Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 24. Juni 2016 - 10 Ca 49/16
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 345,75 brutto (Entgelterhöhung ab 1.8.2015 für die Monate August bis Dezember 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils € 69,15 ab dem 1.9.2015, 1.10.2015, 1.11.2015, 1.12.2015 und 1.1.2016.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.960,88 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2015.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 276,60 brutto (Entgelterhöhung ab 1.1.2016 bis 30.4.2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils € 69,15 ab dem 1.2.2016, 1.3.2016, 1.4.2016 und 1.5.2016.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 56,70 brutto (Entgelterhöhung ab 1.5.2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.6.2016.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.969,32 brutto (Urlaubsgeld 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2016.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 4.609,25 festgesetzt.
Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über eine monatliche Entgelterhöhung ab August 2015 und über einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 sowie auf Urlaubsgeld für das Jahr 2016.
- 2
Die Beklagte war bis April 2008 tarifgebundenes Mitglied des Landesverbandes des Hamburger Einzelhandels e.V., dessen Tarifverträge auch Vergütungsregelungen sowie Regelungen über die Zahlung einer Sonderzahlung und von Urlaubsgeld enthalten. Am 1. August 1997 schloss sie mit ihrem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung G.- B.“ (Anlage A2, Bl. 11 - 25 d. A., nachfolgend „BV“), die unter anderem folgenden Inhalt hat:
- 3
„Präambel:
- 4
Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist.
- 5
Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlußzeiten des Einzelhandel in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden.
- 6
Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlung des Einzelhandels statt.
- 7
Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung).
- 8
Jedem G. wird eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben.
- 9
…
- 10
Inhaltsverzeichnis
- 11
…
- 12
§ 9 Urlaubs- und Weihnachtsgeld
- 13
G. zahlt für jedes Beschäftigungsjahr ein Urlaubsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 31. Mai eines jeden Jahres. …
- 14
G. zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 30. November eines jeden Jahres. …
- 15
…
- 16
§ 17 Gehaltstarif
- 17
Die G.-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen
- 18
In den Tarifen G0, G1, G2
In den Tarif G3
In den Tarifen G4a G4bsind das DM 200,00
sind das DM 300,00
sind das DM 500,00
- 19
…
- 20
Gehaltserhöhungen:
- 21
Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes.
- 22
In den Tarifen G0, G1, G2
In den Tarif G3
In den Tarifen G4a G4bsind das DM 200,00
sind das DM 300,00
sind das DM 500,00
- 23
…
- 24
§ 22 Schlußbestimmung
- 25
Diese Betriebsvereinbarung tritt ab 1.8.97 in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Kalenderjahres, erstmals zum 28.2.98 kündbar.“
- 26
Der Klägerin ist seit 14 Jahren bei der Beklagten als Lageristin zu einem regelmäßigen Bruttomonatsverdienst in Höhe von zuletzt € 3.068,26, das sich aus einem Grundgehalt von € 2.766,-, einer Zulage in Anknüpfung an die BV in Höhe von € 102,26 und einer Zulage in Höhe von € 200,- für besondere Verantwortung zusammensetzt, beschäftigt. Ausweislich § 4 des Arbeitsvertrages vom 22. Oktober 2004 (Anlage K1, Bl. 11 – 14 d.A.) steht der Klägerin ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld von jeweils 62,5 Prozent vom Gehalt zu. Der Klägerin erhielt in der Vergangenheit regelmäßig Entgelterhöhungen entsprechend den Tariferhöhungen gemäß § 17 der BV sowie jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 Prozent einer Bruttomonatsvergütung.
- 27
Die Beklagte kündigte die BV mit Schreiben vom 27. Juni 2014 (Anlage B1, Bl. 54 d. A.) zum 31. Dezember 2014. Mit ihrer „Information an die Mitarbeiter“ vom 31. Juli 2015 (Anlage B2, Bl. 55 d. A.) teilte die Beklagte mit, dass sie aufgrund der angespannten Personalkostensituation die Tariferhöhungen nicht weitergeben und im November auch kein Weihnachtsgeld auszahlen könne. Eine entsprechende Information vom 31. Juli 2015 erfolgte an den Betriebsrat (Anlage A4, Bl. 26 f. d. A.). Dementsprechend gab die Beklagte die zum 1. August 2015 in Kraft getretene Tariferhöhung von 2,5 Prozent nicht an ihre Mitarbeiter weiter und zahlte in 2015 kein Weihnachtsgeld. Ab 1. Mai 2016 erfolgte eine Tariflohnerhöhung im Hamburger Einzelhandel in Höhe von 2 Prozent, welche die Beklagte ebenfalls nicht an die Klägerin weiterreichte. Auch eine Zahlung des Urlaubsgeldes 2016 an die Klägerin erfolgte nicht.
- 28
Mit Schreiben vom 28. September 2015 (Anlage A6, Bl. 29 d. A.) machte der Klägerin ihre Ansprüche auf Entgelterhöhung entsprechend der Tariferhöhung (69,15 € brutto monatlich) und auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2015 geltend. Mit ihrer (mit unzutreffendem Datum versehenen) Klage vom 12. Februar 2016, der Beklagten zugestellt am 18. Februar 2016, ihrer Klagerweiterung vom 27. April 2016, der Beklagten zugestellt am 1. Mai 2016, sowie ihrer Klagerweiterung vom 7. Juni 2016, der Beklagten zugestellt am 13. Juni 2016, verfolgt sie diese Ansprüche weiter, in Bezug auf die Entgelterhöhung in Höhe von jeweils € 69,15 brutto für die Monate August 2015 bis einschließlich April 2016 sowie in Höhe von € 58,70 brutto für den Monat Mai 2016 nebst Urlaubsgeld für 2016. Hierbei berechnet sie die für die Monate August 2015 bis April 2016 geltend gemachte Entgelterhöhung ausgehend von ihrer Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 2.766,- und einer tariflichen Entgelterhöhung im Umfang von 2,5 Prozent mit monatlich € 69,15 und die für den Monat Mai 2016 geltend gemachte Entgelterhöhung ausgehend von der ihrer Auffassung nach seit dem 1. August 2015 zu zahlenden Bruttomonatsvergütung in Höhe von € 2.835,15 und einer Tariflohnerhöhung ab 1. Mai 2016 von 2 Prozent mit € 56, 70 brutto (= 0,02 x € 2.835,15 = € 56,70). Das Weihnachtsgeld 2015 beziffert die Klägerin mit € 1.960,88 brutto ausgehend von einem (um € 69,15 erhöhten) Bruttomonatsentgelt in Höhe von € 2.937,41 (= 0,625 x (€ 2.835,15 + Zulage von € 102,26 + Zulage von € 200,-)). Das Urlaubsgeld 2016 berechnet die Klägerin ausgehend von ihrem (um € 58,70 erhöhten) Bruttomonatslohn für Mai 2016 wie folgt: 0,625 x (€ 2.891,85 brutto + Zulagen von € 102,26 brutto und € 200,- brutto) = € 1.996,32 brutto.
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Der Klägerin ist der Auffassung, dass die Ansprüche auf Zahlung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes sowie auf Weitergabe der tariflichen Entgelterhöhung auf der Basis dreier Rechtsgrundlage bestünden: Zum einen habe sie einen aus ihrem Arbeitsvertrag resultierenden individualrechtlichen Anspruch auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von jeweils 62,5 Prozent des Gehalts. Zum anderen sei ihr in der BV ein arbeitsvertraglicher individualvertraglicher Leistungsanspruch hinsichtlich einer Tariflohnerhöhung und der Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld zugesprochen worden. Schließlich bestehe ein entsprechender individueller Anspruch auf einer erteilten Gesamtzusage in Verbindung mit betrieblicher Übung. Aus der Präambel der BV, die ihr bei oder nach Abschluss des Vertrages übergeben worden sei, gehe hervor, dass die Inhalte der BV unabhängig von der Wirksamkeit der BV Bestandteil des jeweiligen Arbeitsvertrages seien. Es handele sich hierbei um ein gebündeltes Vertragsangebot an die Arbeitnehmer, dass diese stillschweigend durch die Entgegennahme der Leistungen angenommen hätten. Bestärkt werde dies durch den Satz in der Präambel, wonach „eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben“ werde. Daneben stehe der Klägerin auch ein Anspruch aus betrieblicher Übung zu. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte die Unwirksamkeit der BV bereits bei ihrem Abschluss gekannt und die darin vorgesehenen Leistungen dennoch über 17 Jahre hinweg weiter gewährt habe. Hierin liege ein gebündeltes Vertragsangebot an die Arbeitnehmer, das diese stillschweigend durch Entgegennahme der Leistung angenommen hätten. Die Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Freiwilligkeitsvorbehalte gemacht, sondern während der gesamten Beschäftigungszeit der Klägerin die Tariferhöhungen und die Weihnachts- sowie Urlaubsgeldzahlung umgesetzt. Der Anspruch aus der Gesamtzusage trete neben den Anspruch, der direkt aus der BV entstanden sei, in der den Beschäftigten die Regelungen der BV „als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung)“ zugesagt worden sei. Zudem sei die unwirksame BV jedenfalls in ein entsprechendes Vertragsangebot der Beklagten umzudeuten. Der BV sei der hypothetische Wille zu entnehmen, sich für den Fall des Scheiterns der BV vertraglich gegenüber den Arbeitnehmern zu binden. Dies ergebe sich aus der Formulierung in der Präambel der BV, wonach die Regelungen der BV die Regelungen des Arbeitsrechtes ergänzen und als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung) gelten. Die Klägerin habe aufgrund des Wortlautes der Präambel berechtigterweise annehmen können, dass sich die Beklagte zu einem entsprechenden Verhalten unabhängig vom Schicksal der BV unbegrenzte Zeit habe verpflichten wollen.
- 30
Der Klägerin beantragt,
- 31
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 345,75 brutto (Entgelterhöhung ab 01.08.2015 für die Monate August bis Dezember 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils € 69,15 ab dem 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015 und 01.01.2016;
- 32
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.960,88 brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015.
- 33
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 276,60 brutto (Entgelterhöhung ab 01.01.2016 bis 30.04.2016)zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils € 69,15 ab dem 01.02.2016, 01.03.2016, 01.04.2016 und 01.05.2016;
- 34
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 56,70 brutto (Entgelterhöhung ab 01.05.2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2016;
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5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.969,32 brutto (Urlaubsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 38
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich aus dem Arbeitsvertrag kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Weihnachts- bzw. Urlaubsgeldes ergebe, da der Arbeitsvertrag lediglich den in der unwirksamen BV vermeintlich begründeten Anspruch habe wiederholen sollen. Mithin wirke die arbeitsvertragliche Regelung nicht konstitutiv, sondern lediglich deklaratorisch. Dies werde auch daran deutlich, dass im Arbeitsvertrag keine Summen, Fälligkeitszeitpunkte oder ergänzende Regelungen zur Regelung eines Urlaubs- oder Weihnachtsgeldes aufgenommen worden seien. Vielmehr setze die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag eine wirksame anderweitige Regelung voraus. Diese habe vermeintlich mit der BV bestanden. Nachdem sich aber zwischenzeitlich deren Unwirksamkeit herausgestellt habe, sei der arbeitsvertraglichen Regelung ebenfalls die Grundlage entzogen.
- 39
Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass der Klägerin auch kein Anspruch auf die Weitergabe der tariflichen Entgelterhöhung zustehe. Die BV komme als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, da ihre Regelungen wegen § 77 Abs. 3 BetrVG keine Wirkungen entfalteten. Die Präambel der BV enthalte auch kein Angebot an die Klägerin zum Abschluss einer gleichlautenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Aus dem Wortlaut der Präambel könne eine Individualvereinbarung nicht hergeleitet werden. Vielmehr enthalte die Präambel lediglich eine Wiederholung des Rechtsgrundsatzes des § 77 Abs. 4 BetrVG, um deutlich zu machen, dass die Betriebsvereinbarung individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer vermittelte. Hierbei seien die Betriebsparteien davon ausgegangen, dass die BV für alle Mitarbeiter gelte. Sie hätten mit dem Mittel der Betriebsvereinbarung ein nachvollziehbares Gehalts- und Arbeitszeitsystem schaffen wollen. Um deutlich zu machen, dass dieses System für jeden Arbeitnehmer gelte, sei in der Präambel klargestellt worden, dass die BV individuelle Ansprüche vermittele. Hintergrund hiervon sei auch, dass die Beklagte regelmäßig in ihren Arbeitsverträgen betriebsvereinbarungsoffene Klauseln verwende, so dass auch verschlechternde Betriebsvereinbarungen die arbeitsvertraglichen Regelungen ohne Verletzung des Günstigkeitsprinzips ablösen könnten. Zudem stelle eine Präambel keine eigenständige Regelung, sondern vielmehr lediglich etwas den eigentlichen Regelungen „Vorangestelltes“ dar. Eine Vereinbarung der Betriebsparteien, neben der BV die Mitarbeiter zusätzlich durch arbeitsvertragliche Vereinbarung an die Inhalte der BV zu binden, wäre nicht Gegenstand einer Präambel, sondern vielmehr einer eigenständigen Regelungen der Betriebsparteien geworden. Auch eine Umdeutung der unwirksamen BV in eine Gesamtzusage oder betriebliche Übung sei nicht möglich, da sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung jederzeit durch Kündigung lösen könne, während eine Änderung der Arbeitsverträge nur einvernehmlich oder mittels Änderungskündigung möglich sei. Die Betriebsparteien hätten bei Abschluss der BV auch keine Kenntnis von der Unwirksamkeit der BV gehabt. Dies sei der Beklagten erst im Zuge einer anwaltlichen Beratung Mitte des Jahres 2015 bekannt geworden. Auch die Formulierung der Präambel stelle keinen Ausnahmetatbestand dar, der die Umdeutung in eine Gesamtzusage rechtfertige, zumal die Arbeitsverträge betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet gewesen seien. Mit Blick auf die in der BV enthaltenen Regelungen zur Kündbarkeit der BV sei offensichtlich, dass die Betriebsparteien davon ausgegangen seien, nach wie vor über die Inhalte der BV disponieren zu können. Es sei auch erkennbar, dass viele der in der BV geregelten Materien für das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis keine Anwendung fänden. Die Betriebsparteien hätten eine Art „Tarifvertrag“ für den Betrieb schließen wollen; ein solcher sei jedoch einvernehmlich abänderbar. Es sei nicht ersichtlich, dass die Betriebsparteien diese Möglichkeiten hätten ausschließen wollen. Schließlich folge ein Anspruch der Klägerin auch nicht aus einer entsprechenden betrieblichen Übung, da die Beklagte die Leistungen in Unkenntnis der Unwirksamkeit der BV erbracht habe.
- 40
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisangebote wird gemäß §§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Weitergabe der zum 1. August 2015 bzw. 1. Mai 2016 erfolgten tariflichen Lohnerhöhung (dazu unter 1)) sowie ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld für 2015 und Urlaubsgeld für 2016 in Höhe von jeweils 62,5 Prozent der Bruttomonatsvergütung zu (dazu unter 2)).
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1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der sich aus der Weitergabe der tariflichen Entgelterhöhung ergebenden Beträge in Höhe von € 69,15 brutto monatlich für die Monate August 2015 bis einschließlich April 2016 sowie in Höhe von € 56,70 brutto für Mai 2016 zu.
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a) Dieser Anspruch folgt mangels Tarifgebundenheit der Beklagte nicht unmittelbar aus dem Tarifvertrag.
- 44
b) Ferner ergibt sich ein entsprechender Anspruch der Klägerin nicht unmittelbar aus der BV in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, weil die BV gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG als Betriebsvereinbarung unwirksam ist.
- 45
Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist von Anfang an unwirksam. Die gesetzliche Bestimmung dient der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie will verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Eine Betriebsvereinbarung soll weder als normative Ersatzregelung für nicht organisierte Arbeitnehmer noch als Grundlage für übertarifliche Leistungen dienen können. Hierbei sind auch günstigere Betriebsvereinbarungen sind unwirksam (vgl. hierzu nur BAG, Urteil v. 18. März 2010, 2 AZR 337/08, Rn. 34, juris, m. w. N.). Etwas anderes gilt gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG lediglich dann, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
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Für die Arbeitsentgelte im Hamburger Einzelhandel bestehen tarifvertragliche Regelungen, so dass entsprechende Regelungen in Betriebsvereinbarungen unzulässig sind, zumal die einschlägigen Tarifverträge für den Hamburger Einzelhandel keine entsprechenden Öffnungsklauseln enthalten.
- 47
c) Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der sich aus der Weitergabe der tariflichen Entgelterhöhung an die Arbeitnehmer ergebenden Beträge für die Monate August 2015 bis einschließlich Mai 2016 folgt aber aus dem Arbeitsvertrag der Parteien in Verbindung mit einer entsprechenden Gesamtzusage der Beklagten. In eine solche kann die unwirksame BV in entsprechender Anwendung von § 140 BGB umgedeutet werden.
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Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die erkennende Kammer nach eigener Prüfung anschließt, ist es nicht ausgeschlossen, eine unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote) umzudeuten. An eine solche Umdeutung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Sie kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall unabhängig von der Betriebsvereinbarung verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen (vgl. hierzu BAG, Urteil v. 24. Januar 1996, 1 AZR 597/95, juris, m. w. N.; Urteil v. 30. Mai 2006, 1 AZR 111/05, juris, m. w. N., Urteil v. 23. Februar 2016, 3 AZR 961/13, juris, m. w. N.). Hierbei ist maßgeblicher Ansatzpunkt für die Frage einer Umdeutung die Erklärung des Arbeitgebers. Sie ist daraufhin zu überprüfen, ob ihr der hypothetische Wille entnommen werden kann, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer vertraglich gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern zu binden. Ist dies zu bejahen, kann die Erklärung u.U. in ein entsprechend gebündeltes Angebot umgedeutet werden, dessen Annahme regelmäßig keiner besonderen Erklärung der Arbeitnehmer bedarf (§ 151 BGB). Angesichts des "Parteienwechsels" und der unterschiedlichen Wirkungsebenen von Betriebsvereinbarung und Gesamtzusage kann allerdings ein derartiger hypothetischer Wille des Arbeitgebers nur ausnahmsweise angenommen werden (BAG, Urteil v. 24. Januar 1996, 1 AZR 597/95, juris). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch Kündigung jederzeit lösen kann, während eine Änderung der Arbeitsverträge, zu deren Inhalt eine Gesamtzusage wird, grundsätzlich nur einvernehmlich oder durch gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung möglich ist (BAG, Urteil v. 23. Februar 2016, 3 AZR 961/13, Rn. 27, juris).
- 49
Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier.
- 50
aa) Der unwirksamen BV ist der hypothetische Wille der Beklagten zu entnehmen, sich für den Fall des Scheiterns der primär gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern individualvertraglich zu binden. Dieser hypothetische Wille findet seinen Niederschlag im Wesentlichen im dritten Absatz der Präambel der BV, wo es heißt: „Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung).“ Aus dieser Formulierung geht hervor, dass es der Beklagten nicht ausschließlich um die Begründung von kollektivrechtlichen Ansprüchen mittels einer Betriebsvereinbarung ging, sondern das ihr hypothetischer Wille weitergehend darauf gerichtet war, den Arbeitnehmern im Fall des Scheiterns der kollektivrechtlichen Regelung einen individualvertraglichen Anspruch auf die in der BV geregelten Leistungen zu verschaffen. Hierbei erschöpft sich die Aussagekraft der im dritten Absatz der Präambel der BV enthaltenen Formulierung nicht in einer rein deklaratorischen Wiedergabe der in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gesetzlich verankerten normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen auf das Arbeitsverhältnis. Vielmehr geht aus Absatz 3 der Präambel der BV über die in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG geregelte gesetzesgleiche Wirkung von Betriebsvereinbarungen hinaus der Wille der Arbeitgebers hervor, die in der BV enthaltenen Regelungen nicht nur zum Inhalt desArbeitsverhältnisses, sondern weitergehend auch zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge zu machen. Dies wird in besonderem Maße an dem in Absatz 3 der Präambel in Klammern gesetzten Zusatz „Individualvereinbarung“ deutlich. Damit beschränkt sich die Formulierung in Absatz 3 der Präambel nicht auf eine bloße - fehlerhafte - Wiedergabe des Gesetzestextes.
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bb) Der mutmaßliche Willen der Beklagten, sich auch für den Fall der Unwirksamkeit der BV gegenüber den Arbeitnehmern individualvertraglich zu binden, findet einen weiteren Niederschlag und eine inhaltliche Abrundung in Absatz 4 der Präambel, wonach jedem Arbeitnehmer der Beklagten bei Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Ausfertigung der BV zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben werden soll. Auch diese Formulierung lässt den Schluss auf den hypothetischen Willen der Beklagten zu, den Arbeitnehmern im Fall der Unwirksamkeit der BV Ansprüche auf individualvertraglicher Ebene zu gewähren. Die in der BV vorgesehene betriebliche Praxis, jedem Arbeitnehmer eine Ausfertigung der BV zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses auszuhändigen, spricht für einen darauf gerichteten hypothetischen Willen der Beklagten, dass die Regelungen der BV im Fall ihrer Unwirksamkeit auf derselben, nämlich individualvertraglichen Wirkungsebene, neben die Regelungen der einzelnen Arbeitsverträge treten.
