der Vergütung nach der im Antrag angegebenen Entgeltgruppe besteht zwischen den Parteien kein Streit. Der Antrag ist daher geeignet, die streitige Frage der richtigen Vergütungshöhe abschließend zu klären (BAG, Urteil vom 15.6.2016 - 4 AZR 805/14).

II.

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat Vergütungsnachzahlungsansprüche für die Vergangenheit. Wegen der Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bestehen diese aber nicht für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Der Feststellungshauptantrag ist unbegründet. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist hingegen erfolgreich.

1. Die Klageanträge zu 1.-4. sind unbegründet.

Unstreitig kommen aufgrund einer entsprechenden Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien vorliegend die Tarifbestimmungen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung. Gemäß § 22 Nr. 3 (I) b) des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie hätte die Klägerin die von ihr verlangten Vergütungsdifferenzen innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen müssen. Gemäß § 16 Nr. 3 (II) des vorgenannten Tarifvertrages ist das Arbeitsentgelt am Monatsende fällig. Unstreitig hat die Klägerin ihre Ansprüche erstmals im Dezember 2018 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren etwaige Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Mai bis einschließlich August 2018 wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfrist bereits verfallen.

2. Die Klageanträge zu 5.-7. sind begründet.

a) Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrten Vergütungsdifferenzen für die Monate September bis November 2018. Die Beklagte ist nicht berechtigt, das Gehalt der Klägerin beginnend ab Mai 2018 um monatlich 30,13 € brutto zu kürzen. Der Zahlungsanspruch beruht auf § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. ihrem Arbeitsvertrag und § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu sowie der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.

aa) Für die Entscheidung über die streitgegenständlichen Vergütungsforderungen der Klägerin ist die Auslegung von § 3 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu sowie von § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrages und § 3 ERA-ETV von ausschlaggebender Bedeutung.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa BAG, Urteil vom 18.02.2014 - 3 AZR 808/11).

bb) Nach Ansicht der erkennenden Kammer ergibt die Auslegung von § 3 Nr. 1 des Tarifvertrages zur ERA-Einführung bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelung geschaffen haben, die nicht nur von Bestimmungen des ERA-ETV, sondern auch des ERA-TV selbst abweichen.

Vom ERA-ETV weicht § 3 Nr. 1 ab, indem das dort in § 3 Ziffer 2-7 normierte Verfahren zur Mitwirkung des Betriebsrats bei der Ersteingruppierung von Arbeitnehmern im Rahmen der Einführung des ERA-TV im Hinblick auf Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Einführungsstichtag in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten standen, für nicht anwendbar erklärt wird.

Aber auch der ERA-TV selbst wird materiell-rechtlich abgeändert. Denn die Eingruppierung der Arbeitnehmer, die am Tag vor dem Einführungsstichtag in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten standen, richtet sich gemäß § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu nicht danach, welcher Entgeltgruppe die übertragenen Tätigkeiten nach dem ERA-TV zuzuordnen wären, sondern allein nach der in der Anlage 1 enthaltenen Überleitungstabelle, die an die bisherige Vergütung anknüpft.

Die Bezugnahme auf die Regelungen in § 3 Ziffer 2-7 des ERA-ETV, die die kollektivrechtliche Beziehung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber betreffen, lässt nach Ansicht der Kammer nicht darauf schließen, dass die materiell-rechtliche Eingruppierung nach dem ERA-TV unberührt bleiben sollen. Andernfalls hätten die Tarifvertragsparteien eine Regelung zum kollektivrechtlichen Eingruppierungsverfahren geschaffen, die sich von den normativen Bestimmungen zur Eingruppierung der einzelnen Arbeitnehmer nach dem ERA-TV löst. Hierfür ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu, dass für die Mitarbeiter die sich aus der Überleitungstabelle maßgebliche Eingruppierung maßgeblich seien soll.

In § 2 des 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich bestimmt, dass die Regelungen ERA-TV gelten sollen, sofern in §§ 3-8 dieses Tarifvertrages nichts Abweichendes geregelt ist. § 3 Nr. 1 enthält aufgrund der vorgenannten Erwägungen eine derartige Abweichung.

cc) Die richtige tarifvertragliche Eingruppierung der Klägerin ergibt sich nach wie vor aus § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu in Verbindung mit dessen Anlage 1.

Weder der vorgenannte Tarifvertrag selbst noch der Ergänzungstarifvertrag in Verbindung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“ enthalten Regelungen, die die materiell-rechtliche Eingruppierungsbestimmung des § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu zeitlich befristet oder ersetzt haben.

(1) Die Eingruppierungsregelung des § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu ist nicht zeitlich befristet auf den Zeitraum von drei Jahren.

Für eine derartige Befristung könnte sprechen, dass in § 3 Nr. 1 S. 1 des vorgenannten Tarifvertrages ausdrücklich die „Ersteingruppierung“ geregelt wird und in § 3 Nr. 2 sodann § 3 Ziffer 8 ERA-ETV für anwendbar erklärt wird.

Nach Ansicht der Kammer ist die Formulierung in § 3 Ziffer 8 ERA-ETV, dass es für die Dauer von 3 Jahren nach der ERA-Einführung bei der Ersteingruppierung bleiben soll, aber nicht als Befristung der materiell-rechtlich maßgeblichen Eingruppierungsvoraussetzungen zu verstehen. Normadressaten sind hier, wie der letzte Halbsatz von § 3 Ziffer 8 ERA-ETV klar stellt, nämlich lediglich der Arbeitgeber und der Betriebsrat. Diese sollen keine Überprüfung der Eingruppierung verlangen können. § 3 Ziffer 8 ERA-ETV enthält somit lediglich eine Bestimmung zum Eingruppierungsverfahren auf kollektivrechtlicher Ebene.

Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass gemäß § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu die Regelungen des § 3 Ziffer 2 bis 7 ERA-ETV nicht anwendbar sind. Auch wenn man § 3 Ziffer 8 ERA-ETV lediglich im Hinblick auf das Verhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat Bedeutung beimisst, ist diese Regelung im Anwendungsbereich des § 3 Nr. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu nicht bedeutungslos, da in § 3 Nr. 1 im vorletzten Satz im Hinblick auf das kollektivrechtliche Eingruppierungsverfahren eine eigene Regelung enthalten ist.

(2) Die Eingruppierungsvorschrift des § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu ist nicht durch eine andere kollektivrechtliche Eingruppierungsregelung ersetzt worden.

Für die Eingruppierung ist nicht maßgeblich, wie die Klägerin nach dem ERA-TV i.V.m. den Gesamtbetriebsvereinbarungen „Orient“ und „Orient Express“ einzugruppieren wäre. Diese Regelungen sind vorliegend nicht einschlägig (a.A. z.B. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2019 - 9 Ca 6684/18).

Die tarifvertragliche Öffnungsklausel in § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrages erfasst den Anwendungsbereich für Ersteingruppierung von Arbeitnehmer, die vor dem ERA-Einführungsstichtag bei der Beklagten beschäftigt waren, nicht.

Gemäß § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG können zu Arbeitsentgelten, die in einem Tarifvertrag geregelt sind, ergänzende Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, wenn ein Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt. Der Tarifvertrag muss in einer klaren und eindeutigen positiven Bestimmung eine ergänzende Betriebsvereinbarung gestatten (Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier in Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 29. Auflage 2018, § 77 BetrVG Rn. 117).

Gemäß § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrags wird der Abschluss einer Betriebsvereinbarung gestattet, die einen Rahmen für zukünftige ERA-Eingruppierungen in Form eines Tätigkeitskatalogs enthält. § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu regelt für einen bestimmten Mitarbeiterkreis, dass in Abweichung vom ERA-TV die Eingruppierung nicht tätigkeitsbezogen, sondern aufgrund einer Überleitungstabelle erfolgen soll (s.o.). Aus der Öffnungsklausel in § 3 (II) des Ergänzungstarifvertrages geht nicht mit der nötigen Klarheit hervor, dass diese Sonderregelung, die gerade nicht tätigkeitsbezogen ist, aufgehoben werden soll. Dies ist weder dem Wortlaut des § 3 (II) noch den übrigen Bestimmungen des Ergänzungstarifvertrages zu entnehmen.

Der Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung „Orient“ und „Orient Express“ steht im vorliegenden Fall daher der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG entgegen.

(3) § 3 Nr. 3 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu ist vorliegend nicht einschlägig. Diese Vorschrift regelt, wie bei späteren Ein- und Umgruppierungen vorzugehen ist.

(a) Eingruppierung bedeutet die erstmalige Einreihung in ein Vergütungsschema. Sie besteht in der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Vergütungsgruppe des Entgeltschemas nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Sie ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung (BAG, Beschluss vom 28.4.2009 - 1 ABR 97/07).

Die Klägerin ist gemäß § 3 Nr. 1 S. 1 dieses Tarifvertrages in Verbindung mit dessen Anlage 1 in Entgeltgruppe 10 Z richtig eingruppiert. Dass die Klägerin nach der Überleitungstabelle dieser Entgeltgruppe unterfällt, ist unstreitig.

Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage nunmehr in Abweichung von § 3 Nr. 1 S. 1 des TV ERA-Einführung bei Fujitsu eine Neueingruppierung unter Anknüpfung an die ausgeübten Tätigkeiten vorzunehmen ist.

(b) Unter Umgruppierung versteht man jede Änderung der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu der für ihn maßgeblichen tariflichen oder betrieblichen Lohn- bzw. Gehaltsgruppenordnung. Die Versetzung auf einen höher oder niedriger eingestuften Arbeitsplatz ist eine Möglichkeit, bei der eine Umgruppierung erforderlich wird. Denkbar ist weiter, dass eine Umgruppierung erforderlich wird, weil sich die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben auf demselben Arbeitsplatz in ihrem Verhältnis zueinander ändern und der Arbeitnehmer damit in eine andere Vergütungsgruppe „hineinwächst“. Das Erfordernis der Umgruppierung kann sich auch bei unverändertem Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers ergeben, wenn die einschlägige Vergütungsgruppenordnung etwa durch Änderung der Zahl der Vergütungsgruppen oder durch Neufassung der Tätigkeitsmerkmale geändert wird (Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 99 BetrVG Rn 12).

Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sich die Tätigkeit der Klägerin seit der Überleitung der Entgeltgruppe verändert hat oder der Überleitung eine falsche Entgeltgruppe zugrunde gelegt wurde. Es ist daher auch für eine Umgruppierung kein Raum.

dd) Unstreitig wurde die Klägerin ab dem 01.01.2013 im Zuge der ERA-Einführung bei der Beklagten entsprechend der Überleitungstabelle in Anlage 1 des Tarifvertrages zur ERA-Einführung gemäß der Entgeltgruppe 10Z vergütet. Dass die Überleitung in die Entgeltgruppe 10Z zu Recht erfolgte, ist von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden. Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Parteien, dass sich die Bruttomonatsvergütung der Klägerin bei dieser Eingruppierung aktuell auf ... beläuft. Die von der Beklagten vorgenommenen Abzüge sind ebenfalls unstreitig. Da die Klägerin einen Anspruch entsprechend der bisherigen tariflichen Eingruppierung hat, sind die von ihr geltend gemachten Zahlungsansprüche für die Monate September bis November 2018 begründet.

b) Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB.

3. Der Klageantrag zu 8. ist unbegründet. Die Klägerin hat aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme einen Anspruch darauf, nach den jeweils einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen vergütet zu werden. Der Antrag ist zukunftsbezogen. Wie die Tarifentwicklung verlaufen wird, ist nicht vorhersehbar. Im Übrigen haben die Parteien nicht näher vorgetragen, woraus sich ein „IRWAZ-Gesamteinkommen“ in Höhe von brutto ergeben soll. Insbesondere im Hinblick auf etwaige im „IRWAZ-Gesamteinkommen“ enthaltene Zulagen ist dem Gericht eine Prüfung ohne nähere Angaben nicht möglich. Dem bezifferten Feststellungsantrag war daher nicht stattzugeben.

4. Der Hilfsantrag ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, jedenfalls - wie beantragt - nach Entgeltgruppe EG 10B vergütet zu werden. Nach der maßgeblichen Überleitungstabelle stünde der Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 10Z zu. Insofern wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter Ziffer II.2. verwiesen. Die Entgeltgruppe 10Z wird von den Tarifparteien nicht fortgeschrieben. Im Zeitpunkt der Überleitung lag die Entgeltgruppe 10Z zwischen der Entgeltgruppe 10B und 11B. Der Klägerin steht somit zumindest Vergütung nach der Entgeltgruppe 10B zu.

Da Vergütungsdifferenzansprüche der Klägerin, die sich aus dieser Eingruppierung ergeben für den Zeitraum von Mai bis August 2018 wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen sind (s. oben Ziffer 11.1.), ist der Feststellungsantrag erst für den Zeitraum ab dem 01.09.2018 begründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3, 9 ZPO. Die Eingruppierungsfeststellungsklage wurde mit den Vergütungsdifferenzbeträgen bewertet, die in einem Zeitraum von 3 ½ Jahren auflaufen. Dabei wurde bei der Berechnung ein monatlich un... monatlich zugrunde geleg.

Die Zahlungsanträge und der Hilfsantrag wurden nicht streitwerterhöhend bewertet (vgl. zum Gebührenstreitwert von Eingruppierungsfeststellungsklage und Zahlungsanträgen lag Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2017 - 4 Ta 170/17).

V.

Gegen dieses Urteil können beide Parteien Berufung einlegen.

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(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. August 2016 - 9 Sa 415/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Pauschale für Erschwerniszuschläge.

2

Der Kläger war zunächst bei der Stadt B auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 4. März 2002 beschäftigt. Nach Nr. 1 des Arbeitsvertrags richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge wie dem Bezirkszusatztarifvertrag (BZT-G/NRW) in der jeweils geltenden Fassung sowie den an deren Stelle tretenden Tarifverträgen. Der Kläger war eingesetzt im Geschäftsbereich des Amts für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft der Stadt B (Amt 70).

3

Unter dem 29. April 2002 schlossen der Kläger und die Stadt B eine als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 4. März 2002 bezeichnete Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

        

„1.     

[Der Kläger] erhält ab 04.03.2002 für geleistete Arbeiten, für die gem. § 23 BMT-G in Verbindung mit § 5 BZT-G ein Erschwerniszuschlag zu zahlen ist, eine Pauschale.

        

2.    

Die Pauschale beträgt 101,35 € monatlich. Sie erhöht sich um die Prozentualsteigerung der jährlichen Lohnerhöhung. Im Krankheitsfall wird die Pauschale während des Lohnfortzahlungsanspruchs nach dem Lohnfortzahlungsgesetz weitergezahlt.

        

3.    

Diese Nebenabrede kann mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden.

        

4.    

Die Nebenabrede wird zweifach ausgefertigt; jede Vertragspartei erhält eine Ausfertigung.“

4

Das Amt 70 ging zum 1. Januar 2013 auf die Beklagte über. Diese betreibt in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts ein kommunales Dienstleistungsunternehmen für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung. Im Zusammenhang mit der Überleitung der Arbeitsverhältnisse schloss die Stadt B mit dem Gesamtpersonalrat sowie dem Personalrat Technik und Verwaltung im August 2012 eine Vereinbarung zur Personalüberleitung, in der es heißt:

         

Grundsätze

        

…       

        

Zukünftige abweichende Regelungen, die Ansprüche der Beschäftigten und der Beamtinnen und Beamten betreffen, sind nur durch ausdrückliche schriftliche Vereinbarung mit dem Personalrat der zukünftigen AöR möglich.

        

…       

        

I. Individualrechtliche Fragen

        

…       

        

2. Genereller Ausschluss von Nachteilen

        

Die Parteien sind sich darüber einig, dass den betroffenen Beschäftigten durch die Überleitung keine Nachteile entstehen dürfen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Vergütungshöhe, des Bestandsschutzes, der sozialen Absicherung und des Einsatzortes im Stadtgebiet B.“

5

Bereits vor der Übertragung des Amts 70 auf die Beklagte einigten sich die Stadt B und der Personalrat auf eine Überprüfung der vereinbarten Pauschalen für Erschwerniszuschläge. Zu diesem Zweck wurden die Mitarbeiter veranlasst, ihre zuschlagspflichtigen Tätigkeiten vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 einzeln zu erfassen und zu dokumentieren. Die dem Kläger zuletzt gezahlte Erschwerniszuschlagspauschale betrug 122,31 Euro monatlich.

6

Mit Schreiben vom 11. September 2014, dem Kläger am 13. September 2014 zugegangen, kündigte die Beklagte die Pauschalierungsvereinbarung vom 29. April 2002 zum 30. September 2014. Die Erschwerniszuschläge des Klägers rechnet sie seit Oktober 2014 einzelfallbezogen ab.

7

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Kündigung stehe Nr. I.2. der Vereinbarung zur Personalüberleitung entgegen. Nach Absatz 3 der „Grundsätze“ habe es zudem einer vorherigen Vereinbarung mit dem Personalrat bedurft. Dieser habe vor dem Kündigungsausspruch nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW und nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW beteiligt werden müssen. Die in der Nebenabrede vereinbarte Kündigungsmöglichkeit sei mangels Angabe jeglichen Grundes für einen Widerruf nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 4. März 2002 mit Datum vom 29. April 2002 nicht wirksam durch die Kündigung vom 11. September 2014 beseitigt worden ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, eine Inhaltskontrolle der Kündigungsvereinbarung finde mit Blick auf § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt. Die Kündigung halte auch einer Ausübungskontrolle stand. Der Kläger habe aufgrund der Fortentwicklung der tatsächlichen Arbeitsbedingungen nur noch in einem untergeordneten Maß Arbeiten ausgeführt, für die Anspruch auf Zahlung eines Erschwerniszuschlags bestanden habe.

10

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.

12

I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag bedarf allerdings der Auslegung. Er ist dahin zu verstehen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihm über den 30. September 2014 hinaus eine Erschwerniszuschlagspauschale gem. Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 29. April 2002 zu zahlen. In dieser Auslegung ist er zulässig.

13

1. Die Frage, ob die Beklagte über den 30. September 2014 hinaus zur Zahlung der in Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 29. April 2002 bestimmten Pauschale verpflichtet ist, stellt ein nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Darunter fallen auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht - sog. Elementenfeststellungsklage - (BAG 13. Dezember 2016 - 9 AZR 574/15 - Rn. 20; 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 13 f.). Hingegen hätte ein Feststellungsantrag betreffend die Wirksamkeit der Kündigung vom 11. September 2014 nicht das Bestehen eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand. Die Kündigung einer Nebenabrede zählt auch nicht zu den von § 4 KSchG erfassten Beendigungsformen.

14

2. Für die begehrte Feststellung besteht das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Vorrang der Leistungsklage steht dem nicht entgegen. Ein dem Antragsbegehren entsprechendes Feststellungsurteil ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Konflikt endgültig zu klären. Die Beklagte bestreitet einen Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung der Pauschale nur dem Grunde nach. Es ist zu erwarten, dass sie sich als öffentlich-rechtlich verfasste Arbeitgeberin einer gerichtlichen Feststellung entsprechend verhalten wird (vgl. BAG 13. Juli 2010 - 9 AZR 264/09 - Rn. 23; 23. September 2009 - 5 AZR 628/08 - Rn. 17).

15

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger über den 30. September 2014 hinaus eine Erschwerniszuschlagspauschale gem. Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 29. April 2002 zu zahlen. Die Kündigung zum 30. September 2014 erweist sich als wirksam.

16

1. Die Pauschalierungsabrede vom 29. April 2002 war nach deren Nr. 3 gesondert kündbar.

17

a) Die einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen durch Kündigung ist, da sie das vereinbarte Ordnungs- und Äquivalenzgefüge eines Vertrages stört, grundsätzlich unzulässig. Solche sog. Teilkündigungen einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen können aber zulässig sein, wenn dem Kündigenden hierzu - wirksam - das Recht eingeräumt wurde (vgl. BAG 23. März 2011 - 10 AZR 562/09 - Rn. 27; 13. März 2007 -  9 AZR 612/05  - Rn. 30 , BAGE 121, 369 ).

18

b) Nr. 3 der Pauschalierungsabrede vom 29. April 2002 enthält eine solche Vereinbarung ihrer gesonderten Kündbarkeit. Dagegen sieht nicht schon § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD - bzw. zuvor § 4 Abs. 2 BMT-G - selbst die Kündbarkeit sog. Nebenabreden vor, sondern verlangt dafür eine einzelvertragliche Vereinbarung.

19

c) Durch die Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit der Pauschalierungsvereinbarung wird kein zwingender Kündigungsschutz umgangen. Das (ursprüngliche) Äquivalenzgefüge des Arbeitsverhältnisses bleibt unverändert. Es wird nicht die Widerruflichkeit eines eigenständigen Entgeltbestandteils vereinbart und damit die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers selbst einer einseitigen Abänderbarkeit unterworfen, sondern lediglich eine Erfüllungsmodalität ausgestaltet (ebenso für einen in einem Zusatz zum Chefarztvertrag festgelegten Berechnungsmodus für die Kostenerstattung BAG 14. November 1990 - 5 AZR 509/89 - zu II 2 der Gründe, BAGE 66, 214 ). Der Anspruch des Klägers auf den Entgeltbestandteil selbst - hier die Erschwerniszuschläge nach den tariflichen Vorschriften - wird durch eine Kündigung der Nebenabrede nicht berührt. Diese modifiziert lediglich die Zahlweise der ihm zustehenden tariflichen Erschwerniszuschläge.

20

aa) In Nr. 1 der Vereinbarung vom 29. April 2002 haben die Parteien keinen (übertariflichen) Anspruch des Klägers auf einen gesonderten Leistungsbestandteil begründet, sondern nur eine Pauschale für die nach § 23 BMT-G, § 5 BZT-G/NRW zu zahlenden Zuschläge festgelegt. Der Zweck einer solchen Pauschalierungsabrede besteht allein darin, die Abrechnung der grundsätzlich „spitz“ zu ermittelnden Einzelansprüche zu erleichtern. Sie soll nur vereinbart werden, wenn die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile während des Pauschalierungszeitraums voraussichtlich im Durchschnitt regelmäßig anfallen (Sponer in Sponer/Steinherr Stand August 2016 TVöD § 24 Rn. 76; KomTVöD/Dahl Stand 2. März 2016 § 24 TVöD Rn. 10) und hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Häufigkeit nur geringen Schwankungen unterliegen (Sponer in Sponer/Steinherr aaO). Die Pauschalierung beruht damit auf dem Gedanken, dass durch sie lediglich die durchschnittlich zu erwartenden Zuschläge in der Abrechnungsweise verstetigt werden. Sie berührt dagegen nicht die Voraussetzungen für die Zahlung der Zuschläge dem Grunde nach.

21

bb) Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Vereinbarung vom 29. April 2002 ihren Charakter als bloße Pauschalierungsabrede nicht dadurch verloren, dass die Beklagte die Pauschale auch nach der Dokumentation der zuschlagspflichtigen Tätigkeiten von Oktober 2012 bis März 2013 noch weitere 18 Monate gezahlt hat. Da die Vereinbarung bis dahin nicht gekündigt war, konnte die Zahlung vom Kläger nicht so verstanden werden, dass sich die Beklagte entgegen der Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen zum Erschwerniszuschlag zu einer nunmehr übertariflichen Zahlung hätte verpflichten wollen. Ebenso fehlt es an Vortrag des Klägers, wann und auf welche Weise er ein entsprechendes Angebot der Beklagten angenommen haben will. Ob einer konkludenten Abänderung der Abrede überdies das Schriftformerfordernis gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 TVöD entgegengestanden hätte, bedarf daher keiner Entscheidung.

22

2. Selbst wenn es sich bei der Vereinbarung vom 29. April 2002 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls um eine Einmalbedingung iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB handelte und diese der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 - 309 BGB unterläge, würde dies nicht zur Unwirksamkeit der in Nr. 3 getroffenen Kündbarkeitsregelung führen. Diese genügt den sich aus § 308 Nr. 4 BGB iVm. § 307 Abs. 1 BGB ergebenden Anforderungen.

23

a) Gegen ihre Kontrollfreiheit gem. § 310 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB bzw. in entsprechender Anwendung dieser Bestimmungen spricht, dass § 4 Abs. 2 BMT-G bzw. § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD nicht erkennen lassen, die Tarifvertragsparteien erachteten jedwede einzelvertragliche Vereinbarung einer Kündbarkeit von Nebenabreden selbst in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vom Arbeitgeber vorformulierten Einmalbedingungen unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung als angemessen. Ebenso fehlen konkrete Vorgaben zu den Anforderungen an solche Abreden etwa hinsichtlich des Erfordernisses oder der Entbehrlichkeit von Kündigungsgründen oder Kündigungsfristen (zu den Anforderungen an gesetzliche Erlaubnisnormen vgl. Palandt/Grüneberg BGB 75. Aufl. § 307 Rn. 54).

24

b) Nr. 3 der Pauschalierungsvereinbarung ist nicht nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

25

aa) Der Senat kann zugunsten des Klägers unterstellen, dass die Kündbarkeitsabrede in Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. April 2002 einen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB für die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Verwenderin enthielt. Zwar betrifft die Pauschalierungsvereinbarung nur eine Erfüllungsmodalität der geschuldeten Leistung. Die „versprochene Leistung“ iSv. § 308 Nr. 4 BGB umfasst aber auch die Modalitäten ihrer Erfüllung, also etwa Zeit und Ort der Leistung(Palandt/Grüneberg BGB 75. Aufl. § 308 Rn. 24; MüKoBGB/Wurmnest 7. Aufl. § 308 Nr. 4 Rn. 4 f.; jeweils mwN). Mit der Pauschalierungsabrede wurde vereinbart, wie die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Teil ihrer Leistung - die tariflichen Erschwerniszuschläge - zu erbringen hat. Die grundsätzlich vorzunehmende Einzelabrechnung wurde durch einen monatlich gleichbleibenden Pauschalbetrag ersetzt. Darin liegt die Einigung, dass mit seiner Zahlung trotz der damit verbundenen Teil-Vorschusszahlungen bzw. Teil-Stundungen gegenüber der „Spitzabrechnung“ eine ordnungsgemäße Erfüllung des tariflichen Anspruchs vorliegt. Die Vereinbarung der Kündbarkeit dieser Abrede gibt hier - jedenfalls auch - dem Verwender, also der Rechtsvorgängerin der Beklagten, das Recht, diese Erfüllungsmodalität zu ändern.

