Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 30. Okt. 2017 - W 8 K 17.32061

bei uns veröffentlicht am30.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 10. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Juni 2016 einen Asylantrag. Zur Begründung seines Asylantrags gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe im Jahr 2012 im Iran eine Frau (die Klägerin des Verfahrens W 8 K 17.31240) kennengelernt und heiraten wollen. Der Bruder der Frau sei dagegen gewesen, weil er seine Schwester mit jemand anders habe verheiraten wollen. Der Bruder habe die Frau bedroht und tätlich angegriffen. Er habe auch gedroht, den Kläger umzubringen. Er habe ihn mit dem Auto angefahren. Er habe zusammen mit der Frau in Deutschland ein gemeinsames Kind.

Mit Bescheid vom 27. April 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung in den Iran oder einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, subsidiärer Schutz sei nicht zu gewähren, da interner Schutz im Heimatland möglich sei. Eine endgültige Vermeidung der Gefahrenlage wäre in jeder Großstadt im Iran möglich. Der Kläger fürchte allein den Bruder seiner Lebensgefährtin. Dieser sei Lkw-Fahrer und könne als Privatperson nicht über die Macht und Möglichkeiten verfügen, überall im Iran den Kläger aufzuspüren, um seine Drohungen gegen ihn wahrzumachen.

Am 15. Mai 2017 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2017 (Az.: …*) wird aufgehoben.

  • 2.Die Bundesrepublik Deutschland wird verpflichtet,

dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen;

hilfsweise, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen;

hilfsweise die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verkürzen.

Zur Begründung ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Juli 2017 im Wesentlichen ausführen: Er sei als Flüchtling anzuerkennen, weil er sich vom Islam losgesagt habe und ihm deshalb im Iran die Todesstrafe drohe. Er habe sich ebenso wie seine Lebensgefährtin vom islamischen Glauben vollständig losgesagt. Hierzu werde eine eidesstattliche Versicherung als Anlage vorgelegt. Außerdem sei der Kläger Mitglied des Zentralrats der Ex-Muslime geworden. Der Kläger habe sich aufgrund seiner erlittenen Unterdrückung sowie der Unterdrückung seiner Lebensgefährtin, die er im Iran nicht habe heiraten können, nachhaltig von den islamischen Glaubensvorstellungen aus innerer Überzeugung entfernt, diese Distanz in seinem täglichen Leben praktiziert und ihm sei aus diesem Grund eine Rückkehr in den Iran nicht zuzumuten. Dies sei auch nach außen erkennbar, weil der Kläger unter keinen Umständen gezwungen werden möchte, an islamischen religiösen Riten teilzunehmen bzw. sich dem islamischen Lebensstil unterzuordnen. Ihr gemeinsamer Sohn sei nicht beschnitten worden. Auf die eidesstattliche Versicherung vom 1. Juni 2017 wird verwiesen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30. Mai 2017,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. Mai 2017 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

In der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2017 wiederholte der Klägerbevollmächtigte den Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 15. Mai 2017. Das Gericht hörte den Kläger – ebenso wie seine Lebensgefährtin, die Klägerin des Verfahrens W 8 K 17.31240 – informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakte (einschließlich der Akten der Lebensgefährtin im Verfahren W 8 K 17.31240) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg über die Balkan-Route und damit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).

Das Gericht ist im Übrigen insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.

Dem Kläger drohte nach seinem bisherigen Vorbringen insbesondere keine staatliche Verfolgung seitens der iranischen Behörden. Vielmehr verwies er nur auf die Übergriffe und Drohungen des Bruders seiner Lebensgefährtin. Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2017 erklärte, im Iran sei eine Anzeige gegen ihn erstattet worden mit dem Vorwurf, er habe seine Lebensgefährtin entführt, nach ihm würde staatlicherseits gefahndet, hält das Gericht dieses neue Vorbringen für unsubstanziiert und letztlich unglaubhaft. Über die schlichte Behauptung einer Strafanzeige hinaus wurden von Klägerseite keine näheren Erklärungen dazu abgegeben, insbesondere erfolgte von der Klägerseite keine substanziierten Aussage dazu, ob und inwiefern tatsächlich staatliche Verfolgungshandlungen gegen den Kläger eingeleitet worden sind.

Der Kläger stützt seine Verfolgungsfurcht insoweit nur auf Vermutungen und Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben des Klägers zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlen. Zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere zu irgendwelchen schriftlichen Unterlagen bzw. Vorladungen oder auch nur Nachfragen staatlicher Organe bei seiner Familie hat der Kläger keine näheren Angaben gemacht, obwohl er nach eigenem Bekunden in Kontakt mit seiner Familie steht. Der Kläger hat nicht von sich aus von weiteren, insbesondere auch aktuellen Verfolgungsmaßnahmen berichtet, geschweige denn von konkreten schriftlichen Dokumenten, die er auch dem Gericht hätte vorlegen können. Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht aus eigenem Antrieb gegebenenfalls weitere konkretere Erkundigungen eingezogen hat, die auf einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfolgungsgefahr für ihn hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird – und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet –, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung hat der Kläger nichts Substanzielles vorgetragen. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass gegen den Kläger überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.

Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten droht. Die als Nachfluchtgründe geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten bewegen sich insgesamt betrachtet noch auf einem sehr niedrigen oppositionellen Niveau, so dass nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in Deutschland derart nach Außen in Erscheinung getreten ist, dass er zum einen durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welche auf die Verhältnisse im Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist und dass zum anderen wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen beobachten iranische Stellen genau die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. als Redner, Verantwortlicher oder in leitender Funktion) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter vom Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückkehr mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Normale Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen können bei späteren Besuchen im Iran seitens der Sicherheitsdienste befragt werden, wenn ihre Aktivitäten bekannt sind. Im Fokus stehen vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das politische System empfunden werden und die islamischen Grundsätze in Frage stellen. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 24.2.2015, Stand: September 2014 sowie vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017).

Auch nach der Rechtsprechung ist – gerade angesichts der großen Anzahl regimekritisch aktiver Exiliraner – maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die den Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 14 ZB 10.30114 – Asylmagazin 2011, 17). Demgegenüber ist eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur anzunehmen, wenn der iranische Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; B.v. 17.10.2009 – 14 ZB 09.30257 – juris). Selbst für linksextreme Gruppen und deren Unterstützer ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer politischen Verfolgung nur auszugehen, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und durch die von ihr entfalteten Aktivitäten aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit exponiert haben (OVG Bremen vom 8.11.2010 – 2 A 209/08.A – juris). Dafür reichen Aktivitäten als Demonstrationsteilnehmer nicht aus (SächsOVG, U.v. 9.7.2008 – A 2 B 296/07, Entscheidungen Asyl 9/2008, S. 3). Untergeordnete exilpolitische Aktivitäten führen nicht zu asyl- und abschiebungsrelevanten Repressalien im Iran (OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris). Regimekritische Veröffentlichungen im Internet und sonstigen Medien können ausnahmsweise eine Verfolgungsgefahr begründen, wenn damit zu rechnen ist, dass sie den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden und der Betreffende als überzeugter und besonders aktiver Regimegegner erscheint, der aus Sicht der iranischen Behörden wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für den islamischen Staat nachhaltig zu bekämpfen ist (HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4). Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, dass den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitischen Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates besteht (vgl. OVG NRW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris; HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).

Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betroffenen nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen, oder nicht. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 20.6.2017 – 14 ZB 17.30370 – nicht veröffentlicht; B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 25.1.2013 – 14 ZB 12.30326 – juris; B.v. 15.1.2013 – 14 ZB 12.30220 – juris; B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris sowie etwa VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – Beck-Online, BeckRS 2013, 45668).

Ausgehend von der Rechtsprechung, die auf der aktuellen Erkenntnislage beruht, begründen die vom Kläger geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten unter Würdigung der Gesamtumstände seines Falles keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr. Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nicht in einer exponierten Weise exilpolitisch engagiert, die ihn aus dem Kreis der standardmäßigen exilpolitischen Aktiven heraushebt und dem iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates bestehen würde.

Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger nach derzeitiger Auskunftslage aufgrund des Gesamtbildes seiner exilpolitischen Tätigkeiten keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Zu erwähnen ist schon, dass der Kläger lediglich angab er sei Mitglied des Zentralrats der Ex-Muslime, um zu dokumentieren, dass er weg sei vom Islam. Er kenne andere Mitglieder und sie tauschten sich aus. Aber er habe wegen seines Kindes (Schule usw.) keine Zeit für weitere Aktivitäten in dieser Vereinigung.

Die demnach insgesamt äußerst dürftigen Aktivitäten des Klägers (passive Mitgliedschaft, interner Meinungsaustausch) rechtfertigen nicht die Annahme einer begründeten Verfolgungswahrscheinlichkeit, weil selbst die Teilnahme an einzelnen Parteiveranstaltungen nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ausreicht. Es ist schon nicht ersichtlich, wie die sehr geringen Aktivitäten des Klägers in Deutschland den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden sollten. Zudem scheinen die politischen Aktivitäten des Klägers nicht geeignet, auf die Verhältnisse im Iran ernsthaft einzuwirken und aus der Sicht des iranischen Staates eine Gefahr zu begründen. Nach der vorliegenden Auskunftslage ist es unrealistisch anzunehmen, dass jegliche regimekritische Aktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu persönlichen Konsequenzen führt. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind und darüber hinaus ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.

Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Kläger – als Atheist – Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime ist.

Voraussetzungen für die Annahme einer relevanten Verfolgungsgefahr wäre bezogen auf den Zentralrat der Ex-Muslime, dass die iranischen Behörden von der Mitgliedschaft des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime Kenntnis erlangen und weiter auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an dem der Betreffende im Fall einer Rückkehr in den Iran festhalten und nach außen kundtun würde (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Beim Zentralrat der Ex-Muslime handelt es sich um eine reine Exilorganisation, so dass es auf dessen Tätigkeit die Maßstäbe der Verfolgung bei exiloppositioneller Tätigkeit anwendbar sind. Der Zentralrat der Ex-Muslime verfolgt hauptsächlich politische Ziele, wenn er auch einen religiösen Hintergrund hat. Auch wenn es sich beim Zentralrat der Ex-Muslime nicht um eine politische Partei handelt und es auch um das Recht des Einzelnen geht, eine Religion zu haben oder nicht, so ist der Zentralrat der Ex-Muslime doch ein über Deutschland hinaus europaweit fungierende Interessenvertretung gerade der Menschen, die sich vom Islam abgewandt haben. Zudem geht es nach Überzeugung des Gerichts dem Zentralrat der Ex-Muslime nicht um eine Verbundenheit aufgrund einer gemeinsamen Religionsausübung oder Weltanschauung. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Mitglieder schwerpunktmäßig einer atheistischen Weltanschauung anhängen, ohne schon einer anderen Religion zuzugehören. Die Gemeinsamkeit der Mitglieder der Ex-Muslime liegt darin, sich vom Islam mehr oder weniger endgültig abgewandt zu haben, nicht jedoch gemeinsam sich einer Religion oder Weltanschauung verbunden zu fühlen und diese gemeinsam nach außen zu leben (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Die Aktivitäten des Klägers für den Zentralrat der Ex-Muslime bewegen sich, wie bereits ausgeführt, auf einem sehr niedrigen exilpolitischen Niveau. Der Stellenwert des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime ist nicht mit dem der Vorsitzenden des Zentralrats, die nach Überzeugung des Gerichts bedroht und über die im iranischen Fernsehen berichtet wird, zu vergleichen (vgl. BayVGH, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris). Vielmehr bleibt seine Funktion als rein passives Mitglied – auch für den iranischen Staat offenkundig und erkennbar – deutlich hinter der der Vorsitzenden zurück.

Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass die iranischen Behörden aufgrund der atheistischen Weltanschauung des Klägers Maßnahmen gegen diesen ergreifen würden. Erforderlich ist ein Glaubenswechsel, wonach sich der Kläger verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Erst dann wäre die Gefahr damit verbunden als Konvertit und Apostat erkannt zu werden. Erforderlich wäre beim Kläger ein zwingendes Bedürfnis, ein religiöses oder auch atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333; VG Regensburg, U.v. 21.8.2012 – RO 4 K 12.30081). Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass ein Glaubenswechsel derart stattgefunden hat, dass er sich verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam oder seine jetzige Weltanschauung als Atheist öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Der Kläger hat nicht vorgebracht, ein ihn dauerhaft prägendes, zwingendes Bedürfnis zu haben, sein religiöses oder atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen. Der Kläger erklärte zu seinen Beweggründen, er habe keine Lust auf Religion. Er kenne eigentlich nur den Islam, andere Religionen kenne er nicht. Er wolle nicht, dass seine Ehe durch einen Mullah geschlossen werde. Er verwies darauf, dass der Islam einerseits zu einem strengen Glauben auffordere und andererseits Auswüchse wie die Vergewaltigung von Kindern und auch sonstige Straftaten zulasse. Auf Frage des Gerichts, welche Regeln für ihn nun gälten, antwortete der Kläger, als Alternative sollten die Leute gesund leben, nicht lügen und nicht stehlen. Auf weitere Frage des Gerichts, was der Kläger glaube, was mit den Menschen nach dem Tod passiere, erklärt der Kläger: Dies wisse er nicht, er habe keinen Plan. Er habe noch nie von einem gehört, der nach dem Tod zurückgekehrt sei. Wenn jemand sterbe, dann sterbe er. Weiter erklärt der Kläger ausdrücklich er glaube an Gott. Er wisse nicht, was Gott mit ihm nach dem Tod mache. Er wisse nicht, was Gott tue. Gott sei der Schöpfer. Er habe das Leben geschaffen. Jeder habe seinen Glauben, seinen Gott im Herzen. Wenn es Probleme gebe, dann bitte man Gott um Hilfe. Sie hätten ihr Kind bewusst nicht beschneiden lassen. Das Kind solle später selbst entscheiden, was es glauben wolle.

Dem Gericht drängt sich mit diesen eher dürftigen Aussagen der Eindruck auf, der Kläger habe sich zwar von den Praktiken des Islam, wie sie im Iran im Alltag konkret vorherrschten, lösen wollen, sich aber nicht nachhaltig und intensiv mit Glaubensfragen beschäftigt, geschweige denn sich endgültig vom Islam in jeder Form abgewandt und sich stattdessen mit seinem neuen Glauben intensiv auseinandergesetzt. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass sich die Loslösung vom Islam nach außen so manifestiert hat, dass sich der Betreffende nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernstlich und endgültig vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. dazu auch HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1398/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Allein die passive Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime genügt nicht. Das Auswärtige Amt hat in einer Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Daran fehlt es.

