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Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch im übrigen zulässig. In seiner innerhalb eines Monats (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) eingegangenen Berufungsbegründung (vgl. § 124 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 3 Satz 4 VwGO) hat sich der Kläger in der erforderlichen Weise unter Sichtung und Durchdringung des Streitstoffes mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.9.1999 - 9 B 372.99 - NVwZ 2000, 67) und zu erkennen gegeben, dass und inwiefern er nach wie vor an der Durchführung des Berufungsverfahrens interessiert ist. Die Berufungsbegründung enthält auch einen bestimmten Antrag.
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Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.5.2001 abgewiesen. Denn diese Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO).
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1. Für die Beurteilung, ob die angefochtene Ausweisungsverfügung mit nationalem Recht in Einklang steht, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier im Mai 2001 - abzustellen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats (BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 -; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288; vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996 - 11 S 2511/96 -; vom 28.7.1999 - 11 S 2387/98 -; vom 19.4.2000 - 11 S 1387/99 -, VBlBW 2001, 25; vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 und vom 21.7.2004 - 11 S 1303/04 -; ebenso der 13. Senat des VGH Baden-Württemberg im Urteil vom 15.5.2003 - 13 S 1113/02 -). Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung (unter Verweis auf Beichel, InfAuslR 2002, 457) zur Unvereinbarkeit dieser Auffassung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und in der mündlichen Verhandlung geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu ändern. Es wird nicht hinreichend deutlich, inwiefern „rechtsstaatliche Grundsätze“ verletzt sein könnten. Zu beachten ist, dass die Wiederholungsgefahr beeinflussende Entwicklungen, die zeitlich nach dem Ergehen der Ausweisungsverfügung eintreten, durch diese Rechtsprechung nicht in rechtsverkürzender Weise „abgeschnitten“ werden. Solche neueren Entwicklungen sind in einem Befristungsverfahren nach § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG bzw. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu berücksichtigen. Sie führen in der Regel zu einem Anspruch des ausgewiesenen Ausländers auf nachträgliche Befristung der Wirkungen der Ausweisung und bestimmen maßgeblich die Bemessung der Frist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 333). Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung der Fachgerichte zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung verfassungsrechtlich nicht beanstandet (Beschl. v. 18.7.1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386, 400).
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Zwar dürfte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich der Frage, ob ein (schützenswertes) Familienleben im Sinne von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliegt, auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung eines nationalen Gerichts abstellen (Urteile vom 30.11.1999, 34374/99 [Baghli], InfAuslR 2000, 53, vom 30.10.2002, 37295/97 [Yildiz], InfAuslR 2003, 126; vom 15.7.2003, 52206/99 [Mokrani], InfAuslR 2004, 183; ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -, InfAuslR 2004, 189; OVG Bremen, Urteil vom 25.5.2004 - 1 A 303/03 -, InfAuslR 2004, 328). Diese Rechtsprechung betrifft indes nur den Teilausschnitt der Rechtsprüfung, der sich auf die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit der EMRK (dazu hier s.u. unter 2.c) bezieht. Sie nötigt jedoch nicht dazu, auch die Übereinstimmung dieser nationalen Maßnahme mit nationalem Recht bezogen auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung zu prüfen. Gleiches gilt auch in Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger bzw. türkischer Staatsangehöriger, die ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei Nr. 1/80 besitzen, ebenfalls der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgeblich ist (BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2005, 220 und vom 3.8.2004 - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224). Diese Rechtsprechung trägt - wie in den genannten Entscheidungen ausdrücklich ausgeführt wird - den Besonderheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts Rechnung, deren integrierender Bestandteil auch der Assoziationsratsbeschluss 1/80 ist. Besonderheiten dieser Art liegen - entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Klägers - offensichtlich nicht vor, wenn es wie hier um die Beurteilung der Ausweisung eines Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro geht.
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2. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der (letzten) Behördenentscheidung im Mai 2001 ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden. Im damaligen Zeitpunkt galt noch das erst zum 1.1.2005 außer Kraft getretene (vgl. Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 2010) Ausländergesetz. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist daher anhand dieses Gesetzes zu prüfen. Die seit dem 1.1.2005 geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl. I, S. 1950ff) finden insoweit keine Anwendung (vgl. auch § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach vor dem 1.1.2005 getroffene Ausweisungen wirksam bleiben).
