Tenor

Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe - Disziplinarkammer - vom 13. Oktober 2008 - DL 13 K 1/07 - wird zurückgewiesen.

Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der am ... geborene Beamte legte am ... die Mittlere Reife ab. Nach einer Beschäftigung als Ladenhilfe in einem Großmarkt wurde er am 02.03.1981 in den Polizeidienst des Landes Baden-Württemberg eingestellt. Am 15.02.1982 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Mit Wirkung zum 21.03.1983 wurde der Beamte zum Polizeioberwachtmeister und mit Wirkung zum 01.08.1983 zum Polizeihauptwachtmeister ernannt. In der Zeit vom 01.03.1983 bis 31.08.1985 war er als Einsatzbeamter bei der Bereitschaftspolizei ... tätig. Vom 01.09.1985 bis 29.02.1988 tat er im Streifen- und Verkehrsdienst bei der Polizeidirektion ..., Polizeirevier ... Dienst. Zum 08.10.1986 wurde er zum Polizeimeister ernannt. In der Zeit vom 01.03.1988 bis 28.02.1989 war er im Streifendienst beim Polizeipräsidium ..., Polizeirevier ... tätig. Am 04.08.1989 wurde er zum Polizeiobermeister ernannt, am 13.09.1989 zum Beamten auf Lebenszeit. Vom 01.03.1990 bis 28.02.1993 war er Sachbearbeiter im Streifendienst beim Polizeirevier ... und vom 01.03.1993 bis 31.08.1994 beim Polizeirevier ... Ab 01.09.1994 war er Sachbearbeiter im Streifendienst beim Polizeirevier ... und - bis 31.12.2000 - Diensthundeführer bei der Polizeidirektion ... Am 02.10.2000 wurde er zum Polizeihauptmeister ernannt. In seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom 12.03.2002, die den Beurteilungszeitraum vom 02.01.1995 bis 30.11.2001 betraf, wurde er mit der Note „gut“ (1,75) beurteilt.
Der verheiratete Beamte hat drei Söhne im Alter von ..., ... und ... Jahren. Er erhält Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 9, die seit Oktober 2002 um 10% gekürzt sind.Nach den Angaben des Beamten in der Verhandlung vor dem Senat betrug sein Monatsverdienst zuletzt knapp 2.550 EUR netto, der seiner Ehefrau ca. 900 EUR netto und es bestehen Schulden für das gemeinsame Haus in Höhe von ca. 90.000 EUR sowie weitere Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 35.000 EUR.
Der Beamte ist disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Mit Verfügung vom 18.03.2002 leitete der Dienststellenleiter der Polizeidirektion ... gegen den Beamten disziplinarische Vorermittlungen gemäß § 27 LDO ein. Ihm wurde zur Last gelegt,
a) er habe während des Dienstes eine Polizeibeamtin wiederholt angemacht und durch sexistische Bemerkungen auf übelste Weise beleidigt,
b) er habe sie innerhalb des Polizeireviers ... verleumdet,
c) er habe mehrfach PKW-Fahrern Rauschgift in deren PKW abgelegt, das dann von seinem Rauschgiftspürhund gefunden worden sei und somit Unschuldige beschuldigt und eine Straftat vorgetäuscht,
d) er habe einen Schusswechsel an der Grenze zu Frankreich mit Flucht des Täters nach Frankreich gemeldet, obwohl tatsächlich nichts passiert sei, um „was los zu machen“ und damit Eindruck bei ihm unterstellten Kollegen zu schinden.
Gleichzeitig mit der Einleitung der disziplinarischen Vorermittlungen wurden die Verfahren bezüglich der Vorwürfe zu c) und d) gemäß § 18 Abs. 2 LDO ausgesetzt. Mit Verfügung vom 05.06.2002 leitete der Dienststellenleiter der Polizeidirektion ... das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Beamten mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst ein und setzte gemäß § 18 Abs. 2 LDO das förmliche Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des gegen den Beamten anhängigen Strafverfahrens aus. Zugleich enthob er den Beamten gemäß § 89 LDO vorläufig des Dienstes. Mit weiterer Verfügung vom 29.07.2002 wurde die Einbehaltung von 10 % der Besoldungsbezüge angeordnet. Den hiergegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 93 Abs. 2 LDO lehnte die Disziplinarkammer mit Beschluss vom 26.05.2003 (DL 13 K 21/02) ab.
Durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - ... vom 11.03.2003 - 11 Ls 300 Js 4306/02 - wurde der Beamte wegen Vortäuschens einer Straftat, Verfolgung Unschuldiger und uneidlicher Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen eines weiteren Vorwurfs einer Verfolgung Unschuldiger wurde er freigesprochen. Das Urteil enthält in tatsächlicher Hinsicht folgende Feststellungen:
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„Der Angeklagte hat auf Grund jeweils neugefassten Willensentschlusses folgende strafbaren Handlungen begangen:
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1. Am 02.06... gegen 2:15 Uhr teilte der Angeklagte, der als Polizeibeamter beim Polizeirevier ... Dienst tat und sich zusammen mit PM ... auf Streifenfahrt befand, dem Polizeirevier ... bewusst der Wahrheit zuwider mit, dass soeben anlässlich einer ereignisunabhängigen Kontrolle an der Grenzübergangsstelle ... ein einreisender dunkler Pkw Renault mit französischem Kennzeichen nach kurzzeitiger Verminderung der Geschwindigkeit beschleunigt habe und auf ihn zugefahren sei. Es sei ihm gelungen, unmittelbar vor diesem PKW noch auf die Mittelinsel der Straße zu springen. Als sich der Pkw auf gleicher Höhe mit ihm befunden habe, sei aus dem geöffneten Fenster der Fahrerseite dreimal auf ihn geschossen worden. Dabei hatte der Angeklagte, wie er wusste, weder die behauptete Kontrolle durchgeführt noch war aus einem Fahrzeug auf ihn geschossen worden; den einzigen Schuss hatte er selbst aus seiner Dienstwaffe in die Luft abgegeben. Unmittelbar nach Eingang seiner Mitteilung wurde durch die Polizei eine Ringfahndung ausgelöst; am 05.06... hat die Staatsanwaltschaft ... unter dem Aktenzeichen 300 UJs 46/97 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen versuchten Mordes u. a. eingeleitet, womit der Angeklagte zumindest gerechnet und was er auch in Kauf genommen hat.
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2. Am 21.09.1998 durchsuchte der Angeklagte auf dem Gelände der Firma ... in ..., den sichergestellten und dort verschlossen abgestellten PKW Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen ... des damaligen Beschuldigten ..., dem Fahren ohne Fahrerlaubnis in mehreren Fällen vorgeworfen wurde. Bei der Durchsuchung des PKW fand der Angeklagte im Ablagefach der Beifahrertür dieses PKW vorgeblich ein Briefchen mit 0,5 Gramm Heroin. Obgleich der Angeklagte wusste, dass sich dieses Rauschgift vorher nicht in dem PKW befunden hatte, sondern von ihm selbst mitgebracht worden war, legte er am 08.10.1998 der Staatsanwaltschaft ... eine Formblattanzeige gegen ... wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das BtMG vor. Dabei beabsichtigte der Angeklagte, dass ... zu Unrecht auch wegen Verstoßes gegen das BtMG strafrechtlich verfolgt wird. Tatsächlich erließ das Amtsgericht ... am 03.02.1999 auf Antrag der Staatsanwaltschaft ... gegen den Angeklagten einen Strafbefehl auch wegen des behaupteten Besitzes von Betäubungsmitteln, wobei für den angeblichen Besitz der 0,5 Gramm Heroin eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50 DM festgesetzt wurde. Nachdem ... gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, wurde er durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 06.07.1999 - 9 Ds 30/99 - nach Verbindung mit einem anderen gegen ... beim Amtsgericht ... anhängigen Verfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, wobei die Einsatzstrafe wegen des unerlaubten Besitzes von Heroin in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis vier Monate Freiheitsstrafe betrug. Auf seine Berufung hin wurde ... durch Urteil des Landgerichts ... vom 07.12.1999 vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln freigesprochen.
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3. Im Strafverfahren 9 Ds 30/99 des Amtsgerichts ... gegen ... wurde der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin vom 06.07.1999 als Zeuge vernommen. Nach ordnungsgemäßer Belehrung über seine Wahrheitspflicht und die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage sowie über sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO gab der Angeklagte vorsätzlich der Wahrheit zuwider an, er habe das Fahrzeug des... nochmals nach Papieren durchsucht, nachdem dieses Fahrzeug zuvor bereits mit einem Rauschgifthund durchsucht worden sei. Dabei habe er in der Ablage der Beifahrertür ein Briefchen gefunden, wobei der Vortest ergeben habe, dass dieses Briefchen Heroin enthalten habe. Dieses Briefchen habe unter verschiedenen Stiften in der Ablage der Beifahrertür gelegen. Der Angeklagte wurde auf diese Aussage nicht vereidigt, sondern blieb gemäß § 60 Ziff. 2 StPO unvereidigt.“
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Zur Beweiswürdigung hinsichtlich des Unterschiebens des Heroinbriefchens führte das Amtsgericht nach einer Wiedergabe und Würdigung verschiedener Zeugenaussagen unter anderem aus:
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„Der Zeuge ... hat bekundet, mit dem Angeklagten bei der Firma ... das Fahrzeug nochmals durchsucht zu haben. Er habe sich zunächst die Beifahrerseite vorgenommen, während sich der Angeklagte zunächst mit der Fahrerseite beschäftigt habe. Er habe auf der Beifahrerseite alles durchsucht und auch in der seitlichen Ablage nachgeschaut; er kenne die Fahrzeuge der Firma Porsche, weil er auf Porsche Automechaniker gelernt habe. Was sich außer verschiedenen Papieren noch in der Ablage befunden habe, könne er heute nicht mehr sagen; er habe sich aber sehr gewundert, als der Angeklagte nach einem Tausch der Plätze in dieser Ablage ein weißes Briefchen gefunden und ihm gezeigt habe. Er könne sich nicht vorstellen, dieses Briefchen bei einer Nachschau übersehen zu haben.
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Gegen die Richtigkeit dieser Aussage des Zeugen ... bestehen zunächst Bedenken, da dieser Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 10.06.2002 sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, ob er selbst oder der Angeklagte das Briefchen in der Ablage der Beifahrertür des PKW Porsche gefunden hatte. Seine Aussage in der Hauptverhandlung mit dem Platzwechsel im PKW wird jedoch durch den Angeklagten bestätigt, so dass das Gericht keine Bedenken hat, die Aussage insoweit als zutreffend anzusehen.
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Auch befremdet, dass der Zeuge ... damals der Darstellung des Angeklagten nicht widersprochen hat, wenn er sich sicher war, dass dieses Briefchen sich zuvor nicht im PKW Porsche befunden hat. Dies ist allerdings im Hinblick darauf nachvollziehbar, dass der Zeuge dem Angeklagten das Unterschieben des Heroinbriefchen nicht hätte nachweisen können und Gefahr gelaufen wäre, sich dem Vorwurf auszusetzen, selbst nicht sorgfältig genug nachgesehen zu haben und neidisch auf den erfolgreicheren Kollegen zu sein.
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Das Gericht hält daher auch die Aussage des Zeugen ... für glaubhaft.
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Keine dieser Aussagen ist für sich allein geeignet, die Einlassung des Angeklagten, das Briefchen mit Heroin in der Ablage des PKW Porsche gefunden zu haben, zu widerlegen. Dieses Briefchen mit Heroin könnte von einem früheren Beifahrer im PKW Porsche stammen; es erscheint auch nicht völlig ausgeschlossen, dass dieses Briefchen mit Heroin auch bei einer sorgfältigen Durchsuchung übersehen worden sein könnte. Bei einer Gesamtwürdigung dieser Aussagen und des Umstandes, dass der PKW Porsche von drei verschiedenen Kollegen des Angeklagten, in einem Fall auch mit Rauschgiftspürhund, durchsucht wurde, ohne dass dieses Briefchen mit Heroin gefunden wurde, ist das Gericht jedoch zweifelsfrei davon überzeugt, dass dieses Briefchen mit Heroin sich zuvor nicht in diesem Fahrzeug befunden hat und vom Angeklagten unterschoben wurde.“
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Gegen das Urteil legten der Beamte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Im Rahmen der Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht ... ergab sich der Verdacht, dass der Beamte einen Polizeibeamten beim Polizeirevier ... gebeten hatte, zwei polizeiliche Ermittlungsakten betreffend ... aus der Aktenverwahrung des Polizeireviers zu entnehmen, und diese von ihm auch erhalten hatte. Daraufhin erließ das Landgericht ... am 19.02.2004 vormittags Haftbefehl gegen den Beamten wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat, der Verfolgung Unschuldiger und uneidlicher Falschaussage. Es bestehe der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr. Es bestünden dringende Gründe für die Annahme, dass der Beamte auch künftig durch unlauteres Einwirken auf mögliche Zeugen oder frühere Kollegen auf Beweismittel einwirken werde. Der Haftbefehl wurde zunächst vollzogen; nachdem am 19.02.2004 nachmittags der den Beamten seit 2002 behandelnde Arzt dessen Verhandlungsunfähigkeit und Haftunfähigkeit feststellte, setzte das Landgericht noch am 19.02.2004 den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. In der Hauptverhandlung vom 09.03.2004 vor dem Landgericht nahmen der Beamte und die Staatsanwaltschaft jeweils ihre Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 11.03.2003 zurück. Dieses wurde dadurch rechtskräftig.
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Wegen des Verdachts, dass sich der Beamte zwei polizeiliche Ermittlungsakten aus der Aktenverwahrung des Polizeireviers ... hatte verschaffen lassen, leitete die Staatsanwaltschaft ... gegen den Beamten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht ... am 02.06.2004 gegen den Beamten einen Strafbefehl wegen Anstiftung zum Verwahrungsbruch in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch hin wurde der Beamte durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 13.09.2004 - 9 Cs 300 Js 2529/04 - zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 50,00 EUR wegen Anstiftung zum Verwahrungsbruch sowie Urkundenfälschung verurteilt. Auf die hiergegen eingelegte Revision des Beamten hob das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 15.03.2005 (1 Ss 200/04) das Urteil des Amtsgerichts ... insoweit auf, als der Beamte wegen Urkundenfälschung verurteilt wurde, weil das vom Amtsgericht festgestellte Herausreißen der Ablichtungen von Vorkommnisberichten aus den polizeilichen Ermittlungsakten durch den Beamten nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung erfülle. Zugleich stellte das Oberlandesgericht fest, dass der Beamte wegen Anstiftung zum Verwahrungsbruch zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verurteilt ist. Das damit rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts ... vom 13.09.2004 enthält hierzu in tatsächlicher Hinsicht folgende Feststellungen:
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„Durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 11.03.2003 (11 Ls 300 Js 4306/02) war der Angeklagte wegen Vortäuschens einer Straftat, Verfolgung Unschuldiger sowie falscher uneidlicher Aussage zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt worden; Gegenstand der Verurteilung war u. a. der Vorwurf, er habe am 21.9.1998 als beim Polizeirevier ... tätiger Polizeibeamter in dienstlicher Eigenschaft dem Geschädigten ... ein Briefchen mit 0,5 Gramm Heroin „untergeschoben“, den ... wider besseres Wissens wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zur Anzeige gebracht und hinsichtlich dieses Vorwurfs im Verfahren gegen ... vor Gericht als Zeuge falsch ausgesagt.
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Zu der im Strafverfahren gegen den Angeklagten vor dem Landgericht ... auf den 17.02.2004 angesetzten Berufungshauptverhandlung war, wie der Angeklagte wusste, seitens des Landgerichts ... die Beiziehung der sich auf den Vorwurf gegen ... beziehenden polizeilichen Ermittlungsakten mit den Tagebuchnummern ... und ... angeordnet worden. Diese Akten befanden sich, wie der Beamte ebenfalls wußte, in der in einem verschlossenen Kellerraum des Polizeireviers ... befindlichen Aktenverwahrung.
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Aufgrund neugefassten Willensentschlusses hat sich der Beamte daraufhin wie folgt strafbar gemacht und verhalten:
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Obwohl er wußte, daß er aufgrund o.a. strafrechtlichen Vorwurfs vom Dienst suspendiert und deshalb nicht mehr berechtigt war, noch Zugriff auf polizeiliche Ermittlungsakten zu nehmen, bat er im Vorfeld der Berufungshauptverhandlung zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls kurz vor dem 03.02.2004 , den damals beim Polizeirevier ... als Polizeibeamten tätig gewesenen, gesondert verfolgten Polizeihauptmeister ..., die polizeilichen Ermittlungsakten mit den Tagebuchnummern ... und ..., welche sich auf die erwähnten Vorgänge zum Nachteil des ... wegen angeblichen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz bezogen, aus der Aktenverwahrung des Polizeireviers ... zu entnehmen und ihm zwecks Fertigung von Ablichtungen zur Verfügung zu stellen.
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Aufgrund dieser Bitte des Angeklagten entnahm ..., der um die Suspendierung des Beamten ebenso wie um den Umstand wußte, daß polizeiliche Ermittlungsakten nur zu dienstlichen Zwecken der Aktenverwahrung entnommen werden dürfen, am Abend des 03.02.2004 die vorbezeichneten Akten der Aktenverwahrung des Polizeireviers ... und legte diese neben einem Müllcontainer am Parkplatz für Privatfahrzeuge des Reviers ... ab, wo der Angeklagte die Akten sodann an sich nahm.“
27 
Der Dienststellenleiter der Polizeidirektion ... ordnete mit Verfügung vom 23.03.2004 nach Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts ... vom 05.03.2003 die Fortführung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens an und bestellte einen Untersuchungsführer. Mit Verfügung vom 14.10.2004 wurde das förmliche Disziplinarverfahren um den Vorwurf der Anstiftung zum Verwahrungsbruch und der Urkundenfälschung erweitert. Der Verteidiger des Beamten machte mit Schriftsatz vom 06.02.2006 geltend, dass sich sein Mandant bei der Anstiftung zum Verwahrungsbruch in einer psychischen Belastungssituation und einer als ausweglos empfundenen Lage befunden habe und dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ... im „Fall ...“ fehlerhaft sei. Bei seiner Vernehmung am 09.03.2006 berief sich der Beamte auf diese schriftsätzliche Stellungnahme und machte im Übrigen nur Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen. Von der Gelegenheit, sich nach § 59 Abs. 1 LDO abschließend zu äußern, sah der Beamte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12.09.2006 ab. Am 27.09.2006 legte der Untersuchungsführer seinen Abschlussbericht vor.
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Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Karlsruhe am 30.01.2007 die Anschuldigungsschrift vorgelegt, in der dem Beamten vorgeworfen wird, mit dem Vortäuschen einer Straftat, der Verfolgung Unschuldiger, der uneidlichen Falschaussage und der Anstiftung zum Verwahrungsbruch, die Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilungen waren, ein Dienstvergehen nach § 95 Abs. 1 LBG begangen zu haben. Der Beamte hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht durch seinen Verteidiger schriftsätzlich geltend gemacht, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ... im „Fall ...“ einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand halte, weil sie in sich widersprüchlich und daher rechtsfehlerhaft sei. Sie könne daher der disziplinarrechtlichen Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Heranzuziehen seien nur die Verurteilungen wegen Vortäuschens einer Straftat und Anstiftung zu Verwahrungsbruch. Die Entfernung aus dem Dienst sei unverhältnismäßig, da der Vorfall an der Grenze mehr als zehn Jahre zurückliege und bei der Anstiftung zum Verwahrungsbruch sich der Beamte in einer extremen psychologischen Ausnahmesituation befunden habe. In der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer hat der Beamte angegeben, der Vorfall an der Grenze habe sich genau so abgespielt, wie er damals von der Polizei aufgenommen worden sei, nämlich dass bei der Kontrolle aus einem Fahrzeug auf ihn geschossen worden sei. Im „Fall ...“ habe er bei der Durchsuchung des Autos das Briefchen mit Heroin gefunden. Er wisse, dass Rauschgifthunde zu einem gewissen Prozentsatz nicht fündig würden; auch Kollegen könnten versagen. In der Verhandlung gegen ... habe er so ausgesagt, wie es aus seiner Sicht gewesen sei. Für die Anstiftung zum Verwahrungsbruch wolle er sich in aller Form entschuldigen. Er habe aufgrund seiner Existenzangst keine klaren Gedanken fassen können. Er habe einen Blackout gehabt.
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Mit Urteil vom 13.10.2008 hat die Disziplinarkammer auf Entfernung aus dem Dienst erkannt und dem Beamten auf die Dauer eines Jahres einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 60 % des erdienten Ruhegehalts bewilligt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe in tatsächlicher Hinsicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO von den bindenden tatsächlichen Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts... in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe auszugehen. Dies gelte auch für die vom Beamten angegriffene Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat, Verfolgung Unschuldiger sowie falscher uneidlicher Aussage. Ein Lösungsbeschluss nach § 19 Abs. 1 Satz 2 LDO komme nicht in Betracht, weil keine offensichtliche Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu erkennen sei. Hinsichtlich des Sachverhaltskomplexes „Vortäuschen einer Straftat“ habe der Beamte die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts in der Hauptverhandlung nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit der Beamte in Bezug auf die Tatkomplexe „Verfolgung Unschuldiger“ und „uneidliche Falschaussage“ die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zur Begründung seiner Täterschaft für widersprüchlich halte, da eine Alternativtäterschaft des Polizeihauptmeisters ... ebenso wahrscheinlich sei wie seine Täterschaft, habe er zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die umfassende Beweiswürdigung des Strafrichters in einer im Rahmen des § 19 Abs. 1 LDO erheblichen Weise fehlerhaft gewesen sei. Insbesondere habe er nicht die konkrete Möglichkeit aufgezeigt, dass und warum Polizeihauptmeister ... als Täter in Betracht kommen sollte. Allein die vom Beamten dargelegte abstrakte Möglichkeit, dass eine andere Person ebenfalls als Täter in Betracht kommen könnte, begründe keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Strafgerichts. Der Beamte habe sich einer nach Art und Ausmaß schwerwiegenden vorsätzlichen Verfehlung gegenüber seinen Dienstpflichten als Polizeihauptmeister schuldig gemacht. Eine weniger schwerwiegende Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst komme nicht in Betracht, da der Beamte aufgrund seines Fehlverhaltens für den Dienstherrn absolut und objektiv untragbar geworden sei. Das Dienstvergehen des Beamten wiege außerordentlich schwer. Der Beamte habe mit der Verfolgung Unschuldiger in besonders gravierender Weise im Kernbereich seiner beamtenrechtlichen Pflichten versagt. Entsprechendes gelte für die uneidliche Falschaussage. Auch wenn dem Beamten insoweit zugute zu halten sei, dass er sich in einer selbstverschuldeten Zwangslage befunden habe, liege ein (einheitliches) Dienstvergehen vor, aufgrund dessen die Annahme gerechtfertigt sei, dass er für den öffentlichen Dienst untragbar sei. Die Verfolgung Unschuldiger und die anschließende uneidliche Falschaussage seien nach Art und Ausmaß derart schwerwiegende Dienstverfehlungen, dass sie je für sich genommen schon seine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigten. Auch die weiter von dem Beamten begangenen Straftaten des Vortäuschens eines angeblichen rechtswidrigen Angriffs auf seine Person sowie die Anstiftung zum Verwahrungsbruch rechtfertigten es, den Beamten - jedenfalls unter Berücksichtigung der anderen Verurteilungen - als für den öffentlichen Dienst untragbar zu halten. Zwar sei zugunsten des Beamten in die Gesamtwürdigung einzustellen, dass er bisher disziplinarrechtlich und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, durchweg gute Beurteilungen erhalten habe und hinsichtlich des Tatkomplexes „Anstiftung zum Verwahrungsbruch“ geständig gewesen sei. Soweit sich der Beamte im Hinblick auf diesen Tatkomplex auf eine psychische Ausnahmesituation berufen habe, könne diese keine entscheidende Bedeutung erlangen. In seiner im Strafverfahren abgegebenen schriftlichen Erklärung habe sich der Beamte nicht auf eine psychische Zwangslage berufen. Auch sei der Strafrichter nicht von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen. Die Entfernung aus dem Dienst komme hier selbst bei verminderter und geringer Schuld des Beamten in Betracht, weil das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstört und er durch die Art und Weise seiner Dienstverfehlung objektiv untragbar geworden sei. Die Dauer des im März 2002 eingeleiteten Disziplinarverfahrens könne nicht entlastend berücksichtigt werden. Zu Lasten des Beamten falle ins Gewicht, dass er nicht davor zurückgeschreckt sei, Kollegen in sein strafbares Verhalten hineinzuziehen. Zudem habe er seine Vorbildfunktion missbraucht, indem er das Vortäuschen einer Straftat im Beisein eines Auszubildenden und Praktikanten begangen habe. Schließlich habe der Beamte auch dem Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit einen erheblichen Schaden zugefügt.