Das Gericht konnte sich insgesamt nicht davon überzeugen, dass eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er in Deutschland seine Lebensführung an grundlegenden religiösen Geboten seinen jetzigen Glaubensvorstellungen ausgerichtet hat. Vielmehr verwies er auf nachteilige Auswirkungen des Islams im Alltag. Gründe für eine echte, die Persönlichkeit prägende Gewissensentscheidung für einen Abfall vom Islam konnte er zur Überzeugung des Gerichts aber nicht glaubhaft machen. Vielmehr erscheinen soziale und persönliche Gründe nicht religiöser Art vorzuwiegen. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass seine gewandelte Glaubensvorstellung den Kläger derart prägt, dass es für ihn verpflichtendes Bedürfnis ist, dies auch nach außen kundzutun und sein Leben danach auszurichten, so dass er bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran gefährdet wäre, deshalb verfolgt zu werden. Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen und beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran bringen könnte.

Des Weiteren hat das Gericht durchgreifende Zweifel, dass die iranischen Behörden allein aus der Mitgliedschaft des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime und seinen vorgetragenen Aktivitäten auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an denen der Betreffende auch im Fall einer Rückkehr in den Iran festhalte und dies auch kundtun würde. Anhaltspunkte hierfür liegen angesichts der realistischen Einschätzung der iranischen Behörden, dass Exilorganisationen häufig, wenn nicht vorwiegend dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen, nicht vor (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Im Übrigen hat die Vorsitzende des Zentralrat der Ex-Muslime in einer mündlichen Verhandlung am 4. Januar 2012 (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris) selbst keinen einzigen Fall nennen können, in dem zurückgekehrte Mitglieder des Zentralrat der Ex-Muslime im Iran verfolgt worden sind. Selbst wenn im Iran nach der Scharia bzw. dem iranischen Strafrecht formal ein Fall der Apostasie vorliegen mag, ist weiterhin nicht ersichtlich, dass die iranischen Behörden in ihrer Rechtspraxis auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an dem der Betreffende auch bei einer Rückkehr festhalten wollte. Nach den vorliegenden Erkenntnissen (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: September 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016) sind vornehmlich missionierende Konvertiten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, insbesondere evangelikale Christen. Zwar kann Apostasie mit der Todesstrafe bestraft werden, Nicht-Muslime dürfen ihrer religiösen Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken. Im Iran Konvertierte nehmen indes von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten nach außen ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zudem zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin und wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hierfür den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 49 ff.). Letzteres verhindert erst recht eine Verfolgung.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zudem ausdrücklich ausgesprochen, dass der Zentralrat der Ex-Muslime nicht als (atheistische) Glaubensgemeinschaft anzusehen ist. Die Mitgliedschaft in diesem Verein ist nicht identisch mit einem wirklich stattgefundenen Glaubenswechsel. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Rückschluss iranischer Stellen von der Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime auf einen ernsthaften Abfall vom Islam und bei Rückkehr in den Iran auf konsequentes Festhalten und auf das nach außen Kundtun. Auch im Zusammenhang mit dem Zentralrat der Ex-Muslime bleibt es bei der Feststellung, dass eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur angenommen werden kann, wenn die iranischen Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervorgetreten ist und sein Gesamtverhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt. Eine Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime rechtfertigt keine andere Beurteilung als sonstige exilpolitische Aktivitäten (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris; vgl. auch VGH, B.v. 20.6.2017 – 14 ZB 17.30370 – nicht veröffentlicht).

Selbst wenn eine mögliche Verfolgung des Klägers bei einer potenziellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran, da nicht davon auszugehen ist, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind oder werden und zusätzlich ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.

Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG NRW, B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).

Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts auch des Weiteren keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil er eine Beziehung zu einer nicht verheirateten Frau und mit dieser ein uneheliches Kind hat, das er nicht hat beschneiden lassen.

Vorliegend ist weiter nicht ersichtlich, dass in der Person des Klägers bei einer theoretischen Strafverfolgung Anhaltspunkte für einen Malus infolge der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorlägen. Der Kläger würde im Prinzip nicht anders bestraft als andere iranische Straftäter bzw. Straftäterinnen in vergleichbarer Lage, wenn der iranische Staat überhaupt die uneheliche Beziehungen bzw. die uneheliche Vaterschaft bekannt werden sollte.

Dem Kläger droht insoweit keine flüchtlingsrelevante politische Verfolgung, weil sich bei dem von ihm vorgebrachten außerehelichen Beziehung jedenfalls um keinen Anknüpfungspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung handelt. Eine Strafverfolgung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, knüpft insoweit nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an. Vielmehr handelt es sich um repressive Maßnahmen bzw. um eine strafrechtliche Verfolgung wegen eines allgemeinen Straftatbestandes im Iran ohne politische Bedeutung (vgl. NdsOVG, U.v. 24.10.2001 – 5 LB 448/01 – juris; BayVGH, B.v. 28.4.1998 – 19 ZB 98.31801 – juris; U.v. 11.11.1992 – 19 BZ 92.31853 – Streit 1994, 85). Zwar widersprechen die für den außerehelichen Geschlechtsverkehr zu verhängenden Strafen, wie Auspeitschung, Steinigung und Todesstrafe, den hiesigen Moralgrundsätzen und Anforderungen an eine rechtsstaatliche und menschliche Judikatur und Gesellschaft. Die maßgeblichen Vorschriften des islamischen und iranischen Rechts bezwecken indessen die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Sie knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten an und folgen einer jahrhundertalten Tradition islamischen Rechts, das noch auf weitere ältere Rechtsquellen aufbaut. Insofern fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der iranische Staat diesen Vorschriften, die nicht vom gegenwärtigen iranischen Regime eingeführt wurden, allgemein in flüchtlingsrelevanter Weise eine politische Gesinnung oder Betätigung ahnden will (sog. Politmalus). Zudem knüpfen diese Strafvorschriften nicht an die eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaften an (vgl. auch VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2010 – 2 K 1802/09.A – juris; U.v. 2.5.2006 – 2 K 37/06.A – juris; U.v. 15.10.2003 – 5 K 6938/01.A; VG Karlsruhe, U.v. 18.5.2006 – A 6 K 12318/04 – AuAS 2006, 238; VG Würzburg, U.v. 9.10.2002 – W 7 K 02.30595 – juris).

Denn das Flüchtlingsrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden, auch massiven Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben. Aus dem Akt der Strafverfolgung kann nicht geschlossen werden, dass eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts vorliegt. Dem grundsätzlich legitimen staatlichen Rechtsgüterschutz dienende Maßnahmen, wie die Ahndung krimineller Taten ohne politischen Bezug, führen nicht zur Annahme einer politisch motivierten Verfolgung. Solche Maßnahmen können nur dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen ließen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Bestrafung erleiden würde (vgl. NdsOVG, U.v. 31.5.2016 – 11 LB 53/15 – Asylmagazin 2016, 217; HessVGH, B.v. 27.1.2014 – 3 A 917/13.Z.A – AuAS 2014, 80; vgl. auch BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – NVwZ 2013, 500; B.v. 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 – NVwZ 2009, 1035).

Die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die dem Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, stellt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. etwa – bezogen auf Wehrpflicht und die Wehrdienstentziehung – BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 m.w.N. sowie etwa VG Augsburg, U.v. 27.11.2006 – Au 7 K 05.30480 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2005 – 2 K 1497/04.A – juris). Für die Annahme eines Umschlagens eventueller Strafverfolgungsmaßnahmen in eine politische Verfolgung ist im Fall des Klägers nichts ersichtlich. Daraus kann daher auch kein Abschiebungshindernis resultieren.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass den Kläger bei einer möglichen Ahndung auch deshalb keine gravierende Strafe treffen müsste, weil abgesehen von den gegebenenfalls anzunehmenden Beweisschwierigkeiten, der Umstand der Geburt eines nicht ehelichen Kindes kein ausreichender Beweis ist (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Kassel vom 25.11.2013, Auskunft an das VG Regensburg vom 19.11.2014). Des Weiteren können selbst eventuell verhängte Strafen, etwa Peitschenhiebe, auch in eine Geldstrafe umgewandelt bzw. abgekauft werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 15; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 9.2.2015; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 70). Die Umwandlung von Peitschenstrafen in Geldstrafen oder in Geldbußen ist im Iran ziemlich häufig (vgl. GIGA, Auskunft an das VG Bremen vom 29.5.2007), so dass nach der konkreten Rechtspraxis im Iran nicht unbedingt wahrscheinlich ist, dass der Betreffende eine grausame oder unmenschliche Bestrafung tatsächlich erleidet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris).

Auch wenn eine mögliche Verfolgung des Klägers bzw. eine ernsthafte Gefahr bei einer potentiellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung oder einer Gefährdung durch staatliche Stellen, zumal der Kläger die Möglichkeit hat, sein Kind sowie gegebenenfalls eine Eheschließung in Deutschland zu legalisieren, wie später noch ausgeführt wird.

Des Weiteren droht dem Kläger auch keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr seitens des Bruders seiner Lebensgefährtin bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil für ihn eine zumutbare inländische Fluchtalternative besteht (vgl. § 3e AsylG), wie auch schon die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. Für den Kläger, sein Kind und seine Lebensgefährtin besteht im Iran eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative; der Kläger kann mit seinem Kind und seiner Lebensgefährtin nach Teheran oder einer anderen Großstadt im Iran ausweichen. Der Kläger muss sich auf einen interne Schutzmöglichkeit in seinem Herkunftsland verweisen lassen.

Soweit von Klägerseite vorgebracht wird, dass wegen fehlender Dokumente ein möglicher Aufenthalt in einer gemeinsamen Unterkunft scheitern könnte, hält das Gericht dies nicht für ein dauerhaftes Hindernis. Vielmehr ist dem Kläger – ebenso seiner Lebensgefährtin – zumutbar, sich die notwendigen Dokumente zu besorgen, die sie gegebenenfalls für eine Eheschließung hier in Deutschland benötigen oder um eine Geburtsurkunde für das Kind zu erlangen. Der Kläger hat ebenso wie seine Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekundet, heiraten zu wollen. Abgelehnt wurde nur eine religiöse Eheschließung vor dem Imam. Dem Gericht leuchtet nicht ein, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, etwa ein gültiges Shenasnameh (Geburtsurkunde/Personalausweis) bzw. sonstigen Pass über die iranische Botschaft besorgen zu können. Dem Kläger ist es zumutbar, zur iranischen Botschaft zu gehen und die notwendigen Dokumente zu besorgen und damit die weiteren Formalitäten zu erledigen. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Kläger selbst bei einem Kontakt mit der iranischen Botschaft eine zwangsweise Abschiebung aus Deutschland nicht fürchten müsste, weil der iranische Staat grundsätzlich lediglich freiwillige Rückkehrer akzeptiert und nur im Falle freiwilliger Rückkehrer kooperiert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 5 und S. 16). Mit den notwendigen Nachweisen, wie Eheurkunde und Geburtsurkunde, würde das Kind dann auch im Iran nicht als unehelich angesehen werden (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Greifswald vom 28.11.2016).

Unter dem Vorzeichen der ohnehin erforderlichen Legalisierung vor einer Rückkehr in den Iran könnte sich der Kläger (mit seinem Kind und seiner Lebensgefährtin bzw. dann seiner Ehefrau) im Iran legal niederlassen, ohne dass der Bruder der Lebensgefährtin herausfinden müsste, wo er sich aufhält. Angesichts der Größe des Irans und der Größe der iranischen Städte, insbesondere Teherans, und der Stellung des Bruders der Lebensgefährtin als Berufskraftfahrer hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger befürchten müsste, vom Bruder entdeckt und gefährdet zu werden.

Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 25 Anhörung


(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über W

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Klägerin, iranische Staatsangehörige, reiste nach eigenen Angaben am 10. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Juni 2016 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab die Klägerin im Wesentlichen an, ihr Bruder sei gegen ihre Beziehung zu ihrem Lebensgefährten (dem Kläger des Verfahrens W 8 K 17.32061) gewesen und habe sie mit einem anderen Mann zwangsweise verheiraten wollen. Der Bruder habe sowohl sie als auch ihren Lebensgefährten bedroht und tätlich angegriffen.

Mit Bescheid vom 13. März 2017 erkannte das Bundesamt für ... (Bundesamt) der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung in den Iran oder in einen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nicht glaubhaft machen können, dass die Verfolgungshandlung ihres Bruders der Wahrheit entspräche. Sie habe sich in Widersprüche verwickelt. Die Klägerin hätte mit ihrem Partner im Iran wegziehen können. Sie hätte auch versuchen können, sich an die örtlichen Sicherheitskräfte zu wenden.

Am 20. März 2017 erhob die Klägerin Klage zur Niederschrift mit folgenden Anträgen:

1. Der Bescheid des Bundesamtes für ... vom 13. März 2017 (Az.: …*) wird aufgehoben.

2. Die Bundesrepublik Deutschland wird verpflichtet,

der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen;

hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen;

hilfsweise die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verkürzen.

Zur Klagebegründung ließ die Klägerin durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 20. April 2017 im Wesentlichen ausführen: Die Klägerin sei vom Islam abgefallen. Darauf stehe die Todesstrafe im Iran. Den Abfall vom Islam habe sie durch die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach außen hin vollzogen. Die Gründe habe sie in der eidesstattlichen Versicherung nachvollziehbar dargelegt. Die Verfolgung und Unterdrückung innerhalb der Familie sei mit Verweis auf den Islam gerechtfertigt worden und Praktiken der Zwangsheirat sowie der Unterdrückung der Frauen würden vom iranischen Staat auch unter Verweis auf den Islam geduldet und sogar gefördert. Die Klägerin habe sich vom Islam entfremdet und mit dem Islam komplett gebrochen. Dies gelte auch für das Kind der Klägerin. Sie hätten es nicht beschneiden lassen. Die negative Religionsfreiheit sei verletzt. Der Klägerin drohe auch geschlechtsspezifische Verfolgung. Die Klägerin lehne es ab, ein Kopftuch zu tragen. Sie sei auch nicht nach moslemischem Ritus verheiratet. Das gemeinsame Kind sei kein Moslem. Die Lage der Frauen im Iran sei durch gesetzliche und gesellschaftliche Diskriminierung geprägt. Eine Gleichberechtigung sei nicht gegeben. Schließlich sei die Klägerin durch die eigene Familie, speziell ihren Bruder, massiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Der Aussagekern sei schlüssig und in sich stimmig vorgetragen. Es sei zu befürchten, dass der Bruder, der schwer gekränkt sei und eine psychopathische Persönlichkeit habe, bei einer Rückkehr in den Iran seine Drohungen wahrmache und das Gesicht der Klägerin tatsächlich mit Salzsäure zerstöre. Auf die vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Klägerin vom 18. April 2017 wird verwiesen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. März 2017,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. März 2017 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 8. August 2017 lehnte das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ab.