26

bb) Jedoch genügt die Abrede in Nr. 3 der Pauschalierungsvereinbarung den sich aus § 308 Nr. 4 BGB ergebenden Anforderungen. Sie ist dem Kläger unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin iSd. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar.

27

(1) Der Begriff der Zumutbarkeit in § 308 Nr. 4 BGB verlangt eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an deren Unveränderlichkeit. Die Zumutbarkeit einer Leistungsänderungsklausel ist zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann, und erfordert im allgemeinen ferner, dass für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen besteht (BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b bb (1) der Gründe, BGHZ 158, 149; Jauernig/Stadler BGB 16. Aufl. § 308 Rn. 6; Staudinger/Coester-Waltjen BGB 2013 § 308 Nr. 4 Rn. 6).

28

(2) Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist gem. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen(BAG 24. Januar 2017 - 1 AZR 774/14 - Rn. 22; 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 19 f.). Wird dem Verwender das Recht eingeräumt, einen Leistungsbestandteil einseitig zu widerrufen, muss sich aus der Klausel selbst ergeben, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (BAG 24. Januar 2017 - 1 AZR 774/14 - Rn. 23; 13. April 2010 - 9 AZR 113/09 - Rn. 28; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 4 c der Gründe, BAGE 113, 140 ). Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, zB wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers ( BAG 21. März 2012 - 5 AZR 651/10 - Rn. 16; 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - zu B I 5 b der Gründe, aaO).

29

(3) Nach diesen Grundsätzen ist die Bestimmung über die Kündbarkeit der Pauschalierungsabrede gem. Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. April 2002 dem Kläger iSd. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar gewesen, obwohl das Recht zur Kündigung nicht an einen in der Klausel selbst angegebenen Grund geknüpft war.

30

(a) Der Verzicht auf Kündigungsgründe ist bei einer solchen Abrede, anders als im Falle der Vereinbarung der einseitigen Widerruflichkeit einer Leistung, interessengerecht und einem Arbeitnehmer daher iSd. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar. Eine Pauschalierungsabrede kommt typischerweise nur zustande, wenn beide Seiten sie als eine angemessene Abrechnungserleichterung betrachten. Für den Arbeitnehmer vermeidet sie Nachweisschwierigkeiten und für den Arbeitgeber Verwaltungsaufwand. Ihren Zweck, eine bloße Abrechnungsvereinfachung zu schaffen, erfüllt eine Pauschalierungsabrede indes nur solange, wie sie nach Einschätzung beider Parteien einen angemessenen Ausgleich für die Zahlungsansprüche darstellt, die durch sie pauschaliert werden. Es ist von vornherein absehbar, dass zukünftige tatsächliche Entwicklungen, die Auswirkungen auf die Höhe der pauschalierten Ansprüche haben, dieser Einschätzung die Grundlage entziehen können. Dem „Vertragszweck“ einer Pauschalierungsabrede entspricht es daher, jeder Seite die Möglichkeit zu geben, sich von ihr durch Kündigung wieder lösen zu können. Dadurch ist gewährleistet, dass die Pauschalierung nur solange maßgeblich bleibt, wie die übereinstimmende Einschätzung ihrer Angemessenheit fortbesteht. Bei einer reinen Pauschalierungsabrede ist es daher auch sachgerecht, die Ausübung des Kündigungsrechts nicht vom Vorliegen näher bestimmter objektiver Umstände abhängig zu machen. Beide Parteien haben kein Interesse daran, diese aufzugeben, wenn nicht auch tatsächlich zumindest Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich nicht mehr um eine angemessene Mittelung der ihr zugrunde liegenden Ansprüche handelt. Dies ist für jede Seite auch von vornherein kalkulierbar. Umgekehrt wirkt sich eine Kündigung für den anderen Teil tatsächlich umso weniger aus, je genauer der Pauschalbetrag die Ansprüche weiterhin mittelt.

31

(b) Auf Seiten des Arbeitnehmers ist demnach bei einer Pauschalierungsabrede nicht sein Interesse am Erhalt eines bestimmten Vergütungsbestandteils selbst schützenswert, sondern allein die mit der Pauschalierung verbundene Abrechnungserleichterung. Diesem Interesse steht das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, nicht höhere Pauschalbeträge zu zahlen, als es den gesondert zu entlohnenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers entspricht. Das Interesse, leistungsgerecht zu bezahlen, ist grundsätzlich höher zu bewerten als das bloße Interesse an einer vereinfachten Abrechnung. Dagegen ist ein Interesse des Arbeitnehmers, weiter eine von der Pauschalierungsabrede nicht beabsichtigte übertarifliche Bezahlung zu erhalten, nicht schützenswert. Dies gilt umgekehrt nicht anders, wenn der Arbeitnehmer den Pauschalbetrag für zu gering bemessen hält. Die Kündbarkeit muss deshalb beidseitig vorgesehen sein, um interessengerecht zu sein. Daneben muss die Kündbarkeitsklausel den jeweils maßgeblichen Abrechnungszeiträumen Rechnung tragen.

32

c) Nach diesen Grundsätzen ist die in Nr. 3 getroffene Abrede über die Kündbarkeit der Nebenabrede wirksam. Diese sah eine Kündigungsmöglichkeit für beide Parteien vor. Die Kündigung war nicht mit sofortiger Wirkung, sondern nur unter Wahrung einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende möglich. Damit wurde eine Änderung des Abrechnungsmodus innerhalb einer Abrechnungsperiode ebenso vermieden wie eine sofortige Abänderung bereits mit Zugang der Kündigungserklärung. Der Kläger konnte sich bei einer Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten rechtzeitig vor Beginn der nächsten Abrechnungsperiode auf das Erfordernis einstellen, zukünftig wieder im Einzelfall abrechnen zu müssen.

33

3. Die Beklagte hat das ihr durch Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. April 2002 eingeräumte Kündigungsrecht wirksam mit Wirkung zum 30. September 2014 ausgeübt.

34

a) Die Ausübung des Kündigungsrechts ist an keine spezifischen Gründe gebunden. Die vereinbarte Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsschluss ist eingehalten. Die Kündigung ist dem Kläger am 13. September 2014 zugegangen.

35

b) Die Kündigung verstößt - ungeachtet der Rechtsfolge, die sich anderenfalls daraus ergäbe - nicht gegen Nr. I.2. der Personalüberleitungsvereinbarung. Es kann daher dahinstehen, ob die Personalüberleitungsvereinbarung in dieser Form wirksam ist.

36

aa) Nach Nr. I.2. der Personalüberleitungsvereinbarung dürfen den betroffenen Beschäftigten durch die Überleitung keine Nachteile entstehen. Nicht erfasst sind damit unabhängig von der Überleitung eintretende Nachteile. Die Ausübung eines bereits vor Abschluss des Personalüberleitungsvertrags vereinbarten Kündigungsrechts ist jedoch kein Nachteil infolge der Überleitung. Nr. I.2. des Personalüberleitungsvertrags gewährt den übergeleiteten Beschäftigten dagegen keinen Anspruch auf Besserstellung. Um eine solche handelte es sich aber, wenn das bereits zuvor vereinbarte Recht zur Kündigung der Pauschalierungsabrede nach der Überleitung ausgeschlossen wäre.

37

bb) Nichts anderes folgt aus den übrigen Bestimmungen des Personalüberleitungsvertrags. Die unter Nr. I.5. geregelten materiellen Arbeitsbedingungen verhalten sich nicht zu vereinbarten Kündigungen von Nebenabreden, insbesondere nicht zu Pauschalierungsabreden für Erschwerniszuschläge. Der Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen ist durch den in Nr. I.3. geregelten Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen geregelt. Einen weiteren Veränderungsschutz, insbesondere ein Einfrieren auf den Status vor der Überleitung unabhängig von bereits vorher vereinbarten Änderungsmöglichkeiten, enthält der Überleitungsvertrag an keiner Stelle, auch nicht in Nr. IV.4.

38

c) Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung des Personalrats unwirksam.

39

aa) Das Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW besteht nicht bei der Kündigung einer Pauschalierungsabrede. Diese Norm erfasst allein Kündigungen von Arbeitsverhältnissen (vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein Personalvertretungsrecht NRW Stand Oktober 2016 § 74 Rn. 21), dh. Beendigungskündigungen und Änderungskündigungen (Laber in Laber/Pagenkopf § 74 LPVG NRW Rn. 19; Neubert/Sandfort/Lorenz/Kochs 11. Aufl. § 74 LPVG NRW Nr. 1.1.; Bülow § 74 LPVG NRW Rn. 12; vgl. BAG 12. Februar 1987 - 6 AZR 129/84 - zu II 4 a der Gründe). Die Teilkündigung einer Nebenabrede zielt nicht auf die Entlassung des Arbeitnehmers.

40

bb) Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Kündigung einer Nebenabrede besteht auch nicht nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW.

41

(1) Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sie sich nur auf die Nebenabrede selbst, mithin die Vereinbarung einer solchen, nicht auf den Ausspruch einer vereinbarten Kündigung. Das entspricht auch ihrem Sinn und Zweck, der darin liegt, bei Nebenabreden die Einflussnahme des Personalrats zur Vermeidung von Unruhe und Ungleichbehandlung in der Dienststelle zu ermöglichen (LT-Drs. 9/3091, S. 38; Bülow § 72 LPVG NRW Rn. 41; Neubert/Sandfort/Lorenz/Kochs 11. Aufl. § 72 LPVG NRW 1.1.3). Die Gefahr von Unruhe besteht vor allem bei der Gewährung von Sonderleistungen an einzelne Mitarbeiter, nicht bei der „Rückkehr“ zu den allgemein geltenden tariflichen Regeln.

42

(2) Anders als die Revision meint folgt Gegenteiliges nicht aus den Aufgaben der Dienststelle und des Personalrats nach § 62 LPVG NRW zur Einhaltung der unionsrechtlich determinierten Diskriminierungsverbote. Die Vorschrift begründet kein eigenständiges Beteiligungsrecht des Personalrats. Diesem ist es zudem nicht verwehrt, auch außerhalb des formellen Beteiligungsverfahrens nach §§ 72 - 77 LPVG NRW diskriminierende Maßnahmen zu beanstanden. Wollte man dies anders sehen, wäre nahezu jede Maßnahme der Dienststelle beteiligungspflichtig, weil jegliche Maßnahme des Arbeitgebers potenziell diskriminierend sein kann. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei jedweder arbeitgeberseitigen Maßnahme sieht das Gesetz indes nicht vor, wie die Einzelaufzählung der Beteiligungsrechte in §§ 72 - 77 LPVG NRW zeigt. Diese ist abschließend (zu § 72 LPVG NRW Pagenkopf in Laber/Pagenkopf § 72 Rn. 6).

43

cc) Der Mitbestimmungstatbestand nach § 72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NRW ist nicht berührt, da die Ausübung eines vertraglich vorgesehenen Rechts zur Kündigung einer Pauschalierungsabrede keine wesentliche Änderung des Arbeitsvertrags darstellt.

44

d) Auch ein Verstoß gegen Abs. 4 der Grundsätze des Personalüberleitungsvertrags ist nicht gegeben. Bei der Kündigung der Nebenabrede handelt es sich nicht um eine von der Personalüberleitungsvereinbarung oder sonstigen Vereinbarungen abweichende Regelung. Vielmehr hat die Beklagte das schon vor Abschluss des Personalüberleitungsvertrags mit dem Kläger vereinbarte Kündigungsrecht ausgeübt.

45

e) Die Ausübung des Kündigungsrechts unterliegt keiner Kontrolle am Maßstab billigen Ermessens iSd. § 315 BGB. Beiden Seiten war wirksam ein Recht zur Kündigung nach freiem Ermessen eingeräumt. Anhaltspunkte für eine offenbar unbillige Wahrnehmung dieser Rechtsposition liegen nicht vor. Dies gilt gleichermaßen für eine nach §§ 612a, 242 BGB maßregelnde oder treuwidrige Ausübung des Kündigungsrechts. Die Beklagte hat das Recht zur Kündigung der Pauschalierungsabrede insbesondere nicht verwirkt. Es liegen keine Umstände vor, die ein berechtigtes Vertrauen des Klägers dahin hätten begründen können, dass sie das vereinbarte Kündigungsrecht nicht mehr ausüben und die Pauschale zukünftig entgegen der Vereinbarung unabhängig von der Art der geleisteten Arbeiten erbringen wollte. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagte nach der Überprüfung der zuschlagspflichtigen Arbeiten noch längere Zeit keinen Gebrauch von dem Kündigungsrecht machte, ergibt sich dies nicht.

46

III. Die Kosten seiner erfolglos gebliebenen Revision hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Koch    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Grimberg     

        

    Brossardt    

                 

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 29. September 2014 - 9 Sa 19/14 - insoweit aufgehoben als das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1 der arbeitsgerichtlichen Entscheidung abgeändert und die Klage insoweit vollständig abgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 19. Februar 2014 - 3 Ca 343/13 - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Tenors der arbeitsgerichtlichen Entscheidung klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass der Geltungsbereich in § 1 des zwischen der Klägerin und der Firma SWK GmbH am 21. Dezember 2011 geschlossenen Haustarifvertrags auch diejenigen vor dem 1. Januar 2014 mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer erfasst, die bereits am 31. Dezember 2013 Mitglied der Klägerin waren und es noch immer sind.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagte jeweils zur Hälfte.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Reichweite des Geltungsbereichs eines Haustarifvertrags nach einer Verschmelzung.

2

Die klagende Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) schloss am 21. Dezember 2011 mit der Firma S W K GmbH (SWK GmbH) einen Haustarifvertrag (HTV), der auszugsweise wie folgt lautet:

        

§ 1   

        

Dieser Haustarifvertrag gilt für alle in der Firma S W K GmbH beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind.

        

§ 2 Anerkennung von Tarifverträgen

        

1.    

Die Tarifverträge für die Arbeiter/innen, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes

                 

Südbaden

                 

abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall, Vorstand oder Bezirksleitung für Baden-Württemberg einerseits und dem

                 

Gesamtverband metallindustrieller Arbeitgeberverbände e. V. (Gesamtmetall)

                 

oder dem

                 

Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. - Südwestmetall Freiburg

                 

andererseits sind Bestandteil dieses Tarifvertrages und gelten in ihrer jeweiligen Fassung für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich gem. § 1 aufgeführten Beschäftigten.

        

…       

        
        

§ 3 Regelmäßige Arbeitszeit

        

1.    

Die tarifliche wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt ab 1. Januar 2012 38 Stunden pro Woche.

        

…       

        

§ 7 Lohn und Gehalt

        

1.    

Die jeweils in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen werden automatisch übernommen. Dazu legt die IG Metall der SWK per Einwurf-Einschreiben die genauen Inhalte des Abschlusses in der Fläche vor. Dieser Abschluss wird übernommen, sofern nicht SWK innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der vollständigen Information über die Inhalte des Abschlusses gegenüber der IG Metall, Verwaltungsstelle Freiburg, mittels Einwurf-Einschreiben ausdrücklich widerspricht.

        

2.    

Sollte SWK der Übernahme der in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen widersprechen, sind unverzüglich Verhandlungen mit der IG Metall zur Frage der Lohn- und Gehaltserhöhungen aufzunehmen. Für diesen Fall entfällt die Friedenspflicht.

        

§ 8 Gleichbehandlungsgrundsatz

        

1.    

Die Arbeitgeberin gewährt den Mitarbeitern, die aus dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit leisten, dem Grunde nach die gleichen Arbeitsbedingungen wie den Mitarbeitern der A S D GmbH (ASDE) (Anm.: die Beklagte).

        

…       

        
        

§ 9 Schlussbestimmungen

        

1.    

Der vorliegende Haustarifvertrag wird mit Wirkung ab 01.01.2012 bis 31.12.2013 abgeschlossen. Er wirkt bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages nach. …

        

3.    

Die Parteien streben mittelfristig eine Lösung an, wonach einheitliche Arbeitsbedingungen bei SWK und ASDE hergestellt werden sollen. Unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter bei SWK oder ASDE beschäftigt wird. Damit ist keine automatische Übernahme von Tarifergebnissen der SWK auf die ASDE verbunden. Diese ist aber auch nicht ausgeschlossen.

        

…“    

        
3

Die Beklagte führte am Standort S mit der SWK GmbH einen gemeinsamen Betrieb. Die Beklagte ist weder Mitglied in einem Arbeitgeberverband noch hat sie selbst einen Haustarifvertrag abgeschlossen.

4

Mit Verschmelzungsvertrag vom 29. Juni 2012 übertrug die SWK GmbH als übertragende Gesellschaft ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung gemäß §§ 2 ff., 46 ff. UmwG auf die Beklagte als übernehmende Gesellschaft. Die entsprechende Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 26. Juli 2012.

5

Mit Schreiben vom 21. Mai 2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass für das Tarifgebiet Baden-Württemberg ein neuer Entgelttarifvertrag (EntgeltTV) vereinbart worden sei. Der Inhalt des EntgeltTV wurde der Beklagten als Anlage zu diesem Schreiben übermittelt. Mit undatiertem Schreiben äußerte die Beklagte daraufhin, sie betrachte das Schreiben der Klägerin als „gegenstandslos“, da „eine originäre Tarifbindung nicht mehr“ bestehe. Sie zahlte gleichwohl an alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer im Folgenden den sich aus den neuen Lohntabellen des EntgeltTV ergebenden Monatslohn.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der HTV sei nicht nur auf diejenigen ihrer Mitglieder anzuwenden, die vormals in einem Arbeitsverhältnis zur SWK GmbH standen, sondern nunmehr auch auf alle ihre bei der Beklagten beschäftigten Mitglieder. Die Beklagte sei in die Stellung als Partei des unternehmensweit geltenden HTV als Gesamtrechtsnachfolgerin der SWK GmbH eingerückt. Der Geltungsbereich des HTV beziehe sich nunmehr auf das Unternehmen der Beklagten als Ganzes. Da die Beklagte zudem gegen die Mitteilung der Lohnerhöhung keinen ausdrücklichen Widerspruch iSv. § 7 Nr. 1 HTV erhoben habe, seien die durch den EntgeltTV vereinbarten Lohnerhöhungen automatisch übernommen worden. Die Beklagte habe die Lohnsteigerungen nach dem EntgeltTV falsch berechnet, da sie die höheren Tabellenwerte nicht an die erhöhte Arbeitszeit angeglichen habe.

7

Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Geltungsbereichsbestimmung des Haustarifvertrags zwischen der IG Metall und der Firma SWK GmbH vom 21. Dezember 2011 auch die vor dem 1. Januar 2014 mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer erfasst, die bereits am 31. Dezember 2013 bei der IG Metall Mitglied waren und es noch immer sind;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg vom 16. Mai 2013 für die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer/innen, Angestellten und Auszubildenden anzuwenden, die bereits zum 31. Dezember 2013 Mitglied der IG Metall waren und noch immer Mitglied der IG Metall sind und deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2014 begonnen hat.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, sie sei nach der Verschmelzung zwar im Verhältnis zu den vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG Metall-Mitgliedern an den HTV gebunden, nicht jedoch hinsichtlich der originär bei ihr beschäftigten bzw. nachfolgend neu eingestellten IG Metall-Mitglieder. Eine solche „Infizierung“ ihres gesamten Unternehmens mit dem Haustarifvertrag der übertragenden Gesellschaft ergebe sich nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge. Es sei nicht gerechtfertigt, den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags auf einen unbeteiligten Dritten auszuweiten. Hierdurch werde ihre negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie ihre sich aus der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG iVm. Art. 16 der Grundrechtecharta ergebenden Rechte verletzt. Zudem habe sie einer automatischen Übernahme des Tarifabschlusses des EntgeltTV rechtzeitig iSv. § 7 Nr. 1 HTV widersprochen. Letztlich seien die Lohnerhöhungen aus dem EntgeltTV bereits vollständig an alle Arbeitnehmer weitergegeben worden.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin in der Sache die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Aufgrund der Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte ist diese in die Stellung der SWK GmbH als Partei des HTV mit der Folge eingetreten, dass die sich aus dem HTV ergebenden Rechte und Pflichten für sie selbst gelten. Dies umfasst die von der Klägerin im Antrag zu 1. genannten Arbeitsverhältnisse. Soweit die Klägerin weiter die Geltung des EntgeltTV für bestimmte Arbeitsverhältnisse der Beklagten feststellen lassen will (Antrag zu 2.), ist die Klage jedoch unzulässig.

11

A. Die Revision ist zulässig. Die dort gegenüber den zuletzt beim Landesarbeitsgericht gestellten Anträgen vorgenommene Änderung der Anträge ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine - in der Revision grundsätzlich unzulässige (sh. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 14, BAGE 140, 291) - Klageänderung, sondern eine bereits mit Revisionseinlegung vorgenommene Beschränkung des mit der Klage geltend gemachten Begehrens. Im Vergleich zu den Berufungsanträgen erstreckte sich die beantragte Feststellung im Hauptantrag der Revisionsbegründung nicht mehr auf alle bei der Beklagten beschäftigten IG Metall-Mitglieder, sondern nur noch auf diejenigen, die bereits vor dem 1. Januar 2014 ihre Mitgliedschaft begründet hatten.

12

B. Die Revision ist teilweise begründet. Der zuletzt gestellte Antrag zu 1. ist als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig und begründet. Der nach § 9 Nr. 1 Satz 2 HTV iVm. § 4 Abs. 5 TVG seit dem 1. Januar 2014 nachwirkende HTV umfasst nach seinem Geltungsbereich jedenfalls alle vor dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisse der Beklagten mit Mitgliedern der Klägerin, deren Mitgliedschaft bereits am 31. Dezember 2013 bestand und noch fortbesteht. Er ist in seiner Geltung nicht auf vormals bei der SWK GmbH beschäftigte Arbeitnehmer beschränkt. Den Antrag zu 2. hat das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu Recht als unzulässig erachtet.

13

I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

14

1. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich um eine zulässige sog. Verbandsklage iSv. § 9 TVG.

15

a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrags ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen können(vgl. dazu ausf. BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Klagen. Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrags geführten Prozess (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 371/10 - Rn. 27, BAGE 141, 188). Auch bei der sog. Verbandsklage nach § 9 TVG muss danach ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegeben sein. Im Regelfall ist dieses bei dem Rechtsstreit zwischen Tarifvertragsparteien allein wegen der Erstreckung der Bindungswirkung zu bejahen (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18 mwN, aaO). § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrags mit einer möglichst einheitlichen rechtlichen Beurteilung von Tarifbestimmungen zu untersetzen und damit der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit zu dienen und zugleich Individualstreitigkeiten zu vermeiden. Danach ist ein Feststellungsinteresse dann gegeben, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die die Klärung der Rechtsfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich machen, etwa die gegenwärtige oder zukünftige fehlerhafte Anwendung von Tarifnormen durch einen Tarifvertragspartner (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 17, BAGE 137, 231).

16

b) Im Hinblick auf die vorgenannten Voraussetzungen stellt der Antrag zu 1. nach der gebotenen Auslegung eine zulässige Verbandsklage iSv. § 9 TVG dar.

17

aa) Zu den mit einer sog. Verbandsklage zu klärenden Auslegungsfragen gehört auch die allgemeine Auslegung einer tariflichen Regelung über den Geltungsbereich eines zwischen den Parteien vereinbarten Tarifvertrags oder Tarifwerks und damit die Geltung des Tarifvertrags für eine zweifelsfrei bestimmbare und von anderen Arbeitnehmern abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern (BAG 10. Juni 2009 - 4 AZR 77/08 - Rn. 19). Hierauf zielt der Antrag zu 1. in der zuletzt gestellten Form ab. Mit ihm begehrt die Klägerin in der Sache die Einbeziehung einer bestimmten, nach abstrakten Kriterien hinreichend genau bezeichneten Gruppe von bei der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnissen in den Geltungsbereich des § 1 HTV.

18

bb) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich auf eine „gespaltene Bindung“ an den HTV beruft, indem sie die Tarifgebundenheit bzgl. der früher bei der SWK GmbH beschäftigten Arbeitnehmer nicht in Frage stellt, aber die Geltung für die schon vor der Verschmelzung bei ihr begründeten Arbeitsverhältnisse bestreitet. Damit stellt sie ihre Stellung als Tarifvertragspartei nicht in Abrede, sondern wehrt sich in der Sache lediglich gegen die Erstreckung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags auf eine bestimmte Arbeitnehmergruppe.

19

cc) Der Zulässigkeit der Verbandsklage iSv. § 9 TVG steht schließlich nicht das Ende der Geltungsdauer des HTV zum 31. Dezember 2013 entgegen. Auch bei einer nur nachwirkenden Geltung des Tarifvertrags (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 2 HTV) wäre die Beklagte verpflichtet, die ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse nach seiner Maßgabe durchzuführen, bis eine andere Abmachung die Nachwirkung abgelöst hat, § 4 Abs. 5 TVG(vgl. BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 22, BAGE 123, 213). Der mit der Verbandsklage zu klärende Inhalt der Tarifnormen beruht bei der - von den Tarifvertragsparteien nicht ausgeschlossenen - Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG ebenso wie bei der zwingenden Wirkung der Tarifnormen nach § 4 Abs. 1 TVG auf der Regelungsfreiheit der Tarifvertragspartner. Sie gestaltet auch nach dem Ende des Tarifvertrags den Inhalt der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse nach Maßgabe der tarifvertraglichen Regelungen. Dabei ermöglicht die Nachwirkung zwar eine Änderung durch eine „andere Abmachung“ iSv. § 4 Abs. 5 TVG. Eine solche ist aber auch zwingend erforderlich, wenn die von den Tarifvertragspartnern seinerzeit vereinbarten Arbeitsbedingungen geändert werden sollen. Die durch § 9 TVG geschaffene Privilegierung der Tarifvertragspartner beruht damit in beiden Fällen auf ihrer Normsetzungsbefugnis und erstreckt sich deshalb auf den Bestand und die Auslegung dieser von ihnen selbst gesetzten Normen(BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 68 mwN, BAGE 123, 46). Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht eine Verbandsklage auch dann als zulässig angesehen, wenn es um den Zeitraum der - nicht ausgeschlossenen - Nachwirkung des Tarifvertrags ging (vgl. zB BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - aaO; ebenso HWK/Henssler 7. Aufl. § 9 TVG Rn. 9; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 27; NK-GA/Forst § 9 TVG Rn. 13; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 9 TVG Rn. 6; DäublerTVG/Reinecke/Rachor 4. Aufl. § 9 Rn. 24; Rieble NZA 1992, 250, 252; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 25).