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a) Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG sind - was unter den Beteiligten auch unstreitig ist - erfüllt, weil der Kläger nach den Feststellungen in dem Strafurteil vom 18.1.2001 den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zuwider Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geleistet hat. Wie schon dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist, kommt es auf das Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung oder gar auf eine Verurteilung in bestimmter Höhe für die Erfüllung des Tatbestandes nicht an (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194f). Dem Kläger steht auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG zur Seite. Insbesondere § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG kommt hier nicht in Betracht, da der ledige Kläger im Mai 2001 nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebte. Seine Eltern, die als „Familienangehörige“ in diesem Sinne allenfalls in Betracht kommen, waren in diesem Zeitpunkt nicht deutsche Staatsangehörige und sind es auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht. Auch die Schutzvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG kommt dem Kläger nicht zugute. Zwar wohnte er im maßgeblichen Zeitpunkt noch mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft, er war jedoch bereits 22 Jahre alt und damit nicht mehr Heranwachsender (vgl. § 1 Abs. 2 JGG).
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b) Da der Kläger keinen besonderen Ausweisungsschutz genießt und - als im maßgeblichen Zeitpunkt bereits Volljähriger - auch nicht in den Genuss der Vergünstigung des § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG kommt, wird die Regelausweisung in seinem Fall nicht zur Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AuslG). Damit verbleibt es bei der Regelausweisung des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Eine Ausnahme vom Regelfall ist im Fall des Klägers nicht zu erkennen. Regelfälle i.S.d. § 47 Abs. 2 AuslG sind solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichgelagerter Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt (st. Rspr., vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2000 - 11 S 369/00-, InfAuslR 2001, 121). Ein Ausnahmefall liegt ferner vor, wenn der Ausweisung höherrangiges Recht entgegen steht, diese insbesondere nicht mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen vereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8/96 -, NVwZ 1999, 303 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2000 - 11 S 369/00 -, a.a.O.; Beschluss vom 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, VBlBW 2001, 196 = InfAuslR 2001, 119; Urteil vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, VBlBW 2001, 412 = InfAuslR 2001, 209).
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Bei der Entscheidung darüber, ob eine Ausnahmefall vorliegt, sind nach der Rechtsprechung des Senats alle Umstände des Einzelfalls ( die in § 45 Abs. 2 AuslG genannten, tatbezogene wie persönliche) zu berücksichtigen und zu gewichten. Erst dann, wenn den gegen die Annahme eines Regelfalls sprechenden Umständen größeres Gewicht zukommt als den für die Annahme eines Regelfalls sprechenden Gesichtspunkten, liegt ein atypischer Sachverhalt vor (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.10.1994 - 11 S 1202/94 -; Beschluss vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, a.a.O.; ebenso 13. Senat, Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96- und 10. Senat, Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175ff).
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aa) Tatbezogene Umstände rechtfertigen die Annahme eines Ausnahmefalles hier nicht. Der Umstand, dass der Kläger nicht als Haupttäter, sondern nur als Gehilfe einer Drogenstraftat verurteilt wurde, entspricht gerade dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG und ist daher nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen. Nach der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (BT-Drs. 11/6321 S. 50/73) ist „im Interesse einer umfassenden und wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität für Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz“ (d.h. ohne dass es auf eine strafgerichtliche Verurteilung ankommt) die Regelausweisung vorgesehen. Daraus, dass eine effektive und umfassende Bekämpfung der Drogenkriminalität ohne Einbeziehung des Rand- und Unterstützungsbereichs der (Haupt-)Täter nur schwer möglich ist, erklärt sich die Aufnahme von Beihilfehandlungen in den Tatbestand. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194) unter Hinweis auf die gesetzliche Überschrift („besondere Gefährlichkeit“) festgestellt, dass sich § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus der hohen Gefährlichkeit verstehe, die von dem illegalen Umgang mit Drogen ausgehe. Auch der Senat hat in seinem - vom Kläger für seine abweichende Rechtsauffassung in Anspruch genommenen - Beschluss vom 20.1.2001 (- 11 S 2836/00 -, InfAuslR 2001, 209) eine Ausnahme von der Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nicht mit Blick auf die Verurteilung des dortigen Klägers „nur“ wegen Beihilfe angenommen, sondern aufgrund weiterer, hinzugetretener Einzelfallumstände (Verurteilung „nur“ wegen Haschischhandels und „nur“ zu einem Jugendarrest von 4 Wochen bei sonstiger Unbescholtenheit des Ausländers). An solchen tatbezogenen Einzelfallumständen fehlt es hier. Denn der Kläger wurde wegen Beihilfe zum Heroinhandel in hoher Menge (980,3 g Heroinzubereitung) verurteilt. Bei Heroin handelt es sich um Rauschgift von besonderer Gefährlichkeit. Diese besondere Gefährlichkeit rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, eine Wiederholungsgefahr bereits aufgrund einer einmaligen Verurteilung wegen Handeltreibens mit diesem Rauschgift in nicht geringer Menge anzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 25.9.1986 - 2 BvR 744/86 -, NVwZ 1987, 403; Beschluss vom 12.9.1995 - 2 BvR 1179/95 -, InfAuslR 1995, 397; Beschluss vom 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67f). Hinzu kommt, dass der Kläger nach dem Strafurteil vom 18.1.2001 nicht nur gutgläubiges oder intellektuell den Haupttätern unterlegenes, in die Tat gleichsam unverschuldet involviertes oder zur Tat gedrängtes Werkzeug war. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Kläger vielmehr über den Zweck der Transportfahrt im Bilde, hatte eine einigermaßen konkrete Vorstellung von der Menge und Qualität des transportierten Rauschgifts und entschloss sich zur Teilnahme an der Tat aus freien Stücken. Der Umstand, dass der Kläger als Gehilfe „auswechselbar“ war und möglicherweise auch seine Freude daran, „einmal eine längere Strecke mit dem Auto fahren zu dürfen“ (Strafurteil S. 8) zum Tatentschluss beitrug, ändert auch unter Berücksichtigung des „eher geringen Umfangs seiner Tatbeteiligung“ (Strafurteil S. 9) nichts daran, dass er objektiv einen dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entsprechenden Tatbeitrag geleistet hat. Der weitere Umstand, dass der Kläger als erster ein Geständnis abgelegt hat und dadurch wohl auch das Geständnis weiterer Tatbeteiligter gefördert hat, rechtfertigt ebenfalls nicht, einen Ausnahmefall anzunehmen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde bereits vom Landgericht bei der Strafhöhe berücksichtigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17/94 -, NVwZ 1997, 1119). Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass das Drogengeschäft polizeilich observiert wurde und die gehandelten Drogen letztlich nicht auf den Markt kamen. Trotz dieser - den Kläger entlastenden - Gesichtspunkte erkannte die Strafkammer auf eine Jugendstrafe von 2 Jahren. Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Klägers zwar (weiter) berücksichtigt, dass die geringere allgemeine Vorwerfbarkeit der Beihilfetat auch bei Heranwachsenden strafmildernde Wirkung entfaltet. Andererseits betonte die Strafkammer aber ausdrücklich die „alles andere als unbedeutende Menge“ des gehandelten Heroins (fast des 100fachen der geringen Menge) und die von dieser ausgehende bedeutende Bedrohung für potentielle Abnehmer. Die Tatumstände und das von ihnen ausgehende Gefährdungspotential entsprechen daher nach wie vor dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG.
