Prozessrecht: Privatgutachten werden immer wichtiger
Authors
Mit dieser Entscheidung stärkte der Bundesgerichtshof (BGH) erneut den Wert des durch die Partei vorgelegten Privatgutachtens. In der Sache ging es um die Klage eines Versicherungsnehmers gegen dessen Versicherer. Für seinen Anspruch aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung kam es auf die Höhe der Berufsunfähigkeit an. Der gerichtliche Gutachter bescheinigte eine Berufsunfähigkeit von 35 Prozent. Dafür hätte es keine Leistung des Versicherers gegeben. Demgegenüber hatte der Versicherungsnehmer ein privates Gutachten aus einem anderen Rechtsstreit gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vorgelegt. Darin wurde ihm bescheinigt, seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können. Dieses Gutachten hatte das Oberlandesgericht jedoch mit keinem Wort gewürdigt.
Das sei fehlerhaft gewesen, entschied der BGH. Die Richter hoben die Entscheidung daher auf und wiesen den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück. Sie machten deutlich, dass hier das rechtliche Gehör des Versicherungsnehmers nicht beachtet wurde. Das Oberlandesgericht hätte das Privatgutachten vielmehr genau beachten und seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Im Hinblick auf die Widersprüche zwischen den beiden Gutachten hätte es die Gutachter zu den sich widersprechenden Punkten anhören und befragen müssen. Erforderlichenfalls hätte es ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen (BGH, IV ZR 190/08).
Die Entscheidung im einzelnen lautet:
BGH: Beschluss vom 12.01.2011 (Az: IV ZR 190/08)
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. Juli 2008 zugelassen.
Das vorgenannte Urteil wird nach § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Die Klägerin verlangt Leistungen aus zwei bei der Beklagten zugunsten ihres Geschäftsführers K. -H. R. gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. Der Versicherte, der zusammen mit seinem Bruder als einer von zwei mitarbeitenden Geschäftsführern einen Viehhandel mit angeschlossener Landwirtschaft betreibt, erlitt im Mai 1998 einen Bandscheibenvorfall. Aufgrund des insoweit rechtskräftigen Berufungsurteils steht fest, dass er infolgedessen jedenfalls bis April 2003 aus beiden Verträgen Ansprüche auf Versicherungsleistungen nach Maßgabe einer Berufsunfähigkeit von jedenfalls 50% hatte.
Für die Zeit danach hat das Berufungsgericht die Beklagte für leistungsfrei gehalten und die Klage abgewiesen. Dem liegt zugrunde, dass das im Rechtsstreit vom Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis gelangt war, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich bis zum November 2002 so weit gebessert, dass er lediglich noch zu 35% berufsunfähig sei. Dies hatte die Beklagte zum Anlass für eine Leistungsablehnung im Nachprüfungsverfahren nach § 7 der Versicherungsbedingungen genommen und diese Entscheidung der Klägerin mit einem im Rechtsstreit eingereichten Schriftsatz vom 10. März 2003 bekannt gegeben.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.
Die Beschwerde hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Beschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht Ausführungen eines von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens nicht berücksichtigt hat.
Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an. Ein Antrag der beweispflichtigen Partei ist dazu nicht erforderlich. Gegebenenfalls hat das Gericht den Sachverständigen unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen folgen will. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen.
Diese Vorgaben hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
Nach den von den Vorinstanzen für glaubhaft erachteten Bekundungen der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Versicherten gehört es zu dessen beruflicher Tätigkeit, einmal wöchentlich von seinem Wohnort aus ca. 700 km weit in die neuen Bundesländer, vorwiegend in den Raum um C. , zu fahren, um Tiere, meistens Rinder, anzukaufen, die er sodann - teilweise auch allein und unter erheblichem Kraftaufwand - in seinen LKW oder einen Viehanhänger verladen muss. Ausweislich ärztlicher Stellungnahmen aus den Jahren 1998 und 1999 litt der Versicherte seinerzeit unter einer akuten Lumboischialgie links mit Wurzelkompression und abgestorbenem Gewebe (Sequester) bei Nucleusprolaps zwischen den Lendenwirbeln 4 und 5, ferner einem älteren Nucleusprolaps zwischen dem Lendenwirbel 5 und dem Kreuzbein mit Retrospondylose. Er war nach zwei stationären Behandlungen im Sommer 1998 als arbeitsunfähig entlassen worden. Damaliger ärztlicher Einschätzung zufolge war der Versicherte zu 60% berufsunfähig.
Aufgrund einer im Oktober 2002 von ihm veranlassten Computertomographie hat der gerichtlich bestellte Sachverständige festgestellt, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich insoweit deutlich gebessert, als sich nunmehr zwischen den Lendenwirbeln 4 und 5 kein Sequester und auch keine deutlichen Wurzeltangierungen mehr zeigten. Offenbar sei der Sequester geschrumpft, weshalb nunmehr keine höhergradige nervale Kompression mehr nachweisbar sei. Der Sachverständige hat daraus und aus den von ihm vorgenommenen klinischen Untersuchungen gefolgert, der Versicherte könne nunmehr wieder leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten verrichten, solange er länger andauernde oder häufige Arbeiten in Zwangshaltung vermeide. Autofahrten solle er alle 2 Stunden unterbrechen. Das Heben von Lasten über 20 kg müsse der Versicherte vermeiden, kurzfristige Überschreitungen dieser Belastungsgrenze - etwa auch beim Verladen von Rindern - seien aber zumutbar. Nach allem hat er den Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten auf nur noch 35% eingeschätzt.
Die Klägerin hat, nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige bereits im Verhandlungstermin vom 29. September 2004 ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten vom 19. November 2002 mündlich angehört worden war, am 15. März 2005 das in einem vom Versicherten gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte geführten Rechtsstreit vom Sozialgericht Mainz eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. G. zur Akte gereicht. Darin gelangt dieser Sachverständige aufgrund einer im Januar 2005 vorgenommenen Untersuchung des Versicherten und der Auswertung diverser Krankenunterlagen zu der Auffassung, der Versicherte könne infolge der festgestellten Veränderungen an der Lendenwirbelsäule seinen früheren Beruf als Viehhändler mit Be- und Entladen von Rindern und mehrstündigen LKW-Fahrten nicht mehr ausüben. Dieses "festgestellte Leistungsvermögen" bestehe seit 1998 und lasse eine Verbesserung keinesfalls erwarten.
Das Berufungsgericht hat weder den gerichtlich bestellten Sachverständigen mit diesem Gutachten konfrontiert noch sich selbst in den Urteilsgründen damit auseinandergesetzt. Im Hinblick auf die Widersprüche zwischen dem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten und den Ausführungen des hier bestellten Sachverständigen hätte es letzteren dazu anhören müssen, gegebenenfalls unter Gegenüberstellung beider Sachverständigen. Erforderlichenfalls hätte es ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen, was die Klägerin auch ausdrücklich beantragt hatte.
Eine Auseinandersetzung mit dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten war auch nicht deshalb entbehrlich, weil im sozialgerichtlichen Verfahren nicht die Frage der Berufs-, sondern der Erwerbsunfähigkeit des Versicherten zu klären war. Zwar sind beide Begriffe rechtlich nicht deckungsgleich. Der Sachverständige Dr. G. hatte im sozialgerichtlichen Verfahren aber Aussagen dazu getroffen, ob der Versicherte noch in seinem Beruf als Viehhändler arbeiten könne, die auch für die Frage der Berufsunfähigkeit von Bedeutung waren. Sein Gutachten durfte das Berufungsgericht - anders als die Beschwerdeerwiderung meint - auch nicht deshalb außer Acht lassen, weil es erst aufgrund einer im Jahre 2005 vorgenommenen Untersuchung erstellt worden war. Die Ausführungen des Privatgutachters waren vielmehr auch für den Gesundheitszustand des Versicherten Anfang 2003 von Bedeutung, denn der Privatgutachter hatte angenommen, nach Aktenlage seien die von ihm bestätigten Wirbelsäulenschäden bereits seit Jahren nachgewiesen und es bestehe hinsichtlich seiner aktuellen Einschätzung eine weitgehende Konkordanz zu orthopädischen Gutachten aus den Jahren 1999 und 2001. Zu alldem verhält sich das Berufungsurteil nicht. Da das Berufungsgericht sich insoweit aufdrängende Aufklärungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, ist das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht nach erneuter Anhörung des gerichtlich bestellten Sachverständigen oder nach Einholung eines weiteren Gutachtens zu einem höheren Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten gelangt wäre. Eine Verweisung des Versicherten auf den Beruf eines Viehkaufmannes im Innendienst hat das Berufungsgericht ausgeschlossen.
Im angefochtenen Umfang ist das Berufungsurteil nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Grades der Berufsunfähigkeit unter Beachtung der im Senatsurteil vom 26. Februar 2003 (IV ZR 238/01) aufgestellten Grundsätze auch prüfen muss, ob und inwieweit die aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten möglicherweise folgenden Einschränkungen für die Tätigkeit als Viehhändler lediglich abtrennbare Einzelverrichtungen oder aber untrennbare Bestandteile eines beruflichen Gesamtvorgangs betreffen, der jeweils aus einer sich über mehrere Tage erstreckenden Geschäftsreise mit mehrstündiger Anfahrt zum Viehkauf, der Verladung erworbener Tiere auf LKW oder in Viehanhänger, der Rückfahrt und der Entladung der Transportfahrzeuge besteht.
moreResultsText
Annotations
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Das vorgenannte Urteil wird nach § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 140.000 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin verlangt Leistungen aus zwei bei der Beklagten zugunsten ihres Geschäftsführers K. -H. R. gehaltenen Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherungen. Der Versicherte, der zusammen mit seinem Bruder als einer von zwei mitarbeitenden Geschäftsführern einen Viehhandel mit angeschlossener Landwirtschaft betreibt, erlitt im Mai 1998 einen Bandscheibenvorfall. Aufgrund des insoweit rechtskräftigen Berufungsurteils steht fest, dass er infolgedessen jedenfalls bis April 2003 aus beiden Verträgen Ansprüche auf Versicherungsleistungen nach Maßgabe einer Berufsunfähigkeit von jedenfalls 50% hatte.
- 2
- Für die Zeit danach hat das Berufungsgericht die Beklagte für leistungsfrei gehalten und die Klage abgewiesen. Dem liegt zugrunde, dass das im Rechtsstreit vom Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis gelangt war, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich bis zum November 2002 so weit gebessert, dass er lediglich noch zu 35% berufsunfähig sei. Dies hatte die Beklagte zum Anlass für eine Leistungsablehnung im Nachprüfungsverfahren nach § 7 der Versicherungsbedingungen (BB-BUZ) genommen und diese Entscheidung der Klägerin mit einem im Rechtsstreit eingereichten Schriftsatz vom 10. März 2003 bekannt gegeben (vgl. zu dieser Möglichkeit die Senatsurteile vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98, VersR 2000, 171 unter II 2 b und vom 12. Juni 1996 - IV ZR 106/95, VersR 1996, 958 unter 2 c dd).
- 3
- Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.
- 4
- II. Die Beschwerde hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtli- chen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Beschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht Ausführungen eines von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens nicht berücksichtigt hat.
- 5
- 1. Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 - IV ZR 57/08, VersR 2009, 975 Rn. 7 m.w.N.). Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben , muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an. Ein Antrag der beweispflichtigen Partei ist dazu nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 aaO m.w.N.). Gegebenenfalls hat das Gericht den Sachverständigen unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen folgen will (BGH, Urteil vom 14. April 1981 - VI ZR 264/79, VersR 1981, 576 unter II 1 b). Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 aaO m.w.N.).
- 6
- 2. Diese Vorgaben hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
- 7
- a) Nach den von den Vorinstanzen für glaubhaft erachteten Bekundungen der als Zeugin vernommenen Ehefrau des Versicherten gehört es zu dessen beruflicher Tätigkeit, einmal wöchentlich von seinem Wohnort aus ca. 700 km weit in die neuen Bundesländer, vorwiegend in den Raum um C. , zu fahren, um Tiere, meistens Rinder, anzukaufen , die er sodann - teilweise auch allein und unter erheblichem Kraftaufwand - in seinen LKW oder einen Viehanhänger verladen muss. Ausweislich ärztlicher Stellungnahmen aus den Jahren 1998 und 1999 litt der Versicherte seinerzeit unter einer akuten Lumboischialgie links mit Wurzelkompression und abgestorbenem Gewebe (Sequester) bei Nucleusprolaps zwischen den Lendenwirbeln 4 und 5, ferner einem älteren Nucleusprolaps zwischen dem Lendenwirbel 5 und dem Kreuzbein mit Retrospondylose. Er war nach zwei stationären Behandlungen im Sommer 1998 als arbeitsunfähig entlassen worden. Damaliger ärztlicher Einschätzung zufolge war der Versicherte zu 60% berufsunfähig.
- 8
- Aufgrund einer im Oktober 2002 von ihm veranlassten Computertomographie hat der gerichtlich bestellte Sachverständige festgestellt, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich insoweit deutlich gebessert, als sich nunmehr zwischen den Lendenwirbeln 4 und 5 kein Sequester und auch keine deutlichen Wurzeltangierungen mehr zeigten. Offenbar sei der Sequester geschrumpft, weshalb nunmehr keine höhergradige nervale Kompression mehr nachweisbar sei. Der Sachverständige hat daraus und aus den von ihm vorgenommenen klinischen Untersuchungen gefolgert, der Versicherte könne nunmehr wieder leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten verrichten, solange er länger andauernde oder häufige Arbeiten in Zwangshaltung vermeide. Autofahrten solle er alle 2 Stunden unterbrechen. Das Heben von Lasten über 20 kg müsse der Versicherte vermeiden, kurzfristige Überschreitungen dieser Belastungsgrenze - etwa auch beim Verladen von Rindern - seien aber zumutbar. Nach allem hat er den Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten auf nur noch 35% eingeschätzt.
- 9
- Die b) Klägerin hat, nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige bereits im Verhandlungstermin vom 29. September 2004 ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten vom 19. November 2002 mündlich angehört worden war, am 15. März 2005 das in einem vom Versicherten gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte geführten Rechtsstreit vom Sozialgericht Mainz eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. G. zur Akte gereicht. Darin gelangt dieser Sachverständige aufgrund einer im Januar 2005 vorgenommenen Untersuchung des Versicherten und der Auswertung diverser Krankenunterlagen zu der Auffassung, der Versicherte könne infolge der festgestellten Veränderungen an der Lendenwirbelsäule seinen früheren Beruf als Viehhändler mit Be- und Entladen von Rindern und mehrstündigen LKWFahrten nicht mehr ausüben. Dieses "festgestellte Leistungsvermögen" bestehe seit 1998 und lasse eine Verbesserung keinesfalls erwarten.
- 10
- Das c) Berufungsgericht hat weder den gerichtlich bestellten Sachverständigen mit diesem Gutachten konfrontiert noch sich selbst in den Urteilsgründen damit auseinandergesetzt. Im Hinblick auf die Widersprüche zwischen dem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten und den Ausführungen des hier bestellten Sachverständigen http://www.juris.de/jportal/portal/t/44qz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE543239600&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/44qz/## - 7 - hätte es letzteren dazu anhören müssen, gegebenenfalls unter Gegenüberstellung beider Sachverständigen. Erforderlichenfalls hätte es ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen, was die Klägerin auch ausdrücklich beantragt hatte.
- 11
- d) Eine Auseinandersetzung mit dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten war auch nicht deshalb entbehrlich, weil im sozialgerichtlichen Verfahren nicht die Frage der Berufs-, sondern der Erwerbsunfähigkeit des Versicherten zu klären war. Zwar sind beide Begriffe rechtlich nicht deckungsgleich (Senatsurteile vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03, NJW-RR 2004, 1679 unter II 2 a; vom 12. Juni 1996 - IV ZR 116/95, VersR 1996, 959 unter II 1 und 2 a). Der Sachverständige Dr. G. hatte im sozialgerichtlichen Verfahren aber Aussagen dazu getroffen, ob der Versicherte noch in seinem Beruf als Viehhändler arbeiten könne, die auch für die Frage der Berufsunfähigkeit von Bedeutung waren. Sein Gutachten durfte das Berufungsgericht - anders als die Beschwerdeerwiderung meint - auch nicht deshalb außer Acht lassen, weil es erst aufgrund einer im Jahre 2005 vorgenommenen Untersuchung erstellt worden war. Die Ausführungen des Privatgutachters waren vielmehr auch für den Gesundheitszustand des Versicherten Anfang 2003 von Bedeutung, denn der Privatgutachter hatte angenommen, nach Aktenlage seien die von ihm bestätigten Wirbelsäulenschäden bereits seit Jahren nachgewiesen und es bestehe hinsichtlich seiner aktuellen Einschätzung eine weitgehende Konkordanz zu orthopädischen Gutachten aus den Jahren 1999 und 2001. Zu alldem verhält sich das Berufungsurteil nicht. Da das Berufungsgericht sich insoweit aufdrängende Aufklärungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, ist das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.
- 12
- Die 3. Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht nach erneuter Anhörung des gerichtlich bestellten Sachverständigen oder nach Einholung eines weiteren Gutachtens zu einem höheren Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten gelangt wäre. Eine Verweisung des Versicherten auf den Beruf eines Viehkaufmannes im Innendienst hat das Berufungsgericht ausgeschlossen.
- 13
- 4. Im angefochtenen Umfang ist das Berufungsurteil nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Grades der Berufsunfähigkeit unter Beachtung der im Senatsurteil vom 26. Februar 2003 (IV ZR 238/01, VersR 2003, 631 unter II 2 a) aufgestellten Grundsätze auch prüfen muss, ob und inwieweit die aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten möglicherweise folgenden Einschränkungen für die Tätigkeit als Viehhändler lediglich abtrennbare Einzelverrichtungen oder aber untrennbare Bestandteile eines beruflichen Gesamtvorgangs betreffen, der jeweils aus einer sich über mehrere Tage erstreckenden Geschäftsreise mit mehrstündiger Anfahrt zum Viehkauf, der Verladung erworbener Tiere auf LKW oder in Viehanhänger , der Rückfahrt und der Entladung der Transportfahrzeuge besteht.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 31.05.2007 - 2 O 403/00 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 11.07.2008 - 10 U 842/07 -
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.
(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.