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Der Beamte hat gegen das ihm am 21.11.2008 zugestellte Urteil am 20.12.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Hinsichtlich der Verurteilung wegen Verfolgung Unschuldiger und falscher uneidlicher Aussage hätte das Verwaltungsgericht einen Lösungsbeschluss fassen müssen. Es habe verkannt, dass nicht nur ein Verstoß gegen Denkgesetze der Logik und allgemein anerkannte Erfahrungssätze Maßstab für einen Lösungsbeschluss sein könnte. Das Urteil des Amtsgerichts ... vom 11.03.2003 wäre bei einer strafrechtlichen Revision zwingend aufzuheben gewesen. Denn die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei in sich widersprüchlich und rechtsfehlerhaft. Das Amtsgericht habe keine der Zeugenaussagen für sich allein ausreichend gehalten, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen, aber bei einer Gesamtwürdigung. Die Einbeziehung der Aussage des Zeugen ... in diese Gesamtwürdigung sei unzulässig. Die Täterschaft des Zeugen ... sei nämlich gleich wahrscheinlich wie die vom Amtsgericht angenommene Täterschaft des Beamten. Sowohl für den Beamten als auch für den Zeugen ... sei der Motivationsdruck für eine unrichtige Sachverhaltsdarstellung vor dem Amtsgericht gleich groß gewesen. Der Beamte sei daher zu Unrecht wegen Verfolgung Unschuldiger und falscher uneidlicher Aussage verurteilt worden. Einer disziplinarischen Beurteilung könnten daher nur das Vortäuschen einer Straftat und die Anstiftung zum Verwahrungsbruch zugrunde gelegt werden. Das Vortäuschen einer Straftat stelle zwar objektiv wie subjektiv einen schweren Vertrauensbruch dar. Insoweit sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Tat am 02.06... stattgefunden habe und daher mehr als 10 Jahre zurückliege. Es liege mithin ein gewichtiger Strafmilderungsgrund vor, der auch im Disziplinarverfahren zu berücksichtigen sei. Zudem könnten, da die Tat so lange zurückliege, aus der Tat sprechende Persönlichkeitsdefizite zur Bewertung der Person des Beamten nicht herangezogen werden, ohne zuvor zwingend ein psychologisches Gutachten über den Beamten einzuholen. Der Beamte sei heute ein anderer Mensch, von dem die Gefahr der Begehung solcher Straftaten nicht mehr ausgehe. Bei der Bewertung der Anstiftung zum Verwahrungsbruch sei die extreme psychologische Ausnahmesituation des Beamten zu berücksichtigen. Die Angst um die Existenz seiner Familie habe sich derart gesteigert, dass er sich selbst in einer für ihn ausweglosen Situation befunden habe; die Berufungsverhandlung habe unmittelbar bevorgestanden. Er habe damals an einer psychopathogenen Störung gelitten, die maßgeblichen Einfluss auf sein Handeln gehabt habe. Bei der Tat handele es sich jedenfalls nicht um eine Verletzung der Pflichten eines Beamten aus dem Kernbereich. Die Entfernung aus dem Dienst sei unverhältnismäßig und dürfe daher nicht angeordnet werden. Der Beamte könne andere als klassisch-hoheitliche Aufgaben wahrnehmen.
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Der Beamte beantragt,
32 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2008 - DL 13 K 1/07 - aufzuheben und eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu verhängen.
33 
Der Vertreter der obersten Dienstbehörde beantragt,
34 
die Berufung zurückzuweisen.
35 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beamte habe sich nach Art und Ausmaß schwerwiegender Verfehlungen gegenüber seinen Dienstpflichten schuldig gemacht. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht von der Bindungswirkung der strafrechtlichen Verurteilung des Beamten durch das Amtsgericht ... ausgegangen. Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des Beamten sei zu erwähnen, dass der Vorwurf des Vortäuschens eines angeblichen Angriffs auf seine Person am Grenzübergang ... in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch den Beamten noch bestritten, in der Berufungsschrift nunmehr jedoch eingeräumt worden sei. Eine weniger schwerwiegende Disziplinarmaßnahme komme nicht in Betracht, da der Beamte aufgrund seines Fehlverhaltens in besonders gravierender Weise im Kernbereich seiner beamtenrechtlichen Pflichten versagt habe. Anerkannte Milderungsgründe, insbesondere eine psychische Konflikt- oder Ausnahmesituation oder eine einmalige persönlichkeitsfremde Tat lägen nicht vor.
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Dem Senat liegen die Personalakten des Beamten, die Disziplinarakten, die Akten der Disziplinarkammer sowie die Strafakten des Amtsgerichts ...
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- 11 Ls 300 Js 4306/02 und 9 Cs 300 Js 2529/04 - vor. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
38 
Die zulässige Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Oktober 2008 - DL 13 K 1/07 - hat in der Sache keinen Erfolg.
39 
Der Senat hat die Rechtslage nach der Landesdisziplinarordnung in der Fassung vom 25.04.1991 (GBl. S. 227), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15.12.1997 (GBl. S. 552) - LDO - zu beurteilen. Denn die LDO ist zwar nach Art. 27 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts - LDNOG - vom 14.10.2008 (GBl. S. 343) am 22.10.2008 außer Kraft getreten. Doch werden nach Art. 26 Abs. 3 Satz 1 LDNOG förmliche Disziplinarverfahren, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (22.10.2008) der Beamte bereits zur Vernehmung nach § 55 LDO geladen war, bis zu ihrem unanfechtbaren Abschluss nach bisherigem Recht fortgeführt.
40 
An die tatsächlichen Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts ... vom 11.03.2003 und vom 13.09.2004, in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.03.2005, ist der Disziplinarsenat gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO gebunden. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils in Strafverfahren für das Disziplinargericht bindend, soweit das Disziplinarverfahren denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat. Mit der in dieser Norm getroffenen Bindungswirkung rechtskräftiger strafgerichtlicher Urteile und dem darin zum Ausdruck kommenden Vorrang des „sachnäheren“ Strafverfahrens vor dem Disziplinarverfahren sollen einander widersprechende Tatsachenfeststellungen verschiedener Gerichte vermieden werden. Der Vorrang des Strafverfahrens rechtfertigt sich insbesondere durch die besseren Ermittlungsmöglichkeiten der zur Aufklärung von Straftaten berufenen Stellen und den dem Beschuldigten im Strafverfahren durch die StPO gewährten optimalen Schutz gegen falsche und rechtsstaatswidrig zustande gekommene Tatsachenfeststellungen (vgl. Urteile des Senats vom 19.03.2009 - DB 16 S 3421/08 -, vom 04.02.2009 - DB 16 S 2888/08 - und vom 31.01.2006 - DL 16 S 32/06 -; Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 57 BDG RdNr. 9).
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Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 LDO hat das Disziplinargericht allerdings zu Gunsten eines Beamten die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln. Eine Lösung von strafgerichtlichen Feststellungen kommt hiernach jedoch nur ausnahmsweise in Betracht, etwa dann, wenn das Disziplinargericht ansonsten gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa Feststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Ein Lösungsbeschluss kommt auch dann in Betracht, wenn neue Beweismittel - etwa neue Sachverständigengutachten - vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen die strafgerichtlichen Feststellungen offenbar unrichtig sind oder jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2000 - 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 zu § 18 Abs. 1 Satz 2 BDO). Es genügt insoweit aber nicht, dass die Disziplinargerichte auf Grund einer eigenen anderen Würdigung abweichende Feststellungen für richtig halten; das Disziplinargericht darf insbesondere nicht seine eigene Beweiswürdigung gegen die des Strafgerichts setzen. Auch die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen ganz oder teilweise anders gewesen sein könnte, oder der Umstand, dass der beschuldigte Beamte die ihm zur Last gelegte Tat bestreitet, reichen für einen Lösungsbeschluss nicht aus (BVerwG, Urteil vom 05.09.1990 - 1 D 78.89 - juris; Urteile des Senats vom 19.03.2009 - DB 16 S 3421/08 -, vom 04.02.2009 - DB 16 S 2888/08 -, vom 05.06.2008 - DL 16 S 38/06 - und vom 31.01.2006 - DL 16 S 32/06 -, jew. m.w.N.; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., § 57 RdNr. 10).
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Die so umschriebenen Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss liegen hier nicht vor, auch nicht hinsichtlich der Verurteilung wegen Verfolgung Unschuldiger und uneidlicher Falschaussage, deren Unrichtigkeit der Beamte geltend macht. Die tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung im strafgerichtlichen Urteil des Amtsgerichts ... vom 11.03.2003 beruhen auf in sich schlüssigen, von Widersprüchen in sich selbst freien und den Denkgesetzen nicht entgegenstehenden, überzeugenden Erwägungen. Soweit der Beamte weiterhin daran festhält, er habe das Heroinbriefchen nicht in den PKW von ... gelegt und das Amtsgericht habe verkannt, dass die Alternativtäterschaft des Zeugen ... ebenso wahrscheinlich sei wie seine Täterschaft, zeigt er einen abweichenden möglichen Geschehensablauf auf, der die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht in der für einen Lösungsbeschluss erforderlichen Weise erschüttert. Das bloße Behaupten einer in sich widersprüchlichen Beweiswürdigung lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts offenkundig unrichtig sind. Insbesondere folgt eine Widersprüchlichkeit der Beweiswürdigung nicht daraus, dass das Amtsgericht einzelne Zeugenaussagen je für sich nicht, jedoch in ihrer Gesamtheit für ausreichend hielt, die Einlassung des Beamten zu widerlegen. Vielmehr war das Amtsgericht zu dieser Gesamtwürdigung der Zeugenaussagen nach § 261 StPO verpflichtet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen genügt es nicht, mehrere Beweisanzeichen jeweils einzeln abzuhandeln. Auf solche einzelnen Indizien ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht isoliert anzuwenden. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2004 - 1 StR 354/03 -, NStZ-RR 2004, 238, 239 ; Urteil vom 12.09.2001 - 2 StR 172/01 -, NStZ 2002, 48; Urteil vom 17.01.2001 - 2 StR 437/00 -, NStZ 2001, 491; Urteil vom 26.05.1999 - 3 StR 110/99 -, juris RdNr. 5). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Aussage des Zeugen ... in die Gesamtwürdigung der Beweise einbezog. Eine offenbare Unrichtigkeit des Urteils des Amtsgerichts folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sich das Gericht in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich mit der Möglichkeit einer Täterschaft des Zeugen ... auseinandersetzte. Denn das Amtsgericht kam aufgrund einer widerspruchsfreien und in sich schlüssigen Beweiswürdigung dazu, die Aussage des Zeugen ... für glaubhaft zu halten. Es nahm mithin für diese Aussage die gebotene Beweiswürdigung vor. Auf dieser Grundlage, die Aussage des Zeugen ... für glaubhaft zu halten, war zugleich die Möglichkeit einer Alternativtäterschaft des Zeugen ... schlüssig und in sich konsequent verneint. Das Urteil entspricht damit auch den Grundsätzen rationaler Argumentation, auf die der Beamte sich bezieht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 08.01.1988 - 2 StR 551/87, NStZ 1988, 236 = NJW 1988, 3273).
43 
Disziplinarrechtlich sind daher die strafgerichtlich festgestellten und geahndeten Verhaltensweisen des Vortäuschens einer Straftat, der Verfolgung Unschuldiger, der uneidlichen Falschaussage sowie der Anstiftung zum Verwahrungsbruch zugrunde zu legen. Der Beamte hat durch diese Verfehlungen seine Pflicht, sein Amt nach bestem Gewissen zu verwalten (§ 73 Satz 2 LBG), seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 73 Satz 3 LBG) und seine Pflicht, die dienstlichen Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen (§ 74 Satz 2 LBG) verletzt und ein einheitliches - innerdienstliches und außerdienstliches - Dienstvergehen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG begangen.
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Der Senat teilt die von der Disziplinarkammer ausführlich begründete Einschätzung, dass aufgrund des erwiesenen - schwerwiegenden - Dienstvergehens die Entfernung des Beamten aus dem Dienst (§ 11 LDO) unumgänglich ist. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
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Ein Polizeibeamter, der unter Einsatz seiner dienstlichen Befugnisse selbst Straftaten begeht, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit auf das Schwerste. Er stellt seine Eignung, für die Wahrung von Recht und Gesetz einzutreten und die Kriminalität zu bekämpfen, nachhaltig in Frage, wenn er selbst einen Straftatbestand verwirklicht und dabei seine Kompetenzen als Polizeibeamter missbraucht. Denn ein Polizeibeamter, der - wie hier - im Kernbereich seiner Aufgaben in schwerwiegender Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat, ist schon aus objektiven Gründen untragbar. Bei einer Verfolgung Unschuldiger und einer uneidlichen Falschaussage über dienstliche Wahrnehmungen ist das typischerweise der Fall. Ein Polizeibeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine oder mehrere Straftaten begeht, die mit seinem gesetzlichen Auftrag, Straftaten aufzuklären und zu verfolgen, in jeder Hinsicht unvereinbar sind, verletzt in grober Weise den Kernbereich seiner Dienstpflichten. Er missbraucht damit die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse, erschüttert das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit und beeinträchtigt in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei als staatlicher Institution, weil der Achtungsverlust des Beamten auf die Polizei insgesamt ausstrahlt. Denn die Allgemeinheit darf mit Recht erwarten, dass die Polizei ihre Aufgabe, Straftaten zu erforschen und zu verfolgen, ausnahmslos uneigennützig und in uneingeschränkter Objektivität erfüllt (vgl. BayVGH, Urteil vom 05.03.2008 - 16a D 06.2662 -, juris RdNr. 75 ff.). Daraus folgt, dass bei Polizeibeamten, die in Ausübung ihres Amtes eine Verfolgung Unschuldiger nach § 344 StGB oder eine uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB begangen haben, die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich die angemessene Disziplinarmaßnahme ist (vgl. zur Falschaussage: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.09.2000 - D 17 S 11/00 -, VBlBW 2001, 151; SächsOVG, Urteil vom 06.07.2004 - 6 B 871/03.D -, juris RdNr. 35 ff..; zur Verfolgung Unschuldiger: BayVGH, Urteil vom 15.05.2002 - 16 D 01.950 -, juris RdNr. 68 ff.).
46 
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Verfolgung Unschuldiger und die anschließende uneidliche Falschaussage daher hier so schwerwiegende Dienstverfehlungen, dass sie je für sich bereits die Entfernung des Beamten aus dem Dienst rechtfertigen. Das gilt im vorliegenden Fall auch für die Falschaussage des Beamten in der Hauptverhandlung gegen ... Zwar befand sich der Beamte hier aufgrund des vorangegangenen Unterschiebens des Heroinbriefchens in einer selbstverschuldeten Zwangslage. Gleichwohl handelt es sich um eine schwerwiegende Verfehlung des Beamten. Denn der dadurch verursachte Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust und die damit verbundene Ansehensschädigung für die Polizei sind so gravierend, dass weder dem Dienstherrn noch der Allgemeinheit der weitere Einsatz eines in dieser Weise straffällig gewordenen Beamten zugemutet werden kann. Hinzu kommt, dass die Strafgerichte in besonderem Maße darauf angewiesen sind, auf die Glaubwürdigkeit der in einem Strafverfahren aussagenden Polizeibeamten vertrauen zu können. Denn oftmals hängt die Entscheidung über Verurteilung oder Freispruch entscheidend von den Angaben der gegen einen Angeklagten ermittelnden Polizeibeamten ab, so dass der Richter diesen nur dann guten Gewissens verurteilen kann, wenn er dem ihn belastenden Polizeibeamten Glauben schenken kann. Wird dies in Frage gestellt, ist eine effektive und im Interesse der Allgemeinheit unverzichtbare gerechte Strafjustiz nicht mehr handlungsfähig (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.09.2000, a.a.O.).
47 
Auch die weiteren Straftaten des Vortäuschens einer Straftat und der Anstiftung zum Verwahrungsbruch begründen die Annahme, dass der Beamte aufgrund seines einheitlichen Dienstvergehens für den Polizeidienst untragbar geworden ist. Denn auch diese Verhaltensweisen stellen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, einen groben Vertrauensbruch dar und offenbaren ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und eine erhebliche Fehleinstellung gegenüber den Belangen des Dienstherrn und der Rechtsordnung.
48 
Der Senat teilt auch die Auffassung der Disziplinarkammer, dass bei der Gesamtwürdigung aller Umstände auch unter Berücksichtigung der zugunsten des Beamten sprechenden Umstände keine Gründe vorliegen, die die Annahme begründen könnten, dass der Beamte trotz des schwerwiegenden Dienstvergehens das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren hat; auf die zutreffenden Gründe des Urteils der Disziplinarkammer nimmt der Senat insoweit Bezug. Besondere Milderungsgründe, die ausnahmsweise eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Auch die Berufungsbegründung des Beamten vermag solche nicht überzeugend darzulegen. Soweit der Beamte geltend macht, das Vortäuschen einer Straftat liege mehr als 10 Jahre zurück und aus der Tat sprechende Persönlichkeitsdefizite könnten nicht angenommen werden, ohne ein psychologisches Gutachten über den Beamten einzuholen, ergeben sich für den Senat hieraus weder durchgreifende Milderungsgründe, die zu einer milderen Maßnahme als der Entfernung aus dem Dienst führen, noch Anlass zu weiterer Sachaufklärung durch Einholung eines psychologischen Gutachtens. Dem Vorbringen des Beamten kommt bereits deshalb kein entscheidendes Gewicht bei, weil - wie dargelegt - bereits die Verfolgung Unschuldiger und die uneidliche Falschaussage nach Art und Ausmaß so schwerwiegende Dienstverfehlungen sind, dass sie je für sich und erst recht zusammen die Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen. Auf die vom Beamten insoweit vorgebrachten Umstände kommt es daher entscheidungserheblich nicht an. Zudem vermag der Senat bereits im Ansatz keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass insoweit über die Persönlichkeit des Täters ein psychologisches Gutachten einzuholen wäre. Ausreichende Anhaltspunkte für die Erhebung eines Sachverständigengutachtens sind weder vom Beamten dargelegt noch sonst für den Senat ersichtlich. Die bloße Behauptung des Beamten, er sei heute ein anderer Mensch als zur Tatbegehung im Juni ..., von dem die Gefahr der Begehung solcher Taten nicht mehr ausgehe, ist für den Senat in dieser Form nicht nachvollziehbar. Es ist bereits nicht erkennbar, welche Motivation den Beamten zur Begehung der Tat bewogen hat. Der Beamte hat - wie im gesamten Verfahren - in der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer und auch vor dem Disziplinarsenat bestritten, dass er eine Straftat vorgetäuscht hat. Das Amtsgericht ... hat in dem Urteil vom 11.03.2003, das mit seinen tatsächlichen Feststellungen nach § 19 LDO bindend ist, zu den Motiven des Beamten keine sicheren Feststellungen treffen können. Ebenso wenig ist ersichtlich, worin die behauptete Änderung der Persönlichkeit des Beamten liegen soll.
49 
Das weitere Vorbringen des Beamten, bei der Bewertung der Anstiftung zum Verwahrungsbruch sei seine extreme psychologische Ausnahmesituation und die psychopathogene Störung, unter der er damals gelitten habe, zu berücksichtigen, vermag ebenfalls weder weiteren Aufklärungsbedarf noch die Annahme zu begründen, es sei eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu verhängen. Zutreffend hat bereits die Disziplinarkammer ausgeführt, dass die Entfernung aus dem Dienst auch bei verminderter und geringer Schuld des Beamten in Betracht kommt, wenn das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstört und dieser durch die Art und Weise seiner Dienstverfehlung objektiv untragbar geworden ist, und dass die weiteren festgestellten schweren Verfehlungen des Beamten nicht in einer psychischen Ausnahmesituation begangen wurden. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Die Berufungsbegründung vermag dies nicht in Frage zu stellen. Insbesondere rechtfertigen, wie dargelegt, bereits die anderen Dienstverfehlungen des Beamten seine Entfernung aus dem Dienst. Eine psychische Ausnahmesituation ist für diese weder behauptet noch sonst ersichtlich.
50 
Die Dauer des Disziplinarverfahrens vermag schließlich ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Entfernung aus dem Dienst zu führen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine disziplinare Maßnahme unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden, wenn das Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange dauert. Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass bereits die mit einem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile auf den Beamten einwirken können mit der Folge, dass das durch das Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis durch die Verfahrensdauer gemindert wird oder sogar ganz entfallen kann. Dementsprechend ist bei der Frage, welche Disziplinarmaßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erforderlich ist, stets zu prüfen, ob und inwieweit bereits die mit einem langen Disziplinarverfahren konkret verbundenen Nachteile auf den Beamten positiv eingewirkt haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.1977 - 2 BvR 80/77 -, BVerfGE 46, 17). Diese Überlegungen greifen jedoch dann nicht, wenn die Entfernung des Beamten aus dem Dienst geboten ist. Bei der Dienstentfernung geht es darum, das Dienstverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil jedes Vertrauen in den Beamten unwiederbringlich verloren gegangen ist. Dieser Vertrauensverlust kann durch die dem Beamten aus einer langen Verfahrensdauer entstehenden Nachteile nicht behoben werden. Ein solcher Beamter ist vielmehr für den öffentlichen Dienst untragbar geworden und muss unabhängig von der Verfahrensdauer aus Gründen der Funktionssicherung aus dem Dienst entfernt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 08.09.1993 - 2 BvR 1517/92 -, NVwZ 1994, 574 und vom 09.08.2006 - 2 BvR 1003/05 -, DVBl. 2006, 1372; Urteil des Senats vom 04.11.2008 - DL 16 S 616/08 -, juris). Nach diesen Maßstäben ist hier unbeschadet der Verfahrensdauer eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst unumgänglich, da dieser aufgrund seines schwerwiegenden Dienstvergehens untragbar geworden ist.
51 
Damit vermag der Senat - ebenso wie das Verwaltungsgericht - unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände, auch der langjährigen dienstlichen Unbescholtenheit des Beamten und seiner dienstlichen Beurteilungen, nicht zu erkennen, dass der durch die Begehung des schwerwiegenden Dienstvergehens eingetretene Vertrauensverlust durch durchgreifende Entlastungsgründe entfallen ist und der Beamte gegenüber seinem Dienstherrn noch ein Restvertrauen für sich in Anspruch nehmen könnte. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion. Die hierin liegende Härte ist für den Beamten - auch unter familiären und wirtschaftlichen Gesichtspunkten - nicht unverhältnismäßig, da sie auf zurechenbarem Verhalten beruht.
52 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 Abs. 1 Satz 1 LDO.
53 
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 57 Bindung an tatsächliche Feststellungen aus anderen Verfahren