In der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2017 wiederholte der Klägerbevollmächtigte den Klageantrag aus der Niederschrift vom 20. März 2017. Das Gericht hörte die Klägerin – ebenso wie ihren Lebensgefährten, den Kläger des Verfahrens W 8 K 17.32061 – informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte (einschließlich der Akte des Lebensgefährten der Klägerin im Verfahren W 8 K 17.32061) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für ... vom 13. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach § 16a Abs. 1 GG sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Eine Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben auf dem Landweg über die Balkan-Route und damit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).

Das Gericht ist im Übrigen insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).

Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.

Die Klägerin hat teilweise im Verlauf des Behördenverfahrens in sich widersprüchliche Angaben gemacht und diese in der mündlichen Verhandlung damit begründet, dass sie bei der Bundesamtsanhörung sehr viel Stress wegen ihres Kindes gehabt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte die Klägerin nicht alle Ungereimtheiten ausräumen. So gab sie in der mündlichen Verhandlung einerseits an, der Vorfall mit dem Messer sei etwa zehn Tage vor der Ausreise gewesen, kurz darauf erklärte sie, ihr Bruder habe sie acht Monate vor der Ausreise mit dem Messer bedroht. Dies sei nach ihrem Selbstmordversuch gewesen.

Aber selbst wenn man die Angaben der Klägerin zugrunde legt, hat ihr im Iran keine staatliche Verfolgung gedroht. Vielmehr wurde sie nur durch ihren Bruder bedroht, ohne sich deshalb aber überhaupt an staatliche Stellen gewandt und um Hilfe nachgesucht zu haben. Genauso wenig hat sie im Iran versucht, durch einen Wegzug innerhalb des Landes der Bedrohung durch den Bruder zu entkommen.

Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran nunmehr eine flüchtlingsrelevante Verfolgung oder sonst ein ernsthafter Schaden droht.

Eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht der Klägerin nicht etwa wegen Apostasie, also eines Abfalls vom Glauben. Grundsätzlich kann im Iran eine Anklage wegen Apostasie („Abfall vom Glauben“) zu Sanktionen bis hin zur Todesstrafe führen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 10; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 53).

Die Klägerin hat dazu angegeben, sie habe im Iran Dinge nicht tun dürfen, etwa sich schminken, oder einen Schleier tragen müssen. Sie sei gezwungen worden, Dinge zu tun, die sie nicht gewollt habe (unter anderem bzgl. ihres Heiratswunsches). Sie wolle ohne Religion weiter leben, wie ein normaler Mensch. Sie hätten auch ihr Kind nicht beschnitten. Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin Atheistin und endgültig vom (islamischen) Glauben abgefallen ist. Auf Nachfrage des Gerichts räumte sie nämlich ein, sie glaube an Gott. Gott sei der Schöpfer des Lebens. Im Iran habe sie mit Gott gesprochen und sie habe das Gefühl gehabt, dass er ihr nicht zuhöre. Weiter hat das Gericht den Eindruck, dass sich die Klägerin (ebenso wie ihr Lebensgefährte) nicht hinreichend mit ihrer Gewissensentscheidung auseinandergesetzt hat. So gab sie auf die Frage an, was nach dem Tod passiere, sie kenne keine anderen Religionen. Sie habe keinen Glauben. Dies widerspricht indes der soeben zitierten Aussage, dass sie an Gott glaube. Dem Gericht drängt sich der Eindruck auf, dass die Klägerin nicht mehr unter der konkreten Ausprägung des Islams, wie er im Iran praktiziert werde, leben will, etwa ein Kopftuch bzw. einen Schleier zu tragen, beten und fasten zu müssen usw. Sie wolle lieber in der Gesellschaft, hier frei und selbstbestimmt leben. Mit den gemäßigten Formen des Islam, etwa hier in Deutschland, oder mit sonstigen Religionen oder Glaubensvorstellungen hat sich die Klägerin offenbar überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Hinzu kommt, dass die Klägerin selbst nicht vorgebracht hat, dass ein Glaubenswechsel derart stattgefunden hat, dass sie sich verpflichtet fühlt, eine andere Religion, als Atheistin öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Die Klägerin hat nicht angegeben, ein dauerhaft prägendes, zwingendes Bedürfnis zu haben, ihr religiöses oder atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen. Der Klägerin geht es augenscheinlich vielmehr darum, den konkreten Auswüchsen des Islam im Iran – gerade für sie als Frau – zu entgehen. Für die Annahme einer Verfolgungsgefahr im Iran ist hingegen ein nachhaltiger Glaubenswechsel erforderlich, wonach sich die Klägerin verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Erst dann wäre die Gefahr damit verbunden, als Konvertit und Apostat erkannt zu werden. Erforderlich wäre bei der Klägerin ein zwingendes Bedürfnis, ein religiöses oder auch atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin, S. 333; VG Regensburg, U.v. 21.8.2012 – RO 4 K 12.30081). Daran fehlt es.

Nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin nicht erkennbar, dass sich die Loslösung vom Islam nach außen so manifestiert hat, dass sich die Betreffende nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernsthaft und endgültig vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. dazu auch HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1398/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Allein die Ausreise aus dem Iran oder etwa die Ablegung des Kopftuchs genügen nicht. Das Auswärtige Amt hat in einer Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird.

Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, für die Klägerin zur Wahrung ihrer religiösen Identität besonders wichtig ist. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass sie in Deutschland ihre Lebensführung an den grundlegenden religiösen Geboten ihre Glaubensvorstellung ausgerichtet hat. Vielmehr verwies sie darauf, dass die Frauen im Iran keine Rechte hätten. Die Klägerin machte die nachteiligen Auswirkungen des Islams im Alltag auf sie geltend. Gründe für eine echte, die Persönlichkeit prägende Gewissensentscheidung für den Abfall vom Islam konnte sie zur Überzeugung des Gerichts aber nicht glaubhaft machen. Vielmehr scheinen soziale und persönliche Gründe nicht religiöser Art für ihre Auffassung vorzuwiegen. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass ihre gewandelte Glaubensvorstellung die Klägerin derart prägt, dass es für sie ein verpflichtendes Bedürfnis ist, dies auch nach außen kundzutun und ihr Leben danach auszurichten, so dass sie bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran gefährdet wäre, deshalb vom iranischen Staat verfolgt zu werden.

Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen und beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran dienen könnte.

Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts auch des Weiteren keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil sie als nicht verheiratete Frau ein uneheliches Kind hat und einen westlichen Lebensstil führt. So erklärte sie etwa sie wolle nicht mehr den Hidschab (Kopftuch, Schleier) tragen und nicht gezwungen werden fünf Mal am Tag zu beten und zu fasten usw. Sie habe auch das Kind nicht beschneiden lassen. Sie wolle ein freies und gleichberechtigtes Leben führen, ohne sich wieder durch die Gesetze unterdrücken zu lassen. Das Freiheits- und Gleichberechtigungsbedürfnis sei für ihr Leben zur Bestimmung geworden.

Zwar ist nicht zu bestreiten, dass Frauen gerade im Iran noch auf vielfältige Weise diskriminiert werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 12 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 67 ff.). Bei Verstößen, etwa gegen die Kleiderordnung, müssen Frauen auch mit Strafen rechnen. Allerdings muss die Klägerin allein wegen des unehelichen Kindes nicht mit Strafen rechnen. Sanktionen oder Repressalien gegenüber einer Frau, die ein nicht eheliches Kind zur Welt bringt, sind nach den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls im familiären oder privaten Bereich zu suchen. Des Weiteren hat sich der Stellenwert allein stehender Frauen im Iran verändert. Frauen haben etwa kein Problem mehr, einen eigenen Hausstand zu gründen oder sich als Alleinerziehende in die Gesellschaft zu integrieren (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Greifswald vom 13.3.2017). Eine Frau mit einem unehelichen Kind muss nicht mit staatlichen Maßnahmen rechnen. Ein Kind wird im Iran zudem nicht als unehelich angesehen, wenn entsprechende Geburts- und Eheurkunden aus dem Ausland vorgelegt werden (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Greifswald vom 28.11.2016).

Vorliegend ist weiter nicht ersichtlich, dass in der Person der Klägerin bei einer theoretischen Strafverfolgung Anhaltspunkte für einen Malus infolge der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorlägen. Die Klägerin würde im Prinzip nicht anders bestraft als andere iranische Straftäter bzw. Straftäterinnen in vergleichbarer Lage.

Der Klägerin droht deshalb keine flüchtlingsrelevante politische Verfolgung, weil sich bei der von ihr vorgebrachten außerehelichen Beziehung um keinen Anknüpfungspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung handelt. Das Gleiche gilt für den Verstoß gegen sonstige Vorschriften. Eine Strafverfolgung, etwa wegen Verstoßes gegen Kleidungsvorschriften oder wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, knüpft insoweit nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an. Vielmehr handelt es sich um repressive Maßnahmen bzw. um eine strafrechtliche Verfolgung wegen eines allgemeinen Straftatbestandes im Iran ohne politische Bedeutung (vgl. NdsOVG, U.v. 24.10.2001 – 5 LB 448/01 – juris; BayVGH, B.v. 28.4.1998 – 19 ZB 98.31801 – juris; U.v. 11.11.1992 – 19 BZ 92.31853 – Streit 1994, 85). Zwar widersprechen die für den außerehelichen Geschlechtsverkehr zu verhängenden Strafen, wie Auspeitschung, Steinigung und Todesstrafe, den hiesigen Moralgrundsätzen und Anforderungen an eine rechtsstaatliche und menschliche Judikatur und Gesellschaft. Die maßgeblichen Vorschriften des islamischen und iranischen Rechts bezwecken indessen die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Sie knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten an und folgen einer jahrhundertalten Tradition islamischen Rechts, das noch auf weitere ältere Rechtsquellen aufbaut. Insofern fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der iranische Staat diesen Vorschriften, die nicht vom gegenwärtigen iranischen Regime eingeführt wurden, allgemein in flüchtlingsrelevanter Weise eine politische Gesinnung oder Betätigung ahnden will (sog. Politmalus). Zudem knüpfen diese Strafvorschriften nicht an die eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaften an (vgl. auch VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2010 – 2 K 1802/09.A – juris; U.v. 2.5.2006 – 2 K 37/06.A – juris; U.v. 15.10.2003 – 5 K 6938/01.A; VG Karlsruhe, U.v. 18.5.2006 – A 6 K 12318/04 – AuAS 2006, 238; VG Würzburg, U.v. 9.10.2002 – W 7 K 02.30595 – juris).

Denn das Flüchtlingsrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden, auch massiven Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben. Aus dem Akt der Strafverfolgung kann nicht geschlossen werden, dass eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts vorliegt. Dem grundsätzlich legitimen staatlichen Rechtsgüterschutz dienende Maßnahmen, wie die Ahndung krimineller Taten ohne politischen Bezug, führen nicht zur Annahme einer politisch motivierten Verfolgung. Solche Maßnahmen können nur dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen ließen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Bestrafung erleiden würde (vgl. NdsOVG, U.v. 31.5.2016 – 11 LB 53/15 – Asylmagazin 2016, 217; HessVGH, B.v. 27.1.2014 – 3 A 917/13.Z.A – AuAS 2014, 80; vgl. auch BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – NVwZ 2013, 500; B.v. 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 – NVwZ 2009, 1035).

Die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die dem Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, stellt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. etwa – bezogen auf Wehrpflicht und die Wehrdienstentziehung – BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 m.w.N. sowie etwa VG Augsburg, U.v. 27.11.2006 – Au 7 K 05.30480 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2005 – 2 K 1497/04.A – juris). Für die Annahme eines Umschlagens eventueller Strafverfolgungsmaßnahmen in eine politische Verfolgung ist im Fall der Klägerin nichts ersichtlich. Daraus kann daher auch kein Abschiebungshindernis resultieren.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin bei einer möglichen Ahndung auch deshalb keine gravierende Strafe treffen müsste, weil abgesehen von den gegebenenfalls anzunehmenden Beweisschwierigkeiten, der Umstand der Schwangerschaft sowie die Geburt eines nicht ehelichen Kindes kein ausreichender Beweis ist (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Kassel vom 25.11.2013, Auskunft an das VG Regensburg vom 19.11.2014). Des Weiteren können selbst eventuell verhängte Strafen, etwa Peitschenhiebe, auch in eine Geldstrafe umgewandelt bzw. abgekauft werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 15; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 9.2.2015; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 70). Die Umwandlung von Peitschenstrafen in Geldstrafen oder in Geldbußen ist im Iran ziemlich häufig (vgl. GIGA, Auskunft an das VG Bremen vom 29.5.2007), so dass nach der konkreten Rechtspraxis im Iran nicht unbedingt wahrscheinlich ist, dass der Betreffende eine grausame oder unmenschliche Bestrafung tatsächlich erleidet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris).

Auch wenn eine mögliche Verfolgung der Klägerin bzw. eine ernsthafte Gefahr bei einer potentiellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung oder einer Gefährdung durch staatliche Stellen, zumal die Klägerin die Möglichkeit hat, ihr Kind sowie gegebenenfalls eine Eheschließung in Deutschland zu legalisieren, wie später noch ausgeführt wird.

Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Klägerin sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (OVG NRW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris; B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).