20

2. Der Antrag zu 2. ist unzulässig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Klägerin hiermit ausschließlich die Anwendung des EntgeltTV sichern will, ohne die tatsächlich zwischen den Parteien allein streitigen Modalitäten dieser Anwendung einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

21

a) Der Antrag zu 2. ist nicht als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig.

22

aa) Die beantragte Feststellung betrifft nicht das „Bestehen oder Nichtbestehen“ eines Tarifvertrags iSv. § 9 TVG.

23

(1) Insoweit setzt die Zulässigkeit einer Verbandsklage iSv. § 9 TVG den Streit über die Gültigkeit eines Tarifvertrags oder einer Tarifnorm voraus(Löwisch/Rieble aaO § 9 Rn. 6; HWK/Henssler aaO § 9 TVG Rn. 13; DäublerTVG/Reinecke/Rachor aaO § 9 Rn. 22). Dieser muss zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbart sein.

24

(2) Der im Antrag zu 2. genannte EntgeltTV ist nicht zwischen den Parteien vereinbart worden. Auch steht seine Gültigkeit zwischen ihnen nicht im Streit. Die Parteien streiten vielmehr darum, ob die in dem - insoweit unterstellt - gültigen HTV, genauer in § 7 Nr. 1 Satz 3 HTV, aufgestellten Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt sind.

25

bb) Die beantragte Feststellung betrifft auch nicht die von § 9 TVG gleichfalls erfasste „Auslegung“ eines Tarifvertrags.

26

(1) Zwar kann auch ein Streit der Tarifvertragsparteien über die Auslegung einer Tarifnorm - hier § 7 Nr. 1 Satz 3 HTV - grundsätzlich Gegenstand einer Verbandsklage sein. Die zu entscheidende Rechtsfrage darf sich jedoch nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen, sondern muss allein die Auslegung eines abstrakten Tarifbegriffs zum Gegenstand haben. Deshalb ist im Antrag der fragliche Tarifvertrag und die betreffende Tarifnorm zu benennen, ferner der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene abstrakte Auslegungsschritt zu formulieren, so dass damit der abstrakte Tarifbegriff mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff verbunden wird. Dabei darf das Gericht keine Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. ausf. BAG 18. April 2012 - 4 AZR 371/10 - Rn. 30 ff. mwN, BAGE 141, 188).

27

(2) Dem wird der Antrag zu 2. nicht gerecht. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisierung eines Tarifbegriffs ab. In der Sache zielt sie auf die Feststellung des Ergebnisses einer Rechtsanwendung, nämlich die Frage, ob die im HTV tariflich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen für die Geltung des EntgeltTV durch ein tatsächliches Verhalten der Tarifvertragsparteien erfüllt sind, namentlich ob das datumlose Schreiben der Beklagten einen ausdrücklichen Widerspruch iSv. § 7 Nr. 1 HTV enthält. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag.

28

b) Der Antrag zu 2. ist auch nicht als allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

29

aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festzustellen. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks kann grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Ein Feststellungsinteresse ist nach der Rechtsprechung des Senats aber nur gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 13, 15 mwN). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht werden (BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - aaO).

30

bb) Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Parteien streiten - neben der sich aus der Entscheidung über den Antrag zu 1. ergebenden grundsätzlichen Geltung des HTV, also auch dessen § 7 - nicht nur über das „Ob“ einer automatischen Übernahme der Lohnerhöhungen des EntgeltTV nach § 7 Nr. 1 HTV für die Vergangenheit und die Wirksamkeit eines Widerspruchs der Beklagten nach § 7 Nr. 2 HTV, sondern gerade auch über die nachfolgende Frage, wie genau eine solche Übernahme rechnerisch bei unterschiedlichen Arbeitszeiten im anerkennenden und anerkannten Tarifvertrag zu erfolgen hätte. Somit drohen im Hinblick auf die zutreffende Vergütung der im Antrag zu 2. genannten Arbeitsverhältnisse weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien.

31

II. Der zulässige Antrag zu 1. ist begründet. Die Beklagte ist durch die Rechtsfolge der Verschmelzung nicht nur Tarifvertragspartei des HTV geworden, sondern auch in alle dort geregelten Rechte und Pflichten eingetreten. Die unternehmensbezogene Geltungsbereichsbestimmung des HTV erfasst jedenfalls alle mit der Beklagten vor dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Klägerin, deren Mitgliedschaft bereits am 31. Dezember 2013 bestand und noch fortbesteht, und ist nicht nur auf die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt.

32

1. Neben der Klägerin ist auch die Beklagte Tarifvertragspartei des HTV (§ 3 Abs. 1 TVG) geworden. Dies folgt aus der Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte.

33

a) Die Beklagte ist mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am 26. Juli 2012 als aufnehmendes Unternehmen im Wege der Universalsukzession in die Stellung als Tarifvertragspartei des HTV eingetreten. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass nicht nur bei der Verschmelzung im Wege der Neugründung gemäß § 2 Nr. 2 UmwG, sondern auch bei der Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG wegen der vom Gesetz in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ein Firmentarifvertrag uneingeschränkt auf den neu gegründeten bzw. den aufnehmenden Rechtsträger übergeht (vgl. zur Verschmelzung im Wege der Neugründung BAG 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - zu 2 a der Gründe, BAGE 89, 193; zur Verschmelzung durch Aufnahme 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 41 ff., BAGE 123, 213). Der aufnehmende Rechtsträger tritt in bestehende Verträge ein und wird damit Partei des für den übertragenden Rechtsträger geltenden Firmentarifvertrags (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 39, 41, aaO; 10. Juni 2009 - 4 ABR 21/08 - Rn. 27; allg. Ansicht vgl. zB MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 223; ErfK/Franzen aaO § 2 TVG Rn. 26; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni aaO § 613a BGB Rn. 262; HWK/Henssler aaO § 3 TVG Rn. 47; Grau in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 15 Rn. 198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 4. Aufl. Teil E Rn. 101; Schaub/Ahrendt/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 116 Rn. 14). Der Firmentarifvertrag wirkt danach kollektivrechtlich fort, mit der Folge, dass § 613a Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung kommt(BAG 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - zu 2 a, b der Gründe, aaO; Ahrendt RdA 2012, 129, 136 f.).

34

b) Gegen diese Rechtsprechung wendet sich die Beklagte, die selbst die Geltung des HTV für die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG Metall-Mitglieder annimmt, nicht. Sie bestreitet weder, Tarifvertragspartei des HTV zu sein, noch die aus dem HTV erwachsenden Pflichten, soweit sie gegenüber den - ehemaligen - Arbeitnehmern der SWK GmbH bestehen.

35

2. Die Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte führt zu der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Universalsukzession, dh. sie hat den Übergang des gesamten Vermögens einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger zur Folge.

36

a) Der aufnehmende Rechtsträger tritt unmittelbar in die Rechtsposition des verschmolzenen Rechtsträgers „genau in der Art und Weise“ ein, wie sie im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung bestand (KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 39). So gehen bspw. sowohl vom verschmolzenen Rechtsträger erteilte Vollmachten an Dritte als auch diesem von Dritten erteilte Vollmachten auf den aufnehmenden Rechtsträger über (Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG UmwStG 6. Aufl. § 20 UmwG Rn. 36). Ferner werden aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen eingeräumte Rechte und Pflichten, zB Auflagen, Genehmigungen, von der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich erfasst (Grunewald in Lutter UmwG 5. Aufl. § 20 Rn. 13). Auch bei der Universalsukzession im Erbfall, deren Grundsätze entsprechend auf die umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden sind (KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 38; Teichmann in Lutter aaO § 131 Rn. 64 f.), bildet ein Nachlass kein Sondervermögen in der Hand des Erben, sondern verschmilzt mit dem Eigenvermögen des Erben zu einer rechtlichen Einheit (MüKoBGB/Leipold 6. Aufl. § 1922 Rn. 126). Dabei gehen nicht nur bereits begründete Rechte und Pflichten auf den Erben über, sondern grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Beziehungen, auch die „unfertigen“, noch werdenden und schwebenden Rechtsbeziehungen des Erblassers, also auch bedingte oder künftige Rechte, Bindungen und Lasten (grdl. BGH 9. Juni 1960 - VII ZR 229/58 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 32, 367; 30. Juni 1976 - VIII ZR 52/75 - zu I 4 a der Gründe; 14. Juli 1997 - II ZR 122/96 - zu 3 b der Gründe; für den Fall einer Vereinigung zweier Sparkassen 21. Mai 1980 - VIII ZR 107/79 - zu III 1 der Gründe, BGHZ 77, 167; so auch Teichmann in Lutter aaO Rn. 64 ff.). Für die Bestimmung der Reichweite einer übergegangenen Vertragsposition ist dabei die Auslegung der originären Vereinbarung von Bedeutung, so dass bspw. eine auf den Erben des Bürgen übergegangene Bürgschaftsverpflichtung auch neu entstehende Ansprüche gegen den Hauptschuldner erfasst, wenn sie in den Bereich der vom Erblasser übernommenen Verpflichtung fallen (BGH 30. Juni 1976 - VIII ZR 52/75 - zu I 4 der Gründe). Dementsprechend dient die „Nutzung des Instituts der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge für die Verschmelzung“ dazu, eine umfassende Rechtsnachfolge in gleicher Weise sicherzustellen (Teichmann in Lutter aaO Rn. 65). Die Person des bisherigen Vertragspartners wird „vollumfänglich“ ersetzt, indem der Gesamtrechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten in die Position des bisherigen Vertragspartners einrückt (Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Bange Fortgeltung von Kollektivverträgen bei Unternehmensumstrukturierung durch Umwandlung S. 147 f.; Teschner Firmentarifvertrag und Unternehmensumstrukturierung S. 186 ff.; Winzer Beeinflussung der Tarifgeltung durch den Arbeitgeber S. 201 f., vgl. auch Staudinger/Annuß BGB (2016) § 613a Rn. 201), so als hätte das aufnehmende Unternehmen sie selbst vereinbart. Ausgenommen sind lediglich Ansprüche oder Verbindlichkeiten, deren Erlöschen ausdrücklich bestimmt ist oder die ihrer Natur nach nicht auf einen Gesamtrechtsnachfolger übergehen können(BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 - zu 5 b aa der Gründe mwN, BAGE 116, 104; Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 30). Beschränkungen bestehen dabei im Grundsatz nur insofern, als sie dem „ursprünglichen Vertrag“ im Wege der Auslegung selbst zu entnehmen sind, wobei die nachfolgende Verschmelzung außer Betracht bleibt.

37

b) Bezogen auf die Rechtsfolgenanordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist der Firmentarifvertrag wie jeder andere Vertrag zu beurteilen(Boecken SAE 2000, 162, 163). Auch für ihn bewirkt die Gesamtrechtsnachfolge seine umfassende kollektivrechtliche (dynamische) Fortwirkung und damit ein Eintreten des aufnehmenden Unternehmens in alle sich aus einem Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens ergebenden Rechte und Pflichten (Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 17 f.; DäublerTVG/Lorenz aaO § 3 Rn. 179). Hierzu gehören neben betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen auch Normen über gemeinsame Einrichtungen sowie schuldrechtliche Verpflichtungen, wie etwa die Friedenspflicht (Rieble aaO; Kempen/Zachert/Kempen TVG 5. Aufl. § 3 Rn. 156; Gaul/Otto BB 2014, 500 für die jedenfalls insoweit identische Gesamtrechtsnachfolge bei einer Aufspaltung mit entspr. Zuweisung im Spaltungs- und Übernahmevertrag). Soweit diese auf das verschmolzene Unternehmen lauten, tritt das aufnehmende Unternehmen an seine Stelle. Um die übergegangenen Rechte und Pflichten näher zu bestimmen, ist bei einem Firmentarifvertrag gedanklich die Bezeichnung des verschmolzenen Unternehmens jeweils durch diejenige des aufnehmenden Unternehmens zu substituieren.

38

3. Die Geltung des HTV erstreckt sich über die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Klägerin hinaus jedenfalls auf die bei der Beklagten schon vor dem 1. Januar 2014 beschäftigten Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2013 Mitglied der Klägerin waren und es noch sind. Zum einen hat die Verschmelzung nicht nur im Wortlaut der Geltungsbereichsbestimmung in § 1 HTV zu einer Anpassung geführt, nach der die Beklagte sowohl in Bezug auf die Stellung als Tarifvertragspartei als auch im Übrigen so an den HTV gebunden ist, als hätte sie ihn selbst abgeschlossen. Zum anderen enthalten die Regelungen des HTV keine Beschränkung der Tarifgeltung lediglich auf die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Klägerin. Der HTV gilt nach der Verschmelzung nach seiner Geltungsbereichsbestimmung in § 1 „für alle in der [Beklagten] beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind“. Eine einschränkende Auslegung von § 1 HTV, wonach nur ein bestimmter Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Beklagten von seinem Geltungsbereich erfasst wird, kommt nicht in Betracht.

39

a) Der Wortlaut der tarifvertraglichen Geltungsbereichsregelung ist eindeutig unternehmens- und nicht betriebsbezogen.

40

aa) Grundsätzlich werden Haustarifverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifschließenden Unternehmens vereinbart (JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 5 Rn. 51; Hromadka/Maschmann Arbeitsrecht Bd. 2 7. Aufl. § 13 Rn. 217). Soweit der Geltungsbereich sich ausdrücklich und ohne Einschränkung auf die Arbeitnehmer des tarifvertragschließenden Arbeitgebers erstreckt, erfasst er jeweils nicht nur die aktuellen - tarifgebundenen - Arbeitsverhältnisse, sondern - neben danach begründeten Arbeitsverhältnissen - auch die Arbeitnehmer später hinzukommender Betriebe des Arbeitgebers (Gaul/Otto BB 2014, 500, 504; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.). Dies gilt selbst bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen. Dementsprechend ist ein unternehmensweit geltender Firmentarifvertrag, der seinerseits den BAT in Bezug nimmt, auch auf solche Betriebe anzuwenden, die nach 1990 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zu dem Unternehmen hinzukamen, obwohl - wie das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgehalten hat - „beim Abschluss des [Tarifvertrags] im Jahr 1982 weder die Herstellung der Einheit Deutschlands noch die Existenz unterschiedlicher Tarifgebiete im öffentlichen Dienst absehbar waren“ (BAG 9. Dezember 1999 - 6 AZR 299/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 63; so auch Wiedemann/Wank aaO § 4 Rn. 123; ebenso für eine vergleichbare Konstellation BAG 28. April 1992 - 1 ABR 68/91 - zu B II 2 der Gründe).

41

bb) Nach dem klaren Wortlaut des HTV sollten alle Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse, die mit der SWK GmbH bestanden, in den Geltungsbereich des HTV einbezogen werden. Eine Beschränkung der Tarifgeltung auf Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebs der SWK GmbH ist gerade nicht vereinbart worden. Es kann deshalb dahinstehen, ob und ggf. welche weiteren Betriebe die SWK GmbH zum Zeitpunkt der Verschmelzung betrieben hat.

42

b) Die Tarifsystematik sowie der Sinn und Zweck des HTV bieten keine Anhaltspunkte für einen vom Wortlaut abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien, nach Zeit oder Ort bestimmte Arbeitsverhältnisse mit der SWK GmbH nicht mit dem HTV zu erfassen.

43

aa) Soweit in einzelnen Tarifbestimmungen Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Beklagten genommen wird, zB bei der Zusicherung derselben Gewinnbeteiligung oder übertariflicher Lohnerhöhungen in § 8 HTV, lässt sich hieraus nichts für eine Einschränkung des Geltungsbereichs entnehmen. Arbeitnehmern der SWK GmbH, die nicht in einem von dieser zusammen mit der Beklagten geführten gemeinsamen Betrieb, sondern in einem ausschließlich von der SWK GmbH allein geführten Betrieb beschäftigt waren, hätte ein hierauf gestützter Anspruch nicht mit dem Argument verweigert werden können, sie unterfielen nicht dem Geltungsbereich des HTV.

44

bb) Auch aus der Auswahl der im HTV in Bezug genommenen Tarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebiets Südbaden lassen sich keine Einschränkungen herleiten. In der Bezugnahme auf Tarifverträge in einem Anerkennungs-Haustarifvertrag sind die Tarifvertragsparteien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls insoweit frei, als deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich des verweisenden Tarifvertrags in einem engen sachlichen Zusammenhang steht, die Tarifvertragsparteien die Verweisungsbestimmungen jederzeit aufheben, modifizieren oder ersetzen können und nicht durch die Ausgestaltung der Kündigungsregelungen eine zeitlich zu lange Bindung eingehen (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 561/06 - Rn. 28; 9. Juli 1980 - 4 AZR 564/78 - BAGE 34, 42, 50 f.; 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327, 335). Abgesehen davon, dass durch zahlreiche eigenständige und abweichende Regelungen, zB über die regelmäßige Arbeitszeit, zuschlagsfreie Mehrarbeit, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 HTV), über eine Beschäftigungssicherung durch ein Verbot von betriebsbedingten Kündigungen (§ 4 HTV) usw., von einem Anerkennungstarifvertrag nur eingeschränkt ausgegangen werden kann, sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt, da es sich um die Tarifbedingungen der einschlägigen Branche im Tarifgebiet handelt, in der das Unternehmen seinen Sitz hatte. Soweit hier auch Arbeitnehmer in Betrieben einbezogen worden sind oder sein sollten, die außerhalb des Tarifgebiets liegen, ist dies nicht sachwidrig. Es kann ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers sein, in allen Betrieben seines Unternehmens dieselben Arbeitsbedingungen tariflich zu vereinbaren (vgl. zB die Konstellation bei BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - bundesweite arbeitsvertragliche Verweisung auf die Metalltarifverträge des Bezirks des Unternehmenssitzes).

45

c) Eine Beschränkung des Geltungsbereichs lässt sich auch nicht aus einer - räumlich - eingeschränkten Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaft folgern. Die Bezirke der IG Metall sind nicht tariffähig, sondern handeln beim Abschluss von Tarifverträgen für die IG Metall als Gesamtorganisation (BAG 7. November 2000 - 1 AZR 175/00 - zu 1 b ee der Gründe, BAGE 96, 208), so dass es auf die Tarifzuständigkeit der IG Metall als Gesamtorganisation ankommt (BAG 14. Dezember 1999 - 1 ABR 74/98 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 93, 83). Diese aber unterliegt in räumlicher Hinsicht bundesweit keinen Einschränkungen.

46

d) Die nach dieser Auslegung gewonnene Bestimmung des Geltungsbereichs des HTV erfährt auch nicht wegen der Besonderheiten der erfolgten Verschmelzung eine Anpassung.

47

aa) Die oben unter 2 a dargelegten, allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Regelung des Geltungsbereichs in § 1 HTV. Lässt sich der Geltungsbereichsbestimmung im Wege der Auslegung eine zeitliche, örtliche oder betriebliche Beschränkung entnehmen, gilt diese auch für den aufnehmenden Rechtsträger. Ist der Geltungsbereich in Bezug auf den tarifvertragschließenden Arbeitgeber uneingeschränkt unternehmensbezogen auszulegen, gilt dies auch für das aufnehmende Unternehmen. Entgegen der Auffassung der Revision kann deshalb auch nicht von einer „Ausweitung“ oder „Ausdehnung“ oder gar „Infizierung“ gesprochen werden (vgl. zB Widmann/Mayer-Wälzholz Umwandlungsrecht Vorbem. zu §§ 321 ff. UmwG Rn. 29; Boecken SAE 2000 162, 165; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102). Es geht nämlich nicht um eine Änderung des tarifvertraglichen Regelungsinhalts, sondern um die richtige Erfassung dieses - unverändert gebliebenen - Inhalts des HTV (ähnlich Bange aaO S. 148). Insoweit handelt es sich um ein Problem der Regelanwendung mittels Auslegung und nicht der Regeländerung.

48

Die Erstreckung einer unternehmensbezogenen Geltungsbereichsbestimmung auf die zuvor bei dem aufnehmenden Rechtsträger begründeten Arbeitsverhältnisse ist als Rechtsfolge einer Universalsukzession ebenso hinzunehmen wie die Einbeziehung der von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse betroffenen Arbeitnehmer in einen bei einem übernehmenden Rechtsträger schon bestehenden Tarifvertrag (wie hier Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.; Bange aaO S. 147 f.; Teschner aaO S. 186 ff.; Winzer aaO S. 201 f.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201; Gaul/Otto BB 2014, 500, 504 für die insoweit gleichgelagerte Konstellation bei der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG; im Erg. auch Trappehl/Lambrich DB 1999, 291, wenngleich krit. zu den Folgen).

49

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht die Geltung des HTV für die Beklagte ablehnt, folgt der Senat dem nicht.

50

(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt eine Beschränkung nicht aus der namentlichen Nennung der SWK GmbH in § 1 HTV. Hiermit wird nur in der allgemein üblichen Form der Rechtsträger namentlich benannt, auf dessen Unternehmen sich der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezieht. Eine darüber hinausgehende Regelung enthält die Formulierung nicht. Für den Geltungsbereich nach Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich hieraus keinerlei Beschränkung.

51

(2) Die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts, aus dem gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der SWK GmbH in S folge als geübte Praxis ein Nebeneinander von Arbeitsverhältnissen, für die der HTV galt bzw. nicht galt, und weiter, dass sich daran durch die Verschmelzung nichts ändern sollte, trägt nicht. Die von der Grundregel abweichende Auslegung kann damit nicht begründet werden. Bei einer Verschmelzung von Unternehmen tritt grundsätzlich eine Universalsukzession ein, ohne dass es eines ausdrücklich darauf gerichteten Willens der Parteien des Verschmelzungsvertrags bedarf. So können im Verschmelzungsvertrag die Rechtsfolgen der Universalsukzession grundsätzlich nicht, auch nicht hinsichtlich einzelner Gegenstände oder Verpflichtungen gegenüber Dritten ausgeschlossen werden (Semler/Stengel-Kübler UmwG 3. Aufl. § 20 Rn. 8; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8; Böttcher/Habighorst/Schulte UmwR § 20 UmwG Rn. 5). Auch aus der Erklärung der Tarifvertragsparteien in § 9 HTV, mittelfristig einheitliche Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der SWK GmbH und der Beklagten anzustreben, lässt sich nicht schließen, sie wollten die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen im gemeinsamen Betrieb perpetuieren. Im Gegenteil lassen § 9 Nr. 3 HTV und § 8 Nr. 1 HTV das Interesse der Tarifvertragsparteien an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen deutlich erkennen. Eine entsprechende Regelung hätte aber die rechtliche Möglichkeit der - ursprünglichen - Tarifvertragsparteien vorausgesetzt, für alle Mitarbeiter des gemeinsamen Betriebs einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Vor der Verschmelzung hätten einheitliche Arbeitsbedingungen jedoch nur unter Einbeziehung der Beklagten hergestellt werden können. Dies ist nicht geschehen.

52

cc) Schließlich kommt eine mit der Verschmelzung zusammenhängende einschränkende Auslegung der Geltungsbereichsbestimmung auch nicht aus allgemeinen Erwägungen in Betracht.

53

(1) In der Literatur wird mit unterschiedlicher, teils widersprüchlicher Begründung bei einer Verschmelzung eine Beschränkung der Geltung eines Firmentarifvertrags auf die bisher tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse vertreten.

54

Dem liegt durchgehend die Auffassung zugrunde, der Geltungsbereich, den die Tarifvertragsparteien für den Firmentarifvertrag des später verschmolzenen Unternehmens vereinbart haben, könne sich generell nicht auf die Arbeitsverhältnisse eines - auch nur möglicherweise - den Arbeitgeber später aufnehmenden Unternehmens beziehen.

55

(a) Unabhängig von der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung, an die der aufnehmende Rechtsträger gebunden ist, wird eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Firmentarifvertrags (generell) verneint (etwa Boecken SAE 2000, 162, 165; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz S. 191; Picot/Schnitker Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung Teil I Rn. 310: „immanenter Vorbehalt“). Die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags könne auf der Grundlage einer Gesamtrechtsnachfolge den personellen Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht ausweiten (Boecken aaO; vgl. auch Jacobs aaO). Für die aufnehmende Einheit weise der neu hinzutretende Firmentarifvertrag keine Regelungskompetenz auf, es fehle die Legitimationsgrundlage für eine Erstreckung (Schubert Die Behandlung kollektivvertraglicher Normenkollisionen nach Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen S. 264). Im Übrigen stelle eine Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen im Fall einer Umwandlung eine unzulässige Abrede zu Lasten Dritter dar und sei deshalb nicht möglich (Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 202).

56

(b) Ferner wird eingewandt, auch bei einer unternehmensbezogenen Ausgestaltung sei eine Auslegungsregel heranzuziehen, nach der sich ein Firmentarifvertrag regelmäßig nicht auch auf im Verschmelzungszeitpunkt beim aufnehmenden Unternehmen bestehende Betriebe und auf dessen schon beschäftigte Arbeitnehmer erstrecken könne (Wiedemann/Oetker § 3 Rn. 194; Däubler RdA 1995, 136, 140; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102; Sieg/Maschmann Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht 2. Aufl. Rn. 273; Jacobs NZA Beilage 2009, 45, 46; Boecken SAE 2000, 162, 165; Baeck/Winzer NZG 2013, 655, 657 [„im Zweifel“]; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 201; JKOS/Oetker aaO § 6 Rn. 145; Schubert aaO S. 264; Trittin in Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang 4. Aufl. § 5 Rn. 108; Müller-Bonanni/Mehrens ZIP 2012, 1217, 1218). Regelmäßig hätten die Parteien eines Firmentarifvertrags bei Vertragsschluss nicht an einen Umwandlungsfall gedacht und wollten lediglich eine für die spezifischen Bedürfnisse des Rechtsträgers adäquate Regelung treffen (Trittin aaO; ähnlich Baeck/Winzer aaO; Noltin Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20, S. 38). Diese Auslegungsregel gelte unabhängig davon, ob der übernehmende Rechtsträger anderweitig tarifgebunden sei oder nicht (JKOS/Oetker aaO). Nur so könne eine „Infizierung“ des aufnehmenden Rechtsträgers ausgeschlossen werden (Hohenstatt aaO; Baeck/Winzer aaO).