- 52
cc) Schließlich spricht für einen entsprechenden hypothetischen Willen der Beklagten der in Absatz 1 der Präambel der BV zum Ausdruck kommende Motivationshintergrund der Betriebsparteien für die Regelung der Inhalte der BV in der Form einer Betriebsvereinbarung. Danach ist „Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung (…) die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist.“ Dieser Formulierung ist nach Auffassung der Kammer zu entnehmen, dass es den Betriebsparteien nicht (nur) um die Schaffung kollektivrechtlicher Regelungen, sondern vielmehr primär auch darum ging, für die zu regelnden Leistungen und Bereiche einen für alle Arbeitnehmer gleichermaßen zugänglichen, möglichst übersichtlichen, transparenten und einheitlichen Rahmen zu finden. Es ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt davon auszugehen, dass die Beklagte den Weg einer Gesamtzusage - beispielsweise in Form eines Aushangs der in der BV enthaltenen Regelungen am Schwarzen Brett - gewählt hätte, wenn sie bei Abschluss der BV gewusst hätte, dass die angestrebte Betriebsvereinbarung wegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keine Wirksamkeit erlangen kann.
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dd) Der Annahme eines entsprechenden mutmaßlichen Willens der Beklagten steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die BV unter Ziffer 22 die Kündbarkeit der BV mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Kalenderjahres vorsieht. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass die Umdeutung einer kündbaren Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage für den Arbeitgeber zu einer weitergehenden rechtlichen Bindung führen kann und aus diesem Grund die Annahme eines entsprechenden hypothetischen Willens des Arbeitgebers nur in Ausnahmefällen möglich ist. Allerdings greift es aus Sicht der Kammer zu kurz, in diesem Zusammenhang lediglich darauf abzustellen, welchen rechtlichen (Wirksamkeit-)Voraussetzungen die Kündigung einer Betriebsvereinbarung einerseits im Vergleich zu einer individualvertraglich erforderlichen Änderungskündigung andererseits unterliegt. Abgesehen davon, dass grundsätzlich (mangels anderslautender Vereinbarung) sowohl Betriebsvereinbarungen als auch Arbeitsverträge einseitig kündbar sind, ist, ist im Fall einer Gegenüberstellung der von Individualvertrag und Betriebsvereinbarung ausgehenden rechtlichen Bindungswirkungen für den Arbeitgeber weitergehend jedenfalls auch zu berücksichtigen, ob und unter welchen Voraussetzungen die jeweilige Betriebsvereinbarung - bei unterstellter Wirksamkeit - nach erfolgter Kündigung Nachwirkung entfaltet. Diese Frage ist für eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung wie der hier vorliegenden BV im Zeitpunkt ihres Abschlusses allerdings nicht ohne weiteres und für jede erst später eintretende (Kündigungs-)Situation zu beantworten. So wirken nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Betriebsvereinbarungen mit teils erzwingbaren, teils freiwilligen Regelungen zwar grundsätzlich nur hinsichtlich der Gegenstände nach, die der zwingenden Mitbestimmung unterfallen (vgl. nur BAG, Beschluss v. 5. Oktober 2010, 1 ABR 20/09, Rn 18, juris; Urteil v. 26. August 2008 1, 1 AZR 354/07, juris). Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Betriebsvereinbarung sinnvoll in einen nachwirkenden und einen nachwirkungslosen Teil aufspalten lässt. Anderenfalls entfaltet zur Sicherung der Mitbestimmung die gesamte Betriebsvereinbarung Nachwirkung (BAG a.a.O.). Zudem kommt es bei der Frage der Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen darauf an, ob der Arbeitgeber mit der Kündigung seine finanziellen Leistungen vollständig und ersatzlos einstellen oder ohne Änderung des Dotierungsrahmens lediglich eine Änderung des derzeitigen Verteilungs- und Leistungsplans anstrebt (BAG, Urteil v. 26. August 2008, 1 AZR 354/07, juris, m.w.N.). Stand danach im Zeitpunkt des Abschlusses der BV jedenfalls nicht generell und für jede spätere von der Beklagten auszusprechende Kündigung der BV fest, ob die BV nach erfolgter Kündigung nachwirkt, kann nach Auffassung der Kammer allein aus dem Umstand der grundsätzlich einfacher möglichen Kündigung einer Betriebsvereinbarung im Vergleich zu einer Kündigung bzw. einvernehmlichen Änderung eines Arbeitsvertrages nicht der Schluss gezogen werden, dass der hypothetische Wille der Beklagten bei vorhandener Kenntnis von der Unwirksamkeit der BV nicht darauf gerichtet war, sich gegenüber ihren Arbeitnehmern individualvertraglich zu binden. Vielmehr bleibt es trotz der in der BV vorgesehenen Kündigung dabei, dass die im Vergleich zu individualvertraglichen Inhalten des Arbeitsverhältnisses grds. bestehende einfachere Möglichkeit der Beklagten, sich von den Inhalten der BV zu lösen, der Annahme eines entsprechenden hypothetischen Willens mit Blick auf die vorstehend unter (a) bis (c) dargelegten Formulierungen in der Präambel der BV nicht entgegensteht.