Des Weiteren droht der Klägerin auch keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr seitens ihres Bruders bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil für sie eine zumutbare inländische Fluchtalternative besteht (vgl. § 3e AsylG), wie auch schon die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. Für die Klägerin, ihr Kind und ihren Lebensgefährten besteht im Iran eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative; die Klägerin kann mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten nach Teheran oder einer anderen Großstadt im Iran ausweichen. Die Klägerin muss sich auf einen interne Schutzmöglichkeit in ihrem Herkunftsland verweisen lassen.

Soweit von Klägerseite vorgebracht wird, dass wegen fehlender Dokumente ein möglicher Aufenthalt in einer gemeinsamen Unterkunft scheitern könnte, hält das Gericht dies nicht für ein dauerhaftes Hindernis. Vielmehr ist der Klägerin – ebenso ihrem Lebensgefährten – zumutbar, sich die notwendigen Dokumente zu besorgen, die sie gegebenenfalls für eine Eheschließung hier in Deutschland benötigen oder um eine Geburtsurkunde für das Kind zu erlangen. Die Klägerin hat ebenso wie ihr Lebensgefährte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekundet, heiraten zu wollen. Abgelehnt wurde nur eine religiöse Eheschließung vor dem Imam. Dem Gericht leuchtet nicht ein, dass es der Klägerin nicht möglich sein sollte, etwa ein gültiges Shenasnameh (Geburtsurkunde/Personalausweis) bzw. sonstigen Pass über die iranische Botschaft besorgen zu können. Der Klägerin ist es zumutbar, zur iranischen Botschaft zu gehen und die notwendigen Dokumente zu besorgen und damit die weiteren Formalitäten zu erledigen. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Klägerin selbst bei einem Kontakt mit der iranischen Botschaft eine zwangsweise Abschiebung aus Deutschland nicht fürchten müsste, weil der iranische Staat grundsätzlich lediglich freiwillige Rückkehrer akzeptiert und nur im Falle freiwilliger Rückkehrer kooperiert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 5 und S. 16). Mit den notwendigen Nachweisen, wie Eheurkunde und Geburtsurkunde, würde das Kind dann auch im Iran nicht als unehelich angesehen werden (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Greifswald vom 28.11.2016).

Unter dem Vorzeichen der ohnehin erforderlichen Legalisierung vor einer Rückkehr in den Iran könnte sich die Klägerin (mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten bzw. dann ihrem Ehemann) im Iran legal niederlassen, ohne dass ihr Bruder herausfinden müsste, wo sie sich aufhält. Angesichts der Größe des Irans und der Größe der iranischen Städte, insbesondere Teherans, und der Stellung des Bruders als Berufskraftfahrer hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin befürchten müsste, von ihrem Bruder entdeckt und gefährdet zu werden.

Soweit die Klägerseite erklärt hat, die Familie der Klägerin habe im Iran eine Anzeige bei den iranischen Behörden erstattet mit dem Vorwurf, ihr Lebensgefährte habe sie entführt, nach ihnen würde staatlicherseits gefahndet, hält das Gericht dieses Vorbringen für unsubstanziiert und letztlich unglaubhaft. Über die schlichte Behauptung einer Strafanzeige hinaus wurden von Klägerseite keine näheren Erklärungen dazu abgegeben, insbesondere erfolgte von der Klägerseite keine substanziierten Aussage dazu, ob und inwiefern tatsächlich staatliche Verfolgungshandlungen gegen den Lebensgefährten der Klägerin eingeleitet worden sind. Auch der Lebensgefährte hat in der mündlichen Verhandlung nichts Konkretes von staatlichen Verfolgungsmaßnahmen berichtet. Insofern stützt die Klägerin und ihr Lebensgefährte ihre Verfolgungsfurcht nur auf Vermutungen und auf Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben zu den konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlen, insbesondere von irgendwelchen schriftlichen Unterlagen bzw. Vorladungen oder auch nur Nachfragen staatlicher Organe bei der Familie der Klägerin bzw. bei der Familie ihres Lebensgefährten wurde klägerseits nichts berichtet. Es erscheint dem Gericht lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin bzw. ihr Lebensgefährte nicht aus eigenem Antrieb weitere konkrete Erkundigungen eingezogen haben, die auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr durch staatliche Organe hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird bzw. bei Rückkehr in sein Herkunftsland nun eine Verfolgung fürchtet, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über eine (fort) bestehende Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In dieser Richtung wurde klägerseits überhaupt nichts Substanziielles vorgebracht. Danach drängt sich dem Gericht eher der Eindruck auf, dass gegen den Lebensgefährten der Klägerin überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.

Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

2

Er stellte im Oktober 1992 einen Asylantrag. Nachdem er unbekannt verzogen war, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - den Antrag mit Bescheid vom 8. November 1993 als offensichtlich unbegründet ab. Einen weiteren Asylantrag unter einem Aliasnamen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 1993 ab.

3

Im November 1994 wurde der Kläger von den französischen Behörden wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Aktionen in Algerien festgenommen. Das Tribunal de Grande Instance de Paris verurteilte ihn am 22. Januar 1999 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.

4

Nachdem der Kläger im März 2001 aus französischer Haft entlassen worden war, stellte er im Juli 2001 in Deutschland einen Asylfolgeantrag, den er auf die überregionale Berichterstattung über den Strafprozess in Frankreich und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Algerien stützte. Er gab an, nie für eine terroristische Vereinigung aktiv gewesen zu sein; der Prozess in Frankreich sei eine Farce gewesen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehnte das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Algeriens fest. Angesichts der Berichterstattung über den Strafprozess müsse davon ausgegangen werden, dass der algerische Auslandsgeheimdienst den Prozess beobachtet habe und der Kläger in das Blickfeld algerischer Behörden geraten sei. Bei einer Rückkehr nach Algerien bestehe deshalb die beachtliche Gefahr von Folter und Haft.

5

Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 nahm das Bundesamt den Anerkennungsbescheid vom 15. Oktober 2002 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Feststellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, da das Vorliegen der Ausnahmetatbestände in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 3 AuslG verkannt worden sei. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Frankreich stehe fest, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2006 aufgehoben, da das Bundesamt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG versäumt habe.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein, in dessen Verlauf der Kläger bestritt, dass sich die Verhältnisse in Algerien entscheidungserheblich geändert hätten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Darüber hinaus stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Durch die im September 2005 per Referendum angenommene "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" sowie die zu deren Umsetzung erlassenen Vorschriften habe Algerien weitgehende Straferlasse für Mitglieder islamistischer Terrorgruppen eingeführt. Die Amnestieregelungen würden konsequent und großzügig umgesetzt und fänden auch nach Ablauf des vorgesehenen Stichtags weiter Anwendung. Der Kläger habe daher im Falle seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung zu befürchten.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid durch Urteil vom 20. Mai 2008 aufgehoben, da dem Widerruf bereits die Rechtskraft des Urteils vom 27. Oktober 2006 entgegenstehe. Der angefochtene Widerruf erweise sich im Ergebnis als eine die Rücknahme vom 1. Juni 2005 ersetzende Entscheidung.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar stehe die Rechtskraft des die Rücknahme aufhebenden Urteils dem Widerruf nicht entgegen, denn die Streitgegenstände dieser beiden Verwaltungsakte seien nicht identisch. Dennoch erweise sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht vorlägen. Dieser sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich, wenn der Betroffene wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Heimatstaat vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Er falle nicht unter die Stichtagsregelung der Amnestieregelung; ob die Anwendungspraxis auch den Fall des Klägers erfasse, sei unsicher. Angesichts der weiterhin bestehenden Repressionsstrukturen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Liberalisierung in Algerien nicht vorhanden.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie würde selbst ein Vorverfolgter nur durch die widerlegbare Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie privilegiert. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei beim Widerruf eines nicht Vorverfolgten der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

10

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil aus den Gründen der Ausgangsentscheidung. Darüber hinaus macht er geltend, dass einem anerkannten Flüchtling aufgrund seines Aufenthalts in der Bundesrepublik und des Vertrauens auf seinen gefestigten Status ein größerer Schutz zu gewähren sei als einem Asylbewerber bei der Entscheidung über seine Anerkennung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet, denn das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht den Widerrufsbescheid zu Recht sachlich geprüft und nicht bereits wegen des aus der Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbots aufgehoben (1.). Es hat aber der Verfolgungsprognose, die es bei Prüfung der Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gestellt hat, einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (2.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache weder in positiver noch in negativer Hinsicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem Erlass des streitgegenständlichen Widerrufsbescheids steht nicht entgegen, dass die zuvor verfügte Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung im Vorprozess rechtskräftig aufgehoben worden ist. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran gehindert, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <257 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 28. Januar 2010 - BVerwG 4 C 6.08 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 99). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolge (Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 4 und Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <213 f.>).

13

In Anwendung dieser Kriterien erweisen sich Rücknahme einer Flüchtlingsanerkennung wegen Nichtbeachtung zwingender Ausschlussgründe und deren Widerruf wegen Wegfalls der sie begründenden Umstände nicht als inhaltsgleich. Zwar erfolgte die Rücknahme im Fall des Klägers nur mit Wirkung für die Zukunft, so dass die beiden Verwaltungsakte auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. aus einer anderen Perspektive Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>). Aber die den beiden Aufhebungsakten zugrunde liegenden rechtlichen Voraussetzungen und die hierbei zu berücksichtigenden Tatsachen unterscheiden sich: Während die Rücknahme auf einer anderen rechtlichen Beurteilung eines vergangenen Sachverhalts beruht, stützt sich der Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG auf eine nach der Anerkennung eingetretene Sachverhaltsänderung. Daher greift das Wiederholungsverbot im vorliegenden Fall nicht.

14

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - juris Rn. 9; zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen).

16

Der angefochtene Bescheid erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung kein Ermessen ausgeübt hat. Durch die klarstellende Neuregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG ist geklärt, dass in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Altanerkennungen getroffen und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005 vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (Urteil vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 ff.).

17

Das Berufungsurteil ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen und speziell mit Blick auf den der Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG auszulegen ist. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

18

a) Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) dahingehend konkretisiert, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie angesprochene "Schutz des Landes" sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67, 76, 78 f.). Dazu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung verhält. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht - ebenso wie Art. 1 C Nr. 5 GFK - vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde, weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 66), soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss (ebd. Rn. 76). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (so EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 68).

19

Mit Blick auf die Maßstäbe für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 73).

20

aa) Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <84> und vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <124 f.>).

21

Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Danach setzte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <281> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 18; so auch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung). Dieser gegenüber der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgesenkte Maßstab ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt worden. Er wurde dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen und hat schließlich Eingang in die Widerrufsvoraussetzungen gefunden, soweit nicht eine gänzlich neue oder andersartige Verfolgung geltend gemacht wird, die in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der früheren steht (Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26).

22

Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG fremd. Sie verfolgt vielmehr bei einheitlichem Prognosemaßstab für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt (Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 20 ff. und vom 7. September 2010 - BVerwG 10 C 11.09 - juris Rn. 15). Das ergibt sich neben dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschrift auch aus der Entstehungsgeschichte, denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Demzufolge gilt unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 ; Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22).

23

Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich der Maßstab der Erheblichkeit für die Veränderung der Umstände danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.). Die Richtlinie kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird. Es spricht viel dafür, dass die Mitgliedstaaten hiervon in Widerrufsverfahren nicht nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können. Denn die zwingenden Erlöschensgründe dürften zu den Kernregelungen zählen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind, um das von der Richtlinie 2004/83/EG geschaffene System nicht zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09, B und D - NVwZ 2011, 285 Rn. 120 zu den Ausschlussgründen). Das kann aber hier dahinstehen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an den oben dargelegten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des nationalen Rechts festhalten wollte. Vielmehr belegt der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht hat.

24

bb) Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Senat hat in einem Fall, in dem ein verfolgendes Regime gestürzt worden ist (Irak), bereits entschieden, dass eine Veränderung in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden kann, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>; Beschluss vom 7. Februar 2008 a.a.O. juris Rn. 37), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 90). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.

25

b) Das Berufungsgericht hat vorliegend bei seiner Verfolgungsprognose den Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrunde gelegt. Damit hat es § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verletzt; auf dieser Verletzung beruht die Berufungsentscheidung. Da das Berufungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen unter einem - wie dargelegt - rechtlich unzutreffenden Maßstab getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn es ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung des Betroffenen zugrunde lagen, eine Gefahrenprognose unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zu erstellen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

2

Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.

3

Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.

4

Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.

5

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.

6

Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.

7

Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.

8

Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.

9

Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.

13

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 ). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).

14

Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.

15

3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).

16

Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.

17

Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.

18

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

19

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

20

Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.

21

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).

22

Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).

23

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).

24

b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.

25

Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183 ; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.

26

Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.

27

4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

28

5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.

