Tenor

Auf den Antrag des Antragstellers werden der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Januar 2005 - 17 K 4855/04 - und der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. März 2005 - 13 S 241/05 -geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004 und die damit verbundene Abschiebungsandrohung wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

Der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Vollziehung der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004 wird abgelehnt.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Antragstellers hat lediglich insoweit Erfolg, als er im Wege der Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.1.2005 und des hierzu ergangenen bestätigenden Beschlusses des Senats vom 8.3.2005 die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004 und die damit verbundene Abschiebungsandrohung begehrt (1.); der zusätzliche Antrag auf Aufhebung der Vollziehung dieser Verfügungen war dagegen abzulehnen (2.).
1. Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004 und die damit verbundene Abschiebungsandrohung erhobenen Klage ist nach § 80 Abs. 7 Satz 1 und 2 VwGO statthaft. Nach diesen Bestimmungen kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung jederzeit ändern oder aufheben, und bei veränderten oder unverschuldet nicht geltend gemachten Umständen kann jeder Beteiligte die Abänderung beantragen. Da beim Senat das Berufungsverfahren hinsichtlich der Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004 anhängig ist (Az. 13 S 342/07), ist er als Gericht der Hauptsache berufen, über den Antrag zu entscheiden.
Auch die erforderliche Antragsbefugnis für das Abänderungsbegehren des Antragstellers ist gegeben. Sie ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Umstände, von denen das Gericht im vorangegangenen Aussetzungsverfahren ausgegangen ist, nachträglich geändert haben. Dazu gehören Änderungen der Sach- oder Rechtslage, aber auch der Prozesslage, sowie das Bekanntwerden neuer Gesichtspunkte und Beweismittel, die objektiv geeignet sind, die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens anders zu beurteilen oder die zumindest eine neue Interessenabwägung erfordern (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7.10.2004 - 11 ME 289/04 -, NVwZ 2005, 236; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4.2.1999 - 11 B 74/99 -, NVwZ 1999, 894 und Funke-Kaiser in Bader, VwGO 3. Aufl., § 80 Rn 135). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall bezüglich durchaus abwägungsrelevanter Umstände gegeben, wie sich aus folgenden Überlegungen ergibt:
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 2.6.2005 - Dörr und Ünal -, InfAuslR 2005, 289 f.) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110 f. und vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114) sind die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die - wie der Antragsteller - ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben. Nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG trifft, „sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben“, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen „außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes“, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann, wobei „diese Stelle eine andere sein muss als diejenige, welche für die aufenthaltsbeendende Maßnahme zuständig ist“. Hinsichtlich des in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG angesprochenen Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung ist nicht zu bestreiten, dass die Ausweisungsentscheidung nach deutschem Prozessrecht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht aber auch auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft wird. Die vom EUGH geforderte erschöpfende Prüfung aller der Ausweisungsverfügung zugrunde liegenden Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeit ist danach gemäß § 68 Abs. 1 VwGO nur im Widerspruchsverfahren, nicht aber im Verwaltungsprozess möglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.9.2005, a.a.O.). Da gegen Ausweisungsverfügungen der Regierungspräsidien gemäß § 6a AGVwGO kein Widerspruch gegeben ist, sondern unmittelbar die Anfechtungsklage statthaft ist, verstößt eine Ausweisung ohne vorherige Einschaltung einer „zweiten zuständigen Stelle“ gegen Art. 9 RL 64/221/EWG, wenn kein „dringender Fall“ gegeben ist. Der Senat hat früher die Auffassung vertreten, dass ein derartiger dringender Fall regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn - wie vorliegend - die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet wurde (vgl. Beschlüsse vom 22.3.2004 - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 f. und vom 26.8.2005 - 13 S 1482/05 -). Diese Rechtsauffassung, von der der Senat auch in seiner im Aussetzungsverfahren ergangenen Beschwerdeentscheidung vom 8.3.2005 ausgegangen ist, hat der Senat aufgegeben, nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13.9.2005, a.a.O., entschieden hat, dass hinsichtlich der Dringlichkeit einer Ausweisung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG kein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung bestehe, sondern dass dieses Tatbestandsmerkmal vielmehr der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliege (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 19.1.2006 - 13 S 1207/05 - und vom 21.2.2006 - 13 S 1953/05 -). Die in der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts hierzu entwickelte Maßstäbe sind streng (siehe BVerwG, Urteil vom 13.9.2005 a.a.O.) und rechtfertigen damit eine erneute Abwägung im Weg der Entscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO.
Diese Veränderung der für die Prüfung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren und damit auch für die Interessenabwägung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes maßgeblichen Umstände (vgl. insoweit den Beschluss des Senats vom 6.2.2007 - 13 S 1385/06 - im Zulassungsverfahren) konnte der Kläger naturgemäß nicht bereits in dem bereits Anfang März 2005 beendeten Aussetzungsverfahren geltend machen, da die oben geschilderte Änderung der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgebenden Entscheidungskriterien erst durch das Urteil des EUGH vom 2.6.2005, a.a.O., eingeleitet worden ist.
Der Antragsteller hat für seinen auf § 80 Abs. 7 VwGO gestützten Abänderungsantrag auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dieses entfällt insbesondere nicht deswegen, weil er nach Ergehen des das frühere Aussetzungsverfahren abschließenden Beschlusses des Senats vom 8.3.2005 in sein Heimatland abgeschoben worden ist. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist Eilrechtsschutz im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, solange über die gegenüber einem Ausländer verfügte (sofort vollziehbare) Ausweisung und Abschiebungsandrohung nicht unanfechtbar entschieden ist. Dementsprechend hat es das Rechtsschutzbedürfnis für ein auf § 80 Abs. 7 VwGO gestütztes Abänderungsbegehren auch dann noch angenommen, wenn der Ausländer nach einem insgesamt erfolglos verlaufenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgeschoben worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.3.1994 - 1 B 134/93 -, InfAuslR 1994, 395 und Beschluss vom 13.9.2005 - 1 VR 5.05 [1 C 7.04] -, InfAuslR 2005, 462). Dieser Rechtsansicht, die offenbar auch vom Bundesverfassungsgericht vertreten wird (vgl. dessen Beschluss vom 19.12.1991 - 2 BvR 1160/90 -, InfAuslR 1993, 8) hat sich auch der Senat angeschlossen - jedenfalls für diejenigen Fälle, in denen die Rechtswidrigkeit der einer Abschiebung zugrunde liegenden Ausweisungsverfügung im Verfahren nach § 80 Abs.5 bzw. Abs. 7 VwGO offensichtlich wird (vgl. Seite 4 oben des amtlichen Umdrucks des Beschlusses vom 12.5.2005 - 13 S 195/05 - InfAuslR 2005, 313). In diesen Fällen bringt eine positive Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 bzw. Abs. 7 VwGO dem Betroffenen nämlich auch nach der Abschiebung noch einen rechtlichen Vorteil hinsichtlich des von ihm angestrebten (erneuten) Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. insoweit auch Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn 336). Der rechtliche Vorteil einer positiven Aussetzungsentscheidung ergibt sich für den Senat daraus, dass diese in bestimmten Fällen der sog. Sperrwirkung der Ausweisung bzw. Abschiebung entgegengehalten werden kann. Im Einzelnen:
Ein ausgewiesener Ausländer darf gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten, und ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Nach einer zwar dogmatisch überzeugenden, aber vereinzelt gebliebenen Auffassung (siehe Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 9.2.1993 - 4 M 146/92 -, InfAuslR 1993, 128; ebenso für das frühere Recht wohl BVerwG, Beschluss vom 9.9.1992 - 1 B 71/92 -, InfAuslR 1993,312) tritt diese sog. Sperrwirkung einer Ausweisung nur dann ein, wenn diese Verfügung sofort vollziehbar oder bereits bestandskräftig ist; die Abschiebung in den Herkunftsstaat stellt sich danach als ein „Vollzug“ der Ausweisung dar, der beim Bestehen aufschiebender Wirkung eines Rechtsbehelfs grundsätzlich zu unterbleiben hat. Die Wirksamkeitsregelung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bzw. der entsprechenden Vorgängervorschrift des AuslG (§ 72 Abs. 2 Satz 1) steht dem nicht entgegen, weil auch sie als Ausdruck der seit langem herrschenden sog. Vollziehbarkeitstheorie bestimmt, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs „unbeschadet“ bleiben soll. Nach dieser Auffassung folgt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 oder Abs. 7 VwGO unmittelbar daraus, dass bei Herstellung des Suspensiveffekts gegen eine zuvor für sofort vollziehbar erklärte Ausweisung eine rechtliche Voraussetzung der Sperrwirkung entfällt. Ein vergleichbares Rechtsschutzbedürfnis ist aber auch auf der Grundlage der herrschenden, bislang auch vom Senat geteilten Ansicht gegeben, wonach die Sperrwirkung wegen der „Wirksamkeit“ der Verfügung trotz aufschiebender Wirkung eines Rechtsbehelfs auch dann eintritt, wenn die Ausweisung nicht sofort vollziehbar ist. Zwar führt diese Auffassung zu dem Ergebnis, dass die Beseitigung dieser Sperrwirkung in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig nicht erreichbar ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.7.2006 - 18 B 1324/06 -, juris m.N.; Thüringisches OVG, Beschluss vom 15.12.1998 - 3 ZEO 538/98 -, DÖV 1999, 614; OVG Berlin, Beschluss vom 13.5.2002 - 8 S 16.02 -, AuAS 2002, 138; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.3.2001 - 11 S 2111/00 -, VBlBW 2001, 327; Sächsisches OVG, Beschluss vom 11.4.2002 - 3 BS 162/01 -, SächsVBl 2002, 249; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 84 Rn 21 und Hailbronner, AuslR, § 84 AufenthG Rn 26 und 27); von dieser aus der bloßen Wirksamkeit der Ausweisung abgeleiteten Rechtsfolge wurden von der Rechtsprechung jedoch schon immer Ausnahmen zugelassen (anders wohl OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.4.2005 - 18 B 443/05 -, juris und a.a.O.). So entspricht es st. Rspr. des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und anderer Oberverwaltungsgerichte sowie der Kommentarliteratur, dass im Falle der Ablehnung eines Aufenthaltsgenehmigungsantrags wegen eingetretener Sperrwirkung einer gleichzeitigen Ausweisung deren Rechtmäßigkeit im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO inzident und summarisch mit zu überprüfen ist; andernfalls werde effektiver Rechtsschutz im Sinn des Art. 19 Abs. 4 GG verweigert (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.12.1991 - 13 S 1800/90 -, EzAR 622 Nr. 13; Hess VGH, Beschluss vom 8.6.2004 - 12 TG 1525/04 -, AuAS 2004, 289; Funke-Kaiser, a.a.O., § 81 AufenthG Rn 69 und Hailbronner, a.a.O., § 84 AufenthG Rn 34). Die bloße Wirksamkeit der Ausweisung reicht damit im Fall ihrer zu Tage tretenden Rechtswidrigkeit zur Begründung der Sperrwirkung im Ergebnis allein noch nicht aus. Gleiches gilt nach der Rechtsprechung z.B. auch im Fall einer nachträglichen zeitlichen Beschränkung des Aufenthaltstitels ohne Anordnung des Sofortvollzugs bei vorher rechtmäßigem Aufenthalt des Ausländers in Deutschland (vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 8.6.2004, a.a.O) und dann, wenn die Ausweisung zwar sofort vollziehbar war, das Gericht aber wegen rechtlicher Bedenken die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs angeordnet hat (siehe Sächsisches OVG, Beschluss vom 2.6.1995 - 3 S 390/94 -, InfAuslR 1997, 69 und Beschluss vom 11.4.2002 - 3 Bs 162/01 -, SächsVBl 2002, 249). Dieser rechtliche Zusammenhang von Sperrwirkung einerseits und inhaltlicher Rechtmäßigkeit der Ausweisung andererseits folgt mittelbar auch aus der - hier aus Sachverhaltsgründen allerdings nicht anwendbaren (siehe unten 2) - Regelung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, wonach bei bereits vorzeitig vollzogenem, rechtlich jedoch zweifelhaften Verwaltungsakt neben der Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Rückgängigmachung der Vollziehung verlangt werden kann. Im Fall einer Abschiebung bedeutet dies nichts anderes als dass die Wiedereinreise erlaubt sein muss, eine entsprechende Sperrwirkung der Ausweisung und Abschiebung dieser also nicht entgegengehalten werden darf (zu den sonstigen durch § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO eröffneten Möglichkeiten siehe auch unten 2). Es entspricht im Übrigen auch sonst der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der die Abschiebung gestattenden Verfügung dem Eintritt der Sperrwirkung entgegenstehen können (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.7.2002 - 1 C 8.02 -, InfAuslR 2003, 50).
Auch für Verfahren nach § 80 Abs. 5 bzw. Abs. 7 VwGO geht der Senat davon aus, dass bei dort erfolgender gerichtlicher Feststellung ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung deren bloße „Wirksamkeit“ nicht ausreicht, um bis zur Klärung des Rechtsschutzes in der Hauptsache einem Einreise- und Aufenthaltsbegehren des Ausländers entgegenzustehen. Der oder die Betroffene könnte das Hauptsacheverfahren zwar grundsätzlich vom Ausland aus weiter betreiben; in Anbetracht der möglichen Länge eines solchen Verfahrens wäre aber für die Betroffenen ein Erfolg im Hauptsacheverfahren in aller Regel praktisch wertlos, da bereits vollendete Tatsachen geschaffen worden sind. Der nach Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz durch Schaffung eines entsprechenden vorläufigen Eilverfahrens hat aber gerade die Funktion, solche Folgen zu verhindern. Der Ausländer muss damit die Möglichkeit haben, die in einem positiven Eilrechtsbeschluss dokumentierten rechtlichen Zweifel an der Ausweisungsverfügung der Sperrwirkung erfolgreich entgegenzuhalten. Ein ähnlich effektiver anderweitiger prozessualer Weg steht nicht zur Verfügung. Insbesondere stellt das Erwirken einer einstweiligen Anordnung, mit der die Behörde verpflichtet wird, dem Ausländer eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen, keine sinnvolle Alternative dar. Einer bloßen Betretenserlaubnis steht die Sperrwirkung zwar nicht entgegen, sie unterscheidet sich aber qualitativ deutlich von der Möglichkeit zur Fortsetzung bzw. Wiedererlangung des bisherigen Aufenthalts, die über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisung vermittelt wird. Wie sich schon aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung ergibt, gestattet die Betretenserlaubnis nur, das Bundesgebiet „kurzfristig“ zu betreten, sie ist insbesondere kein Mittel, dem Ausländer den Aufenthalt für die gesamte Dauer der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zu ermöglichen. Im übrigen erlaubt eine Betretenserlaubnis dem Ausländer nicht die Fortführung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit, die ihm durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisung hingegen eröffnet wird (§ 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Auch eine Befristung der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG wird als prozessualer Ausweg der Interessensituation hier nicht gerecht; sie ist tatbestandsmäßig abweichend konstruiert, setzt das Bestehen der Sperrwirkung geradezu voraus und ist erst recht kein taugliches Instrument für die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes.
Insgesamt ergibt sich damit für den Senat aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass ein Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 bzw. Abs. 7 VwGO auch nach erfolgter Ausreise bzw. Abschiebung zulässig bleibt, wenn es zur Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, zur Rückgängigmachung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO oder (wenigstens) inhaltlich zu dem Befund führen kann, dass die der Abschiebung zugrunde liegende Verfügung offensichtlich rechtswidrig war; eine positive, den Suspensiveffekt herstellende Entscheidung verbietet es mit anderen Worten, dem Wiedereinreisewunsch des Ausländers die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entgegenzuhalten (vgl. Beschluss des Senats vom 12.5.2005, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 20.6.2005 - 1 B 128/05 -, ZAR 2006, 110; VG Stuttgart, Beschluss vom 13.3.2004 - 11 K 222/04 -, InfAuslR 2004, 202 und Funke-Kaiser, a.a.O. § 81 AufenthG Rn 73 und 74).
10 
Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Es spricht alles dafür, dass die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004 unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verfügt worden und deshalb wohl wegen eines Verfahrensfehlers unheilbar rechtswidrig ist (vgl. den Beschluss des Senats vom 6.2.2007 - 13 S 1385/06 - und das Urteil des Senats vom 18.10.2006 - 13 S 192/06 -, InfAuslR 2007, 49).
11 
Der Abänderungsantrag des Antragstellers ist auch begründet. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die dem Antragsteller gegenüber verfügte Ausweisung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer rechtlichen Prüfung in der Hauptsache durch den Senat nicht standhalten, da sie voraussichtlich wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig ist und aufzuheben sein wird (vgl. die Ausführungen weiter oben). Hiernach überwiegt jedoch das private Interesse des Antragstellers an einer sofortigen Rückkehr in das Bundesgebiet bis zur Entscheidung der Hauptsache das öffentliche Interesse an seinem weiteren Fernhalten von der Bundesrepublik Deutschland, zumal er nach seinem unwidersprochenen Vortrag aufgrund seiner gesellschaftlichen Isolierung in Istanbul offenbar suizidale Tendenzen entwickelt hat und manches dafür spricht, dass er zur psychischen Stabilisierung der Nähe seiner Familie bedarf. Bei dieser Sachlage hält es der Senat für angezeigt, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.1.2005 und des Beschlusses des Senats vom 8.3.2005 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004 wieder herzustellen. Vorläufiger Rechtsschutz ist dem Antragsteller hiernach auch hinsichtlich der mit der Ausweisung verbundenen Abschiebungsandrohung zu gewähren. Denn aufgrund der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Ausweisung gerichteten Klage entfällt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Antragstellers als gesetzliche Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG.
12 
Der Senat geht davon aus, dass die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gegen seine Ausweisung bzw. die Abschiebungsandrohung erhobenen Klage ausreicht, um den Antragsgegner einstweilen daran zu hindern, aus der Ausweisungsverfügung vom 12.10.2004 nachteilige Folgerungen für die Wiedereinreise und den weiteren Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zu ziehen. Eine Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann ihm jedenfalls nicht mehr entgegengehalten werden. Es ist allerdings Sache des Antragstellers, die für seine Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland sonst erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. insoweit auch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 30.10.2006 - 7 G 439/06 -, InfAuslR 2007, 86).
13 
2. Nicht durchzudringen vermag der Antragsteller jedoch mit seinem Begehren auf Rückgängigmachung der Vollziehung der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.10.2004.
14 
Der Senat kann offenlassen, ob - und insbesondere mit welchem Inhalt - speziell in den Fällen vorzeitiger Abschiebungen ein Folgenbeseitigungsanspruch entsteht, den der Ausländer prozessual im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Annexanspruch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO geltend machen kann, oder ob bereichsspezifische Regelungen des Ausländerrechts (jetzt des Aufenthaltsgesetzes) wie die Befristungsregelungen ausschließen, dass einem abgeschobenen Ausländer allein aufgrund Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen die Ausweisungsverfügung ein Folgenbeseitigungsanspruch erwächst (siehe dazu Hess. VGH, Beschluss vom 11.12.2003 - 9 TG 546/03 - InfAuslR 2004, 152, verneinend insoweit auch OVG Berlin, Beschluss vom 13.5.2002 - 8 S 16/02 -, NVwZ 2003, 239; Sächs. OVG, Beschluss vom 7.3.2001 - 3 BS 232/00 -, SächsVBl. 2001, 175 und OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.4.2005 - 18 B 443/05 -). Denn unabhängig davon scheitert das auf Beseitigung der Vollzugsfolgen gerichtete Begehren des Antragstellers im vorliegenden Fall bereits daran, dass eine „vorzeitige“ Abschiebung in dem nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO vorausgesetzten Sinn hier nicht gegeben war. Der Antragsteller wurde nach für ihn negativem Abschluss des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO (siehe Beschwerdebeschluss des Senats vom 8.3.2005 - 13 S 241/05) abgeschoben, und die Abänderung nach § 80 Abs. 7 VwGO ist erst wesentlich später (Dezember 2006) beantragt worden. Insofern liegt eine völlig andere Konstellation vor als bei einer Abschiebung während eines (ersten) Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, für deren Rückabwicklung § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO in Betracht kommen könnte. Hiervon abgesehen ist in dem durch eine Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse ausgelösten und damit grundsätzlich auf neue zukünftige Regelung ausgerichteten Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO nur eingeschränkt eröffnet. Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist nämlich kein Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges und neues Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Es setzt voraus, dass ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO formell unanfechtbar abgeschlossen worden ist und hat als Verfahrensgegenstand die Frage, ob die ergangene rechtskräftige Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO für die Zukunft aufrechterhalten bleiben soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.11.1995 - 13 S 494/95 -, VBlBW 1996, 98; Kopp, a.a.O., § 80 RdNr. 199). Deshalb kann die vorangegangene Entscheidung grundsätzlich nur geändert und nicht etwa mit Rückwirkung aufgehoben werden. Allenfalls in Ausnahmefällen - etwa dann, wenn die frühere Entscheidung auf einem schweren Verfahrensfehler oder auf einer in jeder Hinsicht unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht - wird von der Rechtsprechung eine (zurückwirkende) Aufhebung erwogen; ein solcher atypischer Fall ist hier aber offensichtlich nicht gegeben. Kommt dagegen - wie hier - lediglich eine Beseitigung der Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügung ex nunc in Betracht, dann scheidet eine Aufhebung der Vollziehung dieser Verfügung im Wege einer entsprechenden bzw. analogen Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO aus (vgl. Kopp, a.a.O., § 80 RdNr. 180; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., RdNr. 1038). Zusätzlich ist zu bedenken, dass die Aufhebung der Vollziehung nur eine vorläufige Regelung darstellen soll. Nur in Ausnahmefällen, d.h. wenn es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unabdingbar ist, kann im Wege der Aufhebung der Vollziehung auch eine Maßnahme angeordnet werden, die - wie etwa eine „Rückschaffung“ des Antragstellers auf Kosten des Antragsgegners - die Hauptsache vorwegnimmt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 12.11.1992 - 2 TG 1527/92 -, NVwZ-RR 1993, 389; Kopp, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rn 176 und Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 80 Rn 163). Das Vorliegen eines derartigen Sachverhalts hat der Antragsteller nicht geltend gemacht, und angesichts des für den Antragsteller negativen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, nach dessen Abschluss er (erst) - verfahrensrechtlich unbedenklich - abgeschoben wurde, sähe der Senat ohnehin keinen ausreichenden Anlass, das ihm gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO hinsichtlich der Anordnung der Rückgängigmachung der Vollziehung eingeräumte Ermessen wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sachlage nunmehr zugunsten des Antragstellers auszuüben.
15 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
16 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
17 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Widerspruch und Klage gegen 1. die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,1a. Maßnahmen nach § 49,2. die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,2a. Auflagen zur Sicherun

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Feb. 2007 - 13 S 2969/06 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Feb. 2007 - 13 S 2969/06 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 18. Okt. 2006 - 13 S 192/06

bei uns veröffentlicht am 18.10.2006

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. März 2005 - 5 K 132/04 - geändert; die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. Dezember 2003 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 12. Mai 2005 - 13 S 195/05

bei uns veröffentlicht am 12.05.2005

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Gründe   1  Der Antrag des Antragstellers ist mit dem Begehren, die aufschiebende Wirku

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 22. März 2004 - 13 S 585/04

bei uns veröffentlicht am 22.03.2004

Tenor Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2004 - 6 K 817/03 - aufgehoben. Gründe   1  Die Beschwerde ist statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO), da es sich bei der Entscheid
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Feb. 2007 - 13 S 2969/06.

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 14. März 2017 - AN 5 E 17.00212

bei uns veröffentlicht am 14.03.2017

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt. Gründe I. Der am ...1989 geborene Antragstel

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 31. März 2016 - 8 B 1341/15

bei uns veröffentlicht am 31.03.2016

Tenor Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 wird zurückgewiesen. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren

Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 14. Okt. 2011 - 5 K 2504/11

bei uns veröffentlicht am 14.10.2011

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Gründe   I. 1 Der Antragsteller, ein kosovarischer Staatsangehöriger, dem am 28.10.2004 eine

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 16. Apr. 2009 - 13 S 656/09

bei uns veröffentlicht am 16.04.2009

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2009 - 8 K 74/09 - wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2004 - 6 K 817/03 - aufgehoben.

Gründe

 
Die Beschwerde ist statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO), da es sich bei der Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, nicht um eine der in § 146 Abs. 2 VwGO aufgeführten, mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nicht anfechtbaren prozessleitenden Maßnahmen handelt (vgl. Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 146 RdNr. 12). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ermangelt es dem Beklagten nicht an der für jeden Rechtsbehelf erforderlichen Beschwer; denn der Beklagte hat die Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO nicht beantragt, sondern in seinem Schreiben vom 19.1.2004 dem Verwaltungsgericht Stuttgart lediglich mitgeteilt, dass einer Vorgehensweise des Gerichts nach dieser Vorschrift der Vorzug gegeben werde. In dieser Erklärung kann auch kein Rechtsmittelverzicht gesehen werden. Denn der Hinweis des Beklagten in diesem Schreiben auf den Umstand, dass das Vorabentscheidungsersuchen zu der vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen Rechtsfrage vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof gestellt worden ist, sowie die sich hieran anschließenden Ausführungen, mit denen er nochmals seinen Standpunkt bezüglich der Nichtanwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221 des Rats der EWG vom 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern bekräftigt, machen deutlich, dass er sich des Rechts auf Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht nicht begeben wollte. Überdies könnte ein solcher Rechtsmittelverzicht durch einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht wohl auch nur nach Erhalt der rechtsmittelfähigen Entscheidung, nicht jedoch schon zuvor wirksam erklärt werden (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 11. Aufl. § 124 RdNr. 35).
Die Beschwerde ist auch begründet. Für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Fragen Nr. 1 und 2 des Vorlagebeschlusses des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.3.2003 - Zlen.EU 2003/0001, 0002-1 (InfAuslR 2003, 217) bzw. über die Frage Nr. 2 des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.11.2001 - 6 K 1307/01 - (InfAuslR 2002, 66) - diese Verfahren waren wohl Anlass der hier angegriffenen Entscheidung - fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen.
Die Aussetzung eines Gerichtsverfahrens bis zur Erledigung eines in einem gleichgelagerten Fall beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV (bzw. Art. 177 EG-Vertrag) in entspr. Anw. des § 94 VwGO ist grundsätzlich zulässig. § 94 Abs. 1 VwGO ist allerdings nicht unmittelbar einschlägig. Denn diese Vorschrift regelt lediglich die Aussetzung mit Blick auf ein anderes Verfahren, in dem es um ein vorgreifliches Rechtsverhältnis geht, während die Vorabentscheidungsverfahren bei  Europäischen Gerichtshof, um derentwillen hier ausgesetzt worden ist, die Klärung von abstrakten Rechtsfragen betrifft. Auf derartige Fälle kann § 94 Satz 1 VwGO jedoch entsprechend angewendet werden, da die Interessenlage vergleichbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.9.2001 - 9 S 1464/01 -, DÖV 2002, 35 und BVerwG, Beschluss vom 10.11.2000 - 3 C 3.00 -, BVerwGE 112, 166).
Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof bzw. vom Verwaltungsgericht Stuttgart dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen auch im vorliegenden Verfahren, das die unter Sofortvollzug verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand hat, rechtserheblich und damit für die Entscheidung vorgreiflich sind.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 20.11.2001 u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (Vorabentscheidungsverfahren C-482/01-)
„Steht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25.2.1964 einer nationalen Regelung entgegen, die ein Widerspruchsverfahren, in dem auch eine Zweckmäßigkeitsprüfung stattfindet, gegenüber einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet nicht mehr vorsieht, wenn eine bestimmte, von der die Entscheidung treffenden Verwaltungsbehörde unabhängige Stelle nicht eingerichtet wird?“
Der Österreichische Verwaltungsgerichtshof wirft in Ziff. 1 seines Vorabentscheidungsbeschlusses vom 18.3.2003 im Wesentlichen die gleiche Rechtsfrage auf; in Ziff. 2 seines Beschlusses legt er dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zukommt (Vorabentscheidungsverfahren C-136/03-).
Diese dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegten, die Auslegung der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG betreffenden Fragen sind im vorliegenden Verfahren nicht rechtserheblich, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Klage des Klägers gegen seine Ausweisung nicht von ihrer Beantwortung abhängt. Art. 8 der Richtlinie 64/221/EWG bestimmt, dass ein Betroffener gegen die Verweigerung der Einreise, einer Aufenthaltsgenehmigung oder gegen die Entfernung aus dem Aufnahmeland die Rechtsbehelfe haben muss, die Inländern gegenüber Verwaltungsakten zustehen. Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG ergänzt den Art. 8. Durch ihn soll den Personen, die von einer dieser Maßnahmen betroffen sind, ein Minimum an verfahrensmäßigem Schutz gewährleistet werden, wenn einer der drei besonderen Fälle vorliegt, die Art. 9 Abs. 1 mit den Worten „sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben“ umschreibt. Im ersten Fall soll die Möglichkeit der Anrufung einer „zuständigen Stelle“, die eine andere als die für die Entscheidung zuständige Behörde sein muss, das Fehlen jeglichen gerichtlichen Rechtsbehelfs ausgleichen. Im zweiten Fall soll die Einschaltung der zuständigen Stelle eine umfassende Prüfung der Situation des Betroffenen, einschließlich der Zweckmäßigkeit der fraglichen Maßnahme, ermöglichen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Im dritten Fall soll dieses Verfahren es dem Betroffenen ermöglichen, zu beantragen und ggf. zu erwirken, dass die Vollziehung der geplanten Maßnahme ausgesetzt wird, und ihm so einen Ausgleich dafür bieten, dass es nicht möglich ist, die Vollziehung durch die Gerichte aussetzen zu lassen. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG fordert dabei bei Vorliegen eines dieser drei besonderen Fälle die Einschaltung einer zuständigen Stelle vor Erlass der ausländerrechtlichen Maßnahme (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.1995 - C 175/94 -, Sammlung 1995, I-4253, RdNr. 20). Die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedoch „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen.
Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium Stuttgart bei Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 20.1.2003 jedoch ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat die Ausweisungsverfügung in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ unabhängig davon, ob diese Vorschrift überhaupt auf den Kläger als türkischen Staatsangehörigen Anwendung finden kann, der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
10 
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 16.7.2203 - 6 K 1757/03 - die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.1.2003 wiederhergestellt bzw. angeordnet hat. Denn ungeachtet dessen, dass diese Entscheidung - wohl -auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung zurückwirkt (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 6.3.1992 - 12 Cs 91.3128 -, GewArch 1993, 349; Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 RdNr. 86; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 362) bedeutet dies nicht, dass in Wirklichkeit kein „dringender Fall“ im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorgelegen hat und folglich - zumindest bei Annahme der Anwendbarkeit der Richtlinie 64/221/EWG auch auf türkische Staatsangehörige - das in dieser Vorschrift vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren zu Unrecht unterblieben ist. Die Beurteilung der Frage der Dringlichkeit in begründeten Fällen ist nämlich, wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat (vgl. sein Urteil vom 5.3.1980 - Rs 98/79 -, Sammlung 1980, 619 RdNrn. 19 und 20) Sache der Verwaltung: Durch das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme soll den Gerichten im Rahmen der verfahrensrechtlichen Überprüfung nicht das Recht zur Prüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet verliehen werden. Für die Ausübung derartige Befugnisse durch die innerstaatlichen Gerichte gilt nach Auffassung des EuGH Art. 8 der Richtlinie. Diese Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs machen deutlich, dass der Umstand, dass ein Gericht bei einer ex-post-Beurteilung zu einer anderen Auffassung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet kommt als die Ausländerbehörde, rechtlich nicht die Annahme rechtfertigt, das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG ansonsten vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme sei zu Unrecht unterblieben.
11 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Antragstellers ist mit dem Begehren, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Ausweisungsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.11.2003 unter Abänderung des im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen (negativen) Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.2.2004 - 5 K 535/04 - und des diesen bestätigenden Beschlusses des Senats vom 6.5.2004 - 13 S 673/04 - wiederherzustellen bzw. anzuordnen statthaft, jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht zulässig. Denn die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage würde dem Antragsteller nach seiner am 7.5.2004 erfolgten Abschiebung in die Türkei keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen. Die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.11.2003 würde nämlich die Wirksamkeit der Ausweisung nicht hemmen, so dass ihm weiterhin die Einreise in das Bundesgebiet verwehrt wäre. Dies ergibt sich aus § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lassen.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber das sich aus § 80 Abs. 1 VwGO herzuleitende Verbot, nach Eintritt des Suspensiveffekts Folgerungen tatsächlicher oder rechtlicher Art aus einem erlassenden Verwaltungsakt zu ziehen, einer auf das Aufenthaltsgesetz bezogenen bereichsspezifischen Einschränkung unterworfen und zugleich auch die Reichweite des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Ausweisungs- und Abschiebungsverfügungen beschränkt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 80 RdNr. 15; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 84 RdNr. 21). Dies hat zur Folge, dass eine Ausweisungsverfügung auch dann, wenn gegen sie ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist, unmittelbare Rechtswirkungen auslöst, indem sie gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zwingend der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht, nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen eines erteilten Aufenthaltstitels führt sowie - was vorliegend von Belang ist - einer Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland zwingend entgegensteht (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen eine Ausweisungsverfügung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt daher ersichtlich vor allem, wenn nicht gar ausschließlich nur dann in Betracht, wenn es um die Vollstreckung der Ausweisung, d.h. die Vollziehung der Ausreisepflicht, selbst geht. Für diese Ansicht sprechen neben dem Wortlaut des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nach dem die Wirksamkeit der Ausweisung ausdrücklich unabhängig von der Einlegung eines Widerspruchs bzw. einer Klageerhebung und der damit etwa verbundenen aufschiebenden Wirkung bestehen bleibt, das erkennbare Motiv des Gesetzgebers, die mit dem Erlass der Ausweisungsverfügung einhergehende Erlöschenswirkung hinsichtlich jedes Aufenthaltstitels um die Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG für die (Neu)Erteilung eines Aufenthaltstitels ergänzen zu wollen. Da aber die Erlöschenswirkung bereits mit Erlass der den Aufenthalt beendenden Verfügung eintritt, spricht dies dafür, in Übereinstimmung damit auch die Wirksamkeit der durch § 11 Abs. 1 AufenthG bestimmten Rechtswirkungen sofort und unabhängig von eingelegten Rechtsmitteln eintreten zu lassen (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 84 RdNrn. 21, 26 und 27). Mithin ist der Antragsteller aufgrund der Sperrwirkung der Ausweisung unabhängig davon , ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar ist oder nicht, rechtlich daran gehindert, erneut in das Bundesgebiet einzureisen. Vielmehr ist er darauf verwiesen, parallel zu seinem Klageverfahren und ungeachtet dessen, dass das Anfechtungsverfahren gegen die Ausweisung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, einen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu stellen, um sich auf diese Weise den Weg für eine Einreise und den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland frei zu machen (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 2.5.1980 - 1 C 82.76 -, DÖV 1980, 725).
Dies wäre rechtlich dann anders zu beurteilen, wenn die gegenüber dem Antragsteller ergangene Ausweisungsverfügung bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.7.2002 - 1 C 8.02 -, InfAuslR 2003, 50). Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. insoweit den Beschluss des Senats vom 6.5.2004 - 13 S 673/04 -); auch der Antragsteller macht dies letztlich nicht geltend.
Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die begehrte Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.11.2003 lässt sich nach seiner Abschiebung in die Türkei - anders als in den beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesenen Verfahren 12 TG 2668/03 (InfAuslR 2004,141) und 12 TG 3204/03 (EZAR 622 Nr. 42) [vgl. insoweit auch den Beschluss des Senats vom 15.10.2003 - 13 S 1618/03 - VBlBW 2004, 154] - auch nicht im Hinblick auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO begründen. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO sieht vor, dass das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen kann, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Entsprechend der im Hauptsacheverfahren geltenden Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO räumt die Vorschrift dem Gericht im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prozessual die Befugnis ein, zusammen mit der Herstellung der aufschiebenden Wirkung die Rückgängigmachung einer bereits erfolgten Vollziehung zu bewirken. Ein Ausspruch nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO setzt einen entsprechenden Antrag im Aussetzungsverfahren voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.7.1994 - 1 VR 20/93 -, NVwZ 1995, 590), der begründet ist, wenn dem Antragsteller gegen den Antragsgegner materiell-rechtlich aufgrund der gerichtlichen Suspendierung der Wirkungen des Verwaltungsakts ein Folgenbeseitigungsanspruch zusteht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.6.1983 - 4 A 2719/81 -, DÖV 1983, 1024; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.8.1995 - 2 M 62/95 -, GewArch 1996, 75; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RdNr. 176). Aus dieser Regelung folgt, dass grundsätzlich trotz Vollzugs des Verwaltungsaktes ein Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO besteht, wenn in ihm neben der Aussetzung des Vollzugs die Aufhebung bereits erfolgter Vollzugsmaßnahmen beantragt ist (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., RdNr. 964).
Offenbleiben kann, ob der vom Hess. VGH in seinem Beschluss vom 11.12.2003 - 9 TG 546/03 - (InfAuslR 2004, 152) vertretenen Ansicht zu folgen ist, dass bereichsspezifische Regelungen des Ausländerrechts (jetzt des Aufenthaltsgesetzes) materiell-rechtlich ausschließen, dass einem abgeschobenen Ausländer allein durch die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen die Ausweisungsverfügung ein Folgenbeseitigungsanspruch erwächst, den er prozessual im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als Annexanspruch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO geltend machen könnte (verneinend insoweit auch OVG Berlin, Beschluss vom 13.5.2002 - 8 S 16/02 -, NVwZ 2003, 239 und Sächs. OVG, Beschluss vom 7.3.2001 - 3 BS 232/00 -, SächsVBl. 2001, 175). Denn unabhängig davon, dass der Antragsteller bislang keinen Antrag auf Beseitigung der Vollzugsfolgen gestellt hat, würde ein solches Begehren bereits daran scheitern, dass im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO grundsätzlich - und so auch hier - aus dogmatischen Gründen kein Raum für eine - entsprechende oder analoge - Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ist. Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist kein Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges und neues Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Es setzt voraus, dass ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO formell unanfechtbar abgeschlossen worden ist und hat als Verfahrensgegenstand die Frage, ob die ergangene rechtskräftige Entscheidung für die Zukunft aufrechterhalten bleiben soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.11.1995 - 13 S 494/95 -, VBlBW 1996, 98; Kopp, a.a.O., § 80 RdNr. 199). Deshalb kann die Entscheidung auch nur geändert und nicht etwa aufgehoben werden. Allenfalls in Ausnahmefällen wird von der Rechtsprechung eine (zurückwirkende) Aufhebung erwogen, etwa dann, wenn die frühere Entscheidung auf einem schweren Verfahrensfehler oder auf einer in jeder Hinsicht unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht. Ein solcher atypischer Fall ist hier offensichtlich nicht gegeben. Kommt im Fall des Antragstellers indes nur eine Beseitigung der Vollziehbarkeit der angefochtenen Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.11.2003 mit ex-nunc-Wirkung in Betracht, scheidet jedoch auch eine Aufhebung der Vollziehung dieser Verfügung im Wege einer entsprechenden bzw. analogen Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO aus (vgl. Kopp, a.a.O., § 80 RdNr. 180; Finkelnburg/Jank, a.a.O., RdNr. 1038). Denn der Antragsteller kann anders als in den Fällen, in denen die Ausländerbehörde eine Abschiebung in Vollstreckung der Ausweisungsverfügung vor rechtskräftigem Abschluss eines letztlich dann doch für den Ausländer erfolgreich verlaufenden vorläufigen Rechtsschutzverfahrens durchführt, durch auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gestützte Maßnahmen nicht in den Stand vor der Abschiebung versetzt und damit so gestellt werden, als sei er nicht abgeschoben worden.
Der Antragsteller hat hiernach kein rechtlich schützenswertes Interesse an der begehrten Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.11.2003. Sein Antrag war daher als unzulässig abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG n.F..
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. März 2005 - 5 K 132/04 - geändert; die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. Dezember 2003 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Androhung der Abschiebung in die Türkei.
Der am ....1974 in Leonberg geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, lebte - von einem einjährigen Türkeiaufenthalt im Alter von vier Jahren abgesehen - immer im Bundesgebiet bei seinen Eltern, die zwischenzeitlich eingebürgert sind. Er hat zwei 1980 und 1985 geborene Geschwister. Am 30.10.1990 wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Im Jahre 1992 erwarb er auf einer Privatschule den Realschulabschluss. Den Besuch eines Berufskollegs zur Erlangung der Fachhochschulreife brach er im Jahre 1994 ab. Anschließend war er - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit - für verschiedene Arbeitgeber tätig. Ende 2000 eröffnete er eine Gastwirtschaft.
Der Kläger ist im Bundesgebiet wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten, u.a. wie folgt:
Am 2.11.1995 verurteilte ihn das Landgericht Stuttgart im Berufungsverfahren - 4 Ns 772/5 - wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Entführung gegen den Willen der Entführten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Im Urteil wird festgestellt, dass der Kläger den Geschlechtsverkehr zielstrebig, rücksichtslos und völlig ohne Bedenken im Hinblick auf die möglichen negativen Folgen für die Geschädigte erzwungen habe. Auch habe er wenig Unrechtseinsicht oder gar Reue erkennen lassen. Das Opfer, ein damals 16 Jahre altes Mädchen, beging wenige Tage nach der Tat einen Selbstmordversuch.
Mit Urteil vom 1.8.2003 - 20 KLs 21 Js 22916/03 - verhängte das Landgericht Stuttgart gegen den Kläger wegen Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall (§ 177 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten. Zugunsten des Klägers berücksichtigte das Landgericht u.a., dass es sich um eine Beziehungstat gehandelt habe und das Opfer anfänglich mit dem Austausch von Zärtlichkeiten einverstanden gewesen sei, der Kläger ein Geständnis abgelegt, Schmerzensgeld geleistet und sich schriftlich und mündlich in der Hauptverhandlung bei dem Opfer entschuldigt habe, weshalb auch die fakultative Strafmilderung gemäß §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB zur Anwendung gekommen sei. Zu Lasten des Täters sei jedoch ins Gewicht gefallen, dass er das Opfer zusätzlich geschlagen und erniedrigt und ihm erhebliche Blutergüsse und sonstige Verletzungen zugefügt habe. Auch sei der Kläger bereits einschlägig vorbestraft . Es sei daher auch dringend erforderlich, dass der Kläger aktiv am Vollzugsziel mitarbeite und die entsprechenden Möglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt in Anspruch nehme, um sein erhebliches Aggressionspotential zu reduzieren und künftig kontrollieren zu können.
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium daraufhin den Kläger mit Verfügung vom 29.12.2003 unter Anordnung des Sofortvollzuges aus und drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung führte es aus, dass die Verurteilung durch das Landgericht Stuttgart vom 1.8.2003 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten den Tatbestand der Regelausweisung gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfülle; denn schon angesichts der Höhe des Strafmaßes sei die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung nach § 56 StGB nicht mehr in Betracht gekommen. Weil der Kläger jedoch eine Aufenthaltsberechtigung besitze und vor der Inhaftierung mit seinen eingebürgerten Eltern in familiärer Lebensgemeinschaft zusammengelebt habe, genieße er erhöhten Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 AuslG. Die damit für die Ausweisung in tatbestandlicher Hinsicht erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit (§ 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG) lägen vor. Wie das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1.8.2003 zeige, habe er in der Nacht vom 17. auf den 18.3.2003 erneut eine Frau vergewaltigt, obwohl das Opfer der vorangegangenen Vergewaltigung einen Selbstmordversuch begangen habe. Damit sei durch die Begehung weiterer Straftaten bestätigt worden, dass bei ihm eine schwerwiegende Aggressionsproblematik vorliege. Trotz des Geständnisses und der Entschuldigung beim Opfer habe ihm daher keine günstige Sozialprognose gestellt werden können. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Kläger erneut schwerwiegende Straftaten begehen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung erneut erheblich gefährden werde. Von ihm gehe eine bedeutsame Gefahr für wichtige Schutzgüter aus. Vor diesem Hindergrund sprächen nicht nur spezialpräventive, sondern auch generalpräventive Gründe für seine Ausweisung. Auch die wegen des dem Kläger zustehenden erhöhten Ausweisungsschutzes gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AuslG zu treffende Ermessensentscheidung könne nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Zugunsten des Klägers sei im Rahmen des § 45 Abs. 2 AuslG zwar zu berücksichtigen, dass er hier im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen sei. Auch die Bindungen an seine Eltern (die familiäre Lebensgemeinschaft solle nach der Haftentlassung fortgesetzt werden) und in geringerem Maße an seine Geschwister fielen ebenso wie seine wirtschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet und sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt zu seinen Gunsten ins Gewicht. Umgekehrt zeigten die von ihm begangenen schweren Straftaten jedoch, dass seine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse nur unvollständig gelungen sei. Auch die Beziehungen zu seiner Familie hätten ihn von deren Begehung nicht abhalten können. Zudem befinde er sich in einem Alter, in dem mit der Loslösung von den Eltern ohnehin zu rechnen sei. Bei einem Ausländer der zweiten Generation wie ihm sei auch davon auszugehen, dass er noch über Grundkenntnisse der türkischen Sprache verfüge und sich jedenfalls nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Türkei auch eine wirtschaftliche Lebensgrundlage werde schaffen können. Auch in Deutschland sei seine wirtschaftliche Grundlage nicht gesichert gewesen, wie die hohen Schulden aus der Eröffnung der Gastwirtschaft zeigten. Angesichts der Schwere der von ihm ausgehenden Gefahr überwiege daher das öffentliche Interesse an seiner Entfernung aus dem Bundesgebiet auch vor dem Hintergrund der Regelungen in Art. 6 GG bzw. 8 EMRK sein privates Interesse daran, weiterhin in Deutschland bleiben zu können. Zwar genieße er nach einem zehnjährigen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erhöhten Ausweisungsschutz nach Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens; das Bundesverwaltungsgericht habe jedoch bereits entschieden, dass dieser nicht weiterreiche als der bereits durch Art. 48 AuslG gewährte. Auf Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 könne sich der Kläger nicht berufen, denn er habe den Arbeitsmarkt verlassen, um sich selbständig zu machen. Jedenfalls sei eine solche aufenthaltsrechtliche Position auch in entsprechender Anwendung des Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 durch seine Inhaftierung erloschen. Ungeachtet dessen stehe auch Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen, denn von ihm gehe die konkrete Gefahr aus, dass er erneut schwerwiegende Straftaten begehen werde.
Am 12.1.2004 hat der Kläger mit dem Antrag, die Verfügung des Beklagten vom 29.12.2003 aufzuheben, vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe das einmal nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erworbene Aufenthaltsrecht weder durch die nachfolgende Tätigkeit als Selbständiger noch durch seine Inhaftierung oder die Einbürgerung seiner Eltern verloren. Die Ausweisung verstoße damit gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG. Denn die danach erforderliche Einholung der Stellungnahme einer unabhängigen zweiten Stelle sei unterblieben, obwohl während seiner Inhaftierung dafür ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe. Die deutschen Verwaltungsgerichte könnten die Ausweisungsverfügung nur auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen und daher die in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderte Zweckmäßigkeitsprüfung nicht vornehmen. Auch habe das Regierungspräsidium die von ihm ausgehende Wiederholungsgefahr falsch eingeschätzt. Das Opfer der zweiten Vergewaltigung sei anders als bei der ersten Tat kein wehrloses Kind gewesen, sondern eine grundsätzlich zum Geschlechtsverkehr bereite erwachsene Frau. Aus einer solchen Beziehungstat ergebe sich keine Wiederholungsgefahr, zumal er auch von ihr abgelassen habe, als sie zu weinen begonnen habe. Schließlich habe das Regierungspräsidium auch weder seine Entwicklung in der Strafhaft berücksichtigt noch in die Ermessenserwägungen eingestellt, dass die Ausweisung für einen Ausländer der zweiten Generation eine soziale Hinrichtung bedeute. Die Anforderungen aus Art. 28 Abs. 3a RL 2004/38/EG vom 29.4.2004 seien ebenfalls nicht erfüllt. Diese Bestimmung, die nicht genuin neues Recht schaffe, sondern lediglich das Gemeinschaftsrecht konkretisiere und daher schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.4.2006 auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anzuwenden sei, bestimme, dass die Ausweisung nach einem zehnjährigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nur noch aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zulässig sei. Diese lägen bei ihm aber nicht vor. Schließlich seien ihm wegen der verfügten Ausweisung in der Haft auch keine psychologischen Maßnahmen zur Aufarbeitung der begangenen Tat bewilligt worden.
Mit Urteil vom 22.3.2005 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen und dabei zur Begründung ausgeführt: Die gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes weiterhin wirksame Ausweisung sei rechtmäßig, wobei offen bleiben könne, ob sich der Kläger als selbständiger Gastwirt und Kind ehemals türkischer, jetzt eingebürgerter Eltern überhaupt auf den aufenthaltsrechtlichen Schutz aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 berufen könne; denn Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sei nicht verletzt, obwohl gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nach § 6a AGVwGO kein Widerspruch stattfinde, sondern sofort die Anfechtungsklage statthaft sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Urteile vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - und vom 21.7.2004 - 11 S 535/04 -) genüge der in Deutschland gewährte verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz den Anforderungen an die in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderte Zweckmäßigkeitsprüfung. Abgesehen davon liege auch ein „dringender Fall“ im Sinn dieser Vorschrift vor, weil das Regierungspräsidium den Sofortvollzug angeordnet habe. Am Maßstab des Art. 28 Abs. 3a RL 2004/38/EG sei die Ausweisung nicht zu prüfen, denn diese Richtlinie sei erst bis zum 30.4.2006 in deutsches Recht umzusetzen und daher gegenwärtig noch nicht unmittelbar anwendbar. Die Ausweisung verstoße auch sonst nicht gegen materielles Recht. Das vom Landgericht Stuttgart abgeurteilte Gewaltdelikt des Klägers, eine Vergewaltigung mit vorsätzlicher Körperverletzung, erfülle den Tatbestand einer Regelausweisung nach § 54 Nr. 1 AufenthG und stelle damit eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, zumal das Opfer erhebliche Verletzungen in Form zahlreicher Blutergüsse erlitten habe, durch die auch beträchtliche Behandlungskosten zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten entstanden seien. Das der Straftat zugrunde liegende Verhalten des Klägers stelle auch eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Er sei hinsichtlich der Vergewaltigung nicht nur Wiederholungstäter, sondern habe im Urteil des Landgerichts Stuttgart auch ein erhebliches Aggressionspotential attestiert bekommen. Entgegen der Annahme des Landgerichts Stuttgart sei es ihm im Strafvollzug nicht gelungen, sein Aggressionspotential zu kontrollieren und zu reduzieren. Deshalb habe es das Landgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 15.3.2005 auch abgelehnt, den Kläger gemäß § 57 Abs. 1 StGB bedingt aus der Strafhaft zu entlassen. Denn ein kriminalprognostisches Gutachten sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger impulsiv und rücksichtslos egozentrisch sei, ein deutliches Empathiedefizit aufweise und keine echte Einsicht in seine eigenen aggressiven Verhaltensweisen zeige, weshalb die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbestehe. Das Ergebnis des kriminalprognostischen Gutachtens decke sich dabei mit einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Heimsheim. Darauf, dass ihm im Strafvollzug wegen seiner ausländerrechtlichen Situation keine psychologischen Hilfen bewilligt worden seien, könne er sich schon deshalb nicht berufen, weil er nicht die dagegen im Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Rechtsbehelfe eingelegt habe. Die vom Regierungspräsidium Stuttgart getroffene Ermessensentscheidung - deren tatbestandlichen Grundlagen unverändert fortbestünden - sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
10 
Das Urteil ist dem Kläger am 14.6.2005 zugestellt worden; einen Tag später hat er die Zulassung der Berufung beantragt.
11 
Mit Beschluss vom 23.1.2006 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen; mit der am 6.2.2006 eingegangenen Berufungsbegründung beantragt der Kläger nunmehr,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.3.2005 - 5 K 132/04 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.12.2003 aufzuheben.
13 
Der Kläger trägt vor, die einmal erworbene Rechtsstellung aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 stehe ihm trotz der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit und der Inhaftierung weiterhin zu. Ebenso sei das Schicksal des Stammberechtigten (Einbürgerung der Eltern) unbeachtlich. Der EuGH habe in den Verfahren Cetinkaya und Aydinli entschieden, dass die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nur erlöschen würden, wenn gegen den Betroffenen eine Maßnahme gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 getroffen werde oder dieser den Aufnahmemitgliedstaat während eines erheblichen Zeitraums ohne berechtigten Grund verlassen habe. Art. 7 ARB 1/80 wolle die Familieneinheit fördern. Der EuGH habe in seinem Urteil in der Sache Dörr und Ünal weiter entschieden, dass die Verfahrensgarantie aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG auch auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige anwendbar sei. Der dort geforderten Zweckmäßigkeitskontrolle werde nur genügt, wenn der Ausländer die Möglichkeit habe, sich zur bestmöglichen Lösung für seine Resozialisierung zu äußern. Die Überprüfung auf Ermessensfehler im deutschen Verwaltungsprozess bleibe hinter diesen Anforderungen zurück. Dementsprechend habe das Verwaltungsgericht in seinem Urteil im Rahmen der Kontrolle der Ermessensausübung auch nicht geprüft, ob seine Resozialisierung im Bundesgebiet besser möglich sei als in der Türkei. Erst recht habe es verkannt, dass das Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angesichts der Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet von mittlerweile mehr als einem Vierteljahrhundert hinter seinen privaten Interessen zurücktreten müsse und nur noch im Falle einer hier nicht gegebenen Gefährdung der Sicherheit des Staates Vorrang haben könne. Mittlerweile habe auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG vorliege, wenn gegen eine Ausweisung kein Widerspruch stattfinde, denn die Zweckmäßigkeitskontrolle sei in dem dann sofort statthaften verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gewährleistet. Der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG werde auch nicht durch die Anordnung des Sofortvollzuges unbeachtlich. Ein dringender Fall liege nicht vor. Er sei am 21.3.2003 in Untersuchungshaft genommen worden. Angesichts der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten sei vor September 2004 mit einem Ende der Haft überhaupt nicht zu rechnen gewesen, weshalb ausreichend Zeit für die Einschaltung einer zweiten Stelle zur Verfügung gestanden habe. Aus den schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht genannten Gründen sei die Ausweisung auch wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 3a RL 2004/38/EG rechtswidrig. Nach einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sei eine Ausweisung nur noch aus Gründen der Staatssicherheit zulässig. Auch könne ihm die mangelnde Resozialisierung im Strafvollzug nicht angelastet werden, weil sie die Folge von Einsparbemühungen der öffentlichen Hand sei und damit in deren Verantwortungsbereich falle.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er trägt vor, der Kläger könne sich auf die Rechtsposition aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 unabhängig von seiner Inhaftierung schon deshalb nicht mehr berufen, weil er sich selbständig gemacht habe. Auch Unionsbürger könnten sich nur eine begrenzte Zeit - nach der Entscheidung des EuGH in der Sache Tetik (Urteil vom 23.1.1997 - C 171/95 -, InfAuslR 1997, 146) längstens ein Jahr - auf das Freizügigkeitsrecht berufen, aber nicht mehr, wenn sie - wie der Kläger - den Arbeitsmarkt endgültig verlassen hätten. Wollte man bei assoziationsberechtigten Türken anders entscheiden, so bedeutete dies, dass sie besser stünden als Unionsbürger, was nach Art. 59 des Assoziationsabkommens EWG-Türkei unzulässig sei. Auch der EuGH habe sich in seinen Urteilen in den Sachen Cetinkaya und Aydinli nicht mit der Konstellation auseinandergesetzt, dass der Betroffene überhaupt nicht mehr arbeiten könne oder wolle. Andernfalls hätte er zu seinem Urteil in der Sache Tetik und dem Schlechterstellungsverbot für Unionsbürger aus Art. 59 des Assoziationsabkommens EWG-Türkei Stellung nehmen müssen. Der behauptete Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG - so er überhaupt vorliege - sei jedenfalls unbeachtlich. Angesichts der Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten und der weiter von ihm ausgehenden Gefahr hätte auch die Einschaltung einer „zweiten Stelle“ nicht zu einem anderen Ergebnis geführt, zumal der Kläger auch die Gelegenheit zur Stellungnahme im Anhörungsverfahren nicht genutzt habe. Auch sei die Richtlinie 64/221/EWG mit Ablauf des 30.04.2006 außer Kraft getreten, und die Nachfolgebestimmung in Art. 31 RL 2004/38/EG verlange einen so weitgehenden Rechtsschutz überhaupt nicht mehr. Ungeachtet dessen liege auch ein dringender Fall vor, weil beabsichtigt gewesen sei, den Kläger aus der Haft abzuschieben. Angesichts seiner Gefährlichkeit wäre die Ausweisung bzw. die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt auch im vergleichbaren Fall eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers zulässig. So habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe wegen seiner fortdauernden Gefährlichkeit die Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt. Dass der Kläger ausweislich der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverständigenstellungnahmen sein aggressives Verhalten weiterhin leugne, sei auch eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine Therapie gegen sein aggressives Verhalten.
17 
Mit Beschluss vom 19.1.2006 - 13 S 1207/05 - hat der Senat unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6.6.2005 - 5 K 2798/04 - die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt und gegen die Abschiebungsandrohung angeordnet.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (2 Bände), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart einschließlich der Akten aus dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die Akten über das Beschwerdeverfahren vor dem Senat vor; auf den Inhalt dieser Akten wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere hat sie der Kläger nach Zulassung durch den Senat mit Beschluss vom 23.1.2006 - 13 S 1268/06 - gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO fristgerecht und entsprechend den formellen Anforderungen aus § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO begründet. Denn die Bezugnahme auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren lässt erkennen, aus welchen Gründen er das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts für unrichtig hält (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl., Rn 68 zu § 124a).
20 
Die Berufung hat auch sachlich Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn sie ist zulässig und begründet. Die gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes weiterhin wirksame Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.12.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
Die Ausweisung des Klägers, der sich auf das Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann (I.), ist wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221 - die Bestimmung findet nicht nur auf Unionsbürger Anwendung, sondern auch auf türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 - verfahrensfehlerhaft (II.). Dieser Verstoß ist nicht unbeachtlich (III.), und der Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung besteht unabhängig davon, dass die Richtlinie 64/221/EWG gemäß Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Ablauf des 30.4.2006 außer Kraft getreten ist (IV.).
I.
22 
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Kläger der assoziationsrechtliche Status aus Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 zu, womit er nicht nur ein Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern auch ein damit korrespondierendes - erhöhten Ausweisungsschutz vermittelndes - Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet besitzt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 -[Cetinkaya], InfAuslR 2005, 13 m.N. aus der früheren Rechtsprechung des EuGH zum assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht).
23 
Auch der Beklagte stellt nicht in Frage, dass der Kläger mindestens fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern, die damals noch türkische Staatsangehörige waren, zusammengelebt und dadurch das Recht aus Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hat (vgl. dazu bereits den Beschluss des Senats vom 19.1.2006 - 13 S 1207/05 -).
24 
Durch die nachfolgende Entwicklung hat der Kläger diese Rechtsposition nicht verloren. Dass er sich Ende des Jahres 2000 als Gastwirt selbständig gemacht hat und damit dem Arbeitsmarkt nicht mehr als unselbständiger Arbeitnehmer zur Verfügung stand, hat weder unmittelbar (1.) noch mittelbar über einen Erlöschenstatbestand gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (2.) zum Verlust des Rechts aus Art 7 Abs. 1 ARB 1/80 geführt. Ein Verstoß gegen das sogenannte Besserstellungsverbot ist darin nicht zu sehen (3.). Ebensowenig hatten die Strafhaft und die Einbürgerung seiner Eltern Einfluss auf die Rechtsstellung aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 (4).
25 
1.) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings vertreten worden, dass die auf Dauer angelegte Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit (Eröffnung einer Gaststätte durch den Kläger) das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 ARB entfallen lässt, weil der Ausländer dann dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 1303/04 - (juris) und Mallmann, Neuere Rechtsprechung zum assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht türkischer Familienangehöriger, ZAR 2006, 50/54, FN 35 m.w.N.). Diese Rechtsprechung kann vor dem Hintergrund neuer Rechtsprechung des EuGH jedoch keinen Bestand mehr haben. In dem bereits genannten Urteil vom 11.11.2004 [Cetinkaya] hat der EuGH unter Rn 38 ausgeführt, dass das Recht aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden könne, nämlich nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit oder weil der Betroffene das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während eines erheblichen Zeitraums ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Dem schließt sich der Senat an. In Reaktion auf das Urteil des EuGH in der Sache Cetinkaya hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen allerdings weiterhin die Auffassung vertreten, dass Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht nur zum Zwecke der tatsächlichen Ausübung einer Beschäftigung oder zum ernsthaften Betreiben des Zugangs zum Arbeitsmarkt verleihe (vgl. Beschluss vom 10.12.2004 - 18 B 2599/04 -, InfAuslR 2005, 92). Zur Begründung führte es aus, der EuGH habe sich in der Sache Cetinkaya mit der Frage eines Aufenthaltsrechts, ohne arbeiten zu wollen, gar nicht beschäftigen müssen, da der Kläger in diesem Verfahren vor seiner Inhaftierung stets erwerbstätig gewesen sei. Im übrigen beschreibe der EuGH das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 als ein solches auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Daraus sei zu folgern, dass der Fortbestand des Rechts die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder wenigstens das Betreiben des Zugangs zum Arbeitsmarkt voraussetze. Mit dieser Argumentation verkennt das OVG Nordrhein-Westfalen jedoch, dass der EuGH in dem Urteil in der Sache Cetinkaya stets nur von einem Recht auf Aufenthalt bzw. auf Zugang zum Arbeitsmarkt gesprochen, das Aufenthaltsrecht aber nicht mit einer Pflicht verknüpft hat, dem Arbeitsmarkt als unselbständig Erwerbstätiger oder Arbeitssuchender zur Verfügung zu stehen. Unter Rn 30 des Urteils führt er im Gegenteil explizit aus, die Mitgliedstaaten seien nach Erwerb des Rechts aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nicht befugt, das Aufenthaltsrecht noch von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Zutreffend wird in der Literatur (Gutmann, InfAuslR 2005, 94) darauf hingewiesen, der EuGH habe unter Rn 33 seines Urteils sogar festgestellt, die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 könnten dem türkischen Arbeitnehmer nicht dadurch genommen werden, dass er nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt angehöre. Nach dem Grund des Ausscheidens differenziere der EuGH dabei nicht. Sogar im Aufnahmeland geborene Kinder, die den Arbeitsmarkt nie betreten hätten, sollten im Gegenteil das Recht aus Art. 7 Abs. 1 ARB erwerben, ohne dass ein Verlusttatbestand für den Fall normiert worden sei, dass sie später keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnähmen. In seinem Urteil vom 7.7.2005 (- C- 373/03- [Aydinli], InfAuslR 2005, 352) hat der EuGH seine Entscheidung in der Sache Cetinkaya nicht nur bestätigt, sondern unter Rn 29 ausdrücklich entschieden, anders als bei Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hänge die Entstehung des Beschäftigungsrechts der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nicht davon ab, dass diese dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Staates angehörten und während einer bestimmten Dauer eine Beschäftigung im Lohn oder Gehaltsverhältnis ausübten. Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 gewähre den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers mithin Zugang zu einer Beschäftigung, lege ihnen jedoch keine Verpflichtung auf, eine Beschäftigung im Lohn oder Gehaltsverhältnis auszuüben, wie das in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehen sei (so auch Döring, Erhöhter Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige, DVBl. 2005, 1221/1225).
26 
2.) Auch ein - denkbarer - Erlöschenstatbestand nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hätte die Rechtsstellung des Klägers aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nicht entfallen lassen.
27 
Der Kläger war nach Abbruch des Berufskollegs im Jahre 1994 bis zur Eröffnung der Gaststätte im Jahre 2000, wenn auch unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, immer wieder als Arbeitnehmer tätig. Ob er in dieser Zeit auch ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben hat, ist nicht geklärt, aber auch rechtlich unerheblich. Hätte er den Status nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben, wäre dieser nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt wohl erloschen. Das unabhängig davon erworbene Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 wäre dadurch jedoch nicht untergegangen. Wie der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 („vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7“) zeigt, ist Art. 7 ARB 1/80 eine Spezialvorschrift zu Art. 6 ARB 1/80 (vgl. dazu auch Urteil des EuGH vom 7.7.2005, C-373/03-, [Aydinli], Rn 19, zitiert nach Mallmann, a.a.O., S. 53, Fn 32, dort auch zur teilweise abweichenden Auffassung der Generalanwälte des EuGH; siehe auch Döring a.a.O.). Auch unter Wertungsgesichtspunkten erschiene es im übrigen nicht vertretbar, wenn der zusätzliche Erwerb einer weiteren Rechtsposition (Recht aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80) dazu führen würde, dass das bereits zuvor erworbene Recht (aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80) unter erleichterten Voraussetzungen verloren geht.
28 
3.) Die oben wiedergegebene Rechtsprechung des EuGH, wonach der Fortbestand der Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 nicht von der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bzw. von Bemühungen zur Aufnahme einer solchen Tätigkeit abhängt, führt auch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.9.1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (vgl. BGBl. II 1992, 385/396) - Zusatzprotokoll -, wonach der Türkei keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen.
29 
Der europäische Gerichtshof hat allerdings bereits entschieden, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EG-Vertrag die Mitgliedstaaten nur verpflichtet, Unionsbürgern eine angemessene Zeit einzuräumen, damit sie sich im Aufnahmemitgliedstaat eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle suchen und sich gegebenenfalls dafür bewerben können; sie gewährt allerdings kein von der Bereitschaft zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit unabhängiges Aufenthaltsrecht (vgl. Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89 -, Antonissen, Slg 1991, I-745, Rn 13, 15 und 16 sowie erneut im Zusammenhang mit einem nach Art. 6 ARB 1/80 berechtigten türkischen Staatsangehörigen im Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 - [Tetik], InfAuslR 1997, 146, Rn 27).
30 
Ein Verstoß gegen das Verbot der Besserstellung türkischer Staatsangehöriger aus Art. 59 Zusatzprotokoll liegt gleichwohl nicht vor. Wie bereits oben ausgeführt, verlieren auch türkische Staatsangehörige, die als Arbeitnehmer ein originäres Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben haben, ihre Rechtsstellung wieder, wenn sie dem Arbeitmarkt als unselbständige Arbeitnehmer nicht mehr zur Verfügung stehen (vgl. zu den Einzelheiten des Rechtsverlusts insbesondere EuGH, Urteil vom 20.2.2000 - C-340/97 -, [Nazli], InfAuslR 2000, 161, Rn 40 ff.). Die Situation der türkischen Staatsangehörigen, die als Arbeitnehmer ein originäres Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben haben, entspricht damit derjenigen der Unionsbürger, die sich auf ihr Freizügigkeitsrecht berufen: Der Fortbestand des Rechts ist jeweils von der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit oder wenigstens dem Willen und der Möglichkeit zur Aufnahme einer solchen abhängig.
31 
Demgegenüber erwerben Familienangehörige eines Unionsbürgers - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit - das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie sich fünf Jahre rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben (vgl. Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 RL 2004/38/EG). Die Entstehung und der Fortbestand des Daueraufenthaltsrechts ist nicht an die Voraussetzungen aus Kap. III der RL 2004/38/EG geknüpft (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RL 2004/38/EG), steht also in keinem Zusammenhang mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl. Art. 7 ARB 1/80). Ebenso ist bereits vor Ablauf des Fünfjahreszeitraumes aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie das Aufenthaltsrecht nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig (vgl. Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG). Familienangehörige türkischer Arbeitnehmer mit einem Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 werden also nicht besser gestellt als die von Unionsbürgern.
32 
Der Beklagte macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, ein Verstoß gegen das Verbot der Besserstellung resultiere daraus, dass der Begriff des „Familienangehörigen“ in Art. 7 ARB 1/80 weiter sei als der in Art 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG; insbesondere erfasse Art. 7 ARB 1/80 auch Verwandte in gerader absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben und denen der Stammberechtigte keinen Unterhalt gewährt (vgl. dazu Art. 2 Nr. 2 c RL 2004/38/EG). Dieser Argumentation ist aber nicht zu folgen: Zwar ist der Begriff des „Familienangehörigen“ in Art. 7 ARB 1/80 anders als in Art. 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG nicht ausdrücklich definiert. Der EuGH hat jedoch bereits entschieden, dass er zur Sicherstellung seiner homogenen Anwendung auf Gemeinschaftsebene in Art. 7 ARB 1/80 ebenso auszulegen ist wie in den Freizügigkeit gewährenden Normen des Gemeinschaftsrechts (vgl. Urteil vom 30.09.2004 - C-275/02 -, [Ayaz], InfAuslR 2004, 416 RN 45). Er hat sich dabei auf den Begriff des Familienangehörigen aus Art. 10 Abs. 1 VO 1612/68 gestützt. Nachdem diese Bestimmung durch Art. 38 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgehoben worden ist, bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken, die im hier maßgeblichen Punkt inhaltlich übereinstimmende Definition in Art 2 RL 2004/38/EG - der Nachfolgebestimmung - heranzuziehen, so dass es aufgrund der einheitlichen Auslegung des Tatbestandsmerkmals auch insoweit nicht zu einem Verstoß gegen das Besserstellungsverbot kommt.
33 
4.) Wie sich aus den zitierten Entscheidungen des EuGH in den Sachen Cetinkaya und Aydinli ergibt, ist das Recht des Klägers aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 auch weder mit dem Eintritt der Volljährigkeit noch durch die Verbüßung der verhängten Strafhaft erloschen (vgl. zur Verbüßung der Strafhaft auch BVerwG, Urteil vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 und DVBl. 2006, 317). Ebenso ist unbeachtlich, dass die Eltern des Klägers als Stammberechtigte, von denen er sein Aufenthaltsrecht ableitet, mit der Einbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben. Denn eine Verstärkung der Rechtsstellung des Stammberechtigten kann keinen Verlusttatbestand für das von ihm abgeleitete Recht des Familienangehörigen darstellen.
II.
34 
Die für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger geltenden verfahrensrechtlichen Anforderungen aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG finden auch auf türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 Anwendung (1.). Sie wurden vorliegend nicht beachtet, weshalb die Ausweisung des Klägers rechtswidrig war (2.).
35 
1.) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 -, [Dörr und Ünal, InfAuslR 2005, 289) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar nur für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, auch auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, die - wie der Kläger - über ein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 verfügen (vgl. Urteile vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110 und DVBl. 2006, 372 sowie vom 6.10.2005, a.a.O.). Diesen Ausgangspunkt teilt der Senat (s. etwa Beschluss vom 19.01.2006 - 13 S 1207/05 -)
36 
2.) Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sieht vor, dass, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes trifft, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Diese Vorgaben wurden nicht beachtet.
37 
2.1) Hinsichtlich des in Art. 9 Abs. 1 ARB 1/80 angesprochenen Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung ist nicht zu bestreiten, dass die Ausweisungsentscheidung nach deutschem Prozessrecht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht aber auch auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft wird. Denn gemäß § 114 Satz 1 VwGO kann Ermessen - darum geht es hier - nur auf Rechtsfehler hin überprüft werden, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit. Die vom EuGH geforderte erschöpfende Prüfung aller der Ausweisungsverfügung zugrunde liegenden Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeit ist danach gemäß Art. 68 Abs. 1 VwGO nur im Widerspruchsverfahren, nicht aber im Verwaltungsprozess möglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.9.2006, a.a.O., unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01- und - C-493/01 -, [Orfanopoulos und Oliveri], InfAuslR 2004, 268, Rn 103 ff.). Dieser Auffassung folgt auch der Senat. Der 11. Senat des erkennenden Gerichtshofs hat seinen gegenteiligen Standpunkt, wonach die vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte im deutschen Verwaltungsprozess gewährleistet sei, weil beim Begriff der Zweckmäßigkeit nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffes im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausgegangen werden dürfe (vgl. Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04 -, VBlBW 2004, 481), im Anschluss an die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgegeben (vgl. Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Da gegen Ausweisungsverfügungen der Regierungspräsidien gemäß § 6a AGVwGO kein Widerspruch gegeben, sondern sofort die Anfechtungsklage statthaft ist, verstößt eine Ausweisung ohne vorherige Einschaltung einer „zweiten zuständigen Stelle“ nur bei Vorliegen eines dringenden Falles nicht gegen Art. 9 RL 64/221/EWG.
38 
2.2) Ein solcher dringender Fall war (und ist) hier jedoch nicht gegeben. Hinsichtlich der Überprüfung, ob eine Ausweisung dringlich im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist, besteht kein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung, vielmehr unterliegt dieses Tatbestandsmerkmal der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. dazu ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - m.z.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Auch der Beklagte hat im vorliegenden Verfahren keinen gegenteiligen Standpunkt mehr vertreten.
39 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.9.2005 - BVerwG 1 C7.04 -, a.a.O. ist das Merkmal der Dringlichkeit als Ausnahme vom Grundsatz der Freizügigkeit „besonders eng auszulegen“; ein dringender Fall könne erst dann angenommen werden, wenn ein Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung nicht zu verantworten sei, etwa weil die begründete Besorgnis bestehe, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Die Verzögerung durch Einschaltung einer zweiten Behörde sei dann nicht hinnehmbar. Daher genüge für die Annahme eines dringenden Falles nicht, dass die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet habe. Vielmehr müsse (vergleichbar den Anforderungen aus § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) ein besonderes öffentliches Interesse daran festgestellt werden, das „Hauptverfahren“ nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer „weiteren, unmittelbar drohenden erheblichen Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen. Dazu seien die im konkreten Einzelfall einander widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange gegeneinander abzuwägen. Weil die dabei maßgeblich zu berücksichtigende Schwere der vom Ausländer ausgehenden Gefahr während der Zeit seiner Inhaftierung regelmäßig entfallen werde, könne ein dringender Fall nur dann angenommen werden, wenn er aus der Haft heraus abgeschoben werden solle. Umgekehrt scheide die Annahme eines dringenden Falles aus, wenn die Ausländerbehörde den Fall selbst nicht als dringlich erachte und behandle, das Verfahren selbst nicht zügig betreibe, die sofortige Vollziehung nicht anordne oder von dieser nicht unverzüglich - gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung - Gebrauch mache.
40 
Vor dem Hintergrund dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Senat seine frühere Auffassung, wonach ein dringender Fall regelmäßig anzunehmen sei, wenn wie vorliegend die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet wurde (vgl. Beschlüsse vom 22.3.2004 - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff. und vom 26.8.2005 - 13 S 1482/05 -), aufgegeben (vgl. Beschlüsse vom 19.01.2006 - 13 S 1207/05 - und vom 21.02.2006 - 13 S1953/05 -).
41 
Bei einem Ausländer, der sich - wie der Kläger - während des Ausweisungsverfahrens in Haft befindet, scheidet daher die Annahme eines dringenden Falles in aller Regel aus, wenn vor dem Entlassungszeitpunkt oder der beabsichtigten Abschiebung aus der Haft ausreichend Zeit zur Einschaltung der in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderten zweiten Stelle besteht; anders ist es, wenn auch in diesem Zeitraum vom Ausländer eine erhebliche Gefahr ausgeht (vgl. dazu und auch zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt - Erlass der Ausweisungsverfügung oder Entscheidung des Gerichts - insoweit abzustellen ist VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - ).
42 
Nach diesem Maßstab war ein dringender Fall hier nicht gegeben. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten sowie des Beginns der Inhaftierung (März 2003) vor September 2004 weder mit einer Entlassung noch mit einer Abschiebung aus der Haft zu rechnen war. Die Abschiebung aus der Haft nach § 456a StPO kommt im Regefall frühestens nach Vollstreckung der Hälfte der Freiheitsstrafe in Betracht (vgl. dazu die AV des JuM vom 17.10.1996, Die Justiz S. 500, III. 1. c). Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung hätte beim Kläger ohnehin erst nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe erfolgen dürfen, da die verhängte Freiheitsstrafe zwei Jahre übersteigt und der Kläger außerdem auch bereits wiederholt inhaftiert war (vgl. § 57 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB). Bei der Entscheidung über die Ausweisung am 29.12.2003 stand damit ausreichend Zeit für die in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderte Zweckmäßigkeitsprüfung zur Verfügung. Dies gilt um so mehr, als die Ausländerbehörde auch nach einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO den Zeitpunkt der Abschiebung selbst bestimmen kann und damit die Möglichkeit hat, mit dieser bis zum Abschluss des Verfahrens vor der zweiten Stelle zuzuwarten. Dafür, dass auch während der Zeit der Inhaftierung vom Kläger eine schwere Gefahr ausgehen würde, sind Gründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
III.
43 
Der damit vorliegende Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich.
44 
Überwiegend wird vertreten, dass diese Norm ebenso wenig wie auf sog. absolute Verfahrensfehler (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 15.1.1982 -4 C 26.78-, BVerwGE 64, 325 ff.) auf Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts und solche nationalen Vorschriften, die auf Gemeinschaftsrecht beruhen, anwendbar sei; dies wird aus dem Erfordernis effektiver, einheitlicher Wirkung des EU-Rechts in allen Mitgliedsländern (sog. „effet utile“, vgl. dazu etwa Kenntner, Rechtsschutz in Europa, in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 76) geschlossen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., Rn 20 zu § 46; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., RN 176 ff zu § 45; VG Stuttgart, Urteil vom 7.2.2006 - 5 K 5146/04 -, [Vensa] und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -, m.N. auch zur gegenteiligen Auffassung und zum europarechtlichen Verständnis des Verwaltungsverfahrens). Danach würde Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG bereits vom Anwendungsbereich her ausscheiden.
45 
Ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf Verfahrensfehler nach Europarecht ist der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG aber auch deshalb nicht nach dieser Norm unbeachtlich, weil nicht offensichtlich ist, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, dürfen nämlich nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen nur auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß §§ 45, 46 AuslG (jetzt: § 55 AufenthG) ausgewiesen werden. Dabei sind neben der Art und Schwere der begangenen Straftat die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und die privaten Belange des Betroffenen umfassend abzuwägen. Die Verwirklichung eines Ist- oder Regelausweisungstatbestandes darf zwar in die Abwägung einbezogen werden, jedoch nicht im Sinne einer Regelvermutung oder eines sonstigen Automatismus; maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315/319 ff.). War danach über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Eine sog. Ermessensreduktion auf Null, bei der dies ausnahmsweise anders sein könnte (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn 32 und 35 zu § 46 VwVfG), liegt trotz der vom Kläger begangenen schwerwiegenden Straftaten und der weiterhin auch nach Auffassung des Senats konkret gegebenen Wiederholungsgefahr nicht vor. Eine „zweite Stelle“ hätte in eigener Kompetenz und Verantwortung eine Abwägung zu treffen gehabt, deren Ergebnis nicht von vornherein unzweifelhaft feststand. So wäre etwa zu Gunsten des Klägers seine starke Integration in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu berücksichtigen gewesen. Der Argumentation des Beklagten, auch im Falle der Einschaltung einer „zweiten Stelle“ wäre der Kläger auf jeden Fall ausgewiesen worden, kann schon aus diesem Grund nicht gefolgt werden. Ein solche „zweite Stelle war zudem zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht geschaffen worden; auch deswegen ist eine Vorhersage über denkbare Ergebnisse ihrer Prüfung nicht möglich. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob die Rechtsfigur der Ermessensreduktion auf Null angesichts der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die sich ihrerseits auf die Rechtsprechung des EuGH stützt (Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01 und C -493/01 - [Orfanopoulos und Oliveri], DVBl. 2004, 876), im Falle der Ausweisung von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen überhaupt angewendet werden kann.
46 
Der Kläger hat sein Recht auf Einschaltung einer „zweiten Stelle“ schließlich auch nicht dadurch verloren, dass er im Anhörungsverfahren vor Erlass der Ausweisungsverfügung keine Stellungnahme abgegeben hat. Denn Art. 9 RL 64/221/EWG bestimmt nicht, dass eine solche Stellungnahme Voraussetzung für die Einschaltung einer „zweiten Stelle“ wäre. Auch im Verfahren vor der „zweiten Stelle“ muss sich der Ausländer nicht beteiligen; es genügt, dass er die Möglichkeit dazu hat.
IV.
47 
Der Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Anforderungen aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG führt zur Aufhebung des Ausweisung, obwohl die europarechtlichen Vorgaben für die Ausweisung durch die RL 2004/38/EG sowohl in formeller als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht neu geregelt worden sind und die RL 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.4.2006 aufgehoben worden ist (Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG).
48 
Welche verfahrensrechtlichen Anforderungen bei aufenthaltsbeendenden Entscheidungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (insbesondere Ausweisungen) gegen Unionsbürger zu beachten sind, ist nunmehr in Art. 31 RL 2004/38/EG geregelt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung müssen im Rechtsbehelfsverfahren die Rechtmäßigkeit der Ausweisung sowie die Tatsachen und Umstände, auf denen sie beruht, überprüft werden können. Außerdem muss gewährleistet sein, dass sie insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 RL 2004/38/EG nicht unverhältnismäßig ist. Unabhängig von der Frage, inwieweit die RL 2004/38/EG nicht nur auf Unionsbürger, sondern auch auf türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 anwendbar ist, ist daher europarechtlich mit Wirkung vom 30.4.2006 nicht mehr erforderlich, dass die Ausweisungsentscheidung durch eine unabhängige zweite Stelle auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden kann (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 16.5.2006 - 11 LC 324/05 -, InfAuslR 2006, 350).
49 
Das ändert aber nichts daran, dass die Verfügung nach wie vor verfahrensfehlerhaft ist. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
50 
1. Maßstab für die Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 29.12.2003 ist nicht das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sondern das zur Zeit des Erlasses der Verfügung geltende Recht. Der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist daher weiterhin beachtlich.
51 
Der Beklagte argumentiert, dass die RL 2004/38/EG bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.4.2006 (vgl. Art. 40 Abs. 1 RL 2004/38 EG) Vorwirkungen entfaltet habe. Es genüge daher, wenn bei der Ausweisungsentscheidung gegen den Kläger die verfahrensrechtlichen Anforderungen aus dieser Richtlinie erfüllt seien. Dem ist nicht zu folgen. Die RL 2004/38/EG datiert vom 29.4.2004, wurde im Amtsblatt der Europäischen Union L 158 vom 30.4.2004 veröffentlicht und trat somit an diesem Tag in Kraft (vgl. Art. 41 RL 2004/38/ EG). Die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger wurde aber bereits am 29.12.2003 und somit vor Inkrafttreten der RL 2004/38/EG erlassen. Ungeachtet der grundsätzlich zu verneinenden Frage, ob Richtlinien bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfalten können (vgl. dazu auch Kühling, Vorwirkungen von EG-Richtlinien bei der Anwendung nationalen Rechts - Interpretationsfreiheit für Judikative und Exekutive?, DVBl., 2006, 857 ff.), können die Bestimmungen der RL 2004/38/EG schon deshalb nicht für das bei der Ausweisung zu beachtende Verfahren maßgeblich gewesen sein.
52 
2.) Was den für die Entscheidung in Ausweisungsfällen maßgebenden Zeitpunkt angeht, so ging das Bundesverwaltungsgericht früher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Ausweisungsverfügungen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Ausländers sowohl hinsichtlich der formellen als auch der materiellen Rechtmäßigkeit aufgrund der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu überprüfen seien (vgl. Urteil vom 15.3.2004 - 1 C 2.04 -, NVwZ 2005, 1074). Danach bliebe es bei dem einmal begangenen Verfahrensverstoß unabhängig von der weiteren Entwicklung.
53 
Diese Rechtsprechung ist allerdings für Unionsbürger und türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 durch neuere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts überholt. In seinen Urteilen vom 3.8.2004 (- 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297 - für Unionsbürger - und - 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 - für türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 -) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Ausweisung aufgrund der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung oder der Entscheidung des Tatsachengerichts zu überprüfen ist. Das Bundesverwaltungsgericht differenziert dabei nicht zwischen der formellen und der materiellen Rechtmäßigkeit; seine Entscheidungen betreffen allerdings nur Fallgestaltungen, bei denen nur die materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Streit stand.
54 
Die Konsequenz dieser neuen Rechtsprechung wäre, dass ein Verfahrensfehler nicht mehr festgestellt werden könnte; die Ausweisung wäre formell rechtmäßig (so unter Bezugnahme auf die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts OVG Lüneburg, Urteil vom 16.5.2006 - a.a.O.).
55 
Eine solche Übernahme der Grundsätze zum maßgeblichen Zeitpunkt hält der Senat - was das Verwaltungsverfahrensrecht angeht - generell jedoch nicht für zutreffend; ihr stehen Prinzipien des sog. intertemporalen Verfahrensrechts entgegen. Diese verlangen, dass die formelle Rechtmäßigkeit von Ausweisungsverfügungen weiterhin nach der Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu überprüfen ist (so auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -, a.a.O.; und OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2006 - OVG 7 B 16.05 -, InfAuslR 2006, 395).
56 
3.) Ein allgemeiner Grundsatz des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts, wie er auch in § 96 VwVfG zum Ausdruck kommt, besagt, dass neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch bereits anhängige Verfahren erfasst, sich aber nicht mehr auf bereits abgeschlossene Verwaltungsverfahren erstreckt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.7.1992 - 2 BvR 1693, 1728/90 -, NVwZ 1992, 1182, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.5.1991 - A 16 S 2357/90 -, NVwZ-RR 1992, S. 107 und Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., Rn 1 zu § 96 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
57 
Diese Regel des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts beruht wie das intertemporale Recht insgesamt auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die nicht nur im deutschen Recht, sondern auch in anderen Rechtsordnungen und insbesondere auch im EG-Recht Geltung beanspruchen können (vgl. dazu Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, Die Sozialgerichtsbarkeit 1993, 593/595). Ihr liegt letztlich die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung naturgemäß nur das im Zeitpunkt ihres Tätigwerdens geltende Verfahrensrecht beachten kann. Die Richtigkeit dieses Grundsatzes des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts wird durch die Betrachtung der umgekehrten Konstellation (Erhöhung der verfahrensrechtlichen Anforderungen nach Abschluss des Verfahrens), bestätigt. Hier kann es ersichtlich nicht angehen, der Verwaltung die Nichtbeachtung einer Vorschrift vorzuhalten, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch nicht gegolten hat, die damals also noch keine rechtliche Wirkung hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 -, ZAR 2006, 107/110 und OVG Lüneburg, Urteil vom 15.3.2006 - 10 LB 7/06 -, Asylmagazin 2006, 25/26 jeweils zu § 73 Abs. 2a AsylVfG).
58 
Eine Sondersituation, die ein Abweichen von diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz gebieten könnte, liegt hier nicht vor.
59 
Eine ausdrückliche Übergangsvorschrift enthält die RL 2004/38/EG nicht. Auch sonst kann ihr keine Aussage dahingehend entnommen werden, dass die formelle Rechtmäßigkeit von noch unter der Geltung der RL 64/221/EWG erlassenen Ausweisungsverfügungen jetzt am Maßstab der neuen verfahrensrechtlichen Regelungen in Art. 31 RL 2004/38/EG überprüft werden soll (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2006, a.a.O., S. 396). Denn sie bezweckt eine Verbesserung der Rechtsstellung Freizügigkeitsberechtigter, wie insbesondere die 3., 22., 23. und 24. Begründungserwägung zeigen. Diese Zielrichtung der Richtlinie würde beeinträchtigt, wenn sie dazu führte, dass eine bislang rechtswidrige Ausweisungsentscheidung jetzt als formell rechtmäßig qualifiziert werden müsste.
60 
Auch sonstige Regeln und Grundsätze des Europarechts führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Vielmehr sprechen die allgemeinen Regeln über die europarechtliche Freizügigkeit dafür, die formelle Rechtmäßigkeit weiterhin nach der Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu überprüfen.
61 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 3.8.2004 bei Klagen gegen die Ausweisung von Unionsbürgern und von türkischen Staatsangehörigen unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung deshalb auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt, um den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs Rechnung zu tragen, dass bei Klagen von Unionsbürgern und türkischen Staatsangehörigen mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 auch eine positive Entwicklung des Ausländers nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.). Dieses Ziel wird aber bereits dann erreicht, wenn hinsichtlich der materiellen Ausweisungsvoraussetzungen auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abgestellt wird. Die durch die Änderung der Rechtsprechung bezweckte Verbesserung der Rechtsstellung von Unionsbürgern und türkischen Staatsangehörigen mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 würde - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - in ihr Gegenteil verkehrt, wollte man auch bei der formellen Rechtmäßigkeit auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abstellen. Letztlich wäre dies auch deshalb bedenklich, weil die die Freizügigkeit beschränkende Normen grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. dazu erneut, EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.).
62 
Diesem Ergebnis entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in den Urteilen vom 13.9.2005 und vom 6.10.2005 (a.a.O.) auch entschieden, dass eine Ausweisung unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig ist. Zwar lässt sich diese Aussage dem Wortlaut nach auch dahin deuten, dass der Verfahrensfehler nicht nach § 45 VwVfG geheilt werden können soll und auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist; der Wegfall einer Verfahrensvorschrift wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich angesprochen. Dann hätte jedoch eine entsprechend eindeutige Aussage nahe gelegen (zum Begriff des unheilbaren Verfahrensfehlers s. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 2002, Rn 600).
63 
Damit kann die Ausweisungsverfügung wegen des nach wie vor relevanten Verfahrensfehlers keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er werde angesichts der fortbestehenden Gefährlichkeit des Klägers wieder eine Ausweisungsverfügung erlassen, ändert daran nichts. Wie sich bereits aus den obigen Ausführungen zu § 46 VwVfG ergibt, steht gerade nicht fest, dass eine neue Ermessensentscheidung, bei der auch die weitere Entwicklung des Klägers nach Entlassung aus der Haft zu berücksichtigen sein wird, zwangsläufig zu seinem Nachteil ausfallen wird. Abgesehen davon wird der Beklagte vor Erlass eine erneuten Ausweisungsverfügung auch zu prüfen haben, inwieweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung aus Art 28 RL 2004/38 EG auch für türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 gelten und ggf. erfüllt sind. Das Ergebnis ist offen.
64 
Die Abschiebungsandrohung ist gleichfalls rechtswidrig, denn die Aufenthaltsberechtigung des Klägers ist nicht erloschen (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG bzw. § 51 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), sondern besteht vielmehr als Niederlassungserlaubnis fort (§ 101 Abs. 1 AufenthG), weshalb der Kläger nicht ausreisepflichtig ist.
65 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
66 
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen das Außerkrafttreten des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zum 30.4.2006 auf in der Vergangenheit unter Verstoß gegen diese Vorschrift erlassene Ausweisungsverfügungen von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen hat, gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Die Rechtsfrage ist vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht geklärt; einerseits enthalten die oben genannten Urteile vom 3.8.2004 keine ausdrückliche Aussage dahin, dass auch hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bzw. der Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, andererseits können seine Urteile vom 13.9.2005 und vom 6.10.2005 auch dahingehend interpretiert werden, dass der Begriff „unheilbarer Verfahrensfehler“ nur im Hinblick auf die Regelungen in §§ 45, 46 VwVfG von Relevanz ist, aber keine Aussage für die Zeit nach Außerkrafttreten der RL 64/221 treffen soll. Zwar handelt es sich bei Art. 9 Abs. 1 RL64/221/EWG um außer Kraft getretenes Recht; die aufgeworfene Frage ist aber angesichts der Vielzahl der unter der Geltung dieser Vorschrift erlassenen und noch nicht bestandskräftig gewordenen Ausweisungen für einen nicht überschaubaren Personenkreis auf unabsehbare Zeit noch von Bedeutung; darüber hinaus kann die Frage auch Bedeutung für die Vielzahl der bei den Ausländerbehörden und Gerichten bereits anhängigen - sowie gegebenenfalls noch zu erwartenden - Verfahren auf Wiederaufgreifen von gemeinschaftsrechtswidrig erlassenen bestandskräftigen Ausweisungsverfügungen haben (zur Zulassung der Revision bei auslaufendem oder außer Kraft getretenen Recht vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24.10.1994 - 9 B 83.94 -, DVBl. 1995, 569 und vom 20.10.1995 - 6 B 35/95 -, NVwZ-RR 1996, 712 jeweils m.w.N.).
67 
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
19 
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere hat sie der Kläger nach Zulassung durch den Senat mit Beschluss vom 23.1.2006 - 13 S 1268/06 - gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO fristgerecht und entsprechend den formellen Anforderungen aus § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO begründet. Denn die Bezugnahme auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren lässt erkennen, aus welchen Gründen er das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts für unrichtig hält (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl., Rn 68 zu § 124a).
20 
Die Berufung hat auch sachlich Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn sie ist zulässig und begründet. Die gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes weiterhin wirksame Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.12.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
Die Ausweisung des Klägers, der sich auf das Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann (I.), ist wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221 - die Bestimmung findet nicht nur auf Unionsbürger Anwendung, sondern auch auf türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 - verfahrensfehlerhaft (II.). Dieser Verstoß ist nicht unbeachtlich (III.), und der Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung besteht unabhängig davon, dass die Richtlinie 64/221/EWG gemäß Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Ablauf des 30.4.2006 außer Kraft getreten ist (IV.).
I.
22 
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Kläger der assoziationsrechtliche Status aus Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 zu, womit er nicht nur ein Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern auch ein damit korrespondierendes - erhöhten Ausweisungsschutz vermittelndes - Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet besitzt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 -[Cetinkaya], InfAuslR 2005, 13 m.N. aus der früheren Rechtsprechung des EuGH zum assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht).
23 
Auch der Beklagte stellt nicht in Frage, dass der Kläger mindestens fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern, die damals noch türkische Staatsangehörige waren, zusammengelebt und dadurch das Recht aus Art. 7 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hat (vgl. dazu bereits den Beschluss des Senats vom 19.1.2006 - 13 S 1207/05 -).
24 
Durch die nachfolgende Entwicklung hat der Kläger diese Rechtsposition nicht verloren. Dass er sich Ende des Jahres 2000 als Gastwirt selbständig gemacht hat und damit dem Arbeitsmarkt nicht mehr als unselbständiger Arbeitnehmer zur Verfügung stand, hat weder unmittelbar (1.) noch mittelbar über einen Erlöschenstatbestand gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (2.) zum Verlust des Rechts aus Art 7 Abs. 1 ARB 1/80 geführt. Ein Verstoß gegen das sogenannte Besserstellungsverbot ist darin nicht zu sehen (3.). Ebensowenig hatten die Strafhaft und die Einbürgerung seiner Eltern Einfluss auf die Rechtsstellung aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 (4).
25 
1.) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings vertreten worden, dass die auf Dauer angelegte Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit (Eröffnung einer Gaststätte durch den Kläger) das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 ARB entfallen lässt, weil der Ausländer dann dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 1303/04 - (juris) und Mallmann, Neuere Rechtsprechung zum assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht türkischer Familienangehöriger, ZAR 2006, 50/54, FN 35 m.w.N.). Diese Rechtsprechung kann vor dem Hintergrund neuer Rechtsprechung des EuGH jedoch keinen Bestand mehr haben. In dem bereits genannten Urteil vom 11.11.2004 [Cetinkaya] hat der EuGH unter Rn 38 ausgeführt, dass das Recht aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden könne, nämlich nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit oder weil der Betroffene das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während eines erheblichen Zeitraums ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Dem schließt sich der Senat an. In Reaktion auf das Urteil des EuGH in der Sache Cetinkaya hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen allerdings weiterhin die Auffassung vertreten, dass Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht nur zum Zwecke der tatsächlichen Ausübung einer Beschäftigung oder zum ernsthaften Betreiben des Zugangs zum Arbeitsmarkt verleihe (vgl. Beschluss vom 10.12.2004 - 18 B 2599/04 -, InfAuslR 2005, 92). Zur Begründung führte es aus, der EuGH habe sich in der Sache Cetinkaya mit der Frage eines Aufenthaltsrechts, ohne arbeiten zu wollen, gar nicht beschäftigen müssen, da der Kläger in diesem Verfahren vor seiner Inhaftierung stets erwerbstätig gewesen sei. Im übrigen beschreibe der EuGH das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 als ein solches auf Zugang zur Beschäftigung und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Daraus sei zu folgern, dass der Fortbestand des Rechts die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder wenigstens das Betreiben des Zugangs zum Arbeitsmarkt voraussetze. Mit dieser Argumentation verkennt das OVG Nordrhein-Westfalen jedoch, dass der EuGH in dem Urteil in der Sache Cetinkaya stets nur von einem Recht auf Aufenthalt bzw. auf Zugang zum Arbeitsmarkt gesprochen, das Aufenthaltsrecht aber nicht mit einer Pflicht verknüpft hat, dem Arbeitsmarkt als unselbständig Erwerbstätiger oder Arbeitssuchender zur Verfügung zu stehen. Unter Rn 30 des Urteils führt er im Gegenteil explizit aus, die Mitgliedstaaten seien nach Erwerb des Rechts aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nicht befugt, das Aufenthaltsrecht noch von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Zutreffend wird in der Literatur (Gutmann, InfAuslR 2005, 94) darauf hingewiesen, der EuGH habe unter Rn 33 seines Urteils sogar festgestellt, die Rechte aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 könnten dem türkischen Arbeitnehmer nicht dadurch genommen werden, dass er nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt angehöre. Nach dem Grund des Ausscheidens differenziere der EuGH dabei nicht. Sogar im Aufnahmeland geborene Kinder, die den Arbeitsmarkt nie betreten hätten, sollten im Gegenteil das Recht aus Art. 7 Abs. 1 ARB erwerben, ohne dass ein Verlusttatbestand für den Fall normiert worden sei, dass sie später keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnähmen. In seinem Urteil vom 7.7.2005 (- C- 373/03- [Aydinli], InfAuslR 2005, 352) hat der EuGH seine Entscheidung in der Sache Cetinkaya nicht nur bestätigt, sondern unter Rn 29 ausdrücklich entschieden, anders als bei Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hänge die Entstehung des Beschäftigungsrechts der Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nicht davon ab, dass diese dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Staates angehörten und während einer bestimmten Dauer eine Beschäftigung im Lohn oder Gehaltsverhältnis ausübten. Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 gewähre den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers mithin Zugang zu einer Beschäftigung, lege ihnen jedoch keine Verpflichtung auf, eine Beschäftigung im Lohn oder Gehaltsverhältnis auszuüben, wie das in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehen sei (so auch Döring, Erhöhter Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige, DVBl. 2005, 1221/1225).
26 
2.) Auch ein - denkbarer - Erlöschenstatbestand nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 hätte die Rechtsstellung des Klägers aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nicht entfallen lassen.
27 
Der Kläger war nach Abbruch des Berufskollegs im Jahre 1994 bis zur Eröffnung der Gaststätte im Jahre 2000, wenn auch unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, immer wieder als Arbeitnehmer tätig. Ob er in dieser Zeit auch ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben hat, ist nicht geklärt, aber auch rechtlich unerheblich. Hätte er den Status nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben, wäre dieser nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt wohl erloschen. Das unabhängig davon erworbene Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 wäre dadurch jedoch nicht untergegangen. Wie der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 („vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7“) zeigt, ist Art. 7 ARB 1/80 eine Spezialvorschrift zu Art. 6 ARB 1/80 (vgl. dazu auch Urteil des EuGH vom 7.7.2005, C-373/03-, [Aydinli], Rn 19, zitiert nach Mallmann, a.a.O., S. 53, Fn 32, dort auch zur teilweise abweichenden Auffassung der Generalanwälte des EuGH; siehe auch Döring a.a.O.). Auch unter Wertungsgesichtspunkten erschiene es im übrigen nicht vertretbar, wenn der zusätzliche Erwerb einer weiteren Rechtsposition (Recht aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80) dazu führen würde, dass das bereits zuvor erworbene Recht (aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80) unter erleichterten Voraussetzungen verloren geht.
28 
3.) Die oben wiedergegebene Rechtsprechung des EuGH, wonach der Fortbestand der Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 nicht von der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bzw. von Bemühungen zur Aufnahme einer solchen Tätigkeit abhängt, führt auch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.9.1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (vgl. BGBl. II 1992, 385/396) - Zusatzprotokoll -, wonach der Türkei keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen.
29 
Der europäische Gerichtshof hat allerdings bereits entschieden, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EG-Vertrag die Mitgliedstaaten nur verpflichtet, Unionsbürgern eine angemessene Zeit einzuräumen, damit sie sich im Aufnahmemitgliedstaat eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle suchen und sich gegebenenfalls dafür bewerben können; sie gewährt allerdings kein von der Bereitschaft zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit unabhängiges Aufenthaltsrecht (vgl. Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89 -, Antonissen, Slg 1991, I-745, Rn 13, 15 und 16 sowie erneut im Zusammenhang mit einem nach Art. 6 ARB 1/80 berechtigten türkischen Staatsangehörigen im Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 - [Tetik], InfAuslR 1997, 146, Rn 27).
30 
Ein Verstoß gegen das Verbot der Besserstellung türkischer Staatsangehöriger aus Art. 59 Zusatzprotokoll liegt gleichwohl nicht vor. Wie bereits oben ausgeführt, verlieren auch türkische Staatsangehörige, die als Arbeitnehmer ein originäres Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben haben, ihre Rechtsstellung wieder, wenn sie dem Arbeitmarkt als unselbständige Arbeitnehmer nicht mehr zur Verfügung stehen (vgl. zu den Einzelheiten des Rechtsverlusts insbesondere EuGH, Urteil vom 20.2.2000 - C-340/97 -, [Nazli], InfAuslR 2000, 161, Rn 40 ff.). Die Situation der türkischen Staatsangehörigen, die als Arbeitnehmer ein originäres Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben haben, entspricht damit derjenigen der Unionsbürger, die sich auf ihr Freizügigkeitsrecht berufen: Der Fortbestand des Rechts ist jeweils von der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit oder wenigstens dem Willen und der Möglichkeit zur Aufnahme einer solchen abhängig.
31 
Demgegenüber erwerben Familienangehörige eines Unionsbürgers - ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit - das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie sich fünf Jahre rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben (vgl. Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 RL 2004/38/EG). Die Entstehung und der Fortbestand des Daueraufenthaltsrechts ist nicht an die Voraussetzungen aus Kap. III der RL 2004/38/EG geknüpft (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RL 2004/38/EG), steht also in keinem Zusammenhang mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl. Art. 7 ARB 1/80). Ebenso ist bereits vor Ablauf des Fünfjahreszeitraumes aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie das Aufenthaltsrecht nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig (vgl. Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG). Familienangehörige türkischer Arbeitnehmer mit einem Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 werden also nicht besser gestellt als die von Unionsbürgern.
32 
Der Beklagte macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, ein Verstoß gegen das Verbot der Besserstellung resultiere daraus, dass der Begriff des „Familienangehörigen“ in Art. 7 ARB 1/80 weiter sei als der in Art 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG; insbesondere erfasse Art. 7 ARB 1/80 auch Verwandte in gerader absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben und denen der Stammberechtigte keinen Unterhalt gewährt (vgl. dazu Art. 2 Nr. 2 c RL 2004/38/EG). Dieser Argumentation ist aber nicht zu folgen: Zwar ist der Begriff des „Familienangehörigen“ in Art. 7 ARB 1/80 anders als in Art. 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG nicht ausdrücklich definiert. Der EuGH hat jedoch bereits entschieden, dass er zur Sicherstellung seiner homogenen Anwendung auf Gemeinschaftsebene in Art. 7 ARB 1/80 ebenso auszulegen ist wie in den Freizügigkeit gewährenden Normen des Gemeinschaftsrechts (vgl. Urteil vom 30.09.2004 - C-275/02 -, [Ayaz], InfAuslR 2004, 416 RN 45). Er hat sich dabei auf den Begriff des Familienangehörigen aus Art. 10 Abs. 1 VO 1612/68 gestützt. Nachdem diese Bestimmung durch Art. 38 Abs. 1 RL 2004/38/EG aufgehoben worden ist, bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken, die im hier maßgeblichen Punkt inhaltlich übereinstimmende Definition in Art 2 RL 2004/38/EG - der Nachfolgebestimmung - heranzuziehen, so dass es aufgrund der einheitlichen Auslegung des Tatbestandsmerkmals auch insoweit nicht zu einem Verstoß gegen das Besserstellungsverbot kommt.
33 
4.) Wie sich aus den zitierten Entscheidungen des EuGH in den Sachen Cetinkaya und Aydinli ergibt, ist das Recht des Klägers aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 auch weder mit dem Eintritt der Volljährigkeit noch durch die Verbüßung der verhängten Strafhaft erloschen (vgl. zur Verbüßung der Strafhaft auch BVerwG, Urteil vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 und DVBl. 2006, 317). Ebenso ist unbeachtlich, dass die Eltern des Klägers als Stammberechtigte, von denen er sein Aufenthaltsrecht ableitet, mit der Einbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben. Denn eine Verstärkung der Rechtsstellung des Stammberechtigten kann keinen Verlusttatbestand für das von ihm abgeleitete Recht des Familienangehörigen darstellen.
II.
34 
Die für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger geltenden verfahrensrechtlichen Anforderungen aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG finden auch auf türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 Anwendung (1.). Sie wurden vorliegend nicht beachtet, weshalb die Ausweisung des Klägers rechtswidrig war (2.).
35 
1.) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 -, [Dörr und Ünal, InfAuslR 2005, 289) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar nur für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, auch auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, die - wie der Kläger - über ein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 verfügen (vgl. Urteile vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110 und DVBl. 2006, 372 sowie vom 6.10.2005, a.a.O.). Diesen Ausgangspunkt teilt der Senat (s. etwa Beschluss vom 19.01.2006 - 13 S 1207/05 -)
36 
2.) Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG sieht vor, dass, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes trifft, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Diese Vorgaben wurden nicht beachtet.
37 
2.1) Hinsichtlich des in Art. 9 Abs. 1 ARB 1/80 angesprochenen Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung ist nicht zu bestreiten, dass die Ausweisungsentscheidung nach deutschem Prozessrecht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht aber auch auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft wird. Denn gemäß § 114 Satz 1 VwGO kann Ermessen - darum geht es hier - nur auf Rechtsfehler hin überprüft werden, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit. Die vom EuGH geforderte erschöpfende Prüfung aller der Ausweisungsverfügung zugrunde liegenden Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeit ist danach gemäß Art. 68 Abs. 1 VwGO nur im Widerspruchsverfahren, nicht aber im Verwaltungsprozess möglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.9.2006, a.a.O., unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01- und - C-493/01 -, [Orfanopoulos und Oliveri], InfAuslR 2004, 268, Rn 103 ff.). Dieser Auffassung folgt auch der Senat. Der 11. Senat des erkennenden Gerichtshofs hat seinen gegenteiligen Standpunkt, wonach die vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte im deutschen Verwaltungsprozess gewährleistet sei, weil beim Begriff der Zweckmäßigkeit nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffes im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausgegangen werden dürfe (vgl. Urteil vom 21.7.2004 - 11 S 535/04 -, VBlBW 2004, 481), im Anschluss an die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgegeben (vgl. Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Da gegen Ausweisungsverfügungen der Regierungspräsidien gemäß § 6a AGVwGO kein Widerspruch gegeben, sondern sofort die Anfechtungsklage statthaft ist, verstößt eine Ausweisung ohne vorherige Einschaltung einer „zweiten zuständigen Stelle“ nur bei Vorliegen eines dringenden Falles nicht gegen Art. 9 RL 64/221/EWG.
38 
2.2) Ein solcher dringender Fall war (und ist) hier jedoch nicht gegeben. Hinsichtlich der Überprüfung, ob eine Ausweisung dringlich im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist, besteht kein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung, vielmehr unterliegt dieses Tatbestandsmerkmal der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. dazu ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - m.z.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Auch der Beklagte hat im vorliegenden Verfahren keinen gegenteiligen Standpunkt mehr vertreten.
39 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.9.2005 - BVerwG 1 C7.04 -, a.a.O. ist das Merkmal der Dringlichkeit als Ausnahme vom Grundsatz der Freizügigkeit „besonders eng auszulegen“; ein dringender Fall könne erst dann angenommen werden, wenn ein Zuwarten mit der Vollziehung der Ausweisung nicht zu verantworten sei, etwa weil die begründete Besorgnis bestehe, die von dem Ausländer ausgehende erhebliche Gefahr werde sich schon vor Abschluss des „Hauptverfahrens“ realisieren. Die Verzögerung durch Einschaltung einer zweiten Behörde sei dann nicht hinnehmbar. Daher genüge für die Annahme eines dringenden Falles nicht, dass die Ausländerbehörde die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet habe. Vielmehr müsse (vergleichbar den Anforderungen aus § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) ein besonderes öffentliches Interesse daran festgestellt werden, das „Hauptverfahren“ nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer „weiteren, unmittelbar drohenden erheblichen Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen. Dazu seien die im konkreten Einzelfall einander widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange gegeneinander abzuwägen. Weil die dabei maßgeblich zu berücksichtigende Schwere der vom Ausländer ausgehenden Gefahr während der Zeit seiner Inhaftierung regelmäßig entfallen werde, könne ein dringender Fall nur dann angenommen werden, wenn er aus der Haft heraus abgeschoben werden solle. Umgekehrt scheide die Annahme eines dringenden Falles aus, wenn die Ausländerbehörde den Fall selbst nicht als dringlich erachte und behandle, das Verfahren selbst nicht zügig betreibe, die sofortige Vollziehung nicht anordne oder von dieser nicht unverzüglich - gegebenenfalls nach gerichtlicher Bestätigung - Gebrauch mache.
40 
Vor dem Hintergrund dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Senat seine frühere Auffassung, wonach ein dringender Fall regelmäßig anzunehmen sei, wenn wie vorliegend die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet wurde (vgl. Beschlüsse vom 22.3.2004 - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff. und vom 26.8.2005 - 13 S 1482/05 -), aufgegeben (vgl. Beschlüsse vom 19.01.2006 - 13 S 1207/05 - und vom 21.02.2006 - 13 S1953/05 -).
41 
Bei einem Ausländer, der sich - wie der Kläger - während des Ausweisungsverfahrens in Haft befindet, scheidet daher die Annahme eines dringenden Falles in aller Regel aus, wenn vor dem Entlassungszeitpunkt oder der beabsichtigten Abschiebung aus der Haft ausreichend Zeit zur Einschaltung der in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderten zweiten Stelle besteht; anders ist es, wenn auch in diesem Zeitraum vom Ausländer eine erhebliche Gefahr ausgeht (vgl. dazu und auch zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt - Erlass der Ausweisungsverfügung oder Entscheidung des Gerichts - insoweit abzustellen ist VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - ).
42 
Nach diesem Maßstab war ein dringender Fall hier nicht gegeben. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten sowie des Beginns der Inhaftierung (März 2003) vor September 2004 weder mit einer Entlassung noch mit einer Abschiebung aus der Haft zu rechnen war. Die Abschiebung aus der Haft nach § 456a StPO kommt im Regefall frühestens nach Vollstreckung der Hälfte der Freiheitsstrafe in Betracht (vgl. dazu die AV des JuM vom 17.10.1996, Die Justiz S. 500, III. 1. c). Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung hätte beim Kläger ohnehin erst nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe erfolgen dürfen, da die verhängte Freiheitsstrafe zwei Jahre übersteigt und der Kläger außerdem auch bereits wiederholt inhaftiert war (vgl. § 57 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB). Bei der Entscheidung über die Ausweisung am 29.12.2003 stand damit ausreichend Zeit für die in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG geforderte Zweckmäßigkeitsprüfung zur Verfügung. Dies gilt um so mehr, als die Ausländerbehörde auch nach einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO den Zeitpunkt der Abschiebung selbst bestimmen kann und damit die Möglichkeit hat, mit dieser bis zum Abschluss des Verfahrens vor der zweiten Stelle zuzuwarten. Dafür, dass auch während der Zeit der Inhaftierung vom Kläger eine schwere Gefahr ausgehen würde, sind Gründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
III.
43 
Der damit vorliegende Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich.
44 
Überwiegend wird vertreten, dass diese Norm ebenso wenig wie auf sog. absolute Verfahrensfehler (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 15.1.1982 -4 C 26.78-, BVerwGE 64, 325 ff.) auf Verfahrensvorschriften des Gemeinschaftsrechts und solche nationalen Vorschriften, die auf Gemeinschaftsrecht beruhen, anwendbar sei; dies wird aus dem Erfordernis effektiver, einheitlicher Wirkung des EU-Rechts in allen Mitgliedsländern (sog. „effet utile“, vgl. dazu etwa Kenntner, Rechtsschutz in Europa, in Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, 2002, S. 76) geschlossen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., Rn 20 zu § 46; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., RN 176 ff zu § 45; VG Stuttgart, Urteil vom 7.2.2006 - 5 K 5146/04 -, [Vensa] und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -, m.N. auch zur gegenteiligen Auffassung und zum europarechtlichen Verständnis des Verwaltungsverfahrens). Danach würde Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG bereits vom Anwendungsbereich her ausscheiden.
45 
Ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf Verfahrensfehler nach Europarecht ist der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG aber auch deshalb nicht nach dieser Norm unbeachtlich, weil nicht offensichtlich ist, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, dürfen nämlich nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen nur auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß §§ 45, 46 AuslG (jetzt: § 55 AufenthG) ausgewiesen werden. Dabei sind neben der Art und Schwere der begangenen Straftat die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und die privaten Belange des Betroffenen umfassend abzuwägen. Die Verwirklichung eines Ist- oder Regelausweisungstatbestandes darf zwar in die Abwägung einbezogen werden, jedoch nicht im Sinne einer Regelvermutung oder eines sonstigen Automatismus; maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315/319 ff.). War danach über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Eine sog. Ermessensreduktion auf Null, bei der dies ausnahmsweise anders sein könnte (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn 32 und 35 zu § 46 VwVfG), liegt trotz der vom Kläger begangenen schwerwiegenden Straftaten und der weiterhin auch nach Auffassung des Senats konkret gegebenen Wiederholungsgefahr nicht vor. Eine „zweite Stelle“ hätte in eigener Kompetenz und Verantwortung eine Abwägung zu treffen gehabt, deren Ergebnis nicht von vornherein unzweifelhaft feststand. So wäre etwa zu Gunsten des Klägers seine starke Integration in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu berücksichtigen gewesen. Der Argumentation des Beklagten, auch im Falle der Einschaltung einer „zweiten Stelle“ wäre der Kläger auf jeden Fall ausgewiesen worden, kann schon aus diesem Grund nicht gefolgt werden. Ein solche „zweite Stelle war zudem zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht geschaffen worden; auch deswegen ist eine Vorhersage über denkbare Ergebnisse ihrer Prüfung nicht möglich. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob die Rechtsfigur der Ermessensreduktion auf Null angesichts der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die sich ihrerseits auf die Rechtsprechung des EuGH stützt (Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01 und C -493/01 - [Orfanopoulos und Oliveri], DVBl. 2004, 876), im Falle der Ausweisung von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen überhaupt angewendet werden kann.
46 
Der Kläger hat sein Recht auf Einschaltung einer „zweiten Stelle“ schließlich auch nicht dadurch verloren, dass er im Anhörungsverfahren vor Erlass der Ausweisungsverfügung keine Stellungnahme abgegeben hat. Denn Art. 9 RL 64/221/EWG bestimmt nicht, dass eine solche Stellungnahme Voraussetzung für die Einschaltung einer „zweiten Stelle“ wäre. Auch im Verfahren vor der „zweiten Stelle“ muss sich der Ausländer nicht beteiligen; es genügt, dass er die Möglichkeit dazu hat.
IV.
47 
Der Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Anforderungen aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG führt zur Aufhebung des Ausweisung, obwohl die europarechtlichen Vorgaben für die Ausweisung durch die RL 2004/38/EG sowohl in formeller als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht neu geregelt worden sind und die RL 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.4.2006 aufgehoben worden ist (Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG).
48 
Welche verfahrensrechtlichen Anforderungen bei aufenthaltsbeendenden Entscheidungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (insbesondere Ausweisungen) gegen Unionsbürger zu beachten sind, ist nunmehr in Art. 31 RL 2004/38/EG geregelt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung müssen im Rechtsbehelfsverfahren die Rechtmäßigkeit der Ausweisung sowie die Tatsachen und Umstände, auf denen sie beruht, überprüft werden können. Außerdem muss gewährleistet sein, dass sie insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 RL 2004/38/EG nicht unverhältnismäßig ist. Unabhängig von der Frage, inwieweit die RL 2004/38/EG nicht nur auf Unionsbürger, sondern auch auf türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 anwendbar ist, ist daher europarechtlich mit Wirkung vom 30.4.2006 nicht mehr erforderlich, dass die Ausweisungsentscheidung durch eine unabhängige zweite Stelle auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden kann (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 16.5.2006 - 11 LC 324/05 -, InfAuslR 2006, 350).
49 
Das ändert aber nichts daran, dass die Verfügung nach wie vor verfahrensfehlerhaft ist. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
50 
1. Maßstab für die Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 29.12.2003 ist nicht das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sondern das zur Zeit des Erlasses der Verfügung geltende Recht. Der Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG ist daher weiterhin beachtlich.
51 
Der Beklagte argumentiert, dass die RL 2004/38/EG bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.4.2006 (vgl. Art. 40 Abs. 1 RL 2004/38 EG) Vorwirkungen entfaltet habe. Es genüge daher, wenn bei der Ausweisungsentscheidung gegen den Kläger die verfahrensrechtlichen Anforderungen aus dieser Richtlinie erfüllt seien. Dem ist nicht zu folgen. Die RL 2004/38/EG datiert vom 29.4.2004, wurde im Amtsblatt der Europäischen Union L 158 vom 30.4.2004 veröffentlicht und trat somit an diesem Tag in Kraft (vgl. Art. 41 RL 2004/38/ EG). Die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger wurde aber bereits am 29.12.2003 und somit vor Inkrafttreten der RL 2004/38/EG erlassen. Ungeachtet der grundsätzlich zu verneinenden Frage, ob Richtlinien bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfalten können (vgl. dazu auch Kühling, Vorwirkungen von EG-Richtlinien bei der Anwendung nationalen Rechts - Interpretationsfreiheit für Judikative und Exekutive?, DVBl., 2006, 857 ff.), können die Bestimmungen der RL 2004/38/EG schon deshalb nicht für das bei der Ausweisung zu beachtende Verfahren maßgeblich gewesen sein.
52 
2.) Was den für die Entscheidung in Ausweisungsfällen maßgebenden Zeitpunkt angeht, so ging das Bundesverwaltungsgericht früher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Ausweisungsverfügungen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Ausländers sowohl hinsichtlich der formellen als auch der materiellen Rechtmäßigkeit aufgrund der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu überprüfen seien (vgl. Urteil vom 15.3.2004 - 1 C 2.04 -, NVwZ 2005, 1074). Danach bliebe es bei dem einmal begangenen Verfahrensverstoß unabhängig von der weiteren Entwicklung.
53 
Diese Rechtsprechung ist allerdings für Unionsbürger und türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 durch neuere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts überholt. In seinen Urteilen vom 3.8.2004 (- 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297 - für Unionsbürger - und - 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 - für türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 -) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Ausweisung aufgrund der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung oder der Entscheidung des Tatsachengerichts zu überprüfen ist. Das Bundesverwaltungsgericht differenziert dabei nicht zwischen der formellen und der materiellen Rechtmäßigkeit; seine Entscheidungen betreffen allerdings nur Fallgestaltungen, bei denen nur die materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Streit stand.
54 
Die Konsequenz dieser neuen Rechtsprechung wäre, dass ein Verfahrensfehler nicht mehr festgestellt werden könnte; die Ausweisung wäre formell rechtmäßig (so unter Bezugnahme auf die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts OVG Lüneburg, Urteil vom 16.5.2006 - a.a.O.).
55 
Eine solche Übernahme der Grundsätze zum maßgeblichen Zeitpunkt hält der Senat - was das Verwaltungsverfahrensrecht angeht - generell jedoch nicht für zutreffend; ihr stehen Prinzipien des sog. intertemporalen Verfahrensrechts entgegen. Diese verlangen, dass die formelle Rechtmäßigkeit von Ausweisungsverfügungen weiterhin nach der Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu überprüfen ist (so auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.6.2006 - 11 S 2299/05 -, a.a.O.; und OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2006 - OVG 7 B 16.05 -, InfAuslR 2006, 395).
56 
3.) Ein allgemeiner Grundsatz des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts, wie er auch in § 96 VwVfG zum Ausdruck kommt, besagt, dass neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch bereits anhängige Verfahren erfasst, sich aber nicht mehr auf bereits abgeschlossene Verwaltungsverfahren erstreckt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.7.1992 - 2 BvR 1693, 1728/90 -, NVwZ 1992, 1182, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.5.1991 - A 16 S 2357/90 -, NVwZ-RR 1992, S. 107 und Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., Rn 1 zu § 96 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
57 
Diese Regel des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts beruht wie das intertemporale Recht insgesamt auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die nicht nur im deutschen Recht, sondern auch in anderen Rechtsordnungen und insbesondere auch im EG-Recht Geltung beanspruchen können (vgl. dazu Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, Die Sozialgerichtsbarkeit 1993, 593/595). Ihr liegt letztlich die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung naturgemäß nur das im Zeitpunkt ihres Tätigwerdens geltende Verfahrensrecht beachten kann. Die Richtigkeit dieses Grundsatzes des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts wird durch die Betrachtung der umgekehrten Konstellation (Erhöhung der verfahrensrechtlichen Anforderungen nach Abschluss des Verfahrens), bestätigt. Hier kann es ersichtlich nicht angehen, der Verwaltung die Nichtbeachtung einer Vorschrift vorzuhalten, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch nicht gegolten hat, die damals also noch keine rechtliche Wirkung hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 -, ZAR 2006, 107/110 und OVG Lüneburg, Urteil vom 15.3.2006 - 10 LB 7/06 -, Asylmagazin 2006, 25/26 jeweils zu § 73 Abs. 2a AsylVfG).
58 
Eine Sondersituation, die ein Abweichen von diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz gebieten könnte, liegt hier nicht vor.
59 
Eine ausdrückliche Übergangsvorschrift enthält die RL 2004/38/EG nicht. Auch sonst kann ihr keine Aussage dahingehend entnommen werden, dass die formelle Rechtmäßigkeit von noch unter der Geltung der RL 64/221/EWG erlassenen Ausweisungsverfügungen jetzt am Maßstab der neuen verfahrensrechtlichen Regelungen in Art. 31 RL 2004/38/EG überprüft werden soll (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2006, a.a.O., S. 396). Denn sie bezweckt eine Verbesserung der Rechtsstellung Freizügigkeitsberechtigter, wie insbesondere die 3., 22., 23. und 24. Begründungserwägung zeigen. Diese Zielrichtung der Richtlinie würde beeinträchtigt, wenn sie dazu führte, dass eine bislang rechtswidrige Ausweisungsentscheidung jetzt als formell rechtmäßig qualifiziert werden müsste.
60 
Auch sonstige Regeln und Grundsätze des Europarechts führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Vielmehr sprechen die allgemeinen Regeln über die europarechtliche Freizügigkeit dafür, die formelle Rechtmäßigkeit weiterhin nach der Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung zu überprüfen.
61 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 3.8.2004 bei Klagen gegen die Ausweisung von Unionsbürgern und von türkischen Staatsangehörigen unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung deshalb auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt, um den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs Rechnung zu tragen, dass bei Klagen von Unionsbürgern und türkischen Staatsangehörigen mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 auch eine positive Entwicklung des Ausländers nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.). Dieses Ziel wird aber bereits dann erreicht, wenn hinsichtlich der materiellen Ausweisungsvoraussetzungen auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abgestellt wird. Die durch die Änderung der Rechtsprechung bezweckte Verbesserung der Rechtsstellung von Unionsbürgern und türkischen Staatsangehörigen mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 würde - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - in ihr Gegenteil verkehrt, wollte man auch bei der formellen Rechtmäßigkeit auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abstellen. Letztlich wäre dies auch deshalb bedenklich, weil die die Freizügigkeit beschränkende Normen grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. dazu erneut, EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.).
62 
Diesem Ergebnis entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in den Urteilen vom 13.9.2005 und vom 6.10.2005 (a.a.O.) auch entschieden, dass eine Ausweisung unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig ist. Zwar lässt sich diese Aussage dem Wortlaut nach auch dahin deuten, dass der Verfahrensfehler nicht nach § 45 VwVfG geheilt werden können soll und auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist; der Wegfall einer Verfahrensvorschrift wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich angesprochen. Dann hätte jedoch eine entsprechend eindeutige Aussage nahe gelegen (zum Begriff des unheilbaren Verfahrensfehlers s. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 2002, Rn 600).
63 
Damit kann die Ausweisungsverfügung wegen des nach wie vor relevanten Verfahrensfehlers keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er werde angesichts der fortbestehenden Gefährlichkeit des Klägers wieder eine Ausweisungsverfügung erlassen, ändert daran nichts. Wie sich bereits aus den obigen Ausführungen zu § 46 VwVfG ergibt, steht gerade nicht fest, dass eine neue Ermessensentscheidung, bei der auch die weitere Entwicklung des Klägers nach Entlassung aus der Haft zu berücksichtigen sein wird, zwangsläufig zu seinem Nachteil ausfallen wird. Abgesehen davon wird der Beklagte vor Erlass eine erneuten Ausweisungsverfügung auch zu prüfen haben, inwieweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung aus Art 28 RL 2004/38 EG auch für türkische Staatsangehörige mit einem Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 gelten und ggf. erfüllt sind. Das Ergebnis ist offen.
64 
Die Abschiebungsandrohung ist gleichfalls rechtswidrig, denn die Aufenthaltsberechtigung des Klägers ist nicht erloschen (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG bzw. § 51 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), sondern besteht vielmehr als Niederlassungserlaubnis fort (§ 101 Abs. 1 AufenthG), weshalb der Kläger nicht ausreisepflichtig ist.
65 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
66 
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen das Außerkrafttreten des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zum 30.4.2006 auf in der Vergangenheit unter Verstoß gegen diese Vorschrift erlassene Ausweisungsverfügungen von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen hat, gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Die Rechtsfrage ist vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht geklärt; einerseits enthalten die oben genannten Urteile vom 3.8.2004 keine ausdrückliche Aussage dahin, dass auch hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bzw. der Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, andererseits können seine Urteile vom 13.9.2005 und vom 6.10.2005 auch dahingehend interpretiert werden, dass der Begriff „unheilbarer Verfahrensfehler“ nur im Hinblick auf die Regelungen in §§ 45, 46 VwVfG von Relevanz ist, aber keine Aussage für die Zeit nach Außerkrafttreten der RL 64/221 treffen soll. Zwar handelt es sich bei Art. 9 Abs. 1 RL64/221/EWG um außer Kraft getretenes Recht; die aufgeworfene Frage ist aber angesichts der Vielzahl der unter der Geltung dieser Vorschrift erlassenen und noch nicht bestandskräftig gewordenen Ausweisungen für einen nicht überschaubaren Personenkreis auf unabsehbare Zeit noch von Bedeutung; darüber hinaus kann die Frage auch Bedeutung für die Vielzahl der bei den Ausländerbehörden und Gerichten bereits anhängigen - sowie gegebenenfalls noch zu erwartenden - Verfahren auf Wiederaufgreifen von gemeinschaftsrechtswidrig erlassenen bestandskräftigen Ausweisungsverfügungen haben (zur Zulassung der Revision bei auslaufendem oder außer Kraft getretenen Recht vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24.10.1994 - 9 B 83.94 -, DVBl. 1995, 569 und vom 20.10.1995 - 6 B 35/95 -, NVwZ-RR 1996, 712 jeweils m.w.N.).
67 
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.