(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben

Strafgesetzbuch - StGB | § 153 Falsche uneidliche Aussage


Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Landbeschaffungsgesetz - LBG | § 73


Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 344 Verfolgung Unschuldiger


(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden,

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Jan. 2001 - 2 StR 437/00

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 437/00 vom 17. Januar 2001 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Januar 2001, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2004 - 1 StR 354/03

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 354/03 vom 30. März 2004 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März 2004, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richte

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Nov. 2008 - DL 16 S 616/08

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Tenor Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 10. Dezember 2007 - DL 13 K 4/06 - wird zurückgewiesen. Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gründe   I
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Tatbestand 1 Die am (…) 1970 geborene Beklagte steht als Beamtin auf Lebenszeit im Polizeidienst des Landes Sachsen-Anhalt. Sie wurde nach Absolvierung einer Lehre zum Wirtschaftskaufmann/Industrie am 1. Oktober 1989 in den Polizeidienst aufgenomm

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 27. Feb. 2013 - DL 11 K 572/10

bei uns veröffentlicht am 27.02.2013

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung der Beklagten, mit der ihm das Ruhegehalt aberkannt und ein Teil des monatlichen Ruhegehalts bis zu

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 25. Feb. 2010 - DL 16 S 2597/09

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

Tenor Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart - Disziplinarkammer - vom 12. Oktober 2009 - DL 20 K 3398/08 - wird zurückgewiesen. Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens

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(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Es hat jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 354/03
vom
30. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten erneut vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin S. freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 416/98 - das erste in dieser Sache ergangene Urteil des Landgerichts vom 28. November 1997 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hin aufgehoben, soweit der Angeklagte von dem jetzt noch in Rede stehenden Tatvorwurf freigesprochen worden war. In der ersten Hauptverhandlung hatte sich das Landgericht nicht davon überzeugt, daß der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter namens J. die Zeugin
S. am 19. August 1996 gegen 20.30 Uhr in der Parkanlage hinter dem Sch. -Gymnasium in Bad Sä. überfallen habe, wobei beide Täter abwechselnd jeweils den Oral- und Vaginalverkehr erzwungen hätten (Anklage vom 13. April 1997). In einer mit diesem Verfahren verbundenen weiteren Anklage war dem Angeklagten darüber hinaus vorgeworfen worden, an einem nicht näher feststellbaren Tag in der zweiten Augusthälfte 1996 wiederum mit einem unbekannten Mittäter namens J. und ebenfalls im Sch. park in Bad Sä. eine weitere, allerdings unbekannt gebliebene Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Diese hatte sich später anonym bei einer Frauenberatungsstelle gemeldet, war danach aber nicht mehr in Erscheinung getreten. Auch von diesem Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten mit seinem ersten Urteil vom 28. November 1997 freigesprochen. Insoweit ist jenes Urteil rechtskräftig.
Hinsichtlich des Vorwurfs der Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin S. konnte das Landgericht seinerzeit Zweifel nicht überwinden, ob der Angeklagte bei seinem früheren, später widerrufenen Geständnis diejenige Tat geschildert habe, welche der Zeugin widerfahren sei. Auch die Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin sei nicht verläßlich genug, um Unstimmigkeiten zwischen den Tatschilderungen der Zeugin und des Angeklagten in seiner früheren geständigen Einlassung vernachlässigen zu können.
2. Das Landgericht hat sich auch in der erneuten Hauptverhandlung nicht davon zu überzeugen vermocht, daß es der Angeklagte war, der die Zeugin S. mit einem unbekannten Mittäter vergewaltigt hat. Zwar sei die Zeugin S. , wie von ihr geschildert, Opfer einer Vergewaltigung geworden ; es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß der Angeklagte die Tat be-
gangen habe. Das später widerrufene Geständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren beziehe sich zwar wahrscheinlich auf eine tatsächlich verübte Tat, obwohl dies nicht als völlig zwingend erscheine. Es bestünden aber erhebliche Zweifel an der Identität der von dem Angeklagten einerseits und der Zeugin andererseits jeweils geschilderten Tatabläufe. Unterschiede hätten sich bei den Angaben hinsichtlich des Ausgangspunkts der Tat und der Gehrichtung des Opfers, dessen Kleidung und Haarfarbe, der Kleidung der Täter, des Tattags und der Ausübung von Oralverkehr ergeben. Diese Abweichungen könnten auch nicht mit der Überlegung relativiert werden, daß die Begehung zweier vergleichbarer Vergewaltigungstaten durch jeweils zwei (andere) Täter in Bad Sä. in kurzem zeitlichem Abstand wenig wahrscheinlich sei. Die Strafkammer konnte sich von der Täterschaft des Angeklagten auch nicht aufgrund seiner Identifizierung als Täter durch dieZeugin S. überzeugen. Die Identifizierung bei der Wahllichtbildvorlage sei aufgrund von Unsicherheiten bei der Beschreibung der Barttracht des Angeklagten nicht sicher gewesen. Auch in der Hauptverhandlung hätten sich Unsicherheiten in bezug auf die Barttracht und die Lage der Narbe im Gesicht des Angeklagten ergeben.