29

Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan - ) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. September 2012 - A 11 K 4543/11 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Gewährung von Abschiebungsschutz.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am … 1994 in Teheran geborener iranischer Staatsangehöriger, reiste am 24.2.2011 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 9.3.2011 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung machte er geltend, er habe bis zum Beginn seiner Flucht das ...-Gymnasium in Teheran besucht. Seine Familie und er seien in der „Grünen Welle“ aktiv gewesen und hätten Werbung für Moussawi gemacht. Ab dem 10.3.1388 (31.5.2009) hätten sie immer wieder an Demonstrationen teilgenommen. Bei der Teilnahme an einer Demonstration seien seine Eltern vor seinen Augen von Sicherheitskräften, die mit Motorrädern erschienen seien, brutal zusammengeschlagen worden. Auch am 25.11.1388 (14.2.2010), dem Ashura-Tag, hätten sie an einer Demonstration teilgenommen.
Bassidji und die Sicherheitskräfte hätten mit Tränengas auf die Demonstranten geschossen und seien mit Autos und Motorrädern zwischen die Demonstranten gefahren. Die Demonstranten seien daraufhin geflohen. Er selbst und ein oder zwei seiner Freunde seien von Motorradfahrern aufgegriffen und geschlagen worden. Danach seien sie von anderen Sicherheitskräften festgenommen und ebenfalls geschlagen worden, worauf man sie aber wieder freigelassen habe. Der Rektor seiner Schule habe herausgefunden, dass er an den Demonstrationen teilgenommen habe. Er habe ihm gedroht, ihn von der Schule zu werfen, und ihm gesagt, er werde ihm nicht erlauben, an der Prüfung teilzunehmen. Er sei deshalb zwei oder drei Wochen nicht zur Schule gegangen. Er habe dann aber doch an der Prüfung teilgenommen, er sei jedoch bei allen Prüfungen durchgefallen. Neun oder zehn Tage nach dem Ashura-Tag sei er von der Polizei angehalten worden, als er eines Morgens mit dem Motorrad auf der Straße unterwegs gewesen sei. Da er keinen Führerschein habe vorweisen können, sei er auf das Polizeirevier mitgenommen worden. Nachdem er seinen Namen genannt habe, sei er mit Schlagstöcken geschlagen und mit Füßen getreten worden. Nach seiner Freilassung habe er den Vorfall zu Hause seinen Eltern erzählt. Seine Eltern seien zusammen mit ihm zu dem Hauptkommissar gegangen und hätten ihn gefragt, warum ihr Sohn derart geschlagen worden sei. Er sei daraufhin wiederum festgenommen und drei Tage auf dem Polizeirevier festgehalten worden. Nachdem er irgendetwas unterschrieben habe, sei er freigelassen worden. Am 27. oder 28.5.1389 (18. oder 19.8.2010) sei er abends gegen 23.00 Uhr mit ein paar Freunden im Park gewesen, als Sicherheitskräfte und Bassidjis gekommen seien, die Tränengas und Messer mit sich geführt hätten. Sie hätten sich auf den Boden legen und ihre Kleidung ausziehen müssen. Danach sei von ihnen verlangt worden, ins kalte Wasser zu springen. Als er auf dem Boden gelegen habe, sei er geschlagen worden. Einen Monat lang habe er erfolglos versucht, an irgendeiner anderen Schule seine Schulausbildung zu beenden. Auch seine Eltern hätten Probleme mit Sicherheitskräften gehabt. Sein Vater sei einen Monat lang verhaftet gewesen. Da ein Cousin ähnliche Probleme gehabt habe, hätten sie sich entschieden, den Iran zu verlassen und nach Europa zu fliehen. Die Ausreise sei von seinem Vater finanziert worden. Am 2.7.1388 sei er von Teheran nach Urumiya gefahren und von dort weiter mit einem Transporter nach Van. Nach dem Passieren der Grenze, die sie zu Fuß überschritten hätten, hätten sie gefälschte Pässe erhalten und seien nach Istanbul und von dort aus weiter zur griechischen Grenze gefahren. Nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in Athen seien sie mit dem LKW auf einer Fähre nach Italien gekommen und mit dem Zug über Rom und Paris nach Straßburg gereist. Im Zug in der Nähe von Mannheim seien sie von der deutschen Polizei aufgegriffen worden.
Mit Bescheid vom 5.12.2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag des Klägers ab (Ziff. 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des § 60 Abs. 1 AufenthG (Ziff. 2) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Ziff. 3) nicht vorliegen und drohte dem Kläger unter Setzung einer Ausreisefrist von 30 Tagen die Abschiebung in den Iran an (Ziff. 4). Zur Begründung führte es aus, das Vorbringen des Klägers sei unglaubhaft. Er habe geltend gemacht, für Moussawi tätig gewesen zu sein, habe aber den richtigen Namen von dessen Bewegung nicht gekannt, sondern sie fälschlich „Grüne Welle“ genannt. Auch die schulischen Probleme seien nicht glaubhaft gemacht. Denn wenn der Rektor der Schule den Kläger zu den Prüfungen nicht hätte zulassen wollen, so hätte er das getan und dem Kläger wäre es nicht möglich gewesen, überhaupt an der Prüfung teilzunehmen. Die behauptete Festnahme wegen des Fahrens mit einem Motorrad ohne den dafür nötigen Führerschein sei keine politische Verfolgung. Gegen eine politische Betätigung der Eltern spreche, dass sie nach dem Vorbringen des Klägers auf das Polizeirevier gegangen seien, um sich über die Behandlung ihres Sohnes zu beschweren. Denn wenn die Eltern des Klägers bei den Sicherheitskräften kein unbeschriebenes Blatt gewesen wären, wäre es für sie sicherer gewesen, sich ruhig zu verhalten. Warum der Kläger danach wieder verhaftet worden sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Eine Kontrolle von Jugendlichen nachts in einem Park durch Sicherheitskräfte sei nichts Ungewöhnliches. Auffällig sei auch, dass der Kläger keine Einzelheiten zu der angeblichen Verhaftung seines Vaters habe schildern können.
Der Kläger hat am 22.12.2011 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 5.12.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 7.9.2012 hat das Verwaltungsgericht die Ziff. 3 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 5.12.2011 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter sei gemäß Art. 16a Abs. 2 GG in Verbindung mit § 26a AsylVfG ausgeschlossen, da der Kläger auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist sei. Die Klage sei auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehre. Soweit er sich auf die glaubhaft geschilderte Misshandlung am Ashura-Tag am 25.11.1388 berufe, fehle es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen diesem Geschehen und der Ausreise im September/Oktober 2010. Zwar habe der Kläger auch glaubhaft geschildert, dass er im Sommer 2010 auf dem Polizeirevier schwer misshandelt worden sei. Diese Misshandlung stelle eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a RL 2004/83/EG dar. Im Hinblick auf diese Misshandlung sei jedoch ein Verfolgungsgrund im Sinne von Art. 10 RL 2004/83/EG weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Entsprechendes gelte für die im Sommer 2010 erlittenen schwerwiegenden Misshandlungen in einem Park von Teheran. Eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 RL 2004/83/EG genannten Verfolgungsgründen und der im Sommer 2010 erlittenen schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte des Klägers bestehe nicht.
Beim Kläger liege aber ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Nach dieser Vorschrift dürfe ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das sei hier der Fall, da dem Kläger bei einer Rückkehr/Abschiebung in den Iran eine unmenschliche Behandlung drohe. Iraner, die ihr Heimatland illegal verlassen hätten, müssten bei einer Rückkehr aufgrund der strikten Kontrollen damit rechnen, am Flughafen verhört und für einige Tage festgehalten zu werden, auch wenn sie nicht auf einer Polizeiliste aufgeführt seien. Ankommende Iraner ohne Reisepass oder gültige Reisepapiere oder in den Iran rückgeschaffte Iraner ohne gültiges Ausreisevisum würden bei der Ankunft festgenommen und zu einem speziellen Gericht in Teheran gebracht. Dort würden die Daten der betreffenden Personen, die Gründe für ihre illegale Ausreise und ihre Verbindungen mit bekannten Organisationen und Gruppierungen kontrolliert. Die Ermittlungen im Verfahren wegen illegaler Ausreise führten häufig zur Feststellung weiterer sekundärer Straftatbestände und zu weiteren Anklagepunkten. Die Verhörmethoden im Iran umfassten seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung. Dementsprechend habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 9.3.2010 entschieden, dass für iranische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in den Iran ein besonderes Risiko bestehe, wenn sie nicht nachweisen könnten, dass sie den Iran legal verlassen hätten. Der Kläger könne eine legale Ausreise aus dem Iran im Falle einer Rückkehr nicht nachweisen, da er seinen Heimatstaat illegal verlassen habe. Da eine Rückkehr des Klägers in den Iran nur im Wege der Abschiebung erfolgen werde, werde sich den iranischen Behörden aufdrängen, dass die Rückkehr des Klägers in den Iran auf besondere Umstände zurückzuführen sei. Nach den bereits genannten Verhörmethoden im Iran spreche alles dafür, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran die von ihm bereits in seinem Heimatland erlittenen Misshandlungen und Festnahmen durch Sicherheitskräfte nicht verheimlichen könne. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat sei, die Behörden willkürlich handelten, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkomme, sowie willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen seien.
10 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 17.7.2013 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend:
11 
Über die Gewährung von Asyl und die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sei rechtskräftig entschieden. Im Streit stehe noch, ob dem Kläger ein Anspruch auf das unionsrechtlich subsidiäre oder hilfsweise das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot zukomme. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des unionsrechtlichen Abschiebungsverbotes seien unverändert nicht erkennbar. Der Kläger sei unverfolgt und nicht unter dem Druck einer drohenden Gefährdung ausgereist. Zu demselben Ergebnis sei auch das Verwaltungsgericht gekommen. Hinweise auf zwischenzeitlich hinzugekommene Risikogründe fehlten. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht vom 8.10.2012 unverändert aus, dass allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr nach Iran auslöse. Es könne in Einzelfällen zwar zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Die Befragung gehe in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft sei jedoch bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen wären. Auch sei kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Eigenständig zu bewertende Umstände für das Vorliegen eines nachrangigen nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbotes im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht ersichtlich. Gegen die erlassene Abschiebungsandrohung sprechende Gründe seien ebenfalls nicht erkennbar.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. September 2012 - A 11 K 4543/11 - zu ändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Er erwidert: Das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag, im Iran Opfer von Verfolgung und Misshandlung geworden zu sein, für glaubhaft gehalten. Die von ihm bekundeten Vorverfolgungserlebnisse seien somit Tatsachengrundlage. Gemäß § 60 Abs.2 AufenthG dürfe ein Ausländer nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die „konkrete Gefahr“ besteht, Folter oder unmenschlicher Behandlung bzw. Bestrafung unterworfen zu werden. In die Erwägungen über die zu treffende Prognose sei einzustellen, ob bereits Verfolgung und Misshandlung stattgefunden habe und wie schwer diese Übergriffe gewesen seien. Da er erhebliche Misshandlungen erlitten habe, sei auch die Prognose gerechtfertigt, dass diese Gefahren für ihn im Fall seiner Rückkehr in den Iran wiederum bestünden. Durch den Regierungswechsel habe sich im Iran die Situation für Rückkehrer nicht grundlegend geändert.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und des Bundesamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage somit insgesamt abweisen müssen.
I.
19 
Soweit das Verwaltungsgericht die Anträge des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, abgelehnt hat, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig. Das Berufungsverfahren beschränkt sich dementsprechend auf die Prüfung des Begehrens des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG, hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, sowie die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügten Abschiebungsandrohung.
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 (BGBl I S. 3474) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2439). Denn nach § 77 Abs. 1 AsylVfG ist in Streitigkeiten nach diesem Gesetz regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen.
II.
21 
Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
22 
1. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 hat ein Ausländer Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem (Abschiebungs-)Schutz, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass ihm im Falle seiner Abschiebung in sein Heimatland ein „ernsthafter Schaden“ droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG (u.a.) Folter oder eine unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
23 
a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist diese Frage zu bejahen, da Iraner, die ihr Heimatland illegal verlassen hätten, bei einer Rückkehr aufgrund der strikten Kontrollen damit rechnen müssten, am Flughafen verhört und für einige Tage festgehalten zu werden. Da eine Rückkehr des Klägers in den Iran nur im Wege der Abschiebung erfolgen werde, werde sich den iranischen Behörden aufdrängen, dass die Rückkehr auf besondere Umstände zurückzuführen sei. Die Verhörmethoden im Iran umfassten seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung. Es spreche deshalb alles dafür, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran die von ihm bereits in seinem Heimatland erlittenen Misshandlungen und Festnahmen durch Sicherheitskräfte nicht verheimlichen könne. Ihm drohe dann erneut eine unmenschliche Behandlung. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat sei, die Behörden willkürlich handelten, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkomme, und willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen seien.
24 
b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts steht im Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung, in der einheitlich angenommen wird, dass weder die Stellung eines Asylantrags noch der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland die Annahme rechtfertigen, iranische Staatsbürger würden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran staatlichen Repressionen ausgesetzt sein (SächsOVG, Urt. v. 14.1.2014 - A 2 A 911/11 - Juris; BayVGH, Beschl. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - Juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 13.5.2011 - 13 LA 176/10 - Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.6.2011 - 13 A 1188/11.A - Juris). Dem schließt sich der Senat an.
25 
Grundlage dafür ist die seit Jahren unveränderte Einschätzung in den Lageberichten des Auswärtigen Amts, wonach die Stellung eines Asylantrags im Ausland für sich allein keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöse. Zwar könne es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt und insbesondere den Kontakten während dieser Zeit kommen; die Befragung könne in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Es sei aber bisher keiner westlichen Botschaft ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Auch sei kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Ferner gebe es derzeit keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich könnten Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werde die frühere illegale Ausreise legalisiert (Lagebericht vom 24.2.2015, S. 33; ebenso die älteren Lageberichte vom 11.2.2014, 4.11.2011, 27.2.2011, 28.7.2010, 23.2.2009 und 18.3.2008).
26 
Aus den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.11.2010 und 18.8.2011 ergibt sich nichts anderes. In der Auskunft vom 18.8.2011 wird zwar von zwei nach ihrer Abschiebung misshandelten Rückkehrern in den Iran berichtet. Diese hatten aber im Ausland nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern sich dort auch regimekritisch politisch betätigt. Für das vom Verwaltungsgericht angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9.3.2010 gilt das Gleiche. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in diesem Urteil eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführer nicht allein wegen der Stellung eines Asylantrags, sondern wegen des Zusammentreffens verschiedener Umstände, insbesondere auch einer individuellen Vorverfolgung des Beschwerdeführers angenommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - A 3 S 2022/12 -; Beschl. v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -; Beschl. v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -; Beschl. v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -; Beschl. v. 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -).
27 
Umstände, die die iranische Sicherheitsbehörden dazu veranlassen könnten, den Kläger der politischen Oppositionsbewegung zuzurechnen und ihn deshalb bei einer Rückkehr in den Iran abweichend von dem sonst üblichen Verfahren einer verschärften Befragung über die näheren Umstände seiner Ausreise und seines anschließenden Aufenthalts in Deutschland zu unterziehen, sind nicht zu erkennen. Zwar hat der Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht behauptet, er sei vor seiner Ausreise aus dem Iran zusammen mit einem Freund nach einer Demonstration von zwei Motorradfahrern angehalten, mit Handschellen gefesselt und anschließend geschlagen und getreten worden. Der Kläger hat jedoch zugleich angegeben, er und sein Freund hätten sich mit den Angreifern nicht auf persisch verständigen können. Dafür, dass der Kläger den iranischen Sicherheitsbehörden durch diesen Vorfall als möglicher Regimegegner bekannt geworden ist, kann deshalb nicht ausgegangen werden.
28 
Für die beiden anderen vom Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht geschilderten Vorfalle gilt das Gleiche. Dafür, dass die Festnahme des Klägers und seine anschließende Misshandlung durch die Polizei einen politischen Hintergrund hatte, kann den Angaben des Klägers nichts entnommen werden. Als Grund für seine Verhaftung hat der Kläger angegeben, dass er mit seinem Motorrad unterwegs gewesen sei und bei einer Polizeikontrolle keinen Führerschein habe vorweisen können. Vorhaltungen wegen seiner politischen Einstellung wurden ihm nach seinen eigenen Angaben zu keiner Zeit gemacht. Dies ist nach den Angaben des Klägers auch bei dem weiterem Vorfall im Sommer 2010, als er in einem Park zusammen mit Freunden von Bassidji angegriffen und misshandelt worden sei, nicht geschehen. Auch insoweit besteht daher kein Grund zu der Annahme, dass der Kläger von den iranischen Sicherheitsbehörden als möglicher Regimegegner registriert worden sein könnte.
29 
Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Kläger hat dabei zwar angegeben, sein Vater habe ihm am Telefon davon berichtet, von der iranischen Polizei nach dem Aufenthalt seines Sohnes gefragt worden zu sein. Die Frage, welchen Grund die iranische Polizei haben könnte, sich für den Aufenthaltsort des Klägers zu interessieren, blieb dabei jedoch unbeantwortet.
30 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Für die Frage, ob für den Kläger in seinem Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG besteht, gilt das eben Ausgeführte entsprechend. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
32 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage somit insgesamt abweisen müssen.
I.
19 
Soweit das Verwaltungsgericht die Anträge des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, abgelehnt hat, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig. Das Berufungsverfahren beschränkt sich dementsprechend auf die Prüfung des Begehrens des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG, hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, sowie die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügten Abschiebungsandrohung.
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 (BGBl I S. 3474) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2439). Denn nach § 77 Abs. 1 AsylVfG ist in Streitigkeiten nach diesem Gesetz regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen.
II.
21 
Der Kläger hat weder Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
22 
1. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in seiner Fassung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013 hat ein Ausländer Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem (Abschiebungs-)Schutz, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass ihm im Falle seiner Abschiebung in sein Heimatland ein „ernsthafter Schaden“ droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG (u.a.) Folter oder eine unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
23 
a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist diese Frage zu bejahen, da Iraner, die ihr Heimatland illegal verlassen hätten, bei einer Rückkehr aufgrund der strikten Kontrollen damit rechnen müssten, am Flughafen verhört und für einige Tage festgehalten zu werden. Da eine Rückkehr des Klägers in den Iran nur im Wege der Abschiebung erfolgen werde, werde sich den iranischen Behörden aufdrängen, dass die Rückkehr auf besondere Umstände zurückzuführen sei. Die Verhörmethoden im Iran umfassten seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung. Es spreche deshalb alles dafür, dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung in den Iran die von ihm bereits in seinem Heimatland erlittenen Misshandlungen und Festnahmen durch Sicherheitskräfte nicht verheimlichen könne. Ihm drohe dann erneut eine unmenschliche Behandlung. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der Iran kein Rechtsstaat sei, die Behörden willkürlich handelten, Folter bei Verhören, in der Untersuchungshaft und in regulärer Haft vorkomme, und willkürliche Festnahmen sowie lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteile festzustellen seien.
24 
b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts steht im Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung, in der einheitlich angenommen wird, dass weder die Stellung eines Asylantrags noch der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland die Annahme rechtfertigen, iranische Staatsbürger würden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran staatlichen Repressionen ausgesetzt sein (SächsOVG, Urt. v. 14.1.2014 - A 2 A 911/11 - Juris; BayVGH, Beschl. v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - Juris; OVG Niedersachsen, Urt. v. 13.5.2011 - 13 LA 176/10 - Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.6.2011 - 13 A 1188/11.A - Juris). Dem schließt sich der Senat an.
25 
Grundlage dafür ist die seit Jahren unveränderte Einschätzung in den Lageberichten des Auswärtigen Amts, wonach die Stellung eines Asylantrags im Ausland für sich allein keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöse. Zwar könne es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt und insbesondere den Kontakten während dieser Zeit kommen; die Befragung könne in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Es sei aber bisher keiner westlichen Botschaft ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Auch sei kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Ferner gebe es derzeit keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich könnten Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werde die frühere illegale Ausreise legalisiert (Lagebericht vom 24.2.2015, S. 33; ebenso die älteren Lageberichte vom 11.2.2014, 4.11.2011, 27.2.2011, 28.7.2010, 23.2.2009 und 18.3.2008).