57

(c) Schließlich wird eine Differenzierung bei den Rechtsfolgen je nach den beim aufnehmenden Rechtsträger vorgefundenen Verhältnissen befürwortet. Es sei danach zu unterscheiden, ob der Firmentarifvertrag beim verschmolzenen oder beim aufnehmenden Rechtsträger vereinbart worden war. Danach soll zwar der Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens nur mit dem tatsächlichen Bestand an tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen auf den aufnehmenden Rechtsträger übergehen. Soweit jedoch der aufnehmende Rechtsträger, nicht dagegen das verschmolzene Unternehmen, an einen Firmentarifvertag gebunden ist, soll sich dessen Geltungsbereich auch auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erstrecken, wenn dessen Bestimmung grundsätzlich auch hinzukommende Betriebe erfasst (Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 205; Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 106). Diese „Auslegungsregel“ solle aber nicht gelten, wenn die Tarifvertragsparteien selbst ausdrückliche Regelungen getroffen hätten, nach denen der Firmentarifvertrag in jeder denkbaren Konstellation für alle Betriebe des Arbeitgebers gelten solle (etwa Hohenstatt aaO Teil E Rn. 102; Baeck/Winzer aaO; vgl. auch die Konstellation bei BAG 29. August 2001 - 4 AZR 332/00 - BAGE 99, 10 mit der ausdrücklichen firmentarifvertraglichen Erstreckung des Geltungsbereichs auf „etwaige Gesamtrechts- und/oder Teilrechtsnachfolger der vertragschließenden Parteien“).

58

(2) Diese Überlegungen teilt der Senat nicht.

59

(a) Zwar erkennen die vorstehenden Ansichten im Falle einer Verschmelzung die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags beim aufnehmenden Rechtsträger an. In der Sache sollen jedoch die Rechtsfolgen der Universalsukzession für den aufnehmenden Rechtsträger beschränkt werden, indem insbesondere tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen im Wege einer „teleologischen Auslegung“ reduziert werden.

60

(b) Diese Absicht der Rechtsfolgenvermeidung rechtfertigt es jedoch nicht, den Auslegungsmaßstab für die Bestimmung des Geltungsbereichs zu verändern und eine dogmatisch nicht weiter begründete (Ausnahme-)Auslegungsregel zu etablieren.

61

(aa) Im Ausgangspunkt zutreffend weisen alle Auffassungen darauf hin, der Eintritt des aufnehmenden Unternehmens in die Tarifvertragsparteistellung eines verschmolzenen Unternehmens stelle kein Problem dar, wenn die Verschmelzung im Wege der Neugründung erfolgt (so die Konstellation bei BAG 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - BAGE 89, 193) oder wenn der aufnehmende Rechtsträger - noch - keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt (zB Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 101). In diesem Fall soll der Firmentarifvertrag für das aufnehmende Unternehmen ohne weiteres in vollem Umfang gelten. Damit wird die „Erstreckung“ des Geltungsbereichs auf das aufnehmende oder neue Unternehmen im Grundsatz anerkannt, auch wenn dies in der Sache zwingend bedeutet, dass die später einzustellenden Arbeitnehmer im aufnehmenden Unternehmen damit ebenfalls dem Tarifvertrag unterfallen, wenn sie Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind.

62

(bb) Eine Auslegung des Geltungsbereichs, die nach den konkreten Verhältnissen, die beim aufnehmenden oder neu entstandenen Unternehmen bestehen, unterscheidet, lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Die bei einer Universalsukzession gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet nicht nach den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen und Anknüpfungspunkten beim aufnehmenden Unternehmen. Der Bestand von Arbeitsverhältnissen oder die Gebundenheit an einen eigenen Tarifvertrag beim aufnehmenden Unternehmen kann nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei einer Universalsukzession führen.

63

(cc) Hinzu kommt, dass die Auffassung, die eine „Erstreckung“ des Geltungsbereichs auf alle nach der Verschmelzung bestehenden Arbeitsverhältnisse beim aufnehmenden Unternehmen bejaht, wenn dieses - anders als das verschmolzene Unternehmen - selbst an einen Firmentarifvertrag gebunden war, dies jedoch für die umgekehrte Konstellation, wie im Streitfall, ablehnt, inkonsequent ist. Zwar mögen einem aufnehmenden Rechtsträger keine großen Anpassungsprobleme entstehen, wenn er als Partei eines Firmentarifvertrags ein tarifloses Unternehmen auf sich verschmilzt und der Firmentarifvertrag dann auch die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erfasst. Die gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge bei der Verschmelzung erlaubt jedoch eine Berücksichtigung derartiger bloß faktischer Verhältnisse beim aufnehmenden Rechtsträger mit der Folge einer gerade entgegengesetzten Auslegung der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung nicht. In der Sache geht es um dieselbe Auslegungsfrage (so zutr. Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201), die nicht anhand von externen und nachträglich herangezogenen Kriterien unterschiedlich beantwortet werden kann.

64

(3) Eine Berücksichtigung der tarifrechtlichen Folgen bereits bei der Bestimmung des Umfangs einer umwandlungsrechtlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ist nach Auffassung des Senats nicht angezeigt (ebenso Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Winzer aaO S. 201; Teschner aaO S. 172 ff.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201).

65

(a) Die Universalsukzession ist die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verschmelzung. Ganz getrennt davon ist die Frage zu beurteilen, welche tarifrechtlichen Folgen sich aus dieser umwandlungsrechtlich geschaffenen Situation ergeben (so schon BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 42, BAGE 123, 213; ebenso Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 107; Ahrendt RdA 2012, 129, 137; Schorb ArbR 2011, 161, 163).

66

(b) Die bloßen Interessen eines der Beteiligten, hier: des übernehmenden Rechtsträgers, können eine einschränkende Festlegung dessen, was von der gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge bei der Universalsukzession an Rechtspositionen umfasst wird, nicht begründen. Eine „unerwünschte Ausdehnung“ der Wirkung eines Haustarifvertrags ist kein hinreichender Grund für eine entsprechende Einschränkung (so aber Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 91, ähnlich im Duktus Baeck/Winzer aaO: „… nicht sachgerecht erscheint …“). Die Beseitigung oder Relativierung einer gesetzlich angeordneten Rechtsfolge bedarf einer hinreichenden rechtlichen Grundlage. An einer solchen fehlt es im Entscheidungsfall. Allein die Interessen des aufnehmenden Rechtsträgers reichen zur Begründung nicht aus. Es sind in Anlehnung an die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Gesichtspunkte erkennbar, die für den übernehmenden Rechtsträger beim Festhalten am Firmentarifvertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen würden. Unabhängig davon, dass bei dieser Betrachtung die Interessen der anderen Tarifvertragspartei gänzlich unberücksichtigt bleiben, kann hiervon insbesondere angesichts der privatautonomen Entscheidung des aufnehmenden Unternehmens für die Verschmelzung und damit für die hiermit verbundenen Rechtsfolgen schon generell nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ausgegangen werden. Dass ein Unternehmen eine rechtswirksame Verschmelzung vereinbart und durchführt und sich in der Folge darauf beruft, eine zwingende Folge der hierdurch herbeigeführten Universalsukzession möge nicht eintreten, dürfte unter rechtlichen Aspekten - regelmäßig - ohne Belang sein.

67

Gesetzlich vorgesehene Beschränkungen der Gesamtrechtsnachfolge in anderen Regelungen dienen in erster Linie dem Gläubigerschutz, ohne jedoch unmittelbar in den Übergang des Rechtsverhältnisses mit dem früheren und jetzt verschmolzenen Rechtsträger einzugreifen; sie räumen allenfalls nachträgliche Rechtspositionen ein, wie etwa das Verlangen einer Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG), ggf. auch ein gesondertes Kündigungsrecht (dazu Rieble ZIP 1997, 301, 305; Semler/Stengel-Kübler aaO § 20 Rn. 12). Soweit eine Schutzbedürftigkeit des aufnehmenden Unternehmens anerkannt wird, wird dieser in § 21 UmwG Rechnung getragen. Die Regelung greift die dort real anzutreffenden Folgeprobleme einer Universalsukzession auf und sieht für bestimmte „unvereinbare“ Verpflichtungen oder bei einer „schwere[n] Unbilligkeit“ eine Neubestimmung der Verpflichtungen des aufnehmenden Unternehmens vor. Dies gilt allerdings nur für bestimmte gegenseitige Verträge und dann nur in einem sehr eingeschränkten, dort näher bestimmten Abwicklungsstadium. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall weder hinsichtlich des Anwendungsbereichs noch hinsichtlich der dort vorausgesetzten Unvereinbarkeit oder schweren Unbilligkeit vor.

68

Außerhalb dieser Anpassungsmöglichkeiten besteht für den aufnehmenden Rechtsträger als Partner des privatautonom vereinbarten Verschmelzungsvertrags keine anerkannte Schutzbedürftigkeit, da er selbst entscheidend zu dem Eintritt der Rechtsfolge beigetragen hat (Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 21 UmwG Rn. 2; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 56; MüKoBGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 468 f.) und im Übrigen vorher ausreichend Möglichkeiten zur interessenangepassten Vertragsgestaltung bestanden haben (vgl. dazu zB Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 198; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Braun ArbRB 2008, 83).

69

(c) Soweit weiter eingewandt wird, es liege ein bereits - ex ante - eingeschränkter Inhalt der Willenserklärungen der Tarifvertragsparteien, die an eine Umwandlung nicht gedacht hätten, vor, ist dies schon aus systematischen Gründen unerheblich. Der Eintritt in die von dem verschmolzenen Unternehmen - uU lange Zeit vorher - vereinbarten Schuldverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass deren Vertragspartner bei der Vereinbarung auch die Möglichkeit einer Umwandlung in Betracht gezogen haben oder haben müssten. Eine solche Anforderung ist weder aus dem Umwandlungsrecht ieS noch aus einschränkenden Überlegungen zur Universalsukzession im Allgemeinen bekannt. Dabei kann dahinstehen, ob die von diesem Teil der Literatur angestrebte Rechtsfolge überhaupt zum Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung gemacht werden kann, da die Rechtsfolgen der Universalsukzession nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch für die Vertragspartner nicht abdingbar sind(Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8 mwN).

70

(d) Unzutreffend ist auch die Annahme, dass die (ausdrückliche) Vereinbarung einer Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen für den Fall einer Umwandlung einen (Tarif-)Vertrag zu Lasten Dritter darstelle bzw. den Tarifvertragsparteien der übertragenden Einheit für die aufnehmende Einheit die Regelungskompetenz fehle. Dies ist schon deshalb nicht überzeugend, weil der aufnehmende Rechtsträger ausschließlich aufgrund seiner privatautonomen Entscheidung zum Abschluss des Verschmelzungsvertrags an den Haustarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers gebunden wird. Dabei handelt es sich nach dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge ab diesem Moment nicht mehr um eine von einem personenverschiedenen Dritten eingegangene, sondern um eine eigene Bindung des Rechtsnachfolgers. Auch ein Legitimationsproblem liegt aus diesem Grunde nicht vor.

71

dd) Soweit sich die Beklagte schließlich auf eine Verletzung ihrer sog. negativen Koalitionsfreiheit beruft, ist bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht tangiert. Die Koalitionsfreiheit ist bei der Gebundenheit an einen Haustarifvertrag von vornherein nicht betroffen, weil ein solcher keine Koalitionsmitgliedschaft bewirkt (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 47, BAGE 123, 213; zust. Boecken SAE 2000, 162, 163; Ahrendt RdA 2012, 129, 136; Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 86). Auch dies ist lediglich die Konsequenz des durch die beteiligten Rechtsträger privatautonom geschlossenen Verschmelzungsvertrags (so zutreffend Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103).

72

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch aus Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) iVm. der Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (RL 2001/23/EG) kein anderes Ergebnis. Deren Anwendungsbereich ist nicht eröffnet.

73

a) Voraussetzung für die Anwendung der GRC ist nach Art. 51 Abs. 1 GRC die Durchführung des Rechts der Union. Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann der Fall, wenn mit der nationalen Regelung eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, wenn mit ihr unter das Unionsrecht fallende Ziele verfolgt werden, wenn es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann (EuGH 6. März 2014 - C-206/13 - [Siragusa] Rn. 25; 8. November 2012 - C-40/11 - [Iida] Rn. 79). Dies ist bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht regelmäßig der Fall (vgl. EuGH 15. Januar 2014 - C-176/12 - [AMS] Rn. 43; ErfK/Wißmann aaO Vorbemerkung zum AEUV Rn. 5a mwN).

74

Dagegen sind die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung nicht anwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen (EuGH 10. Juli 2014 - C-198/13 - [Hernández] Rn. 35; 13. Juni 1996 - C-144/95 - [Maurin] Rn. 12, Slg. 1996, I-2909). Dem Anwendungsbereich der Charta unterliegt das Unionsrecht ausschließlich in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten (EuGH 8. November 2012 - C-40/11 - [Iida] Rn. 78).

75

b) Bei der Rechtsanwendung im Streitfall handelt es sich nicht um die Durchführung von Unionsrecht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich dies nicht aus der RL 2001/23/EG. Der Streit der Parteien fällt nicht in deren Anwendungsbereich.

76

aa) Die RL 2001/23/EG hat den Zweck, bei einem Wechsel des Inhabers eines Unternehmens oder Betriebs die hiervon betroffenen Arbeitnehmer zu schützen; insbesondere soll die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleistet werden (dazu ausf. BAG 17. Juni 2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Rn. 33, BAGE 152, 12). Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit dabei auch die Interessen des aufnehmenden Unternehmens einzubeziehen und ggf. gegen die Interessen der übergehenden Arbeitnehmer abzuwägen sind (vgl. dazu einerseits EuGH 18. Juli 2013 - C-426/11 - [Alemo-Herron] Rn. 25; andererseits BAG 17. Juni 2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Rn. 33 ff., aaO), trifft die RL 2001/23/EG ausschließlich Regelungen für die vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Im Rahmen der Prüfung der konkreten Rechtsfolgen für diese - ursprünglich beim Veräußerer vorhandenen - Arbeitsverhältnisse könnte damit auch Art. 16 GRC als Schranke des von der Richtlinie bezweckten Arbeitnehmerschutzes von Bedeutung sein.

77

bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Über die Bedingungen der auf die Beklagte infolge der Verschmelzung übergegangenen Arbeitsverhältnisse streiten die Parteien nicht. Zwischen ihnen geht es vielmehr um die Arbeitsbedingungen der schon vor dem Übergang bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Die RL 2001/23/EG ist für die Frage der Erstreckung eines Haustarifvertrags auf die beim aufnehmenden Rechtsträger vorhandenen Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Die Beklagte kann sich nicht auf einen „Schutz“ berufen, der zu ihren Gunsten durch die Richtlinie begründet und umzusetzen wäre. Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist hinsichtlich der vorliegend allein zur Entscheidung anstehenden Frage somit nicht eröffnet.

78

c) Dies kann der Senat selbst entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu ersuchen.

79

aa) Ein nationales letztinstanzliches Gericht muss der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, die entscheidungserheblich ist und nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war(acte éclairé) und wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair; vgl. BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 22). Dabei muss das Gericht sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen, etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (BVerfG 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 - Rn. 9). Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines „acte clair“ bzw. eines „acte éclairé“ kommt dem letztinstanzlichen Hauptsachegericht ein Beurteilungsrahmen zu (BVerfG 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 - Rn. 8).

80

bb) Danach besteht keine Vorlagepflicht. Es liegen keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung von Art. 51 GRC bzw. der RL 2001/23/EG vor. Aus der RL 2001/23/EG sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH (vgl. die ausf. Nachw. in BAG 17. Juni 2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Rn. 33 und 61, BAGE 152, 12) ergibt sich eindeutig, dass die Richtlinie die Beziehungen des Erwerbers zu seinen schon vor dem Übergang vorhandenen Arbeitnehmern nicht regelt. Für ein gegenteiliges Verständnis finden sich weder im Richtlinientext noch in der hierzu ergangenen Rechtsprechung irgendwelche Anhaltspunkte. Solche sind von der Beklagten auch nicht ausgeführt. Der gesamte Regelungskomplex ist erkennbar einzig darauf angelegt, den Übergang von Arbeitsverhältnissen zusammen mit dem Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit anzuordnen und auszugestalten. Zu den beim Erwerber bereits vorhandenen Arbeitsverhältnissen schweigt die Richtlinie. Damit steht zweifelsfrei fest, dass hier keine unionsrechtliche Vorschrift eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schafft und deshalb auch keine „Durchführung des Rechts der Union“ iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC vorliegt. Selbst wenn man das im Hinblick auf die Reichweite von Art. 51 Abs. 1 GRC am weitesten gehende Urteil des Gerichtshofs in der RechtssacheÅkerberg Fransson (EuGH 26. Februar 2013 - C-617/10 -; vgl. dazu krit. BVerfG 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - Rn. 91, BVerfGE 133, 277) zugrunde legt, folgt hieraus allenfalls, dass der Gerichtshof eine nationale Vorschrift, die nicht einmal zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie oder im Hinblick auf andere sekundär- oder primärrechtliche Verpflichtungen erlassen worden ist, als „Durchführung des Rechts der Union“ iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC begreift, solange die Vorschrift der Wahrung von Interessen dient, die durch Unionsrecht geschützt sind(vgl. Bergmann Handlexikon der Europäischen Union 5. Aufl. Akerberg Fransson-Urteil). Die RL 2001/23/EG verfolgt jedoch gerade nicht den Zweck, die Rechtsbeziehungen in den Arbeitsverhältnissen zwischen dem Erwerber und seinen bereits vor einer Verschmelzung bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern zu regeln.

81

C. Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagte entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen je zur Hälfte, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Rupprecht    

        

    Schuldt    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juli 2014 - 5 Sa 1456/13 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juli 2013 - 15 Ca 9145/12 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und daraus resultierende Vergütungsdifferenzen.

2

Die Beklagte ist eine Hotelbetriebsgesellschaft, die in F ein Hotel mit einem großen Bankett- und Veranstaltungsbereich nebst Restaurant unterhält. Sie ist Mitglied im Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Hessen e. V.

3

Die Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist, hat eine Berufsausbildung zur Hotelfachfrau abgeschlossen und ist seit dem 1. März 2007 bei der Beklagten als sogenannte „F & B Waitress“ im Restaurant beschäftigt. Sie ist in dem ihr zugewiesenen Servicebereich im Wesentlichen für die Gästebetreuung einschließlich Eindecken, Nachdecken und Kassieren sowie die Abrechnung zum Schichtende zuständig. Die Beklagte zahlt dafür eine Vergütung gemäß der Bewertungsgruppe 5 des Entgelttarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Hessen (ETV) sowie eine übertarifliche Zulage.

4

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2012 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die aus ihrer Sicht zutreffende Eingruppierung in die Bewertungsgruppe 6.2 ETV vergeblich zur Zahlung von insgesamt 402,00 Euro brutto für die Monate Juli bis September 2012 auf.

5

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Entgeltdifferenzen für die Monate Juli bis November 2012 nebst Zinsen sowie die Feststellung eines Vergütungsanspruchs gemäß der Bewertungsgruppe 6.2 ETV ab dem 1. Dezember 2012 begehrt. Sie ist der Auffassung, dass die Eingruppierung in die Bewertungsgruppe 5 ETV bei ihrer Einstellung zwar korrekt gewesen sei, sie jedoch aufgrund der Dauer ihrer Tätigkeit spätestens mit Ablauf des Monats Februar 2009 in die Bewertungsgruppe 6.2 ETV hätte höhergruppiert werden müssen.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 518,05 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in näher bestimmter Höhe und zeitlicher Staffelung zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. Dezember 2012 in Bewertungsgruppe 6.2 des Entgelttarifvertrages Hotel- und Gaststättengewerbe Hessen einzugruppieren und entsprechend zu vergüten.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, für die Eingruppierung sei nur die ausgeübte Tätigkeit maßgeblich. Allein eine zweijährige Berufserfahrung führe noch nicht zu einer Höhergruppierung von der Bewertungsgruppe 5 in die Bewertungsgruppe 6 ETV. Vielmehr seien zusätzlich eine Änderung der Aufgaben sowie eine Steigerung der mit den ausgeübten Tätigkeiten verbundenen Wertigkeit notwendig. Die Bewertungsgruppen des Entgelttarifvertrags spiegelten den Willen der Tarifvertragsparteien wieder, die typische Berichtslinie in einem Hotel abzubilden.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr - soweit noch von Bedeutung - stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

10

A. Die Klage ist auch mit dem auf die begehrte Eingruppierung bezogenen Feststellungsantrag zu 2. zulässig. Dieser bedarf allerdings der Auslegung. Danach handelt es sich insoweit um eine typische Eingruppierungsfeststellungsklage. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

11

Der Klageantrag zu 2. beinhaltet dem Wortlaut nach die Feststellung zweier Verpflichtungen der Beklagten. Der erste Teil des Antrags - Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin in die „Bewertungsgruppe 6.2 des Entgelttarifvertrages Hotel- und Gaststättengewerbe Hessen einzugruppieren“ - wäre als solcher unzulässig, weil es sich bei der Eingruppierung zunächst um einen rein geistigen Akt der wertenden Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsordnung handelt. Für die Feststellung einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten ist ein gesondertes Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO nicht erkennbar. Dieser Antragsteil ist jedoch lediglich als Begründungselement für den zweiten Teil des Antrags anzusehen (vgl. zur Auslegung eines ähnlichen Antrags BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 735/07 - Rn. 16; vgl. allg. zur Auslegung von Klageanträgen 17. Dezember 2015 - 2 AZR 304/15 - Rn. 14 mwN, BAGE 154, 20; 13. November 2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 23, BAGE 143, 273; 6. Juli 2011 - 4 AZR 568/09 - Rn. 25 mwN), der als Eingruppierungsfeststellungsklage - auch in der Privatwirtschaft - ohne Weiteres zulässig ist (st. Rspr., siehe nur BAG 16. März 2016 - 4 AZR 502/14 - Rn. 10 mwN).

12

B. Die Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin weder seit dem 1. Dezember 2012 nach der Bewertungsgruppe 6.2 ETV zu vergüten noch hat sie für den Zeitraum von Juli bis November 2012 Anspruch auf die geltend gemachte Differenz zwischen der Vergütung nach der Bewertungsgruppe 5 und der Bewertungsgruppe 6.2 ETV. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt nicht deren Anforderungen.

13

I. Der ETV findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 TVG) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung (§ 4 Abs. 1 TVG).

14

II. Die für die Eingruppierung der Klägerin maßgebenden Regelungen lauten in den hier maßgebenden Fassungen des ETV vom 22. Juni 2011 sowie vom 11. Oktober 2012 wie folgt:

        

§ 4   

        

Bewertungsgrundsätze

        

1.    

Eingruppierung des Arbeitnehmers

                 

Jeder Tarifarbeitnehmer ist vom Arbeitgeber unter Beachtung der nachfolgenden Verfahrensgrundsätze in eine Bewertungsgruppe einzugruppieren.

                 

Diese Eingruppierung erfolgt bei der Einstellung, bei einer Versetzung bzw. wesentlichen Veränderung der Arbeitsinhalte sowie bei Einführung dieses Tarifvertrages.

        

…       

        
        

4.    

Zuordnung in die Bewertungsgruppen

                 

Die Zuordnung der verschiedenen Tätigkeiten erfolgt unter Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien in den Oberbegriffen.

                 

Die Beispiele dienen der Erläuterung, sie sind kein abschließender Katalog.

                 

Maßgebend für die Ein- und Umgruppierung sind die Oberbegriffe.

                 

Bei der Eingruppierung in die Bewertungsgruppen sind nicht berufliche Bezeichnungen, sondern die Art der verrichteten Tätigkeit und die Anforderungen an die Arbeitnehmer maßgebend.

        

5.    

Grundsätze für die Ein- und Umgruppierung

                 

Maßgebend ist die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit, die den jeweiligen Oberbegriffen zuzuordnen ist.

                 

Von Bedeutung sind

                 

-       

das fachliche und berufliche Können;

                 

-       

der Grad der Selbständigkeit und Verantwortung;

                 

-       

besondere Erfahrungen und Kenntnisse;

                 

-       

Art und Umfang der Berufsausbildung, soweit es sich hierbei um eine Ausbildung für Berufe handelt, die im Gastgewerbe Anwendung finden;

                 

-       

die Einweisung oder Anlehnung am Arbeitsplatz;

                 

-       

erhöhte Belastungen oder Erschwernisse bei der Arbeitsdurchführung.

                 

Bereits während der Einarbeitungszeit / Probezeit erfolgt die volle Bezahlung in der jeweiligen Bewertungsgruppe.

                 

Eine fünfjährige fachbezogene Tätigkeit steht einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleich, sofern durch die Tätigkeit einer Berufsausbildung vergleichbare Kenntnisse vermittelt werden.

                 

Das wird vermutet, wenn der Arbeitnehmer in jedem Jahr in den wesentlichen Bereichen des entsprechenden Ausbildungsberufes in einem zeitlichen Umfang von mindestens einem Drittel der tariflichen Regelarbeitszeit tätig sein konnte.

                 

Bei der Ermittlung der Bewertungsgruppe ist zu berücksichtigen, dass bei gleicher Stellenbezeichnung die Qualifikationsanforderungen in Betrieben unterschiedlicher Kategorien verschieden sein können.

        

6.    

Aufstiegsgruppen

                 

Ein Arbeitnehmer, der bereits mit Aufgaben betraut wird, die einer höheren Tarifgruppe zuzuordnen sind, kann in die Aufstiegsgruppe dieser Tarifgruppe eingruppiert werden. Nach spätestens 12 Monaten erfolgt in der Regel die Eingruppierung in die Endgruppe.

