Arbeitsgericht Magdeburg Urteil, 23. Sept. 2013 - 3 Ca 1351/13

ECLI:ECLI:DE:ARBGMAG:2013:0923.3CA1351.13.0A
bei uns veröffentlicht am23.09.2013

Tenor

1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete weder durch die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 noch durch die Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013, sondern durch die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 und zwar mit Ablauf des 30.06.2013.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 67,12 %, die Beklagte zu 32,88 % zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 24.559,35 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Kündigungen.

2

Der Kläger war seit 2010 bei der Beklagten tätig, welche Photovoltaikanlagen vertreibt und deren Mutterunternehmen in I. geschäftsansässig ist. Zunächst erfolgte die Tätigkeit auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.10.2010 (Bl.10ff. d.A.) als Vertriebsleiter/Sales Direktor, ab 01.08.2011 erfolgte sie auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.07.2011 (Bl.15ff. d.A.) als Leiter Customer Care, bei einem jährlichen Bruttogehalt in Höhe von 48.000,00 € (§ 4 Abs.1 AV) und mit einer festgeschriebenen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende (§ 13 Abs.3 AV).

3

Ende 2012 geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der damalige Geschäftsführer S. informierte die Mitarbeiter im Januar 2013 hierüber und erklärte, dass neben einem Personalabbau, bei den verbleibenden Mitarbeitern verschlechterte Vertragsbedingungen -insbesondere erhebliche Gehaltseinbußen- vereinbart werden müssten. Anderenfalls könne eine Insolvenz nicht abgewendet werden. Der Kläger unterzeichnete nach vorausgegangenen Verhandlungen am 31.01.2013 eine Vereinbarung (Bl.19f. d.A.) -laut Präambel als Beitrag zur Restrukturierung- nach welcher seine Bruttovergütung auf 3.200,00 € im Monat sinken (§ 1) und nach der die festgeschriebene Kündigungsfrist nur noch 3 Monate zum Monatsende betragen (§ 2) sollte.

4

Im Februar 2013 informierten der Kläger und die Prokuristin W. den Geschäftsführer des Mutterunternehmens V. darüber, dass Geschäftsführer S. versuche, Mitarbeiter dafür zu gewinnen, parallel ein anderes Unternehmen aufzubauen. Daraufhin erhielt dieser die Kündigung und wurde die Geschäftsführung bei der Beklagten durch die Geschäftsführung des Mutterunternehmens mit übernommen.

5

Im März 2013 informierte die neue Geschäftsführung die verbliebenen Mitarbeiter darüber, dass die Beklagte das Deutschlandgeschäft auslaufen lassen und (einstweilen) nur noch die verbliebenen Lagerbestände weitervertreiben wolle. Die Beklagte kündigte daraufhin den Mietvertrag (allerdings mit einer zeitlichen Option zunächst weiterhin in den Räumlichkeiten verbleiben zu können), alle Handelsvertreterverträge und die Verträge verbliebener Mitarbeiter. Ob alle verbliebenen Mitarbeiter hiervon betroffen waren, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erhielt eine Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 zum 30.06.2013 (Bl.21 d.A.).

6

Seit Ende März 2013 erfolgte reger E-Mail Verkehr zwischen der Prokuristin W. und der Geschäftsleitung in I., betreffend die Absicht, der Prokuristin mit Duldung/Unterstützung der Beklagten ein eigenes Unternehmen zum Vertrieb von Photovoltaikanlagen aufzubauen (Bl.137ff. d.A.). Die Reaktion der Geschäftsleitung hierauf war zunächst grundsätzlich positiv, der Name der neuen Firma sollte I. lauten. In der Annahme, künftig dort als Mitarbeiter oder Mitinhaber einsteigen zu können, unterstützte der Kläger den Aufbau von I.. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte, d.h. in seiner Arbeitszeit, auf seinem Dienst-PC, anlässlich entsprechender Kundenkontakte äußerte er sich u.a. unter dem Datum 26.04.2013, wie folgt (Bl.101 d.A.):

7

Hallo M.,

8

ich hatte dich ja schon vor einiger Zeit informiert, dass die E. GmbH zum 30.06.2013 Ihre Tore schließt. Wir als I. werden dann die Geschäfte weiterführen. Der Firmensitz und die Kontaktdaten bleiben bis auf die EmailAdresse gleich. In der Übergangsfrist bis 30.06.2013 werden wird uns nach wie vor als E. GmbH melden und soweit wir noch Restware als E. GmbH zur Verfügung haben auch anbieten.

9

Gleichzeitig sind wir aber auch ab sofort als I. tätig und können Dir die in der Preisliste aufgeführten Artikel ab sofort zu den angegebenen Preisen liefern.

10

Wir möchten Dich bitten, ab sofort soweit es die Geschäftsbeziehung zur I. betrifft ab sofort nur noch mit der unten aufgeführten Email Adresse zu kommunizieren.

11

Soweit es die E. GmbH betrifft gelten bis 30.06.2013 natürlich die bisherigen Email Adressen.

12

Wir würden uns freuen, wenn wir auch in Zukunft erfolgreich zusammenarbeiten würden.

13

Mit sonnigen Grüßen
D.U.

14

Am 02.05.2013 ordnete Geschäftsführer V. in einer an alle Mitarbeiter gerichteten E-Mail (Bl.136 d.A.) an, dass künftig alle Verkäufe von ihm geprüft und autorisiert werden müssten. Unter dem gleichen Datum ließ er, den Kläger betreffend, eine außerordentliche Kündigung fertigen (Bl.22 d.A.), zudem entzog er der Prokuristin W. die Prokura. Nachdem am 13.05.2013 der Entzug der Prokura offenbar geworden war und am 17.05.2013 die o.g. Kündigung dem Kläger zuging, wandte sich die (ehem) Prokuristin W. diesbezüglich noch am selben Tag an Geschäftsführer V. (E-Mail Bl.141/142 d.A.). Dieser beanstandete in seiner Antwort (E-Mail vom 19.05.2013, Bl.141 d.A.), u.a. dass während der von der Beklagten bezahlten Arbeitsstunden unter deren Telefonnummer und in deren Räumen bereits für I. gearbeitet würde und dabei auch Waren der Beklagten zum Einkaufspreis an die I. transferiert würden.

15

Mit Klageschrift vom 24.07.2013, bei Gericht eingehend am 27.05.2013, der Beklagten zugestellt am 31.05.2013, wendet sich der Kläger gegen die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 insgesamt sowie darüber hinaus auch gegen die frühere Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013, soweit sie das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vor dem 31.12.2013 beenden soll. Gleichzeitig erklärte er die Anfechtung der Vereinbarung vom 31.01.2013 wegen arglistiger Täuschung.

16

Datierend unter dem 27.05.2013, dem Kläger zugestellt am 29.05.2013, kündigte die Beklagte diesem vorsorglich erneut außerordentlich (Bl.41 d.A.).

17

Bei Gericht eingehend am 03.06.2013, der Beklagten zugestellt am 05.06.2013, wendet sich der Kläger auch gegen diese Kündigung.

18

Datierend unter dem 24.06.2013, dem Kläger zugestellt am 02.07.2013, kündigte die Beklagte dem Kläger -unter Hinweis auf die E-Mail vom 26.04.2013- ein weiteres Mal vorsorglich außerordentlich. Bei Gericht eingehend am 08.07.2013, der Beklagten zugestellt am 09.07.2013, erweiterte der Kläger den Streitgegenstand auch diesbezüglich.

19

Mit dem Deutschlandgeschäft beauftragte die Beklagte die Firma S., nicht die Firma I..

20

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte entgegen ihrer Zusicherung nie eine Restrukturierung, sondern von Anfang an eine Schließung geplant habe, es ihr vor allem auf die Verkürzung der Kündigungsfrist angekommen sei. Dafür spreche schon allein die zeitliche Nähe zwischen Vereinbarung und Kündigung. Ihm dagegen sei es auf eine Arbeitsplatzgarantie angekommen, welche ihm -wofür die Präambel spreche sowie der nachweisbare Inhalt ähnlicher Gespräche auch mit anderen Mitarbeitern- auch tatsächlich im Gegenzug zugesichert worden sei. Er sei diesbezüglich vor und bei Abschluss der Vereinbarung am 31.01.2013 getäuscht worden. Da die Kündigung vom 28.03.2013 zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgesprochen worden sei, könne er auch außerhalb der Frist aus § 4 KSchG die Einhaltung der zutreffenden Kündigungsfrist verlangen.

21

Die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 sei als außerordentliche Kündigung schon mangels Einhaltung der Frist nach § 626 Abs.2 BGB unwirksam. Die weitere Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 sei, da sie mit keinerlei neu in Erfahrung gebrachten weiteren Kündigungsgründen untersetzt worden sei, ebenfalls verfristet. Die E-Mail vom 26.04.2013 sei als „neuer“ Kündigungsgrund für die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 nur vorgeschoben. Diese E-Mail sei der Beklagten schon vor der Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 bekannt und wohl auch deren Auslöser gewesen. Darüber hinaus habe er sich nach den Äußerungen der Beklagten sowohl gegenüber allen Mitarbeitern als auch in den E-Mail’s an die Prokuristin W. berechtigt gefühlt von einer Schließung zu sprechen und bereits am Aufbau der I. mitzuarbeiten. So habe -von den ganzen Kündigungen einmal abgesehen- doch unstreitig die Anweisung bestanden nur noch Lagerbestände zu verkaufen und sei der Prokuristin W. doch unstreitig Unterstützung für den Aufbau von I. angeboten worden. Einem möglichen gegenläufigen Willen hätte die Beklagte zunächst einmal im Rahmen einer Abmahnung Ausdruck verleihen müssen.

22

Der Kläger beantragt,

23

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 noch zum 30.06.2013 durch die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 sein Ende gefunden hat, sondern bis zum 31.12.2013 fortbesteht.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Laut der Beklagten seien Beschäftigungsgarantien, wie auch aus dem Text der Vereinbarung vom 31.01.2013 zu ersehen sei, zu keiner Zeit gegeben worden. Es sei jedoch tatsächlich zunächst eine Sanierung geplant gewesen, erst der spätere Verlauf der Ereignisse habe dazu geführt, dass von I. aus die Entscheidung getroffen wurde, das Deutschlandgeschäft nach und nach auslaufen zu lassen bzw. an einen Dritten zu übertragen. Eine komplette Schließung sei jedoch zu keiner Zeit angedacht gewesen. Man habe sogar in Erwägung gezogen, die Option bei dem Mietvertrag zu ziehen, aber die Prokuristin W. habe diese gegen eine entsprechende Weisung auslaufen lassen und selbst einen Anschlussmietvertrag für die I. abgeschlossen.

27

Der Kläger habe weder davon ausgehen dürfen, dass er gegenüber Kunden von einer kompletten Schließung der Beklagten reden darf, noch davon, dass er bereits während seiner von der Beklagten bezahlten Arbeitszeit und mit deren Betriebsmitteln zum Vorteil der I. und zum Nachteil der Beklagten Geschäfte betreiben darf. Dergleichen sei für den Kläger ohne weiteres erkennbar nie gestattet worden. Vielmehr hätte dieser wissen müssen, dass ein solches Verhalten, soweit es der Beklagten zur Kenntnis gelangt, seine unmittelbare Kündigung zur Folge haben wird. Gleichwohl habe er -wie insbesondere aus einer Vielzahl von E-Mail an Kunden zu ersehen sei- ein entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt. Er habe dabei sogar, indem er Waren der Beklagten zum Einkaufspreis an die I. transferiert, bei der Beklagten gratis gelagert und dann mit Gewinn für die I. veräußert habe, den Straftatbestand einer Untreue verwirklicht.

28

Vom Inhalt der E-Mail vom 26.04.2013 habe sie erstmals am 14.06.2013 erfahren und diese zum Anlass für die neuerliche Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 genommen. Die E-Mail sei ihr erst zu diesem späten Zeitpunkt vom ehemaligen Geschäftsführer S. übersandt worden, was durch dessen Vernehmung nachgewiesen werden könne. Dieser habe sich hiermit für das Anschwärzen insbesondere seitens des Klägers „bedanken“ wollen und werde, da man inzwischen die wahren Übeltäter kennen, mittlerweile wieder von der Beklagten beschäftigt.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

31

Die Kündigungen mit Schreiben vom 02.05.2013 und 27.05.2013 sind -jedenfalls als außerordentliche Kündigungen- unwirksam (I.). Ihre Umdeutung in eine ordentliche Kündigung kommt wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem dann gegebenen Kündigungstermin nicht in Betracht. Die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.06.2013 beendet (II.). Die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 ging dem Kläger erst nach dem 30.06.2013 zu und hat daher für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien keine Relevanz mehr (III.).

I.

32

Die Kündigungen mit Schreiben vom 02.05.2013 und 27.05.2013 sind -jedenfalls als außerordentliche Kündigungen- unwirksam.

33

1) Der Kläger hat diese Kündigungen rechtzeitig binnen einer Frist von drei Wochen nach ihrem Zugang bei ihm gerichtlich angegriffen, so dass diese nicht bereits nach Maßgabe von § 13 Abs.1 Satz 2 i.V.m. §§ 4, 7 KSchG als wirksam gelten.

34

Der Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 erfolgte bei dem Kläger am 17.05.2013, die Klage hiergegen ging am 27.05.2013 beim Arbeitsgericht ein und wurde am 31.05.2013 der Beklagten zugestellt. Der Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 erfolgte bei dem Kläger am 29.05.2013, die Klage hiergegen ging am 03.06.2013 beim Arbeitsgericht ein und wurde am 05.06.2013 der Beklagten zugestellt.

35

2) Es kann dahingestellt bleiben, dass einerseits der von der Beklagten geschilderte Kündigungssachverhalt, wenn er sich tatsächlich so zugetragen hat, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs.1 BGB für eine außerordentliche Kündigung darzustellen und andererseits -legt man lediglich die vorliegenden E-Mails zugrunde- eine zeitweilige Unklarheit und Unsicherheit für die Beschäftigten über die zulässige weitere Verfahrensweise nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Denn jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass die Frist nach § 626 Abs.2 BGB für die Kündigungen mit Schreiben vom 02.05.2013 und mit Schreiben vom 27.05.2013 nicht gewahrt wurde. Dies aber führt unabhängig von dem oben genannten zur Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

36

Mit Rücksicht auf § 626 Abs.2 BGB kann eine außerordentlich Kündigung nur binnen 2 Wochen nach Kenntniserlangung des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen ausgesprochen werden. Wird diese Frist überschritten, steht dem Arbeitgeber nur noch allenfalls die ordentliche Kündigung zur Sanktionierung des „wichtigen Grundes“ zur Verfügung.

37

Die Kündigung mit Schreiben vom 02.05.2013 wurde unstreitig am 02.05.2013 gefertigt, ihr liegen die Kenntnisse zu Grunde, welche die Beklagte zu diesem Zeitpunkt hatte. Diese Kündigung ging dem Kläger aber erst am 17.05.2013 zu, d.h. mehr als 2 Wochen nach dem 02.05.2013. Für die Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2013 hat die Beklagte keine neuen Kündigungsgründe bzw. keinen neuen Kenntnisstand vorgetragen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass bei ihr die gleichen Gründe und der gleiche Kenntnisstand wie bereits am 02.05.2013 zu Grunde liegen. Die Frist von 2 Wochen war daher zu diesem Zeitpunkt noch weitergehend überschritten.

38

Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung der -trotz § 626 Abs.2 BGB- grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, zusätzliche weitere Kündigungsgründe, die vor Ausspruch einer, bereits aus anderen Gründen erfolgten, Kündigung schon vorhanden gewesen sind, dem Arbeitgeber aber erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt werden, nachzuschieben (vgl. hierzu BAG 04.06.1997 - 2 AZR 362/96; AP BGB § 626 Nachschieben von Kündigungsgründen Nr.5; 06.09.2007 - 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636). Die E-Mail vom 26.04.2013 stellt -selbst wenn sie der Beklagten erst am 14.06.2013 bekannt geworden sein sollte- keinen zusätzlichen weiteren Kündigungsgrund dar. Mit ihr hat die Beklagte vielmehr allenfalls weitere Erkenntnisse zu den auch schon bisherigen Kündigungsgründen erhalten bzw. ein Mittel an die Hand bekommen, die Kündigungsvorwürfe ggf. besser nachweisen zu können. Dies ist ohne weiteres aus der E-Mail vom 19.05.2013 zu schlussfolgern, in welcher der Geschäftsführer V. die Gründe für sein Verhalten und insbesondere für die außerordentliche Kündigung des Klägers offen gelegt hat. Diese waren bereits zu diesem Zeitpunkt die gleichen, wie diejenigen, die die Beklagte aus der E-Mail ableiten möchte. Ein solchermaßen erweiterter Kenntnisstand kann zwar bei vorausgegangener Verdachtskündigung oder bisherigem Absehen von einer Kündigung dazu führen, eine neue Frist nach § 626 Abs.2 BGB für den Ausspruch einer erstmaligen oder weiteren Verdachts- bzw. nunmehr Tatkündigung in Gang zu setzen (vgl. BAG 27.01.2011 - 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798). Dieser erweiterte Kenntnisstand kann aber nicht einer -in der Annahme, dass auch der bisherige Kenntnisstand bereits ausreiche- schon ausgesprochenen Kündigung nachträglich zu einem nun plötzlich nicht mehr verfristeten wichtigen Grund verhelfen. Es handelt sich insoweit eben nicht um einen neuen weiteren nachschiebbaren Kündigungsgrund, sondern immer noch um denselben. Auch von einem weitergehenden Dauertatbestand kann nicht die Rede sein. Mit Erhalt der Kündigung vom 02.05.2013 endete die tatsächliche Tätigkeit des Klägers für die Beklagte und damit auch die Möglichkeit, weitere Verstöße zu begehen.

II.

39

Die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.06.2013 beendet. Soweit der Kläger von einer Beendigung erst zum 31.12.2013 ausgeht, war dem nicht zu folgen.

40

Zwar ist es richtig, dass §§ 4, 7 KSchG insoweit nicht entgegenstehen. Denn der Beendigungszeitpunkt ist bei der Kündigungserklärung mit Schreiben vom 28.03.2013 als eine Frage der Auslegung und nicht der Umdeutung anzusehen. Schließlich hat die Beklagte nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieses Schreibens nicht einfach nur und ausschließlich zum 30.06.2013 gekündigt, sondern in erster Linie zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Zusammen mit der Angabe, diesen mit dem 30.06.2013 berechnet zu haben, wird deutlich, dass, sollte der nächstmögliche Zeitpunkt ein anderer sein, ersatzweise dieser ggf. auch später gelegene Zeitpunkt gelten sollte. Im Rahmen einer solchen Auslegungsfrage ist der Kläger nicht an §§ 4, 7 KSchG gebunden (vgl. hierzu: BAG 01.09.2010 - 5 AZR 700/09, DB 2010, 2620). Im Übrigen dagegen war mit der vorliegenden, am 27.05.2013 eingegangenen, Klage ein Angriff auf die Kündigung mit Schreiben vom 28.03.2013 nicht mehr möglich, insoweit greift § 7 KSchG.

41

Es ist allerdings, anders als der Kläger meint, von keiner längeren Kündigungsfrist auszugehen. Die gesetzliche Kündigungsfrist nach Maßgabe von § 622 BGB liegt hier lediglich bei einem Monat zum Monatsende. Die für den Kläger günstigere arbeitsvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist verlängert diese Kündigungsfrist auf nicht mehr als drei Monate zum Monatsende. Diese Frist ist der Ergänzungsvereinbarung vom 31.01.2013 zu entnehmen, welche insoweit die vorangehende Regelung aus dem Arbeitsvertrag vom 26.07.2011 abgelöst hat. Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Wirksamkeit dieser Ergänzungsvereinbarung greifen nicht.

42

Soweit der Kläger die Anfechtung der Ergänzungsvereinbarung erklärt hat, konnte die Kammer jedenfalls den hierfür erforderlichen -vom anfechtenden darzulegenden und nachzuweisenden- gesetzlichen Anfechtungsgrund nicht erkennen. Insbesondere fehlt es an der behaupteten arglistigen Täuschung (§ 123 BGB). Zwar erscheint es zutreffend, dass der Kläger die Ergänzungsvereinbarung nicht unterschrieben hätte, wenn er gewusst hätte, dass die Beklagte am 31.01.2013 gar nicht oder gar nicht mehr plante, den Betrieb zu sanieren und mit ihm als Arbeitnehmer längerfristig fortzuführen. Dass die Beklagte aber tatsächlich zu diesem Zeitpunkt gar nicht oder gar nicht mehr plante, den Betrieb zu sanieren und/oder mit dem Kläger als Arbeitnehmer längerfristig fortzuführen, kann nach derzeitigem Sachstand nicht angenommen werden.

43

Zum jeweiligen Stand der tatsächlichen Planungen hat keine der Parteien mehr als allenfalls Indizien vorgetragen. Weder liegen konkrete Geschäftsleitungsbeschlüsse vor noch Geschäftszahlen, die das eine oder das andere nachweisen können. Indizien für die Auffassung des Klägers sind der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Vereinbarung und Kündigung sowie der Umstand, dass die Beklagte auf eine, die Sanierung selbst nicht direkt befördernde, Verkürzung der Kündigungsfrist gedrungen hat. Indiz für eine mögliche Umplanung erst nach dem 31.01.2013 ist insbesondere die erst nachfolgende Veränderung in der Geschäftsführung eventuell auch inzwischen aufgetretene Loyalitäts- und Umsetzungsprobleme. Die Entscheidung zu Sanieren und die Entscheidungen zur Umsetzung der Sanierungspläne ist in erster Linie eine Entscheidung der jeweiligen Geschäftsführung. Ändert sich deren Zusammensetzung überraschend, können sich natürlich auch einmal gefasste Pläne überraschend ändern. Ein Geschäftsführer mit Sitz in I. kann sich eventuell nicht mit der erforderlichen Intensität um eine Sanierung kümmern und beurteilt möglicherweise Chancen und Risiken des Deutschlandgeschäfts anders, als ein Geschäftsführer vor Ort. Von einer von Anfang an nicht bestehenden Sanierungsabsicht kann damit unter Betrachtung aller vorliegenden Indizien nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Jedenfalls aber kann eine solche keineswegs bereits als nachgewiesen angesehen werden.

44

Soweit der Kläger des Weiteren auf eine mögliche Beschäftigungsgarantie Bezug nimmt, ist zum einen nicht erkennbar, wie eine solche die eingetretene Fiktion nach § 7 KSchG oder aber die Länge der Kündigungsfrist beeinträchtigen könnte. Zum anderen hat er die Abgabe einer entsprechenden verbindlichen Erklärung auf Seiten der Beklagten nicht ausreichend substantiiert dargelegt, geschweige denn, ausreichend unter Beweis gestellt. Die Ergänzungsvereinbarung enthält keine entsprechende verbindliche Erklärung, auch nicht in ihrer Präambel, andere Mitarbeiter können, schon nach eigener Angabe des Klägers, offenbar lediglich über eventuelle Erklärungen ihnen selbst gegenüber Auskunft geben.

III.

45

Der Kündigungsschutzantrag betreffend die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 konnte nach dem oben gesagten keinen Erfolg mehr haben.

46

Die Kündigung mit Schreiben vom 24.06.2013 ging dem Kläger unstreitig erst nach dem 30.06.2013 zu und zwar am 02.07.2013. Zu diesem Zeitpunkt aber bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses endete zum 30.06.2013 (vgl. unter II.). Voraussetzung für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage aber ist nicht nur die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung, etwa nach Maßgabe von § 1 KSchG, sondern auch, dass bei Ausspruch der angegriffenen Kündigung überhaupt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ist dies nicht der Fall, ist die Kündigungsschutzklage abzuweisen (vgl. BAG 22.11.2012 - 2 AZR 738/11, zitiert über Juris; 27.01.2011 - 2 AZR 826/09, NZA 2011, 804).

IV.

47

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von §§ 3ff. ZPO. In Anlehnung an § 42 Abs. 3 GKG ist für die erste Kündigung ein Vierteljahresverdienst in Ansatz zu bringen. Für die nachgehenden Kündigungen ist zusätzlich jeweils die Differenz hinzuzurechnen, um die ein fiktiver 3-Monatszeitraum nach Zugang der Kündigung zeitlich hinausgeschoben würde, wenn statt dem Zugangszeitpunkt der vorangegangenen Kündigung der Zugangszeitpunkt dieser Kündigung der maßgebliche wäre. Die jeweilige Differenz darf allerdings einen weiteren Vierteljahresverdienst nicht überschreiten. Danach waren für die erste am 28.03.2013 zugegangene Kündigung drei Bruttomonatsverdienste des Klägers (28.03.-28.06.), für die am 17.05.2013 zugegangene Kündigung Arbeitsentgelt für 50 Kalendertage (29.06. -17.08.), für die am 29.05.2013 zugegangene Kündigung Arbeitsentgelt für 12 Kalendertage (18.08. -29.08.) und für die am 02.07.2013 zugegangene Kündigung Arbeitsentgelt für 34 Kalendertage (30.08.-02.10.) in Ansatz zu bringen. Geht man von den durch den Kläger angegebenen 4.000,00 € brutto pro Monat aus, errechnet sich hieraus ein Betrag in Höhe von insgesamt 24.559,35 € (12.000 + 6.593,41 + 1.582,42 + 4.483,52).

48

Die Kosten des Rechtsstreits waren nach Maßgabe von § 92 Abs.1 Satz 1 2.Alt. ZPO verhältnismäßig nach dem jeweiligen Obsiegen oder Unterliegen zu verteilen. Da der Kläger mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 28.03.2013 (12.000 €) und mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 24.06.2013 (4.483, 52 €) gescheitert ist, aber mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 02.05.2013 (6.593,41 €) und gegen die Kündigung vom 27.05.2013 (1.582, 42 €) Erfolg hatte, errechnet sich hieraus die austenorierte Kostenquote.


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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. August 2009 - 2 Sa 132/09 - aufgehoben.

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Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

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I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

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1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

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a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

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b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

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c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

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d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

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e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

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2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

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a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

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b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

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II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

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2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

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a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

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b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

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e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. August 2009 - 2 Sa 132/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 11. März 2009 - 3 Ca 522/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

2

Der am 9. November 1972 geborene Kläger war seit dem 1. August 1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, der S und der Sh GmbH, beschäftigt, zuletzt als Tankstellenmitarbeiter gegen eine Vergütung von 1.376,00 Euro brutto monatlich. Der Kläger und die Sh GmbH schlossen am 1. Januar 1999 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:

        

§ 13 Beendigung des Arbeitsverhältnisses         

        

(1)     

Die Kündigung des unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrages unterliegt den gesetzlichen Kündigungsfristen. Die Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen nach längerer Beschäftigung gilt für beide Vertragsteile.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 22. April 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2008. Ab August 2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 649,50 Euro monatlich.

4

Mit seiner am 11. November 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Monate August und September 2008 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten habe das Arbeitsverhältnis erst zum 30. September 2008 beendet. Die Kündigungsfrist betrage nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Monatsende, weil bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer auch die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeit zu berücksichtigen sei. Mit Ablauf der unzutreffend gewählten Kündigungsfrist sei die Beklagte in Annahmeverzug geraten, eines besonderen Arbeitsangebots habe es nicht bedurft.

5

Der Kläger hat zuletzt in der Berufung beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit B - 1.299,00 Euro sowie an den Kläger 1.453,00 Euro brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 726,50 Euro seit dem 15. September 2008 und aus 726,50 Euro seit dem 15. Oktober 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei wirksam, jedenfalls solange anzuwenden, bis der Gesetzgeber eine Gesetzesänderung vornehme. Unabhängig davon sei das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2008 beendet worden, weil der Kläger keine Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erhoben habe. Zudem fehle ein Angebot des Klägers, seine Arbeitsleistung nach Ablauf der Kündigungsfrist zu erbringen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger hat sinngemäß beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit B - 1.299,00 Euro sowie an den Kläger 2.752,00 Euro brutto abzüglich 1.299,00 Euro netto nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 726,50 Euro seit dem 15. September 2008 und aus 726,50 Euro seit dem 15. Oktober 2008 zu zahlen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

9

I. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Zahlung von 1.299,00 Euro an die Bundesagentur für Arbeit begehrt. Es fehlt an der Prozessführungsbefugnis des Klägers.

10

Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen (gewillkürte Prozessstandschaft) setzt neben einem eigenen schutzwürdigen Interesse des Klägers eine wirksame Ermächtigung durch den Berechtigten voraus (BAG 19. März 2008 - 5 AZR 432/07 - Rn. 10, BAGE 126, 205; 19. März 2002 - 9 AZR 752/00 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 100, 369). Letztere Voraussetzung ist im Streitfalle nicht erfüllt. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld iHv. 649,50 Euro monatlich bezogen. Damit wäre in Höhe der erbrachten Sozialleistung ein evtl. Annahmeverzugsanspruch nach § 115 Abs. 1 SGB X auf den Leistungsträger übergegangen. Der Anspruchsübergang führt zum Verlust der Aktivlegitimation und der Klagebefugnis (allgemeine Auffassung, vgl. nur von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 11 Rn. 53). Der Arbeitnehmer kann zwar grundsätzlich Vergütungsansprüche, die wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend machen (BAG 19. März 2008 - 5 AZR 432/07 - Rn. 11, aaO). Dass der Kläger von der Bundesagentur für Arbeit zur gerichtlichen Geltendmachung der übergegangenen Vergütungsansprüche ermächtigt wäre, ergibt sich aber weder aus seinem Sachvortrag noch den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.

11

II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

12

Der Kläger hat für die Monate August und September 2008 keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung gem. § 615 Satz 1 in Verb. mit § 611 Abs. 1 BGB. Unbeschadet der sonstigen in §§ 293 ff. BGB geregelten Erfordernisse setzt der Annahmeverzug des Arbeitgebers den Bestand des Arbeitsverhältnisses voraus. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aber aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG am 31. Juli 2008 geendet. Der Kläger hätte die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen müssen.

13

1. Entgegen ihrer Auffassung hat die Beklagte allerdings mit ihrer Kündigung vom 22. April 2008 zum 31. Juli 2008 die gesetzliche - verlängerte - Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB in zweifacher Hinsicht nicht gewahrt.

14

a) Unabhängig von der von den Parteien ausschließlich thematisierten Frage der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB betrug die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB vier Monate zum Ende eines Kalendermonats. Das ist der 31. August 2008. Nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts war der Kläger seit dem 1. August 1995 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Nach Vollendung seines 25. Lebensjahrs (9. November 1997) betrug die Beschäftigungsdauer bei Ausspruch der Kündigung im April 2008 mehr als zehn und weniger als zwölf Jahre. Die von der Beklagten gewählte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats, die die zutreffende gesetzliche Kündigungsfrist wäre, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens acht, aber weniger als zehn Jahre bestanden hat (§ 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB), lässt sich nur damit erklären, dass die Beklagte lediglich die sich aus dem Arbeitsvertrag des Klägers mit ihrer unmittelbaren Rechtsvorgängerin, der Sh GmbH, ergebende Beschäftigungsdauer ab 1. Januar 1999 berücksichtigt, diejenige aus dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der S, einer weiteren Rechtsvorgängerin, jedoch außer Betracht gelassen hat.

15

b) Darüber hinaus ergibt sich nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB eine Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Ende eines Kalendermonats(= 30. September 2008), wenn bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer auch Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Klägers liegen, berücksichtigt werden müssten. In diesem Falle beträgt die maßgebliche Beschäftigungsdauer mindestens zwölf Jahre.

16

aa) § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, der bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt, ist nicht anzuwenden.

17

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat erkannt, dass das Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen ist, dass es einer Regelung wie § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden (19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 14). Dabei obliegt es dem nationalen Gericht, bei dem ein Rechtsstreit über das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG anhängig ist, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede diesem Verbot entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 51, aaO; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 77, Slg. 2005, I-9981).

18

Daran ist der Senat gebunden. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anzuwenden(BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 53, NZA 2010, 995; vgl. auch BVerfG Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 2008 - 1 BvL 4/08 - Rn. 12, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 6).

19

bb) Die Unanwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB gilt auch für Kündigungen, die - wie hier - vor der Entscheidung des Gerichtshofs vom 19. Januar 2010 ausgesprochen worden sind. Der Gerichtshof hat den Tenor seiner Entscheidung zeitlich nicht begrenzt und damit keinen Vertrauensschutz gewährt. Die Entscheidung ist deshalb für alle Kündigungen maßgeblich, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist für das Merkmal Alter der Richtlinie 2000/78/EG (2. Dezember 2006) ausgesprochen wurden (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119; zu den Voraussetzungen einer zeitlichen Beschränkung durch den Gerichtshof EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, Slg. 2009, I-731; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 50 ff., Slg. 2001, I-6193).

20

2. Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, hängt davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen Termin“, wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege(§ 4 Satz 1 KSchG, § 6 KSchG)geltend gemacht worden ist.

21

a) Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zwar seiner ersten Entscheidung zu dieser Problematik nach der am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neufassung des § 4 Satz 1 KSchG aufgrund des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) in der Amtlichen Sammlung den - die Entscheidungsgründe nur verkürzt wiedergebenden - Leitsatz vorangestellt, der Arbeitnehmer könne die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist außerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen(15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - BAGE 116, 336). Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich aber, dass auch der Zweite Senat annimmt, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist müsse innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen werden, sofern der Kündigungstermin „integraler Bestandteil der Willenserklärung“ sei. Das sei der Fall, wenn sich nicht durch Auslegung ermitteln lasse, es solle eine fristwahrende Kündigung ausgesprochen sein. Dabei meint der Zweite Senat, die Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigungserklärung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als eine solche zum richtigen Kündigungstermin sei der Regelfall. Denn der Empfänger der Kündigungserklärung dürfe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen, sondern müsse seinerseits unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände, die dafür von Bedeutung sein können, danach trachten, das Gemeinte zu erkennen. Bei einer ordentlichen Kündigung sei für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren wolle, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei (15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 25 ff., aaO).

22

Diese Auffassung hat der Zweite Senat in seiner Entscheidung vom 6. Juli 2006 (- 2 AZR 215/05 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 57) bestätigt. Der Sechste Senat hat sich dem angeschlossen (9. Februar 2006 - 6 AZR 283/05 - Rn. 32, BAGE 117, 68), während der Achte Senat ausdrücklich offengelassen hat, ob der Rechtsprechung des Zweiten Senats zu folgen sei (21. August 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 31, AP BGB § 613a Nr. 353 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 95). Im Schrifttum ist die Rechtsprechung des Zweiten Senats teils auf Zustimmung, teils auf Ablehnung gestoßen (vgl. zum Meinungsstand etwa APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 10b und APS/Linck § 622 BGB Rn. 66 f.; von Hoyningen-Huene/Linck § 4 Rn. 22; KR/Rost 9. Aufl. § 7 KSchG Rn. 3b und KR/Friedrich § 13 KSchG Rn. 89; Stahlhacke/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 10. Aufl. Rn. 1833 - jeweils mwN).

