Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 21. Nov. 2017 - B 3 E 17.33402

bei uns veröffentlicht am21.11.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Bayreuth

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsteller, chinesische Staatsangehörige, begehren einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (B 3 K 17.33403) nicht nach China abgeschoben zu werden.

Der erste Asylantrag der Antragstellerin zu 1 wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.07.2003 (Az.: ) als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg am 17.02.2004 ab. Den am 23.11.2012 gestellten Folgeantrag (Az.: ) lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.07.2013 ebenfalls ab. Die daraufhin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 04.11.2014 (Az.: B 3 K 13.30183) ab.

Die Asylanträge des in Deutschland geborenen Antragstellers zu 2 (Az.: ) und der ebenfalls in Deutschland geborenen Antragstellerin zu 3 (Az.: ) wurden mit Bescheiden der Antragsgegnerin vom 27.05.2010 bzw. 20.11.2011 abgelehnt. Der Asylantrag des in Deutschland geborenen Antragstellers zu 4 vom 07.09.2012 (Az.: ) wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.07.2013 abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 04.11.2014 (Az.: B 3 K 13.30190) ab. Der Berufungszulassungsantrag des Antragstellers zu 4 wurde mit Beschluss des BayVGH vom 08.01.2015 (Az.: 15 ZB 15.30001) abgelehnt.

Am 22.11.2016 stellten die Antragsteller bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in Zirndorf einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag).

Zur Begründung der Folgeanträge führte die Antragstellerin zu 1 im Wesentlichen aus, sie sei bereits 2003 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und ihre Kinder, die Antragsteller zu 2 bis 4, seien in Deutschland geboren. Die Antragsteller zu 2 bis 4 hätten keine Ahnung von China. Der Antragsteller zu 2 besuche die Grundschule und spreche gutes Deutsch. Der Vater der Kinder habe eine Arbeit und das Sprachzertifikat für die deutsche Sprache B 1. Die ganze Familie sei gut in die deutsche Gesellschaft integriert. Bei einer Rückkehr nach China würden sie auf große Schwierigkeiten treffen, weil dort eine Familie mit drei Kindern rechtlich unzulässig sei. Außerdem sei sie schwer erkrankt und müsse behandelt werden, in China gebe es aber keine Garantie für eine gute medizinische Versorgung. Bei einer Rückkehr hätten sie zudem keine finanziellen Mittel. Sie würden in China mit großen finanziellen Problemen und starkem Lebensdruck konfrontiert werden. Ihre Eltern seien alt und ebenfalls erkrankt und würden selbst finanzielle Hilfe benötigen. Da es in China keine bzw. keine vollständige Krankenversicherung gebe, müssten die Kosten einer medizinischen Behandlung selbst getragen werden.

Mit Schriftsatz vom 05.12.2016 präzisierte der Bevollmächtigte der Antragsteller den Folgeantrag der Antragstellerin zu 1 und beantragte bei der Antragsgegnerin, den Bescheid vom 29.07.2003 in der Fassung des Bescheides vom 11.07.2013 insoweit aufzuheben, als festgestellt wurde, dass kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt sowie des Weiteren die Abschiebeandrohung bezüglich der Volksrepublik China aufzuheben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin zu 1 leide an einer chronischen Hepatitis B, die ärztlich behandelt werde (ärztliche Bescheinigung von Dr. vom 13.06.2016). Weiterhin habe Frau Dr. eine Depression bei der Antragstellerin zu 1 festgestellt, weshalb sie zur weiteren psychiatrischen Behandlung an einen Facharzt überwiesen worden sei. Zudem sei die Antragstellerin zu 1 an einem Hypophysenmakroadenom erkrankt, weswegen die konkrete Gefahr bestehe, dass sie – wenn der Tumor nicht behandelt werde – erblinde (ärztliche Bescheinigung von , , vom 14.06.2016; Arztbrief von Prof. Dr. med. , , vom 23.11.2016). Alle Erkrankungen seien behandlungsbedürftig und eine medizinische Versorgung in China sei nicht gewährleistet. Ein Krankenversicherungssystem bestünde dort nicht. Die Antragstellerin zu 1 könne bei einer Rückkehr ihre eigenen Krankenkosten nicht tragen. Ihre Mutter in China sei bereits 62 Jahre alt und leide an Bluthochdruck, so dass diese ihre eigenen Behandlungskosten zu tragen habe und nicht in der Lage sei, für die Behandlungskosten der Antragstellerin zu 1 aufzukommen. Auch der Vater der Antragsteller zu 2 bis 4, der bereits 16 Jahre in Deutschland lebe, sei bei einer Rückkehr nach China nicht in der Lage, durch eigene Arbeit die Behandlungskosten aufzubringen, da dieser dort ebenfalls entwurzelt sei.

Mit Bescheid vom 30.10.2017 wurden die Folgeanträge als unzulässig abgelehnt (Ziff. 1). Der Antrag auf Abänderung der Bescheide vom 11.07.2013 (Antragstellerin zu 1), vom 27.05.2010 (Antragsteller zu 2), vom 20.04.2011 (Antragstellerin zu 3) und vom 11.07.2013 (Antragsteller zu 4) bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde abgelehnt.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die Anträge seien unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung der Folgeverfahren nicht vorlägen. Dem erneuten Asylvorbringen seien nicht die geringsten asylrelevanten Anhaltspunkte zu entnehmen. Der Sachvortrag beschränke sich vielmehr darauf, die bereits in den Vorverfahren dargestellten Gründe zu wiederholen. Die Antragsteller hätten keine individuellen asyl- oder flüchtlingsrelevanten Verfolgungen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure nachvollziehbar dargetan.

Die im Folgeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen für die Antragstellerin zu 1 würden ebenfalls nichts an der Sachlage ändern. Die Antragstellerin zu 1 berufe sich auf angebliche Vorgänge, die sie bereits im Laufe eines früheren Verfahrens hätte darlegen können. Die Erkrankung an der Hypophyse bestünde zumindest seit 2012, die sich möglicherweise daraus ergebende Hyperprolaktinämie sei ebenfalls bereits im Mai 2014 festgestellt und bis Ende 2015 behandelt worden. Bei der Feststellung der Hepatitis B und der Depression durch die Allgemeinmedizinerin Dr. vom 13.06.2016 sei nicht angegeben worden, seit wann diese Krankheiten bestünden bzw. diagnostiziert worden seien. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens scheiterte daher bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 51 Abs. 2 VwVfG, da die Antragstellerin zu 1 die Krankheiten nicht rechtzeitig vorgetragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass sie ohne grobes Verschulden außer Stande gewesen sei, die Krankheiten innerhalb der in § 51 Abs. 2 VwVfG genannten Zweimonatsfrist nach Kenntnis vorzutragen, seien nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Zum einen seien die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt. Im Übrigen und unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergebe sich aus den ärztlichen Bescheinigungen für die Antragstellerin zu 1 kein konkreter Behandlungsbedarf. Es seien vielmehr nur regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass die erforderlichen Kontrolluntersuchungen in China nicht gewährleistet seien.

Mit Schriftsatz vom 09.11.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 30.10.2017 und beantragte zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gem. § 123 VwGO zu beschließen:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Mitteilung gem. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG einstweilen zurückzunehmen und der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt,

hilfsweise, dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG geprüft wird.

Hilfsweise, falls das Gericht der Auffassung sein sollte, dass (auch) ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der richtige Rechtsbehelf sei, wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Antragsteller aus, die Voraussetzungen für die Durchführung eines Asylfolgeverfahren lägen vor, weil seit der letzten Entscheidung neue Tatsachen und Beweismittel existieren, die auch innerhalb der Dreimonatsfrist vorgelegt worden sei. Bei der Antragstellung am 22.11.2016 hätten die Antragsteller vorgetragen, dass sie bei Rückkehr nach China auf große Schwierigkeiten treffen würden, weil eine Familie mit drei Kindern unzulässig sei. Insoweit werde auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 14.09.2016 (Az.: A 11 S 1125/16) verwiesen.

Jedenfalls sei das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG naheliegend. Die Antragsteller zu 2 bis 4 seien in Deutschland geboren und würden die chinesischen Lebensverhältnisse nicht kennen. Durch eine zwangsweise Abschiebung trete eine Entwurzelung – verbunden mit einem schwerwiegenden Entwicklungsschaden – ein. Die Antragsteller zu 2 bis 4 könnten kein menschenwürdiges Leben in China führen.

Die Antragstellerin zu 1 leide an schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen, welche ohne medizinische und ärztliche Behandlung zu lebensbedrohlichen, jedenfalls zu schwerwiegenden, Schäden führen würden. Nach dem Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. vom 13.06.2016 leide die Antragstellerin zu 1 unter einer chronischen Hepatitis B, weshalb eine antivirale Therapie, verbunden mit einer laufenden Kontrolle durch Ultraschall, Blutentnahme und klinischer Untersuchungen, notwendig sei. Weiterhin habe die Allgemeinmedizinerin mit ärztlichem Attest vom 13.06.2016 eine Depression festgestellt und die Antragstellerin zu 1 zur weiteren psychiatrischen Behandlung zu einem Facharzt überwiesen. Der Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, , habe bei der Antragstellerin zu 1 ein magnetresonanz tomographisch nachgewiesenes Makroadenom der Hypophyse diagnostiziert, woraus eine Hyperprolaktinämie folge. Nach Aussage der Ärzte bestehe die konkrete Gefahr, dass – wenn der Tumor nicht behandelt werde -, die Antragstellerin zu 1 erblinde. Insoweit wurde auf das Attest des Frauenarztes vom 14.06.2016, auf den Befundbericht des MVZ … … vom 18.11.2016 sowie auf das Schreiben von Prof. Dr. med. vom 30.01.2017 Bezug genommen.

Alle drei Krankheiten seien behandlungsbedürftig. Bei fehlender Behandlung werde die Gesundheit der Antragstellerin zu 1 einen ernsthaften und schweren Schaden nehmen, so dass Gefahr für Leib und Leben bestehe. Eine medizinische Grundversorgung sei für große Teile der chinesischen Bevölkerung nur unzureichend gewährleistet. Selbst derjenige, der versichert sei, müsse einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen. Der Antragstellerin zu 1, die seit 2003 lebe, könne die Behandlung ihrer Krankheiten in China nicht aus eigener Kraft stemmen. Auch ihre Eltern seien nicht in der Lage, die Behandlungskosten zu übernehmen. Der Lebenspartner und Vater der Antragsteller zu 2 bis 3 sei bereits seit 16 Jahren in Deutschland und wäre dementsprechend nicht in der Lage, durch eigene Arbeit die Behandlungskosten für die Antragstellerin zu 1 in China aufzubringen.

Soweit die Antragsgegnerin die „Drei-Monats-Frist“ als nicht eingehalten ansehe, werde auf den Befundbericht des MVZ vom 18.11.2016 sowie auf den Arztbericht vom 23.11.2016 (Prof. Dr. med. ) verwiesen, wonach jedenfalls ein Wachstum des Tumors eingetreten sei, weshalb nunmehr eine Operation notwendig werde. Dementsprechend sei - aufgrund der Arztberichte vom 18.11. bzw. 23.11.2016 - eine Änderung der dem Abschiebeverbot zugrundeliegenden Sachlage gegeben und - daran anknüpfend - die Antragsfrist gewahrt.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2015 legte der Bevollmächtigte der Antragsteller ein Schreiben des Klinikums – Klinik für Neurochirurgie – vom 14.11.2017 vor, wonach bei der Antragstellerin zu 1 aufgrund des Hypophysenmakroandenom eine neurochirurgische Behandlung sowie eine Operation erforderlich sei. Ein entsprechender Operationstermin sei im November 2017 angeboten worden. Auf Wunsch der Antragstellerin zu 1 sei der Termin aber auf Februar 2018 verschoben worden.

Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte vor, äußerte sich aber bislang in der Sache nicht.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens (B 3 K 17.33403) sowie auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 S. 2 VwGO).

II.

Der Antrag vom 09.11.2017, der - nach entsprechender Auslegung gem. §§ 122, 88 VwGO -den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Antragsteller bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (B 3 K 17.33402) nicht abgeschoben werden dürfen, zum Gegenstand hat, bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist zulässig, insbesondere gemäß § 123 Abs. 5 VwGO statthaft. Obwohl die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) im Hauptsacheverfahren mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 - juris), liegt kein Fall des § 80 Abs. 5 VwGO vor, weil keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen wurde und die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, für sich betrachtet – ohne die bereits rechtskräftigen Abschiebungsandrohungen – keinen vollziehbaren Verwaltungsakt, aus dem die Vollstreckung droht, darstellt (VG Bayreuth, B.v. 11.07.2017 – B 6 E 17.32344 – juris; VG München, B.v. 30.05.2017 – M 24 E 17.41447 – juris; VG Würzburg, B.v. 19.6.2017 – W 1 S 17.32522 – juris; VG Augsburg, B.v. 14.3.2017 – Au 5 E 17.31264 - juris; a.A. VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482- juris sowie VG Dresden, B.v. 11.09.2017 – 13 L 1004/17.A – juris: vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Folgeantragsbescheid ohne erneute Abschiebungsandrohung erfolgt durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig sowie durch einen (hilfsweisen) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Gericht schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist stets, dass der Antragsteller den materiell-rechtlichen Anspruch, für den er vorläufigen Rechtsschutz begehrt (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden (§ 294 Abs. 1 ZPO). Zudem genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. Die Behauptung ist glaubhaft gemacht, sofern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Hierbei unterliegt die Wahrscheinlichkeitsfeststellung dem Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens und ist ein Akt wertender richterlicher Erkenntnis (SächsOVG, B.v. 22.9.2017 – 4 B 268/17 – juris).

Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - juris).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze haben die Antragsteller keinen Anspruch auf Mitteilung an die Ausländerbehörde, einstweilen von einer Abschiebung nach China abzusehen, glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat aller Voraussicht nach die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zu Recht abgelehnt (dazu a). Die Antragsteller haben darüber hinaus auch keinen Anspruch Feststellung von Abschiebungsverboten glaubhaft gemacht (dazu b).

a) Die Antragsteller haben keinen Anspruch darauf, dass die Mittelteilung der Antragsgegnerin nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die Ausländerbehörde unterbleibt bzw. zurückgenommen wird, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, kein Folgeverfahren durchzuführen (§ 71 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG), bestehen.

Vorliegend kann dahinstehen, ob mit Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 05.12.2016 der Folgeantrag der Antragstellerin zu 1 vom 22.11.2016 auf die Abänderung der Entscheidungen zu den Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG aus früheren Bescheiden bzw. auf die (neuerliche) Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkt wurde (vgl. hierzu Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 71 Rn. 95 ff.) oder ob mit dem Folgeantrag auch ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die Anerkennung der Antragstellerin zu 1 als Asylberechtigte bzw. auf die Zuerkennung des internationalen Schutze begehrt wird, da jedenfalls inhaltlich die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 – 3 VwVfG nicht vorliegen.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Gemessen hieran hat die Antragsgegnerin zu Recht, den Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt, da Wiederaufgreifensgründe nicht ersichtlich sind. Diesbezüglich wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend ist auszuführen, dass auch das in der Antragsschrift zitierte Urteil des VGH Mannheim vom 14.09.2016, (Az.: A 11 S 1125/16) keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten der Antragsteller im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellt. Im besagten Urteil nimmt der VGH Mannheim - entgegen der wohl herrschenden Meinung und entgegen der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts - an, dass im Hinblick auf die chinesische Ein-Kind-Politik eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung in Anknüpfung an das Merkmal des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG (soziale Gruppe) gegeben ist. Selbst wenn man dieser Entscheidung inhaltlich folgen würde, führt eine abweichende Rechtsprechung bzw. die Änderung der Rechtsprechung eines erst- oder zweitinstanzlichen Gerichtes nicht zu einer Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (vgl. nur BVerwG, B. v. 16.2.1993 – 9 B 241/92 – juris; BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 3 B 83/93 – juris).

Im Übrigen wurden – wie die Antragsgegnerin bereits im Bescheid zutreffend festgestellt hat – bei der Folgeantragstellung nicht einmal im Ansatz Gründe vorgetragen, die asyl- oder flüchtlingsrechtliche Relevanz hätten. Die vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden sind allenfalls im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens hinsichtlich der Abschiebungsverbote bzw. bezüglich des Antrags auf Feststellung von Abschiebungsverbote relevant, jedoch nicht für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zur Durchführung eines asylrechtlichen Folgeverfahrens vorliegen, da sich die Ablehnung des Folgeantrages als unzulässig nach § 71 Abs. 1 AsylG i. V. m § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG (nur) auf die Asylanerkennung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus bezieht (vgl. VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A – juris).

b) Die Antragsteller haben das Vorliegen von Abschiebungsverboten, insbesondere ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person der Antragstellerin zu 1, ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG erfasst seit dem Inkrafttreten des Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) am 6. August 2016 auch unzulässige Asylanträge und somit auch die Konstellation, wenn nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist u.a. in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Dies bedeutet, dass in Asylverfahren, die einen Asylfolgeantrag zum Gegenstand haben, jedenfalls nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Regelung die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots vorliegen, entgegen der bis zum 5. August 2016 geltenden Rechtslage unabhängig davon zu treffen ist, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (vgl. SächsOVG, U.v. 21.6.2017 – 5 A 109/15.A – juris; VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Würzburg, U.v. 15.2.2017 – W 6 K 16.31039 – juris; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 - juris). Das Bundesamt - oder ggf. im weiteren Verfahren das Gericht - hat daher im Falle eines nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Folgeverfahrens eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ohne die Einschränkungen des § 51 VwVfG durchzuführen.

Vorliegend hat die Beklagte bezüglich der Abschiebungsverbote zwar nur eine Entscheidung nach § 51 VwVfG getroffen. Gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG ist die getroffene Entscheidung jedoch umzudeuten. In der Begründung zu Ziffer 2 des Bescheides hat die Antragsgegnerin selbst ausgeführt, dass eine Abänderung der bisherigen Entscheidung auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrages nicht gerechtfertigt sei. Insoweit hat sie das Vorliegen von Abschiebungsverboten zumindest inzident im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 51 Abs. 5 VwVfG geprüft (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris).

Letztlich entscheidend ist, dass - in der hier im Hauptsacheverfahren maßgebenden Verpflichtungssituation - auch für das Gericht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes erkennbar ist.

aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung – das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 8.11.2016 – 6a L 2452/16.A – juris).

Dies zugrunde gelegt besteht für die Antragstellerin zu 1 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr nach China droht.

(1) Der Vortrag einer „Depression“ (Attest der Allgemeinärztin Dr. vom 13.06.2016 bzw. Attest des Frauenarztes vom 11.10.2016) genügt schon nicht den Anforderungen im Hinblick auf die Substantiierung des Vorbringens einer psychischen Erkrankung.

Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 11.09.2007 – 10 C 17/07 – juris).

Die Ausführungen im Attest vom 13.06.2016 werden den vorstehenden Ausführungen nicht einmal im Ansatz gerecht. Das Attest beschränkt sich auf folgende Aussage: „Zudem besteht eine Depression, sie wurde von mir zum Psychiater überwiesen“. Damit erfüllt das Attest weder inhaltlich noch formal die notwendigen Anforderungen, zumal die Rechtsprechung im Falle psychischer Erkrankungen die Vorlage eines aktuellen fachärztlichen Attestes fordert (vgl. BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris).

Nichts anderes ergibt sich aus dem Attest des Frauenarztes vom 11.10.2016, in dem lediglich - wiederum ohne weitere Ausführungen - der Verdacht auf eine akute Depression bescheinigt wird. Daneben handelt es sich beim Frauenarzt um keinen Facharzt auf diesem Gebiet.

Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und nicht auf „Depressionen“ anwendet, so ist jedenfalls auch eine (akute) Depression nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation ergeben, enthalten.

Die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG beschränkt sich dabei nicht nur auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfasst auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 15.31612 – juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 – W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 – M 21 K 16.36151 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 – 6a K 2802/15.A. – juris; VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte (vgl. ausführlich: VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris m.w.N.)

Selbst diesen Anforderungen werden die beiden Atteste nicht annähernd gerecht. Auch insoweit fehlt es an qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen. Die besagten Atteste erwähnen lediglich mit einem Wort, dass bei der Antragstellerin zu 1 eine (akute) Depression bestehe. Nähere Ausführungen werden nicht gemacht, insbesondere fehlen Angaben zur Diagnose, zur Dauer und zum Verlauf des Krankheitsbildes. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, ob die Antragstellerin zu 1 tatsächlich einen Psychiater aufgesucht hat und wie sich die Beschwerden seit dem Sommer/Herbst 2016 entwickelt haben.

Da auch keine anderweitigen Anhaltspunkte für eine aktuell lebensbedrohliche oder schwerwiegende psychische Störung der Antragstellerin zu 1 vorliegen, scheidet die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 im Hinblick auf die „Depression“ der Antragstellerin zu 1 aus.

(2) Gleiches gilt für die vorgetragene Hepatitis B-Erkrankung der Antragstellerin zu 1. Auch insoweit liegt nur ein Attest der Hausärztin vom 13.06.2016 vor, welches wiederum nahezu 1,5 Jahre alt ist und dem keine weiteren Einzelheiten – außer dem Hinweis auf die antivirale Therapie und den notwendigen Kontrolluntersuchungen – zu entnehmen sind. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, wie sich die Krankheit entwickelt hat und wie sich das Krankheitsbild gegenwärtig darstellt. Somit wird auch die vorgetragene Hepatitis B-Erkrankung dem substantiierten Vortrag einer Erkrankung im Rahmen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht gerecht.

(3) Auch das magnetresonanztomografisch festgestellte Makroadenom der Hypophyse (Tumor der Hirnanhangdrüse) führt im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG) nicht zur Feststellung eines zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG.

Zwar wurden bezüglich dieses Krankheitsbildes mehrere fachärztliche Atteste vorgelegt, diese Atteste sind aber wiederum weitgehend aus dem Jahr 2016 bzw. vom Januar 2017. Im Bericht des MVZ vom 18.11.2016 wird ausgeführt, dass aus neurochirurgischer Sicht – abhängig von weiteren Befunden – eine entsprechende Therapie, entweder medikamentös oder operativ, eingeleitet werden muss, da ansonsten die Gefahr der Erblindung der Antragstellerin zu 1 bestehe. Mit Schreiben vom 30.01.2017 führte Prof. Dr. med. , , aus, dass nach einem medikamentösen Therapieversuch über die nächsten drei Monate entschieden werden müsse, ob eine Operation des Tumors notwendig sei. Weitere ärztliche Befunde, insbesondere wie die medikamentöse Therapie verlaufen ist bzw. wie akut eine Operation notwendig ist, wurden nicht vorgelegt. Im Eilverfahren wurde lediglich ein Schreiben des Klinikums – Klinik für Neurochirurgie – vom 14.11.2017 vorgelegt, dem zu entnehmen ist, dass bei der Antragstellerin zu 1 eine neurochirurgische Behandlung sowie eine Operation erforderlich sei. Diesem Schreiben kann jedoch nichts zur Dringlichkeit der Operation und zum vorherigen medikamentösen Behandlungserfolg entnommen werden. Für das Gericht ist es auch in keinster Weise nachvollziehbar, warum ein für November 2017 vorgeschlagener Operationstermin auf Wunsch der Antragstellerin zu 1 verschoben wurde. Offensichtlich stehen dieser Terminverschiebung auch keine medizinischen Bedenken entgegen, da das Klinikum lediglich ausführt, ein angebotener Operationstermin sei auf Wunsch der Antragstellerin zu 1 auf Februar 2018 verschoben wurden. Ein genaueres Operationsdatum wurde nicht genannt.

Somit erfüllt die aktuelle ärztliche Stellungnahme vom 14.11.2017 ebenfalls nicht die Voraussetzungen zur Darlegung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich bei einer Rückkehr in die Heimat alsbald wesentlich verschlechtern würde. Nachdem der Operationstermin offensichtlich ohne Weiteres und ohne nachvollziehbaren Grund verschoben wurde, ist zumindest gegenwärtig davon auszugehen, dass keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Antragstellerin zu 1 alsbald nach der Rückkehr nach China eintreten wird. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG sind daher gem. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG insoweit ebenfalls nicht erfüllt.

(4) Die Hyperprolaktinämie (Überschuss des Hormons Prolaktin im Blut, welches während der Schwangerschaft für das Wachstum der Brust und danach an der Milchbildung beteiligt ist), die offensichtlich von der Erkrankung der Hypophyse herrührt bzw. herrührte, rechtfertigt ebenfalls kein Abschiebungsverbot. Die Krankheit wurde medikamentös vom 09.09.2014 bis Ende 2015 behandelt (vgl. Attest vom 14.06.2016). Nachdem das Attest am 14.06.2016 ausgestellt wurde, ist davon auszugehen, dass die Behandlung Ende 2015 erfolgreich beendet wurde. Jedenfalls fehlen jegliche Nachweise, dass die Antragstellerin zu 1 insoweit weiterhin in Behandlung ist. Im Übrigen dürfte es sich hierbei ohnehin nicht um ein lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG handelnbb) Anhaltspunkte für andere Abschiebungsverbote, insbesondere nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die Abschiebung der Antragsteller zu 2 bis 4 - zusammen mit ihrer Mutter - nach China stellt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar, nur weil die Kinder in Deutschland geboren wurden und bislang noch nie in China gelebt haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 122


(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71 Folgeantrag


(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 31 Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 47 Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes


(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können un

Zivilprozessordnung - ZPO | § 580 Restitutionsklage


Die Restitutionsklage findet statt:1.wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;2.wenn eine Urkunde, auf die das Urteil

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Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger unter nahezu vollständig wörtlicher Wiedergabe des Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. März 2014 (Az. A 6 K 1868/12 - juris Rn. 24 bis 32) rügt, die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht richtig, macht er keinen gesetzlichen Zulassungsgrund im Sinn des § 78 Abs. 3 AsylVfG geltend.

2. Die Divergenzrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG.

Der Zulassungsgrund der Abweichung einer obergerichtlichen Entscheidung setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten Gerichts abweicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1995 - 8 B 44/95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Nr. 2; B.v. 11.8.1998 - 2 B 74/98 - NVwZ 1999, 406; B.v. 8.7.2011 - 5 B 22/11 - ZOV 2011, 219). Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenüber gestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.2012 - 4 BN 35/12 - juris; B.v. 27.9.2012 - 8 B 22/12 - juris). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht.

Zum einen ist im Zulassungsantrag schon keine Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts angeführt, von denen das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen soll. Vielmehr wird lediglich die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts (VG Freiburg, U.v. 12.3.2014 - A 6 K 1868/12 - juris) zitiert. Zum anderen ist nicht aufgezeigt, welcher die erstinstanzliche Entscheidung tragende Rechtssatz von welchem Rechtssatz in einer anderen Entscheidung abweichen soll.

2. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist ebenfalls nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügt.

Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2006 - 5 B 99/05 - juris; B.v. 1.7.2009 - 1 WNB 1/09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1; B.v. 4.10.2012 - 2 B 112/11 - juris). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

Abgesehen davon, dass die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage

„ob einem nicht-ehelichen in Deutschland geborenen Kind unter Verstoß gegen die chinesische Geburtenregelung der Ausschluss von der Teilnahme am staatlichen Schul- und Gesundheitssystem droht, wenn seine Mutter zu Zahlung eines Bußgeldes von mehreren Jahresgehältern außerstande ist und wenn das Kind als drittes, nicht-eheliches Kind in Deutschland einer chinesischen Familie geboren ist und somit einer diskriminierenden Rechtlosstellung in Anknüpfung an die soziale Gruppe der unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelung geborenen Kinder darstellt, die zur Flüchtlingsanerkennung führt“

in ihrem letzten Teil schon nicht verständlich formuliert ist, hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage für den vorliegenden Rechtsstreit nicht aufgezeigt. Denn das Verwaltungsgericht hat einen möglichen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht deswegen verneint, weil es angenommen hat, nicht-ehelichen und unter Verstoß gegen die chinesische Geburtenregelung in Deutschland geborenen Kindern drohe kein Ausschluss von der Teilnahme am staatlichen Schul- und Gesundheitssystem, wenn seine Mutter zur Zahlung eines Bußgeldes von mehreren Jahresgehältern außerstande ist. Vielmehr hat es angenommen, dass nicht jedes zweit- und drittgeborene Kind in China unter den Begriff der bestimmten sozialen Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Qualifikationsrichtlinie fällt und der Ausschluss vom Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem nach der Erkenntnislage keine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte nach § 60 Abs. 1 AufenthG a. F., § 3 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie darstellt (vgl. Urteilsabdruck S. 5). Hiergegen hat der Kläger Einwände nicht erhoben.

Zudem hat der Kläger nicht aufgezeigt, dass seine Mutter im Falle der Rückkehr in ihre Heimat tatsächlich außerstande wäre, ein gegen sie wegen des Verstoßes gegen die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China verhängtes Bußgeld zu bezahlen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Höhe der Geldbuße an das Einkommen der Eltern des Klägers gekoppelt sei und diese für ihre Ausreise mehrere tausend DM bzw. Euro aufbringen mussten und konnten. Daraus hat es den Schluss gezogen, dass ihnen auch die Zahlung der Geldbuße möglich sein werde (vgl. Urteilsabdruck S. 5). Dem setzt der Kläger lediglich die Behauptung entgegen, seine Mutter selbst sei nicht erwerbstätig und lebe vom Einkommen seines Vaters. Diese Ausführungen genügen dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht (zum Erfordernis der Darlegung vgl. BayVGH, B. v. 9.9.2013 - 2 ZB 13.30255 - juris Rn. 5 m. w. N.), zumal das Verwaltungsgericht nicht allein auf die Zahlungsfähigkeit der Mutter des Klägers, sondern beider - zusammen lebender - Elternteile abgestellt hat und die fehlende Zahlungsfähigkeit zudem nicht allein durch das Einkommen einer Person bestimmt werden kann.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 Alternative 2 RVG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 - teilweise geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wurde am 02.03.2015 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und ist chinesischer Staatsangehöriger. Er hat drei Geschwister, die am 23.07.2009 (Klägerin zu 2) im Verfahren - A 6 K 2175/14), am 27.04.2011 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 903/13) und am 12.04.2013 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 2258/13) in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind. Die Eltern des Klägers stammen aus der Provinz Fujian. Ihre Asylanträge (auch Folgeanträge) wurden unanfechtbar abgelehnt.
Auf den 12.08.2015 wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter nach § 14 a Abs. 2 AsylG als gestellt fingiert.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz ab, und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner drohte es dem Kläger die Abschiebung nach China an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 28.02.2016 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2016 erklärte die Beklagte, sie werde dem Kläger subsidiären Schutz zuerkennen und den angegriffenen Bescheid vom 18.02.2016 insoweit aufzuheben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtstreit insoweit für erledigt, als der Kläger die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach §60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrt hatte. Im Übrigen verfolgte er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 03.05.2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Der hier allein infrage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) scheide im Falle des Klägers aus. Zwar sei nach der Auskunftslage zu befürchten, dass die Eltern zur Legalisierung seines Status eine empfindliche Geldbuße zahlen müssten und er im Falle einer Nichtbezahlung nicht in das Haushaltsregister (Hukou) eingetragen würde mit der Folge von Einschränkungen im Hinblick auf soziale Leistungen. Dennoch falle nicht jedes Kind, das unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren worden sei, unter den Begriff einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China sei komplex und sehe verschiedene Ausnahmen und Legalisierungsmöglichkeiten vor, von denen auch die Familie des Klägers grundsätzlich Gebrauch machen könne. Die Frage, ob ein Kind von den Sanktionen eines Verstoßes gegen die Familienpolitik betroffen sei, sei jeweils eine Frage des Einzelfalls, weshalb die Annahme der sozialen Gruppe „Kinder, die unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren seien“ nicht in Betracht komme.
Am 09.05.2016 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Mit Beschluss vom 07.06.2016 ließ der Senat die Berufung zu
10 
Am 16.06.2016 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung und machte geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Kindern könne nicht von einer sozialen Gruppe gesprochen werden.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
13 
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
15 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts (auch betreffend die Verfahren der Eltern des Klägers) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
25 
Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
26 
Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
27 
Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
28 
Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
29 
All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
30 
4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
31 
In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
32 
Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
33 
Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
34 
Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
35 
Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
36 
Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
37 
5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
39 
Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
40 
Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
44 
Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
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Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
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Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
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Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
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Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
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All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
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4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
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In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
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Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
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Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
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Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
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Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
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Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
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5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
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Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
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Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
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Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

Tatbestand

1

Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.

2

Sie reisten im Juli 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Antwortschreiben vom 30. Juli 2012 bestätigten die ungarischen Behörden, dass der Kläger zu 1 zusammen mit seiner Familie im April 2012 dort Asyl beantragt habe. Wegen des Verschwindens der Familie sei das Asylverfahren beendet worden. Es werde zugestimmt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über ihre Asylanträge zu entscheiden.

3

Nachdem eine Überstellung der Kläger nach Ungarn nicht erfolgt war, stellte das Bundesamt Ende Januar 2013 fest, dass wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist im nationalen Verfahren zu entscheiden sei.

4

Mit Bescheiden vom 13. und 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt hinsichtlich aller Kläger die Durchführung von weiteren Asylverfahren ab (Nr. 1), stellte aber jeweils fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Nr. 2). Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem Asylantrag nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn jeweils um einen Zweitantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, da Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die humanitären Bedingungen in Afghanistan führten jedoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.

5

Mit ihrer zunächst erhobenen Verpflichtungsklage begehrten die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes. Sie hätten glaubhaft geschildert, dass der Klägerin zu 3 in Afghanistan die Zwangsverheiratung drohe. Von einem Zweitantrag sei nicht auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nahmen die Kläger ihre Verpflichtungsanträge auf richterlichen Hinweis zurück und beantragten nur noch, jeweils die Nr. 1 der Bescheide vom 13. und 17. Juni 2014 aufzuheben.

6

Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, wenn - wie vorliegend - Streit darüber bestehe, ob ein Anwendungsfall des § 71a AsylG gegeben sei. Im Unterschied zum Folgeverfahren nach § 71 AsylG seien hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und müsse deshalb zunächst die Verfahrenssituation ermittelt, also festgestellt werden, ob überhaupt eine "Zweitantragssituation" vorliege. Insoweit sei den Klägern das Recht einzuräumen, zunächst isoliert die sie beschwerende Wertung als Zweitantrag zu beseitigen und damit den Weg freizumachen für ein vom Bundesamt durchzuführendes Asylverfahren.

7

Die Klage sei auch begründet. Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Ein "erfolgloser Abschluss" (§ 71a AsylG) des in Ungarn eingeleiteten Asylverfahrens liege nicht vor, weil das Erstverfahren in Ungarn noch nicht endgültig beendet sei. Ungarn habe sich damit einverstanden erklärt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über deren Asylbegehren zu entscheiden. Dies entspreche den Auskünften des Auswärtigen Amtes zum ungarischen Asylverfahrensrecht. Danach sei ein endgültiger Verfahrensabschluss mit der Folge, dass ein neuerliches Asylbegehren als Folgeantrag gewertet werde, nur anzunehmen, wenn ein vorheriges Asylverfahren in der Sache unanfechtbar negativ abgeschlossen oder das Asylverfahren nach ausdrücklicher schriftlicher Rücknahme des Asylbegehrens unanfechtbar eingestellt worden sei. Sei ein Asylverfahren hingegen ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden, könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Ausgehend davon liege auch in Deutschland keine "Zweitantragssituation" vor, sondern müsse über das Asylbegehren erstmals entschieden werden. Denn die Dublin II-VO enthalte keine Regelung, nach der der Zuständigkeitsübergang auch zu einem formellen oder materiellen Rechtsverlust führen könnte.