                 

Eine Neuanstellung in eine Aufstiegsgruppe ist nicht zulässig. Die Eingruppierung in eine Aufstiegsgruppe setzt eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 6 Monaten voraus.

        

§ 5     

        

Bewertungsgruppen

        

1.    

Bewertungsgruppen 1-5 [bzw. im ETV v. 11. Oktober 2012 ‚2-5‘]

        

…       

        

Bewertungsgruppe 4            

        

Angelernte Hilfskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern, die durch Anleitung in betrieblicher Praxis in dem betreffenden gastgewerblichen Tätigkeitsbereich erworben wurden.

        

4.1 im 1. + 2. 

Jahr   

        

4.2 im 3. + 4. 

Jahr   

        

4.3 im 5. 

Jahr   

        

4.4 ab 6. 

Jahr   

        

Tätigkeitsbeispiele:

        

Handwerker/-in, Kraftfahrer/-in, Hausmeister/-in, Portierassistent/-in, Wagenmeister/-in, Telefonist/-in mit Sprachkenntnissen, Buffetkraft ohne Abrechnung, Verkäufer/-in mit Abrechnung, Restaurantkassierer/-in, Fachgehilfe/-in im Gastgewerbe im 1. Jahr nach der Ausbildung, Zimmermädchen ab dem 5. Jahr der Betriebszugehörigkeit, Topfspüler/-in mit deutlich überwiegender manueller Tätigkeit.

        

Bewertungsgruppe 5            

        

Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung.

        

Tätigkeitsbeispiele:

        

Fachgehilfe/-in im Gastgewerbe ab 2. Jahr nach der Ausbildung, Anfangs-Hausdame, Koch/Köchin, Restaurantfachmann/-frau, Hotelfachmann/-frau, Konditor/-in, Metzger/-in, kaufmännische und Empfangsangestellte, Bäcker/-in, Hallenangestellte, Nachtportier, Handwerker/-in, Empfangssekretär/-in, Buffet-/Barkraft mit Abrechnung.

        

2. Bewertungsgruppen 6-10

        

Den Bewertungsgruppen 6-9 werden jeweils eine Aufstiegsgruppe im Sinne von Paragraph 4 Ziffer 6 angegliedert. Die Aufstiegsgruppen tragen die Bezeichnungen 6.1, 7.1, 8.1 und 9.1. 

        

Die Endgruppen tragen die Bezeichnungen 6.2, 7.2, 8.2 und 9.2.

        

Bewertungsgruppe 6            

        

Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung und mindestens zweijähriger Berufserfahrung im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich.

        

Tätigkeitsbeispiele:

        

Demichef/-in, Hausdame, Portier, Handwerker/-in, Empfangsherr/-dame, Steward/-ess, Magazin-/Lagerverwalter/-in, Diätassistent/-in.

        

Bewertungsgruppe 7            

        

Fachkräfte mit erweiterten Fachkenntnissen und erhöhter Verantwortung.

        

Tätigkeitsbeispiele:

        

Chef de partie, Alleinkoch/-köchin ohne Hilfskräfte in der Küche, Chef de rang, Hausdame, Portier, Küchenbeschliesser/-in, Empfangsherr/-dame als Schichtleiter/-in, Handwerker/-in, Lohnbuchhalter/-in, Finanzbuchhalter/-in, Sekretär/-in mit fachlicher und kaufmännischer Ausbildung.

        

…“    

15

III. Danach ist die Klägerin nicht nach der Bewertungsgruppe 6.2 ETV zu vergüten, weil sie die Anforderungen deren Tätigkeitsmerkmals nicht erfüllt.

16

1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist für die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin in die Bewertungsgruppe 6 ETV in erster Linie deren Tätigkeit und nicht deren Beschäftigungszeit maßgebend. Das ergibt die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des ETV (zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags vgl. etwa BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 19 ff., BAGE 150, 184; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204).

17

a) Tarifvertragsparteien sind bei der Vereinbarung von Kriterien für die Zuordnung von Tätigkeiten und/oder Arbeitnehmern zu bestimmten Entgeltgruppen ihres eigenen Vergütungsschemas weitgehend frei. In der Regel wird die jeweilige Tätigkeit der Arbeitnehmer tariflich bewertet. Es ist aber auch möglich und zulässig, stattdessen oder zusätzlich personenbezogene Anforderungen, wie Ausbildung, Beschäftigungszeit usw. heranzuziehen (vgl. die Beispiele bei Schaub/Treber ArbR-HdB 16. Aufl. § 64 Rn. 16).

18

b) Die Tarifvertragsparteien des ETV haben vorrangig eine Bewertung der Tätigkeiten der betroffenen Beschäftigten gewählt. Es kann dahinstehen, ob die sich an einzelnen Stellen der Vergütungsordnung aufzufindenden eher personenbezogenen Merkmale eine zusätzliche Anforderung darstellen sollen. Ohne die Erfüllung der jeweiligen Anforderungen an die Tätigkeit ist das jeweilige Tätigkeitsmerkmal der Bewertungsgruppe unabhängig von etwaigen, ggf. zusätzlichen personellen Voraussetzungen jedenfalls nicht gegeben.

19

aa) Der ETV enthält in § 4 die Grundsätze, die der Eingruppierung zugrunde liegen. Dabei ist allein die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit maßgebend (§ 4 Abs. 5 Unterabs. 1 ETV). Grundlage der Eingruppierung ist die „Zuordnung der verschiedenen Tätigkeiten“ (§ 4 Abs. 4 Unterabs. 1 ETV), die nicht durch die beruflichen Bezeichnungen der Arbeitnehmer, sondern durch „die Art der verrichteten Tätigkeit und die Anforderungen an die Arbeitnehmer“ (§ 4 Abs. 4 Unterabs. 4 ETV) gekennzeichnet sind. Ein und dieselbe Tätigkeit kann daher grundsätzlich nur einer Bewertungsgruppe zugeordnet werden, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes im ETV bestimmt ist.

20

bb) Dies wird durch die tariflichen Verfahrensbestimmungen bestätigt. In § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 ETV sind diejenigen Situationen benannt, in denen überhaupt eine Eingruppierung nach dem ETV erfolgt. Es sind dies - außer bei der Einführung des ETV - die Einstellung und sodann die Versetzung oder die wesentliche Änderung der Arbeitsinhalte. Eine Änderung der Eingruppierung außerhalb dieser Konstellationen, insbesondere bei einem bloßen Ablauf einer bestimmten Zeit der Beschäftigung ohne sonstige Änderung der Tätigkeit, ist nicht vorgesehen.

21

cc) Eine Änderung des Entgelts nach dem bloßen Ablauf bestimmter Beschäftigungszeiten findet allerdings ausdrücklich dann statt, wenn in der Bewertungsgruppe 4 ETV (Angelernte Hilfskräfte) nach zwei, vier, fünf und sechs Jahren jeweils eine Höherstufung innerhalb der Bewertungsgruppe 4 ETV vorgenommen wird. Dies bestätigt das Grundprinzip, wonach bloße Beschäftigungszeiten bei der Eingruppierung außer Betracht bleiben, in zweifacher Hinsicht. Zum einen bezeichnet der hier vorgesehene „Zeitaufstieg“ keine Höhergruppierung im tariflichen Sinne, sondern lediglich eine Höherstufung innerhalb derselben Bewertungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren sich danach einig, dass bei diesen Tätigkeiten keine höhere - abstrakte - tarifliche Bewertung erfolgt, auch wenn sie längere Zeit ausgeübt werden, sondern dass bei gleichbleibender Tätigkeit nach Ablauf bestimmter Zeitabschnitte lediglich ein höheres Entgelt als bisher gezahlt werden soll. Zum andern ergibt sich aus dieser ausdrücklichen Regelung einer Entgeltänderung aufgrund Zeitablaufs bei unveränderter Beschäftigung - ebenso wie bei § 5 Abs. 2 ETV(dazu sogleich) -, dass es sich dabei gerade nicht um ein ungeschriebenes Prinzip der Eingruppierung selbst handelt.

22

dd) Wie der „Zeitaufstieg“ innerhalb der Bewertungsgruppe 4 ETV, so ist auch der zur Entgelterhöhung führende zeitliche Faktor innerhalb derjenigen tariflichen Bewertungsgruppen des ETV, die sog. „Aufstiegsgruppen“ vorsehen, ausdrücklich geregelt.

23

(1) § 5 Abs. 2 ETV befasst sich mit den Tätigkeitsmerkmalen der Bewertungsgruppen 6 bis 10 ETV. Diesen ist gemeinsam, dass sie innerhalb einer tariflichen Bewertungsgruppe zwei Stufen vorsehen, von denen die erste mit der Bezeichnung „Aufstiegsgruppe“ (zB 6.1, 7.1 usw.) und die zweite mit der Bezeichnung „Endgruppe“ (zB 6.2, 7.2 usw.) versehen ist (§ 4 Abs. 6, § 5 Abs. 2 Eingangssätze ETV).

24

(2) Die jeweilige Aufstiegsgruppe wird bei einer Neueinstellung erst nach 6-monatiger Betriebszugehörigkeit erreicht (§ 4 Abs. 6 Unterabs. 2 ETV). Wird ein Arbeitnehmer „mit Aufgaben betraut …, die einer höheren Tarifgruppe zuzuordnen sind“, dh. ändert sich seine Tätigkeit in dieser Weise, dann kann er in die Aufstiegsgruppe dieser Tarifgruppe eingruppiert werden (§ 4 Abs. 6 Unterabs. 1 ETV).

25

(3) Die Zuordnung zur nächsthöheren Stufe innerhalb der Bewertungsgruppe, nämlich zur „Endgruppe“, erfolgt in der Regel nach „spätestens 12 Monaten“ (§ 4 Abs. 6 Unterabs. 1 ETV), also auch nach einer bestimmten Beschäftigungszeit innerhalb der Bewertungsgruppe.

26

ee) Auch aus der tariflichen Zuweisung von bestimmten Tätigkeitsbeispielen zu den einzelnen Bewertungsgruppen ergibt sich die tätigkeitsbezogene Zuordnung in das Entgeltschema durch die Tarifvertragsparteien.

27

(1) In der Regel liegt der ausdrücklichen Nennung von Tätigkeits-, Regel- oder Richtbeispielen zu bestimmten Entgeltgruppen die Einigkeit der Tarifvertragsparteien dahingehend zugrunde, dass bei der Ausübung der in diesen Beispielen genannten Tätigkeiten von der Erfüllung der abstrakten Anforderungen der jeweiligen Entgeltgruppe auszugehen ist. Den Gerichten für Arbeitssachen ist es in einem solchen Fall verwehrt, die Erfüllung der abstrakten Oberbegriffe der jeweiligen Entgeltgruppen eigenständig zu überprüfen, weil sie dadurch in die Tarifhoheit der Tarifvertragsparteien eingreifen würden (BAG 20. Juni 2012 - 4 AZR 438/10 - Rn. 16 mwN). Lediglich wenn ausdrücklich geregelt oder aus anderen Bestimmungen des Tarifvertrags zuverlässig zu entnehmen ist, dass diese Wirkung gerade nicht eintreten soll, sondern es auch bei Vorliegen eines Tätigkeitsbeispiels auf die Erfüllung der in den Oberbegriffen niedergelegten Merkmale ankommt, reicht die Ausübung einer in einem Tätigkeitsbeispiel genannten Aufgabe noch nicht aus (vgl. zB der ETV zur Systemgastronomie bei BAG 28. September 2005 - 10 AZR 34/05 -, in dem die Tarifvertragsparteien im Anschluss an die Tätigkeitsbeispiele der einzelnen Tarifgruppen angefügt haben: „… soweit die in der Überschrift/den Oberbegriffen … geforderten Voraussetzungen erfüllt sind“; vgl. auch zum TV ERA für die Metall- und Elektro-Industrie Thüringen 16. März 2016 - 4 ABR 32/14 - BAGE 154, 235).

28

(2) Die im ETV zu den einzelnen Bewertungsgruppen genannten „Tätigkeitsbeispiele“ sind jedenfalls insofern von Bedeutung als sie den jeweiligen abstrakten Oberbegriffen weitgehend unterschiedliche konkrete Tätigkeiten zuordnen. Die Eingruppierung in eine der Bewertungsgruppen ist damit hinreichend an die Ausübung einer zumindest entsprechend zu bewertenden konkreten Tätigkeit gebunden. Sind die jeweiligen Beispielstätigkeiten aber unterschiedlich, kann nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, bei unveränderter Tätigkeit sollten allein durch den Zeitablauf nunmehr derselben Tätigkeit ganz andere Beispiele einer anderen, höheren Bewertungsgruppe als gleichwertig zugeordnet werden.

29

Dabei kann dahinstehen, ob sich ansonsten dem ETV eine von der Regelbedeutung der Tätigkeitsbeispiele abweichende Absicht der Tarifvertragsparteien entnehmen lässt. § 4 Abs. 4 Unterabs. 2 ETV stellt insoweit nur klar, dass die Tätigkeitsbeispiele nicht abschließend aufgeführt sind, die Zuordnung einer Tätigkeit zu einer Bewertungsgruppe daher auch dann möglich ist, wenn sie nicht als Tätigkeitsbeispiel dieser Gruppe ausdrücklich genannt worden ist. Die Klägerin beruft sich auch nicht auf die Erfüllung eines der Tätigkeitsbeispiele.

30

(3) Die hier streitige Bewertungsgruppe 6 ETV weist neun verschiedene Tätigkeitsbeispiele auf. Der Bewertungsgruppe 5 ETV sind 16 und der Bewertungsgruppe 7 ETV sind 11 Tätigkeitsbeispiele zugeordnet. Lediglich das Tätigkeitsbeispiel „Handwerker/-in“ ist dabei identisch, ferner ist die „Hausdame“ in Bewertungsgruppe 6 und 7 ETV genannt. Alle übrigen Tätigkeitsbeispiele sind unterschiedlich. Hinsichtlich eines identischen Tätigkeitsbeispiels gilt nach der Rechtsprechung des Senats, dass bei der Nennung einer Tätigkeit in verschieden wertigen Tarifgruppen zur genauen Bestimmung auf die Oberbegriffe zurückzugreifen ist (BAG 23. September 2009 - 4 AZR 333/08 - Rn. 20 mwN). Die übergroße Anzahl der voneinander abweichenden Tätigkeitsbeispiele in den „Nachbargruppen“ 5 und 7 ETV verdeutlicht im Einzelnen die hierarchische Struktur der betreffenden Bewertungsgruppen und damit auch der Tätigkeitsbeispiele im Übrigen. So ist zur Bewertungsgruppe 5 ETV das Beispiel „Empfangsangestellte“, zur Bewertungsgruppe 6 ETV das Beispiel „Empfangsherr/-dame“ und zur Bewertungsgruppe 7 ETV das Beispiel „Empfangsherr/-dame als Schichtleiter/-in“ genannt. Angesichts dessen ist es auszuschließen, dass die Tarifvertragsparteien eine unveränderte Tätigkeit allein durch die Dauer ihrer Ausübung einer unterschiedlichen tariflichen Wertigkeit zuordnen wollten, soweit dies nicht ausdrücklich geregelt ist.

31

(4) Die Höhergruppierung allein durch den Zeitablauf, die das Landesarbeitsgericht durch den Vergleich der abstrakten Anforderungen zu den Bewertungsgruppen 5 und 6 ETV annimmt, würde dazu führen, dass alle Tätigkeiten, die der Bewertungsgruppe 5 ETV zugeordnet sind, im Hinblick auf die Formulierung der abstrakten Anforderungen in den Oberbegriffen nach zwei Jahren einer Höhergruppierung in die Bewertungsgruppe 6 ETV unterzogen würden. Die den beiden Bewertungsgruppen zugeordneten Tätigkeitsbeispiele schließen dies jedoch aus.

32

ff) Demgegenüber tritt der Umstand, dass der Wortlaut einiger Eingruppierungsregelungen im ETV auf eine gewisse Relevanz von personenbedingten Merkmalen hinzudeuten scheint, zurück. So ist zwar die isolierte Betrachtung von § 4 Abs. 5 Unterabs. 2 und 4 ETV geeignet, die dort genannten personenbezogenen Anforderungskriterien (etwa fachliches und berufliches Können, besondere Erfahrungen und Kenntnisse, die Substitution einer abgeschlossenen Berufsausbildung durch eine fünfjährige fachbezogene Tätigkeit) für die tarifliche Bewertung und Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Bewertungsgruppen heranzuziehen. Soweit die Klägerin jedoch auf die Formulierung verweist, wonach auch „die Anforderungen an die Arbeitnehmer maßgebend“ seien (§ 4 Abs. 4 Unterabs. 4 ETV), ist dieses - gerade vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Senats (vgl. zB BAG 27. Januar 2010 - 4 AZR 567/08 - Rn. 19; 21. April 2010 - 4 AZR 735/08 - Rn. 22 ff.) - so zu verstehen, dass sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer in den jeweiligen Oberbegriffen der einzelnen Bewertungsgruppen auf deren zu bewertende Tätigkeit bezieht. Wird demnach eine bestimmte Ausbildung im Oberbegriff einer Bewertungsgruppe vorausgesetzt, bedeutet dies, dass die bei einer solchen Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Arbeitnehmers grundsätzlich erforderlich sind, um die von dieser Bewertungsgruppe erfassten Tätigkeiten überhaupt verrichten zu können. Damit ist der Oberbegriff der Bewertungsgruppe 5 ETV („Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung“) nicht dahingehend zu verstehen, dass eine Beschäftigte, die diese Voraussetzung erfüllt, ungeachtet ihrer konkreten Tätigkeit nach der entsprechenden Bewertungsgruppe des ETV zu vergüten ist. Vielmehr ist weitere - ungeschriebene - Voraussetzung, dass sie tatsächlich mit Tätigkeiten betraut ist, die eine solche abgeschlossene Ausbildung voraussetzen, was in vielen Tarifverträgen ausdrücklich geregelt ist („… mit entsprechender Tätigkeit …“) und was sich vorliegend auch aus der Einleitung von § 4 Abs. 4 Unterabs. 4 ETV ergibt. Der Gegenstand der Eingruppierung ist die Tätigkeit des Arbeitnehmers und die bei deren Ausübung erforderlichen Anforderungen.

33

2. Danach erfüllt die Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der Bewertungsgruppe 6 des § 5 ETV nicht.

34

a) Das Landesarbeitsgericht und die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die von der Klägerin nach ihrer Einstellung ausgeübte Tätigkeit die Anforderungen der Bewertungsgruppe 5 ETV erfüllt hat und dass sie diese Tätigkeit im Weiteren unverändert ausführt.

35

b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme, dass allein durch die ununterbrochene Ausübung dieser Tätigkeit für mindestens zwei Jahre eine Höhergruppierung in die Bewertungsgruppe 6 ETV zu erfolgen hat. Eine Höhergruppierung kommt nach den tarifvertraglichen Regelungen nur dann in Betracht, wenn der Klägerin eine neue Aufgabe übertragen worden ist, die - anders als die bisherige - nicht lediglich eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, sondern darüber hinaus Fähigkeiten und Kenntnisse, die aufgrund einer danach ausgeübten mindestens zweijährigen Berufserfahrung erworben worden sind. Dies ist bei der Klägerin schon deshalb nicht der Fall, weil sich ihre Tätigkeit nicht verändert hat und deshalb auch keine - gegenüber dem Zeitpunkt ihrer Einstellung - veränderten Anforderungen stellt.

36

c) Die weiteren von der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung hiergegen vorgebrachten Gesichtspunkte hat der Senat eingehend geprüft und sie nicht als durchgreifend erachtet.

37

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Drechsler    

        

    Gey-Rommel    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 29. September 2014 - 9 Sa 19/14 - insoweit aufgehoben als das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1 der arbeitsgerichtlichen Entscheidung abgeändert und die Klage insoweit vollständig abgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 19. Februar 2014 - 3 Ca 343/13 - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Tenors der arbeitsgerichtlichen Entscheidung klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass der Geltungsbereich in § 1 des zwischen der Klägerin und der Firma SWK GmbH am 21. Dezember 2011 geschlossenen Haustarifvertrags auch diejenigen vor dem 1. Januar 2014 mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer erfasst, die bereits am 31. Dezember 2013 Mitglied der Klägerin waren und es noch immer sind.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagte jeweils zur Hälfte.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Reichweite des Geltungsbereichs eines Haustarifvertrags nach einer Verschmelzung.

2

Die klagende Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) schloss am 21. Dezember 2011 mit der Firma S W K GmbH (SWK GmbH) einen Haustarifvertrag (HTV), der auszugsweise wie folgt lautet:

        

§ 1   

        

Dieser Haustarifvertrag gilt für alle in der Firma S W K GmbH beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind.

        

§ 2 Anerkennung von Tarifverträgen

        

1.    

Die Tarifverträge für die Arbeiter/innen, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes

                 

Südbaden

                 

abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall, Vorstand oder Bezirksleitung für Baden-Württemberg einerseits und dem

                 

Gesamtverband metallindustrieller Arbeitgeberverbände e. V. (Gesamtmetall)

                 

oder dem

                 

Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. - Südwestmetall Freiburg

                 

andererseits sind Bestandteil dieses Tarifvertrages und gelten in ihrer jeweiligen Fassung für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich gem. § 1 aufgeführten Beschäftigten.

        

…       

        
        

§ 3 Regelmäßige Arbeitszeit

        

1.    

Die tarifliche wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt ab 1. Januar 2012 38 Stunden pro Woche.

        

…       

        

§ 7 Lohn und Gehalt

        

1.    

Die jeweils in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen werden automatisch übernommen. Dazu legt die IG Metall der SWK per Einwurf-Einschreiben die genauen Inhalte des Abschlusses in der Fläche vor. Dieser Abschluss wird übernommen, sofern nicht SWK innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der vollständigen Information über die Inhalte des Abschlusses gegenüber der IG Metall, Verwaltungsstelle Freiburg, mittels Einwurf-Einschreiben ausdrücklich widerspricht.

        

2.    

Sollte SWK der Übernahme der in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen widersprechen, sind unverzüglich Verhandlungen mit der IG Metall zur Frage der Lohn- und Gehaltserhöhungen aufzunehmen. Für diesen Fall entfällt die Friedenspflicht.

        

§ 8 Gleichbehandlungsgrundsatz

        

1.    

Die Arbeitgeberin gewährt den Mitarbeitern, die aus dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit leisten, dem Grunde nach die gleichen Arbeitsbedingungen wie den Mitarbeitern der A S D GmbH (ASDE) (Anm.: die Beklagte).

        

…       

        
        

§ 9 Schlussbestimmungen

        

1.    

Der vorliegende Haustarifvertrag wird mit Wirkung ab 01.01.2012 bis 31.12.2013 abgeschlossen. Er wirkt bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages nach. …

        

3.    

Die Parteien streben mittelfristig eine Lösung an, wonach einheitliche Arbeitsbedingungen bei SWK und ASDE hergestellt werden sollen. Unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter bei SWK oder ASDE beschäftigt wird. Damit ist keine automatische Übernahme von Tarifergebnissen der SWK auf die ASDE verbunden. Diese ist aber auch nicht ausgeschlossen.

        

…“    

        
3

Die Beklagte führte am Standort S mit der SWK GmbH einen gemeinsamen Betrieb. Die Beklagte ist weder Mitglied in einem Arbeitgeberverband noch hat sie selbst einen Haustarifvertrag abgeschlossen.

4

Mit Verschmelzungsvertrag vom 29. Juni 2012 übertrug die SWK GmbH als übertragende Gesellschaft ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung gemäß §§ 2 ff., 46 ff. UmwG auf die Beklagte als übernehmende Gesellschaft. Die entsprechende Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 26. Juli 2012.

5

Mit Schreiben vom 21. Mai 2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass für das Tarifgebiet Baden-Württemberg ein neuer Entgelttarifvertrag (EntgeltTV) vereinbart worden sei. Der Inhalt des EntgeltTV wurde der Beklagten als Anlage zu diesem Schreiben übermittelt. Mit undatiertem Schreiben äußerte die Beklagte daraufhin, sie betrachte das Schreiben der Klägerin als „gegenstandslos“, da „eine originäre Tarifbindung nicht mehr“ bestehe. Sie zahlte gleichwohl an alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer im Folgenden den sich aus den neuen Lohntabellen des EntgeltTV ergebenden Monatslohn.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der HTV sei nicht nur auf diejenigen ihrer Mitglieder anzuwenden, die vormals in einem Arbeitsverhältnis zur SWK GmbH standen, sondern nunmehr auch auf alle ihre bei der Beklagten beschäftigten Mitglieder. Die Beklagte sei in die Stellung als Partei des unternehmensweit geltenden HTV als Gesamtrechtsnachfolgerin der SWK GmbH eingerückt. Der Geltungsbereich des HTV beziehe sich nunmehr auf das Unternehmen der Beklagten als Ganzes. Da die Beklagte zudem gegen die Mitteilung der Lohnerhöhung keinen ausdrücklichen Widerspruch iSv. § 7 Nr. 1 HTV erhoben habe, seien die durch den EntgeltTV vereinbarten Lohnerhöhungen automatisch übernommen worden. Die Beklagte habe die Lohnsteigerungen nach dem EntgeltTV falsch berechnet, da sie die höheren Tabellenwerte nicht an die erhöhte Arbeitszeit angeglichen habe.

