Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Nov. 2012 - 2 AZR 738/11

bei uns veröffentlicht am22.11.2012

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. April 2011 - 19 Sa 1967/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.

2

Der 1950 geborene Kläger war seit April 1977 bei der Beklagten tätig, zuletzt als Leiter Buchhaltung/Finanzen/Personal. Die Parteien führen seit Jahren eine Vielzahl von Bestands- und Vergütungsstreitigkeiten. Nachdem sich zuvor mehrere Kündigungen, die die Beklagte auf ihr bekannt gewordene Untreuehandlungen des Klägers und damit zusammenhängende Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden gestützt hatte, aus unterschiedlichen Gründen als unwirksam erwiesen hatten, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. September 2009 erneut fristlos. Zur Begründung berief sie sich auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung vom 24. August 2009 und auf Erklärungen, die dessen Verteidiger in der betreffenden Hauptverhandlung abgegeben hatte. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger in einem anderen Rechtsstreit gewandt, der beim Senat unter dem Aktenzeichen - 2 AZR 732/11 - geführt wird. Eine weitere, am 4. Dezember 2009 erklärte fristlose Kündigung, die die Beklagte auf Äußerungen des Klägers über ihr steuerliches Verhalten gestützt hatte, ist in einem Vorprozess für unwirksam erklärt worden. Das betreffende Urteil des Arbeitsgerichts vom 23. Juni 2010 ist rechtskräftig.

3

Gegen seine strafgerichtliche Verurteilung durch das Amtsgericht legte der Kläger Berufung mit dem Ziel ein, eine Strafaussetzung zur Bewährung zu erreichen. Mit Urteil vom 28. April 2010 änderte das Landgericht das erstinstanzliche Urteil entsprechend ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. April 2010 erneut fristlos. Nachdem sie unter dem 8. Juni 2010 Abschriften des Urteils und des Protokolls der Verhandlung vom 28. April 2010 erhalten hatte, kündigte sie ein weiteres Mal.

4

Gegen die beiden zuletzt genannten Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

5

Er hat - zusammengefasst - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 29. April 2010, noch durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 15. Juni 2010 aufgelöst worden ist.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Beklagten entsprochen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Mit Urteil vom 22. November 2012 hat der Senat die gegen die Kündigung vom 22. September 2009 erhobene Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage gegen die Kündigungen vom 29. April 2010 und vom 15. Juni 2010 zu Recht ohne materielle Prüfung abgewiesen. Die begehrte Feststellung scheitert zumindest daran, dass das Arbeitsverhältnis bereits aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 22. September 2009 geendet hat.

9

1. Einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG kann nur stattgegeben werden, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht schon aufgrund anderer Tatbestände sein Ende gefunden hatte. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 73). Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb fest, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat oder nicht. Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13 mwN, aaO).

10

2. Der Senat hat im Verfahren - 2 AZR 732/11 - die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt, mit der dieses die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die Kündigung vom 22. September 2009 abgewiesen hat. Mit der Verkündung dieses Senatsurteils steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen vom 29. April 2010 und vom 15. Juni 2010 nicht mehr bestanden hat. Diesem Ergebnis widerspricht nicht das - rechtskräftige - Urteil des Arbeitsgerichts vom 23. Juni 2010, in dem festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 4. Dezember 2009 nicht beendet worden ist. Bei dieser Entscheidung blieb die Frage, ob das Arbeitsverhältnis nicht bereits durch die Kündigung vom 22. September 2009 aufgelöst worden ist, zulässigerweise ausgeklammert (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 -).

11

3. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Nielebock    

                 

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(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)