8

Die Beklagte macht mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anwendungsbereich von § 71a AsylG fehlerhaft zu eng bestimmt. Im Unterschied zu der das Folgeantragsverfahren betreffenden Regelung des § 71 AsylG beziehe sich § 71a AsylG nicht nur auf die in jener Vorschrift angeführten Konstellationen der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrags, sondern richte sich mit der Formulierung vom "erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens" auf einen potentiell weitergehenden Kreis von Fallgestaltungen. Ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens liege immer auch dann vor, wenn ein in dem Mitgliedstaat vorausgegangenes behördliches Asylverfahren ohne inhaltliche Prüfung einen formellen Abschluss gefunden habe. Dabei sei unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im sicheren Drittstaat die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder einer anderweitigen Fortführung bzw. Prüfung der bis zum Verfahrensabschluss bestehenden Schutzgründe bestehe. Nicht zuletzt die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 17. März 2016 (Rs. C-695/15) belege, dass Unionsrecht gerade nicht fordere, auf die zur Wiederaufnahme bzw. Verfahrensfortführung im sicheren Drittstaat bestehende Rechtslage abzustellen. Die Asylverfahrensrichtlinie a.F. stelle es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Wiedereröffnung eines eingestellten Verfahrens ermöglichten. Dieser dem innerstaatlichen Normgeber unionsrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum würde erheblich beeinträchtigt, wenn dem Berufungsgericht zu folgen wäre. Sei die Prüfung des Asylantrags in Deutschland durchzuführen, müssten auch die hier geltenden Gesetze Anwendung finden.

9

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren in Ziffer 1 der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. und 17. Juni 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (1.). Sie ist auch begründet, denn die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, liegen nicht vor (2.). Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.) und verletzt die Kläger in ihren Rechten (4.).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

14

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die nach Rücknahme der Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur noch anhängige Anfechtungsklage in der vorliegenden prozessualen Konstellation als statthaft angesehen.

15

Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG bzw. - hier - § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Hierzu zählt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nunmehr auch der - materiellrechtlich unverändert geregelte - Fall, dass im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

16

Jedenfalls seit Inkrafttreten dieser Neuregelung ist die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung der Kläger, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i.V.m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 12).

17

Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das von den Klägern endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum "Durchentscheiden" angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172 ff.>), hält der Senat daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest.

18

Anknüpfend an die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens, der hierfür in der für die EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensrichtlinie enthaltenen, speziellen Verfahrensgarantien sowie der dort vorgesehenen eigenen Kategorie unzulässiger Asylanträge (vgl. Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Asylverfahrensrichtlinie a.F. - bzw. Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie n.F. -) hat der Gesetzgeber mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Zugleich hat das Bundesamt über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Diese Prüfungsstufe ist bei Anträgen, die das Bundesamt als Zweitantrag einstuft, auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG). Die weitere in § 71a Abs. 1 AsylG genannte Voraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, muss an dieser Stelle bereits feststehen. Andernfalls wäre eine - vorrangige - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen. Denn die Dublin-Verordnungen regeln abschließend die Zuständigkeit zur Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags. Erst wenn ein Mitgliedstaat danach zuständig ist, kann er einen Asylantrag - wie hier - aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 20).

19

Diese klare Gliederung der Prüfung von Anträgen, für die die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, in eine Entscheidung, ob ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (Zulässigkeitsprüfung) und die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (Sachprüfung), hat auch in eigenständigen Verfahrensvorgaben für die erste Prüfungsstufe Ausdruck gefunden. In § 71a Abs. 2 AsylG wird das "Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist", besonders geregelt (vgl. zum Verfahren der Zulässigkeitsprüfung allgemein auch § 29 Abs. 2 bis 4 AsylG). Es liegt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrags beschränkt zu sehen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1987 - 9 C 251.86 - BVerwGE 77, 323 ff., jeweils zur partiell vergleichbaren Rechtslage nach dem AsylVfG 1982). Dafür spricht schließlich auch § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Bundesamt bei einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung das Asylverfahren fortzuführen hat. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, dessen in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte, besondere Rechtsfolgen nicht verallgemeinerungsfähig sind. Letzteres gilt jedoch nicht für den in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dieser ist auf den Fall der Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG übertragbar und lässt darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen ist (ähnlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 13 und 17). Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

20

Die von der jüngeren Asylgesetzgebung verfolgten Beschleunigungsziele, auf die der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie rechtfertigen es bei der derzeitigen Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssen, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern. Für bestimmte Fallgestaltungen stehen dem Bundesamt im Übrigen selbst Beschleunigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die eine eventuelle Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Berechtigung zu internationalem Schutz zumindest abmildern können. Hierzu zählt die Option, offensichtlich unbegründete Anträge nach § 30 AsylG abzulehnen und eine Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist zu erlassen, sowie bei Folgeanträgen nunmehr auch die Möglichkeit, das Asylverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt in Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG neben einer Unzulässigkeitsentscheidung vorsorglich und in dem gehörigen Verfahren im Interesse einer Beschleunigung auch ausdrücklich (hilfsweise) eine Sachentscheidung treffen kann. Dass nach § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, "ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", und sich das Bundesamt zumindest insoweit sachlich mit einem Schutzbegehren zu befassen hat, ersetzt diese Prüfung nicht, weil sie nicht bezogen ist auf die - dem nationalen Abschiebungsschutz vorrangige Frage der - Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Gewährung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 AsylG) und einen anderen Streitgegenstand betrifft. Dieser Streitgegenstand kann - in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen - durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden.

21

Vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Entscheidung auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. entsprechend BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 19).

22

2. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen.

23

Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

24

Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

25

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.

26

Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n.F.) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71a Rn. 3 ff.). Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die Aufnahme der Folge- und Zweitanträge, bei denen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen vorliegen, in den Katalog der Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG bereits mit der Asylverfahrensrichtlinie a.F. - ihre Anwendbarkeit unterstellt - vereinbar war und ob und in welcher Weise Art. 25 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" zusätzlich begrenzt.

27

Die Voraussetzungen für die Nichtdurchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 AsylG liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Asylanträge der Kläger keine Zweitanträge im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihren Anträgen ist kein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vorausgegangen.

28

Zwar ist Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten: Im vorliegenden Fall richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind (vgl. die Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags auf internationalen Schutz - Dublin III-VO).

29

Es fehlt indes an einem "erfolglosen Abschluss" der von den Klägern in Ungarn eingeleiteten Asylverfahren. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann (a). Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (b). Nach diesen Maßstäben ist das von den Klägern in Ungarn betriebene und dort eingestellte Asylverfahren vorliegend nicht erfolglos abgeschlossen (c).

30

a) Dem Wortlaut nach umfasst die Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" jede Art des formellen Abschlusses eines Asylverfahrens ohne Zuerkennung eines Schutzstatus. Für die nähere Konkretisierung der möglichen Varianten und der Anforderungen an den Verfahrensabschluss kann auf die Parallelregelung zum Folgeantrag in § 71 Abs. 1 AsylG zurückgegriffen werden, wonach es sich um eine Rücknahme oder eine unanfechtbare Ablehnung des Antrags handeln kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit der abweichenden Formulierung in § 71a Abs. 1 AsylG inhaltlich weitere Tatbestände hätte erfassen wollen. Denn der Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist darauf beschränkt, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (BT-Drs. 12/4450 S. 27; siehe auch Hailbronner, in: Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 14 f.).

31

Der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 AsylG erfasst nach der bis zum 16. März 2016 geltenden Rechtslage uneingeschränkt auch die Fälle, in denen der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt. Dies macht nicht zuletzt § 32 Abs. 2 AsylG deutlich. Anders stellt sich dies nach der am 17. März 2016 in Kraft getretenen grundlegenden Neufassung des § 33 AsylG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) dar: Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 bis 6 AsylG kann nunmehr ein Ausländer, dessen Verfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt worden ist, einmalig die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Ein neuer Asylantrag gilt als derartiger Wiederaufnahmeantrag und ist als Erstantrag zu behandeln, sofern seit der Einstellung des Asylverfahrens noch keine neun Monate vergangen sind und das Asylverfahren noch nicht nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Infolge dieser - erkennbar vorrangigen - Spezialregelung ist der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nunmehr bereits nach nationalem Recht dahin einschränkend auszulegen, dass er die Fälle der fiktiven Rücknahme nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG nur noch unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG umfasst, wenn also die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits einmal wieder aufgenommen worden war.

32

Steht die bestehende Wiederaufnahmemöglichkeit somit nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben (Umkehrschluss aus § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG) der Behandlung als Folgeantrag entgegen, muss dies - wegen der bezweckten Gleichstellung - auch für den Zweitantrag gelten. Hinzu kommt ein systematisches Argument innerhalb des § 71a AsylG: Liegt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG im Falle der Antragsablehnung erst vor, wenn diese Ablehnung unanfechtbar ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 16 Wx 150/07 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 15), ist ein erfolgloser Abschluss auch im Falle der Verfahrenseinstellung nach (ausdrücklicher oder stillschweigender/fingierter) Rücknahme nur anzunehmen, wenn das konkrete Asyl(erst)verfahren endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - beendet ist (zum unionsrechtlichen Begriff der "rechtskräftigen" bzw. "bestandskräftigen" Entscheidung s. Art. 2 Buchst. d Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 2 Buchst. e Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden Varianten des erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens, die jeweils dieselbe Rechtsfolge bewirken, insoweit unterschiedlichen Anforderungen unterliegen sollten.

33

b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat zuvor betriebenes Asylverfahren dort durch bestandskräftige Ablehnung oder endgültige Einstellung beendet worden ist, insgesamt nach dem betreffenden ausländischen Asylverfahrensrecht richtet. § 71a Abs. 1 AsylG knüpft an einen abgeschlossenen, im Ausland geschehenen Vorgang an, der insgesamt dem ausländischen Recht unterfällt. Der enge Zusammenhang des Verwaltungsakts und seiner Bestandskraft gebietet, die Frage, ob eine ausländische Verwaltungsentscheidung noch anfechtbar bzw. revidierbar ist, nach ausländischem und nicht deutschem Recht zu beantworten. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten lässt zwar Raum dafür, die Rechts- und Bestandskraft einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung als Tatbestandsvoraussetzung für die innerstaatliche Rechtsanwendung heranzuziehen; sie erlaubt aber keine Erstreckung des nationalen Verfahrensrechts auf die Beurteilung dieser Vorfrage.

34

Die hier noch anwendbare Dublin II-VO beschränkt sich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit; ihr lässt sich indes keine Grundlage für eine Handhabung entnehmen, nach der der Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Mitgliedstaat mit einer Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung verbunden wäre. Sie berechtigt insbesondere nicht dazu, an einen Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155 = juris Rn. 36).

35

Dem steht der Hinweis der Beklagten, bei Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags müsse diese Prüfung auch nach deutschen Gesetzen erfolgen, nicht entgegen. Er trifft zwar insoweit zu, als nicht jede rechtliche Schlechterstellung durch einen Zuständigkeitsübergang ausgeschlossen ist. So darf ein durch Ablauf der Überstellungsfrist zuständig gewordener Staat einen Asylantrag nach Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO (vergleichbar: Art. 3 Abs. 3 Dublin II-VO) auch dann ablehnen, wenn der ursprünglich zuständige Staat vom Drittstaatskonzept keinen Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:EU:C:2016:188], PPU - NVwZ 2016, 753). Von dieser Fallkonstellation unterscheidet sich die hier relevante Regelung zum Zweitantrag aber dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber darin den Prüfungsumfang vom Abschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Verwaltungsverfahrens abhängig macht. Damit knüpft die gesetzliche Regelung selbst an einen nach der ausländischen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand an.

36

Zu keinem anderen Ergebnis führt die weitere Aussage des EuGH in der vorgenannten Entscheidung, Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO verpflichte die zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats bei Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nicht, das Verfahren zur Prüfung seines Antrags in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es von diesen Behörden eingestellt worden war. In diesem Zusammenhang weist der EuGH auch auf Art. 28 Abs. 2 letzter Unterabsatz Asylverfahrensrichtlinie n.F. hin, wonach die Mitgliedstaaten der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt, in dem sie eingestellt wurde, gestatten können, aber nicht müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/12 - Rn. 67; ebenso Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Daraus kann etwa folgen, dass eine bereits erfolgte Anhörung nicht zwingend wiederholt werden muss. Ungeachtet der unterschiedlichen Verfahrenskonstellation rechtfertigen diese Bemerkungen aber nicht den Schluss, dass ein Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte Antragsprüfung durch bloßen Zuständigkeitsübergang mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Die Begriffe "Verfahrensabschnitt" bzw. "Stadium" beziehen sich nach dem Verständnis des EuGH zweifelsfrei nicht auf die Frage, ob es sich um ein Erst- oder ein Folgeverfahren handelt. Denn der EuGH betont ausdrücklich, dass die Prüfung des Antrags den für Erstanträge vorgesehenen Anforderungen entsprechen muss.

37

Nach den vorstehenden Ausführungen kann auch der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, bei Anwendung ungarischen Rechts werde der dem innerstaatlichen Normgeber zustehende Gestaltungsspielraum beeinträchtigt, den die Asylverfahrensrichtlinie a.F. den Mitgliedstaaten im vorliegenden Kontext einräume. Es trifft zwar zu, dass Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. - anders als Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F. - den Mitgliedstaaten noch nicht bindend vorgibt, eine Wiedereröffnung von Asylverfahren vorzusehen, die wegen stillschweigender Antragsrücknahme oder Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt worden sind, sondern wahlweise auch die Behandlung eines hiernach gestellten Antrags als Folgeantrag akzeptiert. Dieses Wahlrecht steht allerdings bei der hier in Rede stehenden mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht unterstellt - dem Staat zu, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist, hier mithin Ungarn. Aus der Verwendung des Plurals in Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. ("Die Mitgliedstaaten stellen sicher ...") kann nichts anderes geschlossen werden. Wenn in dieser Regelung von einem Asylbewerber die Rede ist, "der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels wieder bei der zuständigen Behörde meldet, so beschreibt dies einen Vorgang innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates und keine länderübergreifende Situation.

38

c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von den Klägern in Ungarn eingeleitete Asylverfahren als nicht erfolglos abgeschlossen im Sinne von § 71a AsylG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Ungarn das dort eingeleitete Asylverfahren ohne inhaltliche Beschränkung ihres Vortrags wie ein Erstverfahren weiterbetreiben können. Nach Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 12. März 2015 (an das VG Freiburg) und vom 19. November 2014 (an das VG Düsseldorf) zur Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens werde in Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden sei ("discontinuation"), ein erneutes Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, insbesondere könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Dies werde bestätigt durch die Zustimmungserklärung der ungarischen Behörden, die sich damit einverstanden erklärt hätten, die Kläger wieder aufzunehmen und über das Asylbegehren zu entscheiden. Im Ergebnis würde somit das Verfahren fortgeführt bzw. wiederaufgenommen, wenn die Kläger nach Ungarn zurückkehren würden.

39

An diese nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ungarischen Rechts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO zur Tatsachenfeststellung zählen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <302 f.>).

40

Keiner Entscheidung bedarf, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Frage abzustellen ist, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist. Insoweit kommen in erster Linie der Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs in Betracht. Diese Frage kann hier dahinstehen, da die Kläger auch zu dem späteren Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs noch die Möglichkeit hatten, die Asylverfahren in Ungarn weiter zu betreiben. Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum ungarischen Asylverfahrensrecht ergibt sich nicht, dass das Recht, ein wegen Fortzugs eingestelltes Asylverfahren wieder aufzunehmen, nur befristet bestanden hätte (zur Möglichkeit einer Befristung auf mindestens neun Monate vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Hierfür liegen bezogen auf den hier relevanten Zeitraum bis Ende Januar 2013 auch keine Anhaltspunkte vor.

41

3. Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben. Der insoweit allein in Betracht kommende Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG greift schon deshalb nicht ein, weil Deutschland für die Durchführung der hier in Rede stehenden Asylverfahren aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG schließt die Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Berufung auf Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes jedoch nicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland - wie hier - aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies gilt nicht nur bei einer originären Zuständigkeit Deutschlands, sondern auch bei einem nachträglichen Zuständigkeitswechsel.

42

Diese Regelung nimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit in Bezug: Mit der Aufnahme des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in den Katalog der Unzulässigkeitsgründe sollte die zuvor bestehende Möglichkeit, einen Asylantrag nach § 26a AsylG abzulehnen, inhaltlich nicht verändert werden. In § 31 Abs. 4 AsylG ist weiterhin von einer Ablehnung "nach § 26a" - jetzt - als unzulässig die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung zudem betont, durch den expliziten Verweis im künftigen § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf § 26a AsylG komme zum Ausdruck, dass die dort geregelten Anforderungen auch weiterhin - im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags - zu beachten sind. Wie im geltenden Recht setze der künftige § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG daher voraus, dass der Drittstaat die - unverändert gebliebenen - Voraussetzungen des § 26a AsylG erfülle und durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sei (BT-Drs. 18/8883 S. 10). Ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit Unionsrecht vereinbar ist, bedarf hier mithin keiner Entscheidung.

43

4. Die Ablehnung der Durchführung von (weiteren) Asylverfahren verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr aus dem Unionsrecht folgender Anspruch auf Prüfung ihres Schutzbegehrens durch einen Mitgliedstaat der EU ist verletzt, wenn das Bundesamt - wie hier - als auch nach eigener Auffassung international zuständige Behörde es rechtswidrig ablehnt, ein Asylverfahren durchzuführen.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG sind nicht gegeben.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass der Antragsteller vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben werden darf.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der 23-jährige Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger hazarischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste er im Oktober 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16.11.2012 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 11.05.2015 vollumfänglich ablehnte, verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nach Afghanistan unter Bestimmung einer Frist für die freiwillige Ausreise von 30 Tagen. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 16.03.2016 (Az. B 3 K 15.30340) ab.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2016 stellte der Antragsteller beim Bundesamt einen Asylfolgeantrag, den er mit der derzeit angespannten Situation in Afghanistan (Anschlag auf eine schiitische Moschee in Kabul am 21.11.2016, Unsicherheit angesichts des bevorstehenden Präsidentenwechsels in den USA, Rückführungen aus dem Iran und Pakistan, Möglichkeit einer Unterversorgung der gesamten Bevölkerung) begründete. Zum ersten Punkt machte er geltend, als Schiit sei er ein mögliches Ziel derartiger Anschläge.

Mit Schreiben jeweils vom 07.02.2017 bestätigte das Bundesamt dem Antragsteller und seinem Prozessbevollmächtigten, dass an diesem Tag ein Folgeantrag eingegangen bzw. gestellt worden sei.

Mit Bescheid vom 17.02.2017, der dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 23.02.2017 zugestellt wurde, wurden vom Bundesamt der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) sowie der Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 11.05.2015 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt (Ziffer 2). In der Begründung heißt es, die Begründung des Folgeantrags sei mit Rechtsanwaltsschreiben vom 08.12.2016 und im Rahmen der persönlichen Folgeantragsbegründung am 07.02.2017 erfolgt. Inhaltlich setzt sich der Bescheid mit der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan auseinander.

Mit E-Mail vom 20.02.2017 übermittelte das Bundesamt dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers das Formblatt „Blatt 2 der Niederschrift zur Folgeantragstellung / Stellung eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG“ mit Datum 07.02.2017, welches, vom Antragsteller unterzeichnet, mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.02.2017 zusammen mit „Ergänzungen zu Nr. 2 der Niederschrift zur Folgeantragstellung“ sowie einer „Bestätigung“ der Ev. Freikirchlichen Gemeinde K vom 23.02.2017 an das Bundesamt zurückgeschickt wurde.

In den „Ergänzungen“ führt der Antragsteller aus, seit einigen Monaten sei er regelmäßig bei der Ev. Freikirchlichen Gemeinde in K tätig. Aus tiefster innerer Überzeugung habe er sich unter gänzlicher Abwendung vom islamischen Glauben dem christlichen Glauben zugewandt und wolle nunmehr getauft werden. Wegen seiner Abwendung vom islamischen Glauben und der Annahme des christlichen Glaubens befürchte er erhebliche Repressalien in Afghanistan, wo Christen, insbesondere „Abtrünnige“, von den Taliban radikal verfolgt würden. Ihm drohten empfindliche Strafen, möglicherweise auch der Tod. Er sei nirgends mehr in Afghanistan sicher. Die sogenannte inländische Fluchtalternative Kabul gebe es nicht mehr, da auch dort inzwischen Attentate verübt würden, die aufgrund ihrer Anzahl zu einer allgemeinen Gefahr geworden seien. Er verweise auf den Anschlag vom 21.11.2016, bei dem mindestens 32 Menschen getötet worden seien. Darüber hinaus sei mit dem Präsidentenwechsel in Amerika die politische Situation in Afghanistan sehr instabil geworden. Er befürchte, dass nach einem möglichen kompletten Abzug der amerikanischen Truppen die Sicherheitslage sich wesentlich verschlechtern werde und mit einer allgemeinen Gefahr für alle Rückkehrer und Flüchtlinge gerechnet werden müsse. Aufgrund der geänderten Sicherheitssituation bestehe grundsätzlich weiterhin die Befürchtung, dass bei einer Rückkehr mit einem Anschlag auf sein Leben gerechnet werden müsse. Im Übrigen befinde er sich bereits seit viereinhalb Jahren in Deutschland und sei sozial integriert. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde seine wirtschaftliche Situation derart schlecht sein, dass mit einer Existenzbedrohung gerechnet werden müsse. Insbesondere habe er keinerlei Kontakt mehr zu seiner Familie. Er wisse nicht, ob sie noch lebten und wo sie sich aufhielten. Er könne daher nicht mit der Unterstützung von Familienangehörigen rechnen.

Aus der Bestätigung der Ev. Freikirchlichen Gemeinde K ergibt sich, dass ihr der Antragsteller seit etwa Mitte November 2016 bekannt sei und dass er seither regelmäßig ihre Gemeindestunden am Mittwoch sowie die sonntäglichen Gottesdienste besuche. Da er nach ca. viereinhalb Jahren in Deutschland die deutsche Sprache gut spreche, könne er inhaltlich alles vom christlichen Glauben verstehen, sodass er seinen eigenen Angaben zufolge sich vom islamischen Glauben abgewandt und den christlichen Glauben angenommen habe. Sein Interesse am christlichen Glauben, insbesondere sein Wissensdurst um biblische Inhalte, sei ungebrochen. Sein Wunsch, in seinem Zimmer im Asylheim seine Bibel und andere christliche Schriften lesen zu können, sei derzeit nicht erfüllbar, weil er sein Zimmer mit einem Moslem teilen müsse, von dem er Repressalien befürchte. Eine beantragte Verlegung sei bisher wegen eines fehlenden Taufzeugnisses verweigert worden. Nun wolle der Antragsteller gerne getauft werden, was von Seiten der Ev. Freikirchlichen Gemeinde K zielführend in absehbarer Zeit vorbereitet werde. Da der Antragsteller auch die iranische Sprache Farsi spreche und verstehe, sei er für die iranischen Christen, welche die Gemeindezusammenkünfte regelmäßig besuchten, ein wertvoller Dolmetscher. Darüber hinaus besuche er mit ihnen jeden Samstag den iranischen Gottesdienst im „Come And See“ in Bayreuth. Ein Fahrdienst der Gemeinde bringe sie dorthin.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 06.03.2017, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 17.02.2017 Klage erhoben (Az. B 6 K 17.30712), über die noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 22.03.2017 (Az. B 1 S. 17.30711) ab.

Zur Klagebegründung wird geltend gemacht, da eine schriftliche Folgeantragstellung nach § 71 Abs. 2 Satz 2 oder Satz 3 AsylG nicht möglich sei, weil die Außenstelle München, wo der Antragsteller seinen Erstasylantrag gestellt habe, weiterhin existiere, sei im Folgeantragsschreiben vom 08.12.2016 um Vereinbarung eines Anhörungstermins zwecks formeller Antragstellung nachgesucht worden. Nachdem das Bundesamt darauf zunächst nicht reagiert habe und mit Schreiben vom 10.02.2017 nochmals um Bekanntgabe eines Termins gebeten worden sei, habe es mit E-Mail vom 20.02.2017 ein Formular zur Folgeantragsbegründung übersandt, welches der Antragsteller mit entsprechenden Ausführungen am 24.02.2017 zurückgeschickt habe. Schon vorher, am 23.02.2017, sei der Bescheid vom 17.02.2017 ausgefertigt worden mit der Folge, dass die Ausführungen im Formblatt keine Berücksichtigung gefunden hätten. Damit seien die Voraussetzungen für den Erlass eines negativen Bescheides nicht gegeben, da es an der erforderlichen Anhörung gefehlt habe. Ein Asylfolgeverfahren sei durchzuführen und der Antragsteller sei persönlich anzuhören.

Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 13.03.2017 Klageabweisung beantragt.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.04.2017 teilte der Antragsteller unter Vorlage einer Taufbescheinigung vom 23.04.2017 mit, dass er am 23.04.2017 in der Ev. Freikirchlichen Gemeinde K getauft worden sei. Insoweit bestehe für ihn eine weitere Bedrohungssituation. Wie der letzte Anschlag von letzter Woche zeige, seien die Taliban in ihren Mitteln äußerst rigoros. Bei der Konvertierung müsse davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr erhebliche Gefahr für Leib und Leben drohe. Nachdem der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß Beschluss vom 22.03.2017 abgelehnt worden sei, werde nunmehr eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 123 VwGObeantragt. Der Antragsteller sei allen ihm auferlegten Verpflichtungen nachgekommen, insbesondere habe er beim Konsulat in München einen Passantrag gestellt. Es verwundere sehr, dass ohne vorherige Mitteilung über einen Passerhalt oder die Erteilung irgend eines Heimreisescheines die Abschiebung vorgenommen werden solle. Es sei wohl üblich, die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr zu eröffnen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.06.2017 erinnerte der Antragsteller an seinen Antrag vom 24.04.2017. In einem Termin über den Erlass eines Abschiebehaftbefehls habe der Antragsteller glaubhaft darlegen können, dass er zum christlichen Glauben konvertiert sei. Das Gericht habe darauf hingewiesen, dass es nicht seine Aufgabe sei, die Frage des religiösen Einstellungswandels im Rahmen des Abschiebehaftverfahrens zu klären. Zwischenzeitlich habe es auch zahlreiche Anschläge allein in Kabul gegeben. Angesichts der Eskalierung der Gewalt sei es keine sichere inländische Fluchtalternative mehr. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller nun aufgrund der Konvertierung ein vorrangiges Ziel solcher Anschläge sein könne. Nachdem nun auch der Flug für die Abschiebung am 31.05.2017 aufgrund des vorangegangenen Anschlages auf die Deutsche Botschaft abgesagt worden sei, habe sich die Verfolgungssituation derart verdichtet, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr um sein Leben fürchten müsse. Deshalb sei im Wege des § 123 VwGO die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.06.2017 beantragte der Antragsteller klarstellend,

die Abschiebung des Antragstellers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens für unzulässig zu erklären.

Die Ernsthaftigkeit des Glaubenswandels müsse in einem ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren geklärt werden. Obwohl das Amtsgericht K den Erlass eines Haftbefehls abgelehnt habe, sei versucht worden, den Antragsteller unmittelbar vor dem für den 31.05.2017 geplanten Rückflug nach Afghanistan festzunehmen, um die Abschiebung durchzuführen. Es sei reiner Zufall gewesen, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht habe angetroffen werden können. Die Ausländerbehörde werde somit auch weiterhin versuchen, den Antragsteller abzuschieben, ohne seine Konversion zum Christentum und die massive Eskalation der Gewalt in Afghanistan zu berücksichtigen. Der für den 28.06.2017 geplante nächste Flug nach Kabul sei nur aus organisatorischen Gründen abgesagt worden. Es sei damit zu rechnen, dass weitere Flüge in Kürze folgen würden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Asylakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO ist mit dem Ziel, dass der Antragsteller vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (B 6 K 17.30712) nicht abgeschoben wird, zulässig und begründet.

1.1 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO ist insbesondere gemäߧ 123 Abs. 5 VwGO statthaft. Obwohl die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C-4/16, juris Rn. 16 ff.), liegt kein Fall des § 80 Abs. 5 VwGO vor, weil keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen wurde und die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, für sich betrachtet – ohne die rechtskräftige Abschiebungsandrohung vom 11.05.2015 – keinen vollziehbaren Verwaltungsakt darstellt.

1.2 Der Antrag ist begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemessen daran hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit§ 920 ZPO).

1.2.1 Ein Anordnungsanspruch besteht, weil nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) die Voraussetzungen des§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Verbindung mit§ 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt sind mit der Folge, dass der angefochtene Bescheid vom 17.02.2017 im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach aufzuheben und das Bundesamt zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens automatisch verpflichtet sein wird (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C-4/16, juris Rn. 19).

Der Antragsteller hat – nach Erlass des ablehnenden Bundesamtsbescheides vom 17.02.2017 – am 24.04.2017 eine Taufbescheinigung der Ev. Freikirchlichen Gemeinde K vom 23.04.2017 vorgelegt. Damit liegt eine nachträgliche Änderung der Sachlage gemäß § 71 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor, denn die Konversion kann sich potenziell zu Gunsten des Antragstellers – wegen§ 28 Abs. 3 AsylG vornehmlich im Rahmen der Prüfung subsidiären Schutzes gemäߧ 4 AsylG – auswirken.

Nach der Auskunftslage ist die Situation von Konvertierten in Afghanistan als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Seite 11; Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan 11.05.2017, Seite 138 f.). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetretenen Muslim in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen.

Die Taufe wurde binnen der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG als Wiederaufgreifensgrund geltend gemacht. Für jeden neuen Wiederaufgreifensgrund, der während eines bereits anhängigen Asylfolgeverfahrens eingetreten ist, läuft eine eigenständige Drei-Monats-Frist nach § 51 Abs. 3 VwVfG. Dies gilt nicht nur im Verfahren vor dem Bundesamt, sondern auch für während des gerichtlichen Verfahrens neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe (BVerwG, Beschluss vom 31.01.2011 – 10 B 26/10, juris Rn. 6).

Liegen somit die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vor, hätte das Bundesamt nach Mitteilung der Taufe ein neues Asylverfahren durchführen müssen, sodass sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag die Unzulässigkeitsentscheidung als rechtswidrig erweist. In diesem Fall ist auch die Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Ziffer 2 des Bescheides vom 17.02.2017) aufzuheben, weil sie jedenfalls verfrüht ergangen ist (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C-4/16, juris Rn. 21).

Der Streitgegenstand ist bei einer Fallgestaltung der vorliegenden Art auf die Überprüfung der Unzulässigkeitsentscheidung der Antragsgegnerin (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG) beschränkt; die erstmalige Sachentscheidung im Folgeverfahren ist nicht in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern (BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C-4/16, juris Rn. 19 ff.). Bezogen auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedeutet dies, dass die begehrte Anordnung gemäß § 123 VwGO ausschließlich in Hinblick auf die unzutreffende Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig und ohne inhaltliche Sachprüfung der Erfolgsaussichten des Asylfolgeverfahrens zu treffen ist, weil die gerichtliche Sachprüfungskompetenz im Eilverfahren nicht weiterreichen kann als im Hauptsacheverfahren.

1.2.2 Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass eine Abschiebung, mit der der Antragsteller nach der Ablehnung seines Folgeantrags als unzulässig aufgrund der rechtskräftigen Abschiebungsandrohung vom 11.05.2015 jederzeit ernsthaft rechnen muss, die Verwirklichung seines mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehenden Anspruchs auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vereiteln oder zumindest wesentlich erschweren würde. Zur Sicherung dieses Anspruchs ist daher das Bundesamt, welches nach der Folgeantragstellung gegebenenfalls bereits durch die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG, spätestens durch die Unzulässigkeitsentscheidung eine Abschiebung des Antragsteller wieder ermöglicht hat, im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, durch eine gegenteilige Mitteilung an die Ausländerbehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Abschiebung des Antragstellers vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht vollzogen wird.

Einer über die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache zeitlich hinausgehenden einstweiligen Anordnung bedarf es zur Gewährung effektiven Eilrechtsschutzes nicht, weil der Antragsteller nach Aufhebung des Bescheides vom 17.02.2017 während der Durchführung des Folgeverfahrens trotz der rechtskräftigen Abschiebungsandrohung vom 11.05.2015 nicht abgeschoben werden darf. Das ergibt sich insbesondere aus § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG, wonach die Abschiebung erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des§ 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden darf. Liegen diese Voraussetzungen vor und wird demzufolge ein weiteres Asylverfahren durchgeführt, fehlt es zwangsläufig an der für den Vollzug der Abschiebung erforderlichen Mitteilung. Wird dem Folgeantrag nicht stattgegeben, bedarf es zum Vollzug der Abschiebung des Antragstellers einer erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung (Umkehrschluss aus § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG). Im Falle der – wenig wahrscheinlichen – Ablehnung des Folgeantrags als offensichtlich unbegründet würde gemäß § 36 Abs. 1 AsylG die dem Antragsteller zu setzende Ausreisefrist eine Woche betragen mit der Folge, dass die Klage gegen die Abschiebungsandrohung gemäߧ 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hätte. Dann wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Im Falle der Ablehnung des Folgeantrags als „nur“ unbegründet würde gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG die dem Antragsteller zu setzende Ausreisefrist 30 Tage betragen mit der Folge, dass die Klage gegen die Abschiebungsandrohung gemäߧ 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung hätte und demgemäß nach§ 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG im Falle der Klageerhebung die Ausreisefrist ohnehin erst 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylfolgeverfahrens enden würde. Mit Blick auf alle drei denkbaren Entscheidungsvarianten über den Folgeantrag – Stattgabe, Ablehnung als offensichtlich unbegründet, Ablehnung als „nur“ unbegründet – reicht es für die Gewährung effektiven Eilrechtsschutzes daher aus, die Abschiebung des Antragstellers bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache über die Unzulässigkeitsentscheidung vorläufig zu unterbinden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO,§ 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers haben mit Eingang am 28. Mai 2017 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß 123 VwGO beim Verwaltungsgericht München gestellt mit nachfolgenden Anträgen:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern mitzuteilen, dass aufgrund der Folgeantragstellung ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird;

hilfsweise:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern mitzuteilen, dass vor einer erneuten Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG die Abschiebung des Antragstellers nicht vollzogen werden darf und der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO untersagt, eine erneute Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die für die Abschiebung zuständige Zentrale Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern zu übersenden;

hilfsweise:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, die Mitteilung der BAMF gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG nach dem Bescheid vom 8. April 2014 sowie eine ggf. auf den Folgeantrag vom 24. Mai 2017 hin erfolgte erneute Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zurückzunehmen und diese Rücknahme der für die Abschiebung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern mitzuteilen und der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO untersagt, eine erneute Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die für die Abschiebung zuständige zentrale Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern zu übersenden;

hilfsweise:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern mitzuteilen, dass die Abschiebung nicht aufgrund der Mitteilung des BAMF gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG nach dem Bescheid vom 8. April 2014 oder einer ggf. auf den Folgeantrag vom 24. Mai 2017 hin erfolgten erneuten Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vollzogen werden darf und der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO untersagt, eine erneute Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die für die Abschiebung zuständige Zentrale Ausländerbehörde bei der Regierung von Oberbayern zu übersenden.

Zur Begründung führt die Antragstellerseite aus:

Der Antragsteller sei afghanischer Staatsangehöriger. Sein Asylerstantrag vom … September 2012 sei mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 8. April 2014, bestandskräftig seit 2. November 2015, abgelehnt worden. Der Antragsteller, der sich in Abschiebehaft befinde, solle am … Mai 2017 abgeschoben werden. Eine zuvor für den … April 2017 geplante Abschiebung des Antragstellers scheiterte. Der Antragsteller habe am … Mai 2017 bei der Antragsgegnerin einen Asylfolgeantrag gestellt. Dieser stütze sich auf folgende Begründung:

1. Die Sach- und Rechtslage habe sich geändert, da der Konflikt in Afghanistan sich seit 2016 verschärft habe und nunmehr das Vorliegen der Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu bejahen seien. Insoweit sei auf die Äußerung des UNHCR vom Dezember 2016 auf die Anfrage des Bundesministeriums des Innern zu verweisen. Der UNHCR habe mitgeteilt, dass „das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne des Art. 15 c der EU-Qualifikationsrichtlinie betroffen“ sei. Hinzu treten das rückläufige Wirtschaftswachstum und die massiv gestiegene Zahl von Rückkehrern sowie die angeführte Verschärfung des Konflikts seit 2016; eine Unterscheidung zwischen sicheren und unsicheren Gebieten in Afghanistan sei nicht mehr sachgerecht. Die Anmerkungen des UNHCR vom Dezember 2016 seien neuen Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Das Folgeverfahren sei durchzuführen, weil die neuen Tatsachen und Beweismittel nicht im konkreten Einzelfall bzw. durch eine obergerichtliche Rechtsprechung, die sich mit ihnen auseinandersetze, widerlegt seien.