7

Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Geltungsbereichsbestimmung des Haustarifvertrags zwischen der IG Metall und der Firma SWK GmbH vom 21. Dezember 2011 auch die vor dem 1. Januar 2014 mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer erfasst, die bereits am 31. Dezember 2013 bei der IG Metall Mitglied waren und es noch immer sind;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg vom 16. Mai 2013 für die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer/innen, Angestellten und Auszubildenden anzuwenden, die bereits zum 31. Dezember 2013 Mitglied der IG Metall waren und noch immer Mitglied der IG Metall sind und deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2014 begonnen hat.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, sie sei nach der Verschmelzung zwar im Verhältnis zu den vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG Metall-Mitgliedern an den HTV gebunden, nicht jedoch hinsichtlich der originär bei ihr beschäftigten bzw. nachfolgend neu eingestellten IG Metall-Mitglieder. Eine solche „Infizierung“ ihres gesamten Unternehmens mit dem Haustarifvertrag der übertragenden Gesellschaft ergebe sich nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge. Es sei nicht gerechtfertigt, den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags auf einen unbeteiligten Dritten auszuweiten. Hierdurch werde ihre negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie ihre sich aus der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG iVm. Art. 16 der Grundrechtecharta ergebenden Rechte verletzt. Zudem habe sie einer automatischen Übernahme des Tarifabschlusses des EntgeltTV rechtzeitig iSv. § 7 Nr. 1 HTV widersprochen. Letztlich seien die Lohnerhöhungen aus dem EntgeltTV bereits vollständig an alle Arbeitnehmer weitergegeben worden.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin in der Sache die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Aufgrund der Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte ist diese in die Stellung der SWK GmbH als Partei des HTV mit der Folge eingetreten, dass die sich aus dem HTV ergebenden Rechte und Pflichten für sie selbst gelten. Dies umfasst die von der Klägerin im Antrag zu 1. genannten Arbeitsverhältnisse. Soweit die Klägerin weiter die Geltung des EntgeltTV für bestimmte Arbeitsverhältnisse der Beklagten feststellen lassen will (Antrag zu 2.), ist die Klage jedoch unzulässig.

11

A. Die Revision ist zulässig. Die dort gegenüber den zuletzt beim Landesarbeitsgericht gestellten Anträgen vorgenommene Änderung der Anträge ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine - in der Revision grundsätzlich unzulässige (sh. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 14, BAGE 140, 291) - Klageänderung, sondern eine bereits mit Revisionseinlegung vorgenommene Beschränkung des mit der Klage geltend gemachten Begehrens. Im Vergleich zu den Berufungsanträgen erstreckte sich die beantragte Feststellung im Hauptantrag der Revisionsbegründung nicht mehr auf alle bei der Beklagten beschäftigten IG Metall-Mitglieder, sondern nur noch auf diejenigen, die bereits vor dem 1. Januar 2014 ihre Mitgliedschaft begründet hatten.

12

B. Die Revision ist teilweise begründet. Der zuletzt gestellte Antrag zu 1. ist als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig und begründet. Der nach § 9 Nr. 1 Satz 2 HTV iVm. § 4 Abs. 5 TVG seit dem 1. Januar 2014 nachwirkende HTV umfasst nach seinem Geltungsbereich jedenfalls alle vor dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisse der Beklagten mit Mitgliedern der Klägerin, deren Mitgliedschaft bereits am 31. Dezember 2013 bestand und noch fortbesteht. Er ist in seiner Geltung nicht auf vormals bei der SWK GmbH beschäftigte Arbeitnehmer beschränkt. Den Antrag zu 2. hat das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu Recht als unzulässig erachtet.

13

I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

14

1. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich um eine zulässige sog. Verbandsklage iSv. § 9 TVG.

15

a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrags ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen können(vgl. dazu ausf. BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Klagen. Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrags geführten Prozess (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 371/10 - Rn. 27, BAGE 141, 188). Auch bei der sog. Verbandsklage nach § 9 TVG muss danach ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegeben sein. Im Regelfall ist dieses bei dem Rechtsstreit zwischen Tarifvertragsparteien allein wegen der Erstreckung der Bindungswirkung zu bejahen (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 18 mwN, aaO). § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrags mit einer möglichst einheitlichen rechtlichen Beurteilung von Tarifbestimmungen zu untersetzen und damit der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit zu dienen und zugleich Individualstreitigkeiten zu vermeiden. Danach ist ein Feststellungsinteresse dann gegeben, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die die Klärung der Rechtsfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich machen, etwa die gegenwärtige oder zukünftige fehlerhafte Anwendung von Tarifnormen durch einen Tarifvertragspartner (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 17, BAGE 137, 231).

16

b) Im Hinblick auf die vorgenannten Voraussetzungen stellt der Antrag zu 1. nach der gebotenen Auslegung eine zulässige Verbandsklage iSv. § 9 TVG dar.

17

aa) Zu den mit einer sog. Verbandsklage zu klärenden Auslegungsfragen gehört auch die allgemeine Auslegung einer tariflichen Regelung über den Geltungsbereich eines zwischen den Parteien vereinbarten Tarifvertrags oder Tarifwerks und damit die Geltung des Tarifvertrags für eine zweifelsfrei bestimmbare und von anderen Arbeitnehmern abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern (BAG 10. Juni 2009 - 4 AZR 77/08 - Rn. 19). Hierauf zielt der Antrag zu 1. in der zuletzt gestellten Form ab. Mit ihm begehrt die Klägerin in der Sache die Einbeziehung einer bestimmten, nach abstrakten Kriterien hinreichend genau bezeichneten Gruppe von bei der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnissen in den Geltungsbereich des § 1 HTV.

18

bb) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich auf eine „gespaltene Bindung“ an den HTV beruft, indem sie die Tarifgebundenheit bzgl. der früher bei der SWK GmbH beschäftigten Arbeitnehmer nicht in Frage stellt, aber die Geltung für die schon vor der Verschmelzung bei ihr begründeten Arbeitsverhältnisse bestreitet. Damit stellt sie ihre Stellung als Tarifvertragspartei nicht in Abrede, sondern wehrt sich in der Sache lediglich gegen die Erstreckung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags auf eine bestimmte Arbeitnehmergruppe.

19

cc) Der Zulässigkeit der Verbandsklage iSv. § 9 TVG steht schließlich nicht das Ende der Geltungsdauer des HTV zum 31. Dezember 2013 entgegen. Auch bei einer nur nachwirkenden Geltung des Tarifvertrags (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 2 HTV) wäre die Beklagte verpflichtet, die ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse nach seiner Maßgabe durchzuführen, bis eine andere Abmachung die Nachwirkung abgelöst hat, § 4 Abs. 5 TVG(vgl. BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 22, BAGE 123, 213). Der mit der Verbandsklage zu klärende Inhalt der Tarifnormen beruht bei der - von den Tarifvertragsparteien nicht ausgeschlossenen - Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG ebenso wie bei der zwingenden Wirkung der Tarifnormen nach § 4 Abs. 1 TVG auf der Regelungsfreiheit der Tarifvertragspartner. Sie gestaltet auch nach dem Ende des Tarifvertrags den Inhalt der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse nach Maßgabe der tarifvertraglichen Regelungen. Dabei ermöglicht die Nachwirkung zwar eine Änderung durch eine „andere Abmachung“ iSv. § 4 Abs. 5 TVG. Eine solche ist aber auch zwingend erforderlich, wenn die von den Tarifvertragspartnern seinerzeit vereinbarten Arbeitsbedingungen geändert werden sollen. Die durch § 9 TVG geschaffene Privilegierung der Tarifvertragspartner beruht damit in beiden Fällen auf ihrer Normsetzungsbefugnis und erstreckt sich deshalb auf den Bestand und die Auslegung dieser von ihnen selbst gesetzten Normen(BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 68 mwN, BAGE 123, 46). Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht eine Verbandsklage auch dann als zulässig angesehen, wenn es um den Zeitraum der - nicht ausgeschlossenen - Nachwirkung des Tarifvertrags ging (vgl. zB BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - aaO; ebenso HWK/Henssler 7. Aufl. § 9 TVG Rn. 9; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 27; NK-GA/Forst § 9 TVG Rn. 13; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 9 TVG Rn. 6; DäublerTVG/Reinecke/Rachor 4. Aufl. § 9 Rn. 24; Rieble NZA 1992, 250, 252; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 25).

20

2. Der Antrag zu 2. ist unzulässig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Klägerin hiermit ausschließlich die Anwendung des EntgeltTV sichern will, ohne die tatsächlich zwischen den Parteien allein streitigen Modalitäten dieser Anwendung einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

21

a) Der Antrag zu 2. ist nicht als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig.

22

aa) Die beantragte Feststellung betrifft nicht das „Bestehen oder Nichtbestehen“ eines Tarifvertrags iSv. § 9 TVG.

23

(1) Insoweit setzt die Zulässigkeit einer Verbandsklage iSv. § 9 TVG den Streit über die Gültigkeit eines Tarifvertrags oder einer Tarifnorm voraus(Löwisch/Rieble aaO § 9 Rn. 6; HWK/Henssler aaO § 9 TVG Rn. 13; DäublerTVG/Reinecke/Rachor aaO § 9 Rn. 22). Dieser muss zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbart sein.

24

(2) Der im Antrag zu 2. genannte EntgeltTV ist nicht zwischen den Parteien vereinbart worden. Auch steht seine Gültigkeit zwischen ihnen nicht im Streit. Die Parteien streiten vielmehr darum, ob die in dem - insoweit unterstellt - gültigen HTV, genauer in § 7 Nr. 1 Satz 3 HTV, aufgestellten Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt sind.

25

bb) Die beantragte Feststellung betrifft auch nicht die von § 9 TVG gleichfalls erfasste „Auslegung“ eines Tarifvertrags.

26

(1) Zwar kann auch ein Streit der Tarifvertragsparteien über die Auslegung einer Tarifnorm - hier § 7 Nr. 1 Satz 3 HTV - grundsätzlich Gegenstand einer Verbandsklage sein. Die zu entscheidende Rechtsfrage darf sich jedoch nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen, sondern muss allein die Auslegung eines abstrakten Tarifbegriffs zum Gegenstand haben. Deshalb ist im Antrag der fragliche Tarifvertrag und die betreffende Tarifnorm zu benennen, ferner der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene abstrakte Auslegungsschritt zu formulieren, so dass damit der abstrakte Tarifbegriff mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff verbunden wird. Dabei darf das Gericht keine Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. ausf. BAG 18. April 2012 - 4 AZR 371/10 - Rn. 30 ff. mwN, BAGE 141, 188).

27

(2) Dem wird der Antrag zu 2. nicht gerecht. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisierung eines Tarifbegriffs ab. In der Sache zielt sie auf die Feststellung des Ergebnisses einer Rechtsanwendung, nämlich die Frage, ob die im HTV tariflich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen für die Geltung des EntgeltTV durch ein tatsächliches Verhalten der Tarifvertragsparteien erfüllt sind, namentlich ob das datumlose Schreiben der Beklagten einen ausdrücklichen Widerspruch iSv. § 7 Nr. 1 HTV enthält. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag.

28

b) Der Antrag zu 2. ist auch nicht als allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

29

aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festzustellen. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks kann grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Ein Feststellungsinteresse ist nach der Rechtsprechung des Senats aber nur gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 13, 15 mwN). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht werden (BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - aaO).

30

bb) Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Parteien streiten - neben der sich aus der Entscheidung über den Antrag zu 1. ergebenden grundsätzlichen Geltung des HTV, also auch dessen § 7 - nicht nur über das „Ob“ einer automatischen Übernahme der Lohnerhöhungen des EntgeltTV nach § 7 Nr. 1 HTV für die Vergangenheit und die Wirksamkeit eines Widerspruchs der Beklagten nach § 7 Nr. 2 HTV, sondern gerade auch über die nachfolgende Frage, wie genau eine solche Übernahme rechnerisch bei unterschiedlichen Arbeitszeiten im anerkennenden und anerkannten Tarifvertrag zu erfolgen hätte. Somit drohen im Hinblick auf die zutreffende Vergütung der im Antrag zu 2. genannten Arbeitsverhältnisse weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien.

31

II. Der zulässige Antrag zu 1. ist begründet. Die Beklagte ist durch die Rechtsfolge der Verschmelzung nicht nur Tarifvertragspartei des HTV geworden, sondern auch in alle dort geregelten Rechte und Pflichten eingetreten. Die unternehmensbezogene Geltungsbereichsbestimmung des HTV erfasst jedenfalls alle mit der Beklagten vor dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Klägerin, deren Mitgliedschaft bereits am 31. Dezember 2013 bestand und noch fortbesteht, und ist nicht nur auf die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt.

32

1. Neben der Klägerin ist auch die Beklagte Tarifvertragspartei des HTV (§ 3 Abs. 1 TVG) geworden. Dies folgt aus der Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte.

33

a) Die Beklagte ist mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am 26. Juli 2012 als aufnehmendes Unternehmen im Wege der Universalsukzession in die Stellung als Tarifvertragspartei des HTV eingetreten. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass nicht nur bei der Verschmelzung im Wege der Neugründung gemäß § 2 Nr. 2 UmwG, sondern auch bei der Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG wegen der vom Gesetz in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ein Firmentarifvertrag uneingeschränkt auf den neu gegründeten bzw. den aufnehmenden Rechtsträger übergeht (vgl. zur Verschmelzung im Wege der Neugründung BAG 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - zu 2 a der Gründe, BAGE 89, 193; zur Verschmelzung durch Aufnahme 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 41 ff., BAGE 123, 213). Der aufnehmende Rechtsträger tritt in bestehende Verträge ein und wird damit Partei des für den übertragenden Rechtsträger geltenden Firmentarifvertrags (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 39, 41, aaO; 10. Juni 2009 - 4 ABR 21/08 - Rn. 27; allg. Ansicht vgl. zB MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 223; ErfK/Franzen aaO § 2 TVG Rn. 26; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni aaO § 613a BGB Rn. 262; HWK/Henssler aaO § 3 TVG Rn. 47; Grau in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 15 Rn. 198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 4. Aufl. Teil E Rn. 101; Schaub/Ahrendt/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 116 Rn. 14). Der Firmentarifvertrag wirkt danach kollektivrechtlich fort, mit der Folge, dass § 613a Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung kommt(BAG 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - zu 2 a, b der Gründe, aaO; Ahrendt RdA 2012, 129, 136 f.).

34

b) Gegen diese Rechtsprechung wendet sich die Beklagte, die selbst die Geltung des HTV für die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG Metall-Mitglieder annimmt, nicht. Sie bestreitet weder, Tarifvertragspartei des HTV zu sein, noch die aus dem HTV erwachsenden Pflichten, soweit sie gegenüber den - ehemaligen - Arbeitnehmern der SWK GmbH bestehen.

35

2. Die Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte führt zu der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Universalsukzession, dh. sie hat den Übergang des gesamten Vermögens einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger zur Folge.

36

a) Der aufnehmende Rechtsträger tritt unmittelbar in die Rechtsposition des verschmolzenen Rechtsträgers „genau in der Art und Weise“ ein, wie sie im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung bestand (KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 39). So gehen bspw. sowohl vom verschmolzenen Rechtsträger erteilte Vollmachten an Dritte als auch diesem von Dritten erteilte Vollmachten auf den aufnehmenden Rechtsträger über (Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG UmwStG 6. Aufl. § 20 UmwG Rn. 36). Ferner werden aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen eingeräumte Rechte und Pflichten, zB Auflagen, Genehmigungen, von der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich erfasst (Grunewald in Lutter UmwG 5. Aufl. § 20 Rn. 13). Auch bei der Universalsukzession im Erbfall, deren Grundsätze entsprechend auf die umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden sind (KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 38; Teichmann in Lutter aaO § 131 Rn. 64 f.), bildet ein Nachlass kein Sondervermögen in der Hand des Erben, sondern verschmilzt mit dem Eigenvermögen des Erben zu einer rechtlichen Einheit (MüKoBGB/Leipold 6. Aufl. § 1922 Rn. 126). Dabei gehen nicht nur bereits begründete Rechte und Pflichten auf den Erben über, sondern grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Beziehungen, auch die „unfertigen“, noch werdenden und schwebenden Rechtsbeziehungen des Erblassers, also auch bedingte oder künftige Rechte, Bindungen und Lasten (grdl. BGH 9. Juni 1960 - VII ZR 229/58 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 32, 367; 30. Juni 1976 - VIII ZR 52/75 - zu I 4 a der Gründe; 14. Juli 1997 - II ZR 122/96 - zu 3 b der Gründe; für den Fall einer Vereinigung zweier Sparkassen 21. Mai 1980 - VIII ZR 107/79 - zu III 1 der Gründe, BGHZ 77, 167; so auch Teichmann in Lutter aaO Rn. 64 ff.). Für die Bestimmung der Reichweite einer übergegangenen Vertragsposition ist dabei die Auslegung der originären Vereinbarung von Bedeutung, so dass bspw. eine auf den Erben des Bürgen übergegangene Bürgschaftsverpflichtung auch neu entstehende Ansprüche gegen den Hauptschuldner erfasst, wenn sie in den Bereich der vom Erblasser übernommenen Verpflichtung fallen (BGH 30. Juni 1976 - VIII ZR 52/75 - zu I 4 der Gründe). Dementsprechend dient die „Nutzung des Instituts der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge für die Verschmelzung“ dazu, eine umfassende Rechtsnachfolge in gleicher Weise sicherzustellen (Teichmann in Lutter aaO Rn. 65). Die Person des bisherigen Vertragspartners wird „vollumfänglich“ ersetzt, indem der Gesamtrechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten in die Position des bisherigen Vertragspartners einrückt (Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Bange Fortgeltung von Kollektivverträgen bei Unternehmensumstrukturierung durch Umwandlung S. 147 f.; Teschner Firmentarifvertrag und Unternehmensumstrukturierung S. 186 ff.; Winzer Beeinflussung der Tarifgeltung durch den Arbeitgeber S. 201 f., vgl. auch Staudinger/Annuß BGB (2016) § 613a Rn. 201), so als hätte das aufnehmende Unternehmen sie selbst vereinbart. Ausgenommen sind lediglich Ansprüche oder Verbindlichkeiten, deren Erlöschen ausdrücklich bestimmt ist oder die ihrer Natur nach nicht auf einen Gesamtrechtsnachfolger übergehen können(BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 - zu 5 b aa der Gründe mwN, BAGE 116, 104; Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 30). Beschränkungen bestehen dabei im Grundsatz nur insofern, als sie dem „ursprünglichen Vertrag“ im Wege der Auslegung selbst zu entnehmen sind, wobei die nachfolgende Verschmelzung außer Betracht bleibt.

37

b) Bezogen auf die Rechtsfolgenanordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist der Firmentarifvertrag wie jeder andere Vertrag zu beurteilen(Boecken SAE 2000, 162, 163). Auch für ihn bewirkt die Gesamtrechtsnachfolge seine umfassende kollektivrechtliche (dynamische) Fortwirkung und damit ein Eintreten des aufnehmenden Unternehmens in alle sich aus einem Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens ergebenden Rechte und Pflichten (Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 17 f.; DäublerTVG/Lorenz aaO § 3 Rn. 179). Hierzu gehören neben betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen auch Normen über gemeinsame Einrichtungen sowie schuldrechtliche Verpflichtungen, wie etwa die Friedenspflicht (Rieble aaO; Kempen/Zachert/Kempen TVG 5. Aufl. § 3 Rn. 156; Gaul/Otto BB 2014, 500 für die jedenfalls insoweit identische Gesamtrechtsnachfolge bei einer Aufspaltung mit entspr. Zuweisung im Spaltungs- und Übernahmevertrag). Soweit diese auf das verschmolzene Unternehmen lauten, tritt das aufnehmende Unternehmen an seine Stelle. Um die übergegangenen Rechte und Pflichten näher zu bestimmen, ist bei einem Firmentarifvertrag gedanklich die Bezeichnung des verschmolzenen Unternehmens jeweils durch diejenige des aufnehmenden Unternehmens zu substituieren.

38

3. Die Geltung des HTV erstreckt sich über die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Klägerin hinaus jedenfalls auf die bei der Beklagten schon vor dem 1. Januar 2014 beschäftigten Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2013 Mitglied der Klägerin waren und es noch sind. Zum einen hat die Verschmelzung nicht nur im Wortlaut der Geltungsbereichsbestimmung in § 1 HTV zu einer Anpassung geführt, nach der die Beklagte sowohl in Bezug auf die Stellung als Tarifvertragspartei als auch im Übrigen so an den HTV gebunden ist, als hätte sie ihn selbst abgeschlossen. Zum anderen enthalten die Regelungen des HTV keine Beschränkung der Tarifgeltung lediglich auf die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Klägerin. Der HTV gilt nach der Verschmelzung nach seiner Geltungsbereichsbestimmung in § 1 „für alle in der [Beklagten] beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind“. Eine einschränkende Auslegung von § 1 HTV, wonach nur ein bestimmter Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Beklagten von seinem Geltungsbereich erfasst wird, kommt nicht in Betracht.

39

a) Der Wortlaut der tarifvertraglichen Geltungsbereichsregelung ist eindeutig unternehmens- und nicht betriebsbezogen.

40

aa) Grundsätzlich werden Haustarifverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifschließenden Unternehmens vereinbart (JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 5 Rn. 51; Hromadka/Maschmann Arbeitsrecht Bd. 2 7. Aufl. § 13 Rn. 217). Soweit der Geltungsbereich sich ausdrücklich und ohne Einschränkung auf die Arbeitnehmer des tarifvertragschließenden Arbeitgebers erstreckt, erfasst er jeweils nicht nur die aktuellen - tarifgebundenen - Arbeitsverhältnisse, sondern - neben danach begründeten Arbeitsverhältnissen - auch die Arbeitnehmer später hinzukommender Betriebe des Arbeitgebers (Gaul/Otto BB 2014, 500, 504; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.). Dies gilt selbst bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen. Dementsprechend ist ein unternehmensweit geltender Firmentarifvertrag, der seinerseits den BAT in Bezug nimmt, auch auf solche Betriebe anzuwenden, die nach 1990 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zu dem Unternehmen hinzukamen, obwohl - wie das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgehalten hat - „beim Abschluss des [Tarifvertrags] im Jahr 1982 weder die Herstellung der Einheit Deutschlands noch die Existenz unterschiedlicher Tarifgebiete im öffentlichen Dienst absehbar waren“ (BAG 9. Dezember 1999 - 6 AZR 299/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 63; so auch Wiedemann/Wank aaO § 4 Rn. 123; ebenso für eine vergleichbare Konstellation BAG 28. April 1992 - 1 ABR 68/91 - zu B II 2 der Gründe).

41

bb) Nach dem klaren Wortlaut des HTV sollten alle Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse, die mit der SWK GmbH bestanden, in den Geltungsbereich des HTV einbezogen werden. Eine Beschränkung der Tarifgeltung auf Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebs der SWK GmbH ist gerade nicht vereinbart worden. Es kann deshalb dahinstehen, ob und ggf. welche weiteren Betriebe die SWK GmbH zum Zeitpunkt der Verschmelzung betrieben hat.

42

b) Die Tarifsystematik sowie der Sinn und Zweck des HTV bieten keine Anhaltspunkte für einen vom Wortlaut abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien, nach Zeit oder Ort bestimmte Arbeitsverhältnisse mit der SWK GmbH nicht mit dem HTV zu erfassen.

43

aa) Soweit in einzelnen Tarifbestimmungen Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Beklagten genommen wird, zB bei der Zusicherung derselben Gewinnbeteiligung oder übertariflicher Lohnerhöhungen in § 8 HTV, lässt sich hieraus nichts für eine Einschränkung des Geltungsbereichs entnehmen. Arbeitnehmern der SWK GmbH, die nicht in einem von dieser zusammen mit der Beklagten geführten gemeinsamen Betrieb, sondern in einem ausschließlich von der SWK GmbH allein geführten Betrieb beschäftigt waren, hätte ein hierauf gestützter Anspruch nicht mit dem Argument verweigert werden können, sie unterfielen nicht dem Geltungsbereich des HTV.

44

bb) Auch aus der Auswahl der im HTV in Bezug genommenen Tarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebiets Südbaden lassen sich keine Einschränkungen herleiten. In der Bezugnahme auf Tarifverträge in einem Anerkennungs-Haustarifvertrag sind die Tarifvertragsparteien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls insoweit frei, als deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich des verweisenden Tarifvertrags in einem engen sachlichen Zusammenhang steht, die Tarifvertragsparteien die Verweisungsbestimmungen jederzeit aufheben, modifizieren oder ersetzen können und nicht durch die Ausgestaltung der Kündigungsregelungen eine zeitlich zu lange Bindung eingehen (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 561/06 - Rn. 28; 9. Juli 1980 - 4 AZR 564/78 - BAGE 34, 42, 50 f.; 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327, 335). Abgesehen davon, dass durch zahlreiche eigenständige und abweichende Regelungen, zB über die regelmäßige Arbeitszeit, zuschlagsfreie Mehrarbeit, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 HTV), über eine Beschäftigungssicherung durch ein Verbot von betriebsbedingten Kündigungen (§ 4 HTV) usw., von einem Anerkennungstarifvertrag nur eingeschränkt ausgegangen werden kann, sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt, da es sich um die Tarifbedingungen der einschlägigen Branche im Tarifgebiet handelt, in der das Unternehmen seinen Sitz hatte. Soweit hier auch Arbeitnehmer in Betrieben einbezogen worden sind oder sein sollten, die außerhalb des Tarifgebiets liegen, ist dies nicht sachwidrig. Es kann ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers sein, in allen Betrieben seines Unternehmens dieselben Arbeitsbedingungen tariflich zu vereinbaren (vgl. zB die Konstellation bei BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - bundesweite arbeitsvertragliche Verweisung auf die Metalltarifverträge des Bezirks des Unternehmenssitzes).

45

c) Eine Beschränkung des Geltungsbereichs lässt sich auch nicht aus einer - räumlich - eingeschränkten Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaft folgern. Die Bezirke der IG Metall sind nicht tariffähig, sondern handeln beim Abschluss von Tarifverträgen für die IG Metall als Gesamtorganisation (BAG 7. November 2000 - 1 AZR 175/00 - zu 1 b ee der Gründe, BAGE 96, 208), so dass es auf die Tarifzuständigkeit der IG Metall als Gesamtorganisation ankommt (BAG 14. Dezember 1999 - 1 ABR 74/98 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 93, 83). Diese aber unterliegt in räumlicher Hinsicht bundesweit keinen Einschränkungen.

46

d) Die nach dieser Auslegung gewonnene Bestimmung des Geltungsbereichs des HTV erfährt auch nicht wegen der Besonderheiten der erfolgten Verschmelzung eine Anpassung.