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ee) Aufgrund des aufgezeigten mutmaßlichen Willens der Beklagten, sich für den Fall der Unwirksamkeit der primär angestrebten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung vertraglich gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern zu binden, kann die Erklärung der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 140 BGB in eine Gesamtzusage umgedeutet werden.
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Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags i.S.v. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet. Ihrer bedarf es nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Von der seitens der Arbeitnehmer angenommenen, vorbehaltlosen Zusage kann sich der Arbeitgeber individualrechtlich nur durch Änderungsvertrag oder wirksame Änderungskündigung lösen (BAG, Urteil v. 20. August 2014, 10 AZR 453/13, Rn. 14 bei juris m.w.N.).
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Hierbei ist eine Gesamtzusage typischerweise nicht auf die im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erklärung beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt. Sie wird regelmäßig auch gegenüber nachträglich in den Betrieb eintretenden Mitarbeitern abgegeben und diesen bekannt. Auch sie können deshalb das in ihr liegende Vertragsangebot gemäß § 151 BGB annehmen. Gemäß § 151 Satz 2 BGB bestimmt sich der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Geht es nicht um eine einmalige Leistung an bestimmte Arbeitnehmer, sondern erklärt sich der Arbeitgeber zu einer Regelung im Sinne einer auf Dauer angelegten Handhabung bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen bereit, spricht das für die Fortgeltung des Antrags bis zu einer gegenteiligen Erklärung. Wegen der Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber jedem Arbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ist auf die Erteilung der Gesamtzusage und nicht auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses abzustellen. Die Zusage hat für alle Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung, sofern es nicht zwischenzeitlich zu einer Veränderung des Inhalts der Zusage durch den Arbeitgeber gekommen oder diese für die Zukunft aufgehoben worden ist (BAG a.a.O., Rn. 15 m.w.N.).
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In eine solche Gesamtzusage ist die in der BV liegende Erklärung der Beklagten umzudeuten. Von daher kann für den Rechtsstreit dahingestellt bleiben, ob der Beklagten die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung bereits bei deren Abschluss bewusst war oder ob sie dies erst später erkannt hat.
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ff) Die Klägerin hat das in der Gesamtzusage der Beklagten liegende Angebot gemäß § 151 BGB mit der Entgegennahme der Leistungen nach dem spätestens im Jahr 2004 erfolgten Beginn des Arbeitsverhältnisses angenommen, sodass es zu diesem Zeitpunkt ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags der Klägerin wurde. Hierbei kommt es nach den bereits dargestellten nicht auf die konkrete Kenntnis der Klägerin von der Gesamtzusage nicht an, weil die Gesamtzusage gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wurde, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen, zumal gemäß Absatz 4 der Präambel jedem Arbeitnehmer der Beklagten eine Ausfertigung der BV bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben werden soll. Ob das im konkreten Fall der Klägerin der Fall war, kann offenbleiben. Jedenfalls war das der vorgesehene typische Weg der Verlautbarung.
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gg) Nach den oben dargestellten Grundsätzen wurde die Gesamtzusage auch gegenüber später in den Betrieb eintretenden Mitarbeitern wie der Klägerin abgegeben. Das folgt sogar ausdrücklich aus Abs. 4 der Präambel zur BV, wonach jedem Mitarbeiter eine Ausfertigung der BV bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag und einer Stellenbeschreibung zu übergeben ist.
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d) Der Höhe nach steht der Klägerin danach ein Anspruch auf monatliche Weitergabe der zum 1. August 2015 erfolgten tariflichen Erhöhung von 2,5 Prozent und der zum 1. Mai 2016 erfolgten tariflichen Erhöhung um 2 Prozent zu. Ausgehend von der bisherigen Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Höhe von € 2.766,- führt dies zu einem monatlich über die bisherige Vergütung hinaus zu zahlenden Betrag für die Monate August 2015 bis einschließlich April 2016 in Höhe von jeweils € 69,15 brutto (= € 2.766 x 0,025) und für Mai 2016 ausgehend von der (erhöhten) Bruttomonatsvergütung von € 2.835,15 zu einem zu zahlenden Betrag in Höhe von € 56,70 brutto (= € 2.835,15 x 0,02). Die Summe der genannten Beträge führen zu dem tenorierten Gesamtbetrag von € 679,05 brutto, der sich im Urteilstenor in den Teilbeträgen € 345,75 brutto, € 276,60 brutto sowie € 56,70 brutto wiederfindet.
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e) Der tenorierte Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB. Die Beklagte befand sich mit den weiteren Vergütungszahlungen für die Monate August 2015 bis einschließlich Mai 2015 jeweils ab dem Monatsersten des Folgemonats in Verzug, da die Zahlungsansprüche mit Ablauf des Monats fällig wurden.
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2. Auch die auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2015 gerichtete Klage in Höhe von € 1.960,88 brutto ist begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2015 in Höhe von 62,5 Prozent ihres Bruttomonatsverdienstes folgt aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 22. Oktober 2004. Danach erhält die Klägerin ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 Prozent vom Gehalt. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dieser arbeitsvertraglichen Regelung nicht um eine lediglich deklaratorische, die entsprechende Regelung in der BV vom 1. August 1997 wiederholende Regelung, sondern um eine anspruchsbegründende vertragliche Regelung. Anhaltspunkte dafür, dass Geschäftsgrundlage der genannten arbeitsvertraglichen Regelung die Wirksamkeit der entsprechenden Regelung in der BV sein könnte, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht angeführt worden.
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Die Beklagte schuldet der Klägerin danach für 2015 Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 Prozent ihres Bruttomonatsgehalts. Ausgehend von dem der Klägerin im November 2015 zustehenden Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 2.835,15 zuzüglich übertariflicher Zulage in Höhe von € 102,26 brutto zuzüglich weiterer Zulage in Höhe von € 200,- brutto beträgt das der Klägerin zustehende Weihnachtsgeld für 2015 € 1960,88 brutto (= 0,625 x (€ 2.835,15 + Zulage von € 102,26 + Zulage von € 200,-)).
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Der tenorierte Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB. Die Beklagte befand sich mit der zum 30. November 2015 fälligen Zahlung des Weihnachtsgeldes ab 1. Dezember 2015 in Verzug.
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3. Schließlich steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsgeld für 2016 in Höhe von € 1.969,32 brutto zu. Auch dieser Anspruch folgt aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien. Auf die obigen Ausführungen zum Weihnachtsgeld, der für das Urlaubsgeld entsprechend geltend, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
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Danach schuldet die Beklagte der Klägerin für 2016 Urlaubsgeld in Höhe von 62,5 Prozent ihres Bruttomonatsverdienstes. Dies führt ausgehend von der der Klägerin ab Mai 2016 zustehenden monatlichen Bruttogrundvergütung von € 2.891,85 zuzüglich Zulagen in Höhe von € 302,26 zu einem von der Beklagten zu zahlenden Betrag in Höhe von € 1.996,32 (= 0,625 x (€ 2.891,85 brutto + € 302,26)), wobei die Kammer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 308 As. 1 ZPO gehindert war, der Klägerin den Anspruch über den klagweise geltend gemachten Betrag von € 1.969,32 brutto hinaus zuzusprechen.
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Der tenorierte Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB. Die Beklagte befand sich mit der zum 31. Mai 2016 fälligen Zahlung des Urlaubsgeldes ab 1. Juni 2016 in Verzug.
II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach sind die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten als der im Rechtsstreit unterlegenen Partei aufzuerlegen.
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Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert folgt aus § 3 ZPO und entspricht den klagweise geltend gemachten Beträgen.
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Eine gesonderte Zulassung der Berufung war mangels Vorliegens der in § 64 Abs. 3 ArbGG genannten Voraussetzungen nicht veranlasst. Hiervon unberührt bleibt die Zulässigkeit der Berufung nach § 64 Abs. 2 ArbGG.
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(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Das Urteil enthält:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist; - 4.
die Urteilsformel; - 5.
den Tatbestand; - 6.
die Entscheidungsgründe.
(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.
(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.