2. Der Antragsteller befinde sich seit dem … Juni 2012 im Bundesgebiet. Die wirtschaftlichen Bedingungen in Afghanistan, die sich seit 2012 sehr stark verschlechtert hätten, ermöglichten dem Antragsteller nicht mehr ein Überleben aus eigener Kraft. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan werde der Antragsteller weder Wohnung noch Arbeit finden; ihm drohe die Verelendung. Aufgrund der fünfjährigen Integration in der Bundesrepublik Deutschland werde er in Afghanistan als verwestlicht angesehen und sei in der afghanischen Gesellschaft bei einer Rückkehr ein „Fremdkörper“ und deshalb besonders gefährdet. Das Entführungsrisiko bei Rückkehrern aus Europa sei besonders hoch.

3. Der Antragsteller sei außerdem schwer erkrankt. Es werde auf die übermittelten medizinischen Unterlagen wie den Bericht des …Klinikums … vom 22. August 2016, den Überweisungsschein Zentrum für Neurologie-Psychiatrie … … … vom 18. April 2017 und die Medikamentenverordnung von … … … vom 18. April 2017 verwiesen.

Die Antragsgegnerin äußerte sich nicht und legte keine Behördenakten vor.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte und die beigezogene Gerichtsakte des Asylerstverfahrens, M 12 K 14.30661, verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt erfolglos.

1. Für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag nach § 123 VwGO ist das Verwaltungsgericht München als Gericht der Hauptsache insbesondere örtlich zuständig, weil der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit seinen Aufenthalt nach dem AsylG im Regierungsbezirk Oberbayern und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen hatte (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO). Zur Entscheidung über den Antrag nach § 123 VwGO ist der Berichterstatter als Einzelrichter berufen (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG).

2. Weder für den Hauptantrag, noch für die Hilfsanträge, ist weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch hinreichend wahrscheinlich.

2.1. Gemäß § 920 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO hat der Antragsteller Anordnungsgrund und -anspruch zu bezeichnen und glaubhaft zu machen.

Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BVerfGE 79, 69/75; BayVGH, B.v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich ist dabei hinsichtlich des vorliegenden asylrechtlichen Sachverhalts der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG).

Liegt eine Fallgestaltung vor, in der im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Hauptsache teilweise oder ganz vorweggenommen werden würde, wie vorliegend, darf eine vorläufige Regelung nach § 123 VwGO nur ergehen, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht und die ohne einstweilige Anordnung zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2011 - 22 CE 11.2174 - juris Rn. 3 m.w.N.), also ein Anordnungsgrund von besonderem Gewicht vorliegt.

2.2. Im vorliegenden Fall würde eine gemäß § 123 VwGO ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners sowohl hinsichtlich des Hauptantrags wie auch der Hilfsanträge die Hauptsache vorwegnehmen. Der für eine solche Vorwegnahme der Hauptsache erforderliche Anordnungsgrund von besonderem Gewicht ist weder hinsichtlich des Hauptantrags, noch hinsichtlich der Hilfsanträge hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Für eine hinreichende Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrund von besonderem Gewicht genügt nicht der Hinweis auf die anstehende Abschiebung des Antragstellers auf der Grundlage des bestandskräftigen Bescheides vom 8. April 2014, der in Nr. 5 die Abschiebungsandrohung enthält, deren Vollzug ansteht. Auch im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergibt sich vorliegend kein erforderlicher Anordnungsgrund von besonderem Gewicht. Die Antragspartei hat nicht, insbesondere nicht mit dem erforderlichen besonderen Gewicht glaubhaft gemacht, weshalb der Antragsteller nicht in der Lage gewesen sein sollte, sich mit seinem Folgeantragsbegehren und dem insoweit geltend gemachten Vorbringen zur Sache im Einzelnen nicht bereits früher bei der Antragsgegnerin Gehör zu verschaffen und somit auch zu einem früheren Zeitpunkt eine Entscheidung der Antragsgegnerin hätte herbeiführen können und im Gefolge auch zu einem früheren Zeitpunkt auch die Rechtsschutzmöglichkeit zu einer Entscheidung der Antragsgegnerin über einen Asylfolgeantrag des Antragstellers sich zu eröffnen.

2.3. Unabhängig davon ist ein Anordnungsanspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner nicht überwiegend wahrscheinlich.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Anordnungsanspruch ist der materiell-rechtliche Anspruch, der im Hauptsacheverfahren geltend zu machen ist und der im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig gesichert oder geregelt werden soll. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (vgl. § 71 Abs. 1, § 13 Abs. 2 AsylG) oder auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hat und im Gefolge - in Betreff der in den Hilfsanträgen geltend gemachten Varianten zur Mitteilung bzw. Unterlassung der Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG - auf eine entsprechende Mitteilung des BAMF an die die Vollziehung der Abschiebung ausführende zuständige Ausländerbehörde - inhaltlich gerichtet auf Nichtdurchführung der Abschiebung des Antragstellers - hat.

Die Antragspartei hat nicht mit dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit einen Erfolg in der Hauptsache glaubhaft gemacht. Insoweit hat die Antragspartei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. § 71 Abs. 3 Satz 1 AsylG verpflichtet den Ausländer zu Angaben über seine Anschrift sowie zu Tatsachen und Beweismitteln, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG ergibt.

Hinsichtlich der unveränderten Risikobewertung der Sicherheitslage, der Gefahrenlage und allgemeinen Lage (incl. Versorgungslage) in Afghanistan, sowohl in Bezug auf eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, als auch in Bezug auf eine extreme Gefahrenlage, die ein Abschiebungsverbot für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige rechtfertigen würde, als - auch nach der Auffassung des UNHCR - bestehende Lebensmöglichkeit für alleinstehende leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in der urbanen und semi-urbanen Umgebung, wird auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. März 2017 - 13a ZB 17.30099 - BeckRS 2017, 105490 verwiesen.

Auch im Hinblick auf das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG wurde kein Anordnungsanspruch mit dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, in Anbetracht der vorgetragenen Erkrankung an Anpassungsstörungen. Es bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat. Der Bericht über den viertägigen stationären Aufenthalt des Antragstellers im August 2016 ist weder aktuell, noch hinreichend für den gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt aussagekräftig zu einer Erkrankung oder der fehlenden Leistungsfähigkeit des Antragstellers. Gleiches gilt für den Überweisungsschein und die Medikamentenverordnung.

3. Der Antrag ist mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antragsteller ist ein am … 1998 geborener afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Kapisa mit tadschikischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte den ersten Asylantrag des Antragstellers mit Bescheid vom 1. März 2017 ab und drohte diesem die Abschiebung nach Afghanistan an. Eine hiergegen erhobene Klage wurde durch den Antragsteller am 5. April 2017 zurückgenommen und das Klageverfahren durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg am 11. April 2017 eingestellt.

Am 18. Mai 2017 stellte der Antragsteller persönlich beim Bundesamt einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) sowie auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Afghanistan. Zur Begründung ließ der Antragsteller vortragen, dass er und seine Familie Afghanistan seinerzeit wegen einer familiären Fehde mit konkreten Blutracheandrohungen gegen sämtliche Familienmitglieder hätten verlassen müssen. Aufgrund eines Telefonats mit seiner Tante habe der Antragsteller in den vergangenen Tagen erfahren, dass es zu erneuten Blutrachedrohungen gekommen sei. Eine Rückkehr sei lebensbedrohlich; sämtliche Familienmitglieder würden nach wie vor als Spione und Verräter betrachtet. Zudem habe der Antragsteller keinerlei Bezug mehr zu seinem Heimatland, das er bereits als vierjähriges Kind verlassen habe. Er habe zwar bei Verwandten unterkommen wollen, dies sei jedoch aufgrund der neuerlichen Drohungen nicht mehr möglich. Auch in den größeren Städten Afghanistans sei ihm ein Leben nicht möglich, da er keinen Bezug zu Afghanistan habe und sich die allgemeine Sicherheitslage enorm verschlechtert habe.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Folgeantrag als unzulässig ab (Ziffer 1). Der Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 1. März 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde abgelehnt (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Folgeantrag unzulässig sei, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG nicht vorliegen. Die vorgebrachte Erneuerung der Drohungen gegenüber dem Antragsteller stelle keine Änderung der Sachlage dar, die sich günstig auf die Erfolgschancen des Folgeantrags auswirken könne. Es handele sich nach wie vor um Streitigkeiten zwischen Familien, die sich zudem vor mehr als zehn Jahren ereignet hätten und der Kausalität und asylrechtlichen Relevanz entbehrten. Neue Beweismittel seien nicht vorgelegt worden; das Telefongespräch, dass der Antragsteller mit seiner Tante geführt habe, könne als Beweis für die Bedrohung nicht herangezogen werden, da weder dieses noch der Gesprächsinhalt adäquat nachgewiesen worden seien. Auch hinsichtlich des Wiederaufgreifens des Verfahrens zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien die Voraussetzungen des § 51 VwVfG nicht gegeben. Darüber hinaus seien auch keine Gründe ersichtlich, die Entscheidung zu Abschiebungsverboten im Ermessenswege zu ändern. Die persönliche Situation des ledigen, kinderlosen und arbeitsfähigen Antragstellers sei nach wie vor unverändert. Der Aussage, dass der Antragsteller Afghanistan bereits als vierjähriges Kind verlassen habe und keinerlei Bezug mehr zu seinem Heimatland habe, stehe entgegen, dass der Antragsteller ungewöhnlich viele Kontakte allein über Facebook nach Afghanistan habe. Anhand der dortigen Einträge sei ersichtlich, dass sich der Antragsteller in seiner Muttersprache verständigen und damit in seinem Heimatland orientieren könne. Der Antragsteller sei als volljähriger, gesunder Mann ohne Unterhaltslasten auch ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten in Kabul, oder aber auch in seiner Heimatprovinz, wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Einer erneuten Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung habe es gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG i.V.m. Art. 41 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie nicht bedurft.

Der Antragsteller erhob am 9. Juni 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg (W 1 K 17.32520) und beantragte gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9. Juni 2017 gegen den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2017 anzuordnen.

Zur Begründung wurde auf die erneut verschärfte Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere die jüngsten Anschläge in Kabul, hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren W 1 K 17.32520 sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2017 anzuordnen, ist im vorliegenden Falle, in dem keine erneute Abschiebungsandrohung von der Antragsgegnerin erlassen worden ist, nach § 88 VwGO als Antrag nach § 123 VwGO auszulegen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber der Ausländerbehörde zu erklären, entgegen einer Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zunächst keine Vollzugsmaßnahmen zu ergreifen (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2002 – 10 CE 02.1295 – juris; GK AsylG, § 71 Rn. 388 ff.).

Dieser insoweit zulässige Antrag ist in der Sache unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Zweifelhaft erscheint bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne einer Eilbedürftigkeit der begehrten Entscheidung, nachdem die Bundesregierung am 1. Juni 2017 bekanntgegeben hat, dass der Bund eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan durchführen werde und bis dahin Abschiebungen nur in Einzelfällen durchgeführt werden sollen. Hiervon sind offensichtlich nur Straftäter und sogenannte Gefährder betroffen sowie abgelehnte Asylbewerber, die bei der Aufklärung über ihre Identität nicht mit den deutschen Behörden zusammenarbeiten (https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/06/2017-06-01-mpk-mit-bundeskanzlerin.html). Dass der Antragsteller unter eine dieser Kategorien fiele, ist nicht ersichtlich, weshalb ihm eine Abschiebung wohl nicht unmittelbar droht.

Jedenfalls fehlt es vorliegend jedoch an einem Anordnungsanspruch. Auf die Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2017 wird verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG. Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen:

Der Antragsteller hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG hinsichtlich eines Anspruchs auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht glaubhaft machen können. Auf das Asylgrundrecht kann sich der Antragsteller nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht berufen, da er nach eigenem Bekunden auf dem Landweg und somit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert ebenso grundsätzlich bereits am Fehlen eines der Verfolgungsgründe nach § 3b AsylG, da die vom Antragsteller vorgetragene Verfolgung allein auf einer familiären Fehde und nicht auf einem der in § 3b AsylG genannten Gründe beruht. Änderungen gegenüber dem Asylerstverfahren sind darüber hinaus insoweit nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger geltend macht, dass er in seinem Heimatland aufgrund einer familiären Fehde einer Blutracheandrohung ausgesetzt und diese jüngst erneuert worden sei, wie er aus einem Telefonat mit seiner Tante erfahren habe, so hat der Antragsteller diese Bedrohung bereits zum Gegenstand seines Asylerstverfahrens gemacht (vgl. Bl. 80 f. der Behördenakte). An dieser im Asylerstverfahren vorgetragenen Bedrohungslage hat sich auch durch einen etwaigen erneuten Anruf, durch welchen die Bedrohungslage bestätigt worden sein soll, nichts geändert. Der Kläger hat nichts Zusätzliches vorgetragen, das geeignet wäre, Zweifel an der Richtigkeit der bestandskräftigen Entscheidung vom 1. März 2017 zu wecken. Darüber hinaus erscheint der Vortrag einer Aktualisierung einer rund 14 Jahre alten Familienfehde gerade wenige Tage nach der Einstellung des Asylerstverfahrens und der damit angenommenen Gefahr einer Abschiebung nach Afghanistan rein asyltaktischer Natur und nicht glaubhaft. Auch das Vorbringen im Asylerstverfahren erscheint aufgrund fehlender Substanz nicht glaubhaft, insbesondere was die Bedrohung für den Kläger selbst angeht. Auch kann nicht von einer Blutrachesituation die Rede sein, nachdem vielmehr der Bruder des Vaters derjenige ist, der vorliegend Rache zu befürchten hätte.

Soweit sich der Antragsteller darüber hinaus allgemein auf eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan beruft, so verhilft auch dies dem vorliegenden Antrag nicht zum Erfolg. Denn es reicht nicht jegliche Verschlechterung der Verhältnisse im Heimatland zur Begründung eines Folgeantrages aus; vielmehr muss aufgrund der veränderten Umstände eine abweichende Bewertung des Asylbegehrens zumindest möglich erscheinen. Die pauschale Behauptung bzw. auch die Nennung von sicherheitsrelevanten Einzelereignissen reicht hierfür nicht aus. Zunächst ist bereits grundsätzlich nichts dafür ersichtlich, dass sich in dem kurzen Zeitraum seit dem Abschluss des Asylerstverfahrens im März/ April 2017 die Sicherheitslage in Afghanistan geändert hätte. Darüber hinaus droht dem Antragsteller in seiner Herkunftsregion, auf welche für die Beurteilung der Gefahrenlage abzustellen ist (vgl. BVerwG, B.v. 14.11.2012 - 10 B 22.12 – juris), hier der Provinz Kapisa, auch aktuell keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. In der Zentralregion, zu der die Provinz Kapisa gehört, wurden im Jahre 2016 2.348 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11). Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Zentralregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris; BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 13a ZB 17.30099 – juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der jüngsten Attentate in Afghanistan. Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar.

Der Antragsteller hat damit nicht substantiiert dargelegt, dass nunmehr eine geänderte Sachlage oder neue Beweismittel in Bezug auf seine Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes vorliegen würden. Noch weniger besteht die Möglichkeit einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 (vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, § 71 AufenthG, Rn. 41; Funke-Kaiser in GK zum AsylG, § 71 AufenthG Rn. 181, 206).

Im Hinblick auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird auf obige Ausführungen zum Fehlen der Voraussetzungen nach § 51 VwVfG verwiesen. Der Antragsteller hat darüber hinaus jedoch auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 49 Abs. 1 VwVfG. Was die Ausführungen des Antragstellers zur verschlechterten Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so wird auf die obigen Ausführungen verwiesen; der Vortrag ist ebenso wenig geeignet, hieraus ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG herzuleiten (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 13a ZB 17.30231 – juris).

Darüber hinaus ist auch die schlechte Arbeitsmarkt- und Versorgungslage in Afghanistan, wie sie sich etwa aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016 und dem Updatebericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Afghanistan vom 30. September 2016 ergibt, nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot nach den genannten Vorschriften zu begründen. Denn nach der ständigen und weiterhin gültigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte und auch des erkennenden Einzelrichters ergibt sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein junger arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der schlechten Versorgungslage einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre bzw. in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Ein junger, gesunder männlicher Rückkehrer – wie der Antragsteller – ist selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren (vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris m.w.N.; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris; VG Würzburg, U.v. 30.5.2017 – W 1 K 16.31021 – juris). Auch die Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 ist nicht geeignet, eine andere Einschätzung bezüglich des Vorliegens von Abschiebungsverboten herbeizuführen, denn abgesehen davon, dass der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern, wie dem hiesigen Antragsteller, eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 13a ZB 17.30231 – juris). Zudem steht ein langjähriger Aufenthalt im Ausland einer Rückkehr nach Afghanistan nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung nicht entgegen. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 - 13a ZB 16.30129 – juris).

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht ausschlaggebend, dass der Antragsteller vorträgt, dass er aufgrund seines Wegzuges in den Iran im Alter von 4-5 Jahren keinen Bezug mehr zu seinem Heimatland habe und seine Familie Afghanistan ebenfalls verlassen habe. Der Antragsteller hat zumindest die meiste Zeit seines Lebens in einem islamisch geprägten Land verbracht (hier Afghanistan und Iran) und spricht eine der Landessprachen (hier Dari), wie sich aus dem Anhörungsprotokoll vom 17. Januar 2017 ergibt (Bl. 76, 82 der Behördenakte).

Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtschutzes gegen den Vollzug einer bestandskräftigen Abschiebungsandrohung nach Afghanistan.

Der am ... 1989 in ... (Afghanistan) geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Tadschiken und sunnitischem Glauben. Vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland lebte der Antragsteller in * (Afghanistan).

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. Juni 2016 wurde der Asylerstantrag des Antragstellers abgelehnt. Auf die Gründe des diesbezüglichen Bescheides wird verwiesen. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht.

Die vom Antragsteller gegen die Entscheidung des Bundesamtes erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. August 2016 (Az. Au 6 K 16.30946) abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Ein gegen die vorbezeichnete Entscheidung gerichteter Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Januar 2017 abgelehnt (Az.: 13a ZB 16.30374). Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Am 9. Februar 2017 stellte der Antragsteller beim Bundesamt einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Weiter begehrte der Antragsteller das Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach Afghanistan.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Februar 2017 wurde der Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) In Ziffer 2 wurde auch der weitergehende Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 14. Juni 2016 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abgelehnt.

In den Gründen ist ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrages nach § 71 Asylgesetz (AsylG) ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei. Ein weiteres Asylverfahren gemäß § 71 Abs. 1 AsylG sei nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erfüllt seien, folglich zu Gunsten des Antragstellers Wiederaufgreifensgründe vorlägen. Es sei bereits nicht ersichtlich, warum der Antragsteller ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sein könnte, seinen jetzt geltend gemachten psychischen Zustand nicht schon im Erstverfahren geltend zu machen. Aus dem im Verfahren vorgelegten Attest gehe u.a. hervor, dass eine psychische Beeinträchtigung seit der Kindheit gegeben sei. Zu dieser habe der Antragsteller weder im Verfahren vor dem Bundesamt noch im Erstverfahren etwas vorgetragen. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Was eine akute Suizidalität im Falle einer Rückführung ins Heimatland angehe, so handele es sich hierbei zudem um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, welches sich der Zuständigkeit des Bundesamtes entziehe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG seien stets nur solche Umstände, die sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten ließen und damit in Gefahren begründet lägen, welche dem Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung drohten (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Würden die befürchteten negativen Auswirkungen jedoch allein durch die Abschiebung als solche und nicht wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung eintreten, so handele es sich um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Die im Erstbescheid erlassene Abschiebungsandrohung sei weiter gültig und vollziehbar.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 21. Februar 2017 wird ergänzend verwiesen.

Der Antragsteller hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 7. März 2017 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamtes vom 21. Februar 2017 aufzuheben (Az. Au 5 K 17.31263). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.

Daneben hat der Antragsteller ebenfalls mit Schriftsatz vom 7. März 2017 im Wege vorläufigen Rechtschutzes beantragt,

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG einstweilig zurückzunehmen und der Zentralen Ausländerbehörde, Regierung, mitzuteilen, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wird.

Zur Begründung ist vorgetragen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens habe. Es gebe eine Vielzahl neuer Erkenntnismittel, die belegten, dass die Taliban und eine Vielzahl von kriminellen Machthabern das Land Afghanistan beherrschten und imstande seien, Zivilpersonen jederzeit im ganzen Land ausfindig zu machen. Darüber hinaus gebe es eine Vielzahl neuer Erkenntnisse dazu, dass im gesamten Staatsgebiet Afghanistan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt bestehe, wodurch dem Antragsteller eine individuelle Bedrohung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG drohe. Ebenfalls belegten die neuen Erkenntnismittel, dass bei einer Rückkehr nach Afghanistan dem Antragsteller die Verelendung sowie eine konkrete Lebens- und Gesundheitsgefahr drohe. Der Antragsteller sei nicht in der Lage, ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Des Weiteren lägen neue Beweise dafür vor, dass der Antragsteller psychisch erkrankt sei. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und sei medikamentös-psychiatrisch und therapeutisch dringend behandlungsbedürftig. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege vor, da dem Antragsteller im Falle einer Rückkehr in sein Heimatstaat eine Verschärfung der Krankheit und eine Gefahr für Leib und Leben drohe. Eine adäquate medizinische Behandlung sei in Afghanistan nicht erhältlich. Insoweit wurde Bezug genommen auf den fachärztlichen Bericht vom 13. November 2016. Für den weiteren Vortrag des Antragstellers wird auf den weitergehenden Inhalt des Schriftsatzes vom 7. März 2017 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag ist zwar zulässig. Insbesondere ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsteller seinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens einstweilen sichern und etwaigen Abschiebemaßnahmen der Ausländerbehörde entgegenwirken will, statthaft.

Die Antragsgegnerin hat den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) bzw. auf Abänderung des Ausgangsbescheides im Erstverfahren vom 14. Juni 2016 abgelehnt, ohne eine weitere Abschiebungsandrohung zu erlassen, § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG. Mangels einer erneuten Abschiebungsandrohung bildet die im Bescheid vom 14. Juni 2016 enthaltene bestandskräftige Abschiebungsandrohung i.V.m. der Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG nicht vorliegen, gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG die Grundlage für den Vollzug einer Abschiebung des Antragstellers. Da die auf §§ 24 Abs. 3, 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gestützte Mitteilung an die Ausländerbehörde kein Verwaltungsakt ist (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.5.200 - 2 R 186/00 - juris), somit in der Hauptsache auch nicht mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann, ist vorläufiger Rechtschutz nach zutreffender Auffassung nicht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, sondern dergestalt zu gewähren, dass der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der nach Ablehnung des Folgeantrages an die ergangene Mitteilung eine Abschiebung erfolgen darf (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 16.3.1999 - 2 BvR 2131/95 -, InfAuslR 1999, 256; VGH Baden-Württemberg, B.v. 2.12.1997 - A 14 S 3104/97 -, InfAuslR 1998, 193; B.v. 13.9.2000 - 11 S 988/00 -, EZAR 632 Nr. 35).

Der Antrag ist auch zutreffend gegen die Antragsgegnerin gerichtet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde kommt nur in begründeten Ausnahmefällen etwa dann in Betracht, wenn angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles zu befürchten ist, dass die Antragsgegnerin gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde nicht mehr rechtzeitig den Vollzug der Abschiebung durch die beschriebene Mitteilung verhindern kann (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 AsylVfG Rn. 49).

Dies gilt auch für die Sicherung des Wiederaufnahmebegehrens betreffend die Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. Nach der Asylantragstellung obliegt dem Bundesamt gemäß § 24 Abs. 2 AsylG die alleinige Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. An diese Entscheidung ist die zuständige Ausländerbehörde gemäß § 42 Satz 1 AsylG gebunden. Wirkungsvoller Rechtsschutz ist damit im spezifisch asylrechtlichen Verfahren gewährleistet. Das zu sichernde Wiederaufnahmebegehren zielt darauf ab, im Wege der Änderung der frühen Entscheidung nunmehr eine positive Feststellung des Bundesamtes für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses zu erlangen. Dieses Ziel ist nach Erlass eines ablehnenden Bescheides mit der Verpflichtungsklage gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, 16), dementsprechend ist auch hier vorläufiger Rechtschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung § 123 VwGO gegenüber dem Bundesamt als Antragsgegnerin zu gewähren.

2. Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet.

a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).

Eine derartige einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Das Vorliegen eines derartigen Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 54).

Wie sich aus § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG ergibt, kann vorliegend einstweiliger Rechtsschutz nur gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. VG Augsburg, B.v. 1.10.2015 - Au 4 E 15.30540 - juris Rn. 17).

Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze ist vorliegend jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Folgeantrags bzw. des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens durch das Bundesamt bestehen nicht.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Bereits in dem Folgeantrag hat der Ausländer gemäß § 71 Abs. 3 Satz 1 AsylG seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel substantiiert anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergibt. Den Asylfolgeantragsteller trifft insoweit die Darlegungspflicht (vgl. VG Bayreuth, B.v. 13.2.2015 - B 3 S. 15.30037 - juris Rn. 23).

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylfolgeantrages des Antragstellers mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. Februar 2017. Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wird in vollem Umfang Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). und ergänzend ausgeführt.

Der Antragsteller hat entgegen § 51 Abs. 1 VwVfG nicht glaubhaft gemacht, dass sich die dem ablehnenden Bescheid zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hätte (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Die im Antragsschriftsatz vom 7. März 2017 angeführten neueren Erkenntnisse führen nach Auffassung des Gerichts nicht dazu, dass dem Antragsteller nunmehr internationaler Schutz zuzuerkennen wäre. Der Antragsteller macht als Wiederaufnahmegrund im Wesentlichen geltend, dass in Afghanistan mittlerweile landesweit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegen würde, der die Gewährung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlich machen würde. Diesbezüglich vermag das Gericht keine veränderte Sachlage zu erkennen, die eine von der bestandskräftigen Entscheidung im Asylerstfahren abweichende Bewertung nahelegen könnte.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 20; U.v. 29.5.2008 - 10 C 11/07 - juris Rn. 35). Die Beurteilung erfordert dabei eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13A ZB 13.30185 - juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicher Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 22.8.2013 - 5A K 156/11.A - juris Rn. 38).

Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Antragsteller eine inländische Fluchtalternative besteht.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Antragsteller in Afghanistan für ihn zumutbar an einem Ort niederlassen kann, an dem er verfolgungssicher ist. Für den Antragsteller als jungen Mann dürfte es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits seiner Herkunftsprovinz möglich sein, sich ein Existenzminimum zu sichern. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Stand: September 2016 - im Folgenden: Lagebericht - S.18). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts daher insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar.

Dem Antragsteller ist nach Überzeugung des Gerichts eine Rückkehr insbesondere nach Kabul i.S. einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch zumutbar. Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BayVGH, B.v.19.6.2013 - 13a ZB 12.30386 - juris). Auch aus den letzten Lageberichten des Auswärtigen Amtes ergibt sich nicht, dass sich die Sicherheitslage in Kabul im Vergleich zur Einschätzung in den vorangegangenen Lageberichten wesentlich verändert hätte (Lagebericht vom 6.11.2015, S. 4: Lagebericht vom 19.10.2016, S. 4). Zwar war teilweise ein Anstieg von zivilen Opfern im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen zu verzeichnen. Dass dieser Anstieg jedoch die Sicherheitslage in Kabul derart gravierend verschlechtert hat, dass der Antragsteller dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit alsbald einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wären, ergibt sich aus den Auskünften nicht (s. auch BayVGH, B.v. 14.1.2015 - 13a ZB 14.30410 - juris Rn.5). Auch soweit die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) in ihrem im Februar 2016 veröffentlichten Jahresbericht für 2015 anführt, dass sie im Jahr 2015 die höchste Zahl an zivilen Opfern seit 2009 dokumentiert hat, ändert dies obige Einschätzung nicht. Nachdem es bereits in den Jahren 2013 und 2014 einen Anstieg in der Zahl der zivilen Todesopfer und Verletzten gegeben hatte, stieg im Jahr 2015 die Zahl der durch konfliktbedingte Gewalt getöteten und verletzten Zivilisten im Vergleich zum Jahr 2014 um vier Prozent auf 11.002 zivile Opfer (3.545 Tote und 7.457 Verletzte). Wie UNAMA erläutert, ist der Anstieg in der Gesamtzahl der zivilen Opfer vor allem durch eine Zunahme an komplexen Anschlägen und Selbstmordanschlägen sowie gezielten Tötungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu erklären. Darüber hinaus stieg auch die Zahl von Opfern, die durch Regierungskräfte im Zuge von Luft- und Bodengefechten verursacht wurden. Insbesondere in der Provinz Kunduz geriet zudem eine steigende Zahl von Zivilisten zwischen die Frontlinien der Konfliktparteien. UNAMA zu Folge führten komplexe Anschläge und Selbstmordanschläge in der Zentralregion, insbesondere in der Stadt Kabul, zu einem 18-prozentigen Anstieg in der Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2015 (vgl. ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan

& Chronologie für Kabul, Stand: 5.7.2016, http: …www.ecoi.net/news/188769::

afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm).

Allerdings hat die Zunahme von Anschlägen nach Überzeugung des Gerichts nicht zu einer solchen Verschlechterung der Sicherheitslage in der Zentralregion und in Kabul geführt, dass vernünftigerweise nicht mehr erwartet werden könnte, dass ein Rückkehrer sich dort niederlässt. Die allgemeine Gefährdungslage dort erreicht nicht eine Intensität, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG anzunehmen wäre. Soweit Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl sowie Presseberichte auf die Zunahme von Anschlägen in Kabul verweisen, folgen sie eigenen Maßstäben, aber nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2016 - 13a ZB 16.30090 - Rn. 10 m.w.N.). Auch erreicht die allgemeine Gefährdungslage dort nicht eine Intensität, dass Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative nicht mehr geeignet wäre, denn das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist noch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. bisher schon BayVGH, B.v.19.6.2013 - 13a ZB 12.30386 - juris). Dies gilt auch zum jetzt entscheidungserheblichen Zeitpunkt.

b) Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens unter Abänderung des Bescheides vom 14. Juni 2016 bezüglich der Feststellung zur § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG hat der Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller macht vorliegend unter Berufung auf ein fachärztliches Attest vom 13. November 2016 geltend, er leide an einer zielstaatsbezogenen Erkrankung, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstelle bzw. begründe. Ausweislich des im Verfahren vorgelegten Attestes hat der Antragsteller geltend gemacht, er habe Alpträume hinsichtlich seiner Abschiebung nach Afghanistan und seiner Furcht, dort getötet zu werden. Er plage sich mit Suizidgedanken. Für den Antragsteller sei eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode attestiert. Ebenfalls bestünden Suizidgedanken im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan. Ein gesicherter Verbleib in Deutschland sei Voraussetzung für eine Therapie. Diese Diagnosen führen nicht zu einer Änderung der Sachlage zu Gunsten des Antragstellers, da es sich, soweit der Antragsteller bzw. das vorgelegte fachärztliche Attest auf Folgeprobleme im Falle einer Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan hinweisen, nicht um eine zielstaatsbezogene Erkrankung handelt.

Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers auf Grund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Hingegen ist eine bereits im Bundesgebiet entstandene, auf die Abschiebung bezogene Erkrankung inlandsbezogen.

Soweit der Kläger also Ängste geltend macht, bei einer Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban ermordet zu werden, beziehen sich seine Befürchtungen auf den bereits im ersten Asylverfahren gewürdigten und vom Verwaltungsgericht insgesamt abschließend bestandskräftig bewerteten Sachvortrag. Dass subjektiv empfundene Ängste die in einem unanfechtbar gewordenen Urteil niedergelegte Würdigung der Sachlage durch das Verwaltungsgericht insoweit nicht erschüttern können, liegt auf der Hand. Sie sind keine Änderung der Sachlage.

Soweit der Kläger aber Ängste in Reaktion auf eine drohende Abschiebung entwickelt haben will, sind diese nicht zielstaatsbezogen sondern beziehen sich auf die Vollstreckung der Abschiebungsandrohung. Sie sind inlandsbezogen (vgl. zur Differenzierung BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265/278; BVerwGE, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 ff., juris Rn. 14 f.) und führen daher ebenfalls nicht zu einer Änderung der Sachlage zu Gunsten des Antragstellers. Überdies ist eine „erhebliche konkrete Gefahr“ durch eine zielstaatsbezogene Verschlimmerung einer Erkrankung nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, gegeben (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG); nicht - wie hier - bei einer Erkrankung oder potenziellen Suizidalität in Bezug auf den Abschiebungsvorgang als solchen (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 8.99 -, juris Rn. 13).

Soweit der Antragsteller weitergehend darauf verweist, dass er psychische Probleme bereits seit dem Kindheitsalter habe, wäre dieser Umstand vom Antragsteller im Erstverfahren geltend zu machen gewesen. Die Erkrankung war dem Antragsteller seit längerem bekannt und wäre von diesem unschwer möglich im Verfahren vor dem Bundesamt bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das sich über zwei Instanzen erstreckt hat, geltend zu machen gewesen. Gleiches gilt im Übrigen im Hinblick auf das Attest vom 13. November 2016. Da das Asylerstverfahren erst mit der Ablehnung des Antrages auf Zulassung der Berufung durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 25. Januar 2017 seinen Abschluss gefunden hat, handelt es sich bei den vorgelegten ärztlichen Berichten streng genommen ebenfalls nicht um ein neues Beweismittel i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Es wäre am Antragsteller gelegen, dieses fachärztliche Attest im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen, was der Antragsteller wohl offensichtlich unterlassen hat. Insoweit ist vom Antragsteller zu verlangen, dass er diese Beweismittel nach § 51 Abs. 2 VwVfG im Asylerstverfahren geltend macht.

c) Auch die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens des Verfahrens im Ermessenswege nach § 51 Abs. 5 VwVfG durch Widerruf des Bescheides vom 14. Juni 2016 hinsichtlich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ist ebenso wenig glaubhaft gemacht. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessensspielraums der Antragsgegnerin auf Null mit der Folge ihrer Verpflichtung zu einem solchen Wiederaufgreifen ist auch mit Blick auf die zu schützenden Grundrechte des Antragstellers nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht ersichtlich. Das Gericht vermag ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht zu erkennen. Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass der evtl. Abbruch einer begonnenen psychiatrischen Therapie nicht als zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis geltend gemacht werden kann, dann fremde Staatsangehörige können ein Recht auf Verbleib in dem Hoheitsgebiet des abschiebenden Staates grundsätzlich nicht beanspruchen, um weiterhin in den Genuss einer medizinischen, sozialen oder anderen adäquaten Versorgung zu gelangen, die der abschiebende Staat während ihres Aufenthaltes gewährt hat (vgl. EGMR, Entscheid vom 7.10.2004 - 33743/03 - NVwZ 2005, S. 1043 ff.). Dies gilt insbesondere auch für die durch eine Abschiebung möglicherweise abgebrochene medikamentöse Therapie des Antragstellers wegen seiner durch die drohende Abschiebung ausgelösten psychischen Reaktionen, die allenfalls - wie aufgezeigt - ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis betreffen.

3. Das ein Anordnungsgrund nach § 123 VwGO mit Blick auf die in Kürze geplante Abschiebung des Antragstellers vorliegt, ändert nichts am Fehlen eines Anordnungsanspruchs, so dass der Antrag nach § 123 VwGO insgesamt erfolglos bleibt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass der Antragsteller vorläufig bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben werden darf.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger christlichen Glaubens. Ein erster Asylantrag wurde unanfechtbar abgelehnt (vgl. W 6 K 11.30263).

Am 31. Juli 2015 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, er sei zum Christentum konvertiert. Er sei in Deutschland am 30. Juni 2013 in der Baptistengemeinde A* … getauft worden.

Mit Bescheid vom 27. September 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Weiter lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 26. Juli 2011 (Az.: …*) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe vorliegend die Dreimonatsfrist für die Folgeantragstellung nicht eingehalten und erheblich überschritten. Der Antragsteller sei bereits am 30. Juni 2013 getauft worden. Seinen Folgeantrag habe er am 31. Juli 2015 gestellt. Dem anwaltlich vertretenen Antragsteller sei auch eine rechtzeitige Antragstellung zumutbar gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft darlegen können, den neu angenommenen christlichen Glauben aus einer wirklichen inneren Überzeugung heraus angenommen zu haben. Der Antragsteller habe nicht darzulegen vermocht, dass seine Lebensführung dauerhaft und nachhaltig durch den christlichen Glauben geprägt sei und bei einer Rückkehr in den Iran geprägt sein würde. Der Antragsteller praktiziere den christlichen Glauben bereits in Deutschland faktisch gar nicht.