26 
Aus den Auskünften der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.11.2010 und 18.8.2011 ergibt sich nichts anderes. In der Auskunft vom 18.8.2011 wird zwar von zwei nach ihrer Abschiebung misshandelten Rückkehrern in den Iran berichtet. Diese hatten aber im Ausland nicht nur einen Asylantrag gestellt, sondern sich dort auch regimekritisch politisch betätigt. Für das vom Verwaltungsgericht angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9.3.2010 gilt das Gleiche. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in diesem Urteil eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführer nicht allein wegen der Stellung eines Asylantrags, sondern wegen des Zusammentreffens verschiedener Umstände, insbesondere auch einer individuellen Vorverfolgung des Beschwerdeführers angenommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.4.2013 - A 3 S 2022/12 -; Beschl. v. 3.4.2013 - A 3 S 2021/12 -; Beschl. v. 13.3.2013 - A 3 S 103/12 -; Beschl. v. 25.2.2013 - A 3 S 3081/11 -; Beschl. v. 17.9.2013 - A 3 S 2306/12 -).
27 
Umstände, die die iranische Sicherheitsbehörden dazu veranlassen könnten, den Kläger der politischen Oppositionsbewegung zuzurechnen und ihn deshalb bei einer Rückkehr in den Iran abweichend von dem sonst üblichen Verfahren einer verschärften Befragung über die näheren Umstände seiner Ausreise und seines anschließenden Aufenthalts in Deutschland zu unterziehen, sind nicht zu erkennen. Zwar hat der Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht behauptet, er sei vor seiner Ausreise aus dem Iran zusammen mit einem Freund nach einer Demonstration von zwei Motorradfahrern angehalten, mit Handschellen gefesselt und anschließend geschlagen und getreten worden. Der Kläger hat jedoch zugleich angegeben, er und sein Freund hätten sich mit den Angreifern nicht auf persisch verständigen können. Dafür, dass der Kläger den iranischen Sicherheitsbehörden durch diesen Vorfall als möglicher Regimegegner bekannt geworden ist, kann deshalb nicht ausgegangen werden.
28 
Für die beiden anderen vom Kläger bei seiner Befragung durch das Verwaltungsgericht geschilderten Vorfalle gilt das Gleiche. Dafür, dass die Festnahme des Klägers und seine anschließende Misshandlung durch die Polizei einen politischen Hintergrund hatte, kann den Angaben des Klägers nichts entnommen werden. Als Grund für seine Verhaftung hat der Kläger angegeben, dass er mit seinem Motorrad unterwegs gewesen sei und bei einer Polizeikontrolle keinen Führerschein habe vorweisen können. Vorhaltungen wegen seiner politischen Einstellung wurden ihm nach seinen eigenen Angaben zu keiner Zeit gemacht. Dies ist nach den Angaben des Klägers auch bei dem weiterem Vorfall im Sommer 2010, als er in einem Park zusammen mit Freunden von Bassidji angegriffen und misshandelt worden sei, nicht geschehen. Auch insoweit besteht daher kein Grund zu der Annahme, dass der Kläger von den iranischen Sicherheitsbehörden als möglicher Regimegegner registriert worden sein könnte.
29 
Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Kläger hat dabei zwar angegeben, sein Vater habe ihm am Telefon davon berichtet, von der iranischen Polizei nach dem Aufenthalt seines Sohnes gefragt worden zu sein. Die Frage, welchen Grund die iranische Polizei haben könnte, sich für den Aufenthaltsort des Klägers zu interessieren, blieb dabei jedoch unbeantwortet.
30 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Für die Frage, ob für den Kläger in seinem Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG besteht, gilt das eben Ausgeführte entsprechend. Die in Ziff. 4 des Bescheids vom 5.12.2011 verfügte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
32 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.10.2004 wird in seiner Nr. 2 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass für den Kläger hinsichtlich des Iran die Voraussetzungen des § 60 Abs.5 AufenthG gegeben sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein Staatsangehöriger des Iran, begehrt zum wiederholten Male seine Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch die Beklagte.
Der am ... in Teheran geborene Kläger ist persischer Volkszugehöriger schiitischer Glaubenszugehörigkeit und ledig. Er reiste eigenen Angaben zufolge auf dem Luftweg am 17.02.1999 in das Bundesgebiet ein, worauf er am 24.02.1999 um Asyl nachsuchte. Zur Begründung dieses ersten Asylverfahrens führte der Kläger im Wesentlichen an, er habe sich im Iran im Devisenhandel betätigt und über Geschäftspartner auch Beziehungen zu den Volksmudjaheddin gehabt. Einer seiner Geschäftspartner sei dann verhaftet worden, worauf er sich versteckt gehalten habe und schließlich ausgereist sei. Er habe seine Bestrafung befürchtet. Mit Bescheid vom 04.02.2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge diesen Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG nicht vorliegen und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind. Zugleich drohte es ihm die Abschiebung in den Iran an. Eine hiergegen gerichtete Klage des Klägers blieb erfolglos. Sie wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13.11.2003 - A 6 K 11303/02 - abgewiesen. Einen gegen diese Entscheidung gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 03.02.2004 - A 3 S 1309/03 - ab.
Mit Schriftsatz vom 30.08.2004 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Hierzu ließ er ausführen, er führe mit der iranischen Staatsangehörigen ... eine nichteheliche Beziehung, aus der am 01.06.2004 das Kind ... hervorgegangen sei. Er habe die Vaterschaft des Kindes vor dem Jugendamt des Rhein-Neckar-Kreises mit Urkunde vom 11.08.2004 anerkannt. Aufgrund seiner nichtehelichen Beziehung habe er im Iran mit der Steinigung zu rechnen. Er sei auch ohne grobes Verschulden gehindert gewesen, die neuen Umstände früher geltend zu machen. Die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs.3 VwVfG habe mit der Geburt seiner Tochter am 01.06.2004 zu laufen begonnen. Gerade durch die Geburt des Kindes sei seine außereheliche Beziehung nach außen hin manifestiert worden.
Mit Bescheid vom 12.10.2004 lehnte es das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ab, für den Kläger ein weiteres Asylverfahren durchzuführen (Nr. 1) sowie seinen ursprünglichen Bescheid vom 04.02.2000 hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen zu § 53 AuslG abzuändern (Nr. 2). Zur Begründung der Entscheidung führte das Bundesamt aus, aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich zunächst kein Hinweis darauf, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran einer politischen Verfolgung unterliege. Die von ihm befürchtete Bestrafung knüpfe nicht an asylerhebliche Merkmale an. Was seinen Wiederaufgreifensantrag zu den Abschiebungshindernissen des § 53 AuslG angehe, habe er jedenfalls die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs.3 VwVfG nicht eingehalten. So habe er die Möglichkeit gehabt, die von ihm geltend gemachten Umstände bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt vorzutragen. Abgesehen hiervon ergebe sich aus seinem Vortrag aber auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses. Zwar sei davon auszugehen, dass er zukünftig mit seiner Freundin und dem Kind in einer Familie zusammen leben werde. Es sei aber nichts dafür ersichtlich, weshalb dieses Verhältnis nicht durch eine Eheschließung legitimiert werden könne. Im Falle einer unterstellten gemeinsamen Rückkehr in den Iran könne den dortigen Behörden sodann glaubhaft gemacht werden, aus welchen Gründen - etwa wegen des Fehlens notwendiger Papiere - eine Heirat erst nach der Geburt des Kindes hätte erfolgen können. Bei dieser Sachlage aber könne keine konkrete Gefahr von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erkannt werden. Gründe, die gemäß den §§ 51 Abs.5, 48 oder 49 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 53 AuslG rechtfertigten, lägen ebenfalls nicht vor.
Der Kläger hat am 28.10.2004 Klage erhoben, mit der er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.1 AufenthG vorliegt; hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.2-5 und Abs.7 AufenthG vorliegen.
Zur Begründung der Klage macht er ergänzend geltend, seine Lebensgefährtin sei in Deutschland per Handy mit dem Tod bedroht worden. Deren Familie sei sehr religiös eingestellt und offenbar wüssten Angehörige ihrer Familie über deren tatsächliche Lebensverhältnisse in Deutschland Bescheid.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie nimmt auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug.
12 
Das Gericht hat das Verfahren des Klägers mit demjenigen seiner Lebensgefährtin sowie seines Kindes zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden.
13 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, es sei seine persönliche Freiheit, zu entscheiden, in welcher Weise er mit seiner Lebensgefährtin zusammen lebe. Eine Eheschließung müsse nicht unbedingt erfolgen. Er bestätige nochmals, dass er der Vater des Kindes sei.
14 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über den Kläger, seine Lebensgefährtin und sein Kind (5 Hefte) vor. Es hat seine Akten zu den Verfahren der Lebensgefährtin und des Kindes (A 6 K 12329/04 und A 6 K 11237/05) beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der gewechselten Schriftsätze und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beklagten über die Klage verhandeln und entscheiden, da diese auf die Förmlichkeiten der Ladung verzichtet hat.
16 
Die Klage ist zulässig, aber nur zu einem Teil begründet.
17 
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.10.2004 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, als er unter seiner Nr.1 den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hat. Denn der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs.1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 113 Abs.1 Satz 1, Abs.5 VwGO). Das Bundesamt ist indes verpflichtet, hinsichtlich des Klägers festzustellen, dass für diesen in Bezug auf den Iran die Voraussetzungen des § 60 Abs.5 AufenthG gegeben sind. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung unter Nr.2 des Bundesamtsbescheides vom 12.10.2004 aufzuheben.
18 
Gem. § 71 Abs. 1 AsylVfG ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Der Ausländer hat somit insbesondere darzulegen, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegte Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Diese Gründe können nur dann zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen, wenn der Asylbewerber ohne grobes Verschulden außer Stande war, sie in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen zu stellen (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Werden mehrere selbständige Wiederaufgreifensgründe geltend gemacht, ist für das Vorbringen eines jeden selbständigen Wiederaufgreifensgrunds jeweils die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG zu beachten (BVerwG, Beschl. v. 11.12.1989, NVwZ 1990, 359). Dies bedeutet, dass auch für einen erst im Verlaufe eines Rechtsstreits entstandenen Wiederaufgreifensgrund die Drei-Monats-Frist Geltung hat. Im Folgeantragsverfahren sind die Gerichte nicht befugt, andere als von dem Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, EZAR 212 Nr. 6).
19 
Soweit sich der Asylbewerber auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG beruft, muss er glaubhaft und substantiiert eine solche Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage vortragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.05.1993, InfAuslR 1993, 304 ff.). Weiterhin muss diesen Umständen wenigstens ein schlüssiger Ansatz für eine mögliche politische Verfolgung zu entnehmen sein. Das ist nicht der Fall, wenn sie von vornherein nach jeder vernünftigerweise vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet sind, zur Asylberechtigung zu verhelfen.
20 
Nicht ausreichend im Rahmen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist, wenn der Asylbewerber zwar zur Begründung seines Wiederaufgreifensgesuchs eine für ihn günstigere Sach- bzw. Rechtslage i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG schlüssig dargelegt hat, indes nicht ersichtlich ist, dass diese auch noch in dem maßgebenden Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) gegeben ist. Vielmehr trifft den Asylbewerber im Rahmen des Wiederaufgreifensantrags auch die Last zu einer schlüssigen Darlegung der Fortdauer der für ihn geltend gemachten günstigen Gegebenheiten (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.05.2000 - A 14 S 2594/98 -, AuAS 2000, 176 u. Beschl. v. 17.08.2000 - A 14 S 849/00 -).
21 
Hiervon ausgehend kann der erneute Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens insbesondere nicht zu der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs.1 AuslG (jetzt: 60 Abs.1 AufenthG) führen.
22 
Zur Begründung seines Asylfolgeantrags hat sich der Kläger allein darauf berufen, in Deutschland eine nichteheliche Beziehung mit einer Frau eingegangen zu sein, die, wie er auch, die iranische Staatsangehörigkeit besitzt und die auch in Deutschland um die Gewährung von Asyl nachgesucht hat. Aus dieser Verbindung sei am 01.06.2004 das Kind ..., seine Tochter, hervorgegangen, deren Vaterschaft er vor dem zuständigen Jugendamt anerkannt habe. Das Führen einer nichtehelichen Beziehung stehe indes im Iran unter Strafe, weshalb er im Falle einer Gefährdung in den Iran etwa eine Steinigung zu befürchten habe.
23 
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, einen der Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs.1 VwVfG (i.V.m. § 71 Abs.1 AsylVfG) im Hinblick auf die mit ihm geltend gemachte politische Verfolgung zu begründen. Im Gegenteil ist er von vornherein nach jeder vernünftigerweise vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet, dem Kläger zu einer Asylberechtigung oder zu der Rechtsstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention gem. § 60 Abs.1 AufenthG zu verhelfen.
24 
Nach Art.16a Abs.1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch Verfolgter ist, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung (asylerhebliche Merkmale) staatlichen oder dem Staat zurechenbaren Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahren für Leib oder Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt wäre oder -allgemein gesagt- politische Repressalien zu erwarten hätte (BVerfGE 54, 341; 68, 171), wobei Art.16a Abs.1 GG nicht schlechthin ausschließt, dass auch andere außer diesen in Art.1 A Nr.2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951 in der Fassung vom 31.01.1967 (BGBl. 1953 II, 559 und 1969 II, 1293) ausdrücklich genannten Merkmale zum Anknüpfungs- und Bezugspunkt für Verfolgungsmaßnahmen genommen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.1988, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.83). Eine Verfolgung ist dann eine "politische", wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines asylerheblichen Merkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, NVwZ 1990, 151 f.).
25 
Gemäß § 60 Abs.1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Hinsichtlich der Verfolgungshandlung, des geschützten Rechtsguts und des politischen Charakters der Verfolgung stimmen die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG mit den Voraussetzungen des Asylanspruchs nach Art.16a Abs.1 GG überein (vgl. zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 18.02.1992, DVBl.1992, 843 und Urt. v. 18.01.1994, NVwZ 1994, 497). Im Unterschied zu Art.16a Abs.1 GG können die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.1 AufenthG aber auch dann vorliegen, wenn eine Verfolgung von nicht staatlichen Akteuren ausgeht (vgl. § 60 Abs.1 Satz 4 lit. c AufenthG), wenn sie auf einem Umstand beruht, den der Asylbewerber erst nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, ohne dabei eine feste, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigte Überzeugung fortzuführen (§ 28 Abs.1 AsylVfG), oder wenn der Asylsuchende eine in einem anderen Land bestehende Sicherheit ohne Not aufgegeben hat (vgl. §§ 26a, 27 AsylVfG).
26 
Zutreffend hat bereits das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 12.10.2004 ausgeführt, dass die von dem Kläger befürchtete Bestrafung im Iran wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs keine politische Verfolgung im Sinne des Art.16a Abs.1 GG bzw. nach der Regelung des § 60 Abs.1 AufenthG darstellt. Die entsprechenden einschlägigen Vorschriften des islamischen Strafrechtes bezwecken den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Dabei lässt sich eine Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale bzw. die von § 60 Abs.1 AufenthG erfassten Gesichtspunkte gerade nicht feststellen. Die im Islam vorgesehenen Strafen wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten und nicht an eine eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaft an (vgl. etwa VG Münster, Urt. v. 10.12.2002 - 5 K 3970/98.A - ).
27 
Dem Kläger kommt indes ein Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aussetzung einer Abschiebung in den Iran nach § 60 Abs.5 AufenthG zu. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl.1952 II S.685) ergibt, dass eine Abschiebung unzulässig ist. Artikel 3 der Konvention regelt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Wie noch auszuführen ist, unterliegt der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran der Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Bestrafung. Da somit in seiner Person die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.5 AufenthG vorliegen, bedarf es keiner Entscheidung zu den weiteren von dem Kläger noch geltend gemachten Abschiebungshindernissen; in der Folge hiervon ist die dem entgegenstehende Entscheidung unter der Nr.2 des Bundesamtsbescheides vom 12.10.2004 aufzuheben.
28 
Einer Entscheidung zugunsten des Klägers nach § 60 Abs.5 AufenthG steht zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten nicht eine Versäumung der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs.3 VwVfG entgegen. Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des Klägers, wonach sich gerade durch die Geburt seiner Tochter am 01.06.2004 die der ursprünglichen Entscheidung des Bundesamts vom 04.02.2000 zugrunde gelegte Sachlage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat. Denn aufgrund der Geburt der Tochter ist es für den Kläger wesentlich schwerer geworden, die von ihm gelebte nichteheliche Beziehung zu seiner Lebensgefährtin nicht nach außen hin in Erscheinung treten zu lassen. Nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung geht das Gericht auch davon aus, dass der Kläger gegenwärtig gewillt ist, mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter eine familiäre Lebensgemeinschaft zu bilden. Gerade durch die Geburt seiner Tochter ist daher eine Änderung der Sachlage zu Gunsten des Klägers eingetreten, welche von diesem auch noch innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs.3 VwVfG mit dem Folgeantragsschriftsatz vom 30.08.2004 rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hätte hierauf das Verfahren zur Feststellung eines sonstigen Abschiebungshindernisses wiederaufgreifen müssen.
29 
Die Konsequenzen der Führung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Iran, die der Kläger dort insbesondere wegen seiner Tochter nicht verheimlichen könnte, sind in mehreren dem Verwaltungsgericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen dargestellt (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Auskunft v. 06.06.2002 an das VG Köln, Deutsches Orient- Institut, Stellungnahmen v. 04.11.1998 an das VG Augsburg, v. 08.04.2002 an das VG Wiesbaden und vom 27.02.2003 an das VG Darmstadt). Hiernach besteht für den Kläger für den Fall seiner nunmehrigen Rückkehr in den Iran die beachtliche Wahrscheinlichkeit, einer unmenschlichen und erniedrigen Bestrafung durch Peitschenhiebe wegen illegalen Geschlechtsverkehrs ausgesetzt zu werden.
30 
Die angesprochenen Erkenntnisquellen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass der Kläger zunächst den Straftatbestand des Art. 88 des islamischen Strafgesetzbuches verwirklicht hat, der eine sog. Hadd-Strafe in Höhe von 100 Peitschenhieben vorsieht, bei welcher es sich um eine aus dem Koran abgeleitete absolute „Gottesstrafe“ handelt. Wegen der für die sog. Hadd-Strafen geltenden sehr hohen Beweisanforderungen, die auch dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, offensichtlich ist, dass ein unerlaubter Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, weil die Lebensgefährtin des Klägers ein Kind geboren hat, dürfte allerdings die Verwirklichung des Tatbestands des Art. 88 des islamischen Strafgesetzbuches gegenüber dem Kläger nicht nachgewiesen werden können. Jedoch käme für diesen Fall eine Bestrafung des Klägers aufgrund des sog. „gewöhnlichen“ Tazir-Strafrechtes nach den Art. 637 ff. des islamischen Strafgesetzbuches in Betracht. So sieht insbesondere Art. 637 für eine ungesetzliche Beziehung oder eine sittenlose Tat eines Mannes und einer Frau außer Unzucht eine Strafe von bis zu 99 Peitschenhieben vor. Im Rahmen des sog. Tazir-Strafrechtes gelten nicht die sehr hohen Beweisanforderungen des Hadd-Strafrechtes, welches im Grundsatz einen Nachweis der Tathandlung durch mehrere Zeugen erfordert. Das Tazir-Strafrecht sieht auch den bloßen Indizienbeweis vor. Der Umstand, dass eine Tazir-Strafe nach dem Ermessen des zuständigen Richters - ohne dass hierauf ein Rechtsanspruch besteht - abgekauft werden kann, kann nach der Auffassung des Gerichts wegen der diesbezüglichen Ungewissheit nicht dazu führen, die angenommene Gefährdung des Klägers für den Fall seiner Rückkehr in den Iran als weniger hoch einzuschätzen (vgl. ebenso VG Darmstadt, Urt. v. 16.02.2004, NVwZ-RR 2004, 615, VG Münster, Urt. v. 10.12.2002 - 5 K 3970/98.A - und Urt. v. 16.01.2004 - 7 K 1778/98.A - ).
31 
Der von dem Gericht angenommenen Gefährdungslage nach § 60 Abs.5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegen halten, es sei dem Kläger unbenommen, durch eine Heirat im Bundesgebiet seine Beziehung zu der Lebensgefährtin zu legalisieren und auf diese Weise jedenfalls einer erhöhten Aufmerksamkeit für den Fall einer Rückkehr in den Iran zu entgehen. Denn die Entscheidung des Klägers und seiner Lebensgefährtin, derzeit noch keine Ehe einzugehen und ihre Verbindung als nichteheliche Lebensgemeinschaft weiterzuführen, entspricht deren allgemeinem Persönlichkeitsrecht nach Art.2 Abs.1 GG i.V.m. Art.1 Abs.1 GG sowie auch deren allgemeiner Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund kann dem Kläger aber seitens staatlicher Stellen nicht angesonnen werden, seine persönlichen Lebensverhältnisse in einer bestimmten Weise - etwa durch die Führung einer Ehe - zu gestalten. Der Kläger ist daher nicht verpflichtet, die für seinen Fall angenommene Gefährdung seiner Person für den Fall einer Rückkehr in den Iran im Wege einer Eheschließung zu verringern. Die Beklagte hat insoweit vielmehr die Entscheidung des Klägers zur Ausgestaltung seiner persönlichen Lebensverhältnisse zu respektieren.
32 
Für den Kläger besteht nach allem für den Fall seiner Rückkehr in den Iran zusammen mit seiner Partnerin und seinem nichtehelichen Kind die beachtliche Wahrscheinlichkeit, alsbald zu der unmenschlichen und erniedrigenden Strafe von bis zu 99 Peitschenhieben verurteilt zu werden. Bei dieser Sachlage aber ist seine Abschiebung nach § 60 Abs.5 i.V.m. Art. 3 EMRK unzulässig, was zu der Verurteilung der Beklagten entsprechend der tenorierten Entscheidung führt.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs.1 Satz 1 VwGO.
34 
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Gründe

