ZPO: Zur Wirksamkeit einer deutschen Vollmacht für Verfahrensbevollmächtigten

bei uns veröffentlicht am07.01.2014

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Diese ist vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtung durch den Betroffenen auch dann wirksam, wenn sie nicht in dessen Muttersprache übersetzt worden ist.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 30.10.2013 (Az.: V ZB 9/13) folgendes entschieden:

Eine in deutscher Sprache abgefasste Vollmacht des Betroffenen für seine Verfahrensbevollmächtigten ist vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtung durch den Betroffenen auch dann wirksam, wenn sie nicht in die Muttersprache des Betroffenen übersetzt worden ist.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 9. Januar 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 18. Januar 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Goslar auferlegt.


Gründe:

Der Betroffene, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, wurde nach dem Widerruf seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 29. August 2008 wegen einer Reihe von Straftaten ausgewiesen. Er erhielt am 8. Dezember 2011 Ersatzdokumente für seinen ausgelaufenen Reisepass. Die von der beteiligten Behörde erbetene Erklärung, ob er freiwillig ausreisen werde, gab er nicht ab.

Zur Sicherung der für den 27. Januar 2012 vorgesehen Abschiebung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18. Januar 2012 gegen den Betroffenen Haft von zwei Wochen Dauer, beginnend ab dem 14. Januar 2012, angeordnet. Dagegen haben die zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen mit am 26. Januar 2012 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und darin erklärt, sie seien gebeten worden, die Vertretung des Betroffenen zu übernehmen. Die nach der Abschiebung des Betroffenen am 27. Januar 2012 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen, weiterverfolgte Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig „abgewiesen". Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde des Betroffenen mangels wirksamer Bevollmächtigung seiner Verfahrensbevollmächtigten unzulässig. Die in der Beschwerdeschrift verwendete Formulierung, sie seien gebeten worden, die Vertretung zu übernehmen, wecke bereits Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung. Die nachgereichte schriftliche Vollmacht vermöge die Bedenken gegen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht auszuräumen. Eine wirksame Vollmacht setze das Wissen und Wollen zur Vollmachterteilung und damit notwendigerweise voraus, dass der Betroffene verstanden habe, dass er eine Vollmacht für seine Verfahrensbevollmächtigten unterzeichne. Daran fehle es, weil die Vollmacht nicht in die Muttersprache des Betroffenen übersetzt worden sei.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet.

Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Anders als das Beschwerdegericht meint, fehlt es auch nicht an einer wirksamen Vollmacht.

Dafür muss nicht entschieden werden, ob die Verfahrensbevollmächtigten bei Einlegung der Beschwerde eine wirksame Vollmacht hatten. Denn die vollmachtlose Einlegung eines Rechtsmittels kann nach § 11 Satz 5 FamFG i.V.m. § 89 Abs. 2 ZPO mit Rückwirkung genehmigt werden, solange das Rechtsmittel noch nicht mangels Vollmacht als unzulässig verworfen worden ist. Jedenfalls eine solche Genehmigung liegt hier in der Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen.

Diese Genehmigung ist wirksam.

Unzutreffend ist schon die Erwägung des Beschwerdegerichts, dem Betroffenen habe Wissen und Willen zur Unterzeichnung einer Vollmacht gefehlt, weil das Formular nicht übersetzt worden sei. Auf die fehlende Übersetzung könnte der Betroffene selbst eine Anfechtung wegen Irrtums nicht stützen. Wer eine Willenserklärung im Bewusstsein abgibt, dass er den wirklichen Sachverhalt nicht kennt, kann seine Erklärung nicht wegen Irrtums anfechten, wenn sich seine bei Abgabe der Erklärung gehegten Mutmaßungen als unrichtig herausstellen. Seine Unkenntnis wäre nicht, wie nach § 119 Abs. 1 BGB erforderlich, unbewusst, sondern bewusst. Gerade weil er die Urkunde im Bewusstsein unterzeichnet, ihren Inhalt nicht zu kennen oder mangels Übersetzung nicht verstanden zu haben, fehlte dem Betroffenen auch nicht das Erklärungsbewusstsein. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Betroffene eine bestimmte, wenn auch unzutreffende andere Vorstellung von ihrem Inhalt gemacht hätte. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Das etwaige Fehlen des Erklärungsbewusstseins führte im Übrigen nicht dazu, dass es an einer wirksamen Genehmigung fehlt. Eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung ist nicht unwirksam, sondern analog § 119 BGB anfechtbar, wenn sie sich für den Empfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellt. Sie bliebe dann wirksam, bis sie angefochten wird. So liegt es hier. Die Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen stellt sich für seine Verfahrensbevollmächtigten als Erteilung einer Verfahrensvollmacht dar.

Die Beschwerde ist begründet. Die Haftanordnung durfte nicht ergehen, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolls nicht, wie aber geboten, zu Beginn der Anhörung in Kopie ausgehändigt und (mündlich) übersetzt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO.

Gesetze

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 89 Vollmachtloser Vertreter


(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Da

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 11 Verfahrensvollmacht


Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mange

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 9/13
vom
30. Oktober 2013
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine in deutscher Sprache abgefasste Vollmacht des Betroffenen für seine Verfahrensbevollmächtigten
ist vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtung durch den Betroffenen
auch dann wirksam, wenn sie nicht in die Muttersprache des Betroffenen
übersetzt worden ist.
BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13 - LG Braunschweig
AG Goslar
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 9. Januar 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 18. Januar 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Goslar auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, wurde nach dem Widerruf seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 29. August 2008 wegen einer Reihe von Straftaten ausgewiesen. Er erhielt am 8. Dezember 2011 Ersatzdokumente für seinen ausgelaufenen Reisepass. Die von der beteiligten Behörde erbetene Erklärung, ob er freiwillig ausreisen werde , gab er nicht ab.
2
Zur Sicherung der für den 27. Januar 2012 vorgesehen Abschiebung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18. Januar 2012 gegen den Betroffenen Haft von zwei Wochen Dauer, beginnend ab dem 14. Januar 2012, angeordnet. Dagegen haben die zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen mit am 26. Januar 2012 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und darin erklärt, sie seien gebeten worden, die Vertretung des Betroffenen zu übernehmen. Die nach der Abschiebung des Betroffenen am 27. Januar 2012 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen, weiterverfolgte Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig „abgewiesen“. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.

II.

3
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde des Betroffenen mangels wirksamer Bevollmächtigung seiner Verfahrensbevollmächtigten unzulässig. Die in der Beschwerdeschrift verwendete Formulierung, sie seien gebeten worden, die Vertretung zu übernehmen, wecke bereits Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung. Die nachgereichte schriftliche Vollmacht vermöge die Bedenken gegen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht auszuräumen. Eine wirksame Vollmacht setze das Wissen und Wollen zur Vollmachterteilung und damit notwendigerweise voraus, dass der Betroffene verstanden habe, dass er eine Vollmacht für seine Verfahrensbevollmächtigten unterzeichne. Daran fehle es, weil die Vollmacht nicht in die Muttersprache des Betroffenen übersetzt worden sei.

III.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet.
5
1. Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Anders als das Beschwerdegericht meint, fehlt es auch nicht an einer wirksamen Vollmacht.
6
a) Dafür muss nicht entschieden werden, ob die Verfahrensbevollmächtigten bei Einlegung der Beschwerde eine wirksame Vollmacht hatten. Denn die vollmachtlose Einlegung eines Rechtsmittels kann nach § 11 Satz 5 FamFG i.V.m. § 89 Abs. 2 ZPO mit Rückwirkung genehmigt werden, solange das Rechtsmittel noch nicht mangels Vollmacht als unzulässig verworfen worden ist (GemSOGB, Beschluss vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83, BGHZ 91, 111, 115; BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 1984 - X ZB 20/83, BGHZ 92, 137, 140, vom 10. Januar 1995 - X ZB 11/92, BGHZ 128, 280, 283 und vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117, 124 Rn. 17 sowie Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 24/12, WM 2013, 1223, 1225 Rn. 16). Jedenfalls eine solche Genehmigung liegt hier in der Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen.
7
b) Diese Genehmigung ist wirksam.
8
aa) Unzutreffend ist schon die Erwägung des Beschwerdegerichts, dem Betroffenen habe Wissen und Willen zur Unterzeichnung einer Vollmacht gefehlt , weil das Formular nicht übersetzt worden sei. Auf die fehlende Übersetzung könnte der Betroffene selbst eine Anfechtung wegen Irrtums nicht stützen. Wer eine Willenserklärung im Bewusstsein abgibt, dass er den wirklichen Sachverhalt nicht kennt, kann seine Erklärung nicht wegen Irrtums anfechten, wenn sich seine bei Abgabe der Erklärung gehegten Mutmaßungen als unrichtig herausstellen. Seine Unkenntnis wäre nicht, wie nach § 119 Abs. 1 BGB erforderlich , unbewusst, sondern bewusst (BGH, Urteil vom 15. Juni 1951 - I ZR 121/50, NJW 1951, 705; BAG, NJW 1971, 639, 640). Gerade weil er die Urkunde im Bewusstsein unterzeichnet, ihren Inhalt nicht zu kennen oder mangels Übersetzung nicht verstanden zu haben, fehlte dem Betroffenen auch nicht das Erklärungsbewusstsein. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Betroffene eine bestimmte, wenn auch unzutreffende andere Vorstellung von ihrem Inhalt gemacht hätte (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, NJW 1995, 190, 191). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
9
bb) Das etwaige Fehlen des Erklärungsbewusstseins führte im Übrigen nicht dazu, dass es an einer wirksamen Genehmigung fehlt. Eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung ist nicht unwirksam, sondern analog § 119 BGB anfechtbar, wenn sie sich für den Empfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellt (BGH, Urteile vom 11. Juli 1968 - II ZR 157/65, NJW 1968, 2102, 2103, vom 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, 329 f. und vom 2. November 1989 - IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171, 177 sowie Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - V ZB 37/02, BGHZ 152, 63, 70). Sie bliebe dann wirksam, bis sie angefochten wird. So liegt es hier. Die Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen stellt sich für seine Verfahrensbevollmächtigten als Erteilung einer Verfahrensvollmacht dar.
10
2. Die Beschwerde ist begründet. Die Haftanordnung durfte nicht ergehen , weil der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolls nicht, wie aber geboten (Senat, Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 f. Rn. 16 f., vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8 f. und vom 14. Juni 2012 - V ZB 48/12, juris Rn. 10), zu Beginn der Anhörung in Kopie ausgehändigt und (mündlich) übersetzt worden ist.

IV.

11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Goslar, Entscheidung vom 18.01.2012 - 6 XIV 158 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 09.01.2013 - 8 T 46/12 (019) -

Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt oder Notar auftritt. Im Übrigen gelten die §§ 81 bis 87 und 89 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozessführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen.

(2) Die Partei muss die Prozessführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.