Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. März 2005 - 11 S 2599/04

bei uns veröffentlicht am16.03.2005

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.6.2003 - 1 K 980/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am 30.4.1979 in Gjakovo/Kosovo geborener Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger reiste im August 1990 zusammen mit seinen Eltern und drei weiteren Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, der mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.11.1990 abgelehnt wurde. In der Folgezeit erhielt der Kläger im Hinblick auf die politische Situation im Kosovo Duldungen. Im Jahre 1995 beantragte er beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald erfolglos die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Am 14.11.1999 stellte der Kläger unter Berufung auf seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der „Ägypter“ einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 27.12.1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) an. Feststellungen zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG wurden nicht getroffen. Seine gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht Freiburg erhobene Klage (A 8 K 10244/00) blieb erfolglos. Der nach wie vor geduldete und noch bei seinen Eltern wohnende Kläger arbeitet derzeit als Bootshelfer in Titisee-Neustadt.
Während seines Aufenthalts im Bundesgebiet wurde der Kläger wie folgt strafrechtlich verurteilt:
1. durch Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 3.6.1998 wegen Bedrohung und versuchter Erpressung zur Erbringung von Arbeitsleistungen. Dem lag zugrunde, dass der Kläger im Januar 1998 einem Mitschüler eine echt aussehende Pistole an das Kinn gehalten und ihn für den Fall, dass er noch ein Wort sage, mit dem Tode bedroht hatte. Im März 1998 versuchte der Kläger, von einem Mitschüler 120,-- DM zu erpressen, indem er ihm mit der „Galgengeste“ drohte. Der Mitschüler besuchte daraufhin aus Angst wochenlang die Schule nicht.
2. durch Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 10.11.1999 wegen Diebstahls (einer Unterhose im Wert von 14,90 DM) zu Arbeitsleistungen nach Weisung des Kreisjugendamtes.
3. durch Urteil des Landgerichts Ulm vom 18.1.2001 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Feststellungen im Strafurteil hatte der Kläger im Dezember 1999 einen ihm bekannten Heroinlieferanten, der selbst nicht im Besitz eines Führerscheines war, zur Abwicklung des Verkaufs von 980,3 g Heroinzubereitung (Wirkstoffgehalt von 149,593 g) von Titisee-Neustadt nach Göppingen gefahren. Der Kläger sollte für diese Dienste 200,-- DM erhalten. Ob das Heroin sich im Wagen des Klägers befand oder in einem parallel fahrenden zweiten Fahrzeug, ließ sich nicht klären. Der Kläger wusste jedoch vor Fahrtantritt, dass Zweck der Fahrt der Transport von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Verkaufs sein sollte.
Wegen dieser Sache befand sich der Kläger in der Zeit vom 11.12.1999 bis zum 18.1.2001 in Untersuchungshaft.
4. durch Strafbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 22.6.2001 wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen. Am 7.4.2001 um 3.50 Uhr hatte der Kläger die Bahnhofshalle des Hauptbahnhofs Freiburg betreten, nachdem er zusammen mit 2 Begleitern die Schiebetüren aufgedrückt hatte.
5. durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 23.8.2004 wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen. Dem lag zugrunde, dass er am 28.11.2003 eine Halskette für 20,-- EUR und einen Ohrstecker für 10,-- EUR zum Verkauf anbot, wobei er wusste, dass diese Schmuckstücke aus einem Einbruchsdiebstahl stammten.
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6. durch Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 14.12.2004 wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten und 2 Wochen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem lag zugrunde, dass der Kläger zwei 13 und 15 jährige Zeuginnen, die in einem Ermittlungsverfahren gegen seinen Bruder gehört werden sollten, in ihrem Aussageverhalten beeinflussen wollte, indem er ihnen mit Vergewaltigung drohte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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Bereits mit Verfügung vom 22.5.2001 hatte das Regierungspräsidium Freiburg den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Die Verfügung ist auf den Regelausweisungsgrund des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG gestützt. Ein vom Regelfall der Ausweisung abweichender atypischer Ausnahmefall liege hier nicht vor, da die Straftat gegen das Betäubungsmittelgesetz nach den dem Strafurteil zugrunde liegenden Feststellungen keinen atypischen Geschehensablauf aufweise. Auch die sonstigen Verhältnisse des Betroffenen begründeten keine Atypik. Beim Kläger liege auch eine individuelle Wiederholungsgefahr vor. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, stehe der Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht entgegen, da sich die ordnungsrechtliche Gefahrenprognose von der strafrichterlichen Sozialprognose nach Voraussetzungen und Zweck unterscheide. Auch generalpräventive Gesichtspunkte sprächen hier für die Ausweisung, weil nur eine konsequente Ausweisungspraxis das Verhalten von Ausländern dahingehend steuern könne, dass sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet die deutsche Rechtsordnung beachteten. Schutzwürdige familiäre oder sonstige Bindungen stünden der Ausweisung nicht entgegen. Auch dauerhafte Duldungsgründe i.S.d. § 55 Abs. 2 AuslG seien nicht erkennbar, da das Bundesamt festgestellt habe, dass keine rechtlichen Abschiebungshindernisse vorlägen, insbesondere kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG bestehe. Die Prüfung, ob neue Abschiebungshindernisse bestünden, sei der Prüfungskompetenz des Regierungspräsidiums entzogen.
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Am 18.6.2001 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei 1990 mit seiner Familie aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Mittlerweile habe er im Kosovo keine Verwandten mehr, auch seien alle Familienmitglieder außer ihm im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung. Es sei ihm nach dem Besuch der Schule nicht gelungen, beruflich Fuß zu fassen, weil man ihm die Arbeitserlaubnis zur Aufnahme einer Berufsausbildung in einem Maschinenbaubetrieb verweigert habe. Auch nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft habe er zunächst keine Arbeit gefunden. Aus der verbüßten Untersuchungshaft und der Verurteilung habe er die richtigen Lehren gezogen und sei von der Familie aufgefangen worden. Nunmehr sei er in einem Bootsverleih tätig. Die Ausweisung dürfe nicht auf die der Verurteilung vom 18.1.2001 zugrunde liegende Straftat gestützt werden. Das Landgericht habe ihm in seinem Urteil eine Reifeverzögerung attestiert und auch sein Geständnis strafmindernd gewertet. Das Geständnis habe letztendlich dazu geführt, dass auch die übrigen Tatbeteiligten die Tat gestanden hätten. Das Landgericht sei weiter davon ausgegangen, dass die im Erwachsenenvollzug verbrachte Untersuchungshaft ihn - als damals Heranwachsenden - besonders hart getroffen habe. Schließlich habe das Landgericht seine geringe Tatbeteiligung betont und ausgeführt, dass die Tat auch ohne ihn stattgefunden hätte. Dies alles rechtfertige zum einen nicht, eine Wiederholungsgefahr anzunehmen und begründe zum anderen einen atypischen Ausnahmefall, in dem die Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG ausnahmsweise nicht mehr angemessen sei. Mit den genannten Umständen, insbesondere der Bewertung des Landgerichts habe sich der Beklagte in seiner Verfügung nicht auseinandergesetzt. Seiner generalpräventiven Argumentation sei ebenfalls nicht zu folgen, da eine generalpräventive Ausweisung in seinem Falle nicht mehr angemessen sei. Unterbleibe eine Ausweisung hier, so gehe die Abschreckungswirkung nicht verloren, weil von abzuschreckenden Ausländern erkannt werde, dass es sich bei ihm um einen jugendlichen und nicht um einen erwachsenen Täter gehandelt habe. Zu berücksichtigen sei weiter, dass er sich seit 1999 nichts mehr habe zuschulden kommen lassen und die Phase jugendlicher Instabilität nunmehr überwunden sei.
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Mit Urteil vom 30.6.2003 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Tatbestand für eine Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt sei, dem Kläger kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG zukomme und - bezogen auf die Sachlage im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung - auch keine tatbezogenen oder persönlichen Umstände vorlägen, die so erheblich von der gesetzlich vorausgesetzten Normalsituation abwichen, dass sie eine Ausnahme von der Regelausweisung begründeten. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zum Ausdruck gebracht, dass er den Gefahren der Drogenkriminalität und der Schwierigkeit ihrer Bekämpfung begegnen wolle, indem er auch solche Ausländer ausweise, die zu einer Drogenstraftat nur Beihilfe leisteten. Es könne im Falle des Klägers offen bleiben, ob sein Verhalten im maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung tatsächlich noch genügend Anhaltspunkte für die Annahme einer Wiederholungsgefahr geboten habe. Insofern habe die Prognose der Ausländerbehörde wohl übersehen, dass der Kläger durch eine lang andauernde und im Vollzug einem Heranwachsenden nicht vollauf gerecht werdende Untersuchungshaft nachhaltig beeindruckt sei. Letztlich unterfalle die Ausweisung aber auch dann dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, wenn man zugunsten des Klägers eine fehlende individuelle Wiederholungsgefahr unterstelle. Die Ausweisung sei hier nämlich im Hinblick auf die Generalprävention angemessen und verhältnismäßig. Der Kläger habe ein höchst konspiratives Geschäft mit einer großen Menge an Heroin in seiner technischen Abwicklung gefördert. Dass er letztlich ein beliebig auswechselbarer Akteur am Rande des eigentlichen Drogengeschäfts gewesen sei, sei unerheblich. Denn die schwer zu bekämpfende organisierte Betäubungsmittelkriminalität zeichne sich häufig dadurch aus, dass in den Randbereichen des Drogengeschäfts nur teilweise eingeweihte Personen eingesetzt würden. Auch wenn deren Tatbeiträge für sich genommen untergeordnet seien, seien sie oft Teil des hohen konspirativen Organisationsgrades, der aus Sicherheitsgründen für ein größeres Drogengeschäft notwendig sei. Insofern solle durch die Einbeziehung von Nebentätern eines Drogengeschäfts in den Tatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG gerade auch die Rekrutierung von Ausländern in den Randbereichen eines Drogengeschäfts erschwert werden. Unerheblich sei im Rahmen einer generalpräventiv begründeten Ausweisung auch, dass der Kläger als Heranwachsender nach Jugendstrafrecht verurteilt, die verhängte Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt und - dies unterstellt - der Kläger sogar dauerhaft von der Begehung weiterer Straftaten Abstand genommen habe. Denn gerade die Heranwachsenden, die sich aufgrund ihrer mangelnden Reife in Kontakt mit anderen und unter der Vorstellung eines relativ geringen Risikos zur Teilnahme an solchen Betäubungsmitteldelikten hinreißen lassen könnten, könnten von der abschreckenden Wirkung einer rigorosen Ausweisungspraxis erreicht werden. Eine generalpräventive Ausweisung treffe den Kläger auch nicht im Hinblick auf seine familiären und sonstigen Belange unangemessen hart. Dies gelte auch vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK, der gerade die Bekämpfung des Drogenhandels als gewichtiges soziales Bedürfnis anerkenne. Die insoweit dennoch gewährten Ausnahmen der Unverhältnismäßigkeit beträfen Ausländer der zweiten Generation mit grundsätzlich legalem Aufenthalt. Um einen solchen handele es sich beim Kläger nicht. Im Übrigen verfüge der Kläger über ausbaufähige Kenntnisse der albanischen Sprache. Er sei als allein stehender und gesunder junger Mann dafür verantwortlich, für sich selbst zu sorgen, zumal er über eine unterstützungswillige Familie in Deutschland verfüge.
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Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 27.10.2004 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils zugelassen (11 S 2209/03). Dieser Beschluss ist dem Kläger am 15.11.2004 zugestellt worden.
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Die zugelassene Berufung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.11.2004 begründet. Seiner Auffassung nach hat das Verwaltungsgericht verkannt, dass schutzwürdige familiäre und sonstige Bindungen im Bundesgebiet vorlägen und er als ethnischer Ägypter aus dem Kosovo einen Grund für eine dauerhafte Duldung im Bundesgebiet habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genössen nicht nur Ausländer der zweiten Generation, sondern auch Ausländer in der Situation des Klägers den Schutz des Art. 8 EMRK. Er habe den wesentlichen Teil seines Lebens im Bundesgebiet verbracht und habe ausschließlich hier seine sozialen Bindungen. Mittlerweile sei er auch mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt. Hätte das Verwaltungsgericht seine persönliche Situation richtig abgewogen, so hätte es zum Ergebnis kommen müssen, dass seine Ausweisung gegen Art. 8 EMRK verstoße. Hierbei hätte es auch berücksichtigen müssen, dass die Drogenstraftat im jetzigen Zeitpunkt fast vier Jahre zurückliege und er sich danach nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Dem Umstand, dass das Landgericht die Strafe zur Bewährung ausgesetzt habe, komme erstrangige Bedeutung im Rahmen des § 47 AuslG zu, weshalb eine individuelle Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei und die Annahme eines Regelausweisungsgrundes als unangemessene Härte erscheine. Das Verwaltungsgericht sei selbst davon ausgegangen, dass er an der Drogenstraftat lediglich als beliebig auswechselbarer Akteur am Rande des eigentlichen Geschehens beteiligt gewesen sei. Ferner sei er nicht in die Einzelheiten der Tat eingeweiht gewesen und sei das Rauschgift nicht in den Handel gelangt. Als „Drogen-Ersttäter“ sei er im Strafverfahren geständig gewesen, außerdem habe es sich um ein „Polizeigeschäft“ gehandelt, zu dem die Beteiligten verführt worden seien. Schließlich habe er ein Jahr Untersuchungshaft im Erwachsenenvollzug erlitten, die ihn nachhaltig beeindruckt habe. Aus den genannten Gründen sei auch eine generalpräventiv begründete Ausweisung unangemessen. Unabhängig davon, dass das Gericht den Sachverhalt schon bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung fehlerhaft gewürdigt habe, sei die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung richtigerweise bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu prüfen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.6.2003 - 1 K 980/01 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.5.2001 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf einen am 23.8.2004 ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Titisee-Neustadt und zahlreiche gegen den Kläger zwischenzeitlich anhängige Strafanzeigen. Der Kläger habe sich offenbar auch nach Erlass der Ausweisungsverfügung nicht von weiteren Straftaten abhalten lassen. Zur Verhinderung weiterer Straftaten sei es daher geboten, seinen Aufenthalt zu beenden und ihn vom Bundesgebiet fern zu halten. Im Übrigen könne aus der Tatsache, dass der Kläger nur wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden sei, nicht auf das Vorliegen eines Ausnahmefalles geschlossen werden. Dies folge bereits daraus, dass § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG lediglich auf die Begehung einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz abstelle und es auf die Höhe der verhängten Strafe hierbei nicht ankomme. Neben diesen spezialpräventiven Gründen sei die Ausweisung des Klägers auch generalpräventiv erforderlich. Auch vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 1 EMRK sei sie nicht unverhältnismäßig. Der Kläger sei im heutigen Serbien und Montenegro geboren, dort bei seinen Eltern aufgewachsen und erst im Alter von 11 Jahren als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Es sei daher davon auszugehen, dass er nicht alle Bindungen zu seinem Heimatland verloren habe. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass es sich bei ihm um einen faktischen Inländer handele, stehe Art. 8 Abs. 2 EMRK seiner Ausweisung nicht entgegen, da Drogendelikten grundsätzlich eine besondere Schwere zugemessen werde. Andererseits sei der Kläger bei Begehung der Drogenstraftat bereits 20 Jahre alt gewesen; er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Auf familiäre Unterstützung durch seine Familienangehörigen sei er nicht angewiesen. Ferner sei er in einem Alter, in dem ihm der Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz zugemutet werden könne.
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Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Ausländerakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg in den Verfahren A 8 K 10244/00 und 1 K 980/01 vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze - einschließlich des nachgereichten Schriftsatzes des Klägers vom 23.3.2005 - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch im übrigen zulässig. In seiner innerhalb eines Monats (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) eingegangenen Berufungsbegründung (vgl. § 124 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 3 Satz 4 VwGO) hat sich der Kläger in der erforderlichen Weise unter Sichtung und Durchdringung des Streitstoffes mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.9.1999 - 9 B 372.99 - NVwZ 2000, 67) und zu erkennen gegeben, dass und inwiefern er nach wie vor an der Durchführung des Berufungsverfahrens interessiert ist. Die Berufungsbegründung enthält auch einen bestimmten Antrag.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.5.2001 abgewiesen. Denn diese Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO).
24 
1. Für die Beurteilung, ob die angefochtene Ausweisungsverfügung mit nationalem Recht in Einklang steht, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier im Mai 2001 - abzustellen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats (BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 -; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288; vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996 - 11 S 2511/96 -; vom 28.7.1999 - 11 S 2387/98 -; vom 19.4.2000 - 11 S 1387/99 -, VBlBW 2001, 25; vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 und vom 21.7.2004 - 11 S 1303/04 -; ebenso der 13. Senat des VGH Baden-Württemberg im Urteil vom 15.5.2003 - 13 S 1113/02 -). Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung (unter Verweis auf Beichel, InfAuslR 2002, 457) zur Unvereinbarkeit dieser Auffassung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und in der mündlichen Verhandlung geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu ändern. Es wird nicht hinreichend deutlich, inwiefern „rechtsstaatliche Grundsätze“ verletzt sein könnten. Zu beachten ist, dass die Wiederholungsgefahr beeinflussende Entwicklungen, die zeitlich nach dem Ergehen der Ausweisungsverfügung eintreten, durch diese Rechtsprechung nicht in rechtsverkürzender Weise „abgeschnitten“ werden. Solche neueren Entwicklungen sind in einem Befristungsverfahren nach § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG bzw. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu berücksichtigen. Sie führen in der Regel zu einem Anspruch des ausgewiesenen Ausländers auf nachträgliche Befristung der Wirkungen der Ausweisung und bestimmen maßgeblich die Bemessung der Frist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 333). Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung der Fachgerichte zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung verfassungsrechtlich nicht beanstandet (Beschl. v. 18.7.1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386, 400).
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Zwar dürfte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich der Frage, ob ein (schützenswertes) Familienleben im Sinne von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliegt, auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung eines nationalen Gerichts abstellen (Urteile vom 30.11.1999, 34374/99 [Baghli], InfAuslR 2000, 53, vom 30.10.2002, 37295/97 [Yildiz], InfAuslR 2003, 126; vom 15.7.2003, 52206/99 [Mokrani], InfAuslR 2004, 183; ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -, InfAuslR 2004, 189; OVG Bremen, Urteil vom 25.5.2004 - 1 A 303/03 -, InfAuslR 2004, 328). Diese Rechtsprechung betrifft indes nur den Teilausschnitt der Rechtsprüfung, der sich auf die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit der EMRK (dazu hier s.u. unter 2.c) bezieht. Sie nötigt jedoch nicht dazu, auch die Übereinstimmung dieser nationalen Maßnahme mit nationalem Recht bezogen auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung zu prüfen. Gleiches gilt auch in Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger bzw. türkischer Staatsangehöriger, die ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei Nr. 1/80 besitzen, ebenfalls der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgeblich ist (BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2005, 220 und vom 3.8.2004 - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224). Diese Rechtsprechung trägt - wie in den genannten Entscheidungen ausdrücklich ausgeführt wird - den Besonderheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts Rechnung, deren integrierender Bestandteil auch der Assoziationsratsbeschluss 1/80 ist. Besonderheiten dieser Art liegen - entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Klägers - offensichtlich nicht vor, wenn es wie hier um die Beurteilung der Ausweisung eines Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro geht.
26 
2. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der (letzten) Behördenentscheidung im Mai 2001 ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden. Im damaligen Zeitpunkt galt noch das erst zum 1.1.2005 außer Kraft getretene (vgl. Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 2010) Ausländergesetz. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist daher anhand dieses Gesetzes zu prüfen. Die seit dem 1.1.2005 geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl. I, S. 1950ff) finden insoweit keine Anwendung (vgl. auch § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach vor dem 1.1.2005 getroffene Ausweisungen wirksam bleiben).
27 
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG sind - was unter den Beteiligten auch unstreitig ist - erfüllt, weil der Kläger nach den Feststellungen in dem Strafurteil vom 18.1.2001 den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zuwider Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geleistet hat. Wie schon dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist, kommt es auf das Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung oder gar auf eine Verurteilung in bestimmter Höhe für die Erfüllung des Tatbestandes nicht an (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194f). Dem Kläger steht auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG zur Seite. Insbesondere § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG kommt hier nicht in Betracht, da der ledige Kläger im Mai 2001 nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebte. Seine Eltern, die als „Familienangehörige“ in diesem Sinne allenfalls in Betracht kommen, waren in diesem Zeitpunkt nicht deutsche Staatsangehörige und sind es auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht. Auch die Schutzvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG kommt dem Kläger nicht zugute. Zwar wohnte er im maßgeblichen Zeitpunkt noch mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft, er war jedoch bereits 22 Jahre alt und damit nicht mehr Heranwachsender (vgl. § 1 Abs. 2 JGG).
28 
b) Da der Kläger keinen besonderen Ausweisungsschutz genießt und - als im maßgeblichen Zeitpunkt bereits Volljähriger - auch nicht in den Genuss der Vergünstigung des § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG kommt, wird die Regelausweisung in seinem Fall nicht zur Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AuslG). Damit verbleibt es bei der Regelausweisung des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Eine Ausnahme vom Regelfall ist im Fall des Klägers nicht zu erkennen. Regelfälle i.S.d. § 47 Abs. 2 AuslG sind solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichgelagerter Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt (st. Rspr., vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2000 - 11 S 369/00-, InfAuslR 2001, 121). Ein Ausnahmefall liegt ferner vor, wenn der Ausweisung höherrangiges Recht entgegen steht, diese insbesondere nicht mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen vereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8/96 -, NVwZ 1999, 303 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2000 - 11 S 369/00 -, a.a.O.; Beschluss vom 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, VBlBW 2001, 196 = InfAuslR 2001, 119; Urteil vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, VBlBW 2001, 412 = InfAuslR 2001, 209).
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Bei der Entscheidung darüber, ob eine Ausnahmefall vorliegt, sind nach der Rechtsprechung des Senats alle Umstände des Einzelfalls ( die in § 45 Abs. 2 AuslG genannten, tatbezogene wie persönliche) zu berücksichtigen und zu gewichten. Erst dann, wenn den gegen die Annahme eines Regelfalls sprechenden Umständen größeres Gewicht zukommt als den für die Annahme eines Regelfalls sprechenden Gesichtspunkten, liegt ein atypischer Sachverhalt vor (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.10.1994 - 11 S 1202/94 -; Beschluss vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, a.a.O.; ebenso 13. Senat, Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96- und 10. Senat, Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175ff).
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aa) Tatbezogene Umstände rechtfertigen die Annahme eines Ausnahmefalles hier nicht. Der Umstand, dass der Kläger nicht als Haupttäter, sondern nur als Gehilfe einer Drogenstraftat verurteilt wurde, entspricht gerade dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG und ist daher nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen. Nach der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (BT-Drs. 11/6321 S. 50/73) ist „im Interesse einer umfassenden und wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität für Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz“ (d.h. ohne dass es auf eine strafgerichtliche Verurteilung ankommt) die Regelausweisung vorgesehen. Daraus, dass eine effektive und umfassende Bekämpfung der Drogenkriminalität ohne Einbeziehung des Rand- und Unterstützungsbereichs der (Haupt-)Täter nur schwer möglich ist, erklärt sich die Aufnahme von Beihilfehandlungen in den Tatbestand. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194) unter Hinweis auf die gesetzliche Überschrift („besondere Gefährlichkeit“) festgestellt, dass sich § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus der hohen Gefährlichkeit verstehe, die von dem illegalen Umgang mit Drogen ausgehe. Auch der Senat hat in seinem - vom Kläger für seine abweichende Rechtsauffassung in Anspruch genommenen - Beschluss vom 20.1.2001 (- 11 S 2836/00 -, InfAuslR 2001, 209) eine Ausnahme von der Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nicht mit Blick auf die Verurteilung des dortigen Klägers „nur“ wegen Beihilfe angenommen, sondern aufgrund weiterer, hinzugetretener Einzelfallumstände (Verurteilung „nur“ wegen Haschischhandels und „nur“ zu einem Jugendarrest von 4 Wochen bei sonstiger Unbescholtenheit des Ausländers). An solchen tatbezogenen Einzelfallumständen fehlt es hier. Denn der Kläger wurde wegen Beihilfe zum Heroinhandel in hoher Menge (980,3 g Heroinzubereitung) verurteilt. Bei Heroin handelt es sich um Rauschgift von besonderer Gefährlichkeit. Diese besondere Gefährlichkeit rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, eine Wiederholungsgefahr bereits aufgrund einer einmaligen Verurteilung wegen Handeltreibens mit diesem Rauschgift in nicht geringer Menge anzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 25.9.1986 - 2 BvR 744/86 -, NVwZ 1987, 403; Beschluss vom 12.9.1995 - 2 BvR 1179/95 -, InfAuslR 1995, 397; Beschluss vom 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67f). Hinzu kommt, dass der Kläger nach dem Strafurteil vom 18.1.2001 nicht nur gutgläubiges oder intellektuell den Haupttätern unterlegenes, in die Tat gleichsam unverschuldet involviertes oder zur Tat gedrängtes Werkzeug war. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Kläger vielmehr über den Zweck der Transportfahrt im Bilde, hatte eine einigermaßen konkrete Vorstellung von der Menge und Qualität des transportierten Rauschgifts und entschloss sich zur Teilnahme an der Tat aus freien Stücken. Der Umstand, dass der Kläger als Gehilfe „auswechselbar“ war und möglicherweise auch seine Freude daran, „einmal eine längere Strecke mit dem Auto fahren zu dürfen“ (Strafurteil S. 8) zum Tatentschluss beitrug, ändert auch unter Berücksichtigung des „eher geringen Umfangs seiner Tatbeteiligung“ (Strafurteil S. 9) nichts daran, dass er objektiv einen dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entsprechenden Tatbeitrag geleistet hat. Der weitere Umstand, dass der Kläger als erster ein Geständnis abgelegt hat und dadurch wohl auch das Geständnis weiterer Tatbeteiligter gefördert hat, rechtfertigt ebenfalls nicht, einen Ausnahmefall anzunehmen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde bereits vom Landgericht bei der Strafhöhe berücksichtigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17/94 -, NVwZ 1997, 1119). Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass das Drogengeschäft polizeilich observiert wurde und die gehandelten Drogen letztlich nicht auf den Markt kamen. Trotz dieser - den Kläger entlastenden - Gesichtspunkte erkannte die Strafkammer auf eine Jugendstrafe von 2 Jahren. Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Klägers zwar (weiter) berücksichtigt, dass die geringere allgemeine Vorwerfbarkeit der Beihilfetat auch bei Heranwachsenden strafmildernde Wirkung entfaltet. Andererseits betonte die Strafkammer aber ausdrücklich die „alles andere als unbedeutende Menge“ des gehandelten Heroins (fast des 100fachen der geringen Menge) und die von dieser ausgehende bedeutende Bedrohung für potentielle Abnehmer. Die Tatumstände und das von ihnen ausgehende Gefährdungspotential entsprechen daher nach wie vor dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG.
31 
bb) Auch die - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung - persönlichen Umstände des Klägers rechtfertigen die Anerkennung eines Ausnahmefalles hier nicht. Der damals 10jährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet begründet schon vor dem Hintergrund des Gewichts seiner Verurteilung wegen Beteiligung am Heroinhandel keine Ausnahmesituation (ebenso HessVGH, Urteil vom 14.8.1995 - 13 UE 860/94 -, InfAuslR 1996, 11f; OVG Bremen, Beschluss vom 20.11.1992 - 1 B 101/92 -, InfAuslR 1993, 85). Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die übrigen Familienangehörigen (Eltern und Geschwister) auch damals schon (dauerhaft) im Bundesgebiet aufhielten (HessVGH a.a.O.). Der Kläger war im Mai 2001 bereits 22 Jahre alt und ledig. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er - was für die Annahme eines Ausnahmefalles aus persönlichen Gründen aber erforderlich wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96 -, InfAuslR 1996, 333f) - noch als Erwachsener auf die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen als Beistandsgemeinschaft oder sonst in gesteigerter Weise auf deren Unterstützung angewiesen war und diese Unterstützung nur im Bundesgebiet erbracht werden konnte. Auch der erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte und in dem nachgereichten Schriftsatz vom 23.3.2005 ausgeführte Umstand, dass sich der Kläger um seine krebskranke Mutter kümmere, begründet keinen Ausnahmefall. Dem nachgereichten ärztlichen Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005 ist zu entnehmen, dass diese Krebserkrankung und eine daraus resultierende Betreuungsbedürftigkeit der Mutter des Klägers jedenfalls nicht schon - wie es für die Begründung eines Ausnahmefalles erforderlich wäre - im Mai 2001 bestand. Unabhängig davon spricht hier auch nichts dafür, dass zur Betreuung der Mutter gerade die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet unabdingbar notwendig ist. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass auch noch der Vater und die vier Geschwister des Klägers im Bundesgebiet leben. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Familienangehörigen nicht betreuungsbereit oder nicht betreuungsfähig sind und der Mutter nicht ebenso gut bei den täglichen Verrichtungen (vgl. die Ausführungen in dem ärztlichen Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005) zur Hand gehen können. Der Senat hat im Übrigen entschieden, dass einem betreuungsbedürftigen Familienmitglied kein uneingeschränktes „absolutes“ Wahlrecht zwischen mehreren betreuungsfähigen erwachsenen nahen Angehörigen zusteht, sondern dass insofern auch das öffentliche Interesse an der Ausreise einzelner Angehöriger aus - wie beim Kläger - Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Tragen gebracht werden kann (Beschluss vom 9.2.2004 - 11 S 1131/03 -, VBlBW 2004, 312 ff.). Soweit dem ärztlichen Attest die Befürchtung zu entnehmen ist, dass die drohende Abschiebung für die Mutter des Klägers eine erhebliche psychische und physische Belastung darstellt und den Genesungsprozess beeinträchtigen könnte, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass hier lediglich die Ausweisungsverfügung, nicht jedoch der Vollzug der dadurch ausgelösten (vgl. §§ 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) Ausreisepflicht in Rede steht.
32 
cc) Schließlich rechtfertigen auch die in § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG (i.V.m. § 55 Abs. 2 AuslG) genannten Duldungsgründe hier nicht die Annahme eines Ausnahmefalls. Zwar handelt es sich beim Kläger - eigenen Angaben zufolge - um einen „Ägypter“ aus dem Kosovo, der als Angehöriger dieser Minderheit im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung noch in den Genuss des Rückführungserlasses des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 2.2.2000 und der ergänzenden Hinweise vom 17.4.2000 (Az: 4-13-JUG/90) kam. Nach diesen Vorschriften waren Personen nichtalbanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo vorläufig weiterhin zu dulden. Ein Ausnahmefall ergibt sich hieraus aber schon deshalb nicht, weil dieser Abschiebestopp nur vorübergehend galt, m.a.W. Minderheitenangehörige aus dem Kosovo schon damals mit einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland nicht rechnen konnten. Dies ergibt sich aus Ziffer 1.2 des Erlasses vom 2.2.2000 bzw. Ziffer 1 der Hinweise vom 17.4.2002, wonach nichtalbanische Volkszugehörige nur „bis aus weiteres“ von Abschiebungsmaßnahmen ausgenommen sind. Die Vorläufigkeit dieser Regelung hat sich in der Folgezeit bestätigt. Seit dem Erlass des Innenministeriums vom 29.4.2003 (Az: 4-13-JUG/90, dort Ziffer 3.2.) werden auch Ashkali und „Ägypter“ aus dem Kosovo nicht mehr von der zwangsweisen Rückführung zurückgestellt.
33 
Weitere Duldungsgründe nach §§ 55 Abs. 2 - etwa solche aus § 53 AuslG sind - sind bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung weder vorgetragen noch zu erkennen.
34 
dd) Beim Kläger war - bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung - auch die für die Annahme einer Regelausweisung notwendige individuelle Wiederholungsgefahr anzunehmen. Die Zweifel, die das Verwaltungsgericht (S. 6 seines Urteils) an der vom Beklagten angestellten (negativen) Prognose zur Wiederholungsgefahr geäußert hat, teilt der Senat nicht. Sie beziehen sich auf die Annahme des Landgerichts in dem Urteil vom 18.1.2001, dass der Kläger durch eine lange andauernde und im Vollzug einem Heranwachsenden nicht vollauf gerecht werdende Untersuchungshaft nachhaltig beeindruckt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 - InfAuslR 1997, 296) und des Senats (vgl. Beschluss vom 20.12.2004 - 11 S 54/04 -, Urteil vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 -; ZAR 2003, 323), sind strafgerichtliche Erwägungen im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB zwar von den Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten zu beachten, entfalten insoweit aber keine Bindungswirkung. Denn die ausländerrechtliche Beurteilung erfordert im Unterschied zur strafrechtlichen eine langfristige Gefahrenprognose (BVerwG, Beschluss vom 16.11.1992 - 1 B 197.92 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.12.2004 - 11 S 54/04 -). Gemessen daran ist bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung nicht davon auszugehen, dass der Kläger schon durch die erlittene Untersuchungshaft in einer Weise beeindruckt war, die gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr sprach. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Landgerichts selbst, wonach beim Kläger schädliche Neigungen „zweifellos“ vorhanden seien, er mit „breitem Grinsen der Hauptverhandlung folgte“ und dadurch zeigte „dass er die Strafverfolgung nicht gänzlich ernst zu nehmen bereit war“. Das Vorliegen schädlicher Neigungen hat sich unabhängig davon durch die nach dem 18.1.2001 erfolgten, neuerlichen strafgerichtlichen Verurteilungen bestätigt. Der Senat ist ungeachtet der Tatsache, dass die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen ist, an einer Heranziehung und Auswertung späterer Verurteilungen nicht gehindert, wenn und soweit ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit der im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - 1 B 106.89 -, InfAuslR 1990, 4; Beschluss vom 16.11.1992 - 1 B 197/92 -, InfAuslR 1993, 121; Beschluss vom 30.11.1992 - 1 B 65/91 -, InfAuslR 1993, 261). Dies ist hier der Fall. Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 22.6.2001 wurde der Kläger wegen Hausfriedensbruchs und mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 23.8.2004 wegen Hehlerei verurteilt. Da diese Strafbefehle materiell rechtskräftig sind und die Rechtskraft nur im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt werden kann (vgl. § 410 Abs. 3 StPO, dazu Meyer/Goßner, Kommentar zur StPO, 47. Aufl. § 410 Rn 11/12 und Pfeiffer, Karlsruher Kommentar zur StPO, Einleitung Rn 165ff), hat der Senat keine Veranlassung davon auszugehen, dass der Kläger - entsprechend seiner Behauptung in der mündlichen Verhandlung - die ihnen zugrunde liegenden Straftaten tatsächlich nicht begangen hat. Diese Verurteilungen und die noch nicht rechtskräftige neuerliche Verurteilung vom 14.12.2004 belegen, dass auch die lange Untersuchungshaft den Kläger offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten vermochte. Im Hinblick darauf kann auch der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Einschätzung des Bewährungshelfers vom 24.6.2003, die dem Kläger eine positive Prognose bescheinigt, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.
35 
ee) Ist die Ausweisungsverfügung - wie hier - auf spezial- und generalpräventive Erwägungen gestützt, so reicht es aus, wenn eine der beiden Begründungen den Anforderungen an den Ausweisungszweck genügt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, InfAuslR 1995, 155). Eine Ausnahme von der Regelausweisung ist daher erst dann anzunehmen, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls sowohl die spezial- als auch die generalpräventiven Zwecke des § 47 AuslG nicht in dem erforderlichen Ausmaß zum Tragen kommen (ebenso in Bezug auf die Ausnahme von der Regel des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2001 - 13 S 2326/99 -, NVwZ-Beilage I 1/2002 S. 8). Dass beim Kläger in Bezug auf den spezialpräventiven Ausweisungszweck kein Ausnahmefall anzunehmen ist, wurde bereits ausgeführt. Aber auch der generalpräventive Ausweisungszweck kommt bei ihm einschränkungslos zum Tragen. Maßgebend ist - wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist -, dass § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG seinerseits auf einer generalpräventiven Überlegung beruht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, InfAuslR 2001, 209; Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 75; BVerwG, Beschluss vom 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194ff). Das Bundesverwaltungsgericht hat zum generalpräventiven Zweck dieser Vorschrift ausgeführt (Beschluss v. 10.1.1995, a.a.O.), dass dieser sich aus der hohen Gefährlichkeit, die von dem illegalen Umgang mit Drogen ausgehe und aus dem daraus sich ergebenden Interesse an einer „wirksamen und umfassenden Bekämpfung der Drogenkriminalität“ ergebe. Vor diesem Hintergrund muss insbesondere die Einbeziehung von Beihilfehandlungen in den Tatbestand gesehen werden. Zu beachten ist auch insoweit das besondere verfassungsgerichtlich bestätigte öffentliche Interesse an einer effektiven Bekämpfung gerade des Heroinhandels (dazu siehe bereits oben unter 2)b)aa)). Aus diesem Grund werden Drogenstraftaten nach ständiger Rechtsprechung als so schwerwiegend angesehen, dass sie grundsätzlich auch den besonderen Ausweisungsschutz des § 48 Abs. 1 AuslG überspielen (BVerwG, Beschl v. 10.1.1995 a.a.O., Beschluss des Senats v. 29.4.2004 - 11 S 1254/03 - S. 12 und Senatsurteil vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 - ). Mit Blick darauf muss dem generalpräventiven Abschreckungszweck hinsichtlich jeder der in § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Tatvarianten eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Zweck hier ausnahmsweise nicht mehr in der erforderlichen Weise zum Tragen kommt. Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn sich (1) die Abschreckungswirkung einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht (voll) entfalten kann (Gesichtspunkt der „Zweckverfehlung“, dazu schon Senatsurteil vom 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, InfAuslR 1995, 155ff) oder wenn (2.) die Abschreckungswirkung zwar (voll) erreicht werden könnte, sich eine generalpräventiv gestützte Ausweisungsverfügung aber unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Ausländers ausnahmsweise als unverhältnismäßig erweisen würde.
36 
Ein Fall der Zweckverfehlung liegt hier nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Abschreckungswirkung nicht dadurch eingeschränkt, dass er die Drogenstraftat - für Dritte erkennbar - „nur“ als Heranwachsender begangen hat. Denn § 47 Abs. 2 Satz 2 AuslG differenziert nicht danach, ob die Straftat von Erwachsenen, Heranwachsenden oder Jugendlichen begangen wurde. Sie bezweckt gerade auch, Heranwachsende durch eine konsequente Ausweisungspraxis von einer Beteiligung an Drogenstraftaten abzuhalten. Auch die Einbeziehung von Beihilfehandlungen in die Abschreckungswirkung ist notwendig, um das Rekrutierungsmilieu des Drogenhandels anzusprechen und auf diese Weise den „Randbereich“ der organisierten Drogen(dealer)kriminalität zu erfassen, auf den sie zu einem guten Teil angewiesen ist. Gerade dieser „Randbereich“ macht die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität aufgrund des hohen Konspirationsgrades in diesem Bereich so schwierig. Darauf, ob der Kläger tatsächlich (noch) Kontakte zum Dealermilieu hat und auf diese Weise gewährleistet ist, dass sich seine Ausweisung dort herum spricht, kommt es nicht an, weil die Abschreckungswirkung allein schon aufgrund einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis besteht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1994 a.a.O.).
37 
Die generalpräventive Ausweisung ist im Falle des Klägers auch nicht unverhältnismäßig. Entgegen seiner Auffassung kommt es ihm Rahmen generalpräventiver Erwägungen nicht darauf an, ob und inwieweit ihm bei der Verurteilung vom 18.1.2001 strafmildernde Umstände zur Seite standen und ob bei ihm die Gefahr erneuter Straffälligkeit besteht. Auch die Tatumstände, auf die er sich in diesem Zusammenhang beruft (seine Verurteilung nur wegen Beihilfe; seine Einbeziehung nur in den Randbereich der Tat als auswechselbarer Akteur; sein Geständnis; die Tatsache, dass das Rauschgift nicht in den Handel gelangt ist und das Geschäft polizeilich beobachtet wurde) machen die Ausweisung angesichts des hochrangigen öffentlichen Interesses an einer effektiven Bekämpfung der Drogenkriminalität nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats ist zudem geklärt, dass insbesondere der Einsatz verdeckter Ermittler bei einem Drogengeschäft keine Ausnahme von der Regelausweisung begründet, weil die ausländerrechtliche Maßnahme auch dann noch in erster Linie an das tatsächliche Verhalten des Ausländers - hier: die Beihilfeleistung zu einem Heroingeschäft von erheblichem Umfang - und die daraus abgeleitete Gefährdungssituation anknüpft (BVerfG, Beschl. v. 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67, 68, Urteil des Senats vom 15.5.2002 - 11 S 255/02 -, VBlBW 2002, 394).
38 
c) Die (Regel-)Ausweisung der Klägers verstößt schließlich auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist ein Art. 8 EMRK zu entnehmender (weitergehender) Ausweisungsschutz bei Anwendung des Ausländergesetzes zu beachten und gesondert zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 22.2.1993 - 1 B 7.93 -, InfAuslR 1993, 257 und v. 29.9.1998 - 1 C 8/96 -, InfAuslR, 1999, 54; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.9.2002 - 11 S 862/02 -, VBlBW 2003, 28; Beschl. v. 23.10.2002 - 11 S 1410/02 -, VBlBW 2003, 324) und daher nicht im Rahmen der Prüfung eines Ausnahmefalls nach § 47 Abs. 3 Satz 1 abzuhandeln.
39 
aa) Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung (unter anderem) seines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Sowohl unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wie auch derjenigen des Senats ist die Ausweisung des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Prüfung der Frage, ob ein (schützenswertes) Familienleben nach dieser Vorschrift vorliegt, maßgeblich auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung abzustellen ist. Zumindest die neuere Rechtsprechung des EGMR (vgl. die oben unter 1. genannten Nachweise) könnte für diese Rechtsauffassung sprechen. Hier ergibt sich jedenfalls auch dann, wenn man auch noch den Zeitraum vom Ergehen der Ausweisungsverfügung bis zur Entscheidung des Senats in den Blick nimmt, keine Verletzung des Art. 8 EMRK.
40 
Dem in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es nach der Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf die Folgen für den Ausländer selbst widersprechen, wenn durch behördliche Maßnahmen die Voraussetzungen für sein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansässigen Familie beseitigt werden (vgl. insbes. EGMR, Urteil vom 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - , InfAuslR 1994, 86; Urteil vom 26.9.1997 - 85/1996/704/896 - , NVwZ 1998, 164 = InfAuslR 1997, 430; Entscheidung vom 4.10.2001 - 43359/98 - , NJW 2003, 2595; Urteil vom 31.10.2002 - 37295/97 - , InfAuslR 2003, 126). Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8.96 -, NVwZ 1999, 303 = InfAuslR 1999, 54; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.5.2004 - 11 S 1080/04 -; Beschl. v. 28.5.2001 - 11 S 2940/99 -).
41 
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger - wie er meint -faktischer Inländer in diesem Sinne geworden ist. Er gehört nicht zur zweiten Generation von Einwanderern, wurde in der Bundesrepublik Deutschland nicht geboren und hat hier auch nicht die prägenden ersten Jahre seines Lebens verbracht. Nach Deutschland ist er vielmehr erst im Alter von 11 Jahren eingereist. In Deutschland hat er weder einen Schulabschluss noch einen beruflichen Abschluss erreicht. Zwar spricht er mittlerweile fließend deutsch. Es ist aber davon auszugehen, dass er immer noch über gute albanische Sprachkenntnisse verfügt. Denn der Kläger ist im Kosovo mit Albanisch als Muttersprache aufgewachsen. Dieser Sprache dürfte er sich auch nach seiner Einreise ins Bundesgebiet zumindest gegenüber den Familienmitgliedern bedient haben. Gegenüber der Jugendgerichtshilfe (vgl. die Feststellung des Landgerichts im Urteil vom 18.1.2001 S. 3) hat er zwar angegeben, dass er seine Muttersprache kaum noch verstehe. Dies hält der Senat aber vor dem aufgezeigten Hintergrund für lebensfremd und wenig glaubhaft. Beim Verwaltungsgericht (Gerichtsakte S. 107) hat der Kläger bereits eingeräumt, dass er mit seinen Eltern „gelegentlich“ albanisch spreche. Auch dieser Vortrag dürfte nicht der Realität entsprechen. Da der Kläger derzeit immer noch bei den Eltern wohnt, geht der Senat davon aus, dass ihm jedenfalls über die Staatsangehörigkeit hinaus gehende soziale und soziokulturelle Beziehungen zum Staat seiner Staatsangehörigkeit, einschließlich entsprechender Sprachkenntnisse vermittelt worden sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EZAR 037 Nr. 8; Beschl. v. 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, InfAuslR 2001, 196; Beschl. v. 25.9.2002 -11 S 862/02 -, EZAR 032 Nr. 18).
42 
Auch wenn der Senat zu Gunsten des Klägers unterstellen würde, dass er mittlerweile als faktischer Inländer zu betrachten wäre, würde Art. 8 Abs. 2 EMRK nach Lage der Dinge seiner Ausweisung nicht entgegenstehen. Denn sowohl nach der Rechtsprechung des EGMR wie auch derjenigen des Senats bedeutet die Feststellung, dass ein Ausländer faktisch zum Inländer geworden ist, noch nicht zwingend, dass eine Ausweisung deswegen ausnahmslos nicht in Betracht kommt. Vielmehr hängt die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK auch dann von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.5.2004, a.a.O.). Auch nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig. Als solche Umstände gelten insbesondere (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852 = InfAuslR 2004, 280): die Schwere der Straftaten, die in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafen gekennzeichnet wird (vgl. EGMR, Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 - 122/1996/741/940 - , InfAuslR 1998, 1; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; Urteil vom 31.10.2002 , aaO.); die Art der Straftat (vgl. Urteil vom 26.9.1997 - 123/1996/742/941 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 433; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 - 34374/97 - , NVwZ 2000, 1401 = InfAuslR 2000, 53); das Alter des Betroffenen bei der Begehung der Straftat (vgl. Urteil vom 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - , InfAuslR 1991, 149; Urteil vom 29.1.1997 - 112/1995/618/708 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 432; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.); die familiäre Situation (vgl. Urteil vom 31.10.2002 , aaO.), insbesondere, ob der Ausländer - mit einer deutschen Staatsangehörigen - verheiratet ist oder ob er Kinder - mit deutscher Staatsangehörigkeit - hat (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.;), bzw. ob er auf die Unterstützung und Hilfe von im Inland lebenden Eltern und Geschwistern angewiesen ist (vgl. Urteil vom 13.7.1995 - 18/1994/465/564 - , InfAuslR 1996, 1; Urt. v. 17.4.2003 - 52853/99 - ); der Bezug des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, wobei den Sprachkenntnissen im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse eine gewisse, aber nicht in jedem Fall ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; insbesondere aber Urteil vom 21.10.1997 , aaO.); und schließlich, ob der Ausländer die Staatsangehörigkeit seines Herkunftslandes behalten und nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes erwerben wollte (vgl. Urteil vom 26.3.1992, , aaO.; Urteil vom 29.1.1997 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.).
43 
Die danach im Fall des Klägers zu berücksichtigenden Umstände machen seine Ausweisung nicht unverhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK. Dabei legt der Senat zugrunde, dass der Kläger - der erst am 5.5.2005 eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten beabsichtigt - immer noch unverheiratet (und kinderlos) ist und sich derzeit in einem Arbeitsverhältnis als Bootshelfer befindet; auch geht der Senat davon aus, dass die Mutter des Klägers - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung behauptet und durch das nachgereichte ärztliche Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005 bestätigt - krebskrank ist, dabei aber nicht dauerhaft auf gerade vom Kläger im Bundesgebiet zu erbringende Lebenshilfe angewiesen ist (dazu schon unter 2)b)bb)). Diesen Umständen steht die Schwere der vom Kläger begangenen Drogenstraftat gegenüber, die, wie ausgeführt, ein wesentliches und im Fall des Klägers auch ausschlaggebendes Element für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt (vgl. EGMR, Urt. v. 31.10.2002, , a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -). Die Schwere der Drogenstraftat kommt bereits in der vom Landgericht verhängten Jugendstrafe von 2 Jahren zum Ausdruck, wobei der Kläger ein knappes Jahr in Untersuchungshaft verbrachte. Auch der EGMR weist mehrfach darauf hin, dass er bei Betäubungsmitteldelikten Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten gegen Ausländer, die zur Verbreitung dieser „Plage“ bzw. „Geißel der Menschheit“ beitragen, entschlossen durchgreifen (Urt. v. 17.4.2003 - 52853/99 - ; Urt. v. 7.8.1996, InfAuslR 1997, 185; Urt. v. 19.2.1998 , InfAuslR 1998, 201; Urt. v. 30.11.1999, , a.a.O.;). Hinzu kommt, dass der Kläger seine Drogenstraftat nicht als Drogenabhängiger, sondern offenbar aus einem Gewinnerzielungsinteresse heraus begangen hat sowie die Tatsache, dass bei ihm eine - durch neuerliche Verurteilungen manifestierte - Wiederholungsgefahr vorliegt.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
45 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Gründe