 
15 
Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beklagten über die Klage verhandeln und entscheiden, da diese auf die Förmlichkeiten der Ladung verzichtet hat.
16 
Die Klage ist zulässig, aber nur zu einem Teil begründet.
17 
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.10.2004 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, als er unter seiner Nr.1 den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hat. Denn der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs.1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 113 Abs.1 Satz 1, Abs.5 VwGO). Das Bundesamt ist indes verpflichtet, hinsichtlich des Klägers festzustellen, dass für diesen in Bezug auf den Iran die Voraussetzungen des § 60 Abs.5 AufenthG gegeben sind. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung unter Nr.2 des Bundesamtsbescheides vom 12.10.2004 aufzuheben.
18 
Gem. § 71 Abs. 1 AsylVfG ist nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Der Ausländer hat somit insbesondere darzulegen, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrunde gelegte Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Diese Gründe können nur dann zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen, wenn der Asylbewerber ohne grobes Verschulden außer Stande war, sie in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen zu stellen (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Werden mehrere selbständige Wiederaufgreifensgründe geltend gemacht, ist für das Vorbringen eines jeden selbständigen Wiederaufgreifensgrunds jeweils die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG zu beachten (BVerwG, Beschl. v. 11.12.1989, NVwZ 1990, 359). Dies bedeutet, dass auch für einen erst im Verlaufe eines Rechtsstreits entstandenen Wiederaufgreifensgrund die Drei-Monats-Frist Geltung hat. Im Folgeantragsverfahren sind die Gerichte nicht befugt, andere als von dem Asylbewerber selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 30.08.1988, EZAR 212 Nr. 6).
19 
Soweit sich der Asylbewerber auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG beruft, muss er glaubhaft und substantiiert eine solche Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage vortragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.05.1993, InfAuslR 1993, 304 ff.). Weiterhin muss diesen Umständen wenigstens ein schlüssiger Ansatz für eine mögliche politische Verfolgung zu entnehmen sein. Das ist nicht der Fall, wenn sie von vornherein nach jeder vernünftigerweise vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet sind, zur Asylberechtigung zu verhelfen.
20 
Nicht ausreichend im Rahmen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist, wenn der Asylbewerber zwar zur Begründung seines Wiederaufgreifensgesuchs eine für ihn günstigere Sach- bzw. Rechtslage i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG schlüssig dargelegt hat, indes nicht ersichtlich ist, dass diese auch noch in dem maßgebenden Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) gegeben ist. Vielmehr trifft den Asylbewerber im Rahmen des Wiederaufgreifensantrags auch die Last zu einer schlüssigen Darlegung der Fortdauer der für ihn geltend gemachten günstigen Gegebenheiten (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.05.2000 - A 14 S 2594/98 -, AuAS 2000, 176 u. Beschl. v. 17.08.2000 - A 14 S 849/00 -).
21 
Hiervon ausgehend kann der erneute Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens insbesondere nicht zu der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs.1 AuslG (jetzt: 60 Abs.1 AufenthG) führen.
22 
Zur Begründung seines Asylfolgeantrags hat sich der Kläger allein darauf berufen, in Deutschland eine nichteheliche Beziehung mit einer Frau eingegangen zu sein, die, wie er auch, die iranische Staatsangehörigkeit besitzt und die auch in Deutschland um die Gewährung von Asyl nachgesucht hat. Aus dieser Verbindung sei am 01.06.2004 das Kind ..., seine Tochter, hervorgegangen, deren Vaterschaft er vor dem zuständigen Jugendamt anerkannt habe. Das Führen einer nichtehelichen Beziehung stehe indes im Iran unter Strafe, weshalb er im Falle einer Gefährdung in den Iran etwa eine Steinigung zu befürchten habe.
23 
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, einen der Wiederaufgreifensgründe des § 51 Abs.1 VwVfG (i.V.m. § 71 Abs.1 AsylVfG) im Hinblick auf die mit ihm geltend gemachte politische Verfolgung zu begründen. Im Gegenteil ist er von vornherein nach jeder vernünftigerweise vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet, dem Kläger zu einer Asylberechtigung oder zu der Rechtsstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention gem. § 60 Abs.1 AufenthG zu verhelfen.
24 
Nach Art.16a Abs.1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch Verfolgter ist, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung (asylerhebliche Merkmale) staatlichen oder dem Staat zurechenbaren Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahren für Leib oder Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt wäre oder -allgemein gesagt- politische Repressalien zu erwarten hätte (BVerfGE 54, 341; 68, 171), wobei Art.16a Abs.1 GG nicht schlechthin ausschließt, dass auch andere außer diesen in Art.1 A Nr.2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951 in der Fassung vom 31.01.1967 (BGBl. 1953 II, 559 und 1969 II, 1293) ausdrücklich genannten Merkmale zum Anknüpfungs- und Bezugspunkt für Verfolgungsmaßnahmen genommen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.1988, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.83). Eine Verfolgung ist dann eine "politische", wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines asylerheblichen Merkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, NVwZ 1990, 151 f.).
25 
Gemäß § 60 Abs.1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Hinsichtlich der Verfolgungshandlung, des geschützten Rechtsguts und des politischen Charakters der Verfolgung stimmen die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG mit den Voraussetzungen des Asylanspruchs nach Art.16a Abs.1 GG überein (vgl. zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 18.02.1992, DVBl.1992, 843 und Urt. v. 18.01.1994, NVwZ 1994, 497). Im Unterschied zu Art.16a Abs.1 GG können die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.1 AufenthG aber auch dann vorliegen, wenn eine Verfolgung von nicht staatlichen Akteuren ausgeht (vgl. § 60 Abs.1 Satz 4 lit. c AufenthG), wenn sie auf einem Umstand beruht, den der Asylbewerber erst nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, ohne dabei eine feste, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigte Überzeugung fortzuführen (§ 28 Abs.1 AsylVfG), oder wenn der Asylsuchende eine in einem anderen Land bestehende Sicherheit ohne Not aufgegeben hat (vgl. §§ 26a, 27 AsylVfG).
26 
Zutreffend hat bereits das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in seinem Bescheid vom 12.10.2004 ausgeführt, dass die von dem Kläger befürchtete Bestrafung im Iran wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs keine politische Verfolgung im Sinne des Art.16a Abs.1 GG bzw. nach der Regelung des § 60 Abs.1 AufenthG darstellt. Die entsprechenden einschlägigen Vorschriften des islamischen Strafrechtes bezwecken den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Dabei lässt sich eine Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale bzw. die von § 60 Abs.1 AufenthG erfassten Gesichtspunkte gerade nicht feststellen. Die im Islam vorgesehenen Strafen wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten und nicht an eine eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaft an (vgl. etwa VG Münster, Urt. v. 10.12.2002 - 5 K 3970/98.A - ).
27 
Dem Kläger kommt indes ein Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aussetzung einer Abschiebung in den Iran nach § 60 Abs.5 AufenthG zu. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl.1952 II S.685) ergibt, dass eine Abschiebung unzulässig ist. Artikel 3 der Konvention regelt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Wie noch auszuführen ist, unterliegt der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran der Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Bestrafung. Da somit in seiner Person die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.5 AufenthG vorliegen, bedarf es keiner Entscheidung zu den weiteren von dem Kläger noch geltend gemachten Abschiebungshindernissen; in der Folge hiervon ist die dem entgegenstehende Entscheidung unter der Nr.2 des Bundesamtsbescheides vom 12.10.2004 aufzuheben.
28 
Einer Entscheidung zugunsten des Klägers nach § 60 Abs.5 AufenthG steht zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten nicht eine Versäumung der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs.3 VwVfG entgegen. Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des Klägers, wonach sich gerade durch die Geburt seiner Tochter am 01.06.2004 die der ursprünglichen Entscheidung des Bundesamts vom 04.02.2000 zugrunde gelegte Sachlage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat. Denn aufgrund der Geburt der Tochter ist es für den Kläger wesentlich schwerer geworden, die von ihm gelebte nichteheliche Beziehung zu seiner Lebensgefährtin nicht nach außen hin in Erscheinung treten zu lassen. Nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung geht das Gericht auch davon aus, dass der Kläger gegenwärtig gewillt ist, mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter eine familiäre Lebensgemeinschaft zu bilden. Gerade durch die Geburt seiner Tochter ist daher eine Änderung der Sachlage zu Gunsten des Klägers eingetreten, welche von diesem auch noch innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs.3 VwVfG mit dem Folgeantragsschriftsatz vom 30.08.2004 rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hätte hierauf das Verfahren zur Feststellung eines sonstigen Abschiebungshindernisses wiederaufgreifen müssen.
29 
Die Konsequenzen der Führung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Iran, die der Kläger dort insbesondere wegen seiner Tochter nicht verheimlichen könnte, sind in mehreren dem Verwaltungsgericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen dargestellt (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Auskunft v. 06.06.2002 an das VG Köln, Deutsches Orient- Institut, Stellungnahmen v. 04.11.1998 an das VG Augsburg, v. 08.04.2002 an das VG Wiesbaden und vom 27.02.2003 an das VG Darmstadt). Hiernach besteht für den Kläger für den Fall seiner nunmehrigen Rückkehr in den Iran die beachtliche Wahrscheinlichkeit, einer unmenschlichen und erniedrigen Bestrafung durch Peitschenhiebe wegen illegalen Geschlechtsverkehrs ausgesetzt zu werden.
30 
Die angesprochenen Erkenntnisquellen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass der Kläger zunächst den Straftatbestand des Art. 88 des islamischen Strafgesetzbuches verwirklicht hat, der eine sog. Hadd-Strafe in Höhe von 100 Peitschenhieben vorsieht, bei welcher es sich um eine aus dem Koran abgeleitete absolute „Gottesstrafe“ handelt. Wegen der für die sog. Hadd-Strafen geltenden sehr hohen Beweisanforderungen, die auch dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, offensichtlich ist, dass ein unerlaubter Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, weil die Lebensgefährtin des Klägers ein Kind geboren hat, dürfte allerdings die Verwirklichung des Tatbestands des Art. 88 des islamischen Strafgesetzbuches gegenüber dem Kläger nicht nachgewiesen werden können. Jedoch käme für diesen Fall eine Bestrafung des Klägers aufgrund des sog. „gewöhnlichen“ Tazir-Strafrechtes nach den Art. 637 ff. des islamischen Strafgesetzbuches in Betracht. So sieht insbesondere Art. 637 für eine ungesetzliche Beziehung oder eine sittenlose Tat eines Mannes und einer Frau außer Unzucht eine Strafe von bis zu 99 Peitschenhieben vor. Im Rahmen des sog. Tazir-Strafrechtes gelten nicht die sehr hohen Beweisanforderungen des Hadd-Strafrechtes, welches im Grundsatz einen Nachweis der Tathandlung durch mehrere Zeugen erfordert. Das Tazir-Strafrecht sieht auch den bloßen Indizienbeweis vor. Der Umstand, dass eine Tazir-Strafe nach dem Ermessen des zuständigen Richters - ohne dass hierauf ein Rechtsanspruch besteht - abgekauft werden kann, kann nach der Auffassung des Gerichts wegen der diesbezüglichen Ungewissheit nicht dazu führen, die angenommene Gefährdung des Klägers für den Fall seiner Rückkehr in den Iran als weniger hoch einzuschätzen (vgl. ebenso VG Darmstadt, Urt. v. 16.02.2004, NVwZ-RR 2004, 615, VG Münster, Urt. v. 10.12.2002 - 5 K 3970/98.A - und Urt. v. 16.01.2004 - 7 K 1778/98.A - ).
31 
Der von dem Gericht angenommenen Gefährdungslage nach § 60 Abs.5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegen halten, es sei dem Kläger unbenommen, durch eine Heirat im Bundesgebiet seine Beziehung zu der Lebensgefährtin zu legalisieren und auf diese Weise jedenfalls einer erhöhten Aufmerksamkeit für den Fall einer Rückkehr in den Iran zu entgehen. Denn die Entscheidung des Klägers und seiner Lebensgefährtin, derzeit noch keine Ehe einzugehen und ihre Verbindung als nichteheliche Lebensgemeinschaft weiterzuführen, entspricht deren allgemeinem Persönlichkeitsrecht nach Art.2 Abs.1 GG i.V.m. Art.1 Abs.1 GG sowie auch deren allgemeiner Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund kann dem Kläger aber seitens staatlicher Stellen nicht angesonnen werden, seine persönlichen Lebensverhältnisse in einer bestimmten Weise - etwa durch die Führung einer Ehe - zu gestalten. Der Kläger ist daher nicht verpflichtet, die für seinen Fall angenommene Gefährdung seiner Person für den Fall einer Rückkehr in den Iran im Wege einer Eheschließung zu verringern. Die Beklagte hat insoweit vielmehr die Entscheidung des Klägers zur Ausgestaltung seiner persönlichen Lebensverhältnisse zu respektieren.
32 
Für den Kläger besteht nach allem für den Fall seiner Rückkehr in den Iran zusammen mit seiner Partnerin und seinem nichtehelichen Kind die beachtliche Wahrscheinlichkeit, alsbald zu der unmenschlichen und erniedrigenden Strafe von bis zu 99 Peitschenhieben verurteilt zu werden. Bei dieser Sachlage aber ist seine Abschiebung nach § 60 Abs.5 i.V.m. Art. 3 EMRK unzulässig, was zu der Verurteilung der Beklagten entsprechend der tenorierten Entscheidung führt.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs.1 Satz 1 VwGO.
34 
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2009 - M 22 K 07.50683 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2009 - 21 ZB 09.30109 - gegenstandslos.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer, ein 39jähriger syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste im August 2006 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner Anhörung gab er an, als Aktivist für die kurdische Sache in das Blickfeld syrischer Sicherheitskräfte geraten zu sein. Er habe sich mehr als zehn Jahre im Irak aufgehalten. Als er im April 2004 nach Syrien zurückgekehrt sei, habe man ihn festgenommen und anschließend bis Mai 2005 inhaftiert; in der Haft sei er erheblich gefoltert worden. Ihm sei die Zugehörigkeit zu einer geheimen Organisation vorgeworfen worden, die Syrien teilweise annektieren wolle. Am 3. März und 29. Mai 2005 habe es Verhandlungen beim Obersten Staatssicherheitsgericht gegeben; dabei sei er von einem Anwalt begleitet worden, den ihm seine gut bemittelte Familie besorgt habe. Ende Mai 2005 sei er wegen gesundheitlicher Gründe gegen Kaution freigelassen worden. Er habe Syrien Anfang September 2005 verlassen und sei über Jordanien nach Ägypten gereist, wo er sich bis zu seiner Ausreise nach Deutschland illegal aufgehalten habe. Dort habe er erfahren, dass er am 25. September 2005 in Abwesenheit zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden sei. Bei einem weiteren Verbleib in Syrien habe er mit seiner erneuten Verhaftung und Misshandlung rechnen müssen.