47

aa) Die oben unter 2 a dargelegten, allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Regelung des Geltungsbereichs in § 1 HTV. Lässt sich der Geltungsbereichsbestimmung im Wege der Auslegung eine zeitliche, örtliche oder betriebliche Beschränkung entnehmen, gilt diese auch für den aufnehmenden Rechtsträger. Ist der Geltungsbereich in Bezug auf den tarifvertragschließenden Arbeitgeber uneingeschränkt unternehmensbezogen auszulegen, gilt dies auch für das aufnehmende Unternehmen. Entgegen der Auffassung der Revision kann deshalb auch nicht von einer „Ausweitung“ oder „Ausdehnung“ oder gar „Infizierung“ gesprochen werden (vgl. zB Widmann/Mayer-Wälzholz Umwandlungsrecht Vorbem. zu §§ 321 ff. UmwG Rn. 29; Boecken SAE 2000 162, 165; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102). Es geht nämlich nicht um eine Änderung des tarifvertraglichen Regelungsinhalts, sondern um die richtige Erfassung dieses - unverändert gebliebenen - Inhalts des HTV (ähnlich Bange aaO S. 148). Insoweit handelt es sich um ein Problem der Regelanwendung mittels Auslegung und nicht der Regeländerung.

48

Die Erstreckung einer unternehmensbezogenen Geltungsbereichsbestimmung auf die zuvor bei dem aufnehmenden Rechtsträger begründeten Arbeitsverhältnisse ist als Rechtsfolge einer Universalsukzession ebenso hinzunehmen wie die Einbeziehung der von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse betroffenen Arbeitnehmer in einen bei einem übernehmenden Rechtsträger schon bestehenden Tarifvertrag (wie hier Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.; Bange aaO S. 147 f.; Teschner aaO S. 186 ff.; Winzer aaO S. 201 f.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201; Gaul/Otto BB 2014, 500, 504 für die insoweit gleichgelagerte Konstellation bei der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG; im Erg. auch Trappehl/Lambrich DB 1999, 291, wenngleich krit. zu den Folgen).

49

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht die Geltung des HTV für die Beklagte ablehnt, folgt der Senat dem nicht.

50

(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt eine Beschränkung nicht aus der namentlichen Nennung der SWK GmbH in § 1 HTV. Hiermit wird nur in der allgemein üblichen Form der Rechtsträger namentlich benannt, auf dessen Unternehmen sich der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezieht. Eine darüber hinausgehende Regelung enthält die Formulierung nicht. Für den Geltungsbereich nach Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich hieraus keinerlei Beschränkung.

51

(2) Die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts, aus dem gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der SWK GmbH in S folge als geübte Praxis ein Nebeneinander von Arbeitsverhältnissen, für die der HTV galt bzw. nicht galt, und weiter, dass sich daran durch die Verschmelzung nichts ändern sollte, trägt nicht. Die von der Grundregel abweichende Auslegung kann damit nicht begründet werden. Bei einer Verschmelzung von Unternehmen tritt grundsätzlich eine Universalsukzession ein, ohne dass es eines ausdrücklich darauf gerichteten Willens der Parteien des Verschmelzungsvertrags bedarf. So können im Verschmelzungsvertrag die Rechtsfolgen der Universalsukzession grundsätzlich nicht, auch nicht hinsichtlich einzelner Gegenstände oder Verpflichtungen gegenüber Dritten ausgeschlossen werden (Semler/Stengel-Kübler UmwG 3. Aufl. § 20 Rn. 8; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8; Böttcher/Habighorst/Schulte UmwR § 20 UmwG Rn. 5). Auch aus der Erklärung der Tarifvertragsparteien in § 9 HTV, mittelfristig einheitliche Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der SWK GmbH und der Beklagten anzustreben, lässt sich nicht schließen, sie wollten die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen im gemeinsamen Betrieb perpetuieren. Im Gegenteil lassen § 9 Nr. 3 HTV und § 8 Nr. 1 HTV das Interesse der Tarifvertragsparteien an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen deutlich erkennen. Eine entsprechende Regelung hätte aber die rechtliche Möglichkeit der - ursprünglichen - Tarifvertragsparteien vorausgesetzt, für alle Mitarbeiter des gemeinsamen Betriebs einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Vor der Verschmelzung hätten einheitliche Arbeitsbedingungen jedoch nur unter Einbeziehung der Beklagten hergestellt werden können. Dies ist nicht geschehen.

52

cc) Schließlich kommt eine mit der Verschmelzung zusammenhängende einschränkende Auslegung der Geltungsbereichsbestimmung auch nicht aus allgemeinen Erwägungen in Betracht.

53

(1) In der Literatur wird mit unterschiedlicher, teils widersprüchlicher Begründung bei einer Verschmelzung eine Beschränkung der Geltung eines Firmentarifvertrags auf die bisher tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse vertreten.

54

Dem liegt durchgehend die Auffassung zugrunde, der Geltungsbereich, den die Tarifvertragsparteien für den Firmentarifvertrag des später verschmolzenen Unternehmens vereinbart haben, könne sich generell nicht auf die Arbeitsverhältnisse eines - auch nur möglicherweise - den Arbeitgeber später aufnehmenden Unternehmens beziehen.

55

(a) Unabhängig von der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung, an die der aufnehmende Rechtsträger gebunden ist, wird eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Firmentarifvertrags (generell) verneint (etwa Boecken SAE 2000, 162, 165; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz S. 191; Picot/Schnitker Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung Teil I Rn. 310: „immanenter Vorbehalt“). Die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags könne auf der Grundlage einer Gesamtrechtsnachfolge den personellen Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht ausweiten (Boecken aaO; vgl. auch Jacobs aaO). Für die aufnehmende Einheit weise der neu hinzutretende Firmentarifvertrag keine Regelungskompetenz auf, es fehle die Legitimationsgrundlage für eine Erstreckung (Schubert Die Behandlung kollektivvertraglicher Normenkollisionen nach Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen S. 264). Im Übrigen stelle eine Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen im Fall einer Umwandlung eine unzulässige Abrede zu Lasten Dritter dar und sei deshalb nicht möglich (Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 202).

56

(b) Ferner wird eingewandt, auch bei einer unternehmensbezogenen Ausgestaltung sei eine Auslegungsregel heranzuziehen, nach der sich ein Firmentarifvertrag regelmäßig nicht auch auf im Verschmelzungszeitpunkt beim aufnehmenden Unternehmen bestehende Betriebe und auf dessen schon beschäftigte Arbeitnehmer erstrecken könne (Wiedemann/Oetker § 3 Rn. 194; Däubler RdA 1995, 136, 140; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102; Sieg/Maschmann Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht 2. Aufl. Rn. 273; Jacobs NZA Beilage 2009, 45, 46; Boecken SAE 2000, 162, 165; Baeck/Winzer NZG 2013, 655, 657 [„im Zweifel“]; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 201; JKOS/Oetker aaO § 6 Rn. 145; Schubert aaO S. 264; Trittin in Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang 4. Aufl. § 5 Rn. 108; Müller-Bonanni/Mehrens ZIP 2012, 1217, 1218). Regelmäßig hätten die Parteien eines Firmentarifvertrags bei Vertragsschluss nicht an einen Umwandlungsfall gedacht und wollten lediglich eine für die spezifischen Bedürfnisse des Rechtsträgers adäquate Regelung treffen (Trittin aaO; ähnlich Baeck/Winzer aaO; Noltin Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20, S. 38). Diese Auslegungsregel gelte unabhängig davon, ob der übernehmende Rechtsträger anderweitig tarifgebunden sei oder nicht (JKOS/Oetker aaO). Nur so könne eine „Infizierung“ des aufnehmenden Rechtsträgers ausgeschlossen werden (Hohenstatt aaO; Baeck/Winzer aaO).

57

(c) Schließlich wird eine Differenzierung bei den Rechtsfolgen je nach den beim aufnehmenden Rechtsträger vorgefundenen Verhältnissen befürwortet. Es sei danach zu unterscheiden, ob der Firmentarifvertrag beim verschmolzenen oder beim aufnehmenden Rechtsträger vereinbart worden war. Danach soll zwar der Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens nur mit dem tatsächlichen Bestand an tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen auf den aufnehmenden Rechtsträger übergehen. Soweit jedoch der aufnehmende Rechtsträger, nicht dagegen das verschmolzene Unternehmen, an einen Firmentarifvertag gebunden ist, soll sich dessen Geltungsbereich auch auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erstrecken, wenn dessen Bestimmung grundsätzlich auch hinzukommende Betriebe erfasst (Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 205; Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 106). Diese „Auslegungsregel“ solle aber nicht gelten, wenn die Tarifvertragsparteien selbst ausdrückliche Regelungen getroffen hätten, nach denen der Firmentarifvertrag in jeder denkbaren Konstellation für alle Betriebe des Arbeitgebers gelten solle (etwa Hohenstatt aaO Teil E Rn. 102; Baeck/Winzer aaO; vgl. auch die Konstellation bei BAG 29. August 2001 - 4 AZR 332/00 - BAGE 99, 10 mit der ausdrücklichen firmentarifvertraglichen Erstreckung des Geltungsbereichs auf „etwaige Gesamtrechts- und/oder Teilrechtsnachfolger der vertragschließenden Parteien“).

58

(2) Diese Überlegungen teilt der Senat nicht.

59

(a) Zwar erkennen die vorstehenden Ansichten im Falle einer Verschmelzung die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags beim aufnehmenden Rechtsträger an. In der Sache sollen jedoch die Rechtsfolgen der Universalsukzession für den aufnehmenden Rechtsträger beschränkt werden, indem insbesondere tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen im Wege einer „teleologischen Auslegung“ reduziert werden.

60

(b) Diese Absicht der Rechtsfolgenvermeidung rechtfertigt es jedoch nicht, den Auslegungsmaßstab für die Bestimmung des Geltungsbereichs zu verändern und eine dogmatisch nicht weiter begründete (Ausnahme-)Auslegungsregel zu etablieren.

61

(aa) Im Ausgangspunkt zutreffend weisen alle Auffassungen darauf hin, der Eintritt des aufnehmenden Unternehmens in die Tarifvertragsparteistellung eines verschmolzenen Unternehmens stelle kein Problem dar, wenn die Verschmelzung im Wege der Neugründung erfolgt (so die Konstellation bei BAG 24. Juni 1998 - 4 AZR 208/97 - BAGE 89, 193) oder wenn der aufnehmende Rechtsträger - noch - keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt (zB Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 101). In diesem Fall soll der Firmentarifvertrag für das aufnehmende Unternehmen ohne weiteres in vollem Umfang gelten. Damit wird die „Erstreckung“ des Geltungsbereichs auf das aufnehmende oder neue Unternehmen im Grundsatz anerkannt, auch wenn dies in der Sache zwingend bedeutet, dass die später einzustellenden Arbeitnehmer im aufnehmenden Unternehmen damit ebenfalls dem Tarifvertrag unterfallen, wenn sie Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind.

62

(bb) Eine Auslegung des Geltungsbereichs, die nach den konkreten Verhältnissen, die beim aufnehmenden oder neu entstandenen Unternehmen bestehen, unterscheidet, lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Die bei einer Universalsukzession gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet nicht nach den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen und Anknüpfungspunkten beim aufnehmenden Unternehmen. Der Bestand von Arbeitsverhältnissen oder die Gebundenheit an einen eigenen Tarifvertrag beim aufnehmenden Unternehmen kann nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei einer Universalsukzession führen.

63

(cc) Hinzu kommt, dass die Auffassung, die eine „Erstreckung“ des Geltungsbereichs auf alle nach der Verschmelzung bestehenden Arbeitsverhältnisse beim aufnehmenden Unternehmen bejaht, wenn dieses - anders als das verschmolzene Unternehmen - selbst an einen Firmentarifvertrag gebunden war, dies jedoch für die umgekehrte Konstellation, wie im Streitfall, ablehnt, inkonsequent ist. Zwar mögen einem aufnehmenden Rechtsträger keine großen Anpassungsprobleme entstehen, wenn er als Partei eines Firmentarifvertrags ein tarifloses Unternehmen auf sich verschmilzt und der Firmentarifvertrag dann auch die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erfasst. Die gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge bei der Verschmelzung erlaubt jedoch eine Berücksichtigung derartiger bloß faktischer Verhältnisse beim aufnehmenden Rechtsträger mit der Folge einer gerade entgegengesetzten Auslegung der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung nicht. In der Sache geht es um dieselbe Auslegungsfrage (so zutr. Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201), die nicht anhand von externen und nachträglich herangezogenen Kriterien unterschiedlich beantwortet werden kann.

64

(3) Eine Berücksichtigung der tarifrechtlichen Folgen bereits bei der Bestimmung des Umfangs einer umwandlungsrechtlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ist nach Auffassung des Senats nicht angezeigt (ebenso Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Winzer aaO S. 201; Teschner aaO S. 172 ff.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201).

65

(a) Die Universalsukzession ist die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verschmelzung. Ganz getrennt davon ist die Frage zu beurteilen, welche tarifrechtlichen Folgen sich aus dieser umwandlungsrechtlich geschaffenen Situation ergeben (so schon BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 42, BAGE 123, 213; ebenso Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 107; Ahrendt RdA 2012, 129, 137; Schorb ArbR 2011, 161, 163).

66

(b) Die bloßen Interessen eines der Beteiligten, hier: des übernehmenden Rechtsträgers, können eine einschränkende Festlegung dessen, was von der gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge bei der Universalsukzession an Rechtspositionen umfasst wird, nicht begründen. Eine „unerwünschte Ausdehnung“ der Wirkung eines Haustarifvertrags ist kein hinreichender Grund für eine entsprechende Einschränkung (so aber Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 91, ähnlich im Duktus Baeck/Winzer aaO: „… nicht sachgerecht erscheint …“). Die Beseitigung oder Relativierung einer gesetzlich angeordneten Rechtsfolge bedarf einer hinreichenden rechtlichen Grundlage. An einer solchen fehlt es im Entscheidungsfall. Allein die Interessen des aufnehmenden Rechtsträgers reichen zur Begründung nicht aus. Es sind in Anlehnung an die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Gesichtspunkte erkennbar, die für den übernehmenden Rechtsträger beim Festhalten am Firmentarifvertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen würden. Unabhängig davon, dass bei dieser Betrachtung die Interessen der anderen Tarifvertragspartei gänzlich unberücksichtigt bleiben, kann hiervon insbesondere angesichts der privatautonomen Entscheidung des aufnehmenden Unternehmens für die Verschmelzung und damit für die hiermit verbundenen Rechtsfolgen schon generell nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ausgegangen werden. Dass ein Unternehmen eine rechtswirksame Verschmelzung vereinbart und durchführt und sich in der Folge darauf beruft, eine zwingende Folge der hierdurch herbeigeführten Universalsukzession möge nicht eintreten, dürfte unter rechtlichen Aspekten - regelmäßig - ohne Belang sein.

67

Gesetzlich vorgesehene Beschränkungen der Gesamtrechtsnachfolge in anderen Regelungen dienen in erster Linie dem Gläubigerschutz, ohne jedoch unmittelbar in den Übergang des Rechtsverhältnisses mit dem früheren und jetzt verschmolzenen Rechtsträger einzugreifen; sie räumen allenfalls nachträgliche Rechtspositionen ein, wie etwa das Verlangen einer Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG), ggf. auch ein gesondertes Kündigungsrecht (dazu Rieble ZIP 1997, 301, 305; Semler/Stengel-Kübler aaO § 20 Rn. 12). Soweit eine Schutzbedürftigkeit des aufnehmenden Unternehmens anerkannt wird, wird dieser in § 21 UmwG Rechnung getragen. Die Regelung greift die dort real anzutreffenden Folgeprobleme einer Universalsukzession auf und sieht für bestimmte „unvereinbare“ Verpflichtungen oder bei einer „schwere[n] Unbilligkeit“ eine Neubestimmung der Verpflichtungen des aufnehmenden Unternehmens vor. Dies gilt allerdings nur für bestimmte gegenseitige Verträge und dann nur in einem sehr eingeschränkten, dort näher bestimmten Abwicklungsstadium. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall weder hinsichtlich des Anwendungsbereichs noch hinsichtlich der dort vorausgesetzten Unvereinbarkeit oder schweren Unbilligkeit vor.

68

Außerhalb dieser Anpassungsmöglichkeiten besteht für den aufnehmenden Rechtsträger als Partner des privatautonom vereinbarten Verschmelzungsvertrags keine anerkannte Schutzbedürftigkeit, da er selbst entscheidend zu dem Eintritt der Rechtsfolge beigetragen hat (Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 21 UmwG Rn. 2; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 56; MüKoBGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 468 f.) und im Übrigen vorher ausreichend Möglichkeiten zur interessenangepassten Vertragsgestaltung bestanden haben (vgl. dazu zB Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 198; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Braun ArbRB 2008, 83).

69

(c) Soweit weiter eingewandt wird, es liege ein bereits - ex ante - eingeschränkter Inhalt der Willenserklärungen der Tarifvertragsparteien, die an eine Umwandlung nicht gedacht hätten, vor, ist dies schon aus systematischen Gründen unerheblich. Der Eintritt in die von dem verschmolzenen Unternehmen - uU lange Zeit vorher - vereinbarten Schuldverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass deren Vertragspartner bei der Vereinbarung auch die Möglichkeit einer Umwandlung in Betracht gezogen haben oder haben müssten. Eine solche Anforderung ist weder aus dem Umwandlungsrecht ieS noch aus einschränkenden Überlegungen zur Universalsukzession im Allgemeinen bekannt. Dabei kann dahinstehen, ob die von diesem Teil der Literatur angestrebte Rechtsfolge überhaupt zum Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung gemacht werden kann, da die Rechtsfolgen der Universalsukzession nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch für die Vertragspartner nicht abdingbar sind(Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8 mwN).

70

(d) Unzutreffend ist auch die Annahme, dass die (ausdrückliche) Vereinbarung einer Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen für den Fall einer Umwandlung einen (Tarif-)Vertrag zu Lasten Dritter darstelle bzw. den Tarifvertragsparteien der übertragenden Einheit für die aufnehmende Einheit die Regelungskompetenz fehle. Dies ist schon deshalb nicht überzeugend, weil der aufnehmende Rechtsträger ausschließlich aufgrund seiner privatautonomen Entscheidung zum Abschluss des Verschmelzungsvertrags an den Haustarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers gebunden wird. Dabei handelt es sich nach dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge ab diesem Moment nicht mehr um eine von einem personenverschiedenen Dritten eingegangene, sondern um eine eigene Bindung des Rechtsnachfolgers. Auch ein Legitimationsproblem liegt aus diesem Grunde nicht vor.

71

dd) Soweit sich die Beklagte schließlich auf eine Verletzung ihrer sog. negativen Koalitionsfreiheit beruft, ist bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht tangiert. Die Koalitionsfreiheit ist bei der Gebundenheit an einen Haustarifvertrag von vornherein nicht betroffen, weil ein solcher keine Koalitionsmitgliedschaft bewirkt (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 47, BAGE 123, 213; zust. Boecken SAE 2000, 162, 163; Ahrendt RdA 2012, 129, 136; Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 86). Auch dies ist lediglich die Konsequenz des durch die beteiligten Rechtsträger privatautonom geschlossenen Verschmelzungsvertrags (so zutreffend Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103).

72

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch aus Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) iVm. der Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (RL 2001/23/EG) kein anderes Ergebnis. Deren Anwendungsbereich ist nicht eröffnet.

73

a) Voraussetzung für die Anwendung der GRC ist nach Art. 51 Abs. 1 GRC die Durchführung des Rechts der Union. Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann der Fall, wenn mit der nationalen Regelung eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, wenn mit ihr unter das Unionsrecht fallende Ziele verfolgt werden, wenn es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann (EuGH 6. März 2014 - C-206/13 - [Siragusa] Rn. 25; 8. November 2012 - C-40/11 - [Iida] Rn. 79). Dies ist bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht regelmäßig der Fall (vgl. EuGH 15. Januar 2014 - C-176/12 - [AMS] Rn. 43; ErfK/Wißmann aaO Vorbemerkung zum AEUV Rn. 5a mwN).

74

Dagegen sind die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung nicht anwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen (EuGH 10. Juli 2014 - C-198/13 - [Hernández] Rn. 35; 13. Juni 1996 - C-144/95 - [Maurin] Rn. 12, Slg. 1996, I-2909). Dem Anwendungsbereich der Charta unterliegt das Unionsrecht ausschließlich in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten (EuGH 8. November 2012 - C-40/11 - [Iida] Rn. 78).

75

b) Bei der Rechtsanwendung im Streitfall handelt es sich nicht um die Durchführung von Unionsrecht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich dies nicht aus der RL 2001/23/EG. Der Streit der Parteien fällt nicht in deren Anwendungsbereich.

76

aa) Die RL 2001/23/EG hat den Zweck, bei einem Wechsel des Inhabers eines Unternehmens oder Betriebs die hiervon betroffenen Arbeitnehmer zu schützen; insbesondere soll die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleistet werden (dazu ausf. BAG 17. Juni 2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Rn. 33, BAGE 152, 12). Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit dabei auch die Interessen des aufnehmenden Unternehmens einzubeziehen und ggf. gegen die Interessen der übergehenden Arbeitnehmer abzuwägen sind (vgl. dazu einerseits EuGH 18. Juli 2013 - C-426/11 - [Alemo-Herron] Rn. 25; andererseits BAG 17. Juni 2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Rn. 33 ff., aaO), trifft die RL 2001/23/EG ausschließlich Regelungen für die vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Im Rahmen der Prüfung der konkreten Rechtsfolgen für diese - ursprünglich beim Veräußerer vorhandenen - Arbeitsverhältnisse könnte damit auch Art. 16 GRC als Schranke des von der Richtlinie bezweckten Arbeitnehmerschutzes von Bedeutung sein.

77

bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Über die Bedingungen der auf die Beklagte infolge der Verschmelzung übergegangenen Arbeitsverhältnisse streiten die Parteien nicht. Zwischen ihnen geht es vielmehr um die Arbeitsbedingungen der schon vor dem Übergang bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Die RL 2001/23/EG ist für die Frage der Erstreckung eines Haustarifvertrags auf die beim aufnehmenden Rechtsträger vorhandenen Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Die Beklagte kann sich nicht auf einen „Schutz“ berufen, der zu ihren Gunsten durch die Richtlinie begründet und umzusetzen wäre. Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist hinsichtlich der vorliegend allein zur Entscheidung anstehenden Frage somit nicht eröffnet.

78

c) Dies kann der Senat selbst entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu ersuchen.

79

aa) Ein nationales letztinstanzliches Gericht muss der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, die entscheidungserheblich ist und nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war(acte éclairé) und wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair; vgl. BVerfG 29. Mai 2012 - 1 BvR 3201/11 - Rn. 22). Dabei muss das Gericht sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen, etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (BVerfG 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 - Rn. 9). Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines „acte clair“ bzw. eines „acte éclairé“ kommt dem letztinstanzlichen Hauptsachegericht ein Beurteilungsrahmen zu (BVerfG 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 - Rn. 8).

80

bb) Danach besteht keine Vorlagepflicht. Es liegen keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung von Art. 51 GRC bzw. der RL 2001/23/EG vor. Aus der RL 2001/23/EG sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH (vgl. die ausf. Nachw. in BAG 17. Juni 2015 - 4 AZR 61/14 (A) - Rn. 33 und 61, BAGE 152, 12) ergibt sich eindeutig, dass die Richtlinie die Beziehungen des Erwerbers zu seinen schon vor dem Übergang vorhandenen Arbeitnehmern nicht regelt. Für ein gegenteiliges Verständnis finden sich weder im Richtlinientext noch in der hierzu ergangenen Rechtsprechung irgendwelche Anhaltspunkte. Solche sind von der Beklagten auch nicht ausgeführt. Der gesamte Regelungskomplex ist erkennbar einzig darauf angelegt, den Übergang von Arbeitsverhältnissen zusammen mit dem Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit anzuordnen und auszugestalten. Zu den beim Erwerber bereits vorhandenen Arbeitsverhältnissen schweigt die Richtlinie. Damit steht zweifelsfrei fest, dass hier keine unionsrechtliche Vorschrift eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schafft und deshalb auch keine „Durchführung des Rechts der Union“ iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC vorliegt. Selbst wenn man das im Hinblick auf die Reichweite von Art. 51 Abs. 1 GRC am weitesten gehende Urteil des Gerichtshofs in der RechtssacheÅkerberg Fransson (EuGH 26. Februar 2013 - C-617/10 -; vgl. dazu krit. BVerfG 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - Rn. 91, BVerfGE 133, 277) zugrunde legt, folgt hieraus allenfalls, dass der Gerichtshof eine nationale Vorschrift, die nicht einmal zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie oder im Hinblick auf andere sekundär- oder primärrechtliche Verpflichtungen erlassen worden ist, als „Durchführung des Rechts der Union“ iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC begreift, solange die Vorschrift der Wahrung von Interessen dient, die durch Unionsrecht geschützt sind(vgl. Bergmann Handlexikon der Europäischen Union 5. Aufl. Akerberg Fransson-Urteil). Die RL 2001/23/EG verfolgt jedoch gerade nicht den Zweck, die Rechtsbeziehungen in den Arbeitsverhältnissen zwischen dem Erwerber und seinen bereits vor einer Verschmelzung bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern zu regeln.

81

C. Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagte entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen je zur Hälfte, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Rupprecht    

        

    Schuldt    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. August 2011 - 3 Sa 60/11 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 1. Dezember 2010 - 5 Ca 350/10 - teilweise abgeändert, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers.

2

Der im März 1946 geborene Kläger war seit dem 24. Oktober 1966 bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (im Folgenden: BFS) als Fluglotse beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden die Aufgaben der BFS auf die Beklagte übertragen. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Angestellten der BFS wurden auf die Beklagte übergeleitet. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 28. August/27. September 1993 einen Arbeitsvertrag, der ua. Folgendes vorsieht:

        

§ 1   

        

Vertragsgegenstand

        

…       

        
        

2.    

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgung

        

Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993.“

3

Der von der Beklagten und der DAG abgeschlossene Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993) sah vor, dass Mitarbeiter, die das 25. Lebensjahr vollendet und mindestens ein Jahr bei der Beklagten oder der BFS beschäftigt waren, Anspruch auf ein Altersruhegeld haben. Am 29. September 2006 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft der Flugsicherung (im Folgenden: GdF) den rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2005). Der VersTV 2005 trat nach seiner Präambel an die Stelle der Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag vom 7. Juli 1993. Nach § 6 Abs. 2 VersTV 2005 betrug das Altersruhegeld 0,4 % des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern zuzüglich 1,2 % des den Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in den alten Bundesländern übersteigenden Teils des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der anrechenbaren Beschäftigungszeit.