II.


Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es weist im wesentlichen die gleichen rechtlichen Fehler bei der Beweiswürdigung auf wie das seinerzeit aufgehobene erste landgerichtliche Urteil. Die Beweiswürdigung leidet wiederum unter Erörterungsmängeln, beachtet nicht in jeder Hinsicht die für sie geltenden Maßgaben und überspannt die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; kann er die erforderliche Gewißheit nicht gewinnen und zieht er die hiernach gebotene Konsequenz und spricht frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Ein Urteil kann indes dann keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlußfolgerungen nicht erörtert , wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1999, 338, 339; NJW 2002, 2188, 2189).
Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen , wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2002, 656, 657). Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Auf solche einzelnen Indizien ist der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht isoliert anzuwenden. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglich-
keit, daß sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH NStZ-RR 2000, 45).
2. Die Strafkammer mußte ihrer Beweiswürdigung die Aussage der Zeugin S. zugrunde legen und prüfen, ob diese glaubhaft ist und ob die Zeugin den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert hat. Dabei hat die Kammer jedoch nicht hinreichend bedacht, daß der Zweifelssatz nicht schon auf das einzelne Indiz, sondern erst bei der abschließenden Überzeugungsbildung aufgrund der gesamten Beweislage anzuwenden ist. Bereits vor der Gesamtschau aller Beweise hat das Landgericht hier wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation - wie die Lage der Narbe, die Barttracht, den Geruch und weitere Identifizierungsmerkmale - jeweils einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als „nicht völlig zwingend“ und deshalb nicht überzeugend erachtet. Das läßt besorgen, daß es bei der Gesamtwürdigung solche Indizien nicht hinreichend einbezogen hat, denen es für sich gesehen keinen „zwingenden“ Beweiswert beigemessen hat. Darüber hinaus hat es einzelne Beweisanzeichen und naheliegende Möglichkeiten nicht erschöpfend oder überhaupt nicht erörtert.

a) Die Strafkammer hat sich zur Identifizierung des Angeklagten durch die Zeugin S. mit dem Beweisanzeichen der Narbe befaßt, dabei aber die Angaben der Zeugin zur Lage der Narbe im Gesicht eines der Täter und das tatsächliche Vorhandensein einer Narbe unter dem linken Auge des Angeklagten nicht erschöpfend gewürdigt.
Das Landgericht sieht in dem Umstand, daß ein Tatopfer einen Täter an einer Narbe wieder erkennt, grundsätzlich ein starkes Indiz für die Richtigkeit
der Identifizierung; das gelte unabhängig von etwaigen Abweichungen hinsichtlich deren genauer Lage. Es hält den Wert der Wiedererkennung hier aber deshalb für gemindert, weil die Zeugin auch nach der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten bei der fehlerhaften Beschreibung der Lage der Narbe geblieben ist und darauf beharrt hat, diese habe sich über dem linken Auge befunden. In diesem Zusammenhang läßt es allerdings unberücksichtigt, daß die Zeugin den Angeklagten in der Hauptverhandlung "zu 100 %" identifiziert hat. Zudem erörtert es nicht, welche Bedeutung der Aussage der Zeugin zur Lage der Narbe gerade vor dem Hintergrund zukommt, daß diese bei ihrer Beschreibung insoweit auch später blieb, obwohl sie spätestens nach der ersten Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung im November 1997 naheliegenderweise die tatsächliche Lage der Narbe unter dem linken Auge gekannt haben müßte. Wenn die Zeugin dennoch den Täter mit einer über dem Auge liegenden Narbe beschrieben hat, liegt die Erklärung nahe, daß sie diese aus ihrer Erinnerung beschrieben hat, die jedoch nicht in jeder Hinsicht verläßlich war. Dabei war zu bedenken, daß die beiden Täter die liegende Zeugin auch kopfseitig von oben festgehalten haben. Wie dem Senat aus der Befassung mit dem ersten, aufgehobenen Urteil des Landgerichts bekannt ist, war dort festgestellt , daß sich die Zeugin inzwischen (damals, in jener Hauptverhandlung) nicht mehr sicher war, wo am Auge des Täters sich die Narbe genau befunden habe. Diese Besonderheiten hätte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer in ihre Bewertung einbeziehen müssen.

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch hinsichtlich des Beweisanzeichens der Barttracht unvollständig und wird den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nicht vollends gerecht.
Die ZeuginS. hat auch in der erneuten Beweisaufnahme gleichbleibend bestätigt, daß einer der Täter - ihres Erachtens der Angeklagte - keinen Bart getragen habe. Daneben hat sie aber den unbekannten Mittäter mit einem leicht an den Mundwinkeln herabwachsenden Schnurrbart beschrieben. Der Angeklagte hatte im Rahmen seines (später widerrufenen) Geständnisses angegeben, daß er zur Tatzeit zumindest einen Oberlippenbart getragen habe, welcher sicher an den Seiten etwas länger ausgeprägt gewesen sei. Danach hat die Zeugin einem der Täter einen Bart zugeordnet, der nach der Form der Barttracht des Angeklagten zur Tatzeit entsprechen konnte. Die Möglichkeit, daß die Zeugin den von ihr tatsächlich erwähnten Bart versehentlich dem falschen Täter zugeordnet haben könnte, wird vom Landgericht als spekulativ bezeichnet, ohne die besondere Anspannung der Zeugin in der Tatsituation und den Umstand zu würdigen, daß sie aus der Erinnerung zwei Täter zu beschreiben hatte, denen sie bestimmte Merkmale zuordnen mußte.

c) Darüber hinaus setzt sich das Landgericht wie im ersten Urteil mit dem besonderen Merkmal der Stimme des Angeklagten nicht hinreichend auseinander , obwohl die Zeugin die Stimme des entsprechenden Täters als näselnd beschrieben hat. Auch fehlt eine Erörterung der Sprache des Angeklagten im Hinblick auf den von der Zeugin beschriebenen „fehlenden Dialekt“. Gerade diese Umstände können nicht aufgrund einer nach Ansicht des Landgerichts methodisch unzulänglichen früheren Wahllichtbildvorlage wiedererkannt werden. Dies gilt auch für den von der Zeugin erstmals als Wiedererkennungsmerkmal erwähnten Geruch des Angeklagten. Das Urteil enthält keine Angaben zu den konkreten Abständen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin in der jetzigen Hauptverhandlung und damit den Geruchswahrnehmungsmöglichkeiten. Weiter fehlt eine Würdigung im Hinblick auf Alter, Größe
und Haarfarbe des Angeklagten. Schließlich wird nicht darauf eingegangen, inwieweit die Zeugin den Angeklagten anhand der Augen wiedererkannt haben will. In dem ersten, aufgehobenen Urteil ist von einem hängenden Augenlid die Rede, einem Merkmal, mit dem sich das Tatgericht damals fehlerhaft nicht auseinandergesetzt hatte. Nunmehr wird dieser Umstand vom Landgericht ebenso wie die Gesichtsform nicht einmal mehr erwähnt. Das Urteil läßt schließlich eine Auseinandersetzung mit der beschriebenen erheblichen Alkoholisierung des Täters vermissen, während im ersten Urteil immerhin noch die insoweit übereinstimmenden Angaben von Angeklagtem und Zeugin festgestellt worden waren. Auch dies wäre als Indiz im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen gewesen.

d) Überdies ist die Annahme des Landgerichts nicht tragfähig, die Identifizierungsleistung der Zeugin verliere deswegen an Wert, weil sich der Angeklagte seinerzeit aufgrund der von der Zeugin gegebenen, in der Zeitung abgedruckten Täterbeschreibung nach deren Lektüre gestellt habe. Es liegt nahe, daß ein Zeuge eine Person als Täter identifiziert, die er zuvor beschrieben hat und die der Beschreibung entspricht, und zwar unabhängig davon, ob diese sich selbst gestellt hat oder nicht. Dies kann sogar ein Hinweis auf die Verläßlichkeit der Identifizierung sein. Sollte die Strafkammer hingegen gemeint haben , ein etwaiges Wissen des Identifizierungszeugen um die Selbstgestellung könne die Identifizierungsleistung beeinflussen, hätte dies klar zum Ausdruck gebracht und begründet werden müssen.
3. Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten leidet unter Erörterungsmängeln und ist deshalb nicht tragfähig.

a) Der Senat hatte beanstandet, daß das Motiv des Angeklagten für den Widerruf seines bei mehreren Vernehmungen wiederholten Geständnisses nicht genügend gewürdigt worden sei. Die Schilderung der zeitlichen Abläufe und näheren Umstände des Widerrufs hat er als nicht ausreichend erachtet. Im ersten Urteil hatte das Landgericht als Grund für den Widerruf erwähnt, der Angeklagte habe mit einer Freiheitsstrafe von etwa drei Jahren gerechnet. Nachdem sein Anwalt ihm dann aber gesagt habe, daß ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren erwarte, sei ihm das doch zuviel gewesen. Das jetzige Urteil erwähnt diese Umstände nicht mehr. Die Strafkammer führt aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß sich der Angeklagte aufgrund seiner traumatischen sexuellen Erfahrungen mit seinem Vater in eine Opferrolle hineingesteigert haben könnte, aufgrund deren er dann ein solches Geständnis unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitsgehalt abgelegt haben könnte, um - wie er erklärt hat - seinem Vater „eins auszuwischen“.
Diese Erklärung des Angeklagten für sein widerrufenes Geständnis, dem "Vater eins auszuwischen", mag, auch wenn das eher fern liegt, möglicherweise geeignet sein, das - dann falsche - Geständnis gegenüber der Polizei zu erklären, nicht ohne weiteres jedoch das zuvor nach Lektüre des Presseartikels gegenüber der Zeugin St. abgegebene. Das hätte der Erörterung bedurft.

b) Das Landgericht würdigt bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts der früheren geständigen Einlassung des Angeklagten nicht ausreichend deren Aussagequalität.
Auch ein frei erfundenes Geständnis, um dem Vater „eins auszuwischen“ , birgt die Gefahr der fehlenden Konstanz insbesondere dann, wenn das
Tatgeschehen so genau wie hier beschrieben worden ist. Eine Erklärung dafür, warum das widerrufene Geständnis des Angeklagten durch Beständigkeit und Detailtreue auch in Nebensächlichkeiten gekennzeichnet ist, führt die Strafkammer nicht an. Sie geht daran vorbei, daß sich der Angeklagte das Geständnis sehr spontan überlegt haben muß, wenn er nach dem Lesen des Zeitungsartikels mit der Täterbeschreibung noch am selben Tag zunächst gegenüber der Zeugin St. die Tat eingestanden und sich in der Nacht der Polizei gestellt hat. Dies hätte der näheren Bewertung bedurft.
c) Die Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ist nicht tragfähig. Zwar nimmt das Landgericht nicht an, der Angeklagte habe ein Alibi nachweisen können, weil er am Spätnachmittag des 19. August 1996 persönlich bei seinem Arbeitgeber gekündigt habe. Das Landgericht hält es aber "für sehr unwahrscheinlich", daß sich der Angeklagte danach noch nach Bad Sä. begeben und dort die Vergewaltigung begangen habe (UA S. 19). Es konnte jedoch keine Feststellungen dazu treffen, wann genau und wo der ZeugeL. den Angeklagten nach dem Besuch des Arbeitgebers mit dem Fahrzeug abgesetzt hat. Dieser hat sich nur noch daran erinnert, daß die Fahrt zum Arbeitgeber zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr stattgefunden und der Angeklagte sich dort ca. ein- bis eineinhalb Stunden aufgehalten habe. Da die Tat gegen 20.30 Uhr geschehen sein soll, konnte aus diesen Angaben keine tragfähige Folgerung auf die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer anschließenden Vergewaltigung in Bad Sä. gezogen werden.

d) Indem das Landgericht es als nicht "völlig zwingend" erachtet, daß das Geständnis der Wahrheit entspreche und der Angeklagte auch an der Tat zum Nachteil der Zeugin S. beteiligt gewesen sei, hat es den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft angewandt: Für die Beantwortung
der Schuldfrage kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangen kann oder nicht. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, daß sie sehr häufig objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Der Tatrichter ist aber nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen. Sie müssen allerdings tragfähig sein (BGHSt 10, 208, 209 f.; 41, 376, 380; BGH, Urt. v. 4. September 2003 - 3 StR 224/03). Da das Landgericht auch im Blick auf andere Beweisumstände an sich mögliche Schlüsse als „nicht völlig zwingend“ bewertet oder Beweisanzeichen als „kein zwingendes Indiz“ charakterisiert (etwa UA S. 19), steht angesichts der hier vorliegenden besonderen Umstände zu besorgen, daß es die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt haben könnte.
4. Das Landgericht hat eine naheliegende Möglichkeit nicht ausdrücklich gewürdigt, die sich aus der Zusammenschau des widerrufenen Geständnisses des Angeklagten und der Aussage der Zeugin S. ergibt. Diese erklärt möglicherweise die von der Strafkammer hervorgehobenen Differenzen zwischen den beiden Tatschilderungen und kann ihnen den beweismindernden Wert hinsichtlich der Bekundungen der Zeugin weitgehend nehmen.
Die Strafkammer hat offen gelassen, ob dem später widerrufenen Geständnis des Angeklagten ein wirkliches Ereignis zugrunde liegt. Einerseits hält sie es für wahrscheinlich, daß das Geständnis wegen der Detailliertheit und Konstanz der Angaben über einen längeren Zeitraum und mehrere Vernehmungen hinweg der Wahrheit entspreche. Sachverständig beraten führt sie andererseits aus, es sei nicht völlig unwahrscheinlich, daß der Angeklagte ein
solches Geständnis „unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt abgelegt“ haben könnte. Wie bereits im ersten, aufgehobenen Urteil ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß das widerrufene Geständnis des Angeklagten deshalb fragwürdig sei, weil es in wesentlichen Punkten von den Angaben der Geschädigten abweiche. Insbesondere habe der Angeklagte den Ausgangspunkt, von dem aus und die Gehrichtung, in welcher er und sein Mittäter das Opfer verfolgten , anders als die Zeugin beschrieben. Differenzen bestünden darüber hinaus hinsichtlich der Schilderung der Kleidung des Opfers und der Täter sowie des Tathergangs in seinen Einzelheiten.
Das Geständnis des Angeklagten wäre jedoch nur dann ohne jeden Beweiswert , wenn davon auszugehen wäre, daß es erfunden war. Liegt ihm hingegen ein wahrer, wenn auch nicht der angeklagte Sachverhalt zugrunde, bestünde zwischen den Angaben der Zeugin hinsichtlich des Tathergangs und der geständigen Einlassung des Angeklagten möglicherweise kein wirklicher Widerspruch, weil beide dann verschiedene, aber reale Geschehensabläufe beschrieben haben könnten. Die vom Landgericht hervorgehobenen Differenzen hinsichtlich der Schilderungen etwa zur Kleidung des Opfers (Hose oder Rock, roter Slip) verlören dann weitgehend ihre Bedeutung für die Würdigung der Aussage der Zeugin S. und deren Wiedererkennung des Angeklagten. Das Landgericht hätte sich deshalb die Frage vorlegen müssen, ob das später widerrufene, aber detailreiche und von Konstanz gekennzeichnete Geständnis des Angeklagten zwar eine andere Tat betraf, er aber dennoch auch die - von ihm dann nicht gestandene - Tat zum Nachteil der Zeugin S. begangen hat. Es hätte in Betracht ziehen müssen, ob der Angeklagte aufgrund der veröffentlichten Täterbeschreibung nach Begehung einer zweiten Tat zunächst nach seiner Gestellung nur Anlaß sehen konnte, lediglich eine der
Taten zu gestehen. Auf diese Möglichkeit könnte hindeuten, daß innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums an demselben Ort zwei Vergewaltigungen mit derselben Vorgehensweise von jeweils zwei Tätern begangen worden sein könnten. Dabei hätte jeweils einer der Täter nach den insoweit übereinstimmenden Angaben sowohl der Zeugin als auch des Angeklagten eine Tätowierung mit dem Motiv einer Spinne aufgewiesen. Der zweite Täter, der die Tat zum Nachteil der Zeugin S. mit begangen hat, hätte dann ebenso wie der Angeklagte , der die Tat zum Nachteil des unbekannten Opfers gestanden und beschrieben hätte, eine Narbe am Auge. Würde das Landgericht also beide Schilderungen - das frühere Geständnis des Angeklagten, aber auch die Tatschilderung der Zeugin S. - unter diesen Umständen für nicht widersprüchlich und für glaubhaft halten, müßte es sich fragen, ob es sich auf solcher Grundlage davon überzeugen kann, daß der Angeklagte auch die von ihm nicht gestandene Tat zum Nachteil der Nebenklägerin begangen hat. Die Abweichungen in den Tatschilderungen könnten dann nicht mehr gegen eine solche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Fall zum Nachteil der Nebenklägerin ins Feld geführt werden. Der Identifizierungsleistung der Zeugin käme dann für die Wiedererkennung in der Hauptverhandlung und auch in bezug auf die Wahllichtbildvorlage möglicherweise ein höherer Beweiswert zu.
Daß der Angeklagte von dem Vorwurf der zweiten Vergewaltigung zum Nachteil des unbekannten Opfers rechtskräftig freigesprochen ist, hindert nicht dessen Erörterung und etwaige indizielle Bewertung im Blick auf den noch in Rede stehenden Anklagevorwurf. Der rechtskräftige Freispruch verbraucht die Strafklage und steht fortan einer Sanktionierung wegen der nämlichen Tat ent-
gegen. Eine Tatsachenbindung gehört aber nicht zum Wesen der Rechtskraft (vgl. BGHSt 43, 106, 108 f.; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 170, 188).

III.


Auf diesen sachlich-rechtlich erheblichen Beweiswürdigungsmängeln kann das Urteil beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.

IV.


Die Sache muß somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie an ein anderes Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. im übrigen Bd. III Bl. 713 ff. der Strafakten).
Nack Boetticher Schluckebier Herr Richer am BGH Hebenstreit Elf ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 437/00
vom
17. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Januar
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
und die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W. ,
Rechtsanwalt K. ,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger für den Angeklagten,
Rechtsanwalt Wa.
als Vertreter für den Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 17. Dezember 1999 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte
a) freigesprochen und
b) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, verurteilt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Von dem Vorwurf des Mordes und des Raubs mit Todesfolge hat es den Angeklagten freigesprochen. Die hiergegen eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger führen mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte freigesprochen und soweit er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge verurteilt wurde. 1. Das Landgericht hat folgendes festgestellt: Der Angeklagte vereinbarte im Jahre 1997 mit dem späteren Tatopfer M., einem entfernten Verwandten, für diesen in Deutschland Abnehmer für Kokain zu suchen. M. lebte damals in Brüssel und Baden-Baden und handelte mit Kokain. Im September 1997 trug M. dem Angeklagten an, für ihn 500 g Kokain guter Qualität zu verkaufen. Der Angeklagte, der bis dahin keine Erfahrung mit dem Drogenhandel hatte, weihte seinen engen Freund P. ein; dieser erklärte sich bereit, gemeinsam mit dem Angeklagten Käufer für das Kokain zu suchen. M. überließ ihnen daher 460 g Kokain guter Qualität. Der Angeklagte verkaufte in der Folge 40 g für 4.000 DM an einen unbekannten Abnehmer; weitere Käufer fand er nicht. M. holte den Rest des Rauschgifts daher nach etwa zwei Wochen wieder ab. Trotz des Fehlschlags erneuerte er sein Angebot an den Angeklagten und P., künftig gemeinsame Geschäfte zu machen, da er beabsichtigte , sich verstärkt in Deutschland zu betätigen. Bis März 1998 folgten mehrere Treffen zwischen M., dem Angeklagten und P., ohne daß die Suche nach Abnehmern Erfolg hatte. Im April oder Mai 1998 erfuhr der Angeklagte, daß der ihm bekannte K. am Ankauf von 100 bis 150 g Kokain interessiert sei. Hiervon informierten der Angeklagte und P. den M.; dieser teilte Ende Juni 1998 mit, er könne das Rauschgift liefern. Die Lieferung sollte am 29. Juni 1998 erfolgen; hierzu wurde ein Treffpunkt in R.
/Luxemburg vereinbart. Am Tattag gelang es dem Angeklagten jedoch nicht, Kontakt zu dem Abnehmer K. herzustellen; dies verschwieg er dem M., der mit dem Kokain aus Brüssel anreiste. Der Angeklagte und P. fuhren am Abend des 29. Juni mit dem Pkw des P. von L. nach R. und trafen dort gegen 24.00 Uhr den M.. Dieser hatte das Kokain außerhalb des Ortes versteckt; P. wurde beauftragt, das Rauschgift zu holen. Nach einigen Schwierigkeiten bei der Suche verbrachte P. gegen 1.00 Uhr das Kokain vereinbarungsgemäß über die Grenze nach Deutschland, wo er sich mit M. und dem Angeklagten auf einem Parkplatz traf. Der M. fuhr als Beifahrer in seinem vom Angeklagten gesteuerten Pkw, während P. aus Sicherheitsgründen allein vorausfuhr. Nachdem der Angeklagte dem M. mitgeteilt hatte, vermutlich werde man den Abnehmer in L. nicht mehr treffen, beschloß M., in einem Hotel in Trier zu übernachten. Hiervon wurde P. unterrichtet; man fuhr daher nun in Richtung Trier. Unterwegs übergab M. dem Angeklagten das Kokain. Während der Fahrt unterhielten sich die beiden über zukünftige Geschäfte. Weil M. Kokain konsumieren wollte, hielten beide Fahrzeuge gegen 3.00 Uhr hintereinander auf einem Parkstreifen neben der Fahrbahn an. Alle drei konsumierten nun eine Portion Kokain. Da P. erklärte, er wolle nun auch mit M. über zukünftige Geschäfte sprechen, stieg der Angeklagte in den vorne stehenden Pkw des P. ein; dieser setzte sich ans Steuer des von M. gemieteten Pkw und sprach den M. alsbald auf den Ablauf künftiger Geschäfte an. Dieser erklärte nun, er wolle mit P. keine weiteren Geschäfte machen; der Gewinn des aktuellen Geschäfts sei im übrigen nur durch zwei zu teilen. Hierüber geriet P. in Zorn. Er zog deshalb die von ihm mitgeführte halbautomatische Pistole Kaliber 7.65 hervor und schoß dem neben ihm sitzenden
M. in den Kopf. Er schoß das gesamte Magazin leer, wechselte es gegen ein weiteres Magazin aus und schoß dann weiter. Insgesamt gab er mindestens zwölf Schüsse in schneller Folge ab. Nach den ersten beiden Schüssen stieg P., weiter auf M. schießend, aus dem Fahrzeug aus; die letzten Schüsse gab er vor der geöffneten Tür stehend ab. M. wurde von mindestens acht Schüssen im Kopf- und Halsbereich getroffen und verstarb alsbald. P. ging zu seinem einige Meter entfernten eigenen Fahrzeug, wies den darin sitzenden Angeklagten an, auf den Beifahrersitz zu wechseln, setzte sich selbst ans Steuer, wendete und fuhr nach L. , ohne etwas zu sagen. Der Angeklagte, der zwar wußte, daß P. "bei solchen Fahrten" eine Pistole bei sich zu tragen pflegte, jedoch konkret hieran nicht gedacht hatte, war schockiert und sprachlos. Zu Hause nahm er die Pistole des P. an sich, weil er irrtümlich befürchtete , dieser werde Selbstmord begehen, und versteckte sie zusammen mit dem Kokain in seiner Wohnung. Dann fuhren beide in eine 10 km entfernte Nachtbar, wo sie zur Beruhigung Alkohol zu sich nahmen. Erst dort erzählte P. dem Angeklagten von dem Grund für seine Tat. Am nächsten Tag vergruben der Angeklagte und P. die Pistole und das Kokain, weil sie mit dem Rauschgifthandel nichts mehr zu tun haben wollten. Nachdem sich der Abnehmer K. wieder gemeldet hatte, verkauften sie ihm gleichwohl aus der Gesamtmenge von 150 g im Juli 1998, am 15. August und am 15. September 1998 jeweils 50 g Kokain zu je 4.500 DM. Der Wirkstoffanteil betrug 92,4 %; den Erlös teilten der Angeklagte und P. zu gleichen Teilen. 2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Freispruchs, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Auf die Zulässigkeit der von den Nebenklägern erhobenen Aufklärungsrüge kommt es daher nicht an.

a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen. Die bloße Unwahrscheinlichkeit eines vom Tatrichter festgestellten Geschehens führt für sich allein ebensowenig zur Rechtsfehlerhaftigkeit wie der Umstand, daß abweichende Feststellungen möglich wären. Die Beweiswürdigung muß jedoch in sich schlüssig und frei von Lücken und Widersprüchen sein; mit naheliegenden Möglichkeiten eines von den Feststellungen abweichenden Geschehensablaufs hat sich der Tatrichter auseinanderzusetzen. Aus den Urteilsgründen muß sich ergeben, daß die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern von einem zutreffenden Ausgangspunkt betrachtet und unter diesem Blickwinkel in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden.
b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, soweit sich das Landgericht nicht davon zu überzeugen vermochte, daß der Angeklagte an der Tötung des Rauschgiftlieferanten M. beteiligt war. Da der frühere Mitangeklagte P. sich sowohl als Angeklagter, als auch - nach Verfahrensabtrennung - als Zeuge zur Sache nicht eingelassen hat, stützen sich die Feststellungen des Landgerichts weitgehend auf die Einlassung des Angeklagten selbst. Dieser hat die festgestellten Rauschgift-Geschäfte eingeräumt, eine Beteiligung an der Tötung des M. jedoch bestritten. Der Ansatz, von welchem aus das Landgericht diese Einlassung gewürdigt hat, erweist sich insoweit als rechtsfehlerhaft, als sich die Beweiswürdigung im wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob die durchweg als "Geständnis" bezeichnete, den Mitangeklagten P. belastende Einlassung des Angeklagten durch andere Beweisergebnisse widerlegt sei. Durch diesen Ansatz hat sich das Landgericht den Blick darauf verstellt, daß es sich bei der Tatschilderung des Angeklagten nicht um eine Zeugenaussage im Verfahren gegen P. und im Kern auch nicht um ein Geständnis handelte, sondern um das Bestreiten des gegen den Angeklagten
selbst gerichteten Tatvorwurfs. Der unzutreffende Ansatzpunkt wird etwa in der Erwägung deutlich, für die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten spreche die Konstanz seiner Schilderung des Kerngeschehens (UA S. 106). Tatsächlich beschränkte sich, wie die umfangreiche Darstellung der verschiedenen im Verfahrensverlauf gegebenen Einlassungen des Angeklagten zeigt, diese Konstanz im wesentlichen auf die Behauptung, nicht er, sondern P. habe den M. getötet. Der bloßen Konstanz des Bestreitens eines Beschuldigten kommt das vom Landgericht angenommene Gewicht in der Regel nicht zu.
c) Bei der Prüfung des Tatvorwurfs hätte das Landgericht zunächst die Beweisergebnisse werten müssen, die für eine Tatbeteiligung des Angeklagten sprachen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich insoweit eine Vielzahl gewichtiger Beweisanzeichen, deren Bedeutung für die Gesamtwürdigung nicht schon mit der Erwägung erschöpft ist, die jeweils selbstentlastende Einlassung des Angeklagten sei nicht widerlegbar oder der von ihm geschilderte Geschehensablauf jedenfalls möglich. So sprachen etwa die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort sowie der Umstand, daß der Angeklagte nach der Tötung des M. im Besitz der Waffe und des Rauschgifts war, ebenso für seine Tatbeteiligung wie die ungewöhnlichen Einzelheiten bei der Durchführung des Rauschgiftgeschäfts , etwa der Umstand, daß der Angeklagte den Lieferanten M. aus Brüssel anreisen ließ, obgleich mangels Kontakt zu dem Abnehmer K. die von M. erwartete Geschäftsabwicklung jedenfalls unklar war. Auch die widersprüchlichen - jeweils auf Vorhalt abweichender Beweisergebnisse nachgebesserten - Einlassungen des Angeklagten bei seinen polizeilichen Vernehmungen sprachen gegen ihn. So hatte er etwa zunächst, um sich vom Vorwurf der Tötung des M. zu entlasten, eine Version des Tatablaufs geschildert, wonach der Mitangeklagte P. in das Fahrzeug des M. gar nicht
eingestiegen war, sondern sogleich von außen auf M. geschossen hatte. Die Veränderung dieser Einlassung und die spätere Schilderung eines angeblichen Gesprächs zwischen P. und dem Tatopfer, aus welchem allein sich die im Urteil festgestellte Tatmotivation des P. ergab, kann mit dem vom Landgericht angenommenen Bestreben des Angeklagten, den P. zu entlasten (UA S. 103), nicht erklärt werden. Die Erwägung des Landgerichts, es sei auf der Grundlage der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten für ihn "kein Motiv für eine Tötung M.'s erkennbar" (UA S. 91), erweist sich daher als nicht tragfähig. Das gilt auch für die Beweiswürdigung zur Kenntnis des Angeklagten von der Bewaffnung des P.. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Angeklagte angegeben, es sei ihm "eigentlich schon klar gewesen", daß P. seine Pistole, die er "bei solchen Fahrten immer" dabei gehabt habe, am Tattag mitführte. In der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte diese Einlassung dahin geändert, er habe an die Pistole am konkreten Tag nicht gedacht (UA S. 103 ff). Die Urteilsgründe führen hierzu aus, selbst wenn der Angeklagte am Tattag von der Bewaffung P.'s gewußt hätte, sei hieraus "keinesfalls zwingend" zu schließen, er sei mit dem Einsatz der Waffe einverstanden gewesen (UA S. 104). Auch diese Erwägung verkürzt das Gewicht der Beweisergebnisse, denn im Verfahren gegen den Angeklagten ging es nicht darum, ob einzelne Beweisanzeichen "zwingend" gegen eine Alleintäterschaft des P. sprachen.
d) Den für die Tatbeteiligung des Angeklagten sprechenden Umständen waren in einem zweiten Schritt entlastende Ergebnisse der Beweisaufnahme gegenüberzustellen. Soweit diese ihre Grundlage allein in den selbstentlastenden Einlassungen des Angeklagten fanden, so konnte deren - jeweils isolierte - Unwiderleglichkeit die erforderliche Gesamtwürdigung weder ersetzen noch von vornherein begrenzen; vielmehr kann die Annahme der Unwiderleglichkeit
des Bestreitens ihrerseits nur Ergebnis einer umfassenden Abwägung der Beweisergebnisse sein. Daß das Landgericht insoweit von einem unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, zeigt sich etwa in der Behandlung der Erklärung des Angeklagten, er habe nach der Tat die Schußwaffe und das Rauschgift deshalb in seiner Wohnung versteckt, weil er gefürchtet habe, P. werde sich nun selbst töten. Dieser Einlassung konnte, da es an Anhaltspunkten für eine Suizidgefährdung des P. ersichtlich mangelte, nur geringes Gewicht zukommen, welches sich durch das vom Angeklagten eingeräumte nachfolgende Aufsuchen einer Nachtbar kaum erhöhte.
e) Die Abwägung der Beweisergebnisse in den Urteilsgründen erfolgt zwar unter der Bezeichnung Gesamtwürdigung; aufgrund des unzutreffenden Ausgangspunkts erweist sich diese jedoch nicht als Abwägung der für und gegen eine Tatbeteiligung des Angeklagten sprechenden Umstände, sondern entspricht in ihrem Charakter eher der Würdigung einer (Zeugen-)Aussage im Verfahren gegen den früheren Mitangeklagten. Der Senat kann nicht ausschließen , daß der Tatrichter, wäre er insoweit von einem zutreffenden Ansatzpunkt ausgegangen, zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre. 3. Die Aufhebung erfaßt auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln , jeweils in nicht geringer Menge. Die Beschränkung der Revision der Staatsanwaltschaft ist insoweit unwirksam, weil zwischen dem Tötungsdelikt und dem Verbrechen nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG Tateinheit gegeben ist. Erwiese sich der Tatvorwurf einer gemeinschaftlichen Tötung des Lieferanten M. mit dem Ziel, sich in den Besitz des von diesem mitgeführten Rauschgifts zu bringen, als zutreffend, so hätte sich in der Tötungshandlung gerade die der verschärften Strafdrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zugrundeliegende
Gefahr realisiert (vgl. BGHSt 42, 123, 125 ff; 43, 8, 13 ff.; BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 1; Urteile des Senats vom 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 - und vom 17. Januar 2001 - 2 StR 438/00). 4. Dagegen sind der Schuldspruch wegen des im September 1997 begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die hierfür verhängte Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten von der insoweit wirksam beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft und von der Aufhebung des Urteils im übrigen nicht erfaßt. Es kann daher dahinstehen, ob der Angeklagte bei dieser Tat als Mitglied einer Bande handelte. Jähnke Detter Bode Rothfuß Fischer

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung berufen ist.