Am 5. Oktober 2017 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 17.33481 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und gleichzeitig im vorliegenden Verfahren beantragen,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es vorläufig zu unterlassen, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorzunehmen oder eine bereits erfolgte Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde vorläufig zu widerrufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 17.33481) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der auslegungsbedürftige Antrag (vgl. § 88 VwGO) ist zulässig und letztlich auch begründet.

Soweit der Antrag sich gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sachgerecht. Soweit sich der Antrag auf die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht, ist indes ein Antrag nach § 123 VwGO der korrekte Rechtsbehelf.

Denn die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Anders als früher scheidet insoweit ein Antrag nach § 123 VwGO aus; § 80 Abs. 5 VwGO ist insoweit vorrangig (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).

Denn bei einem Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides führt dies zu einer Nichtvollziehbarkeit bzw. Wirksamkeitshemmung, sodass der betroffene Ausländer im Ergebnis so gestellt ist, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Das Bundesamt hat in einem derartigen Fall die Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzten (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris).

Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, über die unter Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids entschieden ist. In der Hauptsache ist insoweit weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Denn das Bundesamt muss gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Da hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, ausscheidet, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Allein auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann insoweit nicht abgestellt werden, insbesondere wenn ein Rechtsschutzbegehren gegen die Unzulässigkeitserklärung in Nr. 1 des Bescheides erfolglos bleibt (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris; vgl. auch zu gegenläufigen Auffassungen über die korrekte Antragstellung bei Folgeverfahren ohne erneute Abschiebungsandrohung etwa VG München, B.v. 18.8.2017 – M 6 S. 17.35653 – juris; VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris; VG Würzburg, B.v. 19.6.2017 – W 1 S. 17.32522 – juris; VG Augsburg, B.v. 14.3.2017 – Au 5 E 17.31264 – juris).

Ausgehend von der vorstehend skizzierten Rechtslage ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, soweit er sich auf die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegenüber Nr. 1 des Bescheides ist jedoch unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG).

Denn das Bundesamt ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die besonderen Zulässigkeitsanforderungen der §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 VwVfG nicht vorliegen und der Folgeantrag damit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der Folgeantrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Bei (gegebenenfalls sich prozesshaft entwickelnden) Dauersachverhalten ist grundsätzlich die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen für den Fristbeginn maßgeblich. Das Erfordernis, die Dreimonatsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG gilt auch für die sich prozesshaft entwickelnde Dauersachverhalte sowie Wiederaufgreifensgründe, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens auftreten. Wenn der Dauersachverhalt einen Qualitätsumschlag erfährt, kann diese Frist erneut in Lauf gesetzt werden (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 96. Aktualisierung Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 40 ff., 46 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 142 und 226). Unbilligkeiten aufgrund des Umstandes, dass bei sich prozesshaft entwickelnden dauerhaften Sachverhalten der Zeitpunkt, zu welchen ein Qualitätssprung stattfindet bzw. der Zeitpunkt, zu welchem der Sachverhalt Asylerheblichkeit erreicht, nur schwer feststellbar ist, lassen sich dadurch vermeiden, dass die Gewährung von nachrangigem Abschiebungsschutz möglich ist.

Die Dreimonatsfrist ist vorliegend nicht gewahrt.

Mit Blick auf die vorgetragene Konversion des Antragstellers ist insbesondere von der Taufe am 30. Juni 2013 als relevantem Datum und damit von einer deutlich verspäteten Folgeantragstellung am 31. Juli 2015 auszugehen. Denn gerade bei sich fließend entwickelten dauerhaften Sachverhalt wie hier bei der Religionskonversion ist unter anderem maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen (vgl. dazu HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120), wenn auch der formale Akt der Taufe für sich allein nicht genügt. Denn auch nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes wird im Iran Apostasie, der Abfall vom Islam, erst angenommen, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Im Fall christlicher Glaubensgemeinschaften ist für einen Apostasievorwurf die Taufe notwendig (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 25.8.2015). Hinzu kommt, dass sich die vorgelegten Bescheinigungen der Baptistengemeinde A* … im Wesentlichen auf die Taufe beziehen. Weiter ist nicht ersichtlich, dass nach der Taufe ein neuer weiterer Qualitätssprung erfolgt sein sollte. Voraussetzung hierfür wäre, dass weitere, mit dem bisherigen nicht mehr vergleichbare Aktivitäten entwickelt worden sind, die zu einer qualitativ neuen Bewertung führen würden. Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller – mit Hinweis auf seine schwere Depression – den christlichen Glauben in Deutschland faktisch nicht praktiziere.

Das Erfordernis der Einhaltung der Dreimonatsfrist ist auch nicht europarechtswidrig. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass mit der Neufassung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) eine zeitliche Präklusion nicht mehr den unionsrechtlichen Vorgaben, konkret Art. 42 Verfahrensrichtlinie, entspricht und die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015 nicht mehr angewendet werden darf (so Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand April 2016, § 71, Rn. 283; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71, Rn. 85). Jedoch überzeugt das Gericht diese Rechtsauffassung nicht. Zum einen ist § 51 Abs. 3 VwVfG weiterhin geltendes Recht. Zum anderen lässt Art. 42 RL 2013/32/EU ebenso wie schon die Vorgängerregelung entsprechende innerstaatliche Regelungen zu. Aus der Entstehungsgeschichte folgt jedenfalls nicht zwingend Gegenteiliges, weil die Aufzählung wie früher beispielhaft ist und die nicht näher begründete Streichung der betreffenden Passage auch daran liegen könnte, dass es ohne ausdrückliche Nennung gerade den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben kann, entsprechende Regeln ein- und fortzuführen. Abgesehen davon galt die alte Rechtslage auch nach der Gegenmeinung bis zum Ende der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015. Bis dahin war die Präklusion vorliegend längst eingetreten. Wenn die Dreimonatsfrist nun nicht mehr gelten sollte, kann es im Hinblick auf die Rechtssicherheit nicht dazu führen, dass sämtliche in der Vergangenheit liegenden und längst abgeschlossenen Verfahren wieder aufgerollt werden könnten (vgl. auch VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Cottbus, U.v. 8.2.2017 - 1 K 273/11.A – juris; VG Karlsruhe, B.v. 5.1.2017 – A 6 K 7295/16 – juris; VG Freiburg, U.v. 3.8.2016 – A 6 K 1679/15 – juris; sowie etwa schon VG Würzburg, U.v. 26.6.2017 – W 8 K 16.31847 – juris).

Im Ergebnis ist die Antragsgegnerin infolge der Verfristung zutreffend von der Unzulässigkeit des Folgeantrages ausgegangen, sodass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht zum Erfolg führt.

Demgegenüber hat aber der Antrag betreffend § 123 VwGO bezüglich der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides Erfolg. Dieser Antrag ist zulässig und begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass für die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 129 Abs. 2 ZPO sind das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in diesem Sinne glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, weil aufgrund der vom Antragsteller geltend gemachten Konversion ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes getroffene Entscheidung bestehen, weil erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.

Denn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei der Ablehnung eines Folgeantrages als unzulässig darüber hinaus festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – ZAR 2017, 236 – juris Rn. 20). Für die Prüfung und Feststellung eines betreffenden Abschiebungshindernisses bleibt das Bundesamt auch dann zuständig, wenn der Folgeantrag die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des eigentlichen Asylverfahrens nicht erfüllt (vgl. § 31 Abs. 3 AsylG).

Aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Obergerichte (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – DÖV 2013, 323; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A – EzAR-NF 62 Nr. 19; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; SächsOVG, U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris; OVG Saarl, U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – InfAuslR 2008, 183 – jeweils mit weiteren Nachweisen) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. Hess. VGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; B.v. 23.2.2010 – 6 A 2067/08.A – Entscheiderbrief 10/2010, 3; B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A – Entscheiderbrief 3/2013, 5).

Die konkrete Gefahr, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, resultiert dabei daraus, dass Christen häufig von iranischen Behörden und Sicherheitskräften drangsaliert, festgenommen, verhört, ohne Kontakte in Haft gehalten, misshandelt, gefoltert, angeklagt und verurteilt werden. „Outen“ als Christ ist in der derzeitigen Lage im Iran extrem gefährlich. Von einer sehr bedrohlichen Lage für konvertierte Christen im Iran ist auszugehen. Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – EzAR-NF 66 Nr. 1, der allerdings § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anwendet) im Lichte einer verfassungs- und europakonformen Auslegung zu der Erkenntnis, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Sie müssen dann mit Inhaftierung, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und oder sonstigen erniedrigenden Maßnahmen durch iranische Sicherheitskräfte rechnen. Die Gefahrenmomente haben sich so verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr für jeden einzelnen Konvertierten auszugehen ist. Denn gerade wenn bei christlichen Konvertiten entsprechende Maßnahmen gegen Angehöriger bestimmter Personengruppen mehr oder weniger regelmäßig angewandt werden, begründet dies ein allgemein wirkendes Abschiebungsverbot, so dass eine ernsthafte Gefahr anzunehmen ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG, Rn. 34 ff.). Demnach besteht im Fall einer ernsthaften Konversion ein Abschiebungsverbot (vgl. in der Sache genauso HessVGH, U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – EzAR-NF 66 Nr. 1, allerdings mit Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG; VG Stuttgart – U.v. 30.6.2008 – A 11 K 1623/08 – juris; VG Hamburg – U.v. 24.4.2008 – 10 A 291/07 – juris, jeweils bezüglich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 bzw. 9 EMRK).

Die abschließende Prüfung, ob der Antragsteller – mittlerweile – einen ernsthaften und tiefgreifenden Glaubenswechsel vollzogen hat und er aufgrund des Bekenntnisses zu seinem neuen Glauben gerade nach der erfolgten Taufe bei einer Rückkehr in seinem Herkunftsland daher bei einer Abschiebung einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden extremen individuellen Gefahrensituation bzw. einer ernsthaften konkreten Gefahr ausgesetzt wird, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Da im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Irans vorliegen, wofür jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, überwiegt im Rahmen einer Güter- und Folgenabwägung das Interesse des Antragstellers, vorläufig von einer Abschiebung in den Iran bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, das sofortige Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn eine Abschiebung in den Iran trotz nachhaltiger vollzogener Konversion würde für den Antragsgegner zu irreparablen Folgen führen. Demgegenüber ist es der Antragsgegnerin zuzumuten, mit der Abschiebung noch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Schließlich besteht auch ein Anordnungsgrund.

Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass der Antragsteller nach der Ablehnung seines Folgeantrags als unzulässig aufgrund der rechtkräftigen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 26. Juli 2011 jederzeit ernsthaft mit einer Abschiebung bzw. betreffenden Abschiebemaßnahmen rechnen muss und dies seinen Anspruch auf Feststellung von nationalen Abschiebungshindernissen vereiteln oder zumindest wesentlichen erschweren würde.

Zur Sicherung dieses Anspruchs ist die Antragsgegnerin, welche spätestens durch die Unzulässigkeitsentscheidung eine Abschiebung des Antragstellers wieder ermöglicht hat, im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, durch eine gegenteilige Mitteilung an die Ausländerbehörde dafür zu sorgen, dass die Abschiebung des Antragstellers vorläufig bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht vollzogen wird (vgl. VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 - teilweise geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wurde am 02.03.2015 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und ist chinesischer Staatsangehöriger. Er hat drei Geschwister, die am 23.07.2009 (Klägerin zu 2) im Verfahren - A 6 K 2175/14), am 27.04.2011 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 903/13) und am 12.04.2013 (Klägerin im Verfahren - A 6 K 2258/13) in der Bundesrepublik Deutschland geboren sind. Die Eltern des Klägers stammen aus der Provinz Fujian. Ihre Asylanträge (auch Folgeanträge) wurden unanfechtbar abgelehnt.
Auf den 12.08.2015 wurde der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter nach § 14 a Abs. 2 AsylG als gestellt fingiert.
Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz ab, und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner drohte es dem Kläger die Abschiebung nach China an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Am 28.02.2016 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2016 erklärte die Beklagte, sie werde dem Kläger subsidiären Schutz zuerkennen und den angegriffenen Bescheid vom 18.02.2016 insoweit aufzuheben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtstreit insoweit für erledigt, als der Kläger die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach §60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrt hatte. Im Übrigen verfolgte er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 03.05.2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Der hier allein infrage kommende Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) scheide im Falle des Klägers aus. Zwar sei nach der Auskunftslage zu befürchten, dass die Eltern zur Legalisierung seines Status eine empfindliche Geldbuße zahlen müssten und er im Falle einer Nichtbezahlung nicht in das Haushaltsregister (Hukou) eingetragen würde mit der Folge von Einschränkungen im Hinblick auf soziale Leistungen. Dennoch falle nicht jedes Kind, das unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren worden sei, unter den Begriff einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Familienplanungspolitik der Volksrepublik China sei komplex und sehe verschiedene Ausnahmen und Legalisierungsmöglichkeiten vor, von denen auch die Familie des Klägers grundsätzlich Gebrauch machen könne. Die Frage, ob ein Kind von den Sanktionen eines Verstoßes gegen die Familienpolitik betroffen sei, sei jeweils eine Frage des Einzelfalls, weshalb die Annahme der sozialen Gruppe „Kinder, die unter Verstoß gegen die chinesischen Geburtenkontrollregelungen geboren seien“ nicht in Betracht komme.
Am 09.05.2016 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Mit Beschluss vom 07.06.2016 ließ der Senat die Berufung zu
10 
Am 16.06.2016 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung und machte geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, bei den fraglichen Kindern könne nicht von einer sozialen Gruppe gesprochen werden.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Mai 2016 - A 6 K 851/16 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 ihres Bescheids vom 18. Februar 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
13 
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
15 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts (auch betreffend die Verfahren der Eltern des Klägers) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
25 
Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
26 
Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
27 
Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
28 
Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
29 
All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
30 
4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
31 
In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
32 
Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
33 
Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
34 
Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
35 
Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
36 
Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
37 
5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
39 
Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
40 
Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
44 
Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
16 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
17 
Die ordnungsgemäß unter Stellung eines Antrags begründete Berufung des Klägers ist zulässig und auch in der Sache begründet.
18 
Die Beklagte ist entsprechend dem vom Kläger gestellten Antrag verpflichtet, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG bzw. Art. 2 lit. d) QRL). Der Kläger befindet sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes.
19 
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat zunächst von den zutreffenden und überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.07.2015 (A 6 K 786/14) aus, die der Senat ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt:
20 
„..3) Was die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling angeht, wird auf die beiden ausführlichen letztjährigen Entscheidungen des Gerichts zu dieser Frage verwiesen (VG Freiburg, Urteile vom 12.3.2014 - A 6 K 730/12 und A 6 K 1868/12 -, beide jeweils in juris, die beide rechtskräftig geworden sind, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dagegen keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat).
21 
Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage zum mittlerweile erreichten Stand der chinesischen Ein-Kind-Politik und der seither ergangenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu deren fehlender asyl- und flüchtlingsrechtlicher Relevanz sieht das Gericht derzeit keinen Anlass, von diesen Entscheidungen abzurücken. Zwar wird allenthalben mittlerweile darüber berichtet, dass die offizielle chinesische Politik sich langsam anschickt, sich von der Ein-Kind-Politik zu verabschieden und auf Dauer eine Zwei-Kind-Politik anzustreben, die allen verheirateten Paaren ohne sonstige Voraussetzungen zwei Kinder erlaubt. Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher herausgestellt, dass die rigide Ein-Kind-Politik ein schwerer - auch in Zukunft nur schwer rückgängig zu machender - Fehler war. Die Bevölkerung altert mittlerweile rapide, der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung ist deutlich gesunken, ja selbst das Militär befürchtet Nachwuchsschwierigkeiten. In den Städten bewegt sich die Nachwuchsrate mittlerweile auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit und auf Landessdurchschnitt mit 1,6 Kindern pro Paar noch immer unter der für einen Bevölkerungserhalt erforderlichen Quote von 2,1 Kindern pro Paar. Die Ein-Kind-Politik hat zudem nicht nur den negativen Effekt einer weit verbreiteten Tötung von weiblichen Föten nach sich gezogen (sogenannter „Gendercide“ = geschlechtsspezifischer Völkermord) und der dadurch bewirkte Männerüberschuss hat zum Kriminalitätsanstieg im Bereich Prostitution, Frauenhandel, Vergewaltigung und Entführung geführt. Vielmehr sind auch immer mehr psychosoziale Probleme daraus erwachsen, dass ganze Generationen von Kindern ohne Geschwister groß geworden sind, die als sogenannte „Generation der Prinzen“ die überproportionale Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Verwandten auf sich ziehen, sich nur um sich selbst drehen und dadurch sozial nicht sonderlich verträglich geworden sind (vgl. zu alldem die folgenden - alle im Internet auffindbaren - Presseartikel: „The Economist“ vom 11.7.2015 - Tales oft he unexpected - China has relaxed ist one-child policy. Yet parents are not rushing to have a second; vom 6.6.2015 - China´s one-child policy: Only and Lonely - Analysing the Psychology of a Generation [= Review of Book written by Xinran: „Buy Me the Sky - the Remarkable Truth of China´s One-Child Generation“]; vom 28.2.2015 - Wedding wows - How the one-child policy changed Chinese nuptials; vom 10.1.2015 - Family Planning - Enforcing with a smile; vom 19.7.2014 - Family Planning - One-Child Proclivity: Predictions of a baby boomlet come to little; siehe ferner: „The Epoch Times“ vom 9.3.2015 - Is China going to abandon the One-Child Policy ? sowie www.bloomberg.com vom 20.1.2015 - China´s One-Child Policy Backfires as Labor Pool Shrinks Again; zum sog. „Gendercide“ - in China und Indien: „The Economist“ vom 4.3.2010 - Gendercide: The world wide war on baby girls - Technologies, declining fertility and ancient prejudice are combining to unbalance societies; siehe zu letzgenanntem Thema auch das UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 38 und 39c mit dem Aufruf an China die entsprechende Praxis der Tötung vorzugsweise weiblicher Föten abzuschaffen).
22 
Obwohl es insoweit Anträge von Parlamentariern des Volkskongresses und Empfehlungen von Kommissionen für Familienplanungspolitik in Richtung der Einführung einer „Zwei-Kind-Politik“ gegeben hat, ist es jedenfalls bisher nicht zu wirklich grundlegenden Reformen gekommen, bzw. diese sind bisher nur halbherzig angegangen worden und haben sich obendrein noch als wenig effektvoll erwiesen. So wurde am 12.11.2013 durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Chinas lediglich beschlossen, dass verheirateten Paaren ein zweites Kind nicht mehr nur dann erlaubt wird, wenn sie - wie nach der zuvor geltenden Regelung - jeweils beide selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammen, sondern dass es nunmehr genügt, wenn nur einer der Ehepartner selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Diese Reform ist mittlerweile auch in allen Provinzen - bis auf Xinjiang und Xizang - umgesetzt worden, (vgl. Law Library of Congress vom 6.8.2014: China - Provincial Family Planning Regulations Amended Allowing More Couples to Have a Second Child - = www.loc.gov/ lawweb/servlet/ lloc_news?disp3_1205404091_text; ebenso AA, Lagebericht - China, vom 15.10.2014 [Stand: Mai 2014], Seite 20, 21). Zu den Provinzen, in denen diese Reform umgesetzt wurde, zählt seit 31.3.2014 auch die Heimatprovinz der Eltern des Klägers, Fujian (siehe Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.4.).
23 
Ansonsten aber hat es keine wirklich grundlegenden Neuerungen gegeben. Es mag sein, dass es inzwischen nicht mehr ganz so viele Zwangssterilisationen bzw. Zwangsabtreibungen gegenüber Eltern unerlaubt gezeugter Kinder gibt, dass das Vorgehen von Beamten der Familienplanungs- Behörden von der chinesischen Öffentlichkeit mittlerweile etwas kritischer betrachtet wird, dass es Vorschriften gegenüber entsprechender Beamtenwillkür gibt und dass eine vorherige Geburtsgenehmigung nicht mehr erforderlich ist. Nach wie vor aber gilt, dass Eltern mit empfindlichen Bußgeldsanktionen (sogenannte Soziale Kompensationsgebühren“) zu rechnen haben, wenn sie unerlaubt zweite oder dritte Kinder bekommen. Diese Sanktionen belaufen sich häufig auf enorme Summen von vielen (bis zu zehn) durchschnittlichen Jahresgehältern.
24 
Zuletzt musste selbst der - von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit zutreffend erwähnte - berühmte und reiche chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou, 7,5 Mio. Yuan, d.h. umgerechnet knapp 1 Mio. EUR als Strafe an die Behörden dafür zahlen, dass er mit seiner Frau drei gemeinsame Kinder hat (siehe Spiegel-Online, vom 9.1.2014, www.spielgel.de/panorama/leute/zahng-yimou-muss-wegen-der-ein-kind-politik-zahlen).
25 
Werden solche Bußgelder nicht bezahlt oder können sie nicht aufgebracht werden, so darf eine Eintragung des Kindes in das sogenannte Haushaltsregister „Houkou“ nach wie vor nicht vorgenommen werden. Das heißt diese Kinder bleiben in jeder Hinsicht und in mannigfaltiger Weise völlig rechtlos gestellt und vermehren so die große Zahl von sogenannten „Geisterkindern“, die es legal gar nicht geben dürfte, die mangels Houkou nicht nur jegliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnsitznahme, Arbeitsaufnahme, und so weiter versagt bekommen, sondern von der chinesischen Bevölkerung verachtet werden, die es noch immer als antipatriotisch ansieht, mehr als nur ein Kind zu haben (siehe etwa The Economist, 11.6.2015 zum Nimbus des Patriotischen einer Ein-Kind-Familie; siehe ferner Spiegel-Online, 9.1.2014 zu der öffentlichen Entschuldigung des berühmten Regisseurs Zhang Yimou, für seine unerlaubten Kinder und für die dadurch von ihm verursachten „negativen sozialen Einflüsse“). Diese Kinder leben infolge ihrer juristischen Nichtexistenz und der damit verbundenen tagtäglichen Probleme völlig isoliert und ausgeschlossen im Halbschatten der Gesellschaft als sogenannte „heihu“- d.h. illegale Menschen, finden häufig deshalb auch keine Freunde oder später gar Lebenspartner und können sich ohne Houkou nicht einmal in größeren Umkreisen bewegen, da selbst für Fernreisen, Zugfahren etc. wiederum ein Houkou Voraussetzung ist (siehe die eindrucksvolle ausführliche Schilderung des Schicksals solcher Kinder und ihrer Eltern, wenn diese ihre Kinder mangels finanzieller Möglichkeit, ihnen eine Houkou-Registrierung erkaufen zu können, nirgendwo wirklich integrieren können, und der Behördenwillkür und -schikane, der sie ausgesetzt sind, sowie der schweren seelischen Schäden ein solches Leben als juristische „Unperson“ für die betroffenen Eltern und Kinder: Nathan VanderKlippe in: The Globe and Mail vom 13.3.2015: The Gost Children of China: In the Wake of China´s One-Child-Policy a Generation is lost, www.theglobeandmail.com/news/world/the-ghost-children-in-the-wake-of-chi na´s-one-child-policy-a-generation-is-lost; siehe auch den Aufruf des UN-Kommittees für Frauenrechte an China, alle Sanktionen für die unerlaubte Geburt von Kindern aufzuheben und alle Barrieren für die Registrierung solcher Kinder zu entfernen: UN-Committe on the Elimination of Discrimination against Women CEDAW, 14.11.2014 - Concluding Observations on the combined 7th and 8th Periodic Reports of China, Ziff. 39b).
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Eltern, die ein Bußgeld nicht zahlen können, werden in aller Regel auch aus ihren Arbeitsverhältnissen gekündigt, oft auch inhaftiert, aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen, nicht selten von den korrupten Beamten der Familienplanungsbehörde immer wieder zu Zahlungen erpresst, und gelegentlich noch mit der Durchsuchung und gar völligen Zerstörung ihres Privateigentums sanktioniert.
27 
Das Auswärtige Amt schildert insoweit in seinem Lagebericht (Stand Mai 2014), dass es zwar gegenüber Auslandsrückkehrern, die mit einem im Ausland gezeugten Kind zurückkehren, eine gesetzlich vorgeschriebene Entziehung des Kindes nicht mehr gebe, dass es aber gleichwohl „gelegentlich“ (d.h. immer mal wieder) Fälle gibt, in denen die Behörden den Familien als Strafe für die Nichteinhaltung der Familienplanungspolitik oder die Nichtzahlung der dafür festgesetzten enormen Geldbußen die Kinder wegnehmen, an Waisenhäuser verkaufen und von dort manchmal sogar noch gegen hohe Beträge zur Adoption ins Ausland vermitteln. „Immer wieder“ sei die Kontrolle der staatlichen Familienplanungspolitik mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Zwangsabtreibungen selbst in fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadien verbunden. Häufig würden unverheiratete Frauen von den Behörden zu „freiwilligen“ Abtreibungen gedrängt (AA, Lagebericht China 2014, S. 21).
28 
Das deckt sich mit den neuesten seit den letzten beiden Entscheidungen des Gerichts vom 12.3.2014 veröffentlichten Analysen und Lageberichten anderer Auskunftsquellen zu diesem Thema (Britisches Home Office, July 2015, Country Information and Guidance - China: Contravention of National Population and Family-Planning Laws, Ziff. 2.3.2. - 2.3.6., wonach es auch nach Änderung der Erlaubnismöglichkeit für ein zweites Kind für Eltern, von denen nur einer selbst aus einer Ein-Kind-Familie stammt, bisher nicht zu einer Entspannung auf Seiten der Familienplanungsbehörden gekommen ist, sondern diese nach wie vor mit harschen Maßnahmen die Geburtenkontrollpolitik durchsetzen, allein schon deshalb, weil die Eintreibung der extrem hohen Bußgelder eine bedeutende Einkommensquelle für die örtlichen Familienplanungsbehörden darstellt, siehe dazu auch Ziffern 5.3.2., 5.3.5.; 5.4.3.; 5.4.5; 5.4.8.; 5.5.4; 5.7.1. - 5.7.6; siehe ferner: Immigration and Refugee Board of Canada, 16.10.2014, dort Ziff.2.2. und 3.2.; US-Dept.of State, Country Report on Human Rights Practices 2014- China, Section: Women - Reproductive Rights = www.ecoi.net/local_loin/306284/443559_de.html; ACCORD -Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, vom 21.11.2014; Australian Government - Migration Review Tribunal - Refugee Review Tribunal, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Background Paper China: Family Planning - Ziff.3.4.2., 4.4., 5., 6.2. und 6.3.).
29 
All diesen Berichten ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass eines der Haupthindernisse einer raschen Beseitigung der harschen Geburtenkontrollpolitik das handfeste wirtschaftliche Interesse der Familienplanungsbehörden ist, die mit der Erhebung von Bußgeldern für ihre Behörde aber auch für die damit befassten Beamten persönlich verknüpften Möglichkeiten zur Einkommenserzielung zu nutzen, und dass die Beamten und Behörden ihrerseits nach wie vor einer unverändert strikten Kontrolle der Einhaltung ihrer „Planziele“ in Sachen Geburtenkontrollpolitik unterliegen und Beförderungen von den erreichten Verhinderungen bzw. Sanktionierungen unerlaubter Geburten abhängig gemacht werden und sie ansonsten auch durch entsprechende Berichts- und Dokumentationspflichten dauernd unter Erfolgsdruck gesetzt bzw. sie bei Nichterreichen der Ziele mit Sanktionen belegt werden (siehe insoweit etwa The Economist, vom 10.1.2015 - Enforcing with a smile: „Changing officials habits could prove hard. For 35 years the enforcers have been evaluated ruthlessly by their superiors fort her fulfillment of quantifiable targets“; ebenso Home Office, July 2015, Ziff. 5.3.1. unter Verweis auf US Dept.of State, Country Report China 2014, wonach die Beamten der Familienplanungsbehörden mit Beförderungen aber auch Bestrafungen zur Einhaltung der Zahlenziele in ihren Abteilungen gedrängt werden und Ziff.2.3.6, wonach sie ihre strenge Durchsetzung der Familienplanungsziele, zu der sie erneut durch die Kommunistische Partei im November 2013 aufgerufen worden seien, nicht gelockert hätten).
30 
4) Konkret auf den Fall des Klägers und seiner Eltern bezogen, die ihn ungenehmigt im Ausland bekommen haben, bedeutet dies Folgendes: Lediglich sein älterer Bruder, das erste Kind seiner Eltern, das in China verblieben ist, hat als erlaubtes erstes Kind keine Probleme. Alle weiteren Kinder der Eltern des Klägers, also seine ältere Schwester und er selbst, sind hingegen sogenannte „unerlaubte Schwarzkinder“, deren Existenz nach den chinesischen Regeln ungenehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist, wie sie in der Heimatprovinz Fujian gelten, in welche die Eltern mit ihnen wegen des Houkou-Systems nur zurückkehren können.
31 
In China werden, wie die Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung plausibel und glaubhaft angaben, generell Frauen im gebärfähigen Alter regelmäßig, teilweise auch vierteljährlich einer gynäkologischen Untersuchung auf unerlaubte Schwangerschaften hin unterzogen (Australian Government - Refugee Review Tribunal, Background Paper China: Family Planning, 3. Auflage, 8.3.2013 - letzter Änderungsstand: 8.9.2013: Ziff.3.4.2.; ebenso zur Testpflicht von Eltern eines über einem Jahr alten Kindes: ACCORD, a.a.O., unter: Bußgeldzahlungen für unehelich geborene Kinder und Verweigerung der Registrierung bei Nichtzahlung; siehe auch VanderKlippe, The Globe and Mail, a.a.O., Ausdruck S. 9 von 22). Zu hohen Bußgeldzahlungen für nicht erlaubte Schwarzkinder werden nicht nur die Ehepartner jeder einzeln heranzogen, sondern auch deren Verwandte (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff.4.4). Von daher ist es nachvollziehbar und anhand der mit unterschiedlichen Fotodaten ausgewiesenen Fotos auch glaubhaft, dass die Eltern des Klägers zur Entlastung seiner Großeltern und um diese vor solchen finanziell einschneidenden Sanktionen zu bewahren, diesen Fotos zum Nachweis eines Auslandsaufenthalts ohne erneute Schwangerschaften vorgelegt haben.
32 
Die in der Provinz Fujian geltenden Ausnahmeregeln für weitere Kinder greifen im Fall der Eltern des Klägers nicht ein, so dass weder seine Existenz noch die seiner älteren Schwester im Sinne dieser Vorschriften genehmigungsfähig ist. Die Ausnahmen betreffen nämlich nur ein zweites Kind und auch dies nur, wenn die Eltern beide bzw. nur einer von ihnen ein Einzelkind war. Das trifft auf beide ausweislich ihrer Angaben in ihrem eigenen Asylverfahren nicht zu (siehe BAS 27 bzw. 33 der beigezogenen Bundesamtsakte der Eltern), wonach der Vater des Klägers noch eine Schwester habe bzw. die Mutter des Klägers noch einen Bruder habe. Diese Angaben sind auch glaubhaft, da die Kläger seinerzeit bei ihrer Anhörung im Jahre 2002 nicht wissen konnten, dass es darauf einmal ankommen würde, und insofern keine Gefahr interessengeleiteter falscher Angaben besteht.
33 
Auch die anderen Ausnahmen: Behinderung, Einwohnerschaft in Hong Kong, Macao, oder Taiwan, wiederverheiratete Paar ohne vorherige Kinder, Eltern als kommunistischer Märtyrer, Sterilität der Brüder des Kindesvaters, bisher bei ländlichen Paaren nur eine Tochter etc. (siehe dazu Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.3.) sind im Fall der Eltern des Klägers ersichtlich nicht erfüllt.
34 
Schließlich gibt es auch keine die Eltern des Klägers als Auslandsrückkehrer privilegierende Vorschrift in Fujian. Denn Auslandsrückkehrer werden von den sozialen Bußgeldzahlungen für ein unerlaubtes zweites Kind nur befreit, wenn beide Eltern im Ausland studiert haben (Australian Refugee Review Board, a.a.O. Ziff. 6.3.), was bei den Eltern des Klägers nicht der Fall ist: Sie haben beide in Deutschland (und auch schon zuvor in China) nicht studiert, sondern haben allenfalls eine Mittelschulbildung. Der Vater arbeitet als ungelernte Kraft auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in der Gastronomie, die Mutter ist infolge ihres Verkehrsunfalls nicht arbeitsfähig.
35 
Für den somit in zwei Fällen vorliegenden Verstoß der Eltern sind nach den in Fujian geltenden Regeln soziale Kompensationsgebühren, d.h. Bußgelder in Höhe zwischen zwei bis sechs durchschnittlichen Jahreslöhnen zu bezahlen, um im Gegenzug für das unerlaubte Kind eine Houkou-Registrierung zu erhalten (Australian Refugee Review Tribunal, a.a.O., Ziff. 6.2.1.). Dass die Eltern prognostisch betrachtet nach einer Rückkehr finanziell dazu in der Lage wären, dem Kläger ein Schicksal als unregistriertes „illegales Schwarzkind“ (bzw. juristisch und sozial betrachtet „Geisterkind“) durch die Zahlung eines Bußgeldes zu ersparen, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zu erwarten.
36 
Die Festsetzung der konkreten Höhe dieser Bußgelder steht unter anderem im Ermessen der Behörden, deren Willkür hier auch Tür und Tor geöffnet ist. Bei Rückkehrern aus dem Ausland, wie den Eltern des Klägers, werden die Behörden grundsätzlich das Vorhandensein von im Ausland erworbenem Reichtum bzw. Wohlstand vermuten und ihre Bußgeldforderungen entsprechend hoch ansiedeln. Das dürfte vor dem Hintergrund der zitierten generellen Informationen realistisch zu erwarten sein. Hinzu käme im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Kläger die heimatlichen Behörden - für diese dann offenkundig erkennbar - durch jahrelange Falschangaben bezüglich ihrer Kinderzahl getäuscht haben. Das aber wird nicht eben die Verhängung eines Bußgeldes im unteren Bereich der möglichen Sanktionenskala zur Folge haben, sondern im Gegenteil wohl straferschwerend gewertet werden….
37 
5) Auch an der rechtlichen Würdigung, dass dies in Anknüpfung an die Zugehörigkeit des Klägers zu einer sozialen Gruppe eine Verfolgungshandlung von menschenrechtsverletzendem Gewicht darstellt, hält das Gericht nach wie vor fest.
38 
Die gegenteiligen mittlerweile ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vermögen insoweit nicht zu überzeugen (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2015 - 15 ZB 15.30001; VG Frankfurt a.M., B. v. 23.10.2014 - 2 L 2186/14.F.A.; VG Bayreuth, U. v. 4.11.2014 - B 3 K 13.30190; VG Frankfurt a.M., U. v. 20.3.2014 - 2 K 2826/13/F.A.; VG Meiningen, U. v. 2.4.2014 - 1 K 20223/10 Me. - alle in juris).
39 
Die Gruppe der - aus Sicht der chinesischen Regierung und Mehrheitsbevölkerung - „kinderreichen“ Familien, bzw. der Kinder mit einem oder mehr Geschwistern, ist eine klar erkennbare und gesellschaftlich wahrnehmbare Gruppe. Dass unter Umständen Ausnahmen für einzelne Zweit- oder gar Drittkinder möglich sein mögen, je nach Provinz, Ausnahmetatbestand oder Bußgeldzahlung, und daher verschiedene Gruppenbildungen möglich sind, ändert (entgegen der in der oben zitierten Verwaltungsgerichtsrechtsprechung vertretenen Ansicht) nichts daran, dass es in der jeweiligen Provinz, die man aufgrund des Houkou-Systems legal nicht einfach verlassen kann, im Grundsatz diese Zielgruppe ist, auf die sich - wenn eben solche Ausnahmetatbestände nicht vorliegen - die Sanktionspolitik der chinesischen Regierung richtet.
40 
Die unter Verstoß gegen diese Grundregeln gezeugten Kinder sollen nämlich entweder durch Zwangsabtreibung schon am Geborenwerden gehindert und eliminiert werden, bzw. die Geburt weiterer solcher Kinder durch die Zwangssterilisation ihrer insoweit als asozial eingestuften Eltern verhindert werden, die der „sozialen“ Gruppe der asozial die Mehrheitsbedürfnisse nach Bevölkerungskontrolle missachtenden Eltern zuzurechnen sind, bzw. die gleichwohl existierenden Kinder werden, falls für sie kein Bußgeld gezahlt werden kann und da man sie nach ihrer Geburt nicht mehr umbringen kann und will, dann eben als juristisch nicht existent ins Vakuum der Rechtlosigkeit gestoßen, indem man ihnen die in jeder Hinsicht für ein Überleben in der chinesischen Gesellschaft unerlässliche Houkou-Registrierung verweigert wird und sie damit zum Dahinvegetieren als Entrechtete am Rande der Gesellschaft verdammt.
41 
Diese bewusst als Sanktion verhängte Vorenthaltung von Ausbildungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen, die dem Staat möglich sind und auch tatsächlich von ihm erbracht werden, stellt insofern eine gezielte und bewusste Benachteiligung und somit etwas ganz anderes dar, als das generelle Fehlen solcher staatlicher Leistungen in Staaten, die solche nicht aufbringen können, und auf die nach den internationalen Menschenrechtsstandards zwar ein Recht bestehen mag, das aber wie bei allen sozialen Rechten nur unter dem Vorbehalt des Finanzierbaren und Möglichen gewährt werden kann. Die generelle Verweigerung einer Houkou-Registrierung als Sanktion für eine unerlaubte Geburt ist auch etwas anderes, als die in China vorzufindende Zweiteilung in Houkou-Registrierungen für den Aufenthalt auf dem Land bzw. für den Aufenthalt in der Stadt, welche zahlreichen Wanderarbeitnehmer, die nur eine ländliche Houkou-Registrierung besitzen, von einem legalen Leben, Wohnen und Arbeiten in der Stadt ausschließt und sie - falls sie sich dort doch aufhalten - in den Städten in die Illegalität drängt, wo sie und ihre Kinder mangels städtischer Houkou-Registrierung keinen Anspruch auf Schulbesuch, Gesundheits- und Sozialleistungen haben (zu diesem System: The Economist vom 20.3.2014 - Urbanisation, Moving on Up).
42 
Die Verweigerung der Houkou-Registrierung stellt mithin nicht nur im asylrechtlichen Sinne wortwörtlich eine „Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung“ dar, sondern eben auch eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung in Anknüpfung an eine soziale Gruppenzugehörigkeit, nämlich die Gruppe der per se als „überflüssig“ angesehenen Menschen in China.
43 
Das haben in sehr ausdifferenzierten gründlichen Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Begriffs der „sozialen Gruppe“ im Sinne der GFK auf unerlaubte chinesische „Schwarzkinder“ unter anderem der High Court of Ireland und der High Court of Australia sowie das Refugee Review Tribunal von Australien so in den letzten Jahren entschieden (vgl. High Court - Ireland, Decision, dated 12/10/2014, in der Sache: S.J.L. -vs. - Refugee Appeals Tribunal & ors. - [2014] IEHC 608, Rz. 14. ff. [50.]; High Court of Australia, in der Sache: A. vs. Minister for Immigration and Ethnic Affairs., Decision dated 24.2.1997 - [1997] HCA 4; (1997) CLR 225; (1997) 142 ALR 331; und Australian Refugee Review Tribunal, Decision dated 1.3.2012, RRT Case Number: 1108245 [2012] RRTA 120). Auch das britische Home Office ist offenbar der Ansicht, dass Mütter, die unter Verstoß gegen die chinesische staatliche Geburtenkontrollpolitik ein Kind bekommen haben, flüchtlingsrechtlich eine „soziale Gruppe“ darstellen (siehe Home Office, July 2015, a.a.O. Ziff. 2.2.1. unter Verweis auf Country Guidance Case of AX [Family Planning Scheme] China CG [2012] UKUT 00097 [IAC] vom 16.4.2012). Auf diese Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen. Wie der Ausschuss des amerikanischen Kongresses zu China (Congressional Executive Commission on China - One Year Later, Initial Impact of China´s Population Planning Policy - Adjustment smaller than expected, 9.12.2014) ausführte, verletze die chinesischen Geburtenkontrollpolitik unter anderem die Standards wie sie in der „Bejing Declaration and Platform for Action“ von 1994 und in dem „Programme of Action of the Cairo Intl. Conference on Population and Development“ festgelegt sind, ebenso, wie der Ausschluss von unerlaubten Kindern aus dem Registrierungssystem (Houkou) eine nach der „Internationalen Konvention zum Schutz der Kinderrechte“ und nach dem Internationalen Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte“ verbotene Diskriminierung darstelle.
44 
Vor diesem Hintergrund lässt sich - anders als von den genannten Verwaltungsgerichten vertreten - die chinesische Geburtenkontrollpolitik nicht einfach als eine jeden gleichermaßen ohne Unterschied treffende und daher nicht diskriminierende, rein ordnungspolitische Maßnahme zur Bekämpfung einer für das wirtschaftliche und soziale Überleben des chinesischen Staates und seiner Einwohner schädlichen Überbevölkerung einstufen. Vielmehr liegt die Diskriminierung hier bereits darin, dass diese Maßnahmen an die Ausübung eines allgemeinen Menschenrechts zur freien Entscheidung über die eigene Reproduktion anknüpft, also an ein im Grundsatz erlaubtes Verhalten, das genauso schutzwürdig ist, wie das Ausleben einer politischen oder religiösen Überzeugung, und daher für staatliche Eingriffe keinen legitimen Anknüpfungspunkt darstellen kann.
45 
Selbst wenn man aber die Zielsetzung einer Eindämmung der Bevölkerungszahl als eine legitime ordnungspolitische unpolitische und nichtdiskriminierende Zielsetzung ansieht, deren Verfolgung - zumindest im Grundsatz - einen Eingriff in das Menschenrecht auf freie Entscheidung über die eigene Reproduktion - etwa als gleichgewichtiger Wert von Verfassungsrang bzw. wegen kollidierender Grundrecht Dritter rechtfertigen könnte, lässt sich im Fall der chinesischen Bevölkerungspolitik nicht übersehen, dass diese sich selbst unter diesen Gesichtspunkten als unverhältnismäßig, überflüssig und im Ergebnis (s.o.) sogar im Gegenteil als sozialschädlich erwiesen hat und daher solche Eingriffe schon deshalb nicht zu rechtfertigen vermochte und nach wie vor nicht vermag (siehe insoweit den Artikel in The Economist, 11.7.2015, mit einer unter dem Titel „unnecessary force“ abgedruckten Tabelle der Weltbank zum Rückgang der Bevölkerungszahlen auch in Ländern, wie unter anderem sogar im bevölkerungsreichen Indien, die eine solche harsche Politik der Bevölkerungskontrolle nicht betrieben haben). Die Maßnahmen der chinesischen Politik, die in erster Linie auf gewaltsame Vernichtung der Reproduktionsfähigkeit von Eltern mit überschießendem Kinderwunsch durch Zwangsterilisation abzielen, bzw. auf die Eliminierung unerlaubt empfangener Föten (durch Zwangsabtreibung) bzw. auf die Ausgrenzung und Rechtlosstellung gleichwohl geborener „überzähliger“ unerlaubter Kinder abzielen, erweisen sich zudem wegen ihres direkten Durchgriffs auf den Wesenskern der Existenz und die Integrität ihrer menschlichen Zielobjekte schließlich auch schon deshalb als diskriminierend, weil sie an deren So-Sein bzw. an deren menschenrechtlich geschütztem Verhalten ansetzen und unverhältnismäßig sind, da demgegenüber bedenkenfreie Maßnahmen zur Bevölkerungsstabilisierung, wie etwa wirtschaftliche Anreize, die Einführung eines Sozialversicherungssystems, Aufklärung und vor allem auch Verhütungskampagnen als mildere Mittel zur Verfügung stehen und insoweit überall sonst in der Welt zur Bevölkerungskontrolle genutzt werden, während in China zwar 85 Prozent der Frauen empfängnisverhütende Mittel benutzen, aber offenbar nur 12 % der Frauen zwischen 25 und 30 Jahren die Verhütungsmethoden wirklich verstanden haben und 68 % der Frauen sich über die Methoden und ihre Wirkung im Einzelnen im Unklaren waren (vgl. Home Office, July 2015, a.a.O., Ziff. 5.2.2. unter Verweis auf US Dept. of State, Country Report China 2014, a.a.O.).“
46 
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat für die Beurteilung der Situation des Klägers, dessen Eltern ebenfalls aus der Provinz Fujian stammen, an und macht sie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen zu Eigen. Seit Herbst 2015 ist China allerdings zu einer „Zwei-Kind-Politik“ übergangen (vgl. etwa Auswärtiges Amt Lagebericht vom 20.11.2015), die auch mittlerweile umgesetzt wird und zu ersten Nachregistrierungen der „Zweitgeborenen“ geführt hat und weiter führt (vgl. Nathan van der Klippe in The Globe and Mail vom 03.04.2016). Dass sich hierdurch auch mittelbar die Situation der „Drittgeborenen“ oder, wie der Kläger, der „Viertgeborenen“ grundlegend geändert haben könnte, ist nach den vom Senat zusätzlich herangezogenen Erkenntnismitteln, insbesondere auch nach dem Lagebericht vom 20.11.2015, nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Nach wie vor können sich die Betroffenen oder deren Eltern nur durch die Zahlung horrender Summen „freikaufen“, wozu die Eltern, die, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nach wie vor faktisch (so die Mutter) bzw. aus ausländerrechtlichen Gründen (so der Vater) nicht arbeiten, ersichtlich nicht in der Lage sein werden.
47 
Was die Begriffsbestimmung der sozialen Gruppe im Sinne des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG betrifft, ist mit Rücksicht auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil zur Verdeutlichung noch darauf hinzuweisen, dass es hierfür unerheblich ist, dass etwa alle Mitglieder der Gruppe auch tatsächlich verfolgt werden. Dass etwa, wie hier, unter Umständen einzelne Angehörige der Gruppe sich durch die genannten Bußgeldzahlungen freikaufen können, ist nicht von Belang. Die Bestimmung der sozialen Gruppe und das Phänomen der Gruppenverfolgung dürfen nämlich nicht in eins gesetzt werden (vgl. etwa Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., § 24 Rn. 16 ff.; Göbel-Zimmermann/Hruschka, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., § 3b AsylG Rn. 31).
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
49 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.

(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn

1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht,
2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
§ 19 Abs. 1 findet keine Anwendung.

(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.

(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.

(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tenor

I. Die Nummern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8. Juli 2016 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der am ... 1986 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Sowohl ein erstes Asylverfahren als auch ein erstes Folgeverfahren wurden ohne Erfolg für den Kläger rechtskräftig abgeschlossen (vgl. W 6 K 11.30055, W 6 K 11.30075, W 6 K 12.30073, W 6 K 12.30299). Am 25. November 2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) und legte zu dessen Begründung ein Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 18. November 2013 vor. Zur Begründung ist dort im Wesentlichen ausgeführt, es lägen neue Beweismittel vor. Der Kläger sei homosexuell. Eine Stellungnahme der „Beratungsstelle für schwule Männer Sub e.V.“ vom 8. Oktober 2013 werde vorgelegt. Der Kläger lebe seine homosexuellen Sexualkontakte aus. Es könne ihm nicht zugemutet werden, seine Homosexualität im Iran geheim zu halten oder Zurückhaltung zu üben.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. Mai 2016 wurde die Beklagte auf eine Untätigkeitsklage hin verpflichtet, über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden (vgl. W 6 K 15.30670).

Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Nr. 1) sowie den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 1. Februar 2011 (Az.: 5443864) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Nr. 2) ab. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 12 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Schon im vorangegangenen Folgeverfahren habe der Kläger die vorliegende Homosexualität nicht innerhalb der Dreimonatsfrist geltend gemacht. Das vorgelegte Beweismittel führe nicht zu einer günstigeren Entscheidung. Die homosexuelle Veranlagung des Klägers sei bereits Gegenstand des vorangegangenen Asylfolgeverfahrens gewesen. Dort habe das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg festgestellt, dass die Homosexualität des Klägers im Iran nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen führe.

Am 20. Juli 2016 ließ der Kläger durch seinen (damaligen) Bevollmächtigten Klage erheben.

Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 ließ der Kläger durch seinen neuen Bevollmächtigten zur Klagebegründung im Wesentlichen ausführen: Mit der neuen Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs habe sich die Bewertung der Homosexualität als Fluchtgrund geändert. Der Wiederaufgreifensgrund „Änderung der Rechtslage“ sei gegeben Der Kläger habe überzeugend dargelegt, homosexuell zu sein. Es könne ihm nicht verwehrt werden, seine Homosexualität auszuleben. Bei der Rückkehr in den Iran drohe dem Kläger deshalb Verfolgung. Als weiterer Wiederaufgreifensgrund werde die inzwischen endgültig und nachhaltig vollzogene Abwendung vom Islam geltend gemacht. Diese mache der Kläger durch eine eidesstattliche Versicherung vom 10. Januar 2017 nach außen deutlich. Danach wolle sich der Kläger offiziell vom Islam lossagen. Er möchte, dass dies auch in seinen Personenstandsdokumenten so registriert werde.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. Juli 2016 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 20. Januar 2017 bewilligte das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten, soweit der Kläger unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Juli 2016 die Feststellung begehrt, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 sowie Abs. 7 AufenthG vorliegen. Im Übrigen wurde der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2017, den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Juli 2016 aufzuheben;

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen;

Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akten der Verfahrens W 6 K 11.30055, W 6 K 11.30075, W 6 K 12.30073, W 6 K 12.30299 und W 6 K 15.30670) sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nur teilweise - wie tenoriert - begründet.

Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris) betreffend die Nummer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Juli 2016 ist unbegründet. Denn der streitgegenständliche Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG i.V.m. § 71 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG nicht vorliegen. Das Gericht folgt im Ergebnis zur Begründung insoweit dem streitgegenständlichen Bescheid und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG). Nach § 71 Abs. 2 AsylVfG hat der Ausländer den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamts zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet gewesen war. Schriftlich ist der Folgeantrag nur in den Fällen des § 71 Abs. 2 Satz 1 und 3 AsylG zu stellen. In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden (§ 71 Abs. 3 Satz 1 bis 3 AsylG).

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist darüber hinaus ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstige Entscheidung herbeigeführt haben würden.

Gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG ist der Antrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen, wobei die Frist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Auch bei Dauersachverhalten ist grundsätzlich die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen für den Fristbeginn maßgeblich. Diese Frist kann nur dann erneut in Lauf gesetzt werden, wenn der Dauersachverhalt einen Qualitätsumschlag erfährt. Das Erfordernis, die Drei-Monats-Frist nach § 51 Abs. 3 VwVfG einzuhalten, gilt auch für sich prozesshaft entwickelnde dauerhafte Sachverhalte sowie Wiederaufgreifensgründe, die während des gerichtlichen Verfahrens auftreten (BVerwG, U.v. 13.5.1993 - 9 C 49/92 - BVerwGE 92, 278; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 70. Aktualisierung August 2010, § 71 AsylG, Rn. 40 ff., 46 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 142 und 226). Eine Nichtanwendung der Frist im Rahmen des AsylG auf derartige Sachverhalte würde dem gesetzgeberischen Willen widersprechen (vgl. BT-Drucks. 15/420, 109 f.).

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG ist grundsätzlich für jeden selbständigen Wiederaufgreifensgrund eigenständig zu prüfen (BVerwG, U.v. 13.05.1993 - 9 C 49/92 - BVerwGE 92, 278; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 139). Voraussetzung für die fristgerechte Geltendmachung eines Wiederaufgreifensgrundes ist darüber hinaus, dass innerhalb der Drei-Monats-Frist substanziiert und schlüssig, gegebenenfalls unter Darlegung von Beweismitteln sowohl die geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe als auch die Einhaltung der Frist dargelegt werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 70. Aktualisierung August 2010, § 71 AsylG, Rn. 41 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 224 ff.). Zudem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in den früheren Verfahren, insbesondere dem Rechtsbehelf, geltend zu machen. Hinsichtlich § 51 Abs. 2 VwVfG wird dem Betreffenden in der Regel ein qualifizierter Schuldvorwurf zu machen sein, wenn er nicht alle bereits eingetretenen und auch bekannt gewordenen Umstände, die das persönliche Umfeld betreffen, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder spätestens beim Gericht vorbringt. Dem von Verfolgung konkret Bedrohten muss sich - auch wenn er mit den Einzelheiten konkreter Verfahrensabläufe nicht vertraut ist - bei einfachsten Überlegungen aufdrängen, dass er im ersten bzw. in früheren Verfahren schon gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge alles zu sagen und vorzubringen hat, was für seine Verfolgung auch nur entfernt von Bedeutung sein kann (Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 204).

Liegt ein Grund dafür vor, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, findet eine erneute Prüfung des Asylbegehrens in der Sache selbst statt, wobei grundsätzlich auch früheres Vorbringen des Asylsuchenden zu berücksichtigen ist. Insofern steht die Rechtskraft eines früheren verwaltungsgerichtlichen Urteils der erneuten sachlichen Prüfung des Asylbegehrens nicht entgegen. Die bedeutet jedoch nicht, dass das mit einem Folgeantrag geltend gemachte Asylbegehren ohne Rücksicht auf den vorgebrachten Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens in jedem Fall in vollem Umfang einer erneuten Sachprüfung unterzogen werden müsste. Vielmehr besteht die Verpflichtung zur erneuten Sachprüfung nur insoweit, wie der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens reicht. Wird ein Asylbegehren auf mehrere selbständige Asylgründe gestützt, betrifft der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens jedoch nur einen von ihnen, so unterliegt der Folgeantrag lediglich hinsichtlich dieses Asylgrunds einer erneuten Sachprüfung (BVerwG, B.v. 5.8.1987 - 9 B 318/86 - Buchholz 402.25, § 14 AsylG Nr. 6; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 70. Aktualisierung August 2010, § 71 AsylG, Rn. 35 ff.).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die vorliegend genannten Voraussetzungen rechtzeitig glaubhaft zu machen. Der betreffende Anspruch scheitert schon daran, dass der Kläger nicht ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in einem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Kläger hätte die Relevanz der Homosexualität schon in den früheren Verfahren erkennen müssen. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass dem Kläger jedenfalls in groben Umrissen die mögliche Relevanz seiner Homosexualität - ebenso seines Abfalls vom Glauben - nicht erkannt hat. Schon in seinem Asylerstverfahren hätte er umfangreich seine Homosexualität geltend machen können und müssen. Selbst im danach folgenden ersten Folgeverfahren hat der Kläger sich nur spärlich und zurückhaltend zu seiner Homosexualität und seiner dadurch geprägten sexuellen Identität ausgelassen. Vor diesem Hintergrund muss sich der Kläger weiter die Versäumung der Antragsfrist von drei Monaten nach § 51 Abs. 3 VwVfG entgegenhalten lassen.

Des Weiteren liegt auch keine neue Sach- oder Rechtslage zugrunde, die sich nachträglich zu Gunsten des Klägers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Die Sachlage betreffend die Homosexualität - das Gleiche gilt im Ergebnis für die vom Kläger zusätzlich vorgetragene Abkehr vom Islam - hätte der Kläger wie ausgeführt schon viel früher substanziiert im Einzelnen geltend machen können. Insofern hat sich die Sachlage nicht geändert.

Der Umstand, dass der Kläger nunmehr zwei Vorträge im WuF (Werdet unsere Freunde - schwullesbisches Zentrum Würzburg) gehalten hat, begründet keine grundsätzlich neue Sachlage. Durch die beiden Vorträge im WuF ist auch kein weiterer Qualitätssprung eingetreten, der eine neue relevante Tatsache schaffen würde. Denn dafür wäre erforderlich, dass nun eine qualitativ neue Bewertung angezeigt ist und möglich erscheint. Voraussetzung wäre, dass weitere mit dem bisherigen nicht mehr vergleichbare Aktivitäten entwickelt würden und dass diese Aktivitäten nach außen hin nun eine neue Qualität hervorbringen würden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 AsylG Rn. 24; Funke/Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71 Rn. 288 ff.). Der entscheidende Qualitätsumschwung ist indes nicht erst mit diesen Vorträgen erfolgt. Vielmehr wäre eine positive Entscheidung zugunsten des Klägers auch schon früher möglich gewesen, wenn der Kläger das nun geführte Vorbringen zu seiner Homosexualität schon in den früheren Verfahren getätigt hätte.

Des Weiteren ist anzumerken, dass sich auch keine relevante Änderung der Rechtslage aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. etwa EuGH, U.v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331, S. 5 - NVwZ 2012, 1612; EuGH, U.v. 7.11.2013 - C 199/12 bis C 201/12 - ABl. EU 2014, Nr. C 9, S. 8 - NVwZ 2014, 132; EuGH, EuGH, U.v. 2.12.2014 - C-148/13 bis 150/13 - ABl. EU 2015, Nr. C, S. 4 - NVwZ 2015, 132) ergeben hat, wie der Klägerbevollmächtigte meint. Die neuen Entscheidungen rechtfertigen für sich keine andere Beurteilung, weil die Homosexualität eines iranischen Staatsangehörigen schon zuvor in vergleichbaren Fallkonstellationen ohnehin zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führte (wie auch die Rechtsprechungsnachweise weiter unten im Text belegen) und auch beim Kläger dazu hätte führen können. Insofern hat sich nichts geändert. Der Kläger hat allein deshalb früher keine positive Entscheidung erhalten, weil er seine Homosexualität und die näheren Umstände dazu nicht in der erforderlichen Weise substanziiert vorgebracht hat und nicht etwa weil früher eine andere Rechtslage bestand.

Schließlich liegen auch keine Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vor. Insbesondere ist die Stellungnahme der Sub e.V. - Beratungsstelle für schwule Männer vom 8. Oktober 2013 nicht als geeignetes neues Beweismittel anzusehen. Denn grundsätzlich ist schon fraglich, ob eine derartige Stellungnahme (Gutachten) nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, EuGH, U.v. 2.12.2014 - C-148/13 bis 150/13 - ABl. EU 2015, Nr. C, S. 4 - NVwZ 2015, 132) überhaupt noch ein taugliches Beweismittel sein kann. Darüber hinaus ist weiter äußerst zweifelhaft, ob Bescheinigungen bzw. Stellungnahmen von Homosexuellenvereinigungen über eine entsprechende sexuelle Identität des Asylbewerbers im gerichtlichen Verfahren überhaupt Bedeutung erlangen können. Denn die Glaubhaftigkeit des Vorbringens ist zu überprüfen, indem der Betreffende selbst Gelegenheit erhält, seine persönliche Entwicklung sowie die Reaktion Dritter auf seine sexuelle Orientierung detailliert und mit Authentizität zu schildern (vgl. Berlit/Dörig/Storey, Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder Homosexualität: Ein Ansatz von Praktikern, Teil 2, ZAR 2016, 332). Gefälligkeitsschreiben parteiischer Stellen sind zudem ohnehin von vornherein unbeachtlich (vgl. Schönenbroicher in Beck´scher Online_Kommentar, Ausländerrecht, Hrsg. Kluth/Heusch, 12. Edition Stand 1.11.2016, § 71 AsylG Rn. 25). Unabhängig davon können sachverständige Gutachten allenfalls dann als neue Beweismittel angesehen werden, wenn sie selbst auf neuen Tatsachen bzw. neuen Beweismitteln beruhen, schon um den im Bereich subjektiv-wertender Beurteilung und Einschätzung bestehenden Missbrauchsmöglichkeiten vorzubeugen, die durch Vorlage immer neuer Gutachten ständig zu einem Wiederaufgreifen eines Verfahrens führen könnten (Schönenbroicher in Beck´scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Hrsg. Kluth/Heusch, 12. Edition Stand 1.11.2016, § 71 AsylG Rn. 24). Ein geeignetes neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG kann daher nur dann angenommen werden, wenn dem Gutachten neue, bislang nicht bekannte Tatsachen zugrunde liegen oder dieses auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. Methoden beruht, die erst nachträglich gefunden wurden. Kein neues Beweismittel ist anzunehmen, wenn dessen Inhalte auch in früheren Verfahren schon zur Verfügung gestanden hätten (vgl. Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 242 ff.).

Nach alledem liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, sodass die Klage im Hauptantrag abzulehnen war.

Die Klage ist jedoch im Hilfsantrag begründet.

Die Nummern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Juli 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Denn der Kläger hat einen Anspruch festzustellen, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Denn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 20).

Der Kläger hat vorliegend einen Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 und 8 EMRK. Denn unter Berücksichtigung der ins Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen besteht zurzeit im Iran eine konkrete Gefahr, dass Homosexuelle jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.

Der Begriff des tatsächlichen Gefahr bzw. des realen Risikos in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit vergleichbar (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - BVerwGE 146, 67). Erniedrigende oder unmenschliche Maßnahmen sind aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernsthaft zu befürchten, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme des realen Risikos einer solchen Misshandlung konkret gegeben sind. Bei der Qualifizierung eines Verhaltens als unmenschlich kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Dabei genügen auch intensive psychische oder physische Leiden bei einer im Vordergrund stehenden Demütigung des Opfers. Der ernsthafte Schaden kann auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (Göbel-Zimmermann/Masuch in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Auflage 2016, § 60 Rn. 62 ff.; Möller/Stiegeler in Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 60 Rn. 23). Bei der Annahme einer konkreten Gefahr ist ausgehend vom anzulegenden Prognosemaßstab einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine Verengung auf Verhaltensweisen, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können oder zu Verursachung bleibender Schäden geeignet sind, zu verneinen. Auch erniedrigende Behandlungen, die keine solchen Folgen hinterlassen, fallen in den Schutzbereich des § 60 Abs. 5 i.V.m. der EMRK (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377 mit Anmerkung Walter, ZAR 2011, 65). Einzubeziehen ist auch die Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigung. An die Feststellung der drohenden Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.

Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10; U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - alle juris) liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - alle juris). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 - 9 C 59/91 - juris).

Ein Ausländer darf in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe wie die sexuelle Identität (vgl. dazu Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 - so genannte Anerkennungsrichtlinie) Verfolgungshandlungen i.S.v. Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Eine schwerwiegende Verletzung der sexuellen Identität als Homosexueller kann eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende auf Grund der Ausübung dieser Freiheit tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei ist es nicht zumutbar, vom Ausleben seiner Homosexualität Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - ABl. EU 2012, Nr. C 331, S. 5 - NVwZ 2012, 1612; EuGH, U.v. 7.11.2013 - C 199/12 bis C 201/12 - ABl. EU 2014, Nr. C 9, S. 8 - NVwZ 2014, 132; vgl. auch Markard, EuGH zur sexuellen Orientierung als Fluchtgrund, Asylmagazin 12/2013, 402; Titze, sexuelle Orientierung und die Zumutung der Diskretion, ZAR 2012, 93). Umgekehrt kann nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn aus Furcht vor Verfolgung auf eine homosexuelle Betätigung verzichtet wird, sofern die verfolgungsrelevante homosexuelle Betätigung die sexuelle Identität des Schutzsuchenden kennzeichnet (vgl. so zur religiösen Betätigung BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40/15; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - alle juris; Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6 und 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Die geschlechtliche Identität, die sexuelle Ausrichtung sowie das Sexualleben gehören zu der von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatsphäre (Hofmann in Beck´scher Online Kommentar, Ausländerrecht, Hrsg. Kluth/Heusch, 12. Edition Stand 15.8.2016, Art. 8 EMRK Rn. 20).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger seine Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris).

Dem Kläger ist es gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe mit Blick auf seine Homosexualität in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens sowie unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisquellen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Iran relevante Gefahren ernsthaft drohen. Denn der Einzelrichter hat auf Grund seines Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung und den glaubhaften Angaben des Klägers über seine Homosexualität, auch unter Einbeziehung der von ihm vorgelegten Unterlagen keine Zweifel, dass bei dem Kläger eine Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Die Würdigung der Angaben des Klägers ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO.

Der Kläger hat im Gerichtsverfahren, insbesondere im Rahmen der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung sein Schicksal als Homosexueller glaubhaft geschildert. Dazu ist zu anzumerken, dass im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, EuGH, U.v. 2.12.2014 - C-148/13 bis 150/13 - ABl. EU 2015, Nr. C, S. 4 - NVwZ 2015, 132) zum einen darauf zu achten war, zu zudringliche, diskriminierende und menschenunwürdige Fragen gerade zum Intimbereich und zu den Einzelheiten der sexuellen Erlebnisse zu vermeiden. Zum anderen ist bei der Würdigung der Aussagen des Klägers auch im Vergleich zu seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu bedenken, dass angesichts des sensiblen Charakters der Informationen, die die persönliche Intimsphäre einer Person, insbesondere ihrer Sexualität, betreffen, allein daraus, dass diese Person, weil sie zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren und gewisse Sachverhalte gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht so deutlich bzw. anders angegeben hat, nicht geschlossen werden kann, dass sie deshalb unglaubhaft sind (vgl. EuGH, EuGH, U.v. 2.12.2014 - C-148/13 bis 150/13 - ABl. EU 2015, Nr. C, S. 4 - NVwZ 2015, 132; siehe auch Gärlich, Anmerkung, DVBl. 2015, 165, 167 ff.). Weiter ist zu bedenken, dass die homosexuelle Entwicklung des Einzelnen und das Offenbaren sowie das Ausleben der Homosexualität individuell sehr unterschiedlich verlaufen und nicht zuletzt von der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seiner kulturellen, gesellschaftlichen und auch religiösen Prägung sowie seiner intellektuellen Disposition abhängen (vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6).

Das Gericht hat bei der gebotenen richterlichen Beweiswürdigung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger tatsächlich homosexuell veranlagt ist, diese homosexuelle Veranlagung im Iran ausgelebt hat und auch hier in der Bundesrepublik Deutschland auslebt. Er hat gleichgeschlechtliche Beziehungen zu anderen Männern unterhalten. Das Gericht hat nicht den Eindruck, dass der Kläger die Homosexualität nur aus asyltaktischen Gründen vorgibt. Vielmehr sprechen seine Schilderungen von einem wirklich erlebten Schicksal und Werdegang als Homosexueller.

Der Kläger hat bei seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht bloß abstrakt von einem ausgedachten, flüchtlingsrelevanten Sachverhalt berichtet, sondern durchaus in umfangreichen Ausführungen detailreich sein Schicksal als Homosexueller geschildert. Anders als bei einem erfundenen Schicksal erwähnte der Kläger dabei auch immer wieder nebensächliche Details und lieferte so eine anschauliche Schilderung seiner Erlebnisse. Hinzu kommen die dabei gebrauchte Wortwahl sowie die gezeigte Mimik und Gestik, auch verbunden mit einem Einblick in seine Gefühlslage und Gedankenwelt. Der Kläger zeigte sich persönlich berührt und emotional betroffen. Gerade die nicht verbalen Elemente bei der Aussage (Körpersprache, Gestik, Mimik usw.) sprechen gewichtig für die Ehrlichkeit des Klägers und für den wahren Inhalt seiner Angaben (in diesem Punkt). Dabei kommt das Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung und die Art und Weise seiner Aussage in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung allenfalls ansatzweise zum Ausdruck.

Der Kläger schilderte in der mündlichen Verhandlung eindringlich, dass er schon mit 10 bis 12 Jahren gemerkt habe, dass er homosexuell sei. Er beschrieb, dass er sich schuldig gefühlt habe. Er habe gedacht, es sei etwas Unnormales. Andere Männer hätten eine Frau, er nicht. Zunächst habe er versuchen wollen, dies zu vertuschen, später habe es aber seine Mutter mitbekommen. Seine Mutter und sein Vater hätten seine Homosexualität nicht akzeptiert. Er habe daher vorsichtig sein müssen und seine Homosexualität verheimlicht. Er habe im Iran zwei lange Beziehungen zu Männern gehabt. Die Homosexuellen hätten im Iran ihre eigenen Partys. Aber sie hätten alles nur unter sich ausgemacht. Dies habe keiner mitbekommen dürfen. Der Kläger erklärte auch weiter ehrlich, dass er aufgrund dessen, dass er alles verheimlicht habe, keine Probleme mit den Behörden oder der Polizei gehabt habe. Sein Vater rede bis heute nicht mehr mit ihm, weil er es für eine Schande halte, dass der Kläger homosexuell sei. Am Schlimmsten sei gewesen, als ein Nachbar bei seinem Geschäft herausgefunden habe, dass er homosexuell sei. Daraufhin habe er sich entschieden, den Iran zu verlassen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass man wegen der Homosexualität nicht nur von Behörden und Gerichten verfolgt werde, sondern auch auf offener Straße etwas von Basidsch-Angehörigen umgebracht werde. Weil es eine Schande für die ganze Familie sei, würde auch die Familie nichts dagegen unternehmen.

Der Kläger schilderte weiter überzeugend, dass das Ausleben seiner Homosexualität zu seiner Identität gehöre. Zunächst habe er gedacht, es sei in Deutschland wie im Iran und er müsse alles verheimlichen. Mittlerweile habe er aber auch Kontakte in Deutschland, auch zum WuF in Würzburg. Dies sei eine Einrichtung für Homosexuelle. Sie träfen sich dort oft und organisierten Partys. Er habe dort auch schon zwei Vorträge über (seine) Homosexualität und den Iran gehalten. Er habe zurzeit einen homosexuellen Partner in Deutschland, mit dem er Sexualkontakte habe. Im Internet stehe sein Name im Zusammenhang mit seiner Homosexualität und mit den beiden von ihm gehaltenen Vorträgen. Bestätigt wird das Vorbringen des Klägers durch die von ihm vorgelegte Stellungnahme der Sub e.V. - Beratungsstelle für schwule Männer vom 8. Oktober 2016, nach der er stimmig und nachvollziehbar seine biografische Entwicklung schildert, wie er sich auch in der Asylbewerberunterkunft geoutet habe, wie er zuvor Angst vor einem Outing gehabt habe. Außerdem ist von Schamgefühlen die Rede. Die Stellungnahme kommt weiter nachvollziehbar zu dem Befund, dass die Schilderungen des Klägers detailliert und stringent seien und auch von authentischen und adäquaten Affekten begleitet würden. Des Weiteren seien die einzelnen entwicklungspsychologischen Stadien erkennbar.

Zusammenfassend hat der Kläger glaubhaft seine homosexuelle Entwicklung geschildert, auch mit homosexuellen Kontakten schon im Iran und später in Deutschland. Der Kläger hat wiederholt sexuelle Beziehungen zu anderen Männern unterhalten und lebt auch hier in Deutschland seine sexuellen Neigungen aus, so dass davon auszugehen ist, dass er dies auch im Fall einer Rückkehr in den Iran tun wollte, wenn dies gefahrlos möglich wäre.

Nach dem Gesamteindruck bestehen für das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers zu seiner Homosexualität. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger die Wahrheit gesagt hat. Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit repressiven Maßnahmen von Vertretern des iranischen Staates bzw. von Privatpersonen zu rechnen hätte, sofern er seine Homosexualität und deren Ausleben nicht aus Angst vor Verfolgung unterdrücken und verheimlichen würde. Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger nicht zuzumuten angesichts der im Iran herrschenden Verhältnisse in sein Heimatland zurückzukehren.

Homosexuellen droht im Iran nach den Informationen aus den vorliegenden Erkenntnisquellen flüchtlingsrelevante Verfolgung bzw. eine ernsthafte Gefahr menschenrechtswidriger Übergriffe.

Im Iran ist die Homosexualität im Gegensatz zur Transsexualität nicht legalisiert. Die Homosexualität ist eine Todsünde. Die Transsexualität ist im Iran eine Krankheit. Dies ist auf einen entsprechenden Rechtsspruch des früheren Ayatollah Khomeini zurückzuführen, der zu Geschlechtsumwandlungen feststellte: „Die sexuelle Identität jeder Person beruht auf ihrer Wahrnehmung von sich selbst“ (Die Welt vom 13.2.2014 „Iranische Nationalspielerinnen als Männer entlarvt“; Handelsblatt vom 7.9.2009 „Iran: Wo die Geschlechtsumwandlung boomt“ - vgl. näher zur Verfolgung Transsexueller VG Würzburg, U.v. 17.12.2014 - W 6 K 14.30391 - juris m.w.N.).

Für homosexuelle Handlungen sieht das iranische Strafrecht als Regelstrafe die Todesstrafe vor, wofür allerdings die Beweisanforderungen sehr hoch sind (vier männliche Zeugen, Ermittlungsverbote in Fällen, in denen zu wenige Zeugenaussagen vorliegen, hohe Strafen für Falschbeschuldigungen). Bei Minderjährigen und in weniger schwerwiegenden Fällen sind Peitschenhiebe vorgesehen (auch hierfür zwei männliche Zeugen erforderlich). Homosexuelle Handlungen zwischen Frauen werden mit bis zu 100 Peitschenhieben, bei der vierten Verurteilung mit der Todesstrafe geahndet. Aufgrund der mangelnden Transparenz des Gerichtswesens lässt sich der Umfang der strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen wegen Homosexualität nicht eindeutig bestimmen. Dennoch werden homosexuelle Beziehungen im entsprechenden soziokulturellen westlich beeinflussten, liberalen Umfeld in Einzelfällen auch de facto geduldet bzw. ignoriert. Geschlechtsumwandlungen gelten häufig als Weg, um eine von der Heterosexualität abweichende sexuelle Orientierung oder Identität in die Legalität zu bringen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016). Die letzten dem Auswärtigen Amt bekannten und durch die iranische Justizverwaltung bestätigten Fälle sind die am 4. September 2011 in Ahvaz wegen homosexueller Handlungen erfolgten Hinrichtungen von drei Männern. Häufig wird der Vorwurf der Homosexualität zusätzlich zu anderen Delikten erhoben, um die Verhafteten moralisch zu diskreditieren (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015, S. 24; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 6.2.2008 sowie Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 30.6.2007: „Sanktionen bei Verstoß gegen moralische Normen“, S. 11; UNHCR vom Januar 2002: Stellungnahme zur Verfolgungssituation Homosexueller in der islamischen Republik Iran).

Derartige Fälle werden auch vom Deutschen Orient-Institut bestätigt. Danach gibt es Berichte über Straftäter, die wegen gravierender Delikte wie Vergewaltigung, Prostitution oder Mord angeklagt oder verurteilt werden und bei denen zusätzlich mitgeteilt wird, dass es sich um Homosexuelle gehandelt habe, wobei die Homosexualität nicht im Vordergrund gestanden habe (vgl. Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 15.4.2004 an das VG Köln). Nach Erkenntnissen des UNHCR im Jahre 2002 (vgl. Stellungnahme zur Verfolgungssituation Homosexueller in der islamischen Republik Iran, Januar 2002) stammte eine bekannt gewordene Hinrichtung durch Steinigung wegen wiederholter homosexueller Handlungen und Ehebruch aus dem Jahr 1995. Auch insoweit konnte allerdings nicht geklärt werden, ob die betroffenen Personen allein aufgrund homosexueller Handlungen verurteilt wurden oder ob zusätzliche Anklagen erhoben wurden. Nach Auffassung des UNHCR ist es jedoch nicht angebracht, nur von einer theoretischen Gefährdung auszugehen. Diskriminierende Gesetze und entsprechendes politisches Vorgehen gegen Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten im Iran erhöhen das Risiko, Opfer von Belästigungen oder sogar tödlicher Gewalt zu werden; sexuelle Minderheiten im Iran werden sowohl von staatlichen als auch privaten Akteuren schikaniert (vgl. VG Bayreuth, U.v.5.3.2012 - B 3 K 11.30113 - juris, mit Bezug auf einen Bericht von Human Rights Watch vom Dezember 2010 „Diskriminierung und Gewalt gegen sexuelle Minderheiten im Iran“).

Sexuelle Minderheiten werden im öffentlichen Raum häufig Opfer von verbalen, gewalttätigen oder gar sexuellen Übergriffen durch Polizisten oder Sicherheitskräfte sowie von Familienmitgliedern oder anderen Privatpersonen. Sie haben dabei keine Möglichkeit gegen diese Übergriffe Schutz zu suchen, was zu einer Straflosigkeit der Täter führt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nufer/Lipp, Zulässigkeit der Wegweisung eines homosexuellen Iraners, Newsletter 30.5.2011).

Betreffend die Homosexualität ist man im Iran noch weit davon entfernt, an Homosexuelle auch nur zu denken. Homophobie, Diskriminierung und drakonische Strafen für homosexuelle Handlungen sind Gründe, warum Iraner auch nach Deutschland fliehen, um hier zu einem selbstbewussten Umgang mit ihrer sexuellen Identität zu finden. Gemäß den Lehren des Islams gelten homosexuelle Handlungen als sündhaft. Homosexuellen Personen bleibt aus Furcht vor Strafe und Repressalien oftmals nur die Flucht ins Exil. Im Iran wissen, wenn überhaupt, oftmals nur enge Familienmitglieder und gute Freunde von der Homosexualität ihrer Verwandten oder Freunde (Iran Journal vom 29.6.2015 „Der lange Weg zum ‚Proud to be Gay‚“).

Die Behörden im Iran verfolgen Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen gleichen Geschlechts sind verboten. Homosexuelle sind Schikanen und strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. In einigen Fällen wurden von Sicherheitskräften Razzien in Häusern durchgeführt und auch Websites überwacht. Nicht nur der einvernehmliche Geschlechtsverkehr zwischen Männern ist kriminalisiert, sondern auch andere Handlungen, darunter Berühren und intimes Küssen, die mit Peitschenhieben bestraft werden können. Darüber hinaus haben Regierungsvertreter, Mitglieder der Basidsch-Milizen und Vertreter der Strafverfolgung und der Geheimdienste die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Verhalten als Vorwand benutzt, um eine Überwachung und Regulierung privater einvernehmlicher Beziehungen zwischen Menschen zu etablieren und grundlegende Rechte von Menschen zu verletzen, die beschuldigt wurden, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu unterhalten. Es kam zu Massenverhaftungen von Männern, die man verdächtigte, schwul zu sein (amnesty international Report 2015 Iran; queeramnesty, Offener Brief von internationalen NGOs an den Präsidenten der islamischen Republik Iran vom 29.12.2013 - http: …www.queeramnesty.de/laender/artikel/kategorie/iran/view/offener-brief-an-den-praesidenten-der-islamischen-republik-iran.html).

Die vorstehend zusammenfassend skizzierte Auskunftslage belegt, dass offen gelebte Homosexualität - insbesondere von Männern - im Iran ein erhebliches Gefährdungspotenzial für (vornehmlich auch) staatliche Verfolgung in sich birgt und sich dieses Potenzial im Einzelfall zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit asyl- bzw. flüchtlingsrelevanter Bedrohung verdichten kann (vgl. zur Verfolgung Homosexueller VG Würzburg, U.v. 1.7.2016 - W 6 K 15.30116; U.v. 23.12.2015 - W 6 K 15.30648; U.v. 14.11.2012 - W 6 K 12.30072 - juris; VG Lüneburg, U.v. 17.8.2015 - 5 A 218/14 - juris; VG München, U.v. 6.5.2014 - M 2 K 13.30691 - juris; B.v. 29.11.2013 - M 2 K 13.30275 - juris; VG Hamburg, U.v. 2.4.2014 - 10 A 465/12 - EzAR-NF 62 Nr. 32; VG Köln, U.v. 13.3.2014 - 16 K 5798/12.A - juris; VG Dresden, U.v. 9.5.2013 - A 6 K 1378/11 - juris; VG Trier, U.v. 21.2.2013 - 2 K 1183/12.TR - juris; U.v. 17.1.2013 - 2 K 730/12.TR - juris; VG Wiesbaden, U.v. 8.2.2013 - 6 K 786/12.WI.A - juris; VG Augsburg, U.v. 12.11.2012 - Au 7 K 12.30252 - juris; VG Bayreuth, U.v. 5.3.2012 - B 3 K 11.30113 -juris).

Nach dieser Erkenntnislage droht dem Kläger bei einer Rückkehr flüchtlingsrelevante Verfolgung.

Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass er unter die skizzierten Straftatbestände des iranischen Strafrechts fallen kann. Der Kläger hat überzeugend dargelegt, dass er schon seit seiner Jugendzeit homosexuelle Neigungen hat und auch entsprechend homosexuell geprägt ist. Vor diesem Hintergrund kann es ihm nicht verwehrt werden, seine Homosexualität auszuleben, wie er dies zum Teil auch schon in der Vergangenheit praktiziert hat. Zwar hat er bisher seine Homosexualität im Privaten und Verborgenen bzw. im Ausland ausgelebt und bislang jedenfalls nicht in deutlichem Ausmaß die Aufmerksamkeit der iranischen Strafverfolgungsbehörden erregt, weil er seine Homosexualität aus Furcht vor Strafverfolgung verheimlicht hat. Der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf ein Ausleben der Homosexualität bzw. die Unterdrückung und Verheimlichung der eigenen Homosexualität kann dem Kläger jedoch nicht zu seinem Nachteil angelastet werden. Dem Kläger kann darüber hinaus nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr weiter seine sexuelle Identität zu verheimlichen oder Zurückhaltung zu üben. Der Kläger droht bei einer Rückkehr vielmehr verfolgt zu werden, wenn er sich seiner Sexualität entsprechend verhalten würde. Eine bisher fehlende Verfolgung wegen Verheimlichung der Homosexualität im Iran ist unschädlich. Ein unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf homosexuelle Betätigung hindert die Anerkennung eines Abschiebungsverbots nicht. Aus den gleichen Erwägungen ist unschädlich, dass der Kläger neben der Angst vor Verfolgung durch staatliche Behörden auch schon aus Angst und Schande vor seiner Familie im Iran vor einem Ausleben der Homosexualität absieht bzw. dies dort tunlichst verheimlicht (Titze, ZAR 2012, 93).

Nach alledem war die Beklagte unter Aufhebung der Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 und 8 EMRK besteht. Infolgedessen waren auch die Nummern 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben, weil mit der zwingenden Feststellung von dauerhaften Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 VwGO auch die - schon früher getroffenen - Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung obsolet werden, und damit sowohl die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG samt dessen Befristung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in der von der Beklagten getätigten Form nicht mehr ermessensfehlerfrei möglich sind.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG und folgt dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass der Antragsteller vorläufig bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben werden darf.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger christlichen Glaubens. Ein erster Asylantrag wurde unanfechtbar abgelehnt (vgl. W 6 K 11.30263).

Am 31. Juli 2015 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, er sei zum Christentum konvertiert. Er sei in Deutschland am 30. Juni 2013 in der Baptistengemeinde A* … getauft worden.

Mit Bescheid vom 27. September 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Weiter lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 26. Juli 2011 (Az.: …*) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe vorliegend die Dreimonatsfrist für die Folgeantragstellung nicht eingehalten und erheblich überschritten. Der Antragsteller sei bereits am 30. Juni 2013 getauft worden. Seinen Folgeantrag habe er am 31. Juli 2015 gestellt. Dem anwaltlich vertretenen Antragsteller sei auch eine rechtzeitige Antragstellung zumutbar gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft darlegen können, den neu angenommenen christlichen Glauben aus einer wirklichen inneren Überzeugung heraus angenommen zu haben. Der Antragsteller habe nicht darzulegen vermocht, dass seine Lebensführung dauerhaft und nachhaltig durch den christlichen Glauben geprägt sei und bei einer Rückkehr in den Iran geprägt sein würde. Der Antragsteller praktiziere den christlichen Glauben bereits in Deutschland faktisch gar nicht.

Am 5. Oktober 2017 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 17.33481 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und gleichzeitig im vorliegenden Verfahren beantragen,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es vorläufig zu unterlassen, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorzunehmen oder eine bereits erfolgte Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde vorläufig zu widerrufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 17.33481) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der auslegungsbedürftige Antrag (vgl. § 88 VwGO) ist zulässig und letztlich auch begründet.

Soweit der Antrag sich gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sachgerecht. Soweit sich der Antrag auf die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht, ist indes ein Antrag nach § 123 VwGO der korrekte Rechtsbehelf.

Denn die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Anders als früher scheidet insoweit ein Antrag nach § 123 VwGO aus; § 80 Abs. 5 VwGO ist insoweit vorrangig (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).

Denn bei einem Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides führt dies zu einer Nichtvollziehbarkeit bzw. Wirksamkeitshemmung, sodass der betroffene Ausländer im Ergebnis so gestellt ist, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Das Bundesamt hat in einem derartigen Fall die Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzten (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris).

Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, über die unter Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids entschieden ist. In der Hauptsache ist insoweit weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Denn das Bundesamt muss gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Da hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, ausscheidet, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Allein auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann insoweit nicht abgestellt werden, insbesondere wenn ein Rechtsschutzbegehren gegen die Unzulässigkeitserklärung in Nr. 1 des Bescheides erfolglos bleibt (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris; vgl. auch zu gegenläufigen Auffassungen über die korrekte Antragstellung bei Folgeverfahren ohne erneute Abschiebungsandrohung etwa VG München, B.v. 18.8.2017 – M 6 S. 17.35653 – juris; VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris; VG Würzburg, B.v. 19.6.2017 – W 1 S. 17.32522 – juris; VG Augsburg, B.v. 14.3.2017 – Au 5 E 17.31264 – juris).

Ausgehend von der vorstehend skizzierten Rechtslage ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, soweit er sich auf die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegenüber Nr. 1 des Bescheides ist jedoch unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG).

Denn das Bundesamt ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die besonderen Zulässigkeitsanforderungen der §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 VwVfG nicht vorliegen und der Folgeantrag damit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der Folgeantrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Bei (gegebenenfalls sich prozesshaft entwickelnden) Dauersachverhalten ist grundsätzlich die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen für den Fristbeginn maßgeblich. Das Erfordernis, die Dreimonatsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG gilt auch für die sich prozesshaft entwickelnde Dauersachverhalte sowie Wiederaufgreifensgründe, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens auftreten. Wenn der Dauersachverhalt einen Qualitätsumschlag erfährt, kann diese Frist erneut in Lauf gesetzt werden (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 96. Aktualisierung Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 40 ff., 46 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 142 und 226). Unbilligkeiten aufgrund des Umstandes, dass bei sich prozesshaft entwickelnden dauerhaften Sachverhalten der Zeitpunkt, zu welchen ein Qualitätssprung stattfindet bzw. der Zeitpunkt, zu welchem der Sachverhalt Asylerheblichkeit erreicht, nur schwer feststellbar ist, lassen sich dadurch vermeiden, dass die Gewährung von nachrangigem Abschiebungsschutz möglich ist.

Die Dreimonatsfrist ist vorliegend nicht gewahrt.

Mit Blick auf die vorgetragene Konversion des Antragstellers ist insbesondere von der Taufe am 30. Juni 2013 als relevantem Datum und damit von einer deutlich verspäteten Folgeantragstellung am 31. Juli 2015 auszugehen. Denn gerade bei sich fließend entwickelten dauerhaften Sachverhalt wie hier bei der Religionskonversion ist unter anderem maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen (vgl. dazu HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120), wenn auch der formale Akt der Taufe für sich allein nicht genügt. Denn auch nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes wird im Iran Apostasie, der Abfall vom Islam, erst angenommen, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Im Fall christlicher Glaubensgemeinschaften ist für einen Apostasievorwurf die Taufe notwendig (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 25.8.2015). Hinzu kommt, dass sich die vorgelegten Bescheinigungen der Baptistengemeinde A* … im Wesentlichen auf die Taufe beziehen. Weiter ist nicht ersichtlich, dass nach der Taufe ein neuer weiterer Qualitätssprung erfolgt sein sollte. Voraussetzung hierfür wäre, dass weitere, mit dem bisherigen nicht mehr vergleichbare Aktivitäten entwickelt worden sind, die zu einer qualitativ neuen Bewertung führen würden. Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller – mit Hinweis auf seine schwere Depression – den christlichen Glauben in Deutschland faktisch nicht praktiziere.

Das Erfordernis der Einhaltung der Dreimonatsfrist ist auch nicht europarechtswidrig. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass mit der Neufassung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) eine zeitliche Präklusion nicht mehr den unionsrechtlichen Vorgaben, konkret Art. 42 Verfahrensrichtlinie, entspricht und die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015 nicht mehr angewendet werden darf (so Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand April 2016, § 71, Rn. 283; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71, Rn. 85). Jedoch überzeugt das Gericht diese Rechtsauffassung nicht. Zum einen ist § 51 Abs. 3 VwVfG weiterhin geltendes Recht. Zum anderen lässt Art. 42 RL 2013/32/EU ebenso wie schon die Vorgängerregelung entsprechende innerstaatliche Regelungen zu. Aus der Entstehungsgeschichte folgt jedenfalls nicht zwingend Gegenteiliges, weil die Aufzählung wie früher beispielhaft ist und die nicht näher begründete Streichung der betreffenden Passage auch daran liegen könnte, dass es ohne ausdrückliche Nennung gerade den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben kann, entsprechende Regeln ein- und fortzuführen. Abgesehen davon galt die alte Rechtslage auch nach der Gegenmeinung bis zum Ende der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015. Bis dahin war die Präklusion vorliegend längst eingetreten. Wenn die Dreimonatsfrist nun nicht mehr gelten sollte, kann es im Hinblick auf die Rechtssicherheit nicht dazu führen, dass sämtliche in der Vergangenheit liegenden und längst abgeschlossenen Verfahren wieder aufgerollt werden könnten (vgl. auch VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Cottbus, U.v. 8.2.2017 - 1 K 273/11.A – juris; VG Karlsruhe, B.v. 5.1.2017 – A 6 K 7295/16 – juris; VG Freiburg, U.v. 3.8.2016 – A 6 K 1679/15 – juris; sowie etwa schon VG Würzburg, U.v. 26.6.2017 – W 8 K 16.31847 – juris).

Im Ergebnis ist die Antragsgegnerin infolge der Verfristung zutreffend von der Unzulässigkeit des Folgeantrages ausgegangen, sodass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht zum Erfolg führt.

Demgegenüber hat aber der Antrag betreffend § 123 VwGO bezüglich der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides Erfolg. Dieser Antrag ist zulässig und begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass für die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 129 Abs. 2 ZPO sind das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in diesem Sinne glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, weil aufgrund der vom Antragsteller geltend gemachten Konversion ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes getroffene Entscheidung bestehen, weil erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.

Denn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei der Ablehnung eines Folgeantrages als unzulässig darüber hinaus festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – ZAR 2017, 236 – juris Rn. 20). Für die Prüfung und Feststellung eines betreffenden Abschiebungshindernisses bleibt das Bundesamt auch dann zuständig, wenn der Folgeantrag die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des eigentlichen Asylverfahrens nicht erfüllt (vgl. § 31 Abs. 3 AsylG).

Aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Obergerichte (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – DÖV 2013, 323; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A – EzAR-NF 62 Nr. 19; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; SächsOVG, U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris; OVG Saarl, U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – InfAuslR 2008, 183 – jeweils mit weiteren Nachweisen) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. Hess. VGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; B.v. 23.2.2010 – 6 A 2067/08.A – Entscheiderbrief 10/2010, 3; B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A – Entscheiderbrief 3/2013, 5).

Die konkrete Gefahr, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, resultiert dabei daraus, dass Christen häufig von iranischen Behörden und Sicherheitskräften drangsaliert, festgenommen, verhört, ohne Kontakte in Haft gehalten, misshandelt, gefoltert, angeklagt und verurteilt werden. „Outen“ als Christ ist in der derzeitigen Lage im Iran extrem gefährlich. Von einer sehr bedrohlichen Lage für konvertierte Christen im Iran ist auszugehen. Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – EzAR-NF 66 Nr. 1, der allerdings § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anwendet) im Lichte einer verfassungs- und europakonformen Auslegung zu der Erkenntnis, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Sie müssen dann mit Inhaftierung, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und oder sonstigen erniedrigenden Maßnahmen durch iranische Sicherheitskräfte rechnen. Die Gefahrenmomente haben sich so verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr für jeden einzelnen Konvertierten auszugehen ist. Denn gerade wenn bei christlichen Konvertiten entsprechende Maßnahmen gegen Angehöriger bestimmter Personengruppen mehr oder weniger regelmäßig angewandt werden, begründet dies ein allgemein wirkendes Abschiebungsverbot, so dass eine ernsthafte Gefahr anzunehmen ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG, Rn. 34 ff.). Demnach besteht im Fall einer ernsthaften Konversion ein Abschiebungsverbot (vgl. in der Sache genauso HessVGH, U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – EzAR-NF 66 Nr. 1, allerdings mit Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG; VG Stuttgart – U.v. 30.6.2008 – A 11 K 1623/08 – juris; VG Hamburg – U.v. 24.4.2008 – 10 A 291/07 – juris, jeweils bezüglich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 bzw. 9 EMRK).

Die abschließende Prüfung, ob der Antragsteller – mittlerweile – einen ernsthaften und tiefgreifenden Glaubenswechsel vollzogen hat und er aufgrund des Bekenntnisses zu seinem neuen Glauben gerade nach der erfolgten Taufe bei einer Rückkehr in seinem Herkunftsland daher bei einer Abschiebung einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden extremen individuellen Gefahrensituation bzw. einer ernsthaften konkreten Gefahr ausgesetzt wird, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Da im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Irans vorliegen, wofür jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, überwiegt im Rahmen einer Güter- und Folgenabwägung das Interesse des Antragstellers, vorläufig von einer Abschiebung in den Iran bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, das sofortige Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn eine Abschiebung in den Iran trotz nachhaltiger vollzogener Konversion würde für den Antragsgegner zu irreparablen Folgen führen. Demgegenüber ist es der Antragsgegnerin zuzumuten, mit der Abschiebung noch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Schließlich besteht auch ein Anordnungsgrund.

Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass der Antragsteller nach der Ablehnung seines Folgeantrags als unzulässig aufgrund der rechtkräftigen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 26. Juli 2011 jederzeit ernsthaft mit einer Abschiebung bzw. betreffenden Abschiebemaßnahmen rechnen muss und dies seinen Anspruch auf Feststellung von nationalen Abschiebungshindernissen vereiteln oder zumindest wesentlichen erschweren würde.

Zur Sicherung dieses Anspruchs ist die Antragsgegnerin, welche spätestens durch die Unzulässigkeitsentscheidung eine Abschiebung des Antragstellers wieder ermöglicht hat, im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, durch eine gegenteilige Mitteilung an die Ausländerbehörde dafür zu sorgen, dass die Abschiebung des Antragstellers vorläufig bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht vollzogen wird (vgl. VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Gründe

I

1

Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, reisten im Juni 2014 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Griechenland und Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten sich mit der Wiederaufnahme der Kläger einverstanden. Mit Bescheid vom 11. September 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Ungarn an (Ziffer 2).

2

Hiergegen erhoben die Kläger Klage und beantragten vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung machten sie geltend, dass das in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eingeräumte Ermessen dahingehend auf Null reduziert sei, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und den Asylantrag in der Sache zu prüfen habe. Sie legten fachärztliche psychiatrische Gutachten vor, wonach bei der Klägerin zu 2 eine depressive Störung mit Suizidalität und eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe.

3

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 3. Dezember 2015 zurück. Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten.

4

Nach einem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beklagte den Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt und den angegriffenen Bescheid auch zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

5

Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II

6

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wirkungslos.

7

Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Urteil vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <362 f.>).

8

Danach sind hier der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

9

Der Rechtmäßigkeit des auf § 27a AsylG a.F. (jetzt: § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG) gestützten Bescheids der Beklagten steht allerdings nicht bereits die fehlende Feststellung dazu, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, entgegen. Nach dem durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) geänderten § 31 Abs. 3 AsylG ist das Bundesamt nunmehr auch bei allen unzulässigen Asylanträgen zu einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verpflichtet. Hierbei ist davon auszugehen, dass sich die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat (Zielland der Überstellung) bezieht. Denn eine Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf das Herkunftsland ergäbe im Fall der beabsichtigten Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat keinen Sinn. Die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote kann in diesen Fällen nicht das Herkunftsland, sondern nur den sonstigen Drittstaat betreffen, in den die Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinne auch: VGH München, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 20 B 15.30049 - juris Rn. 41; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 31 AsylG Rn. 44a; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn. 13).

10

Allein die fehlende Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu den nationalen Abschiebungsverboten führt nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, d.h. zu überprüfen, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 20). Hierin kommt die Verpflichtung der Gerichte zum Ausdruck, zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht im Einklang steht und den Kläger in seinen (subjektiven) Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung haben die Verwaltungsgerichte alle einschlägigen Rechtsnormen und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 28). Ausgehend davon führt es nicht bereits zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, wenn ein (ausdrücklicher) Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG fehlt oder eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nicht erfolgt ist. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung - gegebenenfalls auch erstmals - selbst vorzunehmen.

11

Ob der Bescheid aus anderen Gründen rechtswidrig war, ist für die nach Erledigung der Hauptsache nur noch zu treffende Kostenentscheidung hier nicht mehr von Bedeutung. Es entsprach schon deshalb billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie den angefochtenen Bescheid aufgehoben und damit die Kläger klaglos gestellt hat.

12

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

  • Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfefür das Eilverfahren wird abgelehnt.

  • 2.               Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (6a K 6963/16.A) wird abgelehnt.Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens,für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der nicht durch Papiere ausgewiesene Kläger, nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste am 27. Oktober 2012 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 14. November 2012 einen Asylantrag.

Zur Begründung trug er bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 11. Dezember 2013 vor, er habe im Bürgerkrieg für die Rebellen gekämpft und dabei auch Frauen vergewaltigt. Im Jahr 2010 sei er von einer Frau, die er vergewaltigt habe, wiedererkannt worden. Die Frau habe dies allen Leuten erzählt, er selber habe sich aber nicht mehr erinnern können. Er sei auch schon an verschiedenen Orten von Leuten angegriffen worden und müsse mit weiteren Angriffen rechnen, weil man ihm seine Aktivität für die Rebellen nicht vergeben habe. Im Mai 2010 habe er bewaffnete Leute gesehen, die zu ihm nach Hause gekommen seien, er habe noch rechtzeitig aus dem Fenster springen können und sei entwischt. Direkt im Anschluss sei er zum Hafen gerannt und als blinder Passagier auf ein Schiff gelangt. Zudem wurden unter Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen gesundheitliche Beeinträchtigungen (gastroenterologisch) geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 24. November 2015 (ohne Zustellungsnachweis) lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab (Nrn. 1 bis 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nr. 4), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte die Abschiebung nach Sierra Leone an (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Die Angaben des Klägers, wonach er auf offener Straße rund acht Jahre nach Ende des Bürgerkriegs von einer unbekannten Frau als Vergewaltiger beschuldigt worden sei, seien unglaubhaft, ebenso seine Angaben zu einem Überfall auf sein Haus im Mai 2010. Der Kläger habe offenbar bis zu dem Vorfall ein problemloses Leben in Sierra Leone führen können. Auch seine Aussage, er habe erst 2010 ausreisen können, überzeuge nicht, da die entsprechende Ausreise keinerlei Planung vorausgesetzt habe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen im Hinblick auf die allgemeinen Verhältnisse in Sierra Leone und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers nicht vor.

Der Kläger hat durch seine Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2015 Klage erheben und beantragen lassen, den Bescheid des Bundesamts in den Ziffern 4 und 5 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei dem Kläger ein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Sierra Leone festzustellen.

Zugleich wurde der bedingte Beweisantrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung (im Folgenden: PTBS) mit einer somatoformen Schmerzstörung leidet, weiterhin psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung bedarf und sich sein gesundheitlicher Zustand bei einer Abschiebung nach Sierra Leone wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Zur Begründung wurde auf ärztliche Bescheinigungen vom 15. Oktober 2014 und 20. Mai 2016, psychotherapeutische Befundberichte eines psychologischen Psychotherapeuten vom 28. November 2015 und 8. März 2015, Behandlungsbestätigungen sowie einen in der mündlichen Verhandlung übergebenen Entlassschein des Klinikums Harlaching vom 12. November 2016 und einen Befundbericht einer psychologischen Psychotherapeutin vom 30. Dezember 2016 hingewiesen. Der Kläger sei im Hinblick auf seine Erlebnisse als Kindersoldat in Sierra Leone nicht behandelt worden, sondern habe nach Ende des Bürgerkriegs zwei Jahre in einem Reintegrationscamp gelebt. Durch die fehlende Behandlung sei es zu einer dauernden Persönlichkeitsänderung gekommen und eine weitere Behandlung erforderlich, die in Sierra Leone nicht möglich sei.

Das Bundesamt hat die Akten am 4. Januar 2017 vorgelegt.

Die Bevollmächtigte hat im Rahmen der rechtlichen Erörterung geltend gemacht, die vorgelegten Befundberichte entsprächen den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung, die auch durch psychologische Psychotherapeuten erfolgen könne. Im Hinblick auf die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG hat sie die Auffassung vertreten, die gesetzliche Vermutung zur Reisefähigkeit und die Anforderungen zur Widerlegung seien auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse beschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 24. November 2015 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) in den angefochtenen Ziffern rechtmäßig, der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).

Die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers begründen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 ff.). Derartige Ausnahmegründe liegen jedenfalls nach dem Ende der Ebola-Epidemie in Sierra Leone Anfang 2016 nicht mehr vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Entsprechend der Gesetzesbegründung zu der mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. 2016 I, 390 ff.) eingeführten Präzisierung in den Sätzen 2 bis 4 wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen. Eine solche schwerwiegende Erkrankung könne zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung.

Ergänzend dazu wurde mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren mit § 60a Abs. 2c AufenthG eine gesetzliche Vermutung zum Vorliegen gesundheitlicher Gründe, die einer Abschiebung entgegenstehen, aufgenommen. Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 und 10 C 1710 C 17.07 - juris jeweils Rn. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung (hier: angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes und der vielfältigen Symptomatik einer PTBS) regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört (BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 8). Danach bedarf es angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes einer PTBS sowie seiner vielfältigen Symptome zur Substantiierung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens regelmäßig der Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, U.v. 11.9.2007 a.a.O. - juris jeweils Rn. 15).

Entsprechend diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen oder für weitere diesbezügliche Sachverhaltsermittlungen entsprechend dem gestellten Beweisantrag aus mehreren, voneinander unabhängigen Gründen nicht vor. Hinsichtlich der geltend gemachten PTBS und entsprechender Begleitbeschwerden ergibt sich dies (1) daraus, dass die vorgelegten Bescheinigungen nicht den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung entsprechen, (2) daraus, dass die gestellten Diagnosen in wesentlichen Punkten hinsichtlich der traumaauslösenden Ereignisse wegen fehlender Glaubhaftmachung der Ereignisse auf unzureichenden Anknüpfungstatsachen beruhen und (3) daraus, dass sich unter Zugrundelegung des Maßstabs des § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG selbst dann kein Abschiebungsverbot ergeben würde, wenn man dem Vorbringen des Klägers zu den traumaauslösenden Ereignissen in den Grundzügen Glauben schenken und von den gestellten Diagnosen in den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ausgehen würde.

(1) Durch die Regelung in § 60a Abs. 2c AufenthG, wonach Abschiebungshindernisse durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen sind, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen, eine Bescheinigung eines approbierten Arztes erforderlich ist (vgl. dazu die ausdrückliche Klarstellung in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/7538 S. 19). Ungeachtet der Rechtslage vor der Änderung durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (vgl. insbesondere OVG NW, B.v. 19.12.2008 - juris) bleiben nach der Regelung in § 60a Abs. 2c AufenthG Atteste von Psychotherapeuten, Psychologen oder psychosozialen „Behandlungszentren für Folteropfer“ bei der Beurteilung der Reisefähigkeit grundsätzlich außer Betracht (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 - 2 O 31/16 - juris Rn. 9; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Nachtrag zur 11. Auflage 2016, AufenthG, § 60a Rn. N3). Allenfalls im Wege einer Gesamtschau können derartige Atteste ergänzend zu anderen Erkenntnissen, die nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erfüllen, zu anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d AufenthG beitragen (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 a.a.O.).

Die Regelungen in § 60a Abs. 2c AufenthG beschränken sich dabei nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfassen auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Die von Klägerseite geäußerte gegenteilige Auffassung, die ausschließlich auf der systematischen Stellung des § 60a Abs. 2c AufenthG als Teil der Regelungen in § 60a AufenthG über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung beruht, überzeugt entsprechend dem Wortlaut der Regelung, der Entstehungsgeschichte und den gesetzgeberischen Erwägungen sowie nach Sinn und Zweck nicht.

Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte. In der Gesetzesbegründung wird hierzu Folgendes ausgeführt:

„Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen.

Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“

Auch nach Sinn und Zweck umfasst die Regelung im § 60a Abs. 2c AufenthG auch die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Durch die zusammen mit der Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgenommenen Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 60 Abs. 7 AufenthG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Entsprechend der Gesetzesbegründung erfüllt eine PTBS regelmäßig nicht die Anforderungen an ein Abschiebungsverbot, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (BT-Drs. 18/7538 S. 18). Die Behandlung akuter lebensbedrohlicher bzw. ähnlich schwerwiegender Zustände aufgrund einer PTBS erfolgt regelmäßig im Rahmen einer medikamentösen Behandlung. Antidepressiva nehmen in der Behandlung depressiver Symptome bei PTBS einen hohen Stellenwert ein (vgl. dazu das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten in dem am gleichen Tag verhandelten und von der Bevollmächtigten vertretenen Verfahren M 21 K 13.30391). Insofern handelt es sich um klassische ärztliche Aufgaben. Auf die darüber hinaus für die vollständige Diagnose und Behandlung einer PTBS bedeutsamen psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlungsansätze kommt es im Hinblick auf den durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG vorgegebenen Maßstab nicht an.

Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die in einer Gesamtschau nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG auch ohne ausreichende ärztliche Bescheinigung Anlass zu weiteren Ermittlungen bieten, bestehen nicht.

Die vorgelegten Befundberichte entsprechen insbesondere auch inhaltlich nicht den von der Rechtsprechung geforderten Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags zum Nachweis einer PTBS durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung.

Erforderlich für eine PTBS ist nach den - in den Befundberichten und insbesondere auch im aktuellen Befundbericht vom 30. Dezember 2016 herangezogenen - Kriterien der ICD-10 F43.1 ein traumaauslösendes Ereignis von kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung herbeiführen würde. Prädisponierende Faktoren sind dabei weder erforderlich noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Erforderlich ist dementsprechend eine Zuordnung konkreter traumaauslöender Ereignisse zu den festgestellten Symptomen. Eine Aufzählung einer Vielzahl von belastenden Ereignissen ohne Abgrenzung, ob es sich um lediglich dekompensierende (und damit unter Umständen für eine Prädisposition bedeutsame) oder bereits die Schwelle einer Traumatisierung überschreitende Ereignisse handelt, genügt insofern nicht. Diesen Anforderungen werden die Befundberichte nicht gerecht. In den älteren Bescheinigungen fehlt eine Darstellung der für die Diagnose zu Grunde gelegten traumaauslösenden Ereignisse nahezu vollständig. Aber auch der Befundbericht vom 30. Dezember 2016 beschränkt sich auf eine Darstellung des Lebenslaufs des Klägers mit verschiedenen - im Übrigen äußerst vage beschriebenen und damit einer Nachprüfung nicht zugänglichen - Beschreibung von Episoden im Leben des Klägers, denen eine dekompensierende oder traumatisierende Wirkung zukommen kann und unterlässt eine eindeutige Zuordnung einzelner traumaauslösender Ereignisse. Darüber hinaus geht der Befundbericht vom 30. Dezember 2016 nicht darauf ein, seit wann und wie häufig sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befunden hat und belässt es bei dem Hinweis, er befinde sich seit Januar 2016 bei der Therapeutin in Behandlung. Gerade im Hinblick auf die Einreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 2012 wäre auch auf die Frage einzugehen gewesen, seit wann die festgestellten Symptome bestehen und ggfs. warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Auch in der Zusammenschau mit den weiteren ärztlichen Bescheinigungen, wonach der Kläger sich ab März 2014 in ambulanter psychiatrischer Behandlung befand, dann von August 2014 bis März 2015 psychotherapeutisch behandelt wurde und die Behandlung dann (mangels Kostentragung durch das Sozialamt) abgebrochen wurde, ergibt sich insofern kein ausreichend klares Bild und insbesondere keine Erklärung dafür, weshalb eine Behandlung der PTBS erst 16 Monate nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begonnen wurde. Hinzu kommt, dass die Erlebnisse des Klägers bereits Jahre zurückliegen und der Bürgerkrieg in Sierra Leone seit 15 Jahren beendet ist. Die Latenz von Symptomen einer PTBS zu dem traumaauslösenden Ereignis beträgt nach den Kriterien der ICD-10 F43.1 grundsätzlich wenige Wochen bis Monate. Für eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung wäre ein Eingehen auf diese Gesichtspunkte zumindest in Grundzügen erforderlich gewesen.

Die im Übrigen vorgelegten Bescheinigungen erfüllen hinsichtlich der geltend gemachten PTBS die Voraussetzungen für eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erkennbar nicht.

(2) Die vorgelegten Bescheinigungen bieten auch deswegen keinen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung, weil die Schlussfolgerungen auf unzureichenden Anknüpfungstatsachen beruhen. Die zu Grunde gelegten Aussagen des Klägers sind in weiten Teilen - insbesondere im Hinblick auf die behauptete Bedrohung des Klägers wegen seiner Vergangenheit als Kindersoldat - unglaubhaft und der Kläger insgesamt unglaubwürdig.

Auch bei einer qualifizierten Bescheinigung hängt deren Tragfähigkeit und damit der Nachweis oder weiterer Ermittlungsbedarf hinsichtlich einer PTBS davon ab, dass die Anknüpfungstatsachen glaubhaft gemacht worden sind. Bei der Diagnoseerstellung von posttraumatischen Störungen ermöglicht die Symptomatologie des psychopathologischen Befunds generell keine Rekonstruktion der objektiven Seite der traumatisierenden Ereignisse. Dass das behauptete traumatisierende Ereignistatsächlich stattgefunden hat, muss vielmehr vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (BayVGH, B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 18; B.v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8). Insoweit obliegt es dem Kläger, die behaupteten Geschehnisse, die bei ihm eine PTBS zum Entstehen gebracht haben sollen, jedenfalls in Grundzügen unter Angabe von Einzelheiten schlüssig und widerspruchsfrei zu schildern (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 a.a.O. - juris Rn. 23; B.v. 17.10.2012 a.a.O. - juris Rn. 8). Werden im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht, die auch unter Berücksichtigung von Erinnerungsproblemen traumatisierter Personen nicht nachvollziehbar sind, enthält das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche, erscheinen die Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar oder wird das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne ausreichende Begründung erweitert oder gesteigert, insbesondere wenn Tatsachen für das geltend gemachte Abschiebungsverbot ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren eingeführt werden, so kann den Aussagen in der Regel kein Glauben geschenkt werden.

Ungeachtet des Umstands, dass die Befundberichte aufgrund der undifferenzierten und vagen Wiedergabe verschiedener Episoden im Leben des Klägers bereits nicht erkennen lassen, welches konkrete Ereignis als traumaauslösend angesehen wird, kann dem Vortrag des Klägers zu seinem Lebensschicksal in weiten Teilen auch keine Glauben geschenkt werden. Der Vortrag war bereits vor dem Bundesamt, aber auch im weiteren Verfahren in weiten Teilen unsubstantiiert - örtliche oder zeitliche Angaben fehlten weitgehend. Im Wesentlichen beschränkt sich der Vortrag darauf, der Kläger habe wegen Problemen im Land mit Rebellen oder sonstigen Personen mehrmals umziehen müssen, sei 2010 in Freetown von einer Frau als möglicher Täter einer Vergewaltigung im Bürgerkrieg erkannt worden und unmittelbar ausreisebegründend sei ein Angriff bewaffneter Leute gewesen. Soweit der Kläger seinen Vortrag konkretisiert hat, ist er durch eine Vielzahl von Ungereimtheiten und Widersprüchen gekennzeichnet. Das gilt schon für den Zeitpunkt und die Motivation des Umzugs des Klägers nach Freetown. Gegenüber dem Bundesamt behauptete der Kläger zunächst, die Lage für ihn sei an anderen Orten in Sierra Leone sehr gefährlich gewesen sei, er habe nirgendwo bleiben können und sei deswegen nach Freetown zurückgekehrt. Dann gab er an, er habe gerade nicht zu einem früheren Zeitpunkt nach Freetown gehen können, sonst hätte man ihn dort umgebracht. Den Angriff einer bewaffneten Menschenmenge und seine unmittelbar anschließende Flucht datierte er zunächst auf Mai 2011, bestätigte dies auch auf ausdrückliche Nachfrage und korrigierte die Aussage dann auf den Vorhalt des Bundesamtes, er sei nach Kenntnis des Bundesamts bereits im Februar 2011 in Griechenland angekommen, auf Mai 2010. Der im Nachgang seitens der Bevollmächtigten ergänzte schriftliche Vortrag, der Kläger sei bereits im Mai 2010 in Griechenland angekommen, seine Anwesenheit dort durch die Polizei aber erst im Februar 2011 festgestellt worden, steht im Widerspruch zur ausdrücklichen Angabe vor dem Bundesamt, der Kläger sei 2011 nach Griechenland gekommen (Niederschrift Anhörung, S. 5) und ist als Schutzbehauptung zu werten. Der unglaubwürdige Gesamteindruck hat sich durch die Aussagen im weiteren Verfahren vollständig bestätigt. Der Kläger ließ sich in der mündlichen Verhandlung pauschal darauf ein, die Aussage vor dem Bundesamt sei nicht vollständig gewesen, weil er unter Stress gestanden habe und ergänzte dies auf die Frage, welche Teile er aus seiner Ausreisegeschichte weggelassen habe, um den Allgemein Platz, man könne nicht innerhalb einer Anhörung von ein bis zwei Stunden über derartige lange Erlebnisse berichten. Nachfragen zu konkreten zeitlichen Angaben seiner abschiebungsrelevanten Lebensgeschichte wich er unter Angabe von Erinnerungslücken oder durch vage Angaben aus. Selbst in Randbereichen gab der Kläger die Unwahrheit an. So behauptete er in der mündlichen Verhandlung entgegen seiner Aussage vor dem Bundesamt, er habe ab 2002 bis zu seiner Ausreise ausschließlich vom Betteln gelebt und bestritt auch die - vor dem Bundesamt ausdrücklich angegebenen - Gelegenheitstätigkeiten im Hafen von Freetown. Zu seiner Wohnsituation in Freetown gab er vor dem Bundesamt an, er habe zwei Jahre in der 5th Street Nr. 5 gelebt, wo er ein Einzelzimmer gehabt habe und andererseits in der mündlichen Verhandlung, er könne sich an den genauen Zeitraum seines Lebens in Freetown nicht erinnern und habe unter der besagten Adresse in der 5th Street bei einem Freund gelebt.

(3) Im Übrigen ergäbe sich unter Zugrundelegung des Maßstabs des § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG selbst dann kein Abschiebungsverbot, wenn man dem Vorbringen der Klägerin zu den traumaauslösenden Ereignissen und den geschilderten Beschwerden in den Grundzügen Glauben schenken und von den gestellten Diagnosen ausgehen würde. Auf die zum Beweis gestellten Diagnosen als solches kommt es im Hinblick auf den durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Maßstab für eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nicht an. Eine PTBS stellt für sich gesehen keine lebensbedrohliche oder ähnlich schwerwiegende Erkrankung dar und begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ein ausreichend substantiierter Vortrag zu den von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geforderten lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheitsfolgen ergibt sich auch aus den vorgelegten Bescheinigungen nicht bzw. die Begründung hierzu ist nicht ausreichend und beruht im Hinblick auf die Situation in Sierra Leone und die vom Kläger geltend gemachten individuellen Umstände auf unzureichenden Anknüpfungstatsachen. Eine nach den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ggfs. erforderliche Fortsetzung der medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva ist auch in Sierra Leone gewährleistet.

Entsprechend den Bescheinigungen liegen weder eine akute Suizidalität noch psychotische Symptome mit akuter Fremd- oder Eigengefährdung vor.

Aus den Bescheinigungen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, dass im Falle einer Abschiebung zielstaatsbezogene Umstände zu einer wesentlichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands mit lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden, d.h. existenziell bedrohlichen, Krankheitsfolgen führen würden. Der insoweit maßgebliche aktuelle Befundbericht vom 30. Dezember 2016 geht selbst - vor dem Hintergrund mehrfacher früherer Suizidgefährdungen - lediglich von einem erhöhten Risiko suizidaler Handlungen im Falle einer Abschiebung aus, ohne das Risiko zu konkretisieren. Er bietet damit keine Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder ähnlich schwerwiegende Verschärfung des Gesundheitszustands mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit. Im Übrigen erfolgt die Risikoprognose ohne ausreichende Begründung und beruht auf unzureichenden Anknüpfungstatsachen. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots zu begründen (vgl. zu Abschiebungsverboten wegen Reiseunfähigkeit BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 8.2.2012 - 2 M 29/12 - juris Rn. 11 ff.). Entsprechendes gilt, wenn die zu Grunde gelegten Tatsachen in wesentlichen Bereichen unzutreffend sind. Insofern obliegt auch in diesem Zusammenhang die Feststellung der für die ärztliche Bewertung zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen ausschließlich dem Tatrichter. Der Befundbericht differenziert nicht danach, ob die Gefährdung im Wesentlichen im Zusammenhang mit - hier nicht maßgeblichen - inlandsbezogenen Umständen im Zusammenhang mit Unsicherheit und Furcht vor einer Rückkehr im Vorfeld der Abschiebung bzw. Umständen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abschiebung (Reisefähigkeit) steht, denen im Übrigen durch entsprechende Vorbereitung und Ausgestaltung der Abschiebung begegnet werden könnte, oder ob echte zielstaatsbezogene Gründe vorliegen. Die Ausführungen zur befürchteten Retraumatisierung beschränken sich im Wesentlichen auf den allgemeinen Hinweis der Gefahr einer Retraumatisierung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland. Insofern ist aber neben dem langen Zeitablauf seit den geltend gemachten traumaauslösenden Ereignissen zu berücksichtigen, dass sich die Situation in Sierra Leone zwischenzeitlich grundlegend verändert hat, ein Großteil der Flüchtlinge des Bürgerkriegs in ihr Heimatland zurückgekehrt sind und auch die Bekämpfung der Straflosigkeit für während des Bürgerkriegs begangene schwere Menschenrechtsverstöße Fortschritte macht.

Nach Beendigung des elfjährigen Bürgerkrieges im Jahre 2002 kehrt Sierra Leone immer mehr zu friedlichen und geordneten politischen Verhältnissen zurück. Im Mai 2004 fanden erstmals nach 32 Jahren wieder Kommunalwahlen statt. Die während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen werden umfassend ermittelt und aufgearbeitet (vgl. Truth & Reconciliation Commission of Sierra Leone, final report, Vol 3a, Chapter 3, The Military an Political History of the Conflict). Auf Grundlage einer Vereinbarung mit den Vereinten Nationen wurde ein Sondergerichtshof für Sierra Leone eingerichtet, (Special Court for Sierra Leone - SCSL), der für eine juristische Aufarbeitung sorgt, vor dem bereits eine Vielzahl von Prozessen stattgefunden hat und durch den u.a. der ehemalige liberianische Staatspräsident Charles Taylor wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt wurde (vgl. AI - Amnesty Report 2013 Sierra Leone; U.S. Department of State - Sierra Leone Country Report on Human Rights Practices 2006; Wikipedia - https: …de.wikipedia.org/wiki/Sierra_Leone und https: …en.wikipedia.org/wiki/Charles_Taylor_(Liberian_politician) - zitiert jeweils nach Stand 19.1.2017).

Ein von der UNHCR initiiertes Repatriierungsprogramm für Bürgerkriegsflüchtlinge wurde im Juli 2004 abgeschlossen und ein Großteil der Flüchtlinge ist in ihre Heimat zurückgekehrt. Am 23. Juni 2006 wurde Sierra Leone als eines der ersten Länder vom UN-Sicherheitsrat auf die Agenda der 2005 ins Leben gerufenen Peacebuilding Commission (PBC) gesetzt. Nach Aussage des früheren UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon am 14. Juni 2010 in Freetown repräsentiert Sierra Leone einen der erfolgreichsten Fälle für Wiederaufbau, Friedenswahrung und Friedensaufbau nach einem Konflikt (Wikipedia - https: …de.wikipedia.org/wiki/Sierra_Leone - zitiert nach Stand 19.1.2017).

Ob eine Rückkehr traumatisierter Personen aus Krisenregionen trotz Aufarbeitung straffrei begangener Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen im Herkunftsland mit einer nicht hinnehmbaren Gefahr einer Retraumatisierung verbunden ist, hängt von den - einer ärztlichen Bescheinigung zu Grunde zu legenden - Einzelumständen, einerseits Art und Umfang einer erfolgten Aufarbeitung der Krise im Herkunftsstaat und andererseits Art, Dauer und Intensität des erlittenen Traumas ab. Der Befundbericht geht hierauf nicht ein.

Im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten in Sierra Leone geht das Gericht davon aus, dass eine ausreichende therapeutische und psychiatrische Behandlung dort nicht sichergestellt ist und damit eine ausreichende Behandlung einer PTBS nicht möglich ist. Hierauf kommt es aber im Hinblick auf die Regelungen in § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG gerade nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine zur Vermeidung lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Krankheitsfolgen ggfs. erforderliche Fortsetzung der medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva auch in Sierra Leone gewährleistet ist. Entsprechend der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva auch in Sierra Leone erfolgen kann (vgl. Auskunft AA an VG Aachen vom 21.2.2007). Anhaltspunkte, dass sich hieran etwas geändert haben könnte, sind nicht substantiiert vorgetragen und - nach dem Ende der Ebola-Epidemie Anfang 2016 - jedenfalls im Hinblick auf große Städte wie Freetown nicht naheliegend. Soweit die Bevollmächtigte in zwei weiteren am gleichen Tag verhandelten und von ihr vertretenen Verfahren mit vergleichbarer Argumentation (M 21 K 13.30391 und M 21 K 16.31317) auf Entscheidungen des Bundesamts und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zur Gesundheitsversorgung in Sierra Leone hingewiesen hat, sei vorsorglich klargestellt, dass bei den entsprechenden Entscheidungen im Mittelpunkt die therapeutischen und psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten standen. Soweit Fragen zur medikamentösen Versorgungslage angesprochen sind, handelt es sich um Fragen der individuellen Verfügbarkeit. Insoweit besteht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger nach einer Rückkehr dauerhaft nicht in der Lage ist, einen ausreichenden Unterhalt, der auch eine medikamentöse Behandlung einschließt, zu erzielen. Der Kläger hatte entsprechend seiner Aussage vor dem Bundesamt vor seiner Ausreise aus Sierra Leone ein eigenes Zimmer in Freetown und Gelegenheitsjobs am Hafen - die demgegenüber in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, er habe seit Ende des Bürgerkriegs vom Betteln gelebt, ist unglaubhaft. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte, dass der Kläger nach einer Rückkehr nicht wieder einer Tätigkeit zur Sicherung seines Unterhalts nachgehen könnte.

Schließlich folgt auch aus den schwierigen Lebensverhältnissen in Sierra Leone kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Bei den dort vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Anhaltspunkte für eine extreme Gefährdungslage bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 38), sind nicht erkennbar.

Nachdem auch die nach Maßgabe von § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden ist, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Antragstellerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 9. Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 23. Juli 2014 ihren Asylantrag, den sie mit ihrem schlechten Gesundheitszustand begründete.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag zu Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Gegen die Nrn. 4 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheides ließ die Antragstellerin am 10. Juli 2017 Klage erheben und gleichzeitig beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Klagebegründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vorbringen: Die Antragstellerin leide an einer paranoiden Schizophrenie, akustischen und optischen Halluzinationen, sonstigen Symptome sowie einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Sie sei in der Vergangenheit mehrfach in stationärer Behandlung gewesen. Hinzu ergebe sich, dass die Antragstellerin betreuungsbedürftig sei. Eine vorhergehende Betreuung sei beendet. Ein neuer Antrag auf Betreuung sei gestellt. Das Städtische Krankenhaus Pirmasens habe ärztlich die Notwendigkeit einer Betreuung bescheinigt. Auch in Armenien müsste eine Betreuung eingerichtet werden, die sich dann jeweils um die Behandlung der Antragstellerin kümmere. Außerdem müsste sichergestellt sein, dass die Antragstellerin auch im Falle einer Rückkehr im Bedarfsfall stationär behandelt werde. Die Antragstellerin wäre in Armenien auf sich alleingestellt und könnte - da sie Betreuung benötige - die möglicherweise nach dem Gesetz kostenfreie Behandlung unmöglich erwirken. Sie sei nicht in der Lage, bei Behörden und Krankenhäusern ihren gesetzlichen Anspruch durchzusetzen. In Ermangelung einer Betreuung sei auszuschließen, dass sie eine Rente beantragen und erhalten könnte. Sie könnte auch unmöglich die notwendigen Medikamente finanzieren. Der Mindestlohn eines Arbeiters würde allein für die Beschaffung eines Medikaments verwendet werden müssen. Sie benötige weitere Medikamente aufgrund der Lungenerkrankung. Es sei offen, was diese Medikamente in Armenien kosten würden und ob diese dort erhältlich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte W 8 K 17.32769) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des angefochtenen Bundesamtsbescheides begehrt, zumal ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die übrigen Nummern des streitgegenständlichen Bescheides unzulässig wäre.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 20. Juni 2017 anzuordnen, ist begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG).

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab der Entscheidung über die Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 34 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1516/93 und 2 BvR 1938/793 - BVerfGE 94, 115).

In dem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung voraussetzt, dass an der Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung die Abweisung der asylrechtlichen Anträge geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - NVwZ 2007, 1046, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - InfAuslR 2002, 146).

Anknüpfungspunkt der richterlichen Prüfung ist die Abschiebungsandrohung und damit auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Daher erstreckt sich die Prüfung des Verwaltungsgerichts auch auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen hinsichtlich der Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Vorliegend steht nicht mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr fest, dass für die Antragstellerin kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Aus dem von der Antragstellerin sowohl im behördlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ist zum einen zu ersehen, dass die Rhön-Klinik Bad Neustadt laut ihrer Bescheinigung vom 29. Juni 2016 aufgrund der fortgeschrittenen COPD-Erkrankung eine Behandlung der Antragstellerin in Deutschland für zwingend erforderlich hält. Weiter belegen die ärztlichen Bescheinigungen insbesondere folgende Diagnosen: Paranoide Schizophrenie, akustische Halluzinationen, optische Halluzinationen, sonstige Symptome, die die Stimmung betreffen, chronische obstruktive Lungenkrankheit (vgl. Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 2.3.2017). Ein vorläufiger Entlassbericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Werneck vom 4. November 2016 enthält den Verdacht einer Psychose bei vorbekannter paranoider Schizophrenie. Wegen der chronischen Erkrankung sowie deutlicher Sprachbarriere und teilweise reduzierter Auffassungsstörung sei eine gesetzliche Betreuung einbestellt worden. Bei dem chronischen Krankheitsbild werde um Fortführung der antipsychotischen Therapie gebeten. Es werde um regelmäßige Überprüfung der Indikation für Psychopharmamedikation gebeten. Aus dem vorläufigen Entlassungsbericht des Städtischen Krankenhauses Pirmasens ist vom 2. März 2017 ergibt sich folgende Medikation: Risperdal, Diazepam, Dominal forte, Pantozol, ACC Brause, Symbicort DA, Berodual-Spray.

Die Frage, ob die Antragstellerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland Armenien die - wie in der Vergangenheit immer wieder - notwendige stationäre wie ambulante Behandlung sowie die erforderliche Medikation in ihrem speziellen Einzelfall erreichen kann oder nicht und ob die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot vorliegen, kann im Sofortverfahren nicht abschließend geklärt werden, sondern bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Zwar hat die Antragsgegnerin zutreffend unter Bezugnahme auf einschlägige Auskünfte ausgeführt, dass auch die Behandlung von Erkrankungen in Armenien gewährleistet sei und kostenlos erfolge, wenn auch die Verfügbarkeit von Medikamenten problematisch sein könne (vgl. zur medizinischen Versorgung auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asylabschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 21.6.2017, Stand: Februar 2017, S. 18 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 36 f.). Darauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend ist weiter anzumerken, dass Erkrankungen grundsätzlich nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen, wie der Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich klargestellt hat. Eine erheblich konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG). Neben diesen materiellen Kriterien hat der Gesetzgeber zudem in § 60a Abs. 2c AufenthG prozedurale Vorgaben für ärztliche Atteste zur hinreichenden Substantiierung des betreffenden Vorbringens aufgestellt (vgl. Kluth, ZAR 2016, 121; Thym, NVwZ 2016, 409 jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen.

Danach ist erforderlich, dass gegenwärtig eine Rückkehr nach Armenien aus medizinischen Gründen unzumutbar wäre, weil sich etwaige lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Selbst wenn die Behandlungsmöglichkeiten in Armenien schlechter sein mögen als in der Bundesrepublik Deutschland, bleibt festzuhalten, dass eventuell alsbald und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden wesentlichen bzw. lebensbedrohenden Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des armenischen Gesundheitssystems begegnet werden kann und muss. Die Antragstellerin ist gehalten, sowohl die Möglichkeiten des armenischen Gesundheitssowie Sozialsystems auszuschöpfen, als auch gegebenenfalls auf private Hilfemöglichkeiten, etwa durch Verwandte oder Hilfsorganisationen, zurückzugreifen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren (vgl. auch BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 32 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist bezogen auf die spezielle Situation der Antragstellerin das Folgende anzumerken:

Auch wenn die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht den Erfordernissen des § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen, ist den Bescheinigungen gleichwohl zu entnehmen, dass die Antragstellerin unter einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) leidet, wegen der sie wiederholt in stationärer Behandlung gewesen ist und in deren Zusammenhang der behandelnde Arzt zwingend eine Behandlung in Deutschland als erforderlich angesehen hat (Rhön-Klinik Bad Neustadt vom 29. Juni 2016). Des Weiteren war die Antragstellerin wegen ihrer paranoiden Schizophrenie mit weiteren psychischen Symptomen, die eine antipsychotische Therapie lebenslang erforderlich machen, wiederholt stationär in Behandlung. Außerdem ist ärztlicherseits vermerkt, dass wegen der chronischen Erkrankung sowie unter teilweise reduzierter Auffassungsstörung eine gesetzliche Betreuung erforderlich ist (vgl. Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Schloss Werneck vom 4.11.2016; vgl. auch Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 31.5.2017 und vom 2.3.2017).

Ob eine angemessene Behandlung der oben kurz skizzierten Krankheiten der Antragstellerin für diese bzw. für ihre Familie erreichbar und bezahlbar ist, ist fraglich. Zwar ist die medizinische Grundversorgung flächendeckend kostenlos gewährleistet. Jedoch führt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht ausdrücklich auch an, dass dies nur für die primäre, jedoch nur eingeschränkt für sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung gilt. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwere den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen Großteil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden sei. Problematisch sei auch die Verfügbarkeit von Medikamenten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 21.6.2017, Stand: Februar 2017, S. 18 f.).

Ob im speziellen Fall der Antragstellerin ihre notwendige medizinische Versorgung gewährleistet ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht abschließend geklärt werden, da nach dem zitierten Lagebericht ein Großteil der medizinischen Versorgung nicht mehr grundsätzlich kostenfrei ist und die Einkommensmöglichkeiten der Antragstellerin (insbesondere Pension/Rente), wie von ihrem Bevollmächtigen ausgeführt, auch angesichts der Kosten der erforderlichen Medikamente nicht ausreichend erscheinen, um alle notwendigen Behandlungen, auch stationärer Art, sowie die erforderliche Medikationen lebenslänglich zu gewährleisten (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 20.1.2017 - AN 4 S. 17.30146 - juris). Hinzu kommt, dass es nicht gesichert ist, dass die Antragstellerin insofern ohne weiteres auf familiäre Hilfe zurückgreifen könnte. Zwar leben ihre Schwiegertochter sowie ihr Enkel noch in Armenien, jedoch befinden sich ihr Sohn und weitere Familienmitglieder in Deutschland.

Hinzu kommt die offene Frage einer erforderlichen Betreuung der Antragstellerin in Armenien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66) kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus Umständen im Zielland ergeben, die dazu führen, dass der Betroffene die medizinische Versorgung tatsächlich dort nicht erlangen kann, weil sie ihm individuell entweder aus finanziellen oder aus sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die in Deutschland in der Vergangenheit gewährte Betreuung, die zurzeit erneut beantragt ist, mit einzubeziehen. Ist aber eine ständige Betreuung Voraussetzung für den tatsächlichen Zugang zur medizinischen Behandlung einschließlich Medikation, kann das Fehlen der Betreuung in Armenien zu einer zielstaatsbezogenen Gefahr führen (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66; VG München, B.v. 14.9.2016 - M 17 S. 16.30727 - juris). Die Prüfung, ob eine gegebenenfalls erforderliche Betreuung auch in Armenien sichergestellt wäre, bedarf ebenfalls noch der Klärung im Hauptsacheverfahren.

Vorliegend kann das Gericht jedenfalls nicht feststellen, dass bei der Antragstellerin, bezogen auf ihre individuelle Situation, davon ausgegangen werden kann, dass sie allein und ohne fremde Hilfe in der Lage ist, ihre Angelegenheiten insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht eigenverantwortlich zu regeln, sodass nicht gewährleistet ist, dass sie die notwendige medizinische Behandlung sowie ihre Medikation in Armenien erhält (vgl. auch VG Gelsenkirchen, B.v. 24.2.2016 - 17A K 5036/14.A - Asylmagazin 2016, 171).

Zweifel an der Erreichbarkeit der medizinischen Behandlung in Armenien bestehen ohnehin schon für mittellose bzw. geringverdienende Personen, wie etwa vermutlich auch die Antragstellerin, die nur von einer geringen Rente lebt, und bei der nicht klar ist, ob sie die notwendige Unterstützung durch Verwandte erhalten kann (vgl. VG Schwerin, U.v. 10.10.2014 - 3 A 929/12 As - juris). Dies gilt dann erst recht, wenn sie die erforderliche Betreuung nicht erhält.

Nach alledem bestehen ernstliche Zweifel an der Ablehnung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG durch die Antragsgegnerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtkosten werden nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die nicht ausgewiesenen Kläger sind laut eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige. Sie sind am 15. Januar 2015 auf dem Landweg von Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und stellten am 19. Februar 2015 Asylanträge.

Die Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 14. Oktober 2016. Zur Begründung ihrer Asylbegehren trugen die Kläger vor, sie seien beide gesundheitlich beeinträchtigt. Der Kläger zu 1) habe seit etwa fünf Jahren ein Problem mit der Lunge, weswegen er Blut spucke. Er habe in Nigeria ein Krankenhaus aufgesucht, habe die Behandlung aber nicht bezahlen können. Er nehme derzeit Pantoprazol ein. Er befürchte, in Nigeria an der Krankheit sterben zu müssen. Er wolle die Gelegenheit haben, in die Schule zu gehen und Bildung zu erhalten. Die Klägerin zu 2) führte aus, sie habe Herzprobleme. Sie sei ständig ohnmächtig geworden. Deshalb habe sie Nigeria verlassen.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 zeigte der Bevollmächtigte der Kläger deren Vertretung an und wies auf eine fortbestehende Schwangerschaft der Klägerin zu 2) hin. Er legte zwei Atteste für die Klägerin zu 2) vor und kündigte die Vorlage eines weiteren für den Kläger zu 1) an.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13. Dezember 2016 wurde der Antrag der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Nrn. 1 bis 3). Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4) und die Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Den Kläger wurde zudem die Abschiebung nach Ablauf dieser Frist angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, die Kläger hätten keinerlei Verfolgungshandlungen vorgetragen. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen entsprechend der allgemeinen Lage in Nigeria und unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Kläger nicht vor. Sie seien bereits vor ihrer Ausreise in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Zudem verfügten sie über ein großes familiäres Netz, welches sie bei einer Rückkehr unterstützen und auffangen könne. Schließlich hätten die Kläger auch nicht glaubhaft dargelegt, derart schwer erkrankt zu sein, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Nigeria eine derartige gesundheitliche Verschlechterung drohe, dass mit lebensbedrohlichen Konsequenzen zu rechnen sei.

Mit der am 27. Dezember 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Sie beantragen,

den Bescheid vom 13. Dezember 2016 mit Ausnahme der Ziffer 2 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

Den ebenfalls am 27. Dezember 2016 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte die erkennende Kammer mit Beschluss vom 20. März 2017 ab.

Die Kläger wurden unter dem 6. April 2017 zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Eilver-fahren sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Beides ist hier der Fall.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 13. Dezember 2016 ist im angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Insofern wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids sowie auf die Gründe des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 20. März 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Die von den Klägern allein vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden wurden auch im Klageverfahren nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht hat insoweit bereits in seinem Beschluss vom 20. März 2017 darauf hingewiesen, dass nach § 60a Abs. 2 c Satz 1 AufenthG vermutet wird, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen mit der Folge, dass der Ausländer in der Pflicht ist, eine (lebensbedrohliche oder schwerwiegende) Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Dies ist weder im Asylverfahren beim Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren oder im Klageverfahren erfolgt, obgleich die Kläger stets auf die Notwendigkeit hingewiesen worden sind.

Nach alldem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach Aktenlage am 23.03.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am …2015 einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde gem. § 13 Abs. 2 AsylG auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG beschränkt.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) am …2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er stamme aus Bagdad, Stadtteil Al Karrada. Dort habe er die Schule bis zur achten Klasse besucht. Nebenbei sei er Profilfußballer gewesen. Er habe für die irakische Nationalmannschaft in der U-12 gespielt.

Ca. drei Monate vor seiner Ausreise sei er mit Freunden in einer Shischa-Bar gewesen. Als er die Bar kurz verlassen habe, sei ca. 400 m von ihm entfernt eine Autobombe oder ein Motorrad explodiert. Dadurch seien viele Menschen und zwei seiner Freunde in der Shischa-Bar ums Leben gekommen. Seitdem habe sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert. Er sei verrückt geworden. Er habe seinen Eltern erzählt, was er gesehen habe. Seine Mutter habe sich große Sorgen um ihn gemacht und gesagt, er solle zu einem Onkel nach Kerbala gehen, um sich zu beruhigen. Er sei dann ca. einen Monat bei dem Onkel geblieben. Während dieser Zeit habe er heilige Orte des Islam besucht, gebetet und den Koran gelesen. Nach einem Monat sei er nach Hause zurückgekehrt, aber sein Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Daraufhin habe seine Mutter beschlossen, dass er den Irak verlassen und in die Türkei zu seiner Tante gehen solle. In der Türkei habe er sich bei der UN als Flüchtling registriert und unter schlechten Verhältnissen gelebt. Er habe arbeiten müssen, um sein Leben zu finanzieren. Daraufhin habe er beschlossen, nach Europa zu reisen, um seinen Traum als Fußballer zu verwirklichen und ein Leben wie ein normales Kind zu leben.

Bei einer Rückkehr in den Irak habe er Angst, dass er irgendwann getötet werde.

Mit Bescheid vom 12.04.2017, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 19.07.2017, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Nr. 2). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Nr. 3). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5).

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Soweit er vorgetragen habe, er sei ca. drei Monate vor seiner Ausreise Zeuge einer Explosion gewesen, bei der viele Menschen und auch zwei seiner Freunde ums Leben gekommen seien, sei daraus keine individuelle Verfolgung im asylrechtlichen Sinne ersichtlich. Die Ereignisse seien vielmehr auf die allgemeine Sicherheitslage im Irak zurückzuführen.

Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutzstatus zuzuerkennen. Unter Verweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz seien keine Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG drohe. Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zu gewähren. Zwar bestehe gegenwärtig in Teilen des Iraks ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Jedoch bedürfe es im Falle des Klägers, der aus Bagdad stamme, individuell gefahrerhöhender Merkmale, welche für ihn zu einer Zuspitzung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahren führen müssten. Individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers seien aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere würden die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat in eine existenzielle Notlage gerate, seien nicht dargelegt. Es spreche nichts dagegen, dass der Kläger wieder in sein Elternhaus in Bagdad zurückkehre. Auch bislang sei es dem Kläger gelungen, seinen Lebensunterhalt mit Unterstützung seiner Familie sicherzustellen.

Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Soweit der Kläger angegeben habe, im Alter von 13 Jahren drei bis vier Mal in ärztlicher Behandlung wegen psychischer Probleme gewesen zu sein, sei daraus eine aktuelle, individuelle und konkrete Gefährdung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erkennbar.

Sein Vorbringen mache zudem deutlich, dass im Irak eine ärztliche Behandlung wegen psychischer Probleme möglich sei.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamts vom 12.04.2017, Az. …, wird aufgehoben.

  • 2.Der Kläger wird als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, hilfsweise wird ihm der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt bzw. werden Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG festgestellt.

Zur Begründung der Klage bezog sich der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.05.2017 zunächst auf die Anhörung des Klägers beim Bundesamt. Im Übrigen wurde ausgeführt, der Kläger leide an einer schweren posttraumatischen, dringend behandlungsbedürftigten, Störung, die ihre Ursache vor allem in den Kriegs- und Bürgerkriegserlebnissen des Klägers in seiner Heimat habe. Diesbezüglich werde auf die Bescheinigung der Psychotherapeutin …, bei der sich der Kläger nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung befinde, verwiesen. Diese Stellungnahme werde im Bescheid der Beklagten nicht einmal erwähnt, obwohl die Ursachen für die posttraumatische Belastungsstörung auf Seite 3 und 4 der Stellungnahme nachdrücklich und eindrucksvoll dargelegt werde. Die Therapeutin komme zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger dringend einer langzeitlichen Psycho- bzw. Traumatherapie bedürfe. Weiterhin sei ein sicherer Aufenthaltsstatus nötig, insbesondere führe eine Abschiebung zu einer Zuspitzung der Symptomatik bis hin zur akuten Suizidgefährdung. Aufgrund der Kriegssituation im Heimatland seien für die notwendige Psychotherapie weder Finanzmittel noch medizinische Kapazitäten frei. Dem Kläger einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland zu verweigern oder ihn gar in den Irak abzuschieben, sei geradezu ein zynisches Spiel mit dem Tod.

Mit Schriftsatz vom 11.05.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss der Kammer vom 19.06.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 lehnte das Gericht Beweisanträge des Klägers (Einvernahme der Therapeutin als sachverständige Zeugin bzw. Einholung eines psychotherapeutischen Gutachtens wegen der „schweren psychischen Störung“ des Klägers) mangels hinreichender Substantiierung der Beweisanträge ab.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

a) Für das Gericht ist keine konkrete, individuelle Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger im Sinne des § 3a AsylG ersichtlich.

Der Kläger hat sowohl bei der Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 angegeben, er habe Bagdad insbesondere wegen der dort angespannten allgemeinen Sicherheitslage verlassen. Im Jahr 2013 sei eine Mine vor seiner Schule explodiert. Ca. drei Wochen vor seiner Ausreise sei eine an einem Motorrad befestigte Bombe in der Nähe einer Shischa-Bar explodiert, welche er unmittelbar vor der Explosion verlassen habe. Dabei seien zwei seiner Freunde ums Leben gekommen. Da er unter der Situation in Bagdad stark psychisch gelitten habe, sei er nach Europa gekommen. In Europa wolle er seinen Traum als Fußballer verwirklichen und leben wie ein normales Kind, da er im Irak keine Kindheit hatte.

Die Beweggründe für die Flucht nach Deutschland sind zwar menschlich nachvollziehbar, stellen aber schon im Ansatz keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG dar. Der Kläger wurde in Bagdad niemals individuell im Sinne des § 3a AsylG verfolgt. Allein die allgemeine angespannte Sicherheitslage und die Angst, einmal selbst Opfer einer Explosion, einer Entführung oder eines Anschlages zu werden, stellt keine individuelle Verfolgung des Klägers im Sinne des Flüchtlingsrechts dar. Auch die - in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen - Drohungen der Milizen gegenüber dem Vater des Klägers führen nicht dazu, dass der Kläger als individuell verfolgt im Sinne des § 3a AsylG anzusehen wäre. Zum einen bleibt der Sachvortrag hinsichtlich der Bedrohungen äußerst vage. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung keine Details und nicht einmal einen zeitlichen Rahmen der Drohungen nennen. Zum anderen gab der Kläger selbst an, sein Vater habe sich hauptsächlich in der Türkei aufgehalten und die Drohungen hätten diesen in der Türkei erreicht. Beim Kläger in Bagdad seien hingegen keine Drohungen eingegangen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger nicht ersichtlich ist.

b) Weiterhin fehlt es hinsichtlich des klägerischen Sachvortrages an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG.

c) Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch nicht von einer Gruppenverfolgung von Schiiten im Irak auszugehen ist. Hierzu fehlt bereits jeglicher Vortrag des Klägers. Im Übrigen geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass keine Gruppenverfolgung der Schiiten im Irak gegeben ist (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.3.2017 - B 3 K 16.31634 - juris; VG Augsburg, U.v. 1.2.2016 - Au 5 K 15.30408 - juris m.w.N.).

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes muss ein ernsthafter Schaden im Herkunftsland konkret drohen. Bloße vage Befürchtungen, künftig selbst Opfer eines Anschlages oder Übergriffes zu werden bzw. die Bezugnahme auf das Schicksal anderer Personen, reicht auch im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht aus.

b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 - C-465.7 - juris).

Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in Bagdad ein innerstaatlicher bewaffneter zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Bagdad Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (VG Augsburg, U.v. 24.4.2017 - Au 5 K 17.30922 - juris; VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 - AN 2 K 16.30398 - juris; VG Ansbach, U.v. 13.4.2017 - AN 2 K 16.30810 - juris). Weitere individuell gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgetragen noch sind diese für das Gericht ersichtlich. Insbesondere reicht hierfür nicht aus, dass der Kläger aus dem Stadtteil Al Karrada stammt, in dem es nach Auffassung des Klägervertreters - unter Bezugnahme auf einen „Spiegelartikel“ - besonders gefährlich sei. Das Gericht vermag - unter Heranziehung der Auskunftslage - nicht zu erkennen, dass in Al Karrada besonders gefährliche Wohnumstände herrschen, die dazu führen würden, dass dem Kläger allein wegen seiner dortigen Anwesenheit der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen wäre.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage im Irak zu schaffen. Der Kläger hat zwar angegeben, im Irak noch nicht gearbeitet zu haben sowie dass ihm körperliche Arbeit schwerfalle. Gleichwohl konnte der Kläger im Irak - zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester - existenzsichernd bei seiner Tante leben. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak nicht an diese Bedingungen anknüpfen könnte. Die Familie des Klägers lebt weiterhin unbescholten in Bagdader Stadtteil Al Karrada. Es ist nicht ersichtlich, dass das Existenzminimum des Klägers im Irak nicht im Rahmen der wechselseitigen Unterstützung innerhalb des Familienverbandes gesichert werden kann.

4. Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung - das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind allerdings Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sieht vor, dass die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen kann, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1 AufenthG.

Die vorgetragene posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bzw. die „schwere psychische Störung“ beim Kläger, stellen jedoch keine allgemeine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG dar, so dass die Sperrwirkung dieser Vorschrift nicht greift (BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.8.2011 - 10 B 13.11 - juris).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt nunmehr auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 08.11.2016 - 6a L 2452/16.A - juris).

Dies zugrunde gelegt besteht für den Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr in den Irak droht.

a) Die - undatierte - „Bescheinigung“ der Kinder- und Jugendpsychologin … …, genügt schon nicht den Anforderungen der Rechtsprechung im Hinblick auf die Substantiierung des Vorbringens einer PTBS.

Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17/07 - juris).

(aa) Vorliegend wurde schon kein fachärztliches Attest, sondern lediglich eine „Bescheinigung“ einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin - die noch dazu undatiert, aber aufgrund des Begleitschreibens (Bl. 86 d. A.) mindestens 13 Monate alt sein muss - vorgelegt. Das BVerwG im geht im Urteil vom 11.07.2007 davon aus, dass „regelmäßig“ ein fachärztliches Attest vorzulegen ist. Aus dem Wort „regelmäßig“ wurde bzw. wird z.T. zwar geschlossen, dass in Ausnahmefällen auch Psychologische Psychotherapeuten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sein sollen, posttraumatische Belastungssituationen zu diagnostizieren (vgl. OVG Münster, B.v. 12.12.2008 - 8 A 3053/08.A - juris). Im Beschluss vom 26.7.2012 (10 B 21/12) verlangt das BVerwG hingegen ein aktuelles fachärztliches Attest.

Jedenfalls durch die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG, wonach Abschiebungshindernisse durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen sind, hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen, eine Bescheinigung eines approbierten Arztes erforderlich ist (vgl. dazu die ausdrückliche Klarstellung in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/7538 S. 19). Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört (BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris). Ungeachtet der Rechtslage vor der Änderung durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren bleiben damit Atteste von Psychotherapeuten und Psychologen grundsätzlich außer Betracht (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 - 2 O 31/16 - juris). Allenfalls im Wege einer Gesamtschau können derartige Atteste ergänzend zu anderen Erkenntnissen, die nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erfüllen, zu anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d AufenthG beitragen. Demgegenüber kann die alleinige und ausschließliche Vorlage einer psychologischen bzw. psychotherapeutischen Stellungnahme keine anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung i.S.d. § 60a Abs. 2d AufenthG begründen, da dies eine Umgehung der gesetzlichen Wertungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG bedeuten würde (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 a.a.O.).

Die Regelungen in § 60a Abs. 2c AufenthG beschränken sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfassen auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 - M 21 K 15.31612 - juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 - W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 - M 21 K 16.36151 - juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 - 6a K 2802/15.A. - juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte. In der Gesetzesbegründung wird hierzu Folgendes ausgeführt:

„Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen.

Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“

Auch nach Sinn und Zweck umfasst die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG auch die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Durch die zusammen mit der Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgenommenen Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 60 Abs. 7 AufenthG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Entsprechend der Gesetzesbegründung erfüllt eine PTBS regelmäßig nicht die Anforderungen an ein Abschiebungsverbot (BT-Drs. 18/7538 S. 18).

Weiterhin erfolgt die Behandlung akuter lebensbedrohlicher bzw. ähnlich schwerwiegender Zustände aufgrund einer PTBS regelmäßig im Rahmen einer medikamentösen Behandlung. Antidepressiva nehmen in der Behandlung depressiver Symptome bei PTBS einen hohen Stellenwert ein. Insofern handelt es sich um klassische ärztliche Aufgaben. Auf die darüber hinaus für die vollständige Diagnose und Behandlung einer PTBS bedeutsamen psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlungsansätze kommt es im Hinblick auf den durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG vorgegebenen Maßstab nicht an (VG München, U.v. 10.1.2017 - M 21 K 15.31612 - juris).

Anhaltspunkte für eine aktuell lebensbedrohliche oder schwerwiegende psychische Störung, die in einer Gesamtschau nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG auch ohne ausreichende ärztliche Bescheinigung Anlass zu weiteren Ermittlungen bieten, bestehen nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht. Dem Gericht liegen auch - neben der undatierten, älteren Bescheinigung der Psychotherapeutin - keine weiteren ärztlichen oder therapeutischen Befunde vor.

(bb) Selbst wenn man - trotz § 60a Abs. 2c AufenthG - (weiterhin) ein Attest eines Psychotherapeuten zur Substantiierung eines Beweisantrages bzgl. PTMS für geeignet erachtet (so beispielsweise BayVGH, B.v. 11.08.2016 - 20 ZB 16.30110 - juris, der in keiner Weise auf § 60a Abs. 2c AufenthG eingeht und lediglich auf die Rechtsprechung vor der Gesetzesänderung verweist), entspricht jedenfalls der undatierte „Befundbericht“ auch inhaltlich nicht den geforderten Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags zum Nachweis einer PTBS durch eine qualifizierte „ärztliche“ Bescheinigung.

Der Bescheinigung ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger seit 05.04.2016 einmal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung ist. Sie enthält aber keine Angaben, ob die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden und ob die seit April 2016 durchgeführte Therapie erfolgreich verläuft und in welchem zeitlichen Abstand die Gespräche gegenwärtig stattfinden. Bei einer über 13 Monate alten Bescheinigung, ist mehr als fraglich, ob noch von einem aktuellen Attest i.S.d. Rechtsprechung gesprochen werden kann, zumal auch der Kläger von eingetretenen Besserungen und großzügigerer Behandlungsdichte berichtet.

Die Diagnostik der Therapeutin wirft ebenfalls Fragen auf. Auf der Seite 1 der Bescheinigung wird lediglich ausgeführt, der Kläger berichte „von Symptomen, die auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung schließen lassen“. Lediglich eine Anpassungsstörung (F 43.21) gilt nach dem Bericht als gesichert. Unter dem Punkt „Diagnosen“ (Seite 4) werden dann noch dissoziative Krampfanfälle (F 44.5) bescheinigt. Bezüglich der Diagnose PTBS verweist die Bescheinigung auf einen Arztbrief der Klinik- und Jugendpsychiatrie …vom November 2015, der dem Gericht nicht vorliegt und auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt werden konnte. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, das Fehlen der Nachweise könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, da er seinerzeit unter Vormundschaft stand und der Vormund nichts vorgelegt habe, geht ins Leere. Zum einen muss sich der Kläger das Verhalten seines Vormundes zurechnen lassen, zum anderen endete die Vormundschaft des Klägers mit dessen Volljährigkeit am 13.04.2016, so dass dieser selbst bzw. sein Bevollmächtigter für die Vorlage aktueller (ärztlicher) Bescheinigungen verantwortlich ist.

Soweit die Therapeutin ausführt, der Kläger könne sich einer jugendpsychiatrischen Behandlung nicht öffnen, fehlt es ebenfalls an einer weitergehenden Darlegung, insbesondere warum eine begleitende psychiatrischen Behandlung nicht erfolgt bzw. erfolgte.

Ferner geht die Bescheinigung nicht hinreichend darauf ein, wann die Probleme des Klägers erstmals in Erscheinung getreten sind und wie die Behandlung im Irak ausgesehen hat. Bei der Anamnese wird lediglich festgestellt, dass sich „der Kläger bereits als Jugendlicher im Irak psychisch belastet gefühlt habe“.

Im Ergebnis ist die PTBS nicht hinreichend substantiiert vorgebracht worden um den Beweisanträgen nachkommen zu müssen.

b) Gleiches gilt für die von der Therapeutin bescheinigte Anpassungsstörung, die dissoziativen Krampfanfälle und die von Klägerbevollmächtigten unter Beweis gestellte „schwere psychische Störung“. Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf PTBS und nicht auf andere (psychische) Erkrankungen anwendet, so sind jedenfalls die anderen Krankheitsbilder auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Krampfanfälle werden nur beiläufig erwähnt. Im Übrigen mangelt es auch hier der Stellungnahme an Aktualität. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass es ihm besser gehe und die Träume nachlassen würden. Im Ergebnis wird daher der Vortrag weiterer (psychischer) Erkrankungen (lt. Beweisantrag „schwere psychische Störung“) den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer psychischen Erkrankung ebenfalls nicht gerecht (vgl. hierzu wiederum § 60a Abs. 2c AufenthG sowie VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 - 6a K 2802/15.A - juris und VG München, U.v. 10.01.2017 - M 21 K 15.31612 - juris).

c) Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die psychischen Erkrankungen des Klägers im Irak hinreichend behandelbar sind. Dabei wird nicht verkannt, dass die medizinische Versorgungslage im Irak nach wie vor angespannt ist. Grundsätzlich kann sich zwar jeder Iraker überall im Land in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei behandeln lassen, wobei Unterschiede zwischen dem Zentralirak und dem kurdisch verwalteten Norden nicht bestehen. De facto existiert aber nach den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen eine Zwei-Klassen-Medizin. Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und leiden vor allem an einem Mangel an Medikamenten und technischem Gerät. Auch haben qualifizierte Ärzte aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Medikamente sind meist nur theoretisch kostenfrei und müssen überwiegend privat in Apotheken gekauft werden (vgl. hierzu ausführlich VG Aachen, U. v. 20.01.2017 - 4 K 2040/15.A - juris m. w. N.).

Psychische Krankheiten werden zwar häufig nur medikamentös behandelt, jedoch sind psychische Erkrankungen, insbesondere depressive Störungen auch im Irak grundsätzlich behandelbar. Die Kosten hierfür hängen von Art und Dauer der Behandlung ab und können daher - auch infolge fehlender ärztlicher Gebührenordnung - nicht allgemein und pauschal abgeschätzt werden. Auch sonst gibt es im Irak eine erhebliche Anzahl von Nervenärzten, die an psychischen Erkrankungen leidenden Patienten behandeln können. Psychopharmaka sind vorhanden und in der Regel preisgünstig. Die ärztliche Behandlung kann in staatlichen Krankenhäusern kostenlos erfolgen sowie in privaten Praxen für ca. 10,00 Euro (vgl. VG Aachen, U. v. 20.01.2017 - 4 K 2014/15.A - juris, mit weiteren Hinweisen und Nachweisen zur Auskunftslage).

Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine Behandlung des Klägers auch in Bagdad möglich ist. Zwar mag der Einwand des Klägers zutreffen, dass viele gute Ärzte und Therapeuten Bagdad verlassen haben und es daher schwierig ist, eine gute psychotherapeutische Behandlung im Irak zu bekommen. Dem Gericht erschließt sich jedoch nicht, warum der Kläger jegliche psychiatrische, insbesondere medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung - neben einer Psychotherapie - ablehnt bzw. „sich dafür nicht öffnen kann“. Insoweit fehlt auch jeglicher ärztlicher bzw. therapeutischer Vortrag. Nach Auffassung des Gerichts muss sich auch der Kläger auf die medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankungen, die im Irak möglich ist, verweisen lassen. Dies gilt zumindest solange nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, warum dem Kläger eine psychiatrische Behandlung unter Gabe von Medikamenten nicht zumutbar ist bzw. warum der Kläger ausschließlich im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden kann.

Der Kläger hat im Übrigen schon bereits geraume Zeit vor der Ausreise mit den psychischen Problemen im Irak gelebt und im Jahr 2013 eine Psychotherapie begonnen, die er eigenmächtig abgebrochen hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger hieran in seiner Heimat nicht anknüpfen kann bzw. warum eine psychologische oder psychiatrische Behandlung für den Kläger im Irak nicht erreichbar sein sollte.

Unter vorstehenden Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die sich im Fall einer Abschiebung wegen er spezifischen Verhältnisse im Zielstaat wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

d) Insgesamt ist daher festzustellen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusteht.

e) Wie bereits oben erwähnt, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris; VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris).

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

6. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen - nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten - Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27/16 - juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 - OVG 11 N 163.16 - juris) sowie ungeachtet der Frage, ob - in Anbetracht der Klageanträge - eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach Aktenlage am 23.03.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am …2015 einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde gem. § 13 Abs. 2 AsylG auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG beschränkt.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) am …2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er stamme aus Bagdad, Stadtteil Al Karrada. Dort habe er die Schule bis zur achten Klasse besucht. Nebenbei sei er Profilfußballer gewesen. Er habe für die irakische Nationalmannschaft in der U-12 gespielt.

Ca. drei Monate vor seiner Ausreise sei er mit Freunden in einer Shischa-Bar gewesen. Als er die Bar kurz verlassen habe, sei ca. 400 m von ihm entfernt eine Autobombe oder ein Motorrad explodiert. Dadurch seien viele Menschen und zwei seiner Freunde in der Shischa-Bar ums Leben gekommen. Seitdem habe sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert. Er sei verrückt geworden. Er habe seinen Eltern erzählt, was er gesehen habe. Seine Mutter habe sich große Sorgen um ihn gemacht und gesagt, er solle zu einem Onkel nach Kerbala gehen, um sich zu beruhigen. Er sei dann ca. einen Monat bei dem Onkel geblieben. Während dieser Zeit habe er heilige Orte des Islam besucht, gebetet und den Koran gelesen. Nach einem Monat sei er nach Hause zurückgekehrt, aber sein Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Daraufhin habe seine Mutter beschlossen, dass er den Irak verlassen und in die Türkei zu seiner Tante gehen solle. In der Türkei habe er sich bei der UN als Flüchtling registriert und unter schlechten Verhältnissen gelebt. Er habe arbeiten müssen, um sein Leben zu finanzieren. Daraufhin habe er beschlossen, nach Europa zu reisen, um seinen Traum als Fußballer zu verwirklichen und ein Leben wie ein normales Kind zu leben.

Bei einer Rückkehr in den Irak habe er Angst, dass er irgendwann getötet werde.

Mit Bescheid vom 12.04.2017, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 19.07.2017, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Nr. 2). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Nr. 3). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5).

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Soweit er vorgetragen habe, er sei ca. drei Monate vor seiner Ausreise Zeuge einer Explosion gewesen, bei der viele Menschen und auch zwei seiner Freunde ums Leben gekommen seien, sei daraus keine individuelle Verfolgung im asylrechtlichen Sinne ersichtlich. Die Ereignisse seien vielmehr auf die allgemeine Sicherheitslage im Irak zurückzuführen.

Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutzstatus zuzuerkennen. Unter Verweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz seien keine Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG drohe. Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zu gewähren. Zwar bestehe gegenwärtig in Teilen des Iraks ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Jedoch bedürfe es im Falle des Klägers, der aus Bagdad stamme, individuell gefahrerhöhender Merkmale, welche für ihn zu einer Zuspitzung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahren führen müssten. Individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers seien aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere würden die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat in eine existenzielle Notlage gerate, seien nicht dargelegt. Es spreche nichts dagegen, dass der Kläger wieder in sein Elternhaus in Bagdad zurückkehre. Auch bislang sei es dem Kläger gelungen, seinen Lebensunterhalt mit Unterstützung seiner Familie sicherzustellen.

Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Soweit der Kläger angegeben habe, im Alter von 13 Jahren drei bis vier Mal in ärztlicher Behandlung wegen psychischer Probleme gewesen zu sein, sei daraus eine aktuelle, individuelle und konkrete Gefährdung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erkennbar.

Sein Vorbringen mache zudem deutlich, dass im Irak eine ärztliche Behandlung wegen psychischer Probleme möglich sei.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamts vom 12.04.2017, Az. …, wird aufgehoben.

  • 2.Der Kläger wird als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, hilfsweise wird ihm der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt bzw. werden Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG festgestellt.

Zur Begründung der Klage bezog sich der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.05.2017 zunächst auf die Anhörung des Klägers beim Bundesamt. Im Übrigen wurde ausgeführt, der Kläger leide an einer schweren posttraumatischen, dringend behandlungsbedürftigten, Störung, die ihre Ursache vor allem in den Kriegs- und Bürgerkriegserlebnissen des Klägers in seiner Heimat habe. Diesbezüglich werde auf die Bescheinigung der Psychotherapeutin …, bei der sich der Kläger nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung befinde, verwiesen. Diese Stellungnahme werde im Bescheid der Beklagten nicht einmal erwähnt, obwohl die Ursachen für die posttraumatische Belastungsstörung auf Seite 3 und 4 der Stellungnahme nachdrücklich und eindrucksvoll dargelegt werde. Die Therapeutin komme zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger dringend einer langzeitlichen Psycho- bzw. Traumatherapie bedürfe. Weiterhin sei ein sicherer Aufenthaltsstatus nötig, insbesondere führe eine Abschiebung zu einer Zuspitzung der Symptomatik bis hin zur akuten Suizidgefährdung. Aufgrund der Kriegssituation im Heimatland seien für die notwendige Psychotherapie weder Finanzmittel noch medizinische Kapazitäten frei. Dem Kläger einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland zu verweigern oder ihn gar in den Irak abzuschieben, sei geradezu ein zynisches Spiel mit dem Tod.

Mit Schriftsatz vom 11.05.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss der Kammer vom 19.06.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 lehnte das Gericht Beweisanträge des Klägers (Einvernahme der Therapeutin als sachverständige Zeugin bzw. Einholung eines psychotherapeutischen Gutachtens wegen der „schweren psychischen Störung“ des Klägers) mangels hinreichender Substantiierung der Beweisanträge ab.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

a) Für das Gericht ist keine konkrete, individuelle Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger im Sinne des § 3a AsylG ersichtlich.

Der Kläger hat sowohl bei der Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 angegeben, er habe Bagdad insbesondere wegen der dort angespannten allgemeinen Sicherheitslage verlassen. Im Jahr 2013 sei eine Mine vor seiner Schule explodiert. Ca. drei Wochen vor seiner Ausreise sei eine an einem Motorrad befestigte Bombe in der Nähe einer Shischa-Bar explodiert, welche er unmittelbar vor der Explosion verlassen habe. Dabei seien zwei seiner Freunde ums Leben gekommen. Da er unter der Situation in Bagdad stark psychisch gelitten habe, sei er nach Europa gekommen. In Europa wolle er seinen Traum als Fußballer verwirklichen und leben wie ein normales Kind, da er im Irak keine Kindheit hatte.

Die Beweggründe für die Flucht nach Deutschland sind zwar menschlich nachvollziehbar, stellen aber schon im Ansatz keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG dar. Der Kläger wurde in Bagdad niemals individuell im Sinne des § 3a AsylG verfolgt. Allein die allgemeine angespannte Sicherheitslage und die Angst, einmal selbst Opfer einer Explosion, einer Entführung oder eines Anschlages zu werden, stellt keine individuelle Verfolgung des Klägers im Sinne des Flüchtlingsrechts dar. Auch die - in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen - Drohungen der Milizen gegenüber dem Vater des Klägers führen nicht dazu, dass der Kläger als individuell verfolgt im Sinne des § 3a AsylG anzusehen wäre. Zum einen bleibt der Sachvortrag hinsichtlich der Bedrohungen äußerst vage. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung keine Details und nicht einmal einen zeitlichen Rahmen der Drohungen nennen. Zum anderen gab der Kläger selbst an, sein Vater habe sich hauptsächlich in der Türkei aufgehalten und die Drohungen hätten diesen in der Türkei erreicht. Beim Kläger in Bagdad seien hingegen keine Drohungen eingegangen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger nicht ersichtlich ist.

b) Weiterhin fehlt es hinsichtlich des klägerischen Sachvortrages an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG.

c) Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch nicht von einer Gruppenverfolgung von Schiiten im Irak auszugehen ist. Hierzu fehlt bereits jeglicher Vortrag des Klägers. Im Übrigen geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass keine Gruppenverfolgung der Schiiten im Irak gegeben ist (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.3.2017 - B 3 K 16.31634 - juris; VG Augsburg, U.v. 1.2.2016 - Au 5 K 15.30408 - juris m.w.N.).

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes muss ein ernsthafter Schaden im Herkunftsland konkret drohen. Bloße vage Befürchtungen, künftig selbst Opfer eines Anschlages oder Übergriffes zu werden bzw. die Bezugnahme auf das Schicksal anderer Personen, reicht auch im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht aus.

b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 - C-465.7 - juris).

Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in Bagdad ein innerstaatlicher bewaffneter zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Bagdad Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (VG Augsburg, U.v. 24.4.2017 - Au 5 K 17.30922 - juris; VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 - AN 2 K 16.30398 - juris; VG Ansbach, U.v. 13.4.2017 - AN 2 K 16.30810 - juris). Weitere individuell gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgetragen noch sind diese für das Gericht ersichtlich. Insbesondere reicht hierfür nicht aus, dass der Kläger aus dem Stadtteil Al Karrada stammt, in dem es nach Auffassung des Klägervertreters - unter Bezugnahme auf einen „Spiegelartikel“ - besonders gefährlich sei. Das Gericht vermag - unter Heranziehung der Auskunftslage - nicht zu erkennen, dass in Al Karrada besonders gefährliche Wohnumstände herrschen, die dazu führen würden, dass dem Kläger allein wegen seiner dortigen Anwesenheit der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen wäre.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage im Irak zu schaffen. Der Kläger hat zwar angegeben, im Irak noch nicht gearbeitet zu haben sowie dass ihm körperliche Arbeit schwerfalle. Gleichwohl konnte der Kläger im Irak - zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester - existenzsichernd bei seiner Tante leben. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak nicht an diese Bedingungen anknüpfen könnte. Die Familie des Klägers lebt weiterhin unbescholten in Bagdader Stadtteil Al Karrada. Es ist nicht ersichtlich, dass das Existenzminimum des Klägers im Irak nicht im Rahmen der wechselseitigen Unterstützung innerhalb des Familienverbandes gesichert werden kann.

4. Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung - das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind allerdings Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sieht vor, dass die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen kann, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1 AufenthG.

Die vorgetragene posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bzw. die „schwere psychische Störung“ beim Kläger, stellen jedoch keine allgemeine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG dar, so dass die Sperrwirkung dieser Vorschrift nicht greift (BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.8.2011 - 10 B 13.11 - juris).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt nunmehr auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 08.11.2016 - 6a L 2452/16.A - juris).

Dies zugrunde gelegt besteht für den Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr in den Irak droht.

a) Die - undatierte - „Bescheinigung“ der Kinder- und Jugendpsychologin … …, genügt schon nicht den Anforderungen der Rechtsprechung im Hinblick auf die Substantiierung des Vorbringens einer PTBS.

Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17/07 - juris).

(aa) Vorliegend wurde schon kein fachärztliches Attest, sondern lediglich eine „Bescheinigung“ einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin - die noch dazu undatiert, aber aufgrund des Begleitschreibens (Bl. 86 d. A.) mindestens 13 Monate alt sein muss - vorgelegt. Das BVerwG im geht im Urteil vom 11.07.2007 davon aus, dass „regelmäßig“ ein fachärztliches Attest vorzulegen ist. Aus dem Wort „regelmäßig“ wurde bzw. wird z.T. zwar geschlossen, dass in Ausnahmefällen auch Psychologische Psychotherapeuten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sein sollen, posttraumatische Belastungssituationen zu diagnostizieren (vgl. OVG Münster, B.v. 12.12.2008 - 8 A 3053/08.A - juris). Im Beschluss vom 26.7.2012 (10 B 21/12) verlangt das BVerwG hingegen ein aktuelles fachärztliches Attest.

Jedenfalls durch die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG, wonach Abschiebungshindernisse durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen sind, hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen, eine Bescheinigung eines approbierten Arztes erforderlich ist (vgl. dazu die ausdrückliche Klarstellung in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/7538 S. 19). Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört (BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris). Ungeachtet der Rechtslage vor der Änderung durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren bleiben damit Atteste von Psychotherapeuten und Psychologen grundsätzlich außer Betracht (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 - 2 O 31/16 - juris). Allenfalls im Wege einer Gesamtschau können derartige Atteste ergänzend zu anderen Erkenntnissen, die nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erfüllen, zu anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d AufenthG beitragen. Demgegenüber kann die alleinige und ausschließliche Vorlage einer psychologischen bzw. psychotherapeutischen Stellungnahme keine anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung i.S.d. § 60a Abs. 2d AufenthG begründen, da dies eine Umgehung der gesetzlichen Wertungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG bedeuten würde (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 a.a.O.).

Die Regelungen in § 60a Abs. 2c AufenthG beschränken sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfassen auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 - M 21 K 15.31612 - juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 - W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 - M 21 K 16.36151 - juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 - 6a K 2802/15.A. - juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte. In der Gesetzesbegründung wird hierzu Folgendes ausgeführt:

„Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen.

Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“

Auch nach Sinn und Zweck umfasst die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG auch die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Durch die zusammen mit der Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgenommenen Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 60 Abs. 7 AufenthG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Entsprechend der Gesetzesbegründung erfüllt eine PTBS regelmäßig nicht die Anforderungen an ein Abschiebungsverbot (BT-Drs. 18/7538 S. 18).

Weiterhin erfolgt die Behandlung akuter lebensbedrohlicher bzw. ähnlich schwerwiegender Zustände aufgrund einer PTBS regelmäßig im Rahmen einer medikamentösen Behandlung. Antidepressiva nehmen in der Behandlung depressiver Symptome bei PTBS einen hohen Stellenwert ein. Insofern handelt es sich um klassische ärztliche Aufgaben. Auf die darüber hinaus für die vollständige Diagnose und Behandlung einer PTBS bedeutsamen psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlungsansätze kommt es im Hinblick auf den durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG vorgegebenen Maßstab nicht an (VG München, U.v. 10.1.2017 - M 21 K 15.31612 - juris).

Anhaltspunkte für eine aktuell lebensbedrohliche oder schwerwiegende psychische Störung, die in einer Gesamtschau nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG auch ohne ausreichende ärztliche Bescheinigung Anlass zu weiteren Ermittlungen bieten, bestehen nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht. Dem Gericht liegen auch - neben der undatierten, älteren Bescheinigung der Psychotherapeutin - keine weiteren ärztlichen oder therapeutischen Befunde vor.

(bb) Selbst wenn man - trotz § 60a Abs. 2c AufenthG - (weiterhin) ein Attest eines Psychotherapeuten zur Substantiierung eines Beweisantrages bzgl. PTMS für geeignet erachtet (so beispielsweise BayVGH, B.v. 11.08.2016 - 20 ZB 16.30110 - juris, der in keiner Weise auf § 60a Abs. 2c AufenthG eingeht und lediglich auf die Rechtsprechung vor der Gesetzesänderung verweist), entspricht jedenfalls der undatierte „Befundbericht“ auch inhaltlich nicht den geforderten Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags zum Nachweis einer PTBS durch eine qualifizierte „ärztliche“ Bescheinigung.

Der Bescheinigung ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger seit 05.04.2016 einmal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung ist. Sie enthält aber keine Angaben, ob die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden und ob die seit April 2016 durchgeführte Therapie erfolgreich verläuft und in welchem zeitlichen Abstand die Gespräche gegenwärtig stattfinden. Bei einer über 13 Monate alten Bescheinigung, ist mehr als fraglich, ob noch von einem aktuellen Attest i.S.d. Rechtsprechung gesprochen werden kann, zumal auch der Kläger von eingetretenen Besserungen und großzügigerer Behandlungsdichte berichtet.

Die Diagnostik der Therapeutin wirft ebenfalls Fragen auf. Auf der Seite 1 der Bescheinigung wird lediglich ausgeführt, der Kläger berichte „von Symptomen, die auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung schließen lassen“. Lediglich eine Anpassungsstörung (F 43.21) gilt nach dem Bericht als gesichert. Unter dem Punkt „Diagnosen“ (Seite 4) werden dann noch dissoziative Krampfanfälle (F 44.5) bescheinigt. Bezüglich der Diagnose PTBS verweist die Bescheinigung auf einen Arztbrief der Klinik- und Jugendpsychiatrie …vom November 2015, der dem Gericht nicht vorliegt und auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt werden konnte. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, das Fehlen der Nachweise könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, da er seinerzeit unter Vormundschaft stand und der Vormund nichts vorgelegt habe, geht ins Leere. Zum einen muss sich der Kläger das Verhalten seines Vormundes zurechnen lassen, zum anderen endete die Vormundschaft des Klägers mit dessen Volljährigkeit am 13.04.2016, so dass dieser selbst bzw. sein Bevollmächtigter für die Vorlage aktueller (ärztlicher) Bescheinigungen verantwortlich ist.

Soweit die Therapeutin ausführt, der Kläger könne sich einer jugendpsychiatrischen Behandlung nicht öffnen, fehlt es ebenfalls an einer weitergehenden Darlegung, insbesondere warum eine begleitende psychiatrischen Behandlung nicht erfolgt bzw. erfolgte.

Ferner geht die Bescheinigung nicht hinreichend darauf ein, wann die Probleme des Klägers erstmals in Erscheinung getreten sind und wie die Behandlung im Irak ausgesehen hat. Bei der Anamnese wird lediglich festgestellt, dass sich „der Kläger bereits als Jugendlicher im Irak psychisch belastet gefühlt habe“.

Im Ergebnis ist die PTBS nicht hinreichend substantiiert vorgebracht worden um den Beweisanträgen nachkommen zu müssen.

b) Gleiches gilt für die von der Therapeutin bescheinigte Anpassungsstörung, die dissoziativen Krampfanfälle und die von Klägerbevollmächtigten unter Beweis gestellte „schwere psychische Störung“. Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf PTBS und nicht auf andere (psychische) Erkrankungen anwendet, so sind jedenfalls die anderen Krankheitsbilder auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Krampfanfälle werden nur beiläufig erwähnt. Im Übrigen mangelt es auch hier der Stellungnahme an Aktualität. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass es ihm besser gehe und die Träume nachlassen würden. Im Ergebnis wird daher der Vortrag weiterer (psychischer) Erkrankungen (lt. Beweisantrag „schwere psychische Störung“) den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer psychischen Erkrankung ebenfalls nicht gerecht (vgl. hierzu wiederum § 60a Abs. 2c AufenthG sowie VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 - 6a K 2802/15.A - juris und VG München, U.v. 10.01.2017 - M 21 K 15.31612 - juris).

c) Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die psychischen Erkrankungen des Klägers im Irak hinreichend behandelbar sind. Dabei wird nicht verkannt, dass die medizinische Versorgungslage im Irak nach wie vor angespannt ist. Grundsätzlich kann sich zwar jeder Iraker überall im Land in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei behandeln lassen, wobei Unterschiede zwischen dem Zentralirak und dem kurdisch verwalteten Norden nicht bestehen. De facto existiert aber nach den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen eine Zwei-Klassen-Medizin. Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und leiden vor allem an einem Mangel an Medikamenten und technischem Gerät. Auch haben qualifizierte Ärzte aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Medikamente sind meist nur theoretisch kostenfrei und müssen überwiegend privat in Apotheken gekauft werden (vgl. hierzu ausführlich VG Aachen, U. v. 20.01.2017 - 4 K 2040/15.A - juris m. w. N.).

Psychische Krankheiten werden zwar häufig nur medikamentös behandelt, jedoch sind psychische Erkrankungen, insbesondere depressive Störungen auch im Irak grundsätzlich behandelbar. Die Kosten hierfür hängen von Art und Dauer der Behandlung ab und können daher - auch infolge fehlender ärztlicher Gebührenordnung - nicht allgemein und pauschal abgeschätzt werden. Auch sonst gibt es im Irak eine erhebliche Anzahl von Nervenärzten, die an psychischen Erkrankungen leidenden Patienten behandeln können. Psychopharmaka sind vorhanden und in der Regel preisgünstig. Die ärztliche Behandlung kann in staatlichen Krankenhäusern kostenlos erfolgen sowie in privaten Praxen für ca. 10,00 Euro (vgl. VG Aachen, U. v. 20.01.2017 - 4 K 2014/15.A - juris, mit weiteren Hinweisen und Nachweisen zur Auskunftslage).

Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine Behandlung des Klägers auch in Bagdad möglich ist. Zwar mag der Einwand des Klägers zutreffen, dass viele gute Ärzte und Therapeuten Bagdad verlassen haben und es daher schwierig ist, eine gute psychotherapeutische Behandlung im Irak zu bekommen. Dem Gericht erschließt sich jedoch nicht, warum der Kläger jegliche psychiatrische, insbesondere medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung - neben einer Psychotherapie - ablehnt bzw. „sich dafür nicht öffnen kann“. Insoweit fehlt auch jeglicher ärztlicher bzw. therapeutischer Vortrag. Nach Auffassung des Gerichts muss sich auch der Kläger auf die medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankungen, die im Irak möglich ist, verweisen lassen. Dies gilt zumindest solange nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, warum dem Kläger eine psychiatrische Behandlung unter Gabe von Medikamenten nicht zumutbar ist bzw. warum der Kläger ausschließlich im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden kann.

Der Kläger hat im Übrigen schon bereits geraume Zeit vor der Ausreise mit den psychischen Problemen im Irak gelebt und im Jahr 2013 eine Psychotherapie begonnen, die er eigenmächtig abgebrochen hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger hieran in seiner Heimat nicht anknüpfen kann bzw. warum eine psychologische oder psychiatrische Behandlung für den Kläger im Irak nicht erreichbar sein sollte.

Unter vorstehenden Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die sich im Fall einer Abschiebung wegen er spezifischen Verhältnisse im Zielstaat wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

d) Insgesamt ist daher festzustellen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusteht.

e) Wie bereits oben erwähnt, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris; VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris).

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

6. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen - nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten - Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27/16 - juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 - OVG 11 N 163.16 - juris) sowie ungeachtet der Frage, ob - in Anbetracht der Klageanträge - eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.