4

Am 21. August 2009 schlossen die Beklagte und die GdF den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2009). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

Präambel

        

Für alle vor 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt das bisherige Versorgungssystem auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe dieses VersTV 2009 (Teil A) weiter. Teil A gilt ferner für alle Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem VersTV 1993 oder VersTV 2005 sowie für ehemalige Beschäftigte der DFS, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor 2009 ausgeschieden waren.

        

…       

        

Teil A

        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Die §§ 1 bis 17 (Teil A) dieses Tarifvertrags gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der DFS aufgenommen haben, unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und am 1. Januar 2009 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen oder sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen oder FDB befanden.

        

…       

        
        

§ 2     

        

Art der Versorgungsleistung

        

(1)     

Folgende Leistungen werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen gewährt:

                 

a)    

Altersruhegeld (§ 6),

                 

b)    

vorzeitiges Altersruhegeld (§ 7),

                 

…       

        
        

(2)     

Bemessungsgrundlagen für die Leistung sind versorgungsfähiges Einkommen (§ 4) und versorgungsfähige Beschäftigungszeit (§ 5).

        

…       

        

§ 4     

        

Versorgungsfähiges Einkommen

        

(1)     

Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich aus den Grundbeträgen nach dem maßgebenden Vergütungstarifvertrag (VTV), aus ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem maßgebenden Zulagentarifvertrag (ZTV) und aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem maßgebenden VTV in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten. … Zeitzuschläge und variable Vergütungsbestandteile bleiben unberücksichtigt.

        

(2)     

Das versorgungsfähige Einkommen wird unterteilt

                 

-       

in den Teil bis zur Splittinggrenze

                 

und     

                 

-       

in den diese Splittinggrenze übersteigenden Teil.

                 

Die Splittinggrenze beträgt 64.800,00 Euro. ...

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgungsfähige Beschäftigungszeit

        

(1)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gelten alle Jahre und volle Monate, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ununterbrochen aktiv in einem Beschäftigungsverhältnis mit der DFS bzw. unmittelbar vorausgehend der BFS und dem LBA gestanden haben, sowie sonstige, tarifvertraglich anerkannte Beschäftigungszeiten, jedoch nicht über die Regelaltersgrenze hinaus. … Die anrechenbare Beschäftigungszeit ist auf 40 volle Jahre begrenzt.

        

(2)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gilt auch die Zeit, in der die DFS tarifliches Übergangsgeld oder tarifliches Vorruhestandsgeld zahlt, längstens jedoch bis zur Altersgrenze für den vorzeitigen Bezug der gesetzlichen Altersrente für langjährig Versicherte.

        

…       

        
        

§ 6     

        

Altersruhegeld

        

…       

        
        

(2)     

Das jährliche Altersruhegeld setzt sich zusammen aus

                 

-       

0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten 12 Beschäftigungsmonate

                 

zuzüglich

                 

-       

1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit.

                                   
        

§ 7     

        

Vorzeitiges Altersruhegeld

        

(1)     

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vollrente) beziehen und aus der Beschäftigung bei der DFS endgültig ausgeschieden sind, können vorzeitiges Altersruhegeld in Anspruch nehmen. …

        

(2)     

Die Höhe des vorzeitigen Altersruhegeldes errechnet sich wie das Altersruhegeld gemäß § 6 Abs. 2, wobei wegen des früheren Zahlungsbeginns eine Kürzung um 0,5 % für jeden Monat erfolgt, um den der Beginn der Ruhegeldzahlung vor Erreichen der Regelaltersgrenze liegt, maximal jedoch um 18 %.

        

…       

        
        

Teil C

        

Allgemeine und Schlussbestimmungen

        

…       

        
        

§ 24   

        

Inkrafttreten und Laufzeit

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag tritt hinsichtlich des Teils B rückwirkend zum 1. Januar 2005, im Übrigen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. …

        

…       

                 
        

(3)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 gilt dieser Tarifvertrag - unbeschadet des nach einer früheren Fassung erworbenen Stammrechts - für alle mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Beschäftigten der DFS sowie für alle Bezieher von laufenden Versorgungsleistungen.“

5

Die Splittinggrenze in Teil A § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009 von 64.800,00 Euro entspricht der nach der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2009 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009, BGBl. I S. 2336) geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2009.

6

Nach dem Zulagentarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 20. August 1993 (im Folgenden: ZTV 1993) erhielten die Mitarbeiter der Beklagten in den operativen Diensten, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis und Berechtigungen nach der Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal der Flugsicherung und seine Ausbildung vom 1. April 1993 (FSPAV) benötigten, eine operative Zulage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ZTV 1993). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 ZTV 1993 wurde die operative Zulage für Fluglotsen in unterschiedlicher Höhe je nach Kategorie der Niederlassung bzw. des Betriebsteils gezahlt, in dem sie überwiegend tätig waren. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 sah für Fluglotsen drei verschiedene Kategorien von Niederlassungen vor. Der Frankfurter Flughafen fiel in die Kategorie III. Die Höhe der je nach Kategorie zu zahlenden operativen Zulage war in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgelegt.

7

Durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 (im Folgenden: ZTV 2000) wurden die Niederlassungen der Beklagten für die Fluglotsen neu kategorisiert. Hintergrund hierfür war ein arbeitswissenschaftliches Gutachten, durch das bestimmte Belastungsparameter - wie zB die Anzahl der von den Fluglotsen zu kontrollierenden Flugzeuge - unter Berücksichtigung weiterer Faktoren neu definiert wurden. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 2000 enthielt nunmehr sieben Kategorien von Niederlassungen. Der Tower des Frankfurter Flughafens wurde der Kategorie VII zugeordnet. § 2 Abs. 2 ZTV 2000 lautete nunmehr ua. wie folgt:

        

§ 2   

        

Operative Zulagen

        

…       

        
        

(2)     

Die Zulagen nach Abs. 1 werden ab dem 1. April 2000 monatlich in folgender Höhe gezahlt:

                 

Kategorie I:

…       

                 

…       

        
                 

Kategorie VII:

…       

                 

Erreicht diese Zulage bei unveränderter Tätigkeit nicht die Höhe der am 31. März 2000 gezahlten Zulage, wird der Differenzbetrag als Besitzstandszulage gezahlt.

                 

…“    

8

Für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen erhöhte sich die operative Zulage dadurch zum 1. April 2000 von 4.368,00 DM brutto auf 5.150,00 DM brutto.

9

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. September 1999 als Fluglotse im Tower des Frankfurter Flughafens tätig. Seine aus dem Grundbetrag nach dem Vergütungstarifvertrag und der operativen Zulage nach § 2 ZTV 1993 bestehende monatliche Vergütung belief sich in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1998 auf 13.262,00 DM und in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September 1999 auf 13.674,00 DM. Zudem erhielt der Kläger nach dem zum 1. November 1996 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 3 vom 31. Oktober 1996 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie dem zum 1. November 1998 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 4 vom 27. November 1998 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jahren 1998 und 1999 Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils jährlich 55 % des tariflichen Grundbetrags und der operativen Zulage.

10

Ab dem 1. Oktober 1999 bezog der Kläger von der Beklagten ein Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 idF des Änderungstarifvertrags vom 27. November 1998 (im Folgenden: Ü-VersTV 1998). Zum 1. November 2004 trat der von der Beklagten mit der GdF abgeschlossene Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 19. November 2004 in Kraft (im Folgenden: Ü-VersTV 2004), der durch Tarifvertrag vom 21. August 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 geändert wurde. Der Ü-VersTV 2004 idF vom 1. Januar 2009 (im Folgenden: Ü-VersTV 2009) bestimmt ua.:

        

§ 5   

        

Höhe des Übergangsgeldes

        

…       

        
        

(4)     

Das Übergangsgeld erhöht sich jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Betriebliche Altersversorgung

        

(1)     

Zeiten, in denen Übergangsgeld bezogen wird, gelten als versorgungsfähige Beschäftigungszeiten i.S.d. Versorgungstarifvertrages der DFS.

        

(2)     

Als versorgungsfähiges Einkommen wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen unterlegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes. In die Dynamisierung wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so mit einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens gemäß § 4 Abs. 2 VersTV erfolgt auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze.

        

(3)     

§ 7 Abs. 2 in Teil A und B des Versorgungstarifvertrages findet keine Anwendung.“

11

Die tarifliche Vergütung wurde bei der Beklagten zum 1. November 1999 um 3 %, zum 1. November 2000 um 2,8 %, zum 1. November 2001 und zum 1. Mai 2003 um jeweils 3,1 %, zum 1. November 2003 um 0,8 %, zum 1. November 2004 um 1,9 %, zum 1. November 2006 und 2007 um jeweils 3 %, sowie zum 1. November 2008 um 4,8 % erhöht. Zum 1. Mai 2006 erfolgte eine Erhöhung der tariflichen Grundbeträge um 2,5 % sowie der operativen Zulagen um 7 %.

12

Seit dem 1. April 2009 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente sowie ein Altersruhegeld von der Beklagten iHv. 3.151,43 Euro. Bei der Berechnung des Altersruhegeldes legte die Beklagte ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen des Klägers iHv. 121.385,75 Euro zugrunde. Die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen berücksichtigte die Beklagte dabei nicht.

13

Der Kläger hat mit seiner Klage die Einbeziehung der Erhöhung der operativen Zulage am Tower des Frankfurter Flughafens in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, es handele sich hierbei um eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009. Unter Berücksichtigung der übrigen tariflichen Entgeltsteigerungen ergebe sich daher ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen iHv. 127.818,21 Euro, so dass sich sein Altersruhegeld auf 3.408,73 Euro brutto belaufe.

14

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 zusätzliche Betriebsrente iHv. 4.374,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 257,30 Euro für jeden Monat beginnend mit dem 1. September 2009, mit dem ersten Tag der jeweiligen Folgemonate und endend mit dem 30. September 2010 zu zahlen und ihm ab dem 1. September 2010 eine Betriebsrente iHv. 3.408,73 Euro brutto im Monat zu zahlen.

15

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Deshalb steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung rückständigen Altersruhegeldes für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 iHv. 4.374,10 Euro brutto zu.

18

I. Die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 bestimmt sich nach den Regelungen in Teil A des VersTV 2009 und nach § 8 Ü-VersTV 2009.

19

1. Der VersTV 2009 und der Ü-VersTV 2009 finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeits- bzw. das (Übergangs-)Versorgungsverhältnis der Parteien Anwendung. § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. August/27. September 1993 enthält eine dynamische Verweisung auf die jeweils bei der Beklagten geltenden Versorgungstarifverträge und die Tarifverträge für die Übergangsversorgung. Nach § 1 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 und die den MTV ergänzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Sowohl der VersTV 2009 als auch der Ü-VersTV 2009 sind den MTV ergänzende Tarifverträge und werden demnach von der dynamischen Verweisung in § 1 des Arbeitsvertrags erfasst.

20

Aus § 5 des Arbeitsvertrags ergibt sich nichts anderes. Dort ist zwar bestimmt, dass für die Versorgung der Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 gilt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine statische Verweisung ausschließlich auf diesen Tarifvertrag. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 22). An derartigen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend. § 5 des Arbeitsvertrags stellt daher lediglich deklaratorisch klar, dass sich die Versorgung im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach dem Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 richtete (vgl. für einen insoweit wortlautidentischen Arbeitsvertrag bereits BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 23).

21

2. Für die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers sind - neben den Bestimmungen in § 8 Ü-VersTV 2009 - die Regelungen in Teil A des VersTV 2009 maßgebend.

22

a) Nach der Präambel des VersTV 2009 gilt für alle vor dem Jahr 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das bisherige Versorgungssystem der Beklagten auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe des VersTV 2009 (Teil A) weiter. Demgemäß richten sich die Versorgungsansprüche der ehemaligen Beschäftigten der Beklagten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor dem Jahr 2009 ausgeschieden sind, nach den gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 VersTV 2009 am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Bestimmungen in Teil A des VersTV 2009 (vgl. Satz 2 der Präambel zum VersTV 2009). Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 sieht vor, dass die Regelungen dieses Teils ua. für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen haben und sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen befanden.

23

b) Die in der Präambel zum VersTV 2009 und in Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist vor dem Jahr 2009 - nämlich am 30. September 1999 - mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1b Abs. 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden, er hatte vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen und befand sich am 1. Januar 2009 noch in der Übergangsversorgung für Fluglotsen. Damit richten sich seine Versorgungsansprüche nach Teil A des VersTV 2009 iVm. § 8 Ü-VersTV 2009.

24

II. Auf der Grundlage der Regelungen in Teil A VersTV 2009 und in § 8 Ü-VersTV 2009 ergibt sich kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines monatlich 3.151,43 Euro brutto übersteigenden Altersruhegeldes ab dem 1. April 2009.

25

1. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VersTV 2009 setzt sich das jährliche Altersruhegeld zusammen aus 0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten zwölf Beschäftigungsmonate zuzüglich 1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 VersTV 2009 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit. Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 aus den Grundbeträgen nach dem Vergütungstarifvertrag, etwaigen festen monatlichen Zulagen nach dem Zulagentarifvertrag sowie aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor Eintritt des Versorgungsfalls. Für Fluglotsen, die - wie der Kläger - vor Eintritt des Versorgungsfalls ein Übergangsgeld bezogen haben, werden diese Regelungen durch § 8 Abs. 2 Ü-VersTV 2009 modifiziert. Danach erfolgt die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens nach § 4 Abs. 2 VersTV 2009 auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze(§ 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009). Zudem wird als versorgungsfähiges Einkommen das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen zugrunde gelegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009).

26

2. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte bei der Berechnung seines Altersruhegeldes zu Recht ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 iHv. 121.385,75 Euro zugrunde gelegt.

27

a) Das versorgungsfähige Einkommen des Klägers in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs am 1. Oktober 1999 belief sich auf 177.780,12 DM. Der Kläger erhielt in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 einen tariflichen Grundbetrag und eine operative Zulage iHv. insgesamt monatlich 13.262,00 DM brutto. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 betrug der tarifliche Grundbetrag einschließlich der operativen Zulage monatlich 13.674,00 DM brutto. Für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. September 1999 ergibt dies einen Betrag iHv. 162.852,00 DM. Hinzu kommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 das anteilig zu berücksichtigende Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Jahre 1998 und 1999. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger ein Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils 7.294,10 DM (55 % von 13.262,00 DM) und im Jahr 1999 iHv. jeweils 7.520,70 DM (55 % von 13.674,00 DM). Da beide Sonderzahlungen auf das Kalenderjahr bezogen gewährt wurden, ergeben sich ein anteilig zu berücksichtigendes Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 iHv. jeweils 1.823,53 DM brutto und für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 iHv. jeweils 5.640,53 DM brutto. Demgemäß betrug das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs insgesamt 177.780,12 DM.

28

b) Die Beklagte hat das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs iHv. 177.780,12 DM nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 zutreffend entsprechend den während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes bis zum Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 erfolgten prozentualen Tariferhöhungen auf 121.385,75 Euro angehoben. Entgegen der Ansicht des Klägers war die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen nicht in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens mit einzubeziehen. Diese stellt keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 dar. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

29

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

30

bb) Danach ist die Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009.

31

(1) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts spricht bereits der Wortlaut dagegen, die durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 verursachte Erhöhung der operativen Zulage als Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 anzusehen.

32

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes mit den „Tariferhöhungen“ dynamisiert. Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, was sie unter „Tariferhöhungen“ verstehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet eine Tariferhöhung die Erhöhung der ausgehandelten und vertraglich festgesetzten Löhne und Gehälter (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache S. 3856 Stichworte: „Tarif“, „Tariferhöhung“). Kennzeichnend für die Tariferhöhung ist damit, dass die für die Bemessung des Entgelts maßgebenden Tarife gesteigert werden. Die Tarifvertragsparteien haben durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 indes nicht die bis dahin in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgesetzten Tarife für die operative Zulage der Fluglotsen in den nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 bestehenden Kategorien I bis III gesteigert. Vielmehr haben sie die Tätigkeiten der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten neu bewertet und infolgedessen die Anzahl der für die Höhe der operativen Zulage maßgebenden Kategorien der Niederlassungen erhöht. Zwar hatten diese Änderungen der tariflichen Regelungen für die Fluglotsen am Tower des Frankfurter Flughafens zur Folge, dass sie eine höhere operative Zulage als zuvor erhielten. Wie die Besitzstandsregelung in § 2 Abs. 2 ZTV 2000 zeigt, ging die neue Kategorisierung der Niederlassungen jedoch nicht zwangsläufig mit einer Erhöhung der operativen Zulage einher. Vielmehr konnte es je nach Einsatzort der Fluglotsen auch zu einer Absenkung der bislang gezahlten operativen Zulage kommen.

33

(2) Der Regelungszusammenhang zeigt zudem, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der Tariferhöhungen iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 nur an die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte anknüpfen wollten.

34

(a) Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so in die Dynamik nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Damit sollen Erhöhungen des für die Berechnung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes des Monatsgehaltes bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens der Übergangsgeldbezieher berücksichtigt werden. Dies zeigt der tarifliche Gesamtzusammenhang. Da sich das versorgungsfähige Einkommen nur aus den in § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 genannten Vergütungsbestandteilen ermittelt, kann sich die Bestimmung in § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 nur auf Veränderungen in der Höhe des anteilig zu berücksichtigenden Weihnachts- und Urlaubsgeldes beziehen. Sonstige, monatlich nicht wiederkehrende Vergütungsbestandteile, die nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 eine Veränderung erfahren könnten, fließen nicht in die Ermittlung des versorgungsfähigen Einkommens ein. Auch die Tarifgeschichte bestätigt dieses Verständnis. Bereits der Ü-VersTV 1998 enthielt in § 8 Abs. 2 Satz 2 eine identische Bestimmung. Die Regelung war durch den 2. Änderungstarifvertrag vom 31. Oktober 1996 zum Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 eingefügt worden, nachdem durch § 8 Abs. 1 des Vergütungstarifvertrags Nr. 2 vom 20. November 1995 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes von bislang 50 % auf 55 % der monatlichen Vergütung nach dem Vergütungs- und Zulagentarifvertrag angehoben worden war.

35

(b) § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 zeigt, dass der Begriff der Tariferhöhungen iSv. Satz 1 nach den Vorstellungen der Tarifparteien nur die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte erfassen soll. Die Regelung will einen Gleichlauf zwischen den Erhöhungen des für die Bemessung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes und den Tariferhöhungen iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 herstellen, indem Erstere bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens so zu berücksichtigen sind, als ob eine „lineare Anpassung“ stattgefunden hätte. Eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 ist nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien damit die lineare Steigerung der Tarifentgelte im Sinne einer prozentualen Anhebung der tariflichen Vergütung.

36

(c) Dafür spricht auch die Regelung in § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 zur Dynamisierung des Übergangsgeldes. Danach erhöht sich das Übergangsgeld jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz. Zwar unterscheiden sich die beiden Dynamisierungsregelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 und § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 insoweit, als im Rahmen von § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 Bezugsobjekt für die Anpassung nicht alle der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegten Vergütungsbestandteile, sondern nur die tariflichen Grundgehälter sind(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 648/07 - Rn. 24 ff.). Demgegenüber knüpft § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Ü-VersTV 2009 nicht lediglich an die Entwicklung der Tarifgehälter, sondern an die Entwicklung der gesamten dem versorgungsfähigen Einkommen zugrunde liegenden Vergütungsbestandteile an. Abgesehen von dem unterschiedlichen Bezugsobjekt für die Dynamisierung gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Regelungen in ihrem sonstigen Anpassungsmechanismus voneinander abweichen sollten. Die Tarifparteien wollten vielmehr sowohl das Übergangsgeld als auch das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher entsprechend den prozentualen Steigerungen der jeweils für sie maßgeblichen Vergleichsobjekte dynamisieren.

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(3) Auch der Sinn und Zweck der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 bestätigt das vorliegende Ergebnis. Die Dynamisierung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 soll verhindern, dass die Versorgungsanwartschaft der Übergangsgeldbezieher bis zum Eintritt des Versorgungsfalls durch Kaufkraftverlust entwertet wird. Unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind - anders als Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG - gesetzlich nicht gegen eine Auszehrung durch Kaufkraftverlust geschützt. Deshalb haben die Tarifvertragsparteien entschieden, das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher an der tariflichen Entwicklung bei der Beklagten teilhaben zu lassen. Bei der Neubewertung der Tätigkeit der Fluglotsen an den einzelnen Niederlassungen der Beklagten durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 handelt es sich indes nicht um eine Maßnahme, die dem Ausgleich von Kaufkraftverlusten dient. Durch die operative Zulage soll vielmehr die unterschiedliche Beanspruchung der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten entlohnt werden.

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(4) In dieser Auslegung enthält die Tarifbestimmung eine sachgerechte und praktikable Regelung. Mit der Anpassung des versorgungsfähigen Einkommens aller Bezieher einer Übergangsversorgung an die allgemeine tarifliche Entwicklung gilt für alle Fluglotsen eine einheitliche Methode der Dynamisierung. Entgegen der Ansicht des Klägers schreibt § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 gerade nicht vor, dass bei der Bemessung des versorgungsfähigen Einkommens die Vergütungsstrukturen des einzelnen Arbeitnehmers vor Bezug des Übergangsgeldes fortgeschrieben und an spätere Veränderungen angepasst werden. Dynamisiert wird ausschließlich das vor dem Bezug von Übergangsgeld bezogene versorgungsfähige Entgelt. Eine Dynamisierung, die - je nach dem letzten Einsatzort des Fluglotsen - zu unterschiedlich hohen Anpassungen führen könnte, würde diesem erkennbaren Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsinteresse der Tarifvertragsparteien zuwiderlaufen.

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3. Ausgehend von einem dynamisierten versorgungsfähigen Einkommen iHv. 121.385,75 Euro schuldet die Beklagte dem Kläger damit ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Selbst wenn im Rahmen der Berechnung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 nicht auf die erst seit dem 1. Januar 2009 geltende Splittinggrenze nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009, sondern auf die(niedrigere) Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen sein sollte, ergäbe sich kein höheres Altersruhegeld. Nach § 3 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008 vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2008 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich. Damit beläuft sich der durchschnittliche Wert der vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2009 geltenden Splittinggrenze auf 63.900,00 Euro. Bei einer maximal anrechenbaren Beschäftigungszeit des Klägers nach § 5 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 1 Ü-VersTV 2009 von 40 Dienstjahren betragen die Anteile des jährlichen Altersruhegeldes nach § 6 Abs. 2 VersTV 2009 für den unter diesem Betrag liegenden Teil des versorgungsfähigen Einkommens 10.224,00 Euro (0,4 % x 40 x 63.900,00 Euro) und für den darüber liegenden Teil 27.593,16 Euro (1,2 % x 40 x 57.485,75 Euro). Auf der Grundlage eines jährlichen Altersruhegeldes iHv. 37.817,16 Euro brutto ergibt sich damit das von der Beklagten seit dem 1. April 2009 gezahlte monatliche Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    H. Frehse    

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.08.2017,

Az.: 11 Ca 6210/16, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien stritten über die richtige Eingruppierung der Klägerin und die Zahlung fälliger monatlicher Differenzbeträge von 209,- €.

Mit Beschluss vom 21.08.2017 hat das Erstgericht den Streitwert für das Verfahren auf 7.524,- € (= 36facher Differenzbetrag) festgesetzt.

Gegen den ihnen am 22.08.2017 formlos zugeleiteten Beschluss wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit ihrer am 29.08.2017 beim Erstgericht eingegangenen Beschwerde.

Sie vertreten die Auffassung, bei der Berechnung des Verfahrenswertes seien die eingeklagten Monatsbeträge zusätzlich in Ansatz zu bringen, jedenfalls hinsichtlich der nach Klageeinreichung im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Zahlungsbeträge.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 17.10.2017 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,-.

Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Den Prozessbevollmächtigten der Beklagten steht gem. § 32 Abs. 2 RVG ein eigenes Beschwerderecht zu.

2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

a) Das Erstgericht hat in seiner Ausgangsentscheidung den Gegenstandswert des Verfahrens gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG zutreffend auf 7.524,- € festgesetzt, denn der monatliche Unterschiedsbetrag beläuft sich auf 209,- €.

b) Die bei Einreichung der Klage vom 29.11.2016 bereits fälligen Differenzbeträge für die Monate März bis Oktober 2016 sind in die Ermittlung des Streitwerts nicht einzubeziehen, insoweit greift die gesetzliche Sonderregelung in § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 GKG.

Auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung vom 17.10.2017 wird verwiesen.

c) Die nach Einreichung der Eingruppierungsklage im Wege von Klageerweiterungen geltend gemachten Zahlungsansprüche für die Monate November 2016 bis April 2017 führen zu keiner Erhöhung des Verfahrenswertes.

Auch die nach Klageeinreichung fällig gewordenen Monatsbeträge, die während der Laufzeit des Prozesses zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht worden sind, können wegen der gesetzlichen Obergrenze in § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG und der Sonderregelung in § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 GKG dem Streitwert der Eingruppierungsklage nicht hinzugerechnet werden.

Insoweit ist - unabhängig davon, ob die streitige Eingruppierungsfrage im Rahmen eines Feststellungsantrags oder einer Leistungsklage einer gerichtlichen Klärung zugeführt wird - von einer wirtschaftlichen Identität der Streitgegenstände auszugehen, hinsichtlich der die gesetzliche Obergrenze greift. Diese dient der Begrenzung der Verfahrenskosten bei einer Eingruppierungsklage des Arbeitnehmers.

Damit haben jedwede eingeklagte Rückstände, unabhängig davon, wann diese fällig geworden und in den Rechtsstreit eingeführt worden sind, unberücksichtigt zu bleiben (vgl. LAG Bremen v. 24.03.1988 - 4 Sa 316/87 und 4 Sa 335/87 – Streitwert; Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 A Rdz. 358, 597, 598; Hartmann, Kostengesetze, 45.A., § 42 GKG Rdz. 50).

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.