 
22 
Die Berufung ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch im übrigen zulässig. In seiner innerhalb eines Monats (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) eingegangenen Berufungsbegründung (vgl. § 124 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 3 Satz 4 VwGO) hat sich der Kläger in der erforderlichen Weise unter Sichtung und Durchdringung des Streitstoffes mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.9.1999 - 9 B 372.99 - NVwZ 2000, 67) und zu erkennen gegeben, dass und inwiefern er nach wie vor an der Durchführung des Berufungsverfahrens interessiert ist. Die Berufungsbegründung enthält auch einen bestimmten Antrag.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.5.2001 abgewiesen. Denn diese Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO).
24 
1. Für die Beurteilung, ob die angefochtene Ausweisungsverfügung mit nationalem Recht in Einklang steht, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier im Mai 2001 - abzustellen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats (BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 -; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288; vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996 - 11 S 2511/96 -; vom 28.7.1999 - 11 S 2387/98 -; vom 19.4.2000 - 11 S 1387/99 -, VBlBW 2001, 25; vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 -, VBlBW 2003, 289 und vom 21.7.2004 - 11 S 1303/04 -; ebenso der 13. Senat des VGH Baden-Württemberg im Urteil vom 15.5.2003 - 13 S 1113/02 -). Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung (unter Verweis auf Beichel, InfAuslR 2002, 457) zur Unvereinbarkeit dieser Auffassung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und in der mündlichen Verhandlung geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu ändern. Es wird nicht hinreichend deutlich, inwiefern „rechtsstaatliche Grundsätze“ verletzt sein könnten. Zu beachten ist, dass die Wiederholungsgefahr beeinflussende Entwicklungen, die zeitlich nach dem Ergehen der Ausweisungsverfügung eintreten, durch diese Rechtsprechung nicht in rechtsverkürzender Weise „abgeschnitten“ werden. Solche neueren Entwicklungen sind in einem Befristungsverfahren nach § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG bzw. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu berücksichtigen. Sie führen in der Regel zu einem Anspruch des ausgewiesenen Ausländers auf nachträgliche Befristung der Wirkungen der Ausweisung und bestimmen maßgeblich die Bemessung der Frist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 333). Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung der Fachgerichte zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der letzten Behördenentscheidung verfassungsrechtlich nicht beanstandet (Beschl. v. 18.7.1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386, 400).
25 
Zwar dürfte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich der Frage, ob ein (schützenswertes) Familienleben im Sinne von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliegt, auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung eines nationalen Gerichts abstellen (Urteile vom 30.11.1999, 34374/99 [Baghli], InfAuslR 2000, 53, vom 30.10.2002, 37295/97 [Yildiz], InfAuslR 2003, 126; vom 15.7.2003, 52206/99 [Mokrani], InfAuslR 2004, 183; ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.1.2004 - 10 S 1610/03 -, InfAuslR 2004, 189; OVG Bremen, Urteil vom 25.5.2004 - 1 A 303/03 -, InfAuslR 2004, 328). Diese Rechtsprechung betrifft indes nur den Teilausschnitt der Rechtsprüfung, der sich auf die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit der EMRK (dazu hier s.u. unter 2.c) bezieht. Sie nötigt jedoch nicht dazu, auch die Übereinstimmung dieser nationalen Maßnahme mit nationalem Recht bezogen auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung zu prüfen. Gleiches gilt auch in Hinblick auf die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger bzw. türkischer Staatsangehöriger, die ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei Nr. 1/80 besitzen, ebenfalls der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgeblich ist (BVerwG, Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2005, 220 und vom 3.8.2004 - 1 C 29.02 -, NVwZ 2005, 224). Diese Rechtsprechung trägt - wie in den genannten Entscheidungen ausdrücklich ausgeführt wird - den Besonderheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts Rechnung, deren integrierender Bestandteil auch der Assoziationsratsbeschluss 1/80 ist. Besonderheiten dieser Art liegen - entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Klägers - offensichtlich nicht vor, wenn es wie hier um die Beurteilung der Ausweisung eines Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro geht.
26 
2. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der (letzten) Behördenentscheidung im Mai 2001 ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden. Im damaligen Zeitpunkt galt noch das erst zum 1.1.2005 außer Kraft getretene (vgl. Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 2010) Ausländergesetz. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist daher anhand dieses Gesetzes zu prüfen. Die seit dem 1.1.2005 geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl. I, S. 1950ff) finden insoweit keine Anwendung (vgl. auch § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach vor dem 1.1.2005 getroffene Ausweisungen wirksam bleiben).
27 
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG sind - was unter den Beteiligten auch unstreitig ist - erfüllt, weil der Kläger nach den Feststellungen in dem Strafurteil vom 18.1.2001 den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zuwider Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geleistet hat. Wie schon dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist, kommt es auf das Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung oder gar auf eine Verurteilung in bestimmter Höhe für die Erfüllung des Tatbestandes nicht an (BVerwG, Beschl. v. 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194f). Dem Kläger steht auch kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG zur Seite. Insbesondere § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG kommt hier nicht in Betracht, da der ledige Kläger im Mai 2001 nicht mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebte. Seine Eltern, die als „Familienangehörige“ in diesem Sinne allenfalls in Betracht kommen, waren in diesem Zeitpunkt nicht deutsche Staatsangehörige und sind es auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht. Auch die Schutzvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG kommt dem Kläger nicht zugute. Zwar wohnte er im maßgeblichen Zeitpunkt noch mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft, er war jedoch bereits 22 Jahre alt und damit nicht mehr Heranwachsender (vgl. § 1 Abs. 2 JGG).
28 
b) Da der Kläger keinen besonderen Ausweisungsschutz genießt und - als im maßgeblichen Zeitpunkt bereits Volljähriger - auch nicht in den Genuss der Vergünstigung des § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG kommt, wird die Regelausweisung in seinem Fall nicht zur Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AuslG). Damit verbleibt es bei der Regelausweisung des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Eine Ausnahme vom Regelfall ist im Fall des Klägers nicht zu erkennen. Regelfälle i.S.d. § 47 Abs. 2 AuslG sind solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichgelagerter Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt (st. Rspr., vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2000 - 11 S 369/00-, InfAuslR 2001, 121). Ein Ausnahmefall liegt ferner vor, wenn der Ausweisung höherrangiges Recht entgegen steht, diese insbesondere nicht mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen vereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8/96 -, NVwZ 1999, 303 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2000 - 11 S 369/00 -, a.a.O.; Beschluss vom 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, VBlBW 2001, 196 = InfAuslR 2001, 119; Urteil vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, VBlBW 2001, 412 = InfAuslR 2001, 209).
29 
Bei der Entscheidung darüber, ob eine Ausnahmefall vorliegt, sind nach der Rechtsprechung des Senats alle Umstände des Einzelfalls ( die in § 45 Abs. 2 AuslG genannten, tatbezogene wie persönliche) zu berücksichtigen und zu gewichten. Erst dann, wenn den gegen die Annahme eines Regelfalls sprechenden Umständen größeres Gewicht zukommt als den für die Annahme eines Regelfalls sprechenden Gesichtspunkten, liegt ein atypischer Sachverhalt vor (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.10.1994 - 11 S 1202/94 -; Beschluss vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, a.a.O.; ebenso 13. Senat, Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96- und 10. Senat, Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175ff).
30 
aa) Tatbezogene Umstände rechtfertigen die Annahme eines Ausnahmefalles hier nicht. Der Umstand, dass der Kläger nicht als Haupttäter, sondern nur als Gehilfe einer Drogenstraftat verurteilt wurde, entspricht gerade dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG und ist daher nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen. Nach der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (BT-Drs. 11/6321 S. 50/73) ist „im Interesse einer umfassenden und wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität für Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz“ (d.h. ohne dass es auf eine strafgerichtliche Verurteilung ankommt) die Regelausweisung vorgesehen. Daraus, dass eine effektive und umfassende Bekämpfung der Drogenkriminalität ohne Einbeziehung des Rand- und Unterstützungsbereichs der (Haupt-)Täter nur schwer möglich ist, erklärt sich die Aufnahme von Beihilfehandlungen in den Tatbestand. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194) unter Hinweis auf die gesetzliche Überschrift („besondere Gefährlichkeit“) festgestellt, dass sich § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus der hohen Gefährlichkeit verstehe, die von dem illegalen Umgang mit Drogen ausgehe. Auch der Senat hat in seinem - vom Kläger für seine abweichende Rechtsauffassung in Anspruch genommenen - Beschluss vom 20.1.2001 (- 11 S 2836/00 -, InfAuslR 2001, 209) eine Ausnahme von der Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG nicht mit Blick auf die Verurteilung des dortigen Klägers „nur“ wegen Beihilfe angenommen, sondern aufgrund weiterer, hinzugetretener Einzelfallumstände (Verurteilung „nur“ wegen Haschischhandels und „nur“ zu einem Jugendarrest von 4 Wochen bei sonstiger Unbescholtenheit des Ausländers). An solchen tatbezogenen Einzelfallumständen fehlt es hier. Denn der Kläger wurde wegen Beihilfe zum Heroinhandel in hoher Menge (980,3 g Heroinzubereitung) verurteilt. Bei Heroin handelt es sich um Rauschgift von besonderer Gefährlichkeit. Diese besondere Gefährlichkeit rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, eine Wiederholungsgefahr bereits aufgrund einer einmaligen Verurteilung wegen Handeltreibens mit diesem Rauschgift in nicht geringer Menge anzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 25.9.1986 - 2 BvR 744/86 -, NVwZ 1987, 403; Beschluss vom 12.9.1995 - 2 BvR 1179/95 -, InfAuslR 1995, 397; Beschluss vom 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67f). Hinzu kommt, dass der Kläger nach dem Strafurteil vom 18.1.2001 nicht nur gutgläubiges oder intellektuell den Haupttätern unterlegenes, in die Tat gleichsam unverschuldet involviertes oder zur Tat gedrängtes Werkzeug war. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Kläger vielmehr über den Zweck der Transportfahrt im Bilde, hatte eine einigermaßen konkrete Vorstellung von der Menge und Qualität des transportierten Rauschgifts und entschloss sich zur Teilnahme an der Tat aus freien Stücken. Der Umstand, dass der Kläger als Gehilfe „auswechselbar“ war und möglicherweise auch seine Freude daran, „einmal eine längere Strecke mit dem Auto fahren zu dürfen“ (Strafurteil S. 8) zum Tatentschluss beitrug, ändert auch unter Berücksichtigung des „eher geringen Umfangs seiner Tatbeteiligung“ (Strafurteil S. 9) nichts daran, dass er objektiv einen dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entsprechenden Tatbeitrag geleistet hat. Der weitere Umstand, dass der Kläger als erster ein Geständnis abgelegt hat und dadurch wohl auch das Geständnis weiterer Tatbeteiligter gefördert hat, rechtfertigt ebenfalls nicht, einen Ausnahmefall anzunehmen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde bereits vom Landgericht bei der Strafhöhe berücksichtigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 175 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17/94 -, NVwZ 1997, 1119). Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass das Drogengeschäft polizeilich observiert wurde und die gehandelten Drogen letztlich nicht auf den Markt kamen. Trotz dieser - den Kläger entlastenden - Gesichtspunkte erkannte die Strafkammer auf eine Jugendstrafe von 2 Jahren. Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Klägers zwar (weiter) berücksichtigt, dass die geringere allgemeine Vorwerfbarkeit der Beihilfetat auch bei Heranwachsenden strafmildernde Wirkung entfaltet. Andererseits betonte die Strafkammer aber ausdrücklich die „alles andere als unbedeutende Menge“ des gehandelten Heroins (fast des 100fachen der geringen Menge) und die von dieser ausgehende bedeutende Bedrohung für potentielle Abnehmer. Die Tatumstände und das von ihnen ausgehende Gefährdungspotential entsprechen daher nach wie vor dem Regelfall des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG.
31 
bb) Auch die - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung - persönlichen Umstände des Klägers rechtfertigen die Anerkennung eines Ausnahmefalles hier nicht. Der damals 10jährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet begründet schon vor dem Hintergrund des Gewichts seiner Verurteilung wegen Beteiligung am Heroinhandel keine Ausnahmesituation (ebenso HessVGH, Urteil vom 14.8.1995 - 13 UE 860/94 -, InfAuslR 1996, 11f; OVG Bremen, Beschluss vom 20.11.1992 - 1 B 101/92 -, InfAuslR 1993, 85). Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die übrigen Familienangehörigen (Eltern und Geschwister) auch damals schon (dauerhaft) im Bundesgebiet aufhielten (HessVGH a.a.O.). Der Kläger war im Mai 2001 bereits 22 Jahre alt und ledig. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er - was für die Annahme eines Ausnahmefalles aus persönlichen Gründen aber erforderlich wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96 -, InfAuslR 1996, 333f) - noch als Erwachsener auf die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen als Beistandsgemeinschaft oder sonst in gesteigerter Weise auf deren Unterstützung angewiesen war und diese Unterstützung nur im Bundesgebiet erbracht werden konnte. Auch der erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte und in dem nachgereichten Schriftsatz vom 23.3.2005 ausgeführte Umstand, dass sich der Kläger um seine krebskranke Mutter kümmere, begründet keinen Ausnahmefall. Dem nachgereichten ärztlichen Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005 ist zu entnehmen, dass diese Krebserkrankung und eine daraus resultierende Betreuungsbedürftigkeit der Mutter des Klägers jedenfalls nicht schon - wie es für die Begründung eines Ausnahmefalles erforderlich wäre - im Mai 2001 bestand. Unabhängig davon spricht hier auch nichts dafür, dass zur Betreuung der Mutter gerade die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet unabdingbar notwendig ist. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass auch noch der Vater und die vier Geschwister des Klägers im Bundesgebiet leben. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Familienangehörigen nicht betreuungsbereit oder nicht betreuungsfähig sind und der Mutter nicht ebenso gut bei den täglichen Verrichtungen (vgl. die Ausführungen in dem ärztlichen Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005) zur Hand gehen können. Der Senat hat im Übrigen entschieden, dass einem betreuungsbedürftigen Familienmitglied kein uneingeschränktes „absolutes“ Wahlrecht zwischen mehreren betreuungsfähigen erwachsenen nahen Angehörigen zusteht, sondern dass insofern auch das öffentliche Interesse an der Ausreise einzelner Angehöriger aus - wie beim Kläger - Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Tragen gebracht werden kann (Beschluss vom 9.2.2004 - 11 S 1131/03 -, VBlBW 2004, 312 ff.). Soweit dem ärztlichen Attest die Befürchtung zu entnehmen ist, dass die drohende Abschiebung für die Mutter des Klägers eine erhebliche psychische und physische Belastung darstellt und den Genesungsprozess beeinträchtigen könnte, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass hier lediglich die Ausweisungsverfügung, nicht jedoch der Vollzug der dadurch ausgelösten (vgl. §§ 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) Ausreisepflicht in Rede steht.
32 
cc) Schließlich rechtfertigen auch die in § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG (i.V.m. § 55 Abs. 2 AuslG) genannten Duldungsgründe hier nicht die Annahme eines Ausnahmefalls. Zwar handelt es sich beim Kläger - eigenen Angaben zufolge - um einen „Ägypter“ aus dem Kosovo, der als Angehöriger dieser Minderheit im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung noch in den Genuss des Rückführungserlasses des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 2.2.2000 und der ergänzenden Hinweise vom 17.4.2000 (Az: 4-13-JUG/90) kam. Nach diesen Vorschriften waren Personen nichtalbanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo vorläufig weiterhin zu dulden. Ein Ausnahmefall ergibt sich hieraus aber schon deshalb nicht, weil dieser Abschiebestopp nur vorübergehend galt, m.a.W. Minderheitenangehörige aus dem Kosovo schon damals mit einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland nicht rechnen konnten. Dies ergibt sich aus Ziffer 1.2 des Erlasses vom 2.2.2000 bzw. Ziffer 1 der Hinweise vom 17.4.2002, wonach nichtalbanische Volkszugehörige nur „bis aus weiteres“ von Abschiebungsmaßnahmen ausgenommen sind. Die Vorläufigkeit dieser Regelung hat sich in der Folgezeit bestätigt. Seit dem Erlass des Innenministeriums vom 29.4.2003 (Az: 4-13-JUG/90, dort Ziffer 3.2.) werden auch Ashkali und „Ägypter“ aus dem Kosovo nicht mehr von der zwangsweisen Rückführung zurückgestellt.
33 
Weitere Duldungsgründe nach §§ 55 Abs. 2 - etwa solche aus § 53 AuslG sind - sind bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung weder vorgetragen noch zu erkennen.
34 
dd) Beim Kläger war - bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung - auch die für die Annahme einer Regelausweisung notwendige individuelle Wiederholungsgefahr anzunehmen. Die Zweifel, die das Verwaltungsgericht (S. 6 seines Urteils) an der vom Beklagten angestellten (negativen) Prognose zur Wiederholungsgefahr geäußert hat, teilt der Senat nicht. Sie beziehen sich auf die Annahme des Landgerichts in dem Urteil vom 18.1.2001, dass der Kläger durch eine lange andauernde und im Vollzug einem Heranwachsenden nicht vollauf gerecht werdende Untersuchungshaft nachhaltig beeindruckt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 - InfAuslR 1997, 296) und des Senats (vgl. Beschluss vom 20.12.2004 - 11 S 54/04 -, Urteil vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 -; ZAR 2003, 323), sind strafgerichtliche Erwägungen im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB zwar von den Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten zu beachten, entfalten insoweit aber keine Bindungswirkung. Denn die ausländerrechtliche Beurteilung erfordert im Unterschied zur strafrechtlichen eine langfristige Gefahrenprognose (BVerwG, Beschluss vom 16.11.1992 - 1 B 197.92 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.12.2004 - 11 S 54/04 -). Gemessen daran ist bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung nicht davon auszugehen, dass der Kläger schon durch die erlittene Untersuchungshaft in einer Weise beeindruckt war, die gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr sprach. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Landgerichts selbst, wonach beim Kläger schädliche Neigungen „zweifellos“ vorhanden seien, er mit „breitem Grinsen der Hauptverhandlung folgte“ und dadurch zeigte „dass er die Strafverfolgung nicht gänzlich ernst zu nehmen bereit war“. Das Vorliegen schädlicher Neigungen hat sich unabhängig davon durch die nach dem 18.1.2001 erfolgten, neuerlichen strafgerichtlichen Verurteilungen bestätigt. Der Senat ist ungeachtet der Tatsache, dass die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen ist, an einer Heranziehung und Auswertung späterer Verurteilungen nicht gehindert, wenn und soweit ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit der im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - 1 B 106.89 -, InfAuslR 1990, 4; Beschluss vom 16.11.1992 - 1 B 197/92 -, InfAuslR 1993, 121; Beschluss vom 30.11.1992 - 1 B 65/91 -, InfAuslR 1993, 261). Dies ist hier der Fall. Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 22.6.2001 wurde der Kläger wegen Hausfriedensbruchs und mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 23.8.2004 wegen Hehlerei verurteilt. Da diese Strafbefehle materiell rechtskräftig sind und die Rechtskraft nur im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt werden kann (vgl. § 410 Abs. 3 StPO, dazu Meyer/Goßner, Kommentar zur StPO, 47. Aufl. § 410 Rn 11/12 und Pfeiffer, Karlsruher Kommentar zur StPO, Einleitung Rn 165ff), hat der Senat keine Veranlassung davon auszugehen, dass der Kläger - entsprechend seiner Behauptung in der mündlichen Verhandlung - die ihnen zugrunde liegenden Straftaten tatsächlich nicht begangen hat. Diese Verurteilungen und die noch nicht rechtskräftige neuerliche Verurteilung vom 14.12.2004 belegen, dass auch die lange Untersuchungshaft den Kläger offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten vermochte. Im Hinblick darauf kann auch der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Einschätzung des Bewährungshelfers vom 24.6.2003, die dem Kläger eine positive Prognose bescheinigt, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.
35 
ee) Ist die Ausweisungsverfügung - wie hier - auf spezial- und generalpräventive Erwägungen gestützt, so reicht es aus, wenn eine der beiden Begründungen den Anforderungen an den Ausweisungszweck genügt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, InfAuslR 1995, 155). Eine Ausnahme von der Regelausweisung ist daher erst dann anzunehmen, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls sowohl die spezial- als auch die generalpräventiven Zwecke des § 47 AuslG nicht in dem erforderlichen Ausmaß zum Tragen kommen (ebenso in Bezug auf die Ausnahme von der Regel des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.6.2001 - 13 S 2326/99 -, NVwZ-Beilage I 1/2002 S. 8). Dass beim Kläger in Bezug auf den spezialpräventiven Ausweisungszweck kein Ausnahmefall anzunehmen ist, wurde bereits ausgeführt. Aber auch der generalpräventive Ausweisungszweck kommt bei ihm einschränkungslos zum Tragen. Maßgebend ist - wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist -, dass § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG seinerseits auf einer generalpräventiven Überlegung beruht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.2.2001 - 11 S 2836/00 -, InfAuslR 2001, 209; Beschluss vom 9.11.2001 - 10 S 1900/01 -, InfAuslR 2002, 75; BVerwG, Beschluss vom 10.1.1995 - 1 B 153/94 -, InfAuslR 1995, 194ff). Das Bundesverwaltungsgericht hat zum generalpräventiven Zweck dieser Vorschrift ausgeführt (Beschluss v. 10.1.1995, a.a.O.), dass dieser sich aus der hohen Gefährlichkeit, die von dem illegalen Umgang mit Drogen ausgehe und aus dem daraus sich ergebenden Interesse an einer „wirksamen und umfassenden Bekämpfung der Drogenkriminalität“ ergebe. Vor diesem Hintergrund muss insbesondere die Einbeziehung von Beihilfehandlungen in den Tatbestand gesehen werden. Zu beachten ist auch insoweit das besondere verfassungsgerichtlich bestätigte öffentliche Interesse an einer effektiven Bekämpfung gerade des Heroinhandels (dazu siehe bereits oben unter 2)b)aa)). Aus diesem Grund werden Drogenstraftaten nach ständiger Rechtsprechung als so schwerwiegend angesehen, dass sie grundsätzlich auch den besonderen Ausweisungsschutz des § 48 Abs. 1 AuslG überspielen (BVerwG, Beschl v. 10.1.1995 a.a.O., Beschluss des Senats v. 29.4.2004 - 11 S 1254/03 - S. 12 und Senatsurteil vom 9.7.2003 - 11 S 420/03 - ). Mit Blick darauf muss dem generalpräventiven Abschreckungszweck hinsichtlich jeder der in § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Tatvarianten eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Zweck hier ausnahmsweise nicht mehr in der erforderlichen Weise zum Tragen kommt. Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn sich (1) die Abschreckungswirkung einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht (voll) entfalten kann (Gesichtspunkt der „Zweckverfehlung“, dazu schon Senatsurteil vom 19.10.1994 - 11 S 1884/94 -, InfAuslR 1995, 155ff) oder wenn (2.) die Abschreckungswirkung zwar (voll) erreicht werden könnte, sich eine generalpräventiv gestützte Ausweisungsverfügung aber unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Ausländers ausnahmsweise als unverhältnismäßig erweisen würde.
36 
Ein Fall der Zweckverfehlung liegt hier nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wird die Abschreckungswirkung nicht dadurch eingeschränkt, dass er die Drogenstraftat - für Dritte erkennbar - „nur“ als Heranwachsender begangen hat. Denn § 47 Abs. 2 Satz 2 AuslG differenziert nicht danach, ob die Straftat von Erwachsenen, Heranwachsenden oder Jugendlichen begangen wurde. Sie bezweckt gerade auch, Heranwachsende durch eine konsequente Ausweisungspraxis von einer Beteiligung an Drogenstraftaten abzuhalten. Auch die Einbeziehung von Beihilfehandlungen in die Abschreckungswirkung ist notwendig, um das Rekrutierungsmilieu des Drogenhandels anzusprechen und auf diese Weise den „Randbereich“ der organisierten Drogen(dealer)kriminalität zu erfassen, auf den sie zu einem guten Teil angewiesen ist. Gerade dieser „Randbereich“ macht die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität aufgrund des hohen Konspirationsgrades in diesem Bereich so schwierig. Darauf, ob der Kläger tatsächlich (noch) Kontakte zum Dealermilieu hat und auf diese Weise gewährleistet ist, dass sich seine Ausweisung dort herum spricht, kommt es nicht an, weil die Abschreckungswirkung allein schon aufgrund einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis besteht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1994 a.a.O.).
37 
Die generalpräventive Ausweisung ist im Falle des Klägers auch nicht unverhältnismäßig. Entgegen seiner Auffassung kommt es ihm Rahmen generalpräventiver Erwägungen nicht darauf an, ob und inwieweit ihm bei der Verurteilung vom 18.1.2001 strafmildernde Umstände zur Seite standen und ob bei ihm die Gefahr erneuter Straffälligkeit besteht. Auch die Tatumstände, auf die er sich in diesem Zusammenhang beruft (seine Verurteilung nur wegen Beihilfe; seine Einbeziehung nur in den Randbereich der Tat als auswechselbarer Akteur; sein Geständnis; die Tatsache, dass das Rauschgift nicht in den Handel gelangt ist und das Geschäft polizeilich beobachtet wurde) machen die Ausweisung angesichts des hochrangigen öffentlichen Interesses an einer effektiven Bekämpfung der Drogenkriminalität nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats ist zudem geklärt, dass insbesondere der Einsatz verdeckter Ermittler bei einem Drogengeschäft keine Ausnahme von der Regelausweisung begründet, weil die ausländerrechtliche Maßnahme auch dann noch in erster Linie an das tatsächliche Verhalten des Ausländers - hier: die Beihilfeleistung zu einem Heroingeschäft von erheblichem Umfang - und die daraus abgeleitete Gefährdungssituation anknüpft (BVerfG, Beschl. v. 1.3.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67, 68, Urteil des Senats vom 15.5.2002 - 11 S 255/02 -, VBlBW 2002, 394).
38 
c) Die (Regel-)Ausweisung der Klägers verstößt schließlich auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist ein Art. 8 EMRK zu entnehmender (weitergehender) Ausweisungsschutz bei Anwendung des Ausländergesetzes zu beachten und gesondert zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 22.2.1993 - 1 B 7.93 -, InfAuslR 1993, 257 und v. 29.9.1998 - 1 C 8/96 -, InfAuslR, 1999, 54; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.9.2002 - 11 S 862/02 -, VBlBW 2003, 28; Beschl. v. 23.10.2002 - 11 S 1410/02 -, VBlBW 2003, 324) und daher nicht im Rahmen der Prüfung eines Ausnahmefalls nach § 47 Abs. 3 Satz 1 abzuhandeln.
39 
aa) Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung (unter anderem) seines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Sowohl unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wie auch derjenigen des Senats ist die Ausweisung des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Prüfung der Frage, ob ein (schützenswertes) Familienleben nach dieser Vorschrift vorliegt, maßgeblich auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung abzustellen ist. Zumindest die neuere Rechtsprechung des EGMR (vgl. die oben unter 1. genannten Nachweise) könnte für diese Rechtsauffassung sprechen. Hier ergibt sich jedenfalls auch dann, wenn man auch noch den Zeitraum vom Ergehen der Ausweisungsverfügung bis zur Entscheidung des Senats in den Blick nimmt, keine Verletzung des Art. 8 EMRK.
40 
Dem in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es nach der Rechtsprechung des EGMR in Bezug auf die Folgen für den Ausländer selbst widersprechen, wenn durch behördliche Maßnahmen die Voraussetzungen für sein weiteres Zusammenleben mit seiner im Vertragsstaat ansässigen Familie beseitigt werden (vgl. insbes. EGMR, Urteil vom 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - , InfAuslR 1994, 86; Urteil vom 26.9.1997 - 85/1996/704/896 - , NVwZ 1998, 164 = InfAuslR 1997, 430; Entscheidung vom 4.10.2001 - 43359/98 - , NJW 2003, 2595; Urteil vom 31.10.2002 - 37295/97 - , InfAuslR 2003, 126). Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt danach etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.9.1998 - 1 C 8.96 -, NVwZ 1999, 303 = InfAuslR 1999, 54; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.5.2004 - 11 S 1080/04 -; Beschl. v. 28.5.2001 - 11 S 2940/99 -).
41 
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger - wie er meint -faktischer Inländer in diesem Sinne geworden ist. Er gehört nicht zur zweiten Generation von Einwanderern, wurde in der Bundesrepublik Deutschland nicht geboren und hat hier auch nicht die prägenden ersten Jahre seines Lebens verbracht. Nach Deutschland ist er vielmehr erst im Alter von 11 Jahren eingereist. In Deutschland hat er weder einen Schulabschluss noch einen beruflichen Abschluss erreicht. Zwar spricht er mittlerweile fließend deutsch. Es ist aber davon auszugehen, dass er immer noch über gute albanische Sprachkenntnisse verfügt. Denn der Kläger ist im Kosovo mit Albanisch als Muttersprache aufgewachsen. Dieser Sprache dürfte er sich auch nach seiner Einreise ins Bundesgebiet zumindest gegenüber den Familienmitgliedern bedient haben. Gegenüber der Jugendgerichtshilfe (vgl. die Feststellung des Landgerichts im Urteil vom 18.1.2001 S. 3) hat er zwar angegeben, dass er seine Muttersprache kaum noch verstehe. Dies hält der Senat aber vor dem aufgezeigten Hintergrund für lebensfremd und wenig glaubhaft. Beim Verwaltungsgericht (Gerichtsakte S. 107) hat der Kläger bereits eingeräumt, dass er mit seinen Eltern „gelegentlich“ albanisch spreche. Auch dieser Vortrag dürfte nicht der Realität entsprechen. Da der Kläger derzeit immer noch bei den Eltern wohnt, geht der Senat davon aus, dass ihm jedenfalls über die Staatsangehörigkeit hinaus gehende soziale und soziokulturelle Beziehungen zum Staat seiner Staatsangehörigkeit, einschließlich entsprechender Sprachkenntnisse vermittelt worden sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 -, EZAR 037 Nr. 8; Beschl. v. 11.10.2000 - 11 S 1206/00 -, InfAuslR 2001, 196; Beschl. v. 25.9.2002 -11 S 862/02 -, EZAR 032 Nr. 18).
42 
Auch wenn der Senat zu Gunsten des Klägers unterstellen würde, dass er mittlerweile als faktischer Inländer zu betrachten wäre, würde Art. 8 Abs. 2 EMRK nach Lage der Dinge seiner Ausweisung nicht entgegenstehen. Denn sowohl nach der Rechtsprechung des EGMR wie auch derjenigen des Senats bedeutet die Feststellung, dass ein Ausländer faktisch zum Inländer geworden ist, noch nicht zwingend, dass eine Ausweisung deswegen ausnahmslos nicht in Betracht kommt. Vielmehr hängt die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK auch dann von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.5.2004, a.a.O.). Auch nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Zulässigkeit der Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 Abs. 2 EMRK von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig. Als solche Umstände gelten insbesondere (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852 = InfAuslR 2004, 280): die Schwere der Straftaten, die in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafen gekennzeichnet wird (vgl. EGMR, Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 - 122/1996/741/940 - , InfAuslR 1998, 1; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; Urteil vom 31.10.2002 , aaO.); die Art der Straftat (vgl. Urteil vom 26.9.1997 - 123/1996/742/941 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 433; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 - 34374/97 - , NVwZ 2000, 1401 = InfAuslR 2000, 53); das Alter des Betroffenen bei der Begehung der Straftat (vgl. Urteil vom 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - , InfAuslR 1991, 149; Urteil vom 29.1.1997 - 112/1995/618/708 - , zitiert in der Zusammenfassung durch Zander, InfAuslR 1997, 432; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.); die familiäre Situation (vgl. Urteil vom 31.10.2002 , aaO.), insbesondere, ob der Ausländer - mit einer deutschen Staatsangehörigen - verheiratet ist oder ob er Kinder - mit deutscher Staatsangehörigkeit - hat (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.;), bzw. ob er auf die Unterstützung und Hilfe von im Inland lebenden Eltern und Geschwistern angewiesen ist (vgl. Urteil vom 13.7.1995 - 18/1994/465/564 - , InfAuslR 1996, 1; Urt. v. 17.4.2003 - 52853/99 - ); der Bezug des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, wobei den Sprachkenntnissen im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse eine gewisse, aber nicht in jedem Fall ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 26.3.1992 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.; Entscheidung vom 4.10.2001 , aaO.; insbesondere aber Urteil vom 21.10.1997 , aaO.); und schließlich, ob der Ausländer die Staatsangehörigkeit seines Herkunftslandes behalten und nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes erwerben wollte (vgl. Urteil vom 26.3.1992, , aaO.; Urteil vom 29.1.1997 , aaO.; Urteil vom 26.9.1997 , aaO.; Urteil vom 21.10.1997 , aaO.; Urteil vom 30.11.1999 , aaO.).
43 
Die danach im Fall des Klägers zu berücksichtigenden Umstände machen seine Ausweisung nicht unverhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK. Dabei legt der Senat zugrunde, dass der Kläger - der erst am 5.5.2005 eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten beabsichtigt - immer noch unverheiratet (und kinderlos) ist und sich derzeit in einem Arbeitsverhältnis als Bootshelfer befindet; auch geht der Senat davon aus, dass die Mutter des Klägers - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung behauptet und durch das nachgereichte ärztliche Attest des Dr. Fxxx vom 22.3.2005 bestätigt - krebskrank ist, dabei aber nicht dauerhaft auf gerade vom Kläger im Bundesgebiet zu erbringende Lebenshilfe angewiesen ist (dazu schon unter 2)b)bb)). Diesen Umständen steht die Schwere der vom Kläger begangenen Drogenstraftat gegenüber, die, wie ausgeführt, ein wesentliches und im Fall des Klägers auch ausschlaggebendes Element für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt (vgl. EGMR, Urt. v. 31.10.2002, , a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -). Die Schwere der Drogenstraftat kommt bereits in der vom Landgericht verhängten Jugendstrafe von 2 Jahren zum Ausdruck, wobei der Kläger ein knappes Jahr in Untersuchungshaft verbrachte. Auch der EGMR weist mehrfach darauf hin, dass er bei Betäubungsmitteldelikten Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten gegen Ausländer, die zur Verbreitung dieser „Plage“ bzw. „Geißel der Menschheit“ beitragen, entschlossen durchgreifen (Urt. v. 17.4.2003 - 52853/99 - ; Urt. v. 7.8.1996, InfAuslR 1997, 185; Urt. v. 19.2.1998 , InfAuslR 1998, 201; Urt. v. 30.11.1999, , a.a.O.;). Hinzu kommt, dass der Kläger seine Drogenstraftat nicht als Drogenabhängiger, sondern offenbar aus einem Gewinnerzielungsinteresse heraus begangen hat sowie die Tatsache, dass bei ihm eine - durch neuerliche Verurteilungen manifestierte - Wiederholungsgefahr vorliegt.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
45 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Sonstige Literatur