3

Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen vor, darunter zwei Ausweise einer irakischen Menschenrechtsorganisation, ein Anwalts- und Gerichtsschreiben vom 9. Juni 2005 und einen Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls.

4

2. Mit Bescheid vom 29. Mai 2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die bei der Anhörung gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen hätten zur Überzeugung des Einzelentscheiders geführt, dass der Beschwerdeführer in Syrien eine asyl- oder abschiebungsverbotsrelevante Verfolgung weder erlitten noch bei Rückkehr zu gewärtigen habe. Das Anwalts- und Gerichtsschreiben sowie der Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls wiesen erhebliche Fälschungsmerkmale auf. Einer Korrespondenzbestätigung des früheren Anwalts des Beschwerdeführers komme demgegenüber keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Auch einen politischen Hintergrund, der die Annahme zuließe, er könnte ernsthaft in das Blickfeld des syrischen Geheimdienstes geraten sein, vermöge der Beschwerdeführer nicht darzutun. Schließlich liege kein Abschiebungsverbot mit Blick auf die geltend gemachten Erkrankungen vor.

5

3. Mit seiner Klage machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass die Feststellung des Bundesamts, bei den vorgelegten Urkunden handele es sich um Fälschungen, nicht nachvollziehbar begründet worden sei. Zum Haftbefehl finde sich keine konkrete Aussage. Im Übrigen werde lediglich die Ungewöhnlichkeit der Formulierungen moniert, was nicht genüge, nachdem der frühere Anwalt die Echtheit und Authentizität des anwaltlichen Schreibens sowie die Vertretung des Beschwerdeführers vor dem Obersten Sicherheitsgericht bestätigt habe.

6

Für den Termin zur mündlichen Verhandlung kündigte der Beschwerdeführer an, zum Beweis der von ihm behaupