Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2022 - 3 StR 390/21 von Dirk Streifler

published on 06/01/2025 12:18
Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2022 - 3 StR 390/21 von Dirk Streifler
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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2022 - 3 StR 390/21

Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Mit dem Urteil 3 StR 390/21 hat der Bundesgerichtshof (BGH) wichtige Maßstäbe für die Abgrenzung zwischen Tatobjekten (§ 74 Abs. 1 StGB) und Taterträgen (§ 73 Abs. 1 StGB) bei unerlaubten Bankgeschäften nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG gesetzt. Die Entscheidung beleuchtet insbesondere, welche Vermögenswerte der Einziehung unterliegen und welche rechtlich davon ausgenommen sind. Der Kommentar ordnet die Entscheidung dogmatisch ein, beleuchtet ihre Tragweite und diskutiert abweichende Meinungen.

1. Kernpunkte der Entscheidung

Der BGH differenziert klar zwischen Tatobjekten und Taterträgen im Kontext unerlaubter Darlehensgeschäfte.

Tatobjekte nach § 74 Abs. 1 StGB

Tatobjekte sind Gegenstände, an denen die Tat begangen wird oder deren Nutzung die Strafbarkeit unmittelbar begründet. Im Fall unerlaubter Bankgeschäfte sieht der BGH sowohl die ausgezahlten Darlehensbeträge als auch die Rückzahlungen der Darlehensnehmer als Tatobjekte an. Entscheidend ist, dass diese Geldbeträge notwendige Gegenstände der Tathandlung darstellen und für die Durchführung unerlaubter Darlehensgeschäfte unerlässlich sind.

Taterträge nach § 73 Abs. 1 StGB

Taterträge sind hingegen Vermögenswerte, die "durch die Tat erlangt" werden und eine Vermögensmehrung beim Täter bewirken. Der BGH entschied, dass Zinsen aus unerlaubten Darlehensgeschäften als Taterträge einzustufen sind, da sie nicht für die Tatbestandsverwirklichung erforderlich sind, sondern aus der Tat resultierende Gewinne darstellen.

Abgrenzung und Konsequenzen

Die Rückzahlung der Darlehensbeträge führt nicht zu einer Vermögensmehrung beim Täter, sondern stellt lediglich eine Rückführung des ursprünglich verliehenen Kapitals dar. Daher scheidet eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB aus. Zinsen hingegen, die über das ursprünglich investierte Kapital hinausgehen, stellen eine wirtschaftliche Bereicherung dar und unterliegen der Einziehung.


2. Rechtliche Einordnung

Die Entscheidung vertieft die dogmatische Abgrenzung zwischen Tatobjekten und Taterträgen und präzisiert, wie Vermögenswerte im Zusammenhang mit unerlaubten Bankgeschäften rechtlich zu behandeln sind.

Tatobjekte im Kontext von Bankgeschäften

Tatobjekte sind hier notwendig, um die strafbare Handlung – das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG – überhaupt zu begehen. Ohne die Gewährung und Rückzahlung der Darlehen wäre die Tat nicht möglich gewesen. Diese Definition schließt eine parallele Einordnung als Tatertrag aus, da Tatobjekte lediglich Mittel der Tathandlung und keine durch die Tat erlangten Vermögensvorteile darstellen.

Einziehung von Zinsen als Taterträge

Die Einziehung von Zinsen folgt der Logik der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung: Nur die Gewinne, die durch die Tat erzielt wurden und eine Vermögensmehrung darstellen, sollen dem Täter entzogen werden. Hierunter fallen die durch unerlaubte Darlehensgeschäfte erzielten Zinsen.


3. Problematische Aspekte und abweichende Meinungen

Die Einordnung der zurückgezahlten Darlehensbeträge als Tatobjekte ist nicht unumstritten. Abweichende Meinungen argumentieren, dass die Rückflüsse als Vermögensmehrung interpretiert werden könnten, da sie dem Täter faktisch wieder zur Verfügung stehen.

Abweichende Rechtsprechung

  • OLG Hamm (2 Ws 14 und 15/19): Das Gericht betrachtete Rückflüsse aus nicht genehmigten Finanzgeschäften als potenziell einziehungsfähig, ohne jedoch detailliert zwischen Tatobjekten und Taterträgen zu differenzieren.
  • LG Landshut (3 KLs 201 Js 3700/20): Das Landgericht sah Einlagen aus unerlaubten Bankgeschäften als Taterträge an, insbesondere wenn die Rückflüsse über die ursprünglichen Einlagen hinausgingen.

Dogmatische Kritik

Einige Kommentatoren argumentieren, dass die Abgrenzung von Tatobjekten und Taterträgen zu formalistisch gehandhabt wird. Die wirtschaftliche Betrachtung sollte stärker berücksichtigt werden, insbesondere wenn Rückflüsse faktisch eine Bereicherung darstellen. Der BGH hält jedoch an einer strengen Trennung fest, um den spezifischen Zweck der Tatobjekte – als notwendige Bestandteile der Tathandlung – hervorzuheben.


4. Praktische Konsequenzen

Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung:

  • Eingrenzung der Einziehungsmöglichkeiten: Rückgezahlte Darlehensbeträge sind mangels Bereicherung nicht einziehbar. Das erschwert die Abschöpfung deliktisch erlangter Vermögenswerte im Bereich unerlaubter Finanzgeschäfte.
  • Klarheit für Zinsen: Zinsen, die über das zurückgezahlte Kapital hinausgehen, sind einziehungsfähig. Dies schafft Rechtssicherheit für Ermittlungsbehörden und Gerichte.
  • Reformbedarf?: Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Regelungslücke bei Tatobjekten schließt und eine gesonderte Einziehungsregelung für Rückflüsse aus unerlaubten Bankgeschäften schafft.

5. Fazit

Das Urteil stärkt die dogmatische Klarheit bei der Abgrenzung von Tatobjekten und Taterträgen und ist im Ergebnis rechtlich überzeugend. Es verdeutlicht jedoch auch die praktischen Grenzen der Einziehung von Vermögenswerten bei unerlaubten Bankgeschäften. Die Entscheidung liefert wertvolle Orientierung für künftige Fälle, zeigt aber gleichzeitig auf, dass das strafrechtliche Instrumentarium nicht immer ausreicht, um die aus solchen Taten resultierenden Vermögenswerte vollständig abzuschöpfen.

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Annotations

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

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