 
46 
Rechtsmittelbelehrung
47 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
48 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
49 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
50 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
51 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
52 
Beschluss vom 22. März 2005
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. auf 4.000,-- EUR festgesetzt. Nach § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes - KostRMoG - vom 5.5.2004, BGBl. I, 718, 731 ist das GKG hier in der vor dem 1.7.2004 geltenden Fassung anzuwenden, da der Kläger seinen Antrag auf Zulassung der (vorliegend nach § 124a Abs. 5 Satz 5 2. Halbsatz VwGO nicht mehr gesondert einlegungsbedürftigen) Berufung bereits am 25. August 2003 gestellt hat.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. März 2005 - 11 S 2599/04

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Feb. 2004 - 11 S 1131/03

bei uns veröffentlicht am 09.02.2004

Tenor Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23. April 2003 - 4 K 616/03 - wird geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers für die Dauer von 6 Monaten auszusetzen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Jan. 2004 - 10 S 1610/03

bei uns veröffentlicht am 27.01.2004

Tenor Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. Oktober 2002 - 5 K 4277/01 - ist insoweit, d.h. hinsicht
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. März 2005 - 11 S 2599/04.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 25. Apr. 2007 - 11 S 409/06

bei uns veröffentlicht am 25.04.2007

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 07. Dezember 2004 - 7 K 487/02 - wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 13. Dez. 2006 - 1 K 756/06

bei uns veröffentlicht am 13.12.2006

Tenor Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - vom 11.04.2006 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand   1  Der Kläger wen

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 15. Sept. 2006 - 2 R 1/06

bei uns veröffentlicht am 15.09.2006

Tenor Die Berufungen werden zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zu 1. zu zwei Drittel und der Klägerin zu 2. zu einem Drittel zur Last. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revisio

Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 10. Aug. 2005 - 16 K 2485/05

bei uns veröffentlicht am 10.08.2005

Tenor Der Antrag wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt. Gründe   1  Der Antragsteller, ein 24-jähriger kroatischer Staatsang

Referenzen

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. Oktober 2002 - 5 K 4277/01 - ist insoweit, d.h. hinsichtlich der Ziff. 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001 (Abschiebungsandrohung), unwirksam.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, geändert. Die Klage wird, soweit sie nach den Erledigungserklärungen noch anhängig ist, abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Abschiebungsandrohung.
Der am 12.08.1979 in Berlin geborene ledige Kläger besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. Seine Schulausbildung schloss der Kläger mit dem Hauptschulabschluss ab. Anschließend besuchte er eine Fachschule für Nachrichtentechnik, die er nach einem Jahr mit einem Abgangszeugnis verließ. Im Jahre 1998 begann der Kläger mit einer Ausbildung zum Fahrradmechaniker, die er aber bereits nach einem Monat wieder abbrach. Anschließend war er arbeitslos, eine im September 1999 begonnene Tätigkeit als Lüftungsmonteur übte er lediglich für zweieinhalb Monate aus. Dann war er in Teilzeit als Spüler in einem Restaurant und schließlich als Maler im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig. Der Vater des Klägers ist im Jahr 1995 verstorben. Am 15.08.1995 erteilte das Landeseinwohneramt Berlin dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Im Sommer 1999 verließ der Kläger mit dem Ziel, sein Leben in einer neuen Umgebung zu stabilisieren, die Wohnung seiner Mutter in Berlin und lebte für mehrere Monate bei seiner Tante in Stuttgart. Ende 1999 zogen auch seine Mutter und sein Bruder nach Stuttgart und lebten wieder mit dem Kläger in einer Wohnung zusammen.
Strafrechtlich trat der Kläger wie folgt in Erscheinung:
1. Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - Berlin-Tiergarten vom 08.12.1997: 3 Tage Jugendarrest wegen Körperverletzung;
2. Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 27.07.1998: Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 15 DM wegen Diebstahls geringwertiger Sachen;
3. Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - Tiergarten vom 14.12.1998: Jugendstrafe von 6 Monaten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, wobei die Vollstreckung der Strafe auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde;
4. Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Tiergarten vom 19.05.1999: Jugendstrafe von 18 Monaten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in 6 Fällen, davon in einem Fall lediglich versucht, unter Einbeziehung von Ziff. 4); die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung wurde zunächst für die Dauer von 6 Monaten zurückgestellt und schließlich mit Beschluss vom 28.03.2000 gewährt;
5. Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Jugendschöffengericht - vom 14.09.2000: Unter Einbeziehung des Urteils vom 19.05.1999 Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen. Die vom Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 09.01.2001. Tattage waren der 05.02. und der 14.02.2000.
Mit Schreiben vom 20.12.1999 setzte die Stadt Stuttgart den Kläger davon in Kenntnis, dass im Hinblick auf die von ihm begangenen Straftaten seine Ausweisung geprüft werde, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
10 
Am 29.11.2000 wurde der Kläger von der Polizei einer Personenkontrolle unterzogen. Bei ihm wurden 1,9 Gramm Marihuana gefunden, welches er in einem in seiner Unterhose versteckten Tütchen bei sich führte.
11 
Am 09.04.2001 trat der Kläger seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim an. Am 19.04.2002 wurde der Kläger aus der Haft wieder entlassen.
12 
Mit Schreiben vom 24.09.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger darauf hin, dass im Hinblick auf seine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz seine Ausweisung in Betracht komme, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Im Hinblick auf die angekündigte Ausweisung machte der Kläger geltend, dass er erstmals wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden sei und es sich zudem um die weiche Droge Marihuana gehandelt habe. Angesichts der Verurteilung von weit unter zwei Jahren sei eine Ausweisung unverhältnismäßig.
13 
Mit Verfügung vom 01.10.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet unter Anordnung des Sofortvollzugs aus und drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Zur Begründung wies das Regierungspräsidium darauf hin, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfülle. Er genieße jedoch besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Der geahndete Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz stelle einen schwerwiegenden Ausweisungsanlass dar. Auch das Strafgericht sei von einer denkbar ungünstigen Zukunftsprognose ausgegangen. Angesichts des Umstandes, dass sich der Kläger auch durch zwei Bewährungsappelle nicht von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten lassen, sei auch in Zukunft mit weiteren Straftaten zu rechnen. Auch sei die Ausweisung aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Stützung der Ausweisung auf generalpräventive Gründe sei auch nicht nach den Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 unzulässig. Die Ausweisung des Klägers sei auch aus spezialpräventiven Erwägungen erfolgt. Er habe zum Zeitpunkt seines Haftantritts in einem Arbeitsverhältnis gestanden; das von der Sozialberatung getragene Beschäftigungsprojekt habe aber noch nicht die für eine diesbezügliche Rechtsposition erforderliche Eingliederung in den vorhandenen Arbeitsmarkt vermittelt. Nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG werde die Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung herabgestuft. Das öffentliche Interesse an einer Ausweisung des Klägers gehe aber seinem privaten Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet vor. Der Kläger habe durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich künftig straffrei zu führen. Auch habe sich der Kläger nicht in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Weder im gesellschaftlichen noch im sozialen Bereich noch in beruflicher Hinsicht habe der Kläger Fuß gefasst. Auch ein Ortswechsel von Berlin nach Stuttgart habe nicht zu einer Verbesserung geführt. Er habe weder eine Berufsausbildung zu Ende gebracht noch sei er kontinuierlich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Als Angehöriger der zweiten Generation von im Bundesgebiet lebenden Ausländern sei er wohl zweisprachig aufgewachsen. Dadurch seien ihm die kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seines Heimatlandes nicht gänzlich fremd. Auch sei ihm angesichts seines Alters ein Neubeginn in seinem Heimatland möglich. Das Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Bruder in familiärer Lebensgemeinschaft habe ihn nicht von Straftaten abgehalten. Art. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens stehe der Ausweisung des Klägers nicht entgegen. Vor seiner Inhaftierung sei der Kläger zwar im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig gewesen. Diese Rechtsposition im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 habe er durch seine Inhaftierung wieder verloren. Auch sei eine Berufung auf Art. 6 ARB 1/80 ausgeschlossen, wenn Art. 14 ARB 1/80 eingreife. Die Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet habe aber ordnungsrechtlichen Charakter. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der Privilegierung in Art. 6 und 7 ARB 1/80 erfülle. Die Ausweisung sei auch nicht nach Art. 8 EMRK unzulässig. Die im Ausländergesetz eröffnete Möglichkeit der Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen erfülle die Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 2 EMRK. Durch die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisung erlösche die ihm erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Damit sei der Kläger auch vollziehbar ausreisepflichtig. Da der Kläger in Strafhaft einsitze, bedürfe es nach § 50 Abs. 5 AuslG keiner Fristsetzung.
14 
Am 31.10.2001 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er habe in der Türkei keine Verwandten mehr. Seine Mutter lebe seit 23 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, sein Vater sei 1995 verstorben. Auch seine Geschwister lebten im Bundesgebiet. Sein Heimatland sei die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Türkei. Eine Rückkehr in die Türkei habe für ihn irreversible Folgen. Auch habe seine Familie in der Türkei ihr gesamtes Hab und Gut verkauft. Aus § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG sei zu schließen, dass in den Fällen des § 47 Abs. 2 AuslG nur unter ganz bestimmten Umständen von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen werden könne. Es sei zu berücksichtigen, dass er nicht mit gefährlichen Drogen wie Kokain oder Heroin, sondern mit der weitaus weniger gefährlichen Droge Haschisch in Berührung gekommen sei.
15 
Mit Beschluss vom 19.03.2002 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart (Az. 5 K 4278/01) die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ausweisung wieder hergestellt und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung angeordnet.
16 
Zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte vorgetragen, dass mit weiteren Straftaten des Klägers zu rechnen sei. Der Kläger sei bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ohne dass ihn vom Gericht ausgesprochene Bewährungsstrafen letztendlich von neuerlichen Straftaten hätten abhalten können. Dementsprechend bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr.
17 
Mit Urteil vom 08.10.2002 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001 aufgehoben. Zur Begründung des Urteils hat es ausgeführt: Die Ausweisung des Klägers sei wegen Verstoßes gegen Art. 8 EMRK rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Aus dem Inhalt der Akten und dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger faktisch zum Inländer geworden sei, den mit der Türkei außer der Staatsangehörigkeit nichts mehr verbinde. Zwar sei davon auszugehen, dass dem Kläger aufgrund des Zusammenlebens mit seinen Eltern und Geschwistern gewisse soziale und kulturelle Beziehungen zur Türkei vermittelt worden seien. Diese Einflüsse seien aber in der Bundesrepublik deutlich in den Hintergrund gedrängt worden. Eine Übersetzung in das Türkische sei ihm nur bei einfacheren Wörtern möglich gewesen. Die Prägung als faktischer Inländer ergebe sich auch aus seinem intensiven Kontakt im Alter von 11 bis 12 Jahren zu einer deutschen Nachbarin und Arbeitskollegin seiner Mutter sowie deren Sohn in Berlin. Diese Nachbarin sei für den Kläger in der Zeit, in der sich seine Eltern getrennt hätten, eine Ersatzmutter gewesen. Auch sei er außerhalb des häuslichen Bereichs vielfältigen deutschen Einflüssen ausgesetzt gewesen. Die Türkei habe der Kläger lediglich als Urlaubsland während seiner Kindheit kennen gelernt. In der Türkei lebten keine Verwandten des Klägers mehr. Der Kläger sei daher in einem Ausmaß faktisch zum Inländer geworden, dass ihm von vornherein der Weggang aus der Bundesrepublik Deutschland und der Verbleib in der Türkei unzumutbar und daher unverhältnismäßig seien. Sei die Ausweisung rechtswidrig, so sei auch die Abschiebungsandrohung aufzuheben.
18 
Mit Beschluss vom 21.07.2003 hat der Senat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugelassen. Im Hinblick auf die am 19.04.2002 erfolgte Entlassung des Klägers aus der Strafhaft haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache hinsichtlich der in der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001 in Ziff. 3 ausgesprochenen Abschiebungsandrohung übereinstimmend für erledigt erklärt.
19 
Mit am 04.08.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08.10.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat der Beklagte auf die Ausführungen im Antrag auf Zulassung der Berufung verwiesen.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. Oktober 2002 - 5 K 4277/01 -, soweit die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden ist, zu ändern und die Klage, soweit sie nach den Erledigungserklärungen noch anhängig ist, abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen, soweit das Verfahren in der Hauptsache nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen noch anhängig ist.
24 
Entgegen der Annahme des Beklagten habe er im Jahr 1996 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Dieser sei jedoch wegen der langen Verfahrensdauer abgelehnt worden, weil er nach Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis Jugendverfehlungen begangen habe. Der Beklagte verkenne, dass er bereits als Kind wesentlich mehr Kontakt zu Deutschen gehabt habe als dies bei vergleichbaren türkischen Staatsangehörigen der zweiten und dritten Generation üblicherweise der Fall sei. Insbesondere habe eine sehr intensive Beziehung zu seiner deutschen "Ersatzmutter" bestanden, die ihn wie einen Sohn betreut habe. Im Ergebnis sei er wegen seiner Beziehungen zu Deutschen ein faktischer Inländer. Nach dem Urteil vom 14.09.2000 habe er keine Straftaten mehr begangen. Die Straftaten habe er sämtlich als Jugendlicher oder Heranwachsender und damit in einer Zeit der Orientierung begangen. Mittlerweile habe er sich jedoch weiterentwickelt und erkennbar stabilisiert. Das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK. Im Übrigen verweist der Kläger auf die Begründung des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts und seine Ausführungen im Verfahren auf Zulassung der Berufung.
25 
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die Akten des Verwaltungsgerichts des Klageverfahrens sowie des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, auf die Ausländerakte sowie auf die Akte des Ausweisungsverfahrens verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
A) Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Abschiebungsandrohung, Ziff. 3 der Verfügung vom 01.10.2001), war das Verfahren nach § 125 Abs. 1 Satz 1 und dem entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO analog) und nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO).
B)
27 
I) Soweit keine Teilerledigung eingetreten ist, ist die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten zulässig.
28 
Der Berufungsschriftsatz des Beklagten vom 01.08.2003 enthält einen bestimmten Antrag (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Berufungsbegründung genügt auch den inhaltlichen Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Denn die Berufungsbegründung bezeichnet durch die zulässige Bezugnahme auf den Berufungszulassungsantrag mehrere entscheidungserhebliche Fragen und macht hierzu eine von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Beschluss vom 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67).
29 
II) Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet.
30 
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht Ziff. 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001, durch die der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden ist, aufgehoben. Denn die Klage des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Ziff. 1 der Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
1) In formeller Hinsicht ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden.
32 
a) Das Regierungspräsidium Stuttgart war zur Entscheidung über die Ausweisung des Klägers zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung auf richterliche Anordnung in Strafhaft befand (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO). Wegen der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums war nach § 6a Satz 1 AGVwGO auch die Durchführung eines Vorverfahrens ausgeschlossen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG angehört worden.
33 
b) Ob die Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der türkischen Staatsangehörigen gegen eine Ausweisungsverfügung in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet ist, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zukommt, insbesondere den Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, genügt (vgl. zu dieser Frage in Bezug auf einen italienischen Staatsangehörigen, VGH Baden-Württemberg, Urt. v.28.11.2002 - 11 S 1270/02 -), kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar. Mit Beschluss vom 18.03.2003 hat der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (Zlen. EU 2003/0001, 0002-1-99/21/0018, 2002/21/0067,      und InfAuslR 2003, 217) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 234 EGV zwar die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, die Rechte nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 genießen. Nach Ansicht des Senats, der nicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV zur Vorlage verpflichtet ist, kommt aber eine Anwendung von Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 57, zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 6 und Art. 7 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige).
34 
Die auf Bestimmungen des früheren EWG-Vertrages gestützte Richtlinie gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbstständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen. Ziel der Richtlinie ist es, eine möglichst effektive Wahrnehmung der Grundfreiheiten - Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit - durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und deren Ehegatten und Familienmitglieder zu gewährleisten. Zu diesem Zweck will die Richtlinie z.B. im Bereich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigten Maßnahmen koordinieren, um deren Anwendung mit dem fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit in der Gemeinschaft und mit der Beseitigung jeglicher Diskriminierung zwischen eigenen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Vertrages in Einklang zu bringen (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1975, Rs. C-67/74, Slg. 297, Rn. 5; Urt. v. 27.10.1977, Rs. C-30/77, Slg. 1999, Rn. 15; Urt. v. 09.11.2000, Rs. C-357/98, Slg. I-9265, Rn. 27). Für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im EG-Vertrag geregelten Grundfreiheiten, deren Verwirklichung Hauptzweck des EG-Vertrages ist, aber unmittelbar und nicht vorbehaltlich einer Vereinbarung der Vertragsstaaten über ihre Anwendbarkeit. Demgegenüber können sich türkische Staatsangehörige vor Behörden eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gerade nicht unmittelbar auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen. Vielmehr erfolgt die schrittweise Herstellung der Grundfreiheit bzw. die schrittweise Beseitigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten nach Maßgabe der hierfür von einem gesonderten Assoziationsrat festgelegten Regeln. In Art. 12 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1964 II S. 509) haben die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Republik Türkei vereinbart, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. In Art. 13 und 14 dieses Abkommens finden sich vergleichbare Vereinbarungen hinsichtlich der Aufhebung von Beschränkungen für die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. In Art. 36 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385 ) ist z.B. hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bestimmt, dass diese Grundfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt wird und der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln festlegt (vgl. z.B. ARB vom 20.12.1976, 2/76; ARB vom 19.09.1980, 1/80). Sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001 als auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung war der Kläger weder selbständig tätig (vgl. Art. 43 EGV), noch machte er durch seinen seit 1979 andauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland von der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EGV Gebrauch. Es ist anerkannt, dass die Dienstleistungsfreiheit mangels Auslandsbezugs nicht denjenigen Angehörigen eines Mitgliedstaates erfasst, der, wie der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat geboren ist und dort seinen Hauptaufenthalt nimmt, um dort für unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (EuGH, Urt. v. 05.10.1988, Rs. C-196/87, Steymann, Slg. 1988, 6159, Rn. 17; Urt. v. 17.06.1997, Rs. C-70/95, Sodemare, Slg. I-3395, 3435 f., Rn. 38 m.w.Nachw.). Dieser vom EuGH zur Grundfreiheit der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrages entwickelte Grundsatz kann auch für die Bestimmungen des Assoziationsrechts herangezogen werden. Für den Kläger kommt deshalb wegen seiner Erwerbstätigkeiten vor und nach seiner Inhaftierung allein die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Betracht. Nach dem derzeitigen Stand genießen türkische Staatsangehörige aber keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, sondern haben im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat lediglich bestimmte Rechte, sofern die Voraussetzungen von Art. 6 oder 7 des ARB 1/80 erfüllt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 30.09.1997, Rs. C-36/96, Günyadin, InfAuslR 1997, 440, Rn. 21 f. m.w.Nachw.). Erfolgt die Herstellung einer Grundfreiheit bzw. die Beseitigung von Beschränkungen einer Grundfreiheit im Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ungeachtet des Ablaufs der in Art. 36 des Zusatzprotokolls genannten Frist allein nach Maßgabe von Beschlüssen eines besonderen Gremiums (Assoziationsrat), so ist es ausgeschlossen, ohne ausdrückliche Willenskundgebung dieses über die Schritte zur vollständigen Verwirklichung der Grundfreiheiten allein entscheidenden Gremiums sekundärrechtliche Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die der effektiven Wahrnehmung der unmittelbar geltenden Grundfreiheiten durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten dienen, auf das Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Zwar leitet der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut des Art. 12 des Assoziierungsabkommens und des Art. 36 des Zusatzprotokolls sowie aus dem Zweck des ARB 1/80 her, dass die im Rahmen des Art. 39 ff. EGV geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 54 m.w.Nachw.). Dies gilt aber für die in der Rechtsprechung des EuGH erarbeiteten allgemeinen Grundsätze z.B. zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung von Grundfreiheiten und nicht für besondere prozessuale Rechte, die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Interesse der möglichst effektiven Verwirklichung der ihnen unmittelbar zustehenden Grundfreiheiten erst durch besondere sekundärrechtliche Vorschriften, hier die Richtlinie 64/221/EWG, eingeräumt worden sind. So wendet der EuGH z.B. die von ihm entwickelten Grundsätze zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 Abs. 3 EGV auch auf die Ausweisung von türkischen Staatsangehörigen an, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 56). Dieses Vorgehen ist aber allein im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass die in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehene Ausnahme der öffentlichen Ordnung nahezu denselben Wortlaut hat wie Art. 39 Abs. 3 EGV. Für den Bereich der in der Richtlinie 64/221/EWG geregelten besonderen prozessualen Rechte, die der effektiven Wahrnehmung der Grundfreiheiten durch die Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union dienen, findet sich aber gerade keine Entscheidung des Assoziationsrates, die eine Gleichstellung von Unionsangehörigen und türkischen Staatsangehörigen gestattet.
35 
2) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweist sich die Ausweisung als rechtmäßig.
36 
a) Nach innerstaatlichem Ausländerrecht ist die Ausweisung nicht zu beanstanden.
37 
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung der Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 17.01.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137 f.; Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, 251), hier der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001. Nachträglich eingetretene Umstände können im Rahmen der Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338, 342 m.w.Nachw.).
38 
Durch das Verhalten, das den Gegenstand des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.2001 bildet (Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten), erfüllt der Kläger die Voraussetzungen der Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Da der Kläger im Bundesgebiet geboren ist und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist, genießt er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, wonach ein Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Derartige Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor einer Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung aus spezialpräventiven Zwecken sind erforderlich ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht, das sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 253 f.; Urt. v. 28.01.1997 - 1 C 17.94 -, NVwZ 1997, 1119; Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Die Ausweisungsentscheidung des Regierungspräsidiums genügt diesen Anforderungen. Denn die Straftaten des Klägers nach dem Betäubungsmittelgesetz bilden einen ausreichenden Ausweisungsanlass. Das mit dem Urteil des Landgerichts vom 09.01.2001 geahndete strafrechtliche Verhalten ist schwerwiegend. Aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart ist zu entnehmen, dass der Kläger spätestens im September 1999 erstmals mit Cannabis in Kontakt geraten war. Er konsumierte dieses Rauschgift in einem Maße, dass sich bei ausbleibendem Konsum allmählich Schlafprobleme einstellten. Er setzte den Drogenkonsum auch fort, nachdem seine Mutter ebenfalls nach Stuttgart verzogen war und wieder mit dem Kläger zusammen lebte. In nicht unerheblichem Umfang beteiligte sich der Kläger am Straßenhandel mit Cannabis. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 führte der Kläger bei seiner ersten Verhaftung am 05.02.2000 sieben Kanten Haschisch mit insgesamt 18,4 Gramm (netto) bei sich. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden 54 kleine Tütchen mit Marihuanablatt-Aufdruck gefunden, die nach der - auch vom Senat geteilten - Einschätzung des Amtsgerichts Stuttgart als Verpackungsmaterial für Rauschgift dienen sollten. Trotz dieser ersten Verhaftung und der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung, bei der die zur Aufbewahrung von Rauschgift dienenden Tütchen gefunden worden waren, setzte der Kläger den Straßenhandel mit Cannabis fort. Denn nur neun Tage später versuchte der Kläger wiederum in Stuttgart 2,8 Gramm (netto) Haschisch an eine verdeckt arbeitende Polizeibeamtin zu verkaufen. Diese Betäubungsmitteldelikte können auch nicht durch den Hinweis auf das jugendliche Alter des Täters relativiert werden. Denn der Kläger war zum Zeitpunkt dieser beiden Taten bereits 20 ½ Jahre alt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger diese beiden Straftaten noch in der sogenannten Vorbewährungszeit beging. Im vorangegangenen Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 19.05.1999, durch das der Kläger wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in sechs Fällen, davon in einem Fall lediglich versucht, unter Einbeziehung einer vorherigen Strafe wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war, war dem Kläger noch keine Bewährung gewährt worden. Strafaussetzung zur Bewährung erhielt er erst im Beschluss vom 28.03.2000, wobei dem Amtsgericht Tiergarten die beiden Betäubungsmitteldelikte vom Februar 2000 nicht bekannt waren. Zum Nachteil des Klägers ist auch die im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.20001 getroffene tatsächliche Feststellung zu werten, dass der Kläger in der Nacht zum 29.11.2000 - und damit nur zwei Monate nach dem die Bewährung versagenden Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 - von der Polizei im Stadtgebiet von Stuttgart mit 1,9 Gramm Marihuana angetroffen wurde, welches er in einem in seiner Unterhose versteckten Tütchen bei sich führte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Kläger auch von einer im Schreiben der Stadt Stuttgart vom 20.12.1999 im Hinblick auf seine bis dahin begangenen Straftaten enthaltenen Androhung der Ausweisung nicht von der Begehung der gravierenden Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz hat abhalten lassen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Ausweisungsverfügung bestand auch die ernsthafte, nicht nur entfernte Möglichkeit erneuter gravierender Verfehlungen des Klägers. Der Kläger hatte noch nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart am 14.09.2000 Kontakt zu illegalen Betäubungsmitteln. Auch hatte sich der Kläger durch mehrere Bewährungsstrafen nicht von der Begehung weiterer, erheblicher Straftaten abhalten lassen. Dies rechtfertigte die Einschätzung, dass der Kläger ein großes kriminelles Potential besaß. Der Kläger verfügte auch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die Anlass für die Erwartung bot, er könne seinen notwendigen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen. Obwohl die Wertungen der Strafgerichte hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr für die Ausländerbehörden nicht bindend sind, ist im Hinblick auf die hier anzustellende Vorhersage auch zu beachten, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Stuttgart in ihren Urteilen von einer sehr ungünstigen Prognose ausgegangen sind.
39 
Infolge des besonderen Ausweisungsschutzes wird die Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Die Ausführungen in der Verfügung lassen aber einen Ermessensfehler (§ 40 LVwVfG) nicht erkennen. Das Regierungspräsidium hat insbesondere die für einen weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte (§ 45 Abs. 2 AuslG), wie z.B. die Geburt und seinen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die fehlenden engen Beziehungen zur Türkei, die zu erwartenden Schwierigkeiten nach einer zwangsweisen Rückkehr in die Türkei und das Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Bruder in familiärer Lebensgemeinschaft, in die Ermessensentscheidung eingestellt. Diesen Gesichtspunkten hat das Regierungspräsidium das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten des Klägers im Bundesgebiet (Spezialprävention) gegenübergestellt. Dass das Regierungspräsidium zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Verfügung von einem Überwiegen der für eine Ausweisung des Klägers sprechenden öffentlichen Interessen ausgegangen ist, kann auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden.
40 
b) Im Gegensatz zur Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK als rechtmäßig.
41 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, der in der Bundesrepublik Deutschland infolge des Zustimmungsgesetzes im Rang eines einfachen Bundesgesetzes gilt und an dem Ausweisungen nach §§ 45 ff. AuslG gemessen werden müssen, hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Vorliegend ist die Ausweisung des Klägers als Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen (§ 47 Abs. 2 Nr. 2, § 48 Abs.1, § 47 Abs. 3 Satz 2 und § 45 AuslG). Sie dient auch dem berechtigten Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die Anordnung der Ausweisung wegen strafbarer Handlungen verurteilter Ausländer. Ferner muss die Maßnahme, um Art. 8 Abs. 2 EMRK zu genügen, notwendig in einer demokratischen Gesellschaft sein. Sie muss einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und insbesondere verhältnismäßig zu dem verfolgten legitimen Ziel sein (vgl. EGMR, Urt. v. 27.09.1999, NJW 2000, 2089, 2092, Rn. 87; Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 128, Rn. 41 m.w.Nachw.). Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem diese Verfügung vom Gericht bestätigt wird (vgl. Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 127, Rn. 34 f m.w.Nachw., Rn. 44; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53, Rn. 36). Auch im Hinblick auf diesen Zeitpunkt erweist sich die Ausweisung als verhältnismäßig.
42 
Der inzwischen 24 Jahre alte Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Seit seiner Haftentlassung am 19.04.2002 lebt der Kläger wieder bei seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder. Vom EGMR wird der Begriff des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK außerordentlich weit verstanden, so dass auch dieses Zusammenleben von Art. 8 Abs. 1 EMRK erfasst ist. Bei der im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung ist aber zu berücksichtigen, dass sich Hinweise auf ein Abhängigkeitsverhältnis des Klägers zu seiner Mutter oder zu seinem Bruder bzw. umgekehrt weder aus den dem Senat vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers ergeben. Zugunsten des Klägers sind seine Geburt im Bundesgebiet und der ständige rechtmäßige Aufenthalt zu berücksichtigen. Auch hat er 1996 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Die Beziehungen zu seinem Heimatland sind gering ausgeprägt. Letztmals hielt er sich im Jahr 1996 aus Anlass des einjährigen Todestages seines Vaters für die Dauer einer Woche in der Türkei auf. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Kläger noch über ausreichende Kenntnisse der türkischen Sprache verfügt. Denn nach seinen Aussagen in der mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist in der Familie des Klägers Deutsch und Türkisch gesprochen worden. Auch ist er in Anbetracht seines Alters in der Lage, seine Türkischkenntnisse wenn nötig zu vervollkommnen. Bemühungen des Klägers, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, ergeben sich weder aus den vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren. Vielmehr hat der Kläger nach seiner Aussage in der Berufungsverhandlung z.B. die Zurückstellung vom Wehrdienst in der Türkei erreicht. Zwar kommt eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist. Die Annahme von besonderen Bindungen an die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland setzt aber eine irreversible Einfügung in die hiesigen Lebensverhältnisse voraus, die beim Kläger nicht festgestellt werden kann. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Insbesondere fehlt es an einer dauerhaften Eingliederung in das Berufsleben in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar verfügt der Kläger über einen Hauptschulabschluss (1996) und absolvierte auch erfolgreich die einjährige Berufsfachschule (Elektrotechnik). Eine anschließende Ausbildung als Fahrradmechaniker brach der Kläger bereits nach einem Monat ab. Danach war er arbeitslos, eine Tätigkeit als Lüftungsmonteur übte der Kläger lediglich für zweieinhalb Monate aus. Dann war er in Teilzeit als Spüler in einem Restaurant und anschließend als Maler im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig. Während der bis zum 19.04.2002 andauernden Haft hat der Kläger keine weitere Schulausbildung oder Berufsausbildung durchlaufen. Im Dezember 2002 begann er eine Ausbildung als Maler, die jedoch nach sechs Monaten wiederum endete. Bei einer Zeitarbeitsfirma ist der Kläger seit seiner Haftentlassung nur gelegentlich tätig, sofern diese selbst entsprechende Aufträge hat. Bemühungen des Klägers um einen Ausbildungsplatz waren erfolglos.
43 
Der Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten kommt nach dem EGMR für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung besondere Bedeutung zu. In der Rechtsprechung des EGMR wird hinsichtlich des Gewichts der für eine Ausweisung sprechenden Gründe bei Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln insbesondere danach unterschieden, ob es um den bloßen Besitz/Gebrauch von Drogen geht oder um den Handel mit Betäubungsmitteln (vgl. z.B. Urt. v. 13.02.2001, InfAuslR 2001, 480, Rn. 34; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53; Urt. v. 19.02.1998, InfAuslR 1998, 201). Auch in Anbetracht der wegen des Fehlens eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem bereits 24 Jahre alten Kläger und seiner Mutter bzw. seinem Bruder geringeren Schutzwürdigkeit des Familienlebens des Klägers im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK kommt dem Umstand, dass er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, maßgebliche Bedeutung zu. Wiederum ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei diesen Straftaten mit ganz erheblicher krimineller Energie vorgegangen ist. Er hat sich weder von vorherigen Verurteilungen zu Bewährungsstrafen, noch von einer noch ausstehenden Entscheidung über die Einräumung einer Bewährung, noch von einer erstmaligen Verhaftung wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung, die Hinweise auf eine ganz erhebliche Beteiligung am illegalen Drogenhandel ergeben hatte, noch von der ihm bereits im Dezember 1999 im Hinblick auf die bis dahin abgeurteilten Straftaten angedrohten Ausweisung aus dem Bundesgebiet von einer Fortsetzung seiner Drogengeschäfte abhalten lassen. Auch nach seiner Haftentlassung ist dem Kläger bisher insbesondere keine Verbesserung seiner beruflichen Situation gelungen, die Anlass zu der Annahme geben könnte, er werde seine erhebliche kriminelle Energie zurückdrängen und seinen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen können.
44 
c) Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (BGBl. 1959 II, S. 997, ENA) erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die vorstehenden Ausführungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen denen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 262 f.; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338).
45 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.Nachw.).
46 
d) Die Vorschriften des ARB 1/80 stehen der Ausweisung des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Zwar erscheint es sehr zweifelhaft, ob der Kläger die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 erfüllt. Näher liegt die Heranziehung von Art. 7 ARB 1/80. Jedenfalls ist die Ausweisung des Klägers auch nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wonach der Abschnitt 1 des ARB 1/80 vorbehaltlich der Beschränkungen gilt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diese Ausnahme ebenso auszulegen wie die des Art. 39 Abs. 3 EGV (vgl. Urt. v. 10.02.2000, Nazli, NVwZ 2000, 1029, Rn. 56). Danach ist eine Ausweisung zum Zweck der Generalprävention mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 unvereinbar und eine Ausweisung deshalb nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des betreffenden Ausländers auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet und damit eine Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urt. v. 10.02.2000, a.a.O., Rn. 61 ff.; Urt. v. 19.01.1999, Calfa, EuZW 1999, 345, Rn. 22-27). Auch im Hinblick auf diese Grundsätze begegnet die Ausweisung des Klägers keinen rechtlichen Bedenken. Denn diese ist nicht ausschließlich generalpräventiv begründet worden, sondern ist vom Regierungspräsidium in erster Linie im Hinblick auf die berechtigte Annahme verfügt worden, der Kläger werde wegen seiner in den abgeurteilten Taten zum Ausdruck kommenden erheblichen kriminellen Energie weitere Straftaten begehen. Auch insoweit kann auf die Darlegungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden.
47 
Hinsichtlich des nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Teils folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Auch die hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens (Abschiebungsandrohung) nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Entscheidung führt zur Kostentragung des Klägers. Denn der Kläger wäre voraussichtlich auch mit seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums unterlegen.
49 
Der nicht zur Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag verpflichtete Senat sieht in Bezug auf die sich hinsichtlich der Richtlinie 64/221/EWG stellenden Fragen von einer Vorlage an den EuGH ab. Die Rechtssache hat aber grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), so dass die Revision zuzulassen ist. Hierdurch wird im Interesse der Einheit der nationalen Rechtsprechung vor der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs ermöglicht.
50 
Die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen gilt folgende

Gründe

 
26 
A) Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Abschiebungsandrohung, Ziff. 3 der Verfügung vom 01.10.2001), war das Verfahren nach § 125 Abs. 1 Satz 1 und dem entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO analog) und nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO).
B)
27 
I) Soweit keine Teilerledigung eingetreten ist, ist die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten zulässig.
28 
Der Berufungsschriftsatz des Beklagten vom 01.08.2003 enthält einen bestimmten Antrag (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Berufungsbegründung genügt auch den inhaltlichen Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Denn die Berufungsbegründung bezeichnet durch die zulässige Bezugnahme auf den Berufungszulassungsantrag mehrere entscheidungserhebliche Fragen und macht hierzu eine von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Beschluss vom 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67).
29 
II) Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet.
30 
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht Ziff. 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001, durch die der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden ist, aufgehoben. Denn die Klage des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Ziff. 1 der Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
1) In formeller Hinsicht ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden.
32 
a) Das Regierungspräsidium Stuttgart war zur Entscheidung über die Ausweisung des Klägers zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung auf richterliche Anordnung in Strafhaft befand (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO). Wegen der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums war nach § 6a Satz 1 AGVwGO auch die Durchführung eines Vorverfahrens ausgeschlossen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG angehört worden.
33 
b) Ob die Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der türkischen Staatsangehörigen gegen eine Ausweisungsverfügung in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet ist, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zukommt, insbesondere den Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, genügt (vgl. zu dieser Frage in Bezug auf einen italienischen Staatsangehörigen, VGH Baden-Württemberg, Urt. v.28.11.2002 - 11 S 1270/02 -), kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar. Mit Beschluss vom 18.03.2003 hat der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (Zlen. EU 2003/0001, 0002-1-99/21/0018, 2002/21/0067,      und InfAuslR 2003, 217) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 234 EGV zwar die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, die Rechte nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 genießen. Nach Ansicht des Senats, der nicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV zur Vorlage verpflichtet ist, kommt aber eine Anwendung von Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 57, zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 6 und Art. 7 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige).
34 
Die auf Bestimmungen des früheren EWG-Vertrages gestützte Richtlinie gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbstständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen. Ziel der Richtlinie ist es, eine möglichst effektive Wahrnehmung der Grundfreiheiten - Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit - durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und deren Ehegatten und Familienmitglieder zu gewährleisten. Zu diesem Zweck will die Richtlinie z.B. im Bereich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigten Maßnahmen koordinieren, um deren Anwendung mit dem fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit in der Gemeinschaft und mit der Beseitigung jeglicher Diskriminierung zwischen eigenen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Vertrages in Einklang zu bringen (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1975, Rs. C-67/74, Slg. 297, Rn. 5; Urt. v. 27.10.1977, Rs. C-30/77, Slg. 1999, Rn. 15; Urt. v. 09.11.2000, Rs. C-357/98, Slg. I-9265, Rn. 27). Für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im EG-Vertrag geregelten Grundfreiheiten, deren Verwirklichung Hauptzweck des EG-Vertrages ist, aber unmittelbar und nicht vorbehaltlich einer Vereinbarung der Vertragsstaaten über ihre Anwendbarkeit. Demgegenüber können sich türkische Staatsangehörige vor Behörden eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gerade nicht unmittelbar auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen. Vielmehr erfolgt die schrittweise Herstellung der Grundfreiheit bzw. die schrittweise Beseitigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten nach Maßgabe der hierfür von einem gesonderten Assoziationsrat festgelegten Regeln. In Art. 12 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1964 II S. 509) haben die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Republik Türkei vereinbart, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. In Art. 13 und 14 dieses Abkommens finden sich vergleichbare Vereinbarungen hinsichtlich der Aufhebung von Beschränkungen für die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. In Art. 36 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385 ) ist z.B. hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bestimmt, dass diese Grundfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt wird und der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln festlegt (vgl. z.B. ARB vom 20.12.1976, 2/76; ARB vom 19.09.1980, 1/80). Sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001 als auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung war der Kläger weder selbständig tätig (vgl. Art. 43 EGV), noch machte er durch seinen seit 1979 andauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland von der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EGV Gebrauch. Es ist anerkannt, dass die Dienstleistungsfreiheit mangels Auslandsbezugs nicht denjenigen Angehörigen eines Mitgliedstaates erfasst, der, wie der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat geboren ist und dort seinen Hauptaufenthalt nimmt, um dort für unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (EuGH, Urt. v. 05.10.1988, Rs. C-196/87, Steymann, Slg. 1988, 6159, Rn. 17; Urt. v. 17.06.1997, Rs. C-70/95, Sodemare, Slg. I-3395, 3435 f., Rn. 38 m.w.Nachw.). Dieser vom EuGH zur Grundfreiheit der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrages entwickelte Grundsatz kann auch für die Bestimmungen des Assoziationsrechts herangezogen werden. Für den Kläger kommt deshalb wegen seiner Erwerbstätigkeiten vor und nach seiner Inhaftierung allein die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Betracht. Nach dem derzeitigen Stand genießen türkische Staatsangehörige aber keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, sondern haben im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat lediglich bestimmte Rechte, sofern die Voraussetzungen von Art. 6 oder 7 des ARB 1/80 erfüllt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 30.09.1997, Rs. C-36/96, Günyadin, InfAuslR 1997, 440, Rn. 21 f. m.w.Nachw.). Erfolgt die Herstellung einer Grundfreiheit bzw. die Beseitigung von Beschränkungen einer Grundfreiheit im Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ungeachtet des Ablaufs der in Art. 36 des Zusatzprotokolls genannten Frist allein nach Maßgabe von Beschlüssen eines besonderen Gremiums (Assoziationsrat), so ist es ausgeschlossen, ohne ausdrückliche Willenskundgebung dieses über die Schritte zur vollständigen Verwirklichung der Grundfreiheiten allein entscheidenden Gremiums sekundärrechtliche Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die der effektiven Wahrnehmung der unmittelbar geltenden Grundfreiheiten durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten dienen, auf das Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Zwar leitet der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut des Art. 12 des Assoziierungsabkommens und des Art. 36 des Zusatzprotokolls sowie aus dem Zweck des ARB 1/80 her, dass die im Rahmen des Art. 39 ff. EGV geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 54 m.w.Nachw.). Dies gilt aber für die in der Rechtsprechung des EuGH erarbeiteten allgemeinen Grundsätze z.B. zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung von Grundfreiheiten und nicht für besondere prozessuale Rechte, die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Interesse der möglichst effektiven Verwirklichung der ihnen unmittelbar zustehenden Grundfreiheiten erst durch besondere sekundärrechtliche Vorschriften, hier die Richtlinie 64/221/EWG, eingeräumt worden sind. So wendet der EuGH z.B. die von ihm entwickelten Grundsätze zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 Abs. 3 EGV auch auf die Ausweisung von türkischen Staatsangehörigen an, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 56). Dieses Vorgehen ist aber allein im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass die in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehene Ausnahme der öffentlichen Ordnung nahezu denselben Wortlaut hat wie Art. 39 Abs. 3 EGV. Für den Bereich der in der Richtlinie 64/221/EWG geregelten besonderen prozessualen Rechte, die der effektiven Wahrnehmung der Grundfreiheiten durch die Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union dienen, findet sich aber gerade keine Entscheidung des Assoziationsrates, die eine Gleichstellung von Unionsangehörigen und türkischen Staatsangehörigen gestattet.
35 
2) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweist sich die Ausweisung als rechtmäßig.
36 
a) Nach innerstaatlichem Ausländerrecht ist die Ausweisung nicht zu beanstanden.
37 
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung der Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 17.01.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137 f.; Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, 251), hier der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001. Nachträglich eingetretene Umstände können im Rahmen der Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338, 342 m.w.Nachw.).
38 
Durch das Verhalten, das den Gegenstand des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.2001 bildet (Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten), erfüllt der Kläger die Voraussetzungen der Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Da der Kläger im Bundesgebiet geboren ist und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist, genießt er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, wonach ein Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Derartige Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor einer Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung aus spezialpräventiven Zwecken sind erforderlich ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht, das sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 253 f.; Urt. v. 28.01.1997 - 1 C 17.94 -, NVwZ 1997, 1119; Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Die Ausweisungsentscheidung des Regierungspräsidiums genügt diesen Anforderungen. Denn die Straftaten des Klägers nach dem Betäubungsmittelgesetz bilden einen ausreichenden Ausweisungsanlass. Das mit dem Urteil des Landgerichts vom 09.01.2001 geahndete strafrechtliche Verhalten ist schwerwiegend. Aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart ist zu entnehmen, dass der Kläger spätestens im September 1999 erstmals mit Cannabis in Kontakt geraten war. Er konsumierte dieses Rauschgift in einem Maße, dass sich bei ausbleibendem Konsum allmählich Schlafprobleme einstellten. Er setzte den Drogenkonsum auch fort, nachdem seine Mutter ebenfalls nach Stuttgart verzogen war und wieder mit dem Kläger zusammen lebte. In nicht unerheblichem Umfang beteiligte sich der Kläger am Straßenhandel mit Cannabis. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 führte der Kläger bei seiner ersten Verhaftung am 05.02.2000 sieben Kanten Haschisch mit insgesamt 18,4 Gramm (netto) bei sich. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden 54 kleine Tütchen mit Marihuanablatt-Aufdruck gefunden, die nach der - auch vom Senat geteilten - Einschätzung des Amtsgerichts Stuttgart als Verpackungsmaterial für Rauschgift dienen sollten. Trotz dieser ersten Verhaftung und der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung, bei der die zur Aufbewahrung von Rauschgift dienenden Tütchen gefunden worden waren, setzte der Kläger den Straßenhandel mit Cannabis fort. Denn nur neun Tage später versuchte der Kläger wiederum in Stuttgart 2,8 Gramm (netto) Haschisch an eine verdeckt arbeitende Polizeibeamtin zu verkaufen. Diese Betäubungsmitteldelikte können auch nicht durch den Hinweis auf das jugendliche Alter des Täters relativiert werden. Denn der Kläger war zum Zeitpunkt dieser beiden Taten bereits 20 ½ Jahre alt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger diese beiden Straftaten noch in der sogenannten Vorbewährungszeit beging. Im vorangegangenen Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 19.05.1999, durch das der Kläger wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in sechs Fällen, davon in einem Fall lediglich versucht, unter Einbeziehung einer vorherigen Strafe wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war, war dem Kläger noch keine Bewährung gewährt worden. Strafaussetzung zur Bewährung erhielt er erst im Beschluss vom 28.03.2000, wobei dem Amtsgericht Tiergarten die beiden Betäubungsmitteldelikte vom Februar 2000 nicht bekannt waren. Zum Nachteil des Klägers ist auch die im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.20001 getroffene tatsächliche Feststellung zu werten, dass der Kläger in der Nacht zum 29.11.2000 - und damit nur zwei Monate nach dem die Bewährung versagenden Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 - von der Polizei im Stadtgebiet von Stuttgart mit 1,9 Gramm Marihuana angetroffen wurde, welches er in einem in seiner Unterhose versteckten Tütchen bei sich führte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Kläger auch von einer im Schreiben der Stadt Stuttgart vom 20.12.1999 im Hinblick auf seine bis dahin begangenen Straftaten enthaltenen Androhung der Ausweisung nicht von der Begehung der gravierenden Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz hat abhalten lassen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Ausweisungsverfügung bestand auch die ernsthafte, nicht nur entfernte Möglichkeit erneuter gravierender Verfehlungen des Klägers. Der Kläger hatte noch nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart am 14.09.2000 Kontakt zu illegalen Betäubungsmitteln. Auch hatte sich der Kläger durch mehrere Bewährungsstrafen nicht von der Begehung weiterer, erheblicher Straftaten abhalten lassen. Dies rechtfertigte die Einschätzung, dass der Kläger ein großes kriminelles Potential besaß. Der Kläger verfügte auch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die Anlass für die Erwartung bot, er könne seinen notwendigen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen. Obwohl die Wertungen der Strafgerichte hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr für die Ausländerbehörden nicht bindend sind, ist im Hinblick auf die hier anzustellende Vorhersage auch zu beachten, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Stuttgart in ihren Urteilen von einer sehr ungünstigen Prognose ausgegangen sind.
39 
Infolge des besonderen Ausweisungsschutzes wird die Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Die Ausführungen in der Verfügung lassen aber einen Ermessensfehler (§ 40 LVwVfG) nicht erkennen. Das Regierungspräsidium hat insbesondere die für einen weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte (§ 45 Abs. 2 AuslG), wie z.B. die Geburt und seinen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die fehlenden engen Beziehungen zur Türkei, die zu erwartenden Schwierigkeiten nach einer zwangsweisen Rückkehr in die Türkei und das Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Bruder in familiärer Lebensgemeinschaft, in die Ermessensentscheidung eingestellt. Diesen Gesichtspunkten hat das Regierungspräsidium das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten des Klägers im Bundesgebiet (Spezialprävention) gegenübergestellt. Dass das Regierungspräsidium zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Verfügung von einem Überwiegen der für eine Ausweisung des Klägers sprechenden öffentlichen Interessen ausgegangen ist, kann auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden.
40 
b) Im Gegensatz zur Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK als rechtmäßig.
41 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, der in der Bundesrepublik Deutschland infolge des Zustimmungsgesetzes im Rang eines einfachen Bundesgesetzes gilt und an dem Ausweisungen nach §§ 45 ff. AuslG gemessen werden müssen, hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Vorliegend ist die Ausweisung des Klägers als Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen (§ 47 Abs. 2 Nr. 2, § 48 Abs.1, § 47 Abs. 3 Satz 2 und § 45 AuslG). Sie dient auch dem berechtigten Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die Anordnung der Ausweisung wegen strafbarer Handlungen verurteilter Ausländer. Ferner muss die Maßnahme, um Art. 8 Abs. 2 EMRK zu genügen, notwendig in einer demokratischen Gesellschaft sein. Sie muss einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und insbesondere verhältnismäßig zu dem verfolgten legitimen Ziel sein (vgl. EGMR, Urt. v. 27.09.1999, NJW 2000, 2089, 2092, Rn. 87; Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 128, Rn. 41 m.w.Nachw.). Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem diese Verfügung vom Gericht bestätigt wird (vgl. Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 127, Rn. 34 f m.w.Nachw., Rn. 44; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53, Rn. 36). Auch im Hinblick auf diesen Zeitpunkt erweist sich die Ausweisung als verhältnismäßig.
42 
Der inzwischen 24 Jahre alte Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Seit seiner Haftentlassung am 19.04.2002 lebt der Kläger wieder bei seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder. Vom EGMR wird der Begriff des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK außerordentlich weit verstanden, so dass auch dieses Zusammenleben von Art. 8 Abs. 1 EMRK erfasst ist. Bei der im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung ist aber zu berücksichtigen, dass sich Hinweise auf ein Abhängigkeitsverhältnis des Klägers zu seiner Mutter oder zu seinem Bruder bzw. umgekehrt weder aus den dem Senat vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers ergeben. Zugunsten des Klägers sind seine Geburt im Bundesgebiet und der ständige rechtmäßige Aufenthalt zu berücksichtigen. Auch hat er 1996 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Die Beziehungen zu seinem Heimatland sind gering ausgeprägt. Letztmals hielt er sich im Jahr 1996 aus Anlass des einjährigen Todestages seines Vaters für die Dauer einer Woche in der Türkei auf. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Kläger noch über ausreichende Kenntnisse der türkischen Sprache verfügt. Denn nach seinen Aussagen in der mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist in der Familie des Klägers Deutsch und Türkisch gesprochen worden. Auch ist er in Anbetracht seines Alters in der Lage, seine Türkischkenntnisse wenn nötig zu vervollkommnen. Bemühungen des Klägers, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, ergeben sich weder aus den vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren. Vielmehr hat der Kläger nach seiner Aussage in der Berufungsverhandlung z.B. die Zurückstellung vom Wehrdienst in der Türkei erreicht. Zwar kommt eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist. Die Annahme von besonderen Bindungen an die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland setzt aber eine irreversible Einfügung in die hiesigen Lebensverhältnisse voraus, die beim Kläger nicht festgestellt werden kann. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Insbesondere fehlt es an einer dauerhaften Eingliederung in das Berufsleben in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar verfügt der Kläger über einen Hauptschulabschluss (1996) und absolvierte auch erfolgreich die einjährige Berufsfachschule (Elektrotechnik). Eine anschließende Ausbildung als Fahrradmechaniker brach der Kläger bereits nach einem Monat ab. Danach war er arbeitslos, eine Tätigkeit als Lüftungsmonteur übte der Kläger lediglich für zweieinhalb Monate aus. Dann war er in Teilzeit als Spüler in einem Restaurant und anschließend als Maler im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig. Während der bis zum 19.04.2002 andauernden Haft hat der Kläger keine weitere Schulausbildung oder Berufsausbildung durchlaufen. Im Dezember 2002 begann er eine Ausbildung als Maler, die jedoch nach sechs Monaten wiederum endete. Bei einer Zeitarbeitsfirma ist der Kläger seit seiner Haftentlassung nur gelegentlich tätig, sofern diese selbst entsprechende Aufträge hat. Bemühungen des Klägers um einen Ausbildungsplatz waren erfolglos.
43 
Der Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten kommt nach dem EGMR für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung besondere Bedeutung zu. In der Rechtsprechung des EGMR wird hinsichtlich des Gewichts der für eine Ausweisung sprechenden Gründe bei Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln insbesondere danach unterschieden, ob es um den bloßen Besitz/Gebrauch von Drogen geht oder um den Handel mit Betäubungsmitteln (vgl. z.B. Urt. v. 13.02.2001, InfAuslR 2001, 480, Rn. 34; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53; Urt. v. 19.02.1998, InfAuslR 1998, 201). Auch in Anbetracht der wegen des Fehlens eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem bereits 24 Jahre alten Kläger und seiner Mutter bzw. seinem Bruder geringeren Schutzwürdigkeit des Familienlebens des Klägers im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK kommt dem Umstand, dass er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, maßgebliche Bedeutung zu. Wiederum ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei diesen Straftaten mit ganz erheblicher krimineller Energie vorgegangen ist. Er hat sich weder von vorherigen Verurteilungen zu Bewährungsstrafen, noch von einer noch ausstehenden Entscheidung über die Einräumung einer Bewährung, noch von einer erstmaligen Verhaftung wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung, die Hinweise auf eine ganz erhebliche Beteiligung am illegalen Drogenhandel ergeben hatte, noch von der ihm bereits im Dezember 1999 im Hinblick auf die bis dahin abgeurteilten Straftaten angedrohten Ausweisung aus dem Bundesgebiet von einer Fortsetzung seiner Drogengeschäfte abhalten lassen. Auch nach seiner Haftentlassung ist dem Kläger bisher insbesondere keine Verbesserung seiner beruflichen Situation gelungen, die Anlass zu der Annahme geben könnte, er werde seine erhebliche kriminelle Energie zurückdrängen und seinen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen können.
44 
c) Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (BGBl. 1959 II, S. 997, ENA) erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die vorstehenden Ausführungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen denen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 262 f.; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338).
45 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.Nachw.).
46 
d) Die Vorschriften des ARB 1/80 stehen der Ausweisung des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Zwar erscheint es sehr zweifelhaft, ob der Kläger die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 erfüllt. Näher liegt die Heranziehung von Art. 7 ARB 1/80. Jedenfalls ist die Ausweisung des Klägers auch nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wonach der Abschnitt 1 des ARB 1/80 vorbehaltlich der Beschränkungen gilt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diese Ausnahme ebenso auszulegen wie die des Art. 39 Abs. 3 EGV (vgl. Urt. v. 10.02.2000, Nazli, NVwZ 2000, 1029, Rn. 56). Danach ist eine Ausweisung zum Zweck der Generalprävention mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 unvereinbar und eine Ausweisung deshalb nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des betreffenden Ausländers auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet und damit eine Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urt. v. 10.02.2000, a.a.O., Rn. 61 ff.; Urt. v. 19.01.1999, Calfa, EuZW 1999, 345, Rn. 22-27). Auch im Hinblick auf diese Grundsätze begegnet die Ausweisung des Klägers keinen rechtlichen Bedenken. Denn diese ist nicht ausschließlich generalpräventiv begründet worden, sondern ist vom Regierungspräsidium in erster Linie im Hinblick auf die berechtigte Annahme verfügt worden, der Kläger werde wegen seiner in den abgeurteilten Taten zum Ausdruck kommenden erheblichen kriminellen Energie weitere Straftaten begehen. Auch insoweit kann auf die Darlegungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden.
47 
Hinsichtlich des nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Teils folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Auch die hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens (Abschiebungsandrohung) nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Entscheidung führt zur Kostentragung des Klägers. Denn der Kläger wäre voraussichtlich auch mit seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums unterlegen.
49 
Der nicht zur Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag verpflichtete Senat sieht in Bezug auf die sich hinsichtlich der Richtlinie 64/221/EWG stellenden Fragen von einer Vorlage an den EuGH ab. Die Rechtssache hat aber grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), so dass die Revision zuzulassen ist. Hierdurch wird im Interesse der Einheit der nationalen Rechtsprechung vor der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs ermöglicht.
50 
Die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen gilt folgende

(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie begünstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren und Befreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen über Kosten und Gebühren, bleiben wirksam. Ebenso bleiben Maßnahmen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen wirksam, auch wenn sie sich ganz oder teilweise auf Zeiträume nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beziehen. Entsprechendes gilt für die kraft Gesetzes eingetretenen Wirkungen der Antragstellung nach § 69 des Ausländergesetzes.

(2) Auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet.

(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.

(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.

(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23. April 2003 - 4 K 616/03 - wird geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers für die Dauer von 6 Monaten auszusetzen. Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte.

Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht und für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 2.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1) sowie inhaltlich den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und in dem im Tenor bestimmten Umfang begründet.
Der 1983 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben im Jahr 1997 mit seiner Mutter und einem Bruder nach Deutschland ein und betrieb zunächst erfolglos ein Asylverfahren, das am 5.6.2002 rechtskräftig abgeschlossen wurde (VG Freiburg, Urteil vom 17.1.2001 - A 6 K 12269/97 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.4.2002 - A 12 S 217/01 -). Bei seiner Mutter wurde aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.2.2001 festgestellt, dass - wegen "Sippenhaft" - ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG bezüglich der Türkei vorliegt. Mit Verfügung der Stadt Rheinfelden vom 23.7.2002 wurde der Antragsteller auf der Grundlage von §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG ausgewiesen. Gegen diese Verfügung und den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg eingelegt, über die ersichtlich noch nicht entschieden ist. Am 11.9.2002 beantragte der Antragsteller beim Regierungspräsidium Freiburg, ihm eine weitere Duldung für zunächst mindestens ein Jahr zu erteilen. Zur Begründung führte er aus, dass die durch eine Abschiebung erfolgende Trennung von seiner Mutter gegen Art. 8 EMRK verstoße. Seine Mutter sei auf seine Anwesenheit hier in Deutschland dringend angewiesen. Nach einer ärztlichen Stellungnahme von Refugio Villingen-Schwenningen vom 4.9.2002 seien die Suiziddrohungen der Mutter für den Fall einer Trennung von ihm sehr ernst zu nehmen. Am 18.9.2002 beantragte er bei Gericht, das Regierungspräsidium Freiburg im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und ihm eine auf ein Jahr befristete Duldung zu erteilen. Mit Beschluss vom 9.10.2002 (1 K 1882/02) lehnte das Gericht diesen Antrag mangels Erfolgsaussichten ab, da der Antragsteller im Besitz einer Duldung war und diese auch verlängert wurde. In der Folgezeit stellte der Antragsteller beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen weiteren Asylantrag, der mit Bescheid vom 17.12.2002 abgelehnt wurde. Der Antragsteller hat hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
Mit Verfügung vom 5.3.2003 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung für die Dauer von mindestens einem Jahr ab und verlängerte die zu diesem Zeitpunkt gültige Duldung bis zum 31.3.2003. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Mutter des Antragstellers sei - nach einer Stellungnahme des Gesundheitsamts L. vom 13.9.2002 - für die Verrichtungen des täglichen Lebens auf die Anwesenheit ihres Sohnes nicht angewiesen. Lediglich bei einer zwangsweisen Abschiebung des Antragstellers sei mit einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zu rechnen. Der Antragsteller könne also eine übermäßige psychische Belastung der Mutter durch eine freiwillige Ausreise vermeiden.
Der Antragsteller beantragte am 18.3.2003 erneut, ihm eine weitere Duldung zu erteilen. Zur Begründung führte er aus, dass er inzwischen mit seiner Lebensgefährtin, der deutschen Staatsangehörigen M., einen am 24.2.2003 geborenen Sohn habe. Er lebe mit Frau M., die sich in Scheidung befinde, seit einem längeren Zeitraum zusammen. Darüber hinaus legte er eine vor dem Standesamt L. abgegebene Vaterschaftsanerkennung vom 4.3.2003 vor, welche auch die Zustimmung des Ehemanns von Frau M. aufweist. Mit Verfügung vom 27.3.2003 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg eine Abänderung seiner Verfügung vom 5.3.2003 ab, da das Kind als eheliches Kind der Familie M. geboren sei und auch die vorgelegte Vaterschaftsanerkennung bzw. die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung daran nichts ändere. Auch der Wunsch, Frau M. nach ihrer Scheidung zu heiraten, begründe kein Bleiberecht.
Am 31.3.2003 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Freiburg, das Regierungspräsidium Freiburg im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und der zuständigen Ausländerbehörde aufzugeben, ihm eine Duldung zu erteilen. Mit Beschluss vom 23.4.2003 hat das Verwaltungsgericht Freiburg dem Antrag stattgegeben und das Regierungspräsidium Freiburg im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers vorläufig auszusetzen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Mutter des Antragstellers auf Lebenshilfe angewiesen sei. Ob eine physische Hilfeleistung vom Antragsteller tatsächlich erbracht werde, bleibe zweifelhaft. Dies könne jedoch offen bleiben, da die Mutter nach allen ärztlichen Stellungnahmen auf die bloße Anwesenheit des Antragstellers in der Bundesrepublik als "psychische Stütze" angewiesen sei. Die Berufung auf eine familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem minderjährigen deutschen Kind begründe keinen Anordnungsanspruch, da die insoweit gemachten Ausführungen unsubstantiiert und nicht ausreichend glaubhaft gemacht seien.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Regierungspräsidiums Freiburg hat in dem im Tenor bestimmten Umfang Erfolg. Nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung steht einer Abschiebung des Antragstellers derzeit § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK entgegen. Allerdings sieht der Senat im Hinblick auf die gegenwärtigen Verhältnisse nach Lage der Akten keinen Anlass, die Abschiebung des Antragsteller ohne zeitliche Begrenzung auszusetzen. Vielmehr reicht die im Tenor festgelegte Frist aus, um den erforderlichen einstweiligen Rechtsschutz des Antragstellers sicherzustellen. Der Antragsteller ist im Hinblick auf seine vollziehbare Ausreisepflicht und die ausgesprochene - gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG wirksame - Ausweisung innerhalb dieses Zeitraums verpflichtet, alles zu tun, um seine Mutter auf seine notwendige und bevorstehende Ausreise vorzubereiten und durch geeignete Maßnahmen Vorsorge dafür zu treffen, dass diese in der erforderlichen Form psychisch - z.B. durch andere hier in Deutschland lebende Familienmitglieder - betreut werden kann. Hierzu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:
1. Nach der hier erforderlichen und hinreichenden summarischen Prüfung kann gegenwärtig vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ausgegangen werden. Denn nach dem Vortrag des Antragstellers ist es jedenfalls derzeit hinreichend wahrscheinlich, dass seiner Abschiebung ein rechtliches Abschiebungshindernis gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegensteht. Der Antragsteller trägt hierzu vor, dass seine Mutter dringend auf seine Hilfe angewiesen sei und im Falle seiner Abschiebung ihr Leben gefährdet sei. Dem ist im Ergebnis zu folgen.
Allerdings wird eine familiäre Gemeinschaft zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern regelmäßig als Begegnungsgemeinschaft geführt, die durch wiederholte Besuche, durch Brief- oder Telefonkontakte sowie durch Zuwendungen aufrecht erhalten werden kann. Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis ist in diesen Fällen im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG unbedenklich, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung der Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familienrechtlichen Schutz angezeigt erscheinen lassen. Weitergehende Schutzwirkungen ergeben sich aus Art. 6 Abs. 1 GG nur dann, wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, sodass dann die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Bedenken zurückdrängt. In diesen Fällen, aber auch nur dann, ist die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern aufenthaltsrechtlich ähnlich zu bewerten wie die Ehe eines deutschverheirateten Ausländers (BVerfG, Beschluss vom 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 -, BVerfGE 80, 81; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.2.1995  - 11 S 2954/94 -, NVwZ 1996, 115). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen grundsätzlich nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden kann. Vielmehr besteht eine Beistandsgemeinschaft prinzipiell solange, als ein Familienmitglied auf Lebenshilfe angewiesen ist und ein anderes Familienmitglied diese Hilfe tatsächlich regelmäßig erbringt (BVerfG, Beschluss vom 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 -, InfAuslR 1990, 74 = NJW 1990, 895; Beschluss vom 25.10.1995 - 2 BvR 901/95 -, DVBl 1996, 195). Das Bundesverfassungsgericht hat es dabei für die Begründung einer familiären Beistandsgemeinschaft als ausreichend angesehen, wenn nahe Angehörige lediglich einen Teil der notwendigen Pflege- und Unterstützungshandlungen abdeckten, die betreuungsbedürftige Person im Übrigen aber von Personen versorgt wurde oder hätte versorgt werden können, die außerhalb der Familie stehen (vgl. Beschlüsse vom 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 - und 25.10.1995 - 2 BvR 901/95 -, a.a.O.: Betreuung durch das Personal eines Kur- bzw. Wohnstifts). Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein betreuungsbedürftiges Familienmitglied ein uneingeschränktes "absolutes" Wahlrecht zwischen mehreren betreuungsfähigen nahen erwachsenen Angehörigen besitzt (so möglicherweise VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.7.1999 - 13 S 1101/99 -, InfAuslR 1999, 414 = VBlBW 1999, 468), was zur Folge hätte, dass nicht nur einwanderungspolitische Belange, sondern auch die von einzelnen Angehörigen ausgehenden ordnungsrechtlichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten. Vielmehr ist - ebenso wie bei deutschverheirateten Ausländern - das öffentliche Interesse an der Ausreise einzelner Familienmitglieder angemessen zur Geltung zu bringen und mit dem Auswahlinteresse der betreuungsbedürftigen Angehörigen und dem Verbleibeinteresse des "ausgewählten" Ausländers abzuwägen. Denn im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK ist - worauf ersichtlich auch das Bundesverfassungsgericht abstellt - in erster Linie entscheidend, dass der betreuungsbedürftigen Person - neben einer möglicherweise notwendigen Betreuung von außerhalb - bei Bedarf überhaupt eine familiäre Betreuung ermöglicht wird. Ob die Betreuung im Einzelnen von der "Wunschperson" geleistet werden kann, hängt von einer Gewichtung der rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Einzelfall ab. Dabei ist auch die durch § 1618 a BGB getroffene Wertung in den Blick zu nehmen, wonach Kinder den Eltern gegenüber grundsätzlich in gleichem Umfang und ohne Rangfolge Beistand und Rücksicht schuldig sind (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 -). Stehen mehrere zur Betreuung fähige und verpflichtete erwachsene Kinder zur Verfügung, sind sie grundsätzlich alle zur gemeinsamen Betreuung berufen. Für den Fall, dass jedoch ein zur Betreuung verpflichtetes Kind aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausfällt, sind die übrigen gehalten, diesen Ausfall nach Möglichkeit durch entsprechende Vorkehrungen auszugleichen.
Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass jedenfalls gegenwärtig und auf begrenzte Zeit ein Anordnungsanspruch besteht, wobei an die Glaubhaftmachung des Anspruchs im Hinblick auf das gefährdete hohe Rechtsgut keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Aufgrund der summarischen Prüfung und der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen zum Gesundheitszustand der Mutter des Antragstellers ist zumindest vorübergehend davon auszugehen, dass eine Trennung des Antragstellers von der Mutter nach § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht möglich und zumutbar ist.
10 
Nach dem Vortrag des Antragstellers und den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ist wegen der darin enthaltenen widersprüchlichen Angaben zwar äußerst fraglich, ob die Mutter des Antragstellers tatsächlich auf Hilfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens angewiesen ist. Der Stellungnahme von Refugio Villingen-Schwenningen vom 4.9.2002 ist hierzu zu entnehmen, dass die Mutter aufgrund einer psychischen Störung in ihrer Alltagsbewältigung deutlich eingeschränkt und in jedem Fall intensiv auf Fremdhilfe angewiesen ist, ohne die sie wahrscheinlich schnell zu einem sozialen Pflegefall werden würde. Diese Schlussfolgerungen beruhen jedoch auf der - ersichtlich ungeprüften - Darstellung der Mutter bei ihrem Anamnesegespräch bzw. des Antragstellers bei seinem Fremdanamnesegespräch, anlässlich derer sie beide erklärten, die Mutter sei nicht in der Lage, den Haushalt allein zu führen; kochen, spülen und putzen müsse der Antragsteller, die Wäsche würden sie in eine Wäscherei bringen. Demgegenüber hat das Gesundheitsamt des Landratsamts L. in seiner Stellungnahme vom 13.9.2002 zur amtsärztlichen Begutachtung der Mutter des Antragstellers festgestellt, die unter anderem auch aufgrund eines Besuchs bei der Mutter in der Gemeinschaftsunterkunft erstellt wurde, die Mutter sei in Alltagssituationen weitgehend unauffällig und emotional relativ stabil. Das Gesundheitsamt kommt zu dem Ergebnis, dass für die Verrichtungen des täglichen Lebens unter geordneten Umständen (Aufenthalt in der jetzt vertrauten Wohnumgebung, Kontakt mit den Mitbewohnerinnen aus demselben Kulturkreis, Verfügbarkeit des Sohnes - nicht zur körperlichen Hilfestellung, sondern in der Gewissheit des Verbleibs in erreichbarer Nähe) die Anwesenheit des Antragstellers nicht erforderlich sei. Darüber hinaus ergibt sich aus den Angaben des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft, in welcher die Mutter des Antragstellers untergebracht ist, an die Ausländerbehörde (e-mail vom 18.9.2002), dass die Mutter körperlich durchaus in der Lage sein dürfte, sich selbst zu versorgen. Danach hat die Mutter des Antragstellers nämlich bis vor einem halben Jahr einer kinderreichen Familie bei Besorgungen im Haushalt auf Sozialgeldbasis geholfen. Zudem reinigt sie für Bürger des Ortes Teppiche gegen Entgelt auf dem Gelände der Unterkunft mit Seife, Waschpulver und Schrubber. Letzteres hat auch die Lebensgefährtin des Antragstellers in ihrer im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 6.7.2003 bestätigt; sie hat darüber hinaus angegeben, dass die Mutter auch Hausarbeiten verrichte, wenn es ihr gut gehe.
11 
Ungeachtet dessen ist allen Stellungnahmen jedoch die Kernaussage zu entnehmen, dass die Mutter psychisch labil wirkt bzw. ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich eine Trennung vom Antragsteller für diese suizidgefährdend auswirkt. Nach der Auskunft des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft in seiner e-mail vom 18.9.2002 hat die Mutter eine "panische Angst" vor einer Trennung von ihrem jüngsten Sohn, dem Antragsteller. Dies ergibt sich auch aus der ärztlichen Stellungnahme von Refugio Villingen-Schwenningen. Danach hatte die Mutter Angst vor einer Rückkehr in die Türkei und könne aufgrund ihrer Traumatisierung diese Gefahr für ihren Sohn nicht anders einschätzen als für sich selbst. Eine Abschiebung des Antragstellers führe bei ihr zu einer Retraumatisierung; Indiz hierfür sei insbesondere der Selbsttötungsversuch im September 2002, der auf die Nachricht der zwangsweisen Rückführung des Antragstellers erfolgt sei. Zwar ist der Beweiswert dieser Stellungnahme sehr eingeschränkt, da wie bereits oben aufgezeigt, der von der Mutter des Antragstellers vorgetragene Sachverhalt der ärztlichen Beurteilung ungeprüft zugrundegelegt worden sein dürfte und zudem bei der Mutter das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ohne weitere Prüfung bzw. Angabe der Quelle vorausgesetzt wurde (zu den insofern zu stellenden Anforderungen vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.7.2003 - 11 S 2622/02 -, VBlBW 2003, 482 = InfAuslR 2003, 422). Die Stellungnahme geht auch fälschlicherweise davon aus, dass der Mutter wegen belastenden traumatischen Gewalterlebnissen im Heimatland ein Abschiebehindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG zugesprochen worden sei (vgl. im Gegensatz hierzu VG Freiburg, Urteil vom 17.1.2001 - A 6 K 12269/97 -). Gleichwohl kann die getroffene Feststellung, dass die Abschiebung des Antragstellers zu einer lebensbedrohlichen Lage der Mutter führen kann, im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht von der Hand gewiesen werden. Denn auch das Gesundheitsamt des Landratsamts L. hat in seiner Stellungnahme vom 13.9.2002 bestätigt, dass in Belastungssituationen, z.B. bei einer Abschiebung des Antragstellers, mit einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, möglicherweise mit Suizidalität der Mutter zu rechnen sei. Aufgrund dieser Erkenntnislage und des Umstands, dass die Mutter - nach Ablehnung der Anträge des Antragstellers im März 2003 auf Erteilung einer weiteren Duldung - am 1.4.2003 erneut erfolglos versucht hat, sich das Leben zu nehmen, ist vorläufig davon auszugehen, dass die Mutter derzeit auf die Anwesenheit des Antragstellers als "psychische Stütze" angewiesen ist. Auch eine solche Art der psychischen Lebenshilfe kann - wie hier - bei gravierenden, lebens- und gesundheitsbedrohenden Situationen für die Annahme einer Beistandsgemeinschaft ausreichend sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.7.1999 - 13 S 1101/99 -, Inf-AuslR 1999, 414 = VBlBW 1999, 468). Die sich nach den Stellungnahmen abzeichnende erhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Mutter durch eine räumliche Trennung vom Antragsteller infolge einer Abschiebung in sein Heimatland geht nämlich über die im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG gegebenenfalls noch hinnehmbaren allgemeinen negativen psychischen Reaktionen eines Familienangehörigen hinaus (vgl. hierzu OVG Weimar, Beschluss vom 15.11.2002 - 3 EO 438/02 -, InfAuslR 2003, 144). Im Hinblick auf die Gefährdung des hohen Schutzguts des Lebens der Mutter ist es gerechtfertigt, demgegenüber die im öffentlichen Interesse stehende Abschiebung des Antragstellers vorerst zurückzustellen.
12 
2. Zur Gewährung des deswegen erforderlichen effektiven einstweiligen Rechtsschutzes reicht nach gegenwärtiger Einschätzung aber eine Frist von sechs Monaten aus. Zu bedenken ist, dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nur Grundlage einer vorläufigen Einschätzung sein können, weil sie bereits im September 2002 erstellt worden sind und damit zum Zeitpunkt dieser Entscheidung schon weit über ein Jahr zurückliegen. Darüber hinaus enthalten die Bescheinigungen keine genauen Angaben zum Krankheitsbild und zu Art und Umfang einer Behandlungsbedürftigkeit der Mutter. Zudem ist ungeklärt, ob der Antragsteller eine psychische Unterstützung seiner Mutter über einen längeren Zeitraum alleine gewährleisten kann. In diesem Zusammenhang bleibt insbesondere offen, ob letztlich die Anwesenheit des Antragstellers in Deutschland allein ausschlaggebend und ausreichend ist, um eine Selbstgefährdung der Mutter zu verhindern. Zwar stand der Suizidversuch der Mutter im September 2002 wohl im Zusammenhang mit der Vorführung des Antragstellers zwecks Passbeschaffung beim türkischen Konsulat und damit im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Abschiebung. Auch der Suizidversuch am 1.4.2003 erfolgte im Anschluss an eine Ablehnung der Anträge des Antragstellers auf Duldung. Zweifel an einem zwingenden Zusammenhang zwischen der Selbsttötungsabsicht der Mutter und der Abschiebung des Antragstellers ergeben sich jedoch aus den Angaben der Lebensgefährtin des Antragstellers in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 6.3.2003. Sie erklärte dort, es sei nicht richtig, dass die Mutter des Antragstellers nur in extremen Belastungssituationen an Selbstmord denke und dies auch in die Tat umsetzen wolle. Die Mutter habe nämlich einmal in ihrem Beisein auch zu einem Zeitpunkt, als von Abschiebung "noch nicht die Rede" gewesen sei, versucht, sich mit einem Messer die Pulsadern aufzuschneiden. Legt man diese Angaben zugrunde, wäre die Mutter letztlich nur dann vor sich selbst zu schützen, wenn rund um die Uhr eine Betreuung für sie gewährleistet wäre. Sie bedürfte dann wohl dringend einer entsprechenden psychischen Behandlung. Inwieweit es dabei speziell auf eine Anwesenheit des Antragstellers in der Nähe der Mutter ankäme, wäre dann fraglich.
13 
Des Weiteren darf nach Vorstehendem nicht außer Betracht bleiben, dass außer dem Antragsteller weitere nahe Familienangehörige der Mutter in Deutschland leben. Davon dass diese Angehörigen von vornherein ungeeignet wären, die Mutter psychisch zu stabilisieren, kann nach Lage der Dinge nicht ausgegangen werden. Die Mutter muss sich daher darauf verweisen lassen, sich an diese Angehörigen zu wenden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Ein "absolutes" Wahlrecht, sich gerade des Antragstellers als Beistands zu bedienen, steht ihr nicht ohne weiteres zu. Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nicht nur aufgrund der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylgesuchs vollziehbar ausreisepflichtig ist, sondern auch wegen Straftaten wirksam ausgewiesen wurde und daher auch aus Gründen der Gefahrenabwehr verpflichtet ist, Deutschland zu verlassen. Die Angaben der Mutter des Antragstellers bei ihrem Anamnesegespräch im Rahmen der Untersuchung bei Refugio Villingen-Schwenningen führen nicht dazu, dass eine Betreuung der Mutter nicht auch durch andere Familienangehörige in Betracht käme. Zwar erklärte die Mutter, der Antragsteller sei das einzige Kind, das ihr geblieben sei. Jedoch ergibt sich sowohl aus ihrer Anhörung im Rahmen der Prüfung ihres Asylantrags vor dem Bundesamt am 17.10.1997 als auch aus der e-mail des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft vom 18.9.2002 an die Ausländerbehörde, dass jedenfalls eine ihrer Töchter mit Familie in bzw. bei Stuttgart wohnt. Die Mutter hat zudem selbst erklärt, sie habe noch zwei hier lebende Schwestern, die Familie hätten. Soweit sie weiter ausführte, sie könne bei den Schwestern nicht leben, da durch den "Lärm" der kleineren Kinder bei ihr sofort die alten schrecklichen Erinnerungen/Bilder wieder hochkämen, hält der Senat dies für nicht überzeugend. Denn diese Angabe steht im Widerspruch zu der Auskunft des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft in der e-mail vom 18.9.2002 an die Ausländerbehörde, nach welcher die Mutter öfter Kinder von arbeitenden Müttern betreute, sich somit also freiwillig dem "Lärm" anderer Kinder aussetzt.
14 
Aus alldem folgt zusammenfassend, dass dem Antragsteller zur Zeit eine Trennung von seiner Mutter wegen deren psychischer Verfassung nicht zumutbar erscheint. Ihm ist daher zur Regelung der Angelegenheiten der Mutter, wozu nach seinem Vortrag insbesondere ihre notwendige Betreuung zählt, und daneben zur Einleitung einer - möglicherweise - erforderlichen Behandlung der Mutter, eine Duldung befristet auf sechs Monate zu erteilen, nachdem der zuletzt gestellte Antrag auf Erteilung einer Duldung durch Bescheid vom 27.3.2003 ersichtlich noch nicht unanfechtbar abgelehnt wurde. Während dieser Zeit hat der Antragsteller ausreichend Gelegenheit, seine Mutter auf seine - im Hinblick auf die vollziehbare Ausreisepflicht nach Abschluss des Asylverfahrens und seine Ausweisung - notwendige und bevorstehende Ausreise aus Deutschland vorzubereiten und die Betreuung nach Möglichkeit auf andere Angehörige zu verlagern.
15 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
17 
Die Änderung und Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3 sowie § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Streitwert ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen mit der Hälfte des Auffangstreitwerts gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (also 2.000 EUR) zu bemessen, wenn der Ausländer im Bundesgebiet lediglich geduldet wurde und die Erteilung einer weiteren Duldung abgelehnt wurde.
18 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen. Die §§ 297 bis 300 und § 302 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden.

(3) Soweit gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. Oktober 2002 - 5 K 4277/01 - ist insoweit, d.h. hinsichtlich der Ziff. 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001 (Abschiebungsandrohung), unwirksam.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, geändert. Die Klage wird, soweit sie nach den Erledigungserklärungen noch anhängig ist, abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und die Abschiebungsandrohung.
Der am 12.08.1979 in Berlin geborene ledige Kläger besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. Seine Schulausbildung schloss der Kläger mit dem Hauptschulabschluss ab. Anschließend besuchte er eine Fachschule für Nachrichtentechnik, die er nach einem Jahr mit einem Abgangszeugnis verließ. Im Jahre 1998 begann der Kläger mit einer Ausbildung zum Fahrradmechaniker, die er aber bereits nach einem Monat wieder abbrach. Anschließend war er arbeitslos, eine im September 1999 begonnene Tätigkeit als Lüftungsmonteur übte er lediglich für zweieinhalb Monate aus. Dann war er in Teilzeit als Spüler in einem Restaurant und schließlich als Maler im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig. Der Vater des Klägers ist im Jahr 1995 verstorben. Am 15.08.1995 erteilte das Landeseinwohneramt Berlin dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Im Sommer 1999 verließ der Kläger mit dem Ziel, sein Leben in einer neuen Umgebung zu stabilisieren, die Wohnung seiner Mutter in Berlin und lebte für mehrere Monate bei seiner Tante in Stuttgart. Ende 1999 zogen auch seine Mutter und sein Bruder nach Stuttgart und lebten wieder mit dem Kläger in einer Wohnung zusammen.
Strafrechtlich trat der Kläger wie folgt in Erscheinung:
1. Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - Berlin-Tiergarten vom 08.12.1997: 3 Tage Jugendarrest wegen Körperverletzung;
2. Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 27.07.1998: Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 15 DM wegen Diebstahls geringwertiger Sachen;
3. Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - Tiergarten vom 14.12.1998: Jugendstrafe von 6 Monaten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, wobei die Vollstreckung der Strafe auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde;
4. Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Tiergarten vom 19.05.1999: Jugendstrafe von 18 Monaten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in 6 Fällen, davon in einem Fall lediglich versucht, unter Einbeziehung von Ziff. 4); die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung wurde zunächst für die Dauer von 6 Monaten zurückgestellt und schließlich mit Beschluss vom 28.03.2000 gewährt;
5. Urteil des Amtsgerichts Stuttgart - Jugendschöffengericht - vom 14.09.2000: Unter Einbeziehung des Urteils vom 19.05.1999 Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen. Die vom Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 09.01.2001. Tattage waren der 05.02. und der 14.02.2000.
Mit Schreiben vom 20.12.1999 setzte die Stadt Stuttgart den Kläger davon in Kenntnis, dass im Hinblick auf die von ihm begangenen Straftaten seine Ausweisung geprüft werde, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
10 
Am 29.11.2000 wurde der Kläger von der Polizei einer Personenkontrolle unterzogen. Bei ihm wurden 1,9 Gramm Marihuana gefunden, welches er in einem in seiner Unterhose versteckten Tütchen bei sich führte.
11 
Am 09.04.2001 trat der Kläger seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim an. Am 19.04.2002 wurde der Kläger aus der Haft wieder entlassen.
12 
Mit Schreiben vom 24.09.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger darauf hin, dass im Hinblick auf seine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz seine Ausweisung in Betracht komme, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Im Hinblick auf die angekündigte Ausweisung machte der Kläger geltend, dass er erstmals wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden sei und es sich zudem um die weiche Droge Marihuana gehandelt habe. Angesichts der Verurteilung von weit unter zwei Jahren sei eine Ausweisung unverhältnismäßig.
13 
Mit Verfügung vom 01.10.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet unter Anordnung des Sofortvollzugs aus und drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Zur Begründung wies das Regierungspräsidium darauf hin, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfülle. Er genieße jedoch besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Der geahndete Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz stelle einen schwerwiegenden Ausweisungsanlass dar. Auch das Strafgericht sei von einer denkbar ungünstigen Zukunftsprognose ausgegangen. Angesichts des Umstandes, dass sich der Kläger auch durch zwei Bewährungsappelle nicht von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten lassen, sei auch in Zukunft mit weiteren Straftaten zu rechnen. Auch sei die Ausweisung aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Stützung der Ausweisung auf generalpräventive Gründe sei auch nicht nach den Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 unzulässig. Die Ausweisung des Klägers sei auch aus spezialpräventiven Erwägungen erfolgt. Er habe zum Zeitpunkt seines Haftantritts in einem Arbeitsverhältnis gestanden; das von der Sozialberatung getragene Beschäftigungsprojekt habe aber noch nicht die für eine diesbezügliche Rechtsposition erforderliche Eingliederung in den vorhandenen Arbeitsmarkt vermittelt. Nach § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG werde die Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung herabgestuft. Das öffentliche Interesse an einer Ausweisung des Klägers gehe aber seinem privaten Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet vor. Der Kläger habe durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich künftig straffrei zu führen. Auch habe sich der Kläger nicht in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Weder im gesellschaftlichen noch im sozialen Bereich noch in beruflicher Hinsicht habe der Kläger Fuß gefasst. Auch ein Ortswechsel von Berlin nach Stuttgart habe nicht zu einer Verbesserung geführt. Er habe weder eine Berufsausbildung zu Ende gebracht noch sei er kontinuierlich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Als Angehöriger der zweiten Generation von im Bundesgebiet lebenden Ausländern sei er wohl zweisprachig aufgewachsen. Dadurch seien ihm die kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seines Heimatlandes nicht gänzlich fremd. Auch sei ihm angesichts seines Alters ein Neubeginn in seinem Heimatland möglich. Das Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Bruder in familiärer Lebensgemeinschaft habe ihn nicht von Straftaten abgehalten. Art. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens stehe der Ausweisung des Klägers nicht entgegen. Vor seiner Inhaftierung sei der Kläger zwar im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig gewesen. Diese Rechtsposition im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 habe er durch seine Inhaftierung wieder verloren. Auch sei eine Berufung auf Art. 6 ARB 1/80 ausgeschlossen, wenn Art. 14 ARB 1/80 eingreife. Die Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet habe aber ordnungsrechtlichen Charakter. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der Privilegierung in Art. 6 und 7 ARB 1/80 erfülle. Die Ausweisung sei auch nicht nach Art. 8 EMRK unzulässig. Die im Ausländergesetz eröffnete Möglichkeit der Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen erfülle die Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 2 EMRK. Durch die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisung erlösche die ihm erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Damit sei der Kläger auch vollziehbar ausreisepflichtig. Da der Kläger in Strafhaft einsitze, bedürfe es nach § 50 Abs. 5 AuslG keiner Fristsetzung.
14 
Am 31.10.2001 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er habe in der Türkei keine Verwandten mehr. Seine Mutter lebe seit 23 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, sein Vater sei 1995 verstorben. Auch seine Geschwister lebten im Bundesgebiet. Sein Heimatland sei die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Türkei. Eine Rückkehr in die Türkei habe für ihn irreversible Folgen. Auch habe seine Familie in der Türkei ihr gesamtes Hab und Gut verkauft. Aus § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG sei zu schließen, dass in den Fällen des § 47 Abs. 2 AuslG nur unter ganz bestimmten Umständen von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen werden könne. Es sei zu berücksichtigen, dass er nicht mit gefährlichen Drogen wie Kokain oder Heroin, sondern mit der weitaus weniger gefährlichen Droge Haschisch in Berührung gekommen sei.
15 
Mit Beschluss vom 19.03.2002 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart (Az. 5 K 4278/01) die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ausweisung wieder hergestellt und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung angeordnet.
16 
Zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte vorgetragen, dass mit weiteren Straftaten des Klägers zu rechnen sei. Der Kläger sei bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ohne dass ihn vom Gericht ausgesprochene Bewährungsstrafen letztendlich von neuerlichen Straftaten hätten abhalten können. Dementsprechend bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr.
17 
Mit Urteil vom 08.10.2002 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001 aufgehoben. Zur Begründung des Urteils hat es ausgeführt: Die Ausweisung des Klägers sei wegen Verstoßes gegen Art. 8 EMRK rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Aus dem Inhalt der Akten und dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger faktisch zum Inländer geworden sei, den mit der Türkei außer der Staatsangehörigkeit nichts mehr verbinde. Zwar sei davon auszugehen, dass dem Kläger aufgrund des Zusammenlebens mit seinen Eltern und Geschwistern gewisse soziale und kulturelle Beziehungen zur Türkei vermittelt worden seien. Diese Einflüsse seien aber in der Bundesrepublik deutlich in den Hintergrund gedrängt worden. Eine Übersetzung in das Türkische sei ihm nur bei einfacheren Wörtern möglich gewesen. Die Prägung als faktischer Inländer ergebe sich auch aus seinem intensiven Kontakt im Alter von 11 bis 12 Jahren zu einer deutschen Nachbarin und Arbeitskollegin seiner Mutter sowie deren Sohn in Berlin. Diese Nachbarin sei für den Kläger in der Zeit, in der sich seine Eltern getrennt hätten, eine Ersatzmutter gewesen. Auch sei er außerhalb des häuslichen Bereichs vielfältigen deutschen Einflüssen ausgesetzt gewesen. Die Türkei habe der Kläger lediglich als Urlaubsland während seiner Kindheit kennen gelernt. In der Türkei lebten keine Verwandten des Klägers mehr. Der Kläger sei daher in einem Ausmaß faktisch zum Inländer geworden, dass ihm von vornherein der Weggang aus der Bundesrepublik Deutschland und der Verbleib in der Türkei unzumutbar und daher unverhältnismäßig seien. Sei die Ausweisung rechtswidrig, so sei auch die Abschiebungsandrohung aufzuheben.
18 
Mit Beschluss vom 21.07.2003 hat der Senat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugelassen. Im Hinblick auf die am 19.04.2002 erfolgte Entlassung des Klägers aus der Strafhaft haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache hinsichtlich der in der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001 in Ziff. 3 ausgesprochenen Abschiebungsandrohung übereinstimmend für erledigt erklärt.
19 
Mit am 04.08.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08.10.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat der Beklagte auf die Ausführungen im Antrag auf Zulassung der Berufung verwiesen.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. Oktober 2002 - 5 K 4277/01 -, soweit die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden ist, zu ändern und die Klage, soweit sie nach den Erledigungserklärungen noch anhängig ist, abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen, soweit das Verfahren in der Hauptsache nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen noch anhängig ist.
24 
Entgegen der Annahme des Beklagten habe er im Jahr 1996 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Dieser sei jedoch wegen der langen Verfahrensdauer abgelehnt worden, weil er nach Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis Jugendverfehlungen begangen habe. Der Beklagte verkenne, dass er bereits als Kind wesentlich mehr Kontakt zu Deutschen gehabt habe als dies bei vergleichbaren türkischen Staatsangehörigen der zweiten und dritten Generation üblicherweise der Fall sei. Insbesondere habe eine sehr intensive Beziehung zu seiner deutschen "Ersatzmutter" bestanden, die ihn wie einen Sohn betreut habe. Im Ergebnis sei er wegen seiner Beziehungen zu Deutschen ein faktischer Inländer. Nach dem Urteil vom 14.09.2000 habe er keine Straftaten mehr begangen. Die Straftaten habe er sämtlich als Jugendlicher oder Heranwachsender und damit in einer Zeit der Orientierung begangen. Mittlerweile habe er sich jedoch weiterentwickelt und erkennbar stabilisiert. Das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK. Im Übrigen verweist der Kläger auf die Begründung des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts und seine Ausführungen im Verfahren auf Zulassung der Berufung.
25 
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die Akten des Verwaltungsgerichts des Klageverfahrens sowie des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, auf die Ausländerakte sowie auf die Akte des Ausweisungsverfahrens verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
A) Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Abschiebungsandrohung, Ziff. 3 der Verfügung vom 01.10.2001), war das Verfahren nach § 125 Abs. 1 Satz 1 und dem entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO analog) und nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO).
B)
27 
I) Soweit keine Teilerledigung eingetreten ist, ist die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten zulässig.
28 
Der Berufungsschriftsatz des Beklagten vom 01.08.2003 enthält einen bestimmten Antrag (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Berufungsbegründung genügt auch den inhaltlichen Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Denn die Berufungsbegründung bezeichnet durch die zulässige Bezugnahme auf den Berufungszulassungsantrag mehrere entscheidungserhebliche Fragen und macht hierzu eine von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Beschluss vom 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67).
29 
II) Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet.
30 
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht Ziff. 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001, durch die der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden ist, aufgehoben. Denn die Klage des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Ziff. 1 der Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
1) In formeller Hinsicht ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden.
32 
a) Das Regierungspräsidium Stuttgart war zur Entscheidung über die Ausweisung des Klägers zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung auf richterliche Anordnung in Strafhaft befand (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO). Wegen der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums war nach § 6a Satz 1 AGVwGO auch die Durchführung eines Vorverfahrens ausgeschlossen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG angehört worden.
33 
b) Ob die Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der türkischen Staatsangehörigen gegen eine Ausweisungsverfügung in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet ist, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zukommt, insbesondere den Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, genügt (vgl. zu dieser Frage in Bezug auf einen italienischen Staatsangehörigen, VGH Baden-Württemberg, Urt. v.28.11.2002 - 11 S 1270/02 -), kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar. Mit Beschluss vom 18.03.2003 hat der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (Zlen. EU 2003/0001, 0002-1-99/21/0018, 2002/21/0067,      und InfAuslR 2003, 217) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 234 EGV zwar die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, die Rechte nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 genießen. Nach Ansicht des Senats, der nicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV zur Vorlage verpflichtet ist, kommt aber eine Anwendung von Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 57, zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 6 und Art. 7 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige).
34 
Die auf Bestimmungen des früheren EWG-Vertrages gestützte Richtlinie gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbstständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen. Ziel der Richtlinie ist es, eine möglichst effektive Wahrnehmung der Grundfreiheiten - Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit - durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und deren Ehegatten und Familienmitglieder zu gewährleisten. Zu diesem Zweck will die Richtlinie z.B. im Bereich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigten Maßnahmen koordinieren, um deren Anwendung mit dem fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit in der Gemeinschaft und mit der Beseitigung jeglicher Diskriminierung zwischen eigenen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Vertrages in Einklang zu bringen (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1975, Rs. C-67/74, Slg. 297, Rn. 5; Urt. v. 27.10.1977, Rs. C-30/77, Slg. 1999, Rn. 15; Urt. v. 09.11.2000, Rs. C-357/98, Slg. I-9265, Rn. 27). Für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im EG-Vertrag geregelten Grundfreiheiten, deren Verwirklichung Hauptzweck des EG-Vertrages ist, aber unmittelbar und nicht vorbehaltlich einer Vereinbarung der Vertragsstaaten über ihre Anwendbarkeit. Demgegenüber können sich türkische Staatsangehörige vor Behörden eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gerade nicht unmittelbar auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen. Vielmehr erfolgt die schrittweise Herstellung der Grundfreiheit bzw. die schrittweise Beseitigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten nach Maßgabe der hierfür von einem gesonderten Assoziationsrat festgelegten Regeln. In Art. 12 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1964 II S. 509) haben die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Republik Türkei vereinbart, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. In Art. 13 und 14 dieses Abkommens finden sich vergleichbare Vereinbarungen hinsichtlich der Aufhebung von Beschränkungen für die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. In Art. 36 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385 ) ist z.B. hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bestimmt, dass diese Grundfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt wird und der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln festlegt (vgl. z.B. ARB vom 20.12.1976, 2/76; ARB vom 19.09.1980, 1/80). Sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001 als auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung war der Kläger weder selbständig tätig (vgl. Art. 43 EGV), noch machte er durch seinen seit 1979 andauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland von der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EGV Gebrauch. Es ist anerkannt, dass die Dienstleistungsfreiheit mangels Auslandsbezugs nicht denjenigen Angehörigen eines Mitgliedstaates erfasst, der, wie der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat geboren ist und dort seinen Hauptaufenthalt nimmt, um dort für unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (EuGH, Urt. v. 05.10.1988, Rs. C-196/87, Steymann, Slg. 1988, 6159, Rn. 17; Urt. v. 17.06.1997, Rs. C-70/95, Sodemare, Slg. I-3395, 3435 f., Rn. 38 m.w.Nachw.). Dieser vom EuGH zur Grundfreiheit der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrages entwickelte Grundsatz kann auch für die Bestimmungen des Assoziationsrechts herangezogen werden. Für den Kläger kommt deshalb wegen seiner Erwerbstätigkeiten vor und nach seiner Inhaftierung allein die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Betracht. Nach dem derzeitigen Stand genießen türkische Staatsangehörige aber keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, sondern haben im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat lediglich bestimmte Rechte, sofern die Voraussetzungen von Art. 6 oder 7 des ARB 1/80 erfüllt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 30.09.1997, Rs. C-36/96, Günyadin, InfAuslR 1997, 440, Rn. 21 f. m.w.Nachw.). Erfolgt die Herstellung einer Grundfreiheit bzw. die Beseitigung von Beschränkungen einer Grundfreiheit im Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ungeachtet des Ablaufs der in Art. 36 des Zusatzprotokolls genannten Frist allein nach Maßgabe von Beschlüssen eines besonderen Gremiums (Assoziationsrat), so ist es ausgeschlossen, ohne ausdrückliche Willenskundgebung dieses über die Schritte zur vollständigen Verwirklichung der Grundfreiheiten allein entscheidenden Gremiums sekundärrechtliche Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die der effektiven Wahrnehmung der unmittelbar geltenden Grundfreiheiten durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten dienen, auf das Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Zwar leitet der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut des Art. 12 des Assoziierungsabkommens und des Art. 36 des Zusatzprotokolls sowie aus dem Zweck des ARB 1/80 her, dass die im Rahmen des Art. 39 ff. EGV geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 54 m.w.Nachw.). Dies gilt aber für die in der Rechtsprechung des EuGH erarbeiteten allgemeinen Grundsätze z.B. zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung von Grundfreiheiten und nicht für besondere prozessuale Rechte, die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Interesse der möglichst effektiven Verwirklichung der ihnen unmittelbar zustehenden Grundfreiheiten erst durch besondere sekundärrechtliche Vorschriften, hier die Richtlinie 64/221/EWG, eingeräumt worden sind. So wendet der EuGH z.B. die von ihm entwickelten Grundsätze zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 Abs. 3 EGV auch auf die Ausweisung von türkischen Staatsangehörigen an, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 56). Dieses Vorgehen ist aber allein im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass die in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehene Ausnahme der öffentlichen Ordnung nahezu denselben Wortlaut hat wie Art. 39 Abs. 3 EGV. Für den Bereich der in der Richtlinie 64/221/EWG geregelten besonderen prozessualen Rechte, die der effektiven Wahrnehmung der Grundfreiheiten durch die Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union dienen, findet sich aber gerade keine Entscheidung des Assoziationsrates, die eine Gleichstellung von Unionsangehörigen und türkischen Staatsangehörigen gestattet.
35 
2) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweist sich die Ausweisung als rechtmäßig.
36 
a) Nach innerstaatlichem Ausländerrecht ist die Ausweisung nicht zu beanstanden.
37 
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung der Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 17.01.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137 f.; Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, 251), hier der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001. Nachträglich eingetretene Umstände können im Rahmen der Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338, 342 m.w.Nachw.).
38 
Durch das Verhalten, das den Gegenstand des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.2001 bildet (Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten), erfüllt der Kläger die Voraussetzungen der Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Da der Kläger im Bundesgebiet geboren ist und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist, genießt er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, wonach ein Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Derartige Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor einer Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung aus spezialpräventiven Zwecken sind erforderlich ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht, das sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 253 f.; Urt. v. 28.01.1997 - 1 C 17.94 -, NVwZ 1997, 1119; Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Die Ausweisungsentscheidung des Regierungspräsidiums genügt diesen Anforderungen. Denn die Straftaten des Klägers nach dem Betäubungsmittelgesetz bilden einen ausreichenden Ausweisungsanlass. Das mit dem Urteil des Landgerichts vom 09.01.2001 geahndete strafrechtliche Verhalten ist schwerwiegend. Aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart ist zu entnehmen, dass der Kläger spätestens im September 1999 erstmals mit Cannabis in Kontakt geraten war. Er konsumierte dieses Rauschgift in einem Maße, dass sich bei ausbleibendem Konsum allmählich Schlafprobleme einstellten. Er setzte den Drogenkonsum auch fort, nachdem seine Mutter ebenfalls nach Stuttgart verzogen war und wieder mit dem Kläger zusammen lebte. In nicht unerheblichem Umfang beteiligte sich der Kläger am Straßenhandel mit Cannabis. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 führte der Kläger bei seiner ersten Verhaftung am 05.02.2000 sieben Kanten Haschisch mit insgesamt 18,4 Gramm (netto) bei sich. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden 54 kleine Tütchen mit Marihuanablatt-Aufdruck gefunden, die nach der - auch vom Senat geteilten - Einschätzung des Amtsgerichts Stuttgart als Verpackungsmaterial für Rauschgift dienen sollten. Trotz dieser ersten Verhaftung und der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung, bei der die zur Aufbewahrung von Rauschgift dienenden Tütchen gefunden worden waren, setzte der Kläger den Straßenhandel mit Cannabis fort. Denn nur neun Tage später versuchte der Kläger wiederum in Stuttgart 2,8 Gramm (netto) Haschisch an eine verdeckt arbeitende Polizeibeamtin zu verkaufen. Diese Betäubungsmitteldelikte können auch nicht durch den Hinweis auf das jugendliche Alter des Täters relativiert werden. Denn der Kläger war zum Zeitpunkt dieser beiden Taten bereits 20 ½ Jahre alt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger diese beiden Straftaten noch in der sogenannten Vorbewährungszeit beging. Im vorangegangenen Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 19.05.1999, durch das der Kläger wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in sechs Fällen, davon in einem Fall lediglich versucht, unter Einbeziehung einer vorherigen Strafe wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war, war dem Kläger noch keine Bewährung gewährt worden. Strafaussetzung zur Bewährung erhielt er erst im Beschluss vom 28.03.2000, wobei dem Amtsgericht Tiergarten die beiden Betäubungsmitteldelikte vom Februar 2000 nicht bekannt waren. Zum Nachteil des Klägers ist auch die im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.20001 getroffene tatsächliche Feststellung zu werten, dass der Kläger in der Nacht zum 29.11.2000 - und damit nur zwei Monate nach dem die Bewährung versagenden Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 - von der Polizei im Stadtgebiet von Stuttgart mit 1,9 Gramm Marihuana angetroffen wurde, welches er in einem in seiner Unterhose versteckten Tütchen bei sich führte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Kläger auch von einer im Schreiben der Stadt Stuttgart vom 20.12.1999 im Hinblick auf seine bis dahin begangenen Straftaten enthaltenen Androhung der Ausweisung nicht von der Begehung der gravierenden Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz hat abhalten lassen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Ausweisungsverfügung bestand auch die ernsthafte, nicht nur entfernte Möglichkeit erneuter gravierender Verfehlungen des Klägers. Der Kläger hatte noch nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart am 14.09.2000 Kontakt zu illegalen Betäubungsmitteln. Auch hatte sich der Kläger durch mehrere Bewährungsstrafen nicht von der Begehung weiterer, erheblicher Straftaten abhalten lassen. Dies rechtfertigte die Einschätzung, dass der Kläger ein großes kriminelles Potential besaß. Der Kläger verfügte auch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die Anlass für die Erwartung bot, er könne seinen notwendigen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen. Obwohl die Wertungen der Strafgerichte hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr für die Ausländerbehörden nicht bindend sind, ist im Hinblick auf die hier anzustellende Vorhersage auch zu beachten, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Stuttgart in ihren Urteilen von einer sehr ungünstigen Prognose ausgegangen sind.
39 
Infolge des besonderen Ausweisungsschutzes wird die Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Die Ausführungen in der Verfügung lassen aber einen Ermessensfehler (§ 40 LVwVfG) nicht erkennen. Das Regierungspräsidium hat insbesondere die für einen weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte (§ 45 Abs. 2 AuslG), wie z.B. die Geburt und seinen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die fehlenden engen Beziehungen zur Türkei, die zu erwartenden Schwierigkeiten nach einer zwangsweisen Rückkehr in die Türkei und das Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Bruder in familiärer Lebensgemeinschaft, in die Ermessensentscheidung eingestellt. Diesen Gesichtspunkten hat das Regierungspräsidium das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten des Klägers im Bundesgebiet (Spezialprävention) gegenübergestellt. Dass das Regierungspräsidium zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Verfügung von einem Überwiegen der für eine Ausweisung des Klägers sprechenden öffentlichen Interessen ausgegangen ist, kann auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden.
40 
b) Im Gegensatz zur Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK als rechtmäßig.
41 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, der in der Bundesrepublik Deutschland infolge des Zustimmungsgesetzes im Rang eines einfachen Bundesgesetzes gilt und an dem Ausweisungen nach §§ 45 ff. AuslG gemessen werden müssen, hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Vorliegend ist die Ausweisung des Klägers als Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen (§ 47 Abs. 2 Nr. 2, § 48 Abs.1, § 47 Abs. 3 Satz 2 und § 45 AuslG). Sie dient auch dem berechtigten Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die Anordnung der Ausweisung wegen strafbarer Handlungen verurteilter Ausländer. Ferner muss die Maßnahme, um Art. 8 Abs. 2 EMRK zu genügen, notwendig in einer demokratischen Gesellschaft sein. Sie muss einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und insbesondere verhältnismäßig zu dem verfolgten legitimen Ziel sein (vgl. EGMR, Urt. v. 27.09.1999, NJW 2000, 2089, 2092, Rn. 87; Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 128, Rn. 41 m.w.Nachw.). Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem diese Verfügung vom Gericht bestätigt wird (vgl. Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 127, Rn. 34 f m.w.Nachw., Rn. 44; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53, Rn. 36). Auch im Hinblick auf diesen Zeitpunkt erweist sich die Ausweisung als verhältnismäßig.
42 
Der inzwischen 24 Jahre alte Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Seit seiner Haftentlassung am 19.04.2002 lebt der Kläger wieder bei seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder. Vom EGMR wird der Begriff des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK außerordentlich weit verstanden, so dass auch dieses Zusammenleben von Art. 8 Abs. 1 EMRK erfasst ist. Bei der im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung ist aber zu berücksichtigen, dass sich Hinweise auf ein Abhängigkeitsverhältnis des Klägers zu seiner Mutter oder zu seinem Bruder bzw. umgekehrt weder aus den dem Senat vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers ergeben. Zugunsten des Klägers sind seine Geburt im Bundesgebiet und der ständige rechtmäßige Aufenthalt zu berücksichtigen. Auch hat er 1996 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Die Beziehungen zu seinem Heimatland sind gering ausgeprägt. Letztmals hielt er sich im Jahr 1996 aus Anlass des einjährigen Todestages seines Vaters für die Dauer einer Woche in der Türkei auf. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Kläger noch über ausreichende Kenntnisse der türkischen Sprache verfügt. Denn nach seinen Aussagen in der mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist in der Familie des Klägers Deutsch und Türkisch gesprochen worden. Auch ist er in Anbetracht seines Alters in der Lage, seine Türkischkenntnisse wenn nötig zu vervollkommnen. Bemühungen des Klägers, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, ergeben sich weder aus den vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren. Vielmehr hat der Kläger nach seiner Aussage in der Berufungsverhandlung z.B. die Zurückstellung vom Wehrdienst in der Türkei erreicht. Zwar kommt eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist. Die Annahme von besonderen Bindungen an die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland setzt aber eine irreversible Einfügung in die hiesigen Lebensverhältnisse voraus, die beim Kläger nicht festgestellt werden kann. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Insbesondere fehlt es an einer dauerhaften Eingliederung in das Berufsleben in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar verfügt der Kläger über einen Hauptschulabschluss (1996) und absolvierte auch erfolgreich die einjährige Berufsfachschule (Elektrotechnik). Eine anschließende Ausbildung als Fahrradmechaniker brach der Kläger bereits nach einem Monat ab. Danach war er arbeitslos, eine Tätigkeit als Lüftungsmonteur übte der Kläger lediglich für zweieinhalb Monate aus. Dann war er in Teilzeit als Spüler in einem Restaurant und anschließend als Maler im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig. Während der bis zum 19.04.2002 andauernden Haft hat der Kläger keine weitere Schulausbildung oder Berufsausbildung durchlaufen. Im Dezember 2002 begann er eine Ausbildung als Maler, die jedoch nach sechs Monaten wiederum endete. Bei einer Zeitarbeitsfirma ist der Kläger seit seiner Haftentlassung nur gelegentlich tätig, sofern diese selbst entsprechende Aufträge hat. Bemühungen des Klägers um einen Ausbildungsplatz waren erfolglos.
43 
Der Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten kommt nach dem EGMR für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung besondere Bedeutung zu. In der Rechtsprechung des EGMR wird hinsichtlich des Gewichts der für eine Ausweisung sprechenden Gründe bei Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln insbesondere danach unterschieden, ob es um den bloßen Besitz/Gebrauch von Drogen geht oder um den Handel mit Betäubungsmitteln (vgl. z.B. Urt. v. 13.02.2001, InfAuslR 2001, 480, Rn. 34; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53; Urt. v. 19.02.1998, InfAuslR 1998, 201). Auch in Anbetracht der wegen des Fehlens eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem bereits 24 Jahre alten Kläger und seiner Mutter bzw. seinem Bruder geringeren Schutzwürdigkeit des Familienlebens des Klägers im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK kommt dem Umstand, dass er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, maßgebliche Bedeutung zu. Wiederum ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei diesen Straftaten mit ganz erheblicher krimineller Energie vorgegangen ist. Er hat sich weder von vorherigen Verurteilungen zu Bewährungsstrafen, noch von einer noch ausstehenden Entscheidung über die Einräumung einer Bewährung, noch von einer erstmaligen Verhaftung wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung, die Hinweise auf eine ganz erhebliche Beteiligung am illegalen Drogenhandel ergeben hatte, noch von der ihm bereits im Dezember 1999 im Hinblick auf die bis dahin abgeurteilten Straftaten angedrohten Ausweisung aus dem Bundesgebiet von einer Fortsetzung seiner Drogengeschäfte abhalten lassen. Auch nach seiner Haftentlassung ist dem Kläger bisher insbesondere keine Verbesserung seiner beruflichen Situation gelungen, die Anlass zu der Annahme geben könnte, er werde seine erhebliche kriminelle Energie zurückdrängen und seinen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen können.
44 
c) Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (BGBl. 1959 II, S. 997, ENA) erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die vorstehenden Ausführungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen denen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 262 f.; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338).
45 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.Nachw.).
46 
d) Die Vorschriften des ARB 1/80 stehen der Ausweisung des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Zwar erscheint es sehr zweifelhaft, ob der Kläger die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 erfüllt. Näher liegt die Heranziehung von Art. 7 ARB 1/80. Jedenfalls ist die Ausweisung des Klägers auch nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wonach der Abschnitt 1 des ARB 1/80 vorbehaltlich der Beschränkungen gilt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diese Ausnahme ebenso auszulegen wie die des Art. 39 Abs. 3 EGV (vgl. Urt. v. 10.02.2000, Nazli, NVwZ 2000, 1029, Rn. 56). Danach ist eine Ausweisung zum Zweck der Generalprävention mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 unvereinbar und eine Ausweisung deshalb nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des betreffenden Ausländers auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet und damit eine Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urt. v. 10.02.2000, a.a.O., Rn. 61 ff.; Urt. v. 19.01.1999, Calfa, EuZW 1999, 345, Rn. 22-27). Auch im Hinblick auf diese Grundsätze begegnet die Ausweisung des Klägers keinen rechtlichen Bedenken. Denn diese ist nicht ausschließlich generalpräventiv begründet worden, sondern ist vom Regierungspräsidium in erster Linie im Hinblick auf die berechtigte Annahme verfügt worden, der Kläger werde wegen seiner in den abgeurteilten Taten zum Ausdruck kommenden erheblichen kriminellen Energie weitere Straftaten begehen. Auch insoweit kann auf die Darlegungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden.
47 
Hinsichtlich des nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Teils folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Auch die hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens (Abschiebungsandrohung) nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Entscheidung führt zur Kostentragung des Klägers. Denn der Kläger wäre voraussichtlich auch mit seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums unterlegen.
49 
Der nicht zur Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag verpflichtete Senat sieht in Bezug auf die sich hinsichtlich der Richtlinie 64/221/EWG stellenden Fragen von einer Vorlage an den EuGH ab. Die Rechtssache hat aber grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), so dass die Revision zuzulassen ist. Hierdurch wird im Interesse der Einheit der nationalen Rechtsprechung vor der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs ermöglicht.
50 
Die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen gilt folgende

Gründe

 
26 
A) Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Abschiebungsandrohung, Ziff. 3 der Verfügung vom 01.10.2001), war das Verfahren nach § 125 Abs. 1 Satz 1 und dem entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO analog) und nur noch über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO).
B)
27 
I) Soweit keine Teilerledigung eingetreten ist, ist die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten zulässig.
28 
Der Berufungsschriftsatz des Beklagten vom 01.08.2003 enthält einen bestimmten Antrag (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Berufungsbegründung genügt auch den inhaltlichen Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Denn die Berufungsbegründung bezeichnet durch die zulässige Bezugnahme auf den Berufungszulassungsantrag mehrere entscheidungserhebliche Fragen und macht hierzu eine von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117; Beschluss vom 23.09.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67).
29 
II) Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet.
30 
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht Ziff. 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.10.2001, durch die der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden ist, aufgehoben. Denn die Klage des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Ziff. 1 der Verfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31 
1) In formeller Hinsicht ist die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums nicht zu beanstanden.
32 
a) Das Regierungspräsidium Stuttgart war zur Entscheidung über die Ausweisung des Klägers zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung auf richterliche Anordnung in Strafhaft befand (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO). Wegen der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums war nach § 6a Satz 1 AGVwGO auch die Durchführung eines Vorverfahrens ausgeschlossen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG angehört worden.
33 
b) Ob die Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der türkischen Staatsangehörigen gegen eine Ausweisungsverfügung in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet ist, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zukommt, insbesondere den Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, genügt (vgl. zu dieser Frage in Bezug auf einen italienischen Staatsangehörigen, VGH Baden-Württemberg, Urt. v.28.11.2002 - 11 S 1270/02 -), kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar. Mit Beschluss vom 18.03.2003 hat der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (Zlen. EU 2003/0001, 0002-1-99/21/0018, 2002/21/0067,      und InfAuslR 2003, 217) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 234 EGV zwar die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, die Rechte nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 genießen. Nach Ansicht des Senats, der nicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV zur Vorlage verpflichtet ist, kommt aber eine Anwendung von Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 57, zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 6 und Art. 7 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige).
34 
Die auf Bestimmungen des früheren EWG-Vertrages gestützte Richtlinie gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbstständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder um Dienstleistungen entgegenzunehmen. Ziel der Richtlinie ist es, eine möglichst effektive Wahrnehmung der Grundfreiheiten - Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit - durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und deren Ehegatten und Familienmitglieder zu gewährleisten. Zu diesem Zweck will die Richtlinie z.B. im Bereich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigten Maßnahmen koordinieren, um deren Anwendung mit dem fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit in der Gemeinschaft und mit der Beseitigung jeglicher Diskriminierung zwischen eigenen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Vertrages in Einklang zu bringen (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1975, Rs. C-67/74, Slg. 297, Rn. 5; Urt. v. 27.10.1977, Rs. C-30/77, Slg. 1999, Rn. 15; Urt. v. 09.11.2000, Rs. C-357/98, Slg. I-9265, Rn. 27). Für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im EG-Vertrag geregelten Grundfreiheiten, deren Verwirklichung Hauptzweck des EG-Vertrages ist, aber unmittelbar und nicht vorbehaltlich einer Vereinbarung der Vertragsstaaten über ihre Anwendbarkeit. Demgegenüber können sich türkische Staatsangehörige vor Behörden eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gerade nicht unmittelbar auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen. Vielmehr erfolgt die schrittweise Herstellung der Grundfreiheit bzw. die schrittweise Beseitigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten nach Maßgabe der hierfür von einem gesonderten Assoziationsrat festgelegten Regeln. In Art. 12 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1964 II S. 509) haben die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Republik Türkei vereinbart, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen. In Art. 13 und 14 dieses Abkommens finden sich vergleichbare Vereinbarungen hinsichtlich der Aufhebung von Beschränkungen für die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. In Art. 36 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385 ) ist z.B. hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bestimmt, dass diese Grundfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt wird und der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln festlegt (vgl. z.B. ARB vom 20.12.1976, 2/76; ARB vom 19.09.1980, 1/80). Sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001 als auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung war der Kläger weder selbständig tätig (vgl. Art. 43 EGV), noch machte er durch seinen seit 1979 andauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland von der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EGV Gebrauch. Es ist anerkannt, dass die Dienstleistungsfreiheit mangels Auslandsbezugs nicht denjenigen Angehörigen eines Mitgliedstaates erfasst, der, wie der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat geboren ist und dort seinen Hauptaufenthalt nimmt, um dort für unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu empfangen (EuGH, Urt. v. 05.10.1988, Rs. C-196/87, Steymann, Slg. 1988, 6159, Rn. 17; Urt. v. 17.06.1997, Rs. C-70/95, Sodemare, Slg. I-3395, 3435 f., Rn. 38 m.w.Nachw.). Dieser vom EuGH zur Grundfreiheit der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrages entwickelte Grundsatz kann auch für die Bestimmungen des Assoziationsrechts herangezogen werden. Für den Kläger kommt deshalb wegen seiner Erwerbstätigkeiten vor und nach seiner Inhaftierung allein die Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Betracht. Nach dem derzeitigen Stand genießen türkische Staatsangehörige aber keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, sondern haben im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat lediglich bestimmte Rechte, sofern die Voraussetzungen von Art. 6 oder 7 des ARB 1/80 erfüllt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 30.09.1997, Rs. C-36/96, Günyadin, InfAuslR 1997, 440, Rn. 21 f. m.w.Nachw.). Erfolgt die Herstellung einer Grundfreiheit bzw. die Beseitigung von Beschränkungen einer Grundfreiheit im Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ungeachtet des Ablaufs der in Art. 36 des Zusatzprotokolls genannten Frist allein nach Maßgabe von Beschlüssen eines besonderen Gremiums (Assoziationsrat), so ist es ausgeschlossen, ohne ausdrückliche Willenskundgebung dieses über die Schritte zur vollständigen Verwirklichung der Grundfreiheiten allein entscheidenden Gremiums sekundärrechtliche Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die der effektiven Wahrnehmung der unmittelbar geltenden Grundfreiheiten durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedstaaten dienen, auf das Verhältnis zwischen türkischen Staatsangehörigen und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Zwar leitet der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus dem Wortlaut des Art. 12 des Assoziierungsabkommens und des Art. 36 des Zusatzprotokolls sowie aus dem Zweck des ARB 1/80 her, dass die im Rahmen des Art. 39 ff. EGV geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 54 m.w.Nachw.). Dies gilt aber für die in der Rechtsprechung des EuGH erarbeiteten allgemeinen Grundsätze z.B. zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung von Grundfreiheiten und nicht für besondere prozessuale Rechte, die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Interesse der möglichst effektiven Verwirklichung der ihnen unmittelbar zustehenden Grundfreiheiten erst durch besondere sekundärrechtliche Vorschriften, hier die Richtlinie 64/221/EWG, eingeräumt worden sind. So wendet der EuGH z.B. die von ihm entwickelten Grundsätze zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 Abs. 3 EGV auch auf die Ausweisung von türkischen Staatsangehörigen an, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen (Urt. v. 10.02.2000, Nazli, DVBl 2000, 550, 552, Rn. 56). Dieses Vorgehen ist aber allein im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass die in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehene Ausnahme der öffentlichen Ordnung nahezu denselben Wortlaut hat wie Art. 39 Abs. 3 EGV. Für den Bereich der in der Richtlinie 64/221/EWG geregelten besonderen prozessualen Rechte, die der effektiven Wahrnehmung der Grundfreiheiten durch die Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union dienen, findet sich aber gerade keine Entscheidung des Assoziationsrates, die eine Gleichstellung von Unionsangehörigen und türkischen Staatsangehörigen gestattet.
35 
2) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweist sich die Ausweisung als rechtmäßig.
36 
a) Nach innerstaatlichem Ausländerrecht ist die Ausweisung nicht zu beanstanden.
37 
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung der Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 17.01.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137 f.; Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, 251), hier der Zustellung der Verfügung vom 01.10.2001. Nachträglich eingetretene Umstände können im Rahmen der Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338, 342 m.w.Nachw.).
38 
Durch das Verhalten, das den Gegenstand des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.2001 bildet (Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten), erfüllt der Kläger die Voraussetzungen der Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Da der Kläger im Bundesgebiet geboren ist und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist, genießt er besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, wonach ein Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Derartige Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor einer Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung aus spezialpräventiven Zwecken sind erforderlich ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht, das sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 253 f.; Urt. v. 28.01.1997 - 1 C 17.94 -, NVwZ 1997, 1119; Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Die Ausweisungsentscheidung des Regierungspräsidiums genügt diesen Anforderungen. Denn die Straftaten des Klägers nach dem Betäubungsmittelgesetz bilden einen ausreichenden Ausweisungsanlass. Das mit dem Urteil des Landgerichts vom 09.01.2001 geahndete strafrechtliche Verhalten ist schwerwiegend. Aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart ist zu entnehmen, dass der Kläger spätestens im September 1999 erstmals mit Cannabis in Kontakt geraten war. Er konsumierte dieses Rauschgift in einem Maße, dass sich bei ausbleibendem Konsum allmählich Schlafprobleme einstellten. Er setzte den Drogenkonsum auch fort, nachdem seine Mutter ebenfalls nach Stuttgart verzogen war und wieder mit dem Kläger zusammen lebte. In nicht unerheblichem Umfang beteiligte sich der Kläger am Straßenhandel mit Cannabis. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 führte der Kläger bei seiner ersten Verhaftung am 05.02.2000 sieben Kanten Haschisch mit insgesamt 18,4 Gramm (netto) bei sich. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden 54 kleine Tütchen mit Marihuanablatt-Aufdruck gefunden, die nach der - auch vom Senat geteilten - Einschätzung des Amtsgerichts Stuttgart als Verpackungsmaterial für Rauschgift dienen sollten. Trotz dieser ersten Verhaftung und der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung, bei der die zur Aufbewahrung von Rauschgift dienenden Tütchen gefunden worden waren, setzte der Kläger den Straßenhandel mit Cannabis fort. Denn nur neun Tage später versuchte der Kläger wiederum in Stuttgart 2,8 Gramm (netto) Haschisch an eine verdeckt arbeitende Polizeibeamtin zu verkaufen. Diese Betäubungsmitteldelikte können auch nicht durch den Hinweis auf das jugendliche Alter des Täters relativiert werden. Denn der Kläger war zum Zeitpunkt dieser beiden Taten bereits 20 ½ Jahre alt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger diese beiden Straftaten noch in der sogenannten Vorbewährungszeit beging. Im vorangegangenen Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 19.05.1999, durch das der Kläger wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in sechs Fällen, davon in einem Fall lediglich versucht, unter Einbeziehung einer vorherigen Strafe wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war, war dem Kläger noch keine Bewährung gewährt worden. Strafaussetzung zur Bewährung erhielt er erst im Beschluss vom 28.03.2000, wobei dem Amtsgericht Tiergarten die beiden Betäubungsmitteldelikte vom Februar 2000 nicht bekannt waren. Zum Nachteil des Klägers ist auch die im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.01.20001 getroffene tatsächliche Feststellung zu werten, dass der Kläger in der Nacht zum 29.11.2000 - und damit nur zwei Monate nach dem die Bewährung versagenden Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14.09.2000 - von der Polizei im Stadtgebiet von Stuttgart mit 1,9 Gramm Marihuana angetroffen wurde, welches er in einem in seiner Unterhose versteckten Tütchen bei sich führte. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Kläger auch von einer im Schreiben der Stadt Stuttgart vom 20.12.1999 im Hinblick auf seine bis dahin begangenen Straftaten enthaltenen Androhung der Ausweisung nicht von der Begehung der gravierenden Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz hat abhalten lassen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Ausweisungsverfügung bestand auch die ernsthafte, nicht nur entfernte Möglichkeit erneuter gravierender Verfehlungen des Klägers. Der Kläger hatte noch nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart am 14.09.2000 Kontakt zu illegalen Betäubungsmitteln. Auch hatte sich der Kläger durch mehrere Bewährungsstrafen nicht von der Begehung weiterer, erheblicher Straftaten abhalten lassen. Dies rechtfertigte die Einschätzung, dass der Kläger ein großes kriminelles Potential besaß. Der Kläger verfügte auch nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die Anlass für die Erwartung bot, er könne seinen notwendigen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen. Obwohl die Wertungen der Strafgerichte hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr für die Ausländerbehörden nicht bindend sind, ist im Hinblick auf die hier anzustellende Vorhersage auch zu beachten, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Stuttgart in ihren Urteilen von einer sehr ungünstigen Prognose ausgegangen sind.
39 
Infolge des besonderen Ausweisungsschutzes wird die Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Ausweisung nach Ermessen herabgestuft (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Die Ausführungen in der Verfügung lassen aber einen Ermessensfehler (§ 40 LVwVfG) nicht erkennen. Das Regierungspräsidium hat insbesondere die für einen weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet sprechenden Gesichtspunkte (§ 45 Abs. 2 AuslG), wie z.B. die Geburt und seinen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die fehlenden engen Beziehungen zur Türkei, die zu erwartenden Schwierigkeiten nach einer zwangsweisen Rückkehr in die Türkei und das Zusammenleben mit seiner Mutter und seinem Bruder in familiärer Lebensgemeinschaft, in die Ermessensentscheidung eingestellt. Diesen Gesichtspunkten hat das Regierungspräsidium das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten des Klägers im Bundesgebiet (Spezialprävention) gegenübergestellt. Dass das Regierungspräsidium zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Verfügung von einem Überwiegen der für eine Ausweisung des Klägers sprechenden öffentlichen Interessen ausgegangen ist, kann auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden.
40 
b) Im Gegensatz zur Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK als rechtmäßig.
41 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, der in der Bundesrepublik Deutschland infolge des Zustimmungsgesetzes im Rang eines einfachen Bundesgesetzes gilt und an dem Ausweisungen nach §§ 45 ff. AuslG gemessen werden müssen, hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Vorliegend ist die Ausweisung des Klägers als Eingriff im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK gesetzlich vorgesehen (§ 47 Abs. 2 Nr. 2, § 48 Abs.1, § 47 Abs. 3 Satz 2 und § 45 AuslG). Sie dient auch dem berechtigten Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die Anordnung der Ausweisung wegen strafbarer Handlungen verurteilter Ausländer. Ferner muss die Maßnahme, um Art. 8 Abs. 2 EMRK zu genügen, notwendig in einer demokratischen Gesellschaft sein. Sie muss einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen und insbesondere verhältnismäßig zu dem verfolgten legitimen Ziel sein (vgl. EGMR, Urt. v. 27.09.1999, NJW 2000, 2089, 2092, Rn. 87; Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 128, Rn. 41 m.w.Nachw.). Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem diese Verfügung vom Gericht bestätigt wird (vgl. Urt. v. 31.10.2002, InfAuslR 2003, 126, 127, Rn. 34 f m.w.Nachw., Rn. 44; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53, Rn. 36). Auch im Hinblick auf diesen Zeitpunkt erweist sich die Ausweisung als verhältnismäßig.
42 
Der inzwischen 24 Jahre alte Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Seit seiner Haftentlassung am 19.04.2002 lebt der Kläger wieder bei seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder. Vom EGMR wird der Begriff des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK außerordentlich weit verstanden, so dass auch dieses Zusammenleben von Art. 8 Abs. 1 EMRK erfasst ist. Bei der im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung ist aber zu berücksichtigen, dass sich Hinweise auf ein Abhängigkeitsverhältnis des Klägers zu seiner Mutter oder zu seinem Bruder bzw. umgekehrt weder aus den dem Senat vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers ergeben. Zugunsten des Klägers sind seine Geburt im Bundesgebiet und der ständige rechtmäßige Aufenthalt zu berücksichtigen. Auch hat er 1996 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Die Beziehungen zu seinem Heimatland sind gering ausgeprägt. Letztmals hielt er sich im Jahr 1996 aus Anlass des einjährigen Todestages seines Vaters für die Dauer einer Woche in der Türkei auf. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Kläger noch über ausreichende Kenntnisse der türkischen Sprache verfügt. Denn nach seinen Aussagen in der mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist in der Familie des Klägers Deutsch und Türkisch gesprochen worden. Auch ist er in Anbetracht seines Alters in der Lage, seine Türkischkenntnisse wenn nötig zu vervollkommnen. Bemühungen des Klägers, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, ergeben sich weder aus den vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren. Vielmehr hat der Kläger nach seiner Aussage in der Berufungsverhandlung z.B. die Zurückstellung vom Wehrdienst in der Türkei erreicht. Zwar kommt eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist. Die Annahme von besonderen Bindungen an die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland setzt aber eine irreversible Einfügung in die hiesigen Lebensverhältnisse voraus, die beim Kläger nicht festgestellt werden kann. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Insbesondere fehlt es an einer dauerhaften Eingliederung in das Berufsleben in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar verfügt der Kläger über einen Hauptschulabschluss (1996) und absolvierte auch erfolgreich die einjährige Berufsfachschule (Elektrotechnik). Eine anschließende Ausbildung als Fahrradmechaniker brach der Kläger bereits nach einem Monat ab. Danach war er arbeitslos, eine Tätigkeit als Lüftungsmonteur übte der Kläger lediglich für zweieinhalb Monate aus. Dann war er in Teilzeit als Spüler in einem Restaurant und anschließend als Maler im Rahmen eines Arbeitsprojekts der Sozialberatung tätig. Während der bis zum 19.04.2002 andauernden Haft hat der Kläger keine weitere Schulausbildung oder Berufsausbildung durchlaufen. Im Dezember 2002 begann er eine Ausbildung als Maler, die jedoch nach sechs Monaten wiederum endete. Bei einer Zeitarbeitsfirma ist der Kläger seit seiner Haftentlassung nur gelegentlich tätig, sofern diese selbst entsprechende Aufträge hat. Bemühungen des Klägers um einen Ausbildungsplatz waren erfolglos.
43 
Der Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten kommt nach dem EGMR für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung besondere Bedeutung zu. In der Rechtsprechung des EGMR wird hinsichtlich des Gewichts der für eine Ausweisung sprechenden Gründe bei Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln insbesondere danach unterschieden, ob es um den bloßen Besitz/Gebrauch von Drogen geht oder um den Handel mit Betäubungsmitteln (vgl. z.B. Urt. v. 13.02.2001, InfAuslR 2001, 480, Rn. 34; Urt. v. 30.11.1999, InfAuslR 2000, 53; Urt. v. 19.02.1998, InfAuslR 1998, 201). Auch in Anbetracht der wegen des Fehlens eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem bereits 24 Jahre alten Kläger und seiner Mutter bzw. seinem Bruder geringeren Schutzwürdigkeit des Familienlebens des Klägers im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK kommt dem Umstand, dass er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, maßgebliche Bedeutung zu. Wiederum ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei diesen Straftaten mit ganz erheblicher krimineller Energie vorgegangen ist. Er hat sich weder von vorherigen Verurteilungen zu Bewährungsstrafen, noch von einer noch ausstehenden Entscheidung über die Einräumung einer Bewährung, noch von einer erstmaligen Verhaftung wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung, die Hinweise auf eine ganz erhebliche Beteiligung am illegalen Drogenhandel ergeben hatte, noch von der ihm bereits im Dezember 1999 im Hinblick auf die bis dahin abgeurteilten Straftaten angedrohten Ausweisung aus dem Bundesgebiet von einer Fortsetzung seiner Drogengeschäfte abhalten lassen. Auch nach seiner Haftentlassung ist dem Kläger bisher insbesondere keine Verbesserung seiner beruflichen Situation gelungen, die Anlass zu der Annahme geben könnte, er werde seine erhebliche kriminelle Energie zurückdrängen und seinen Lebensunterhalt zukünftig durch eine ordnungsgemäße Erwerbstätigkeit sicherstellen können.
44 
c) Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens (BGBl. 1959 II, S. 997, ENA) erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtmäßig. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die vorstehenden Ausführungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen denen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, 262 f.; Urt. v. 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338).
45 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.96 -, InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.Nachw.).
46 
d) Die Vorschriften des ARB 1/80 stehen der Ausweisung des Klägers ebenfalls nicht entgegen. Zwar erscheint es sehr zweifelhaft, ob der Kläger die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 erfüllt. Näher liegt die Heranziehung von Art. 7 ARB 1/80. Jedenfalls ist die Ausweisung des Klägers auch nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wonach der Abschnitt 1 des ARB 1/80 vorbehaltlich der Beschränkungen gilt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diese Ausnahme ebenso auszulegen wie die des Art. 39 Abs. 3 EGV (vgl. Urt. v. 10.02.2000, Nazli, NVwZ 2000, 1029, Rn. 56). Danach ist eine Ausweisung zum Zweck der Generalprävention mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 unvereinbar und eine Ausweisung deshalb nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des betreffenden Ausländers auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet und damit eine Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urt. v. 10.02.2000, a.a.O., Rn. 61 ff.; Urt. v. 19.01.1999, Calfa, EuZW 1999, 345, Rn. 22-27). Auch im Hinblick auf diese Grundsätze begegnet die Ausweisung des Klägers keinen rechtlichen Bedenken. Denn diese ist nicht ausschließlich generalpräventiv begründet worden, sondern ist vom Regierungspräsidium in erster Linie im Hinblick auf die berechtigte Annahme verfügt worden, der Kläger werde wegen seiner in den abgeurteilten Taten zum Ausdruck kommenden erheblichen kriminellen Energie weitere Straftaten begehen. Auch insoweit kann auf die Darlegungen zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG verwiesen werden.
47 
Hinsichtlich des nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Teils folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48 
Auch die hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens (Abschiebungsandrohung) nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Entscheidung führt zur Kostentragung des Klägers. Denn der Kläger wäre voraussichtlich auch mit seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums unterlegen.
49 
Der nicht zur Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag verpflichtete Senat sieht in Bezug auf die sich hinsichtlich der Richtlinie 64/221/EWG stellenden Fragen von einer Vorlage an den EuGH ab. Die Rechtssache hat aber grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), so dass die Revision zuzulassen ist. Hierdurch wird im Interesse der Einheit der nationalen Rechtsprechung vor der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs ermöglicht.
50 
Die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen gilt folgende

(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie begünstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren und Befreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen über Kosten und Gebühren, bleiben wirksam. Ebenso bleiben Maßnahmen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen wirksam, auch wenn sie sich ganz oder teilweise auf Zeiträume nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beziehen. Entsprechendes gilt für die kraft Gesetzes eingetretenen Wirkungen der Antragstellung nach § 69 des Ausländergesetzes.

(2) Auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet.

(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.

(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.

(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23. April 2003 - 4 K 616/03 - wird geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers für die Dauer von 6 Monaten auszusetzen. Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte.

Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht und für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 2.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1) sowie inhaltlich den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und in dem im Tenor bestimmten Umfang begründet.
Der 1983 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben im Jahr 1997 mit seiner Mutter und einem Bruder nach Deutschland ein und betrieb zunächst erfolglos ein Asylverfahren, das am 5.6.2002 rechtskräftig abgeschlossen wurde (VG Freiburg, Urteil vom 17.1.2001 - A 6 K 12269/97 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.4.2002 - A 12 S 217/01 -). Bei seiner Mutter wurde aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.2.2001 festgestellt, dass - wegen "Sippenhaft" - ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG bezüglich der Türkei vorliegt. Mit Verfügung der Stadt Rheinfelden vom 23.7.2002 wurde der Antragsteller auf der Grundlage von §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG ausgewiesen. Gegen diese Verfügung und den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg eingelegt, über die ersichtlich noch nicht entschieden ist. Am 11.9.2002 beantragte der Antragsteller beim Regierungspräsidium Freiburg, ihm eine weitere Duldung für zunächst mindestens ein Jahr zu erteilen. Zur Begründung führte er aus, dass die durch eine Abschiebung erfolgende Trennung von seiner Mutter gegen Art. 8 EMRK verstoße. Seine Mutter sei auf seine Anwesenheit hier in Deutschland dringend angewiesen. Nach einer ärztlichen Stellungnahme von Refugio Villingen-Schwenningen vom 4.9.2002 seien die Suiziddrohungen der Mutter für den Fall einer Trennung von ihm sehr ernst zu nehmen. Am 18.9.2002 beantragte er bei Gericht, das Regierungspräsidium Freiburg im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und ihm eine auf ein Jahr befristete Duldung zu erteilen. Mit Beschluss vom 9.10.2002 (1 K 1882/02) lehnte das Gericht diesen Antrag mangels Erfolgsaussichten ab, da der Antragsteller im Besitz einer Duldung war und diese auch verlängert wurde. In der Folgezeit stellte der Antragsteller beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen weiteren Asylantrag, der mit Bescheid vom 17.12.2002 abgelehnt wurde. Der Antragsteller hat hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
Mit Verfügung vom 5.3.2003 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung für die Dauer von mindestens einem Jahr ab und verlängerte die zu diesem Zeitpunkt gültige Duldung bis zum 31.3.2003. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Mutter des Antragstellers sei - nach einer Stellungnahme des Gesundheitsamts L. vom 13.9.2002 - für die Verrichtungen des täglichen Lebens auf die Anwesenheit ihres Sohnes nicht angewiesen. Lediglich bei einer zwangsweisen Abschiebung des Antragstellers sei mit einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zu rechnen. Der Antragsteller könne also eine übermäßige psychische Belastung der Mutter durch eine freiwillige Ausreise vermeiden.
Der Antragsteller beantragte am 18.3.2003 erneut, ihm eine weitere Duldung zu erteilen. Zur Begründung führte er aus, dass er inzwischen mit seiner Lebensgefährtin, der deutschen Staatsangehörigen M., einen am 24.2.2003 geborenen Sohn habe. Er lebe mit Frau M., die sich in Scheidung befinde, seit einem längeren Zeitraum zusammen. Darüber hinaus legte er eine vor dem Standesamt L. abgegebene Vaterschaftsanerkennung vom 4.3.2003 vor, welche auch die Zustimmung des Ehemanns von Frau M. aufweist. Mit Verfügung vom 27.3.2003 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg eine Abänderung seiner Verfügung vom 5.3.2003 ab, da das Kind als eheliches Kind der Familie M. geboren sei und auch die vorgelegte Vaterschaftsanerkennung bzw. die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung daran nichts ändere. Auch der Wunsch, Frau M. nach ihrer Scheidung zu heiraten, begründe kein Bleiberecht.
Am 31.3.2003 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Freiburg, das Regierungspräsidium Freiburg im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und der zuständigen Ausländerbehörde aufzugeben, ihm eine Duldung zu erteilen. Mit Beschluss vom 23.4.2003 hat das Verwaltungsgericht Freiburg dem Antrag stattgegeben und das Regierungspräsidium Freiburg im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers vorläufig auszusetzen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Mutter des Antragstellers auf Lebenshilfe angewiesen sei. Ob eine physische Hilfeleistung vom Antragsteller tatsächlich erbracht werde, bleibe zweifelhaft. Dies könne jedoch offen bleiben, da die Mutter nach allen ärztlichen Stellungnahmen auf die bloße Anwesenheit des Antragstellers in der Bundesrepublik als "psychische Stütze" angewiesen sei. Die Berufung auf eine familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem minderjährigen deutschen Kind begründe keinen Anordnungsanspruch, da die insoweit gemachten Ausführungen unsubstantiiert und nicht ausreichend glaubhaft gemacht seien.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Regierungspräsidiums Freiburg hat in dem im Tenor bestimmten Umfang Erfolg. Nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung steht einer Abschiebung des Antragstellers derzeit § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK entgegen. Allerdings sieht der Senat im Hinblick auf die gegenwärtigen Verhältnisse nach Lage der Akten keinen Anlass, die Abschiebung des Antragsteller ohne zeitliche Begrenzung auszusetzen. Vielmehr reicht die im Tenor festgelegte Frist aus, um den erforderlichen einstweiligen Rechtsschutz des Antragstellers sicherzustellen. Der Antragsteller ist im Hinblick auf seine vollziehbare Ausreisepflicht und die ausgesprochene - gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG wirksame - Ausweisung innerhalb dieses Zeitraums verpflichtet, alles zu tun, um seine Mutter auf seine notwendige und bevorstehende Ausreise vorzubereiten und durch geeignete Maßnahmen Vorsorge dafür zu treffen, dass diese in der erforderlichen Form psychisch - z.B. durch andere hier in Deutschland lebende Familienmitglieder - betreut werden kann. Hierzu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:
1. Nach der hier erforderlichen und hinreichenden summarischen Prüfung kann gegenwärtig vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ausgegangen werden. Denn nach dem Vortrag des Antragstellers ist es jedenfalls derzeit hinreichend wahrscheinlich, dass seiner Abschiebung ein rechtliches Abschiebungshindernis gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegensteht. Der Antragsteller trägt hierzu vor, dass seine Mutter dringend auf seine Hilfe angewiesen sei und im Falle seiner Abschiebung ihr Leben gefährdet sei. Dem ist im Ergebnis zu folgen.
Allerdings wird eine familiäre Gemeinschaft zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern regelmäßig als Begegnungsgemeinschaft geführt, die durch wiederholte Besuche, durch Brief- oder Telefonkontakte sowie durch Zuwendungen aufrecht erhalten werden kann. Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis ist in diesen Fällen im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG unbedenklich, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung der Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familienrechtlichen Schutz angezeigt erscheinen lassen. Weitergehende Schutzwirkungen ergeben sich aus Art. 6 Abs. 1 GG nur dann, wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, sodass dann die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Bedenken zurückdrängt. In diesen Fällen, aber auch nur dann, ist die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern aufenthaltsrechtlich ähnlich zu bewerten wie die Ehe eines deutschverheirateten Ausländers (BVerfG, Beschluss vom 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 -, BVerfGE 80, 81; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.2.1995  - 11 S 2954/94 -, NVwZ 1996, 115). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen grundsätzlich nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden kann. Vielmehr besteht eine Beistandsgemeinschaft prinzipiell solange, als ein Familienmitglied auf Lebenshilfe angewiesen ist und ein anderes Familienmitglied diese Hilfe tatsächlich regelmäßig erbringt (BVerfG, Beschluss vom 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 -, InfAuslR 1990, 74 = NJW 1990, 895; Beschluss vom 25.10.1995 - 2 BvR 901/95 -, DVBl 1996, 195). Das Bundesverfassungsgericht hat es dabei für die Begründung einer familiären Beistandsgemeinschaft als ausreichend angesehen, wenn nahe Angehörige lediglich einen Teil der notwendigen Pflege- und Unterstützungshandlungen abdeckten, die betreuungsbedürftige Person im Übrigen aber von Personen versorgt wurde oder hätte versorgt werden können, die außerhalb der Familie stehen (vgl. Beschlüsse vom 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 - und 25.10.1995 - 2 BvR 901/95 -, a.a.O.: Betreuung durch das Personal eines Kur- bzw. Wohnstifts). Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein betreuungsbedürftiges Familienmitglied ein uneingeschränktes "absolutes" Wahlrecht zwischen mehreren betreuungsfähigen nahen erwachsenen Angehörigen besitzt (so möglicherweise VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.7.1999 - 13 S 1101/99 -, InfAuslR 1999, 414 = VBlBW 1999, 468), was zur Folge hätte, dass nicht nur einwanderungspolitische Belange, sondern auch die von einzelnen Angehörigen ausgehenden ordnungsrechtlichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten. Vielmehr ist - ebenso wie bei deutschverheirateten Ausländern - das öffentliche Interesse an der Ausreise einzelner Familienmitglieder angemessen zur Geltung zu bringen und mit dem Auswahlinteresse der betreuungsbedürftigen Angehörigen und dem Verbleibeinteresse des "ausgewählten" Ausländers abzuwägen. Denn im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK ist - worauf ersichtlich auch das Bundesverfassungsgericht abstellt - in erster Linie entscheidend, dass der betreuungsbedürftigen Person - neben einer möglicherweise notwendigen Betreuung von außerhalb - bei Bedarf überhaupt eine familiäre Betreuung ermöglicht wird. Ob die Betreuung im Einzelnen von der "Wunschperson" geleistet werden kann, hängt von einer Gewichtung der rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Einzelfall ab. Dabei ist auch die durch § 1618 a BGB getroffene Wertung in den Blick zu nehmen, wonach Kinder den Eltern gegenüber grundsätzlich in gleichem Umfang und ohne Rangfolge Beistand und Rücksicht schuldig sind (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 12.12.1989 - 2 BvR 377/88 -). Stehen mehrere zur Betreuung fähige und verpflichtete erwachsene Kinder zur Verfügung, sind sie grundsätzlich alle zur gemeinsamen Betreuung berufen. Für den Fall, dass jedoch ein zur Betreuung verpflichtetes Kind aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausfällt, sind die übrigen gehalten, diesen Ausfall nach Möglichkeit durch entsprechende Vorkehrungen auszugleichen.
Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass jedenfalls gegenwärtig und auf begrenzte Zeit ein Anordnungsanspruch besteht, wobei an die Glaubhaftmachung des Anspruchs im Hinblick auf das gefährdete hohe Rechtsgut keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Aufgrund der summarischen Prüfung und der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen zum Gesundheitszustand der Mutter des Antragstellers ist zumindest vorübergehend davon auszugehen, dass eine Trennung des Antragstellers von der Mutter nach § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht möglich und zumutbar ist.
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Nach dem Vortrag des Antragstellers und den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ist wegen der darin enthaltenen widersprüchlichen Angaben zwar äußerst fraglich, ob die Mutter des Antragstellers tatsächlich auf Hilfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens angewiesen ist. Der Stellungnahme von Refugio Villingen-Schwenningen vom 4.9.2002 ist hierzu zu entnehmen, dass die Mutter aufgrund einer psychischen Störung in ihrer Alltagsbewältigung deutlich eingeschränkt und in jedem Fall intensiv auf Fremdhilfe angewiesen ist, ohne die sie wahrscheinlich schnell zu einem sozialen Pflegefall werden würde. Diese Schlussfolgerungen beruhen jedoch auf der - ersichtlich ungeprüften - Darstellung der Mutter bei ihrem Anamnesegespräch bzw. des Antragstellers bei seinem Fremdanamnesegespräch, anlässlich derer sie beide erklärten, die Mutter sei nicht in der Lage, den Haushalt allein zu führen; kochen, spülen und putzen müsse der Antragsteller, die Wäsche würden sie in eine Wäscherei bringen. Demgegenüber hat das Gesundheitsamt des Landratsamts L. in seiner Stellungnahme vom 13.9.2002 zur amtsärztlichen Begutachtung der Mutter des Antragstellers festgestellt, die unter anderem auch aufgrund eines Besuchs bei der Mutter in der Gemeinschaftsunterkunft erstellt wurde, die Mutter sei in Alltagssituationen weitgehend unauffällig und emotional relativ stabil. Das Gesundheitsamt kommt zu dem Ergebnis, dass für die Verrichtungen des täglichen Lebens unter geordneten Umständen (Aufenthalt in der jetzt vertrauten Wohnumgebung, Kontakt mit den Mitbewohnerinnen aus demselben Kulturkreis, Verfügbarkeit des Sohnes - nicht zur körperlichen Hilfestellung, sondern in der Gewissheit des Verbleibs in erreichbarer Nähe) die Anwesenheit des Antragstellers nicht erforderlich sei. Darüber hinaus ergibt sich aus den Angaben des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft, in welcher die Mutter des Antragstellers untergebracht ist, an die Ausländerbehörde (e-mail vom 18.9.2002), dass die Mutter körperlich durchaus in der Lage sein dürfte, sich selbst zu versorgen. Danach hat die Mutter des Antragstellers nämlich bis vor einem halben Jahr einer kinderreichen Familie bei Besorgungen im Haushalt auf Sozialgeldbasis geholfen. Zudem reinigt sie für Bürger des Ortes Teppiche gegen Entgelt auf dem Gelände der Unterkunft mit Seife, Waschpulver und Schrubber. Letzteres hat auch die Lebensgefährtin des Antragstellers in ihrer im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 6.7.2003 bestätigt; sie hat darüber hinaus angegeben, dass die Mutter auch Hausarbeiten verrichte, wenn es ihr gut gehe.
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Ungeachtet dessen ist allen Stellungnahmen jedoch die Kernaussage zu entnehmen, dass die Mutter psychisch labil wirkt bzw. ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich eine Trennung vom Antragsteller für diese suizidgefährdend auswirkt. Nach der Auskunft des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft in seiner e-mail vom 18.9.2002 hat die Mutter eine "panische Angst" vor einer Trennung von ihrem jüngsten Sohn, dem Antragsteller. Dies ergibt sich auch aus der ärztlichen Stellungnahme von Refugio Villingen-Schwenningen. Danach hatte die Mutter Angst vor einer Rückkehr in die Türkei und könne aufgrund ihrer Traumatisierung diese Gefahr für ihren Sohn nicht anders einschätzen als für sich selbst. Eine Abschiebung des Antragstellers führe bei ihr zu einer Retraumatisierung; Indiz hierfür sei insbesondere der Selbsttötungsversuch im September 2002, der auf die Nachricht der zwangsweisen Rückführung des Antragstellers erfolgt sei. Zwar ist der Beweiswert dieser Stellungnahme sehr eingeschränkt, da wie bereits oben aufgezeigt, der von der Mutter des Antragstellers vorgetragene Sachverhalt der ärztlichen Beurteilung ungeprüft zugrundegelegt worden sein dürfte und zudem bei der Mutter das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ohne weitere Prüfung bzw. Angabe der Quelle vorausgesetzt wurde (zu den insofern zu stellenden Anforderungen vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.7.2003 - 11 S 2622/02 -, VBlBW 2003, 482 = InfAuslR 2003, 422). Die Stellungnahme geht auch fälschlicherweise davon aus, dass der Mutter wegen belastenden traumatischen Gewalterlebnissen im Heimatland ein Abschiebehindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG zugesprochen worden sei (vgl. im Gegensatz hierzu VG Freiburg, Urteil vom 17.1.2001 - A 6 K 12269/97 -). Gleichwohl kann die getroffene Feststellung, dass die Abschiebung des Antragstellers zu einer lebensbedrohlichen Lage der Mutter führen kann, im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht von der Hand gewiesen werden. Denn auch das Gesundheitsamt des Landratsamts L. hat in seiner Stellungnahme vom 13.9.2002 bestätigt, dass in Belastungssituationen, z.B. bei einer Abschiebung des Antragstellers, mit einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, möglicherweise mit Suizidalität der Mutter zu rechnen sei. Aufgrund dieser Erkenntnislage und des Umstands, dass die Mutter - nach Ablehnung der Anträge des Antragstellers im März 2003 auf Erteilung einer weiteren Duldung - am 1.4.2003 erneut erfolglos versucht hat, sich das Leben zu nehmen, ist vorläufig davon auszugehen, dass die Mutter derzeit auf die Anwesenheit des Antragstellers als "psychische Stütze" angewiesen ist. Auch eine solche Art der psychischen Lebenshilfe kann - wie hier - bei gravierenden, lebens- und gesundheitsbedrohenden Situationen für die Annahme einer Beistandsgemeinschaft ausreichend sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.7.1999 - 13 S 1101/99 -, Inf-AuslR 1999, 414 = VBlBW 1999, 468). Die sich nach den Stellungnahmen abzeichnende erhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Mutter durch eine räumliche Trennung vom Antragsteller infolge einer Abschiebung in sein Heimatland geht nämlich über die im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG gegebenenfalls noch hinnehmbaren allgemeinen negativen psychischen Reaktionen eines Familienangehörigen hinaus (vgl. hierzu OVG Weimar, Beschluss vom 15.11.2002 - 3 EO 438/02 -, InfAuslR 2003, 144). Im Hinblick auf die Gefährdung des hohen Schutzguts des Lebens der Mutter ist es gerechtfertigt, demgegenüber die im öffentlichen Interesse stehende Abschiebung des Antragstellers vorerst zurückzustellen.
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2. Zur Gewährung des deswegen erforderlichen effektiven einstweiligen Rechtsschutzes reicht nach gegenwärtiger Einschätzung aber eine Frist von sechs Monaten aus. Zu bedenken ist, dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nur Grundlage einer vorläufigen Einschätzung sein können, weil sie bereits im September 2002 erstellt worden sind und damit zum Zeitpunkt dieser Entscheidung schon weit über ein Jahr zurückliegen. Darüber hinaus enthalten die Bescheinigungen keine genauen Angaben zum Krankheitsbild und zu Art und Umfang einer Behandlungsbedürftigkeit der Mutter. Zudem ist ungeklärt, ob der Antragsteller eine psychische Unterstützung seiner Mutter über einen längeren Zeitraum alleine gewährleisten kann. In diesem Zusammenhang bleibt insbesondere offen, ob letztlich die Anwesenheit des Antragstellers in Deutschland allein ausschlaggebend und ausreichend ist, um eine Selbstgefährdung der Mutter zu verhindern. Zwar stand der Suizidversuch der Mutter im September 2002 wohl im Zusammenhang mit der Vorführung des Antragstellers zwecks Passbeschaffung beim türkischen Konsulat und damit im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Abschiebung. Auch der Suizidversuch am 1.4.2003 erfolgte im Anschluss an eine Ablehnung der Anträge des Antragstellers auf Duldung. Zweifel an einem zwingenden Zusammenhang zwischen der Selbsttötungsabsicht der Mutter und der Abschiebung des Antragstellers ergeben sich jedoch aus den Angaben der Lebensgefährtin des Antragstellers in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 6.3.2003. Sie erklärte dort, es sei nicht richtig, dass die Mutter des Antragstellers nur in extremen Belastungssituationen an Selbstmord denke und dies auch in die Tat umsetzen wolle. Die Mutter habe nämlich einmal in ihrem Beisein auch zu einem Zeitpunkt, als von Abschiebung "noch nicht die Rede" gewesen sei, versucht, sich mit einem Messer die Pulsadern aufzuschneiden. Legt man diese Angaben zugrunde, wäre die Mutter letztlich nur dann vor sich selbst zu schützen, wenn rund um die Uhr eine Betreuung für sie gewährleistet wäre. Sie bedürfte dann wohl dringend einer entsprechenden psychischen Behandlung. Inwieweit es dabei speziell auf eine Anwesenheit des Antragstellers in der Nähe der Mutter ankäme, wäre dann fraglich.
13 
Des Weiteren darf nach Vorstehendem nicht außer Betracht bleiben, dass außer dem Antragsteller weitere nahe Familienangehörige der Mutter in Deutschland leben. Davon dass diese Angehörigen von vornherein ungeeignet wären, die Mutter psychisch zu stabilisieren, kann nach Lage der Dinge nicht ausgegangen werden. Die Mutter muss sich daher darauf verweisen lassen, sich an diese Angehörigen zu wenden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Ein "absolutes" Wahlrecht, sich gerade des Antragstellers als Beistands zu bedienen, steht ihr nicht ohne weiteres zu. Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nicht nur aufgrund der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylgesuchs vollziehbar ausreisepflichtig ist, sondern auch wegen Straftaten wirksam ausgewiesen wurde und daher auch aus Gründen der Gefahrenabwehr verpflichtet ist, Deutschland zu verlassen. Die Angaben der Mutter des Antragstellers bei ihrem Anamnesegespräch im Rahmen der Untersuchung bei Refugio Villingen-Schwenningen führen nicht dazu, dass eine Betreuung der Mutter nicht auch durch andere Familienangehörige in Betracht käme. Zwar erklärte die Mutter, der Antragsteller sei das einzige Kind, das ihr geblieben sei. Jedoch ergibt sich sowohl aus ihrer Anhörung im Rahmen der Prüfung ihres Asylantrags vor dem Bundesamt am 17.10.1997 als auch aus der e-mail des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft vom 18.9.2002 an die Ausländerbehörde, dass jedenfalls eine ihrer Töchter mit Familie in bzw. bei Stuttgart wohnt. Die Mutter hat zudem selbst erklärt, sie habe noch zwei hier lebende Schwestern, die Familie hätten. Soweit sie weiter ausführte, sie könne bei den Schwestern nicht leben, da durch den "Lärm" der kleineren Kinder bei ihr sofort die alten schrecklichen Erinnerungen/Bilder wieder hochkämen, hält der Senat dies für nicht überzeugend. Denn diese Angabe steht im Widerspruch zu der Auskunft des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft in der e-mail vom 18.9.2002 an die Ausländerbehörde, nach welcher die Mutter öfter Kinder von arbeitenden Müttern betreute, sich somit also freiwillig dem "Lärm" anderer Kinder aussetzt.
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Aus alldem folgt zusammenfassend, dass dem Antragsteller zur Zeit eine Trennung von seiner Mutter wegen deren psychischer Verfassung nicht zumutbar erscheint. Ihm ist daher zur Regelung der Angelegenheiten der Mutter, wozu nach seinem Vortrag insbesondere ihre notwendige Betreuung zählt, und daneben zur Einleitung einer - möglicherweise - erforderlichen Behandlung der Mutter, eine Duldung befristet auf sechs Monate zu erteilen, nachdem der zuletzt gestellte Antrag auf Erteilung einer Duldung durch Bescheid vom 27.3.2003 ersichtlich noch nicht unanfechtbar abgelehnt wurde. Während dieser Zeit hat der Antragsteller ausreichend Gelegenheit, seine Mutter auf seine - im Hinblick auf die vollziehbare Ausreisepflicht nach Abschluss des Asylverfahrens und seine Ausweisung - notwendige und bevorstehende Ausreise aus Deutschland vorzubereiten und die Betreuung nach Möglichkeit auf andere Angehörige zu verlagern.
15 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
17 
Die Änderung und Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3 sowie § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Streitwert ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen mit der Hälfte des Auffangstreitwerts gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (also 2.000 EUR) zu bemessen, wenn der Ausländer im Bundesgebiet lediglich geduldet wurde und die Erteilung einer weiteren Duldung abgelehnt wurde.
18 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen. Die §§ 297 bis 300 und § 302 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden.

(3) Soweit gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Über den Antrag auf Eröffnung des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr und der Auslagen für die öffentliche Bekanntmachung entschieden werden.

Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden

1.
in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 1. Juli 2004 anhängig geworden sind; dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist;
2.
in Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem 1. Juli 2004 rechtskräftig geworden ist;
3.
in Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung für Kosten, die vor dem 1. Juli 2004 fällig geworden sind.