(2) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen ist, absichtlich oder wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an

1.
einem Bußgeldverfahren oder
2.
einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren
berufen ist. Der Versuch ist strafbar.

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Tenor

Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 10. Dezember 2007 - DL 13 K 4/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
I.
1. Der am ... in ... geborene Beamte wurde nach Erlangung der mittleren Reife zum 01.09.1976 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf bei der Bereitschaftspolizei des Landes Baden-Württemberg eingestellt. Am 01.09.1977 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Mit Wirkung vom 01.03.1979 wurde er zum Polizeioberwachtmeister ernannt und anschließend im Streifendienst beim Polizeirevier ... eingesetzt. Am 07.03.1980 wurde er zum Polizeihauptwachtmeister und am 16.06.1981 zum Polizeimeister ernannt. Am 29.08.1985 erfolgte seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Am 11.09.1985 wurde er zum Polizeiobermeister und - nach seiner Verwendung als Streifenführer beim Polizeirevier ... - am 18.08.1995 zum Polizeihauptmeister ernannt. Ab dem 01.10.1997 wurde der Beamte mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines stellvertretenden Dienstgruppenführers beauftragt. Mit Wirkung vom 01.01.1999 wurde ihm das Amt eines Polizeihauptmeisters der Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage übertragen. Nach erfolgreicher Absolvierung des .... Ausbildungslehrgangs für lebensältere Beamte zum Aufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst wurde der Beamte mit Wirkung vom 01.05.1999 zum Polizeikommissar ernannt. Am 20.12.2000 erfolgte die Ernennung zum Polizeioberkommissar (Bes.-Gr. A 10). Zum 14.02.2002 wurde er aus dienstlichen Gründen zum Polizeirevier ... umgesetzt und dort den Dienstgruppen als Sachbearbeiter zugewiesen. Zuletzt wurde der Beamte zum Stichtag 01.05.2004 mit einem Gesamtergebnis von 3,50 Punkten („übertrifft die Anforderungen“) beurteilt.
Der Beamte ist ledig. Nach der mit Verfügung der Polizeidirektion ... vom 26.10.2003 angeordneten Einbehaltung von 50 % der Besoldungsbezüge (monatliche 2.802,68 EUR brutto) verdient er derzeit ca. 1.344,43 EUR. Er hat Schulden in Höhe von ca. 80.000,-- EUR, die er in monatlichen Raten in Höhe von 500,-- EUR abzahlt.
Der Beamte ist bislang weder disziplinarisch noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.
2. Mit Verfügung der Polizeidirektion ... vom 11.03.2003 wurden gegen den Beamten disziplinarische Vorermittlungen gemäß § 27 LDO wegen des Verdachts eines Dienstvergehens angeordnet. Unter Hinweis auf ein wegen Körperverletzung im Amt durchgeführtes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ... - ... - (Körperverletzung des ... durch Polizeibeamte während seines Aufenthalts auf dem Polizeirevier ... am 15.06.2001) wurde dem Beamten angelastet, seine Pflichten als diensthabender Dienstgruppenleiter des Polizeireviers ... am Tattag verletzt zu haben. Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, durch eine nicht den Tatsachen entsprechende Abfassung des Vorkommnisberichts in der Tatnacht der Verschleierung des wahren Sachverhalts zumindest Vorschub geleistet zu haben. Mit Verfügung vom 02.09.2003 erweiterte die Polizeidirektion ... die Vorermittlungen gegen den Beamten konkret um den Verdacht der Körperverletzung im Amt zum Nachteil des .... Zugleich leitete sie gegen ihn das förmliche Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst ein und enthob ihn gemäß § 89 LDO vorläufig des Dienstes. Das förmliche Disziplinarverfahren wurde im Hinblick auf das in gleicher Sache wieder aufgenommene strafrechtliche Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft ... - ... -) gemäß § 18 Abs. 2 LDO ausgesetzt. Mit Verfügung der Polizeidirektion ... vom 26.10.2003 wurde gemäß § 90 LDO die Einbehaltung von 50 % der Besoldungsbezüge angeordnet.
Mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - ... vom 25.08.2004 - ... - wurde der Beamte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und wegen Körperverletzung im Amt tatmehrheitlich in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Beamten wurde dieses Urteil aufgehoben. Mit Urteil vom 05.10.2005 - ... - verurteilte ihn das Landgericht ... wegen Körperverletzung im Amt zu der Freiheitsstrafe von 11 Monaten; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen wurde der Beamte freigesprochen und seine weitergehende Berufung verworfen. Das seit 13.10.2005 rechtskräftige Strafurteil enthält in tatsächlicher Hinsicht folgende Feststellungen:
„1. Vorgeschichte
Dem eigentlichen Tatgeschehen ging eine körperliche Auseinandersetzung zwischen den Zeugen ...... in dem Lokal „...“ in ... voraus. Hierbei kam es gegen 02.30 Uhr zwischen den alkoholisierten Beteiligten zu verbalen Meinungsverschiedenheiten, die in einer körperlichen Auseinandersetzung endeten. Die durchgeführten Alkomat-Tests ergeben folgende Werte:
...: 1,24 mg/l, ...: 0,82 mg/l, ...: 0,86 mg/l, ...: 0,58 mg/l. Eine bei ... um 04.13 Uhr durchgeführte Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,43 Promille.
Aufgrund der verbalen Meinungsverschiedenheiten hatte ... in dem Lokal „...“ den ... in den Schwitzkasten genommen und gewürgt, worauf ... auf ... mit den Fäusten einschlug. Anschließend gerieten ... und ... in Streit, wobei sie sich kämpfend auf dem Boden unter dem Tisch hin und her wälzten. Während dieser Rangelei packte ... einen Holzstuhl, den er auf die am Boden liegenden Personen warf und hierbei ... am Rücken traf. ... zog sich bei der Auseinandersetzung eine Schürfwunde an der rechten Backe in der Gegend des Jochbeins zu und klagte außerdem über Rippenschmerzen. Ansonsten trug er keine wesentlichen Verletzungen davon. Er verspürte weder Schmerzen im Kieferbereich noch blutete er äußerlich am Mund oder im Mund.
10 
Aufgrund der tätlichen Auseinandersetzung rief die Wirtin, die Zeugin ..., die Polizei, die die Gaststätte „...“ durch zwei Streifenwagen des Polizeireviers ... und mit einer Unterstützungsstreife des Polizeireviers ... anfuhr und die beteiligten ... nach vorläufiger Festnahme zum Polizeirevier ... verbrachten. Hierbei wurde ... von den Polizeibeamten PM ... und POM ... und die restlichen Beteiligten durch die Streifenwagenbesatzungen PM ... und POM in ... sowie PM ... und PHM ... transportiert.
11 
Auf dem Polizeirevier versahen neben den Angeklagten die Polizeibeamten PHM ..., PHM ..., POM in ... und POM ... ihren Dienst. Beim Eintreffen auf dem Polizeirevier führten die Polizeibeamten ... und ... auf Weisung des Angeklagten ... im hinteren Teil des Polizeireviers einen Atemalkohol-Vortest bei ..., PHM ... bei ... und der Angeklagte ... bei ... durch. Gegen 03.00 Uhr oder kurz danach begegneten sich ... und ... im Publikumsraum des Polizeireviers, worauf es zwischen den beiden zu Streitigkeiten kam. Dies veranlasste den Angeklagten ... den ... unter Anwendung von unmittelbarem Zwang aus dem Publikumsraum zu bringen und ihn im Flur an den Zigarettenautomaten zu schließen. Dabei wurde er vom PHM ... unterstützt. Hierbei ging es laut zur Sache.
12 
Nachdem der Angeklagte ... den ... nach Durchführung des Alkomat-Tests, der von 03.13 Uhr bis 03.21 Uhr dauerte, in den Publikumsraum verbrachte und diesen dort dem Angeklagten ... zur Entlassung übergeben hatte, kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ... und ..., in deren Verlauf ... mehrfach provozierte und schließlich einen Aktenordner auf den Boden fegte. Der hinzugekommene Angeklagte ... brachte den ... deshalb zu Boden und fixierte ihn dort mit einem Haltegriff. Der am Boden liegende ... wurde dann vermutlich von einem nicht ermittelbaren Polizeibeamten mit kurzen braunen Haaren, ca. 30 Jahre alt, getreten. Ob daneben der Angeklagte ... dem am Boden liegenden Geschädigten mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, ließ sich nicht nachweisen. Das Verfahren gegen die Angeklagten ... und ... und den insoweit nicht angeklagten POM ... wurde jeweils gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass der Schlag ins Gesicht des... zwar von ... tatsächlich geführt worden, aber gerechtfertigt gewesen sei und nicht ermittelt werden konnte, welcher der Polizeibeamten ... den Tritt versetzt hatte.
13 
Im Anschluss an diesen Vorfall brachten die Angeklagten ... und ... sowie POM ... zum Zellentrakt. Hierbei fassten ... und ... den ... rechts und links am Arm, um diesen festzuhalten. ... wehrte sich allerdings nicht und lief selbst. Ob es dann vor dem Zellentrakt unterhalb des Treppenabgangs erneut zu einer Tätlichkeit der Polizeibeamten gegen ... kam, blieb offen. Dies erschien aber nach der Berufungshauptverhandlung eher unwahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren gegen die Angeklagten ... und ... sowie gegen POM ... insoweit gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil eine genaue Tatbeteiligung nicht ermittelt werden konnte. ... wurde anschließend in die Arrestzelle 2 eingesperrt und randalierte dort über einen längeren Zeitraum so laut, dass es im ganzen Polizeirevier zu hören war. Er trat und klopfte dabei immer wieder gegen die Stahltür. Die Arrestzelle 1 war die ganze Zeit über in einer Haftsache von einem Drogendealer besetzt. Ca. um 04.15 Uhr sollte ... erneut entlassen werden. Er wurde deshalb wieder in den Publikumsraum verbracht. Da ... nicht gehen wollte, kam es zunächst erneut zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ... und .... ... stand im Wachraum, ... im Publikumsraum, also dem Vorraum des Wachraums, der für den eigentlichen Publikumsverkehr gedacht ist. ... versuchte plötzlich über den Tresen hinweg ... am Kragen zu packen und erwischte ihn dort auch. Hiergegen wehrte sich .... Dieser rannte durch die Schwingtür zu ... in den Publikumsraum. Dort wurde ... von mehreren Beamten zu Boden gebracht. Unmittelbar anwesend waren hierbei ... und .... Wer ... im Einzelnen zu Boden brachte bzw. an der Aktion beteiligt war, ließ sich nicht sicher ermitteln und aufklären. Wahrscheinlich waren alle drei Polizeibeamten hierbei beteiligt. Ob der dann am Boden liegende ... von den Angeklagten getreten wurde, ließ sich nicht sicher aufklären (vgl. soweit unten VII.). ... sollte dann erneut in eine Arrestzelle verbracht werden. Hiergegen wehrte er sich allerdings heftig. Die drei Angeklagten trugen ... deshalb nach hinten zu den Arrestzellen. ... hielt ihn hierbei an den Füßen, ... und ... an den Armen fest. ... wehrte sich auch während des Transports heftig. Am Treppenabsatz zu den Zellen gelang es ihm, sich an dem Handlauf festzuhalten. Die Hand von ... wurde deshalb mit einfacher körperlicher Gewalt vom Handlauf entfernt, ohne dass es hierbei zu einer Verletzung des ... gekommen wäre.
14 
Eigentliches Tatgeschehen
15 
In der Zelle angekommen, legten die Beamten ... auf dem Rücken ab. ... begann, diesem seine persönlichen Gegenstände wegzunehmen. Plötzlich und unvermittelt trat ... um sich und traf dabei den Angeklagten ... an der Schläfe. Daraufhin packte der Angeklagte ... sofort wieder an den Beinen und fixierte ihn mit Blickrichtung zu den Füßen .... ..., der ... schon die ganze Zeit am linken Arm festgehalten hatte, verstärkte seinen Griff. Der Angeklagte ... konnte sich jetzt nicht mehr beherrschen und schlug dem ... mit großem Krafteinsatz mindestens zwei Mal heftig mit der Handkante oder dem Handballen ins Gesicht, um diesen zu verletzen. Als der Angeklagte ... realisierte was geschah, brachte er den Angeklagten ... mit den Worten: „..., es reicht!“ zur Besinnung. ..., der durch die Schläge einen doppelten Kieferbruch erlitten hatte, begann sofort stark aus dem Mund zu bluten. Innerhalb kurzer Zeit schwoll das Gesicht massiv an. Der Zeuge fiel in einen Dämmerzustand und spuckte viel Blut. Er wurde sodann von dem bereits zuvor herbeigerufenen Blutprobenarzt, dem Zeugen Dr. ..., untersucht, der die Einweisung des ... in eine Klinik anordnete. Sanitäter brachten sodann den schwer verletzten ... in die Kopfklinik, wo er noch am 15.06.2001 von 14.05 Uhr bis 17.17 Uhr wegen einer offenen Unterkieferfraktur operiert wurde. Die Diagnose der ... Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten lautete: Doppelte, offene Unterkieferfraktur Kieferwinkel links, Paramedian rechts, Commotio cerebri, Ausschluss einer Contusio bulbi links, Lidschwellung links, Monokelhämatom links, postoperative Schwellung Unterkiefer links, Schmerz postoperativ, Thoraxprellung links, Alkoholrausch, Zustand nach Unterkieferreposition mit Miniplattenosteosynthese median/Paramedian (zweimal 4-Loch-Miniplatte) und Kieferwinkel links (6-Loch-Miniplatte), IMF am 15.06.2001. Die Operation machte auch die Extraktion einiger Zähne notwendig. Der Kiefer des Zeugen musste nach der Operation still gelegt werden. Dies geschah durch eine Verdrahtung, die eine Aufnahme fester Nahrung unmöglich machte. Der Zeuge nahm in der Folgezeit 15 kg Gewicht ab. Die Verletzungsfolgen sind weitestgehend ausgeheilt. Allerdings kann der Zeuge seinen Mund nicht mehr vollständig öffnen.“
16 
Mit Verfügung der Polizeidirektion ... vom 28.11.2005 wurde die Fortführung des ausgesetzten förmlichen Disziplinarverfahrens angeordnet und dieses gemäß § 35 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 2 LDO auf den Sachverhalt der Körperverletzung im Amt am 15.06.2001, wie er Gegenstand des Urteils des Landgerichts ... ist, beschränkt. Ferner wurde verfügt, dass von einer Untersuchung gemäß § 51 Abs. 2 LDO abgesehen wird.
II.
17 
1. Am 19.01.2006 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht ... die Anschuldigungsschrift vorgelegt, in welcher dem Beamten vorgeworfen wird, mit der durch das Landgericht ... strafgerichtlich abgeurteilten Verfehlung ein Dienstvergehen nach § 95 Abs. 1 LBG i.V.m. § 73 LBG begangen zu haben.
18 
Die Disziplinarkammer hat den Beamten in der Hauptverhandlung gehört. Er gab an, dass das Polizeirevier ... eine problematische Klientel um sich herum habe. Er sei dort seit 25 Jahren tätig gewesen. Es sei eine recht belebte Nacht gewesen. Es sei sehr laut im Revier gewesen. Er sei tätlich gegen das Opfer vorgegangen. Das sei aber eine spontane Reaktion gewesen. Es seien Tätlichkeiten des Opfers vorausgegangen. Das Opfer habe nach ihm getreten. Er bereue heute die ganze Sache. Auch der gesamte Ablauf sei nicht korrekt gewesen. Dies würde ihm heute nicht mehr passieren. Er würde sich heute zu nichts mehr hinreißen lassen. Es sei auch zu einer Aussöhnung mit dem Opfer gekommen. Er habe das geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,-- EUR gezahlt. Er habe nie bestritten, konkret selbst eingewirkt zu haben. Den Vorkommnisbericht 2001 habe er unmittelbar nach der Nacht, etwa 12 Stunden später, verfasst. Er habe eine knappe Fassung, die nicht allumfassend gewesen sei, geschrieben. Später habe er dann ausführlichere Angaben (Stellungnahme 2002) gemacht. Die Verletzungen des Opfers seien so nicht feststellbar gewesen. Auch der Arzt habe sie nicht festgestellt. Nach seiner subjektiven Meinung seien die Schläge nicht schwer gewesen. Er sei nicht der Auffassung gewesen, dass die Verletzungen schwer gewesen seien. Auf Vorhalt des Vorsitzenden, dass er im Vorkommnisbericht nichts von seiner Einwirkung auf das Opfer, sondern insoweit nur davon berichtet habe, dass ... wiederholt infolge seiner unkontrollierten Bewegungen mit dem Kopf auf den Fußboden gestoßen sei: Beim Transport in die Zelle sei der Verletzte mit dem Kopf in der Zelle auf den Boden aufgeschlagen. Er habe insoweit keine Verletzungen gesehen. Er habe nicht erkannt, dass der Verletzte einen Kieferbruch erlitten habe. Er wisse, dass er dem Opfer ins Gesicht geschlagen habe. Heute würde er sich nicht mehr dazu hinreißen lassen. Er würde nicht einmal eine Ohrfeige geben. Er würde heute keinen knappen Vorkommnisbericht mehr abfassen, sondern umfänglicher schreiben.
19 
2. Mit Urteil vom 10.12.2007 - DL 13 K 4/06 - hat die Disziplinarkammer den Beamten aus dem Dienst entfernt und ihm für die Dauer von einem Jahr einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 % des erdienten Ruhegehalts bewilligt. In tatsächlicher Hinsicht legte die Kammer ihrer Entscheidung die oben wiedergegebenen, gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts... vom 05.10.2005 - ... - zugrunde. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Verhaltens des Beamten ergebe, dass dieser sich einer nach Art und Ausmaß schwerwiegenden Verfehlung gegenüber seinen Dienstpflichten als Polizeioberkommissar schuldig gemacht und dadurch ein - einheitliches - innerdienstliches Dienstvergehen nach § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG begangen habe. Der Beamte habe mit der strafgerichtlich geahndeten Verhaltensweise (Körperverletzung im Amt) vorsätzlich gegen die in § 73 Satz 3 LBG normierte Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Außerdem habe er dienstlich nicht rechtmäßig gehandelt (§ 75 Abs. 1 LBG), sein Amt nicht nach bestem Gewissen verwaltet (§ 73 Satz 2 LBG) und schuldhaft die ihm obliegende Pflicht verletzt, die dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen (§ 74 Satz 2 LBG). Es sei unumgänglich, dieses Dienstvergehen durch Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme - der Entfernung aus dem Dienst (§ 11 LDO) - zu ahnden; eine weniger schwerwiegende Disziplinarmaßnahme sei nicht in Betracht gekommen, da der Beamte aufgrund seines Fehlverhaltens für den Dienstherrn absolut und objektiv untragbar geworden sei. Das Dienstvergehen des Beamten wiege sehr schwer. Ein Polizeibeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begehe, ohne dass diese durch Notwehr oder Putativnotwehr gerechtfertigt sei, handele in grober Weise seinem gesetzlichen Auftrag zuwider. Zugleich missbrauche er die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse und erschüttere nicht nur das vom Dienstherrn in ihn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit, sondern beeinträchtige auch das Ansehen der Polizei in erheblichem Maße. Die Allgemeinheit könne und dürfe mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt werde, zu deren Kernpflichten es gehöre, die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) besitze einen besonders hohen Rang. Körperverletzungsdelikte habe der Gesetzgeber im Strafgesetzbuch unter erhebliche Strafandrohung gestellt und die Bedeutung des Schutzgutes der körperlichen Unversehrtheit vor staatlichen Übergriffen in der besonderen Strafbestimmung des § 340 StGB über die Körperverletzung im Amt zum Ausdruck gebracht. Daraus folge, dass bei einem Polizeibeamten, der sich einer schwerwiegenden Körperverletzung im Amt schuldig gemacht habe, die disziplinarische Höchstmaßnahme regelmäßig in Betracht zu ziehen sei. Vorliegend sprächen mehrere erschwerende Umstände gegen den Beamten. Zu seinen Lasten falle zunächst ins Gewicht, dass die von ihm begangene Körperverletzungshandlung von besonderer Brutalität zeuge. Der Beamte habe dem Geschädigten ... mit großem Krafteinsatz mindestens zweimal kräftig mit der Handkante oder dem Handballen in das Gesicht geschlagen, um diesen zu verletzen. Er habe nur durch den mahnenden Zwischenruf seines Kollegen ... - „..., es reicht“ - zur Besinnung gebracht werden können. Infolge der massiven Gewaltanwendung des Beamten habe sich der Geschädigte eine gravierende und folgenschwere Verletzung am Kopf zugezogen. Er habe einen doppelten Kieferbruch erlitten, der eine schwierige mehrstündige Operation erforderlich gemacht habe. Der Kiefer des Geschädigten habe hierbei durch eine Verdrahtung stillgelegt werden müssen, was die Aufnahme fester Nahrung unmöglich gemacht habe. Darüber hinaus sei die Extraktion einiger Zähne erforderlich gewesen. Der Geschädigte habe in der Folgezeit 15 Kilo Gewicht abgenommen, da er zwei Monate lang nur flüssige Nahrung habe zu sich nehmen können. Seinen Kiefer könne er seither nicht mehr vollständig öffnen. Das durch diese feststehenden Tatsachen belegte Eigengewicht des Körperverletzungsdelikts werde auch nicht durch die Begleitumstände der Tatbegehung entscheidend gemindert. Zwar sei der Beamte durch den der Tat unmittelbar vorausgehenden Tritt des Geschädigten gegen seine Schläfe provoziert worden. Seine eigene Gewaltanwendung habe jedoch nach Art und Ausmaß eine maßlose Überreaktion auf das Verhalten des ihm eindeutig unterlegenen und schutzlos ausgelieferten ... dargestellt. So habe es der in der Gewahrsamszelle von seinen Kollegen ... und ... unterstützte Beamte nach diesem Angriff nicht etwa bei einfachen und ohne erhebliche Körperkraft geführten Abwehrbewegungen belassen, um die Situation zu bereinigen bzw. eine weitere Eskalation zu verhindern. Vielmehr habe er sogleich die Beherrschung verloren und dem nach seiner eigenen Einschätzung erheblich alkoholisierten und zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alten ... mindestens zwei heftige Schläge in das besonders verletzungsempfindliche Gesicht versetzt. Der Beamte sei außerdem nicht in der Lage gewesen, seinen erheblichen Aggressionen selbst Einhalt zu gebieten. Erst aufgrund der deutlichen Worte seines Kollegen ... habe er von seinem Tun abgelassen. Dieser Verlust der Selbstkontrolle bei der Dienstausübung sei auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Tat aus einer besonders angespannten und turbulenten Situation auf dem Polizeirevier ... heraus begangen worden sei, weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Der Beamte selbst habe im Verfahren auf seine über 20-jährige Berufserfahrung verwiesen. Er habe dem fraglichen Polizeirevier, das für die problematischsten Stadtteile ... zuständig sei, seit 1979 - nur unterbrochen durch einige Abordnungen - angehört. Es sei deshalb davon auszugehen, dass er - anders als ein junger, unerfahrener Polizeibeamter - mit schwierigen Situationen, gerade auch im Bereich der Ingewahrsamnahme alkoholisierter Personen, vertraut gewesen sei, so dass von ihm auch unter den gegebenen Verhältnissen habe erwartet werden können, dass er sich nicht zu einer derartigen Überreaktion hinreißen lasse. Hinzu komme, dass auf dem Polizeirevier bereits vor dem Übergriff des Beamten über einen längeren Zeitraum hinweg lebhafter Betrieb geherrscht habe, wobei der Geschädigte ... immer wieder durch provozierende und aggressive Verhaltensweisen aufgefallen sei. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die nach 4.15 Uhr erfolgte Provokation des Beamten durch ... in der Gewahrsamszelle, obwohl sie dort plötzlich und unvermittelt stattgefunden habe, in einem anderen Licht. Die Situation sei, gemessen am Berufsalltag eines Polizeibeamten und den damit verbundenen Risiken, jedenfalls nicht durch so außergewöhnliche Besonderheiten geprägt gewesen, dass von einem lebens- und berufserfahrenen Beamten, der zudem als Dienstführer Vorbildfunktion für die Schicht habe, keine besondere Handlungsweise mehr hätte erwartet werden können. Bei dieser Sachlage könne deshalb auch nicht zu Gunsten des Beamten von einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat ausgegangen werden, zumal das Urteil des Amtsgerichts ... vom 25.08.2004 die Feststellung enthalte, dass der Beamte auf betrunkene Personen ohnedies häufig gereizt reagiere. Eine besonders negative Qualität erhalte der nach Art, Intensität und Ausmaß der Folgen schwerwiegende körperliche Übergriff zudem durch das Nachtatverhalten des Beamten. Bereits den Vorkommnisbericht über die Ereignisse in der betreffenden Tatnacht habe er zu seinen Gunsten manipuliert, indem er dort hineingeschrieben habe, dass ... sich, als er zum zweiten Mal in die Zelle habe getragen werden müssen, so heftig gewehrt und gewunden habe, dass er mehrfach mit dem Kopf auf den Fußboden aufgeschlagen sei. Diese Bemerkung habe eindeutig darauf abgezielt, eine Selbstverletzung des ... zu suggerieren, und habe keinerlei Hinweise auf eigene Einwirkungen des Beamten enthalten. Noch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... am 17.08.2004 habe der Beamte von spontan getätigten Abwehrbewegungen in Richtung des Oberkörpers des Geschädigten gesprochen, die nicht geeignet gewesen seien, einen Kieferbruch herbeizuführen und betont, dass er sich keiner Schuld bewusst sei und völlig korrekt gehandelt habe. Erst in der Berufungsinstanz und auf Empfehlung seines Verteidigers habe der Beamte bezüglich der abgeurteilten Körperverletzung im Amt ein Geständnis abgelegt sowie durch die einen Tag vor Verhandlungsbeginn am 14.09.2005 erfolgte Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,-- EUR und eine von dem Geschädigten akzeptierte Entschuldigung einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Ziff. 1 StGB herbeigeführt. Diesem späten Geständnis könne disziplinarrechtlich nicht die von dem Beamten angenommene positive Bedeutung beigemessen werden. Das Gewicht des Wohlverhaltens werde entscheidend dadurch gemindert, dass es erst unter dem Druck der erstinstanzlichen Verurteilung, die zwingend die Entlassung des Beamten aus dem Dienst zur Folge gehabt hätte, und nach den belastenden Erklärungen seiner Mitangeklagten an den Tag gelegt worden sei. Die Disziplinarkammer habe sich in der Hauptverhandlung auch nicht davon überzeugen können, dass die verbalen Bekundungen des Beamten tatsächlich Ausdruck einer eindeutigen und ernsthaften Distanzierung von seinem Fehlverhalten seien. Die Aussagen des Beamten, dass er nie bestritten habe, konkret selbst auf den Geschädigten eingewirkt zu haben, dass dessen Verletzungen so nicht feststellbar gewesen seien, dass er nicht der Auffassung gewesen sei, dass die Verletzungen schwer seien und er die Verletzungen nicht gesehen habe, belegten ebenso wie seine Reaktionen auf den ihm vorgehaltenen Inhalt des Vorkommnisberichts und der Stellungnahme vom 27.06.2002, dass er nicht die Fähigkeit besitze, eine grundlegende Korrektur seiner eigenen Sichtweise vorzunehmen und sich rückhaltlos zu seinem Versagen zu bekennen. Anerkannte Milderungsgründe lägen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht vor. Sonstige allgemeine Milderungsgründe könnten nicht durchgreifen, da der Beamte im Kernbereich seiner Pflichten als Polizeibeamter versagt habe. Die Tatsache, dass sich der Beamte bis zu seinem Dienstvergehen in über 20 Jahren straf- und disziplinarrechtlich nichts habe zu Schulden kommen lassen, und ihm gute Leistungen attestiert worden seien, könne nichts daran ändern, dass das Vertrauen, das ihm sein Dienstherr entgegengebracht habe, für die Zukunft irreparabel zerstört sei.
20 
3. Gegen das seinem Verteidiger am 24.01.2008 zugestellte Urteil hat der Beamte mit Anwaltsschriftsatz vom 25.02.2008 (Montag), eingegangen bei der Disziplinarkammer am gleichen Tag, Berufung eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, es liege ein anerkannter Milderungsgrund vor. Die Disziplinarkammer habe verkannt, dass der bis zu dem fraglichen Vorfall weder disziplinarisch noch strafrechtlich in Erscheinung getretene Beamte sich aufgrund der vorausgegangenen immer wieder provozierenden und aggressiven Verhaltensweise des Geschädigten - zuletzt durch den Tritt mit dem Fuß an seinen Kopf - zu einer einmaligen Augenblickstat habe hinreißen lassen, welche ihm persönlichkeitsfremd sei. Soweit die Disziplinarkammer auf eine Feststellung im Urteil des Amtsgerichts ... vom 25.08.2004 zurückgegriffen habe, wonach der Beamte auf betrunkene Personen ohnedies häufig gereizt reagiere, erscheine dies fehlerhaft. Das Urteil des Amtsgerichts ... sei aufgehoben worden. Im Berufungsurteil des Landgerichts ... vom 05.10.2005, dessen Feststellungen allein Grundlage des Disziplinarverfahrens seien, sei nach einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme eine derartige Haltung des Beamten gerade nicht festgestellt worden. In den dienstlichen Beurteilungen seien die psychische Belastbarkeit, das bürgerfreundliche Verhalten, die Hilfsbereitschaft, die Zuverlässigkeit, die Verantwortungsbereitschaft und Motivationsfähigkeit des Beamten als außergewöhnlich ausgeprägt bewertet worden. Bedenken begegne auch die Feststellung im Urteil der Disziplinarkammer, wonach das Vertrauen, das ihm sein Dienstherr entgegengebracht habe, für die Zukunft irreparabel zerstört sei. Hiergegen spreche bereits, dass der Beamte auch nach dem Vorfall noch über zwei Jahre lang im Polizeidienst gewesen sei, wobei er diesen Dienst nicht nur beanstandungsfrei, sondern verantwortungsbewusst, engagiert und gewissenhaft ausgeübt habe. All diese für den Beamten sprechenden Umstände erlaubten die Schlussfolgerung, dass die vom Verwaltungsgericht angeordnete Entfernung aus dem Dienst - nahezu sieben Jahre nach dem Vorfall - gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.
21 
Der Beamte beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 10. Dezember 2007 - DL 13 K 4/06 - aufzuheben und ihn in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt zu versetzen.
23 
Der Vertreter der obersten Dienstbehörde beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die der Tat des Beamten vorausgegangene Provokation nicht als über das Alltägliche hinausreichend bewertet werden könne. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf eine Passage in dem Urteil des Amtsgerichts ... vom 25.08.2004, wonach der Beamte auf betrunkene Personen ohnedies gereizt reagiere, sei allenfalls ein kleiner Mosaikstein für die gesamte Begründung der Disziplinarmaßnahme, dessen Wegfall die Begründetheit der Disziplinarmaßnahme nicht in Frage stelle. Zu den Ausführungen in der Berufungsbegründung zu den dienstlichen Beurteilungen des Beamten sei anzumerken, dass dieser in der letzten Regelbeurteilung zum 01.05.2004 mit einer Gesamtbewertung von 3,50 Punkten ein deutlich unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt habe; in seiner Vergleichsgruppe habe der Durchschnitt bei 3,70 Punkten gelegen. Das Vertrauen des Dienstherrn in den Beamten sei irreparabel zerstört. Der Umstand, dass der Beamte bis zum 04.09.2003 im Dienst belassen worden sei, sei der Unschuldsvermutung geschuldet. Erst mit Zustellung der Anklageschrift hätten sich die Vorwürfe soweit konkretisiert, dass eine vorläufige Dienstenthebung möglich gewesen sei. Eine vorherige Reaktion sei bedingt durch den Umstand, dass der Tathergang nicht zuletzt durch das Verhalten des Beamten nur mühevoll habe rekonstruiert werden können, aus rechtsstaatlichen Erwägungen nicht möglich gewesen.
26 
Dem Senat haben - neben den Akten des Verwaltungsgerichts - auch die einschlägigen Personal- und Disziplinarakten sowie die Strafakten der Staatsanwaltschaft ... (6 Bände) vorgelegen.
III.
27 
Der Senat hat die Rechtslage nach der Landesdisziplinarordnung in der Fassung vom 25.04.1991 (GBl. S. 227), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15.12.1997 (GBl. S. 522) - LDO -, zu beurteilen. Zwar ist die LDO nach Art. 27 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts - LDNOG - vom 14.10.2008 (GBl. S. 343) am 22.10.2008 außer Kraft getreten. Doch werden nach Art. 26 Abs. 3 Satz 1 LDNOG förmliche Disziplinarverfahren, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (22.10.2008) der Beamte bereits zur Vernehmung nach § 55 LDO geladen war, bis zu ihrem unanfechtbaren Abschluss nach bisherigem Recht fortgeführt.
28 
Die - zulässige - Berufung bleibt ohne Erfolg. Sie ist - wie sich bereits aus dem Berufungsschriftsatz vom 25.02.2008 ergibt - zulässigerweise auf das Disziplinarmaß beschränkt. Diese Beschränkung ergibt sich zwar nicht aus dem schriftsätzlich angekündigten Antrag, sondern aus der Berufungsbegründung. Diese wendet sich nicht gegen die von der Disziplinarkammer im Anschluss an die strafgerichtlichen Feststellungen getroffenen Feststellungen zum subjektiven und objektiven Tatbestand des Dienstvergehens. Vielmehr wird sie allein mit der aus der Sicht des Beamten wegen Vorliegens von Milderungsgründen überzogenen Disziplinarmaßnahme begründet. Daher ist der Senat an die getroffenen Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden.
29 
Infolge der Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß steht folglich bindend fest, dass der Beamte mit der vom Verwaltungsgericht - auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts ... vom 05.10.2005 (vgl. § 19 Abs. 1 LDO) - festgestellten Verfehlung (Körperverletzung im Amt) vorsätzlich die ihm aus § 73 Satz 2 und 3 (Pflicht, sein Amt nach bestem Gewissen zu verwalten; Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten), § 74 Satz 2 (Pflicht, die dienstlichen Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen) sowie § 75 Abs. 1 LBG (Pflicht zu rechtmäßigem dienstlichen Handeln) obliegenden Beamtenpflichten verletzt und ein einheitliches - innerdienstliches - Dienstvergehen im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG begangen hat. Der Senat hat deshalb nur noch darüber zu befinden, ob die von der Disziplinarkammer ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (vgl. § 11 LDO) gerechtfertigt und ggf. die Entscheidung über die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags abzuändern oder aber, was der Beamte anstrebt, auf Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (vgl. § 10 LDO) zu erkennen ist.
30 
1. Der Senat teilt die von der Disziplinarkammer ausführlich begründete Einschätzung, dass aufgrund des erwiesenen - schwerwiegenden - Dienstvergehens die Entfernung des Beamten aus dem Dienst (§ 11 LDO) unumgänglich ist. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
31 
a) Ein Polizeibeamter, der selbst Straftaten begeht, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit auf das Schwerste. Er stellt seine Eignung, für die Wahrung von Recht und Gesetz einzutreten und die Kriminalität zu bekämpfen, nachhaltig in Frage, wenn er selbst einen Straftatbestand verwirklicht. Ein Polizeibeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine oder mehrere vorsätzliche Körperverletzungen begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt, verstößt in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr und verletzt den Kernbereich seiner Dienstpflichten. Er missbraucht damit die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse, erschüttert das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit und beeinträchtigt in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei als staatlicher Institution, weil der Achtungsverlust des Beamten auf die Polizei insgesamt ausstrahlt. Denn die Allgemeinheit darf mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt wird, die kraft ihrer Dienstpflicht die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen haben (vgl. Urteil des Senats vom 10.11.2006 - DL 16 S 22/06 - juris; BayVGH, Urteil vom 05.03.2008 - 16a D 07.1368 - juris m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 10.03.1999 - 6d A 255/98.O - IÖD 1999, 224 = DÖD 2000, 39). Daraus folgt, dass bei rechtswidrigen und schuldhaften Körperverletzungen im Amt an Personen, denen gegenüber der Beamte Amtshandlungen vorzunehmen hatte, im Regelfall eine der nur im förmlichen Disziplinarverfahren statthaften Disziplinarmaßnahmen geboten ist. Körperverletzungsdelikte hat der Gesetzgeber im Strafgesetzbuch unter erhebliche Strafandrohung gestellt (vgl. §§ 223 ff. StGB) und die Bedeutung des Schutzgutes der körperlichen Unversehrtheit vor staatlichen Übergriffen in der besonderen Strafbestimmung des § 340 StGB über die Körperverletzung im Amt zum Ausdruck gebracht. In schwerwiegenden Fällen, vor allem bei Übergriffen auf sich in (polizeilichem) Gewahrsam befindenden Personen ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung angesichts der Tatsache, dass aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine staatliche Schutzpflicht abzuleiten ist, die körperliche Integrität jeder Person in staatlichem Gewahrsam zu wahren und zu schützen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060), im Regelfall die Dienstentfernung erforderlich (BayVGH, Urteil vom 05.03.2008 - 16a D 07.1368 - a.a.O. m.w.N.; VGH BW, Urteil vom 30.09.1991 - D 17 S 5/91 - juris; OVG NRW, Urteil vom 10.03.1991 - 6d A 255/98.O - a.a.O.; vgl. auch Claussen/Janzen, BDO RdNr. 8 c u. 41 c zu Einleitung D). Mit Urteil vom 16.11.2006 (- DL 16 S 22/06 - a.a.O.) hat der Senat diese Rechtsprechung dahin modifiziert, dass bei derartigen Dienstvergehen die Höchstmaßnahme regelmäßig in Betracht zu ziehen und sie jedenfalls dann typischerweise die allein angemessene Maßnahme ist, wenn der Übergriff nicht durch eine über das Alltägliche hinausreichende Provokation bedingt war. Dies bedeutet umgekehrt, dass jedenfalls schwere Provokationen oder gar Angriffe mildernd zu berücksichtigen sind. Zu würdigen sind weiter Art, Intensität und Häufigkeit des Übergriffs, dessen Folgen und je nach Sachlage auch das Nachtatverhalten; nicht außer Acht bleiben kann ferner, wenn es - etwa durch Presseveröffentlichungen - tatsächlich zu einer erheblichen Gefährdung oder gar Schädigung des unabdingbaren Vertrauens in den Polizei- oder Justizvollzug gekommen ist. Schließlich ist auch in die Erwägungen einzubeziehen, ob es sich möglicherweise um eine persönlichkeitsfremde Tat gehandelt hat.
32 
b) Die auf dieser Grundlage vorzunehmende Gesamtbetrachtung ergibt, dass die vom Beamten begangene Körperverletzung im Amt schon für sich genommen, jedenfalls aber in Verbindung mit dem Nachtatverhalten das erforderliche Vertrauen in nicht wiederherzustellender Weise zerstört hat.
33 
aa) Mildernd ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Tat durch den ihr unmittelbar vorausgehenden Tritt des Geschädigten gegen die Schläfe des Beamten - die diesen allerdings lediglich streifte und keine nennenswerte Verletzung verursachte - provoziert wurde.
34 
bb) Angesichts des Eigengewichts des Körperverletzungsdelikts und mehrerer erschwerender Umstände kann dieser Provokation vorliegend im Ergebnis aber kein entscheidungserhebliches Gewicht beigemessen werden:
35 
(1) Die Körperverletzungshandlung selbst zeugt von besonderer Brutalität. Der Beamte hat dem Geschädigten mit großem Krafteinsatz mindestens zweimal heftig mit der Handkante oder dem Handballen in das Gesicht geschlagen, um diesen zu verletzen, und konnte nur durch den mahnenden Zwischenruf seines Kollegen zur Besinnung gebracht werden. Das Maß der Gewaltanwendung stand, wie die Disziplinarkammer zu Recht ausgeführt hat, völlig außer Verhältnis zu der vorangegangenen Provokation seitens des dem Beamten eindeutig unterlegenen, erheblich alkoholisierten und schutzlos ausgelieferten Geschädigten. Infolge der massiven Gewaltanwendung zog sich der Geschädigte eine gravierende und folgenschwere Kopfverletzung (doppelter Kieferbruch) zu. Er konnte zwei Monate lang nur flüssige Nahrung zu sich nehmen und kann seinen Kiefer seither nicht mehr vollständig öffnen.
36 
(2) Erschwerend fällt zudem ins Gewicht, dass der lebens- und berufserfahrene Beamte, der dem fraglichen Polizeirevier, das für die problematischsten Stadtteile ... zuständig ist, seit 1979 - unterbrochen nur durch einige Abordnungen - angehörte, mit schwierigen Situationen vertraut war und als Dienstführer zudem Vorbildfunktion für die Schicht hatte.
37 
(3) Gegen den Beamten spricht des weiteren sein Nachtatverhalten. Zu Recht hat die Disziplinarkammer es als erschwerend gewertet, dass der Beamte versucht hat, durch Abfassung eines unrichtigen Vorkommnisberichts sein vorangegangenes strafbares innerdienstliches Fehlverhalten zu verdecken. An dieser unrichtigen Darstellung hielt er auch in seiner im Ermittlungsverfahren abgegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 27.06.2002 und in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... am 17.08.2004 fest. Erst in der Berufungsinstanz hat der Beamte auf Rat seines Verteidigers ein Geständnis abgelegt sowie durch die einen Tag vor Verhandlungsbeginn erfolgte Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,-- EUR und eine von dem Geschädigten akzeptierte Entschuldigung einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Ziff. 1 StGB herbeigeführt. Es ist nicht erkennbar, dass dieses Geständnis von Reue und Einsicht des Beamten in sein gravierendes Fehlverhalten getragen wäre. Dagegen spricht, dass der Beamte in der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer am 10.12.2007 erneut versucht hat, sein Verhalten zu beschönigen. Dass er in der heutigen Hauptverhandlung vor dem Senat sein „extremes Fehlverhalten“ uneingeschränkt eingeräumt und Reue gezeigt hat, vermag ihn vor diesem Hintergrund kaum zu entlasten. Was die mit der Berufung angeführte positive Beurteilung des Strafgerichts, die in der Strafaussetzung zur Bewährung zum Ausdruck kommt, anbelangt, sind die ganz unterschiedlichen Zwecksetzungen von Kriminalstrafen und Disziplinarmaßnahmen zu berücksichtigen. Anknüpfungspunkt für die zu verhängende Disziplinarmaßnahme sind das besondere Gewicht und die Schwere der dienstrechtlichen Verfehlung, nicht die vorangegangenen strafrechtlichen Bewertungen. Im Unterschied zum Strafrecht ist ausschließlicher Zweck des Disziplinarrechts, das Vertrauen in die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern (BVerwG, Urteil vom 24.02.1999 - 1 D 72.97 -, juris).
38 
(4) Schließlich ist zu Lasten des Beamten zu berücksichtigen, dass das Dienstvergehen infolge der Presseberichterstattung zu einer massiven Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums und der Polizei in der Öffentlichkeit geführt hat.
39 
cc) Milderungsgründe, aufgrund derer von der Entfernung aus dem Dienst abgesehen werden könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen vor (vgl. zu diesem für die Zugriffsdelikte entwickelten Milderungsgrund etwa BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 - 1 D 16.96 -, juris; vgl. zur unbedachten Gelegenheitstat, die ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit voraussetzt, auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.11.2001 - D 17 S 15/01 -). Denn die Anwendung dieses Milderungsgrundes setzt voraus, dass der Beamte einmal spontan ohne hinreichende Überlegung quasi kurzschlussartig gehandelt hat, weil nur dann davon ausgegangen werden kann, dass das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn nicht völlig zerstört ist und wiederhergestellt werden kann. Der Beamte hat hier nicht einmalig versagt, vielmehr bestand sein Versagen aus verschiedenen „Teilakten“ (Körperverletzung; Abfassung des unrichtigen Vorkommnisberichts; bewusstes Erschweren der Ermittlungen über Jahre hinweg).
40 
Auch wenn der Beamte disziplinarisch nicht vorbelastet ist, erscheint angesichts des Umfangs und der Nachdrücklichkeit seines Versagens das notwendige Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn endgültig zerstört. Der Ansehens- und Vertrauensverlust wird auch durch die beanstandungsfreie, langjährige Tätigkeit des Beamten, seine überwiegend guten Beurteilungen und die Schmerzensgeldzahlung (erst) nach Aufklärung der Tat nicht derart relativiert, dass von einer Entfernung aus dem Dienst abgesehen werden könnte.
41 
Der Umstand, dass der Beamte nach dem Dienstvergehen noch über zwei Jahre im Polizeidienst war und diesen Dienst - was unterstellt werden kann, so dass es der schriftsätzlich angeregten Beweiserhebung nicht bedarf - verantwortungsbewusst, engagiert und gewissenhaft ausgeübt hat, spricht nicht dafür, dass seitens des Dienstherrn noch ein Restvertrauen in den Beamten vorhanden ist. Dass der Beamte erst im September 2003 vom Dienst suspendiert wurde, ist der Unschuldsvermutung geschuldet. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren war zunächst mit Verfügung vom 30.01.2003 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Auf die Beschwerde des Geschädigten wurde das Ermittlungsverfahren erst am 11.06.2003 wieder aufgenommen. Erst nach der erneuten Vernehmung des Zeugen ... am 15.08.2003 bestanden hinreichende Anhaltspunkte für ein schwerwiegendes Dienstvergehen des Beamten in Gestalt einer Körperverletzung im Amt, die den Erlass einer entfernungsvorbereitenden vorläufigen Dienstenthebung rechtfertigten.
42 
Nach Abwägung aller für und gegen den Beamten sprechenden Umstände ist vor diesem Hintergrund wegen des eingetretenen endgültigen Ansehens- und Vertrauensverlustes die Entfernung aus dem Dienst geboten und verhältnismäßig.
43 
Auch die zweifellos harten wirtschaftlichen Folgen, die die Entfernung aus dem Dienst für den Beamten nach sich zieht, können die angestrebte Milderung des Disziplinarmaßes nicht rechtfertigen. Anknüpfungspunkt für die zu verhängende Disziplinarmaßnahme sind das Gewicht und die Schwere des Dienstvergehens (vgl. Urteil des Senats vom 16.10.2000 - D 17 S 13/00 -, juris, bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 22.11.2001 - 2 BvR 2138/00 - NVwZ 2002, 467); die wirtschaftlichen Einbußen, die mit einer Entfernung aus dem Dienst als der angemessenen und erforderlichen disziplinaren Ahndung des Fehlverhaltens eines Beamten verbunden sind, fallen in dessen Risikobereich (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.1999 - 1 D 72.97 -, juris). Ihnen ist ggf. durch die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach § 75 Abs. 1 LDO Rechnung zu tragen (vgl. Urteile des Senats vom 16.10.2000, a.a.O. und vom 25.03.1996 - D 17 S 20/95 -, juris).
44 
Die lange Verfahrensdauer vermag ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Entfernung aus dem Dienst zu führen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine disziplinarische Maßnahme unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden, wenn das Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange dauert. Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass bereits die mit einem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile auf den Beamten einwirken können mit der Folge, dass das durch das Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis durch die Verfahrensdauer gemindert wird oder sogar ganz entfallen kann. Dementsprechend ist bei der Frage, welche Disziplinarmaßnahme zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes erforderlich ist, stets zu prüfen, ob und inwieweit bereits mit einem langen Disziplinarverfahren konkret verbundene Nachteile auf den Beamten positiv eingewirkt haben (vgl. BVerfGE 46, 17 <29 f.>). Diese Überlegungen greifen jedoch nicht, wenn die Entfernung des Beamten aus dem Dienst geboten ist. Bei der Dienstentfernung geht es darum, das Dienstverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil jedes Vertrauen in den Beamten unwiederbringlich verloren gegangen ist. Auf positive Veränderung zielende Maßnahmen können diesen Vertrauensverlust ebenso wenig beheben wie die aus einer langen Verfahrensdauer dem Beamten entstehenden Nachteile. Ein solcher Beamter ist vielmehr für den öffentlichen Dienst untragbar geworden und muss unabhängig von der Verfahrensdauer aus Gründen der Funktionssicherung aus dem Dienst entfernt werden (st. Rspr. des BVerfG; vgl. BVerfGE 46, 17 <28>; Beschluss vom 08.09.1993 - 2 BvR 1517/92 - NVwZ 1994, 574; Beschluss vom 09.09.1994 - 2 BvR 1989/94 - NVwZ 1996, 1199 <1200>; Beschluss vom 09.08.2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372). Vorliegend kann im Übrigen die lange Verfahrensdauer auch deshalb nicht zugunsten des Beamten berücksichtigt werden, weil sie ihre Ursache im Wesentlichen in dessen eigenem Verhalten hat, welches die Ermittlungen wesentlich erschwerte und verzögerte.
45 
2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dem Beamten einen Unterhaltsbeitrag nach Maßgabe des § 75 Abs. 1 LDO in Höhe von 75 % des erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von einem Jahr bewilligt. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Entscheidung abzuändern und etwa einen längeren Bewilligungszeitraum festzusetzen. Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf zu erleichtern. Diesem Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte nachweisbar und in ausreichendem Maße, d.h. fortlaufend um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Grundlagen bemüht. Er ist gehalten, sich als Arbeit suchend zu melden, sich fortwährend auf Arbeitsplatzangebote in den Tageszeitungen oder im Internet zu bewerben und auch selbst, beispielsweise durch telefonische Nachfragen oder eigene Stellengesuche, initiativ zu werden. Der auf ein Jahr festgesetzte Bewilligungszeitraum gibt dem 50jährigen, arbeitsfähigen Beamten, der keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat, ausreichend Gelegenheit für eine berufliche Umorientierung.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112 Abs. 1 Satz 1 LDO.
47 
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).