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bb) Auch die - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung - persönlichen Umstände des Klägers rechtfertigen die Anerkennung eines Ausnahmefalles hier nicht. Der damals 10jährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet begründet schon vor dem Hintergrund des Gewichts seiner Verurteilung wegen Beteiligung am Heroinhandel keine Ausnahmesituation (ebenso HessVGH, Urteil vom 14.8.1995 - 13 UE 860/94 -, InfAuslR 1996, 11f; OVG Bremen, Beschluss vom 20.11.1992 - 1 B 101/92 -, InfAuslR 1993, 85). Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die übrigen Familienangehörigen (Eltern und Geschwister) auch damals schon (dauerhaft) im Bundesgebiet aufhielten (HessVGH a.a.O.). Der Kläger war im Mai 2001 bereits 22 Jahre alt und ledig. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er - was für die Annahme eines Ausnahmefalles aus persönlichen Gründen aber erforderlich wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96 -, InfAuslR 1996, 333f) - noch als Erwachsener auf die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen als Beistandsgemeinschaft oder sonst in gesteigerter Weise auf deren Unterstützung angewiesen war und diese Unterstützung nur im Bundesgebiet erbracht werden konnte. Auch der erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte und in dem nachgereichten Schriftsatz vom 23.3.2005 ausgeführte Umstand, dass sich der Kläger um seine krebskranke Mutter kümmere, begründet keinen Ausnahmefall. Dem nachgereichten ärztlichen Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005 ist zu entnehmen, dass diese Krebserkrankung und eine daraus resultierende Betreuungsbedürftigkeit der Mutter des Klägers jedenfalls nicht schon - wie es für die Begründung eines Ausnahmefalles erforderlich wäre - im Mai 2001 bestand. Unabhängig davon spricht hier auch nichts dafür, dass zur Betreuung der Mutter gerade die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet unabdingbar notwendig ist. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass auch noch der Vater und die vier Geschwister des Klägers im Bundesgebiet leben. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Familienangehörigen nicht betreuungsbereit oder nicht betreuungsfähig sind und der Mutter nicht ebenso gut bei den täglichen Verrichtungen (vgl. die Ausführungen in dem ärztlichen Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005) zur Hand gehen können. Der Senat hat im Übrigen entschieden, dass einem betreuungsbedürftigen Familienmitglied kein uneingeschränktes „absolutes“ Wahlrecht zwischen mehreren betreuungsfähigen erwachsenen nahen Angehörigen zusteht, sondern dass insofern auch das öffentliche Interesse an der Ausreise einzelner Angehöriger aus - wie beim Kläger - Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Tragen gebracht werden kann (Beschluss vom 9.2.2004 - 11 S 1131/03 -, VBlBW 2004, 312 ff.). Soweit dem ärztlichen Attest die Befürchtung zu entnehmen ist, dass die drohende Abschiebung für die Mutter des Klägers eine erhebliche psychische und physische Belastung darstellt und den Genesungsprozess beeinträchtigen könnte, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass hier lediglich die Ausweisungsverfügung, nicht jedoch der Vollzug der dadurch ausgelösten (vgl. §§ 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) Ausreisepflicht in Rede steht.
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cc) Schließlich rechtfertigen auch die in § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG (i.V.m. § 55 Abs. 2 AuslG) genannten Duldungsgründe hier nicht die Annahme eines Ausnahmefalls. Zwar handelt es sich beim Kläger - eigenen Angaben zufolge - um einen „Ägypter“ aus dem Kosovo, der als Angehöriger dieser Minderheit im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung noch in den Genuss des Rückführungserlasses des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 2.2.2000 und der ergänzenden Hinweise vom 17.4.2000 (Az: 4-13-JUG/90) kam. Nach diesen Vorschriften waren Personen nichtalbanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo vorläufig weiterhin zu dulden. Ein Ausnahmefall ergibt sich hieraus aber schon deshalb nicht, weil dieser Abschiebestopp nur vorübergehend galt, m.a.W. Minderheitenangehörige aus dem Kosovo schon damals mit einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland nicht rechnen konnten. Dies ergibt sich aus Ziffer 1.2 des Erlasses vom 2.2.2000 bzw. Ziffer 1 der Hinweise vom 17.4.2002, wonach nichtalbanische Volkszugehörige nur „bis aus weiteres“ von Abschiebungsmaßnahmen ausgenommen sind. Die Vorläufigkeit dieser Regelung hat sich in der Folgezeit bestätigt. Seit dem Erlass des Innenministeriums vom 29.4.2003 (Az: 4-13-JUG/90, dort Ziffer 3.2.) werden auch Ashkali und „Ägypter“ aus dem Kosovo nicht mehr von der zwangsweisen Rückführung zurückgestellt.
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Weitere Duldungsgründe nach §§ 55 Abs. 2 - etwa solche aus § 53 AuslG sind - sind bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung weder vorgetragen noch zu erkennen.
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dd) Beim Kläger war - bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung - auch die für die Annahme einer Regelausweisung notwendige individuelle Wiederholungsgefahr anzunehmen. Die Zweifel, die das Verwaltungsgericht (S. 6 seines Urteils) an der vom Beklagten angestellten (negativen) Prognose zur Wiederholungsgefahr geäußert hat, teilt der Senat nicht. Sie beziehen sich auf die Annahme des Landgerichts in dem Urteil vom 18.1.2001, dass der Kläger durch eine lange andauernde und im Vollzug einem Heranwachsenden nicht vollauf gerecht werdende Untersuchungshaft nachhaltig beeindruckt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 - InfAuslR 1997, 296) und des Senats (vgl. Beschluss vom 20.12.2004 - 11 S 54/04 -, Urteil vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 -; ZAR 2003, 323), sind strafgerichtliche Erwägungen im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB zwar von den Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten zu beachten, entfalten insoweit aber keine Bindungswirkung. Denn die ausländerrechtliche Beurteilung erfordert im Unterschied zur strafrechtlichen eine langfristige Gefahrenprognose (BVerwG, Beschluss vom 16.11.1992 - 1 B 197.92 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.12.2004 - 11 S 54/04 -). Gemessen daran ist bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung nicht davon auszugehen, dass der Kläger schon durch die erlittene Untersuchungshaft in einer Weise beeindruckt war, die gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr sprach. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Landgerichts selbst, wonach beim Kläger schädliche Neigungen „zweifellos“ vorhanden seien, er mit „breitem Grinsen der Hauptverhandlung folgte“ und dadurch zeigte „dass er die Strafverfolgung nicht gänzlich ernst zu nehmen bereit war“. Das Vorliegen schädlicher Neigungen hat sich unabhängig davon durch die nach dem 18.1.2001 erfolgten, neuerlichen strafgerichtlichen Verurteilungen bestätigt. Der Senat ist ungeachtet der Tatsache, dass die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen ist, an einer Heranziehung und Auswertung späterer Verurteilungen nicht gehindert, wenn und soweit ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit der im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - 1 B 106.89 -, InfAuslR 1990, 4; Beschluss vom 16.11.1992 - 1 B 197/92 -, InfAuslR 1993, 121; Beschluss vom 30.11.1992 - 1 B 65/91 -, InfAuslR 1993, 261). Dies ist hier der Fall. Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 22.6.2001 wurde der Kläger wegen Hausfriedensbruchs und mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 23.8.2004 wegen Hehlerei verurteilt. Da diese Strafbefehle materiell rechtskräftig sind und die Rechtskraft nur im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt werden kann (vgl. § 410 Abs. 3 StPO, dazu Meyer/Goßner, Kommentar zur StPO, 47. Aufl. § 410 Rn 11/12 und Pfeiffer, Karlsruher Kommentar zur StPO, Einleitung Rn 165ff), hat der Senat keine Veranlassung davon auszugehen, dass der Kläger - entsprechend seiner Behauptung in der mündlichen Verhandlung - die ihnen zugrunde liegenden Straftaten tatsächlich nicht begangen hat. Diese Verurteilungen und die noch nicht rechtskräftige neuerliche Verurteilung vom 14.12.2004 belegen, dass auch die lange Untersuchungshaft den Kläger offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten vermochte. Im Hinblick darauf kann auch der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Einschätzung des Bewährungshelfers vom 24.6.2003, die dem Kläger eine positive Prognose bescheinigt, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.
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ee) Ist die Ausweisungsverfügung - wie hier - auf spezial- und generalpräventive Erwägungen gestützt, so reicht es aus, wenn eine der beiden Begründungen den Anforderungen an den Ausweisungszweck genügt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, InfAuslR 1995, 155). Eine Ausnahme von der Regelausweisung ist daher erst dann anzunehmen, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls sowohl die spezial- als auch die generalpräventiven Zwecke des § 47 AuslG nicht in dem erforderlichen Ausmaß zum Tragen kommen (ebenso in Bezug auf die Ausnahme von der Regel des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2001 - 13 S 2326/99 -, NVwZ-Beilage I 1/2002 S. 8). Dass beim Kläger in Bezug auf den spezialpräventiven Ausweisungszweck kein Ausnahmefall anzunehmen ist, wurde bereits ausgeführt. Aber auch der generalpräventive Ausweisungszweck kommt bei ihm einschränkungslos zum Tragen. Maßgebend ist - wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist -, dass § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG seinerseits auf einer generalpräventiven Überlegung beruht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, InfAuslR 2001, 209; Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 75; BVerwG, Beschluss vom 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194ff). Das Bundesverwaltungsgericht hat zum generalpräventiven Zweck dieser Vorschrift ausgeführt (Beschluss v. 10.1.1995, a.a.O.), dass dieser sich aus der hohen Gefährlichkeit, die von dem illegalen Umgang mit Drogen ausgehe und aus dem daraus sich ergebenden Interesse an einer „wirksamen und umfassenden Bekämpfung der Drogenkriminalität“ ergebe. Vor diesem Hintergrund muss insbesondere die Einbeziehung von Beihilfehandlungen in den Tatbestand gesehen werden. Zu beachten ist auch insoweit das besondere verfassungsgerichtlich bestätigte öffentliche Interesse an einer effektiven Bekämpfung gerade des Heroinhandels (dazu siehe bereits oben unter 2)b)aa)). Aus diesem Grund werden Drogenstraftaten nach ständiger Rechtsprechung als so schwerwiegend angesehen, dass sie grundsätzlich auch den besonderen Ausweisungsschutz des § 48 Abs. 1 AuslG überspielen (BVerwG, Beschl v. 10.1.1995 a.a.O., Beschluss des Senats v. 29.4.2004 - 11 S 1254/03 - S. 12 und Senatsurteil vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 - ). Mit Blick darauf muss dem generalpräventiven Abschreckungszweck hinsichtlich jeder der in § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Tatvarianten eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Zweck hier ausnahmsweise nicht mehr in der erforderlichen Weise zum Tragen kommt. Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn sich (1) die Abschreckungswirkung einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht (voll) entfalten kann (Gesichtspunkt der „Zweckverfehlung“, dazu schon Senatsurteil vom 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, InfAuslR 1995, 155ff) oder wenn (2.) die Abschreckungswirkung zwar (voll) erreicht werden könnte, sich eine generalpräventiv gestützte Ausweisungsverfügung aber unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Ausländers ausnahmsweise als unverhältnismäßig erweisen würde.
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Ein Fall der Zweckverfehlung liegt hier nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Abschreckungswirkung nicht dadurch eingeschränkt, dass er die Drogenstraftat - für Dritte erkennbar - „nur“ als Heranwachsender begangen hat. Denn § 47 Abs. 2 Satz 2 AuslG differenziert nicht danach, ob die Straftat von Erwachsenen, Heranwachsenden oder Jugendlichen begangen wurde. Sie bezweckt gerade auch, Heranwachsende durch eine konsequente Ausweisungspraxis von einer Beteiligung an Drogenstraftaten abzuhalten. Auch die Einbeziehung von Beihilfehandlungen in die Abschreckungswirkung ist notwendig, um das Rekrutierungsmilieu des Drogenhandels anzusprechen und auf diese Weise den „Randbereich“ der organisierten Drogen(dealer)kriminalität zu erfassen, auf den sie zu einem guten Teil angewiesen ist. Gerade dieser „Randbereich“ macht die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität aufgrund des hohen Konspirationsgrades in diesem Bereich so schwierig. Darauf, ob der Kläger tatsächlich (noch) Kontakte zum Dealermilieu hat und auf diese Weise gewährleistet ist, dass sich seine Ausweisung dort herum spricht, kommt es nicht an, weil die Abschreckungswirkung allein schon aufgrund einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis besteht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1994 a.a.O.).
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Die generalpräventive Ausweisung ist im Falle des Klägers auch nicht unverhältnismäßig. Entgegen seiner Auffassung kommt es ihm Rahmen generalpräventiver Erwägungen nicht darauf an, ob und inwieweit ihm bei der Verurteilung vom 18.1.2001 strafmildernde Umstände zur Seite standen und ob bei ihm die Gefahr erneuter Straffälligkeit besteht. Auch die Tatumstände, auf die er sich in diesem Zusammenhang beruft (seine Verurteilung nur wegen Beihilfe; seine Einbeziehung nur in den Randbereich der Tat als auswechselbarer Akteur; sein Geständnis; die Tatsache, dass das Rauschgift nicht in den Handel gelangt ist und das Geschäft polizeilich beobachtet wurde) machen die Ausweisung angesichts des hochrangigen öffentlichen Interesses an einer effektiven Bekämpfung der Drogenkriminalität nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats ist zudem geklärt, dass insbesondere der Einsatz verdeckter Ermittler bei einem Drogengeschäft keine Ausnahme von der Regelausweisung begründet, weil die ausländerrechtliche Maßnahme auch dann noch in erster Linie an das tatsächliche Verhalten des Ausländers - hier: die Beihilfeleistung zu einem Heroingeschäft von erheblichem Umfang - und die daraus abgeleitete Gefährdungssituation anknüpft (BVerfG, Beschl. v. 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67, 68, Urteil des Senats vom 15.5.2002 - 11 S 255/02 -, VBlBW 2002, 394).
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c) Die (Regel-)Ausweisung der Klägers verstößt schließlich auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist ein Art. 8 EMRK zu entnehmender (weitergehender) Ausweisungsschutz bei Anwendung des Ausländergesetzes zu beachten und gesondert zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 22.2.1993 - 1 B 7.93 -, InfAuslR 1993, 257 und v. 29.9.1998 - 1 C 8/96 -, InfAuslR, 1999, 54; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.9.2002 - 11 S 862/02 -, VBlBW 2003, 28; Beschl. v. 23.10.2002 - 11 S 1410/02 -, VBlBW 2003, 324) und daher nicht im Rahmen der Prüfung eines Ausnahmefalls nach § 47 Abs. 3 Satz 1 abzuhandeln.
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aa) Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung (unter anderem) seines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Sowohl unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wie auch derjenigen des Senats ist die Ausweisung des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Prüfung der Frage, ob ein (schützenswertes) Familienleben nach dieser Vorschrift vorliegt, maßgeblich auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung abzustellen ist. Zumindest die neuere Rechtsprechung des EGMR (vgl. die oben unter 1. genannten Nachweise) könnte für diese Rechtsauffassung sprechen. Hier ergibt sich jedenfalls auch dann, wenn man auch noch den Zeitraum vom Ergehen der Ausweisungsverfügung bis zur Entscheidung des Senats in den Blick nimmt, keine Verletzung des Art. 8 EMRK.
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Dem in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es nach der Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf die Folgen für den Ausländer selbst widersprechen, wenn durch behördliche Maßnahmen die Voraussetzungen für sein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansässigen Familie beseitigt werden (vgl. insbes. EGMR, Urteil vom 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - , InfAuslR 1994, 86; Urteil vom 26.9.1997 - 85/1996/704/896 - , NVwZ 1998, 164 = InfAuslR 1997, 430; Entscheidung vom 4.10.2001 - 43359/98 - , NJW 2003, 2595; Urteil vom 31.10.2002 - 37295/97 - , InfAuslR 2003, 126). Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8.96 -, NVwZ 1999, 303 = InfAuslR 1999, 54; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.5.2004 - 11 S 1080/04 -; Beschl. v. 28.5.2001 - 11 S 2940/99 -).
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Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger - wie er meint -faktischer Inländer in diesem Sinne geworden ist. Er gehört nicht zur zweiten Generation von Einwanderern, wurde in der Bundesrepublik Deutschland nicht geboren und hat hier auch nicht die prägenden ersten Jahre seines Lebens verbracht. Nach Deutschland ist er vielmehr erst im Alter von 11 Jahren eingereist. In Deutschland hat er weder einen Schulabschluss noch einen beruflichen Abschluss erreicht. Zwar spricht er mittlerweile fließend deutsch. Es ist aber davon auszugehen, dass er immer noch über gute albanische Sprachkenntnisse verfügt. Denn der Kläger ist im Kosovo mit Albanisch als Muttersprache aufgewachsen. Dieser Sprache dürfte er sich auch nach seiner Einreise ins Bundesgebiet zumindest gegenüber den Familienmitgliedern bedient haben. Gegenüber der Jugendgerichtshilfe (vgl. die Feststellung des Landgerichts im Urteil vom 18.1.2001 S. 3) hat er zwar angegeben, dass er seine Muttersprache kaum noch verstehe. Dies hält der Senat aber vor dem aufgezeigten Hintergrund für lebensfremd und wenig glaubhaft. Beim Verwaltungsgericht (Gerichtsakte S. 107) hat der Kläger bereits eingeräumt, dass er mit seinen Eltern „gelegentlich“ albanisch spreche. Auch dieser Vortrag dürfte nicht der Realität entsprechen. Da der Kläger derzeit immer noch bei den Eltern wohnt, geht der Senat davon aus, dass ihm jedenfalls über die Staatsangehörigkeit hinaus gehende soziale und soziokulturelle Beziehungen zum Staat seiner Staatsangehörigkeit, einschließlich entsprechender Sprachkenntnisse vermittelt worden sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EZAR 037 Nr. 8; Beschl. v. 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, InfAuslR 2001, 196; Beschl. v. 25.9.2002 -11 S 862/02 -, EZAR 032 Nr. 18).
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Auch wenn der Senat zu Gunsten des Klägers unterstellen würde, dass er mittlerweile als faktischer Inländer zu betrachten wäre, würde Art. 8 Abs. 2 EMRK nach Lage der Dinge seiner Ausweisung nicht entgegenstehen. Denn sowohl nach der Rechtsprechung des EGMR wie auch derjenigen des Senats bedeutet die Feststellung, dass ein Ausländer faktisch zum Inländer geworden ist, noch nicht zwingend, dass eine Ausweisung deswegen ausnahmslos nicht in Betracht kommt. Vielmehr hängt die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK auch dann von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.5.2004, a.a.O.). Auch nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig. Als solche Umstände gelten insbesondere (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852 = InfAuslR 2004, 280): die Schwere der Straftaten, die in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafen gekennzeichnet wird (vgl. EGMR, Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 - 122/1996/741/940 - , InfAuslR 1998, 1; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; Urteil vom 31.10.2002 , aaO.); die Art der Straftat (vgl. Urteil vom 26.9.1997 - 123/1996/742/941 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 433; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 - 34374/97 - , NVwZ 2000, 1401 = InfAuslR 2000, 53); das Alter des Betroffenen bei der Begehung der Straftat (vgl. Urteil vom 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - , InfAuslR 1991, 149; Urteil vom 29.1.1997 - 112/1995/618/708 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 432; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.); die familiäre Situation (vgl. Urteil vom 31.10.2002 , aaO.), insbesondere, ob der Ausländer - mit einer deutschen Staatsangehörigen - verheiratet ist oder ob er Kinder - mit deutscher Staatsangehörigkeit - hat (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.;), bzw. ob er auf die Unterstützung und Hilfe von im Inland lebenden Eltern und Geschwistern angewiesen ist (vgl. Urteil vom 13.7.1995 - 18/1994/465/564 - , InfAuslR 1996, 1; Urt. v. 17.4.2003 - 52853/99 - ); der Bezug des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, wobei den Sprachkenntnissen im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse eine gewisse, aber nicht in jedem Fall ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; insbesondere aber Urteil vom 21.10.1997 , aaO.); und schließlich, ob der Ausländer die Staatsangehörigkeit seines Herkunftslandes behalten und nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes erwerben wollte (vgl. Urteil vom 26.3.1992, , aaO.; Urteil vom 29.1.1997 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.).
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Die danach im Fall des Klägers zu berücksichtigenden Umstände machen seine Ausweisung nicht unverhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK. Dabei legt der Senat zugrunde, dass der Kläger - der erst am 5.5.2005 eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten beabsichtigt - immer noch unverheiratet (und kinderlos) ist und sich derzeit in einem Arbeitsverhältnis als Bootshelfer befindet; auch geht der Senat davon aus, dass die Mutter des Klägers - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung behauptet und durch das nachgereichte ärztliche Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005 bestätigt - krebskrank ist, dabei aber nicht dauerhaft auf gerade vom Kläger im Bundesgebiet zu erbringende Lebenshilfe angewiesen ist (dazu schon unter 2)b)bb)). Diesen Umständen steht die Schwere der vom Kläger begangenen Drogenstraftat gegenüber, die, wie ausgeführt, ein wesentliches und im Fall des Klägers auch ausschlaggebendes Element für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt (vgl. EGMR, Urt. v. 31.10.2002, , a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -). Die Schwere der Drogenstraftat kommt bereits in der vom Landgericht verhängten Jugendstrafe von 2 Jahren zum Ausdruck, wobei der Kläger ein knappes Jahr in Untersuchungshaft verbrachte. Auch der EGMR weist mehrfach darauf hin, dass er bei Betäubungsmitteldelikten Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten gegen Ausländer, die zur Verbreitung dieser „Plage“ bzw. „Geißel der Menschheit“ beitragen, entschlossen durchgreifen (Urt. v. 17.4.2003 - 52853/99 - ; Urt. v. 7.8.1996, InfAuslR 1997, 185; Urt. v. 19.2.1998 , InfAuslR 1998, 201; Urt. v. 30.11.1999, , a.a.O.;). Hinzu kommt, dass der Kläger seine Drogenstraftat nicht als Drogenabhängiger, sondern offenbar aus einem Gewinnerzielungsinteresse heraus begangen hat sowie die Tatsache, dass bei ihm eine - durch neuerliche Verurteilungen manifestierte - Wiederholungsgefahr vorliegt.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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