23

b) Ob eine ordentliche Kündigung mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist im Regelfall als eine solche mit der rechtlich zutreffenden Kündigungsfrist ausgelegt werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Die Kündigung der Beklagten vom 22. April 2008 zum 31. Juli 2008 kann nicht als eine Kündigung zum 30. September 2008 ausgelegt werden.

24

aa) Die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Auslegung dieser atypischen Willenserklärung kann der Senat selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 35, AP HRG § 57a Nr. 12 = EzA TzBfG § 15 Nr. 2; 15. Dezember 2005 - 8 AZR 106/05 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 4).

25

bb) Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 30. September 2008 spricht zunächst der Wortlaut der Kündigungserklärung, die ausdrücklich zum 31. Juli 2008 erfolgte, ohne dass die Kündigungserklärung selbst Anhaltspunkte dafür enthielte, die Beklagte habe die Kündigung (auch) zu einem anderen Termin gewollt oder das angegebene Datum sei nur das Ergebnis einer vorangegangenen Berechnung anhand mitgeteilter Daten. Außerhalb der Kündigungserklärung liegende Umstände dafür, die Beklagte habe eine Kündigung zum 30. September 2008 in für den Kläger erkennbarer Weise gewollt, haben die Parteien weder vorgetragen noch das Landesarbeitsgericht festgestellt.

26

cc) Selbst wenn man mit dem Zweiten Senat für den Regelfall annähme, der kündigende Arbeitgeber wolle die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren, weil er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden sei, kann jedenfalls die streitgegenständliche Kündigung nicht als eine solche zum 30. September 2008 ausgelegt werden. Mit der von ihr gewählten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende wollte die Beklagte als Betriebsübernehmerin offensichtlich die sich unter Zugrundelegung der Beschäftigungsdauer aus dem Arbeitsvertrag des Klägers mit ihrer unmittelbaren Rechtsvorgängerin vom 1. Januar 1999 ergebende gesetzliche Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) wahren. Dabei lag die Beschäftigungsdauer des Klägers in Gänze nach dessen Vollendung des 25. Lebensjahrs, so dass bei der Berechnung der Kündigungsfrist § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne Bedeutung gewesen sein dürfte. Darüber hinaus liegen keine Indizien dafür vor, die Beklagte als Pächterin einer Tankstelle sei sich des damals vom Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschiedenen Problems einer Unanwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Verstoßes gegen Unionsrecht auch nur im Ansatz bewusst gewesen und könnte deshalb eine Kündigung zum 30. September 2008 gewollt haben. Zudem wäre ein solcher Wille der Beklagten dem Kläger als Kündigungsadressaten nicht erkennbar gewesen. Für die Annahme, der Kläger als Mitarbeiter an einer Tankstelle hätte die ausdrücklich zum 31. Juli 2008 erklärte Kündigung seiner Arbeitgeberin als eine wegen der - möglichen - Unvereinbarkeit von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit Unionsrecht zum 30. September 2008 gewollte Kündigung erkennen können, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

27

dd) Im Übrigen muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336). Ist eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem bestimmten Datum erklärt worden, steht deshalb in Fällen wie dem vorliegenden auch das Bestimmtheitsgebot der Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es ist nicht die Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte.

28

c) Eine Kündigung der Beklagten zum 30. September 2008 könnte nur im Wege der Umdeutung gewonnen werden.

29

aa) Grundsätzlich kann eine zu einem bestimmten Termin erklärte, nicht zu einem anderen Termin auslegbare und deshalb unwirksame Kündigung in eine solche zum nächstzulässigen Termin umgedeutet werden. Die Umdeutung nach § 140 BGB erfordert die Ermittlung des hypothetischen Willens des Kündigenden, also dem, was er bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Kündigungsfrist und damit der Unwirksamkeit der Kündigung gewollt hätte(APS/Linck § 622 BGB Rn. 66a; vgl. auch KR/Spilger § 622 BGB Rn. 140). Dabei steht die Überzeugung des Arbeitgebers, mit richtiger Frist gekündigt zu haben, der Annahme, er hätte bei Kenntnis der objektiven Fehlerhaftigkeit der seiner Kündigung zugrunde gelegten Frist das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen, sondern zum nächstzulässigen Termin beenden wollen, nicht entgegen.

30

bb) Im Streitfalle scheidet eine Umdeutung aus, weil § 140 BGB ein nichtiges Rechtsgeschäft und damit die Unwirksamkeit der erklärten Kündigung erfordert. Eine Umdeutung kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die fehlerhafte Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen hat und nicht die Fiktionswirkung des § 7 KSchG eingetreten ist.

31

3. Dass die Fiktionswirkung des § 7 KSchG auch die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen einer aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zu kurzen Kündigungsfrist erfasst, verstößt nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz.

32

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung als Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar, sofern damit die Ausübung eines Rechts nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Rn. 36, 42, NZA 2010, 869; 12. Februar 2008 - C-2/06 - [Kempter] Rn. 58, Slg. 2008, I-411; 24. September 2002 - C-255/00 - [Grundig Italiana] Rn. 34, Slg. 2002, I-8003).

33

b) Bereits das Kündigungsschutzgesetz vom 10. August 1951 (BGBl. I S. 499) hat den allgemeinen Kündigungsschutz an das Erfordernis geknüpft, die Sozialwidrigkeit einer Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2004 hat der Gesetzgeber das Erfordernis einer fristgebundenen Klage auf alle Unwirksamkeitsgründe für eine schriftlich zugegangene Kündigung erstreckt. Eine entsprechende Klagefrist gilt seit 1. Oktober 1996 für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs. 5 BeschFG, § 17 TzBfG). Die Befristung der Klagemöglichkeit und die nach Fristablauf eintretende Fiktion der Rechtswirksamkeit der Kündigung bezwecken die Herstellung alsbaldiger Klarheit über Fortbestand oder Ende des Arbeitsverhältnisses (allgemeine Ansicht, vgl. nur BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 480/09 - Rn. 8, NZA 2010, 1142; von Hoyningen-Huene/Linck § 4 Rn. 4 mwN). Sie erschweren den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers nicht übermäßig, zumal § 5 KSchG die nachträgliche Klagezulassung eröffnet, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.

34

III. Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Wolf    

                 

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. April 2011 - 19 Sa 1967/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.

2

Der 1950 geborene Kläger war seit April 1977 bei der Beklagten tätig, zuletzt als Leiter Buchhaltung/Finanzen/Personal. Die Parteien führen seit Jahren eine Vielzahl von Bestands- und Vergütungsstreitigkeiten. Nachdem sich zuvor mehrere Kündigungen, die die Beklagte auf ihr bekannt gewordene Untreuehandlungen des Klägers und damit zusammenhängende Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden gestützt hatte, aus unterschiedlichen Gründen als unwirksam erwiesen hatten, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. September 2009 erneut fristlos. Zur Begründung berief sie sich auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung vom 24. August 2009 und auf Erklärungen, die dessen Verteidiger in der betreffenden Hauptverhandlung abgegeben hatte. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger in einem anderen Rechtsstreit gewandt, der beim Senat unter dem Aktenzeichen - 2 AZR 732/11 - geführt wird. Eine weitere, am 4. Dezember 2009 erklärte fristlose Kündigung, die die Beklagte auf Äußerungen des Klägers über ihr steuerliches Verhalten gestützt hatte, ist in einem Vorprozess für unwirksam erklärt worden. Das betreffende Urteil des Arbeitsgerichts vom 23. Juni 2010 ist rechtskräftig.

3

Gegen seine strafgerichtliche Verurteilung durch das Amtsgericht legte der Kläger Berufung mit dem Ziel ein, eine Strafaussetzung zur Bewährung zu erreichen. Mit Urteil vom 28. April 2010 änderte das Landgericht das erstinstanzliche Urteil entsprechend ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. April 2010 erneut fristlos. Nachdem sie unter dem 8. Juni 2010 Abschriften des Urteils und des Protokolls der Verhandlung vom 28. April 2010 erhalten hatte, kündigte sie ein weiteres Mal.

4

Gegen die beiden zuletzt genannten Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

5

Er hat - zusammengefasst - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 29. April 2010, noch durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 15. Juni 2010 aufgelöst worden ist.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Beklagten entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Mit Urteil vom 22. November 2012 hat der Senat die gegen die Kündigung vom 22. September 2009 erhobene Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage gegen die Kündigungen vom 29. April 2010 und vom 15. Juni 2010 zu Recht ohne materielle Prüfung abgewiesen. Die begehrte Feststellung scheitert zumindest daran, dass das Arbeitsverhältnis bereits aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 22. September 2009 geendet hat.

9

1. Einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG kann nur stattgegeben werden, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht schon aufgrund anderer Tatbestände sein Ende gefunden hatte. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 73). Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb fest, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat oder nicht. Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13 mwN, aaO).

10

2. Der Senat hat im Verfahren - 2 AZR 732/11 - die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt, mit der dieses die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die Kündigung vom 22. September 2009 abgewiesen hat. Mit der Verkündung dieses Senatsurteils steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen vom 29. April 2010 und vom 15. Juni 2010 nicht mehr bestanden hat. Diesem Ergebnis widerspricht nicht das - rechtskräftige - Urteil des Arbeitsgerichts vom 23. Juni 2010, in dem festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 4. Dezember 2009 nicht beendet worden ist. Bei dieser Entscheidung blieb die Frage, ob das Arbeitsverhältnis nicht bereits durch die Kündigung vom 22. September 2009 aufgelöst worden ist, zulässigerweise ausgeklammert (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 -).

11

3. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Nielebock    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 576/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt.

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Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet.

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Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen diesen erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

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Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

6

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, sprach sie nach weiteren Ermittlungen und Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Der Kläger hat auch dagegen Klage erhoben.

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Nachdem der Kläger in der strafrechtlichen Hauptverhandlung am 18. Juni 2007 die ihm vorgeworfenen Taten eingeräumt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 25. Juni 2007 - diesmal wegen erwiesener Tatbegehung - ein weiteres Mal. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

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Er hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 25. Juni 2007 nicht beendet worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Orchestermusiker bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

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Dem haben die Vorinstanzen entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Mit Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - hat der Senat die gegen die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erhobene Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2007 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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I. Anders als nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bedarf es keiner materiellen Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung. Die mit der Klage begehrte Feststellung scheitert schon daran, dass das Arbeitsverhältnis bereits aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 mit deren Zugang geendet hat.

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1. Einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG kann nur stattgegeben werden, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bereits aufgrund anderer Beendigungstatbestände aufgelöst ist. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (KR/Friedrich 9. Aufl. § 4 KSchG Rn. 255). Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Mit der Rechtskraft eines Urteils im Kündigungsschutzprozess steht deshalb fest, ob im Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat oder nicht (Senat 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - zu B I 1 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11; KR/Friedrich aaO). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(Senat 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - aaO).

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2. Mit der Verkündung des Urteils im Verfahren - 2 AZR 825/09 - steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 25. Juni 2007 schon nicht mehr bestanden hat.

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II. Der Weiterbeschäftigungsantrag für die Dauer des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Der Kündigungsrechtsstreit ist mit der Verkündung der Entscheidung des Senats rechtskräftig abgeschlossen.

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III. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die anstelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Ist im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Höhe des Jahresbetrags nicht nach dem Antrag des Klägers bestimmt oder nach diesem Antrag mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, ist der Streitwert nach § 52 Absatz 1 und 2 zu bestimmen.

(2) Für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend; eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet. Bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ist der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

(3) Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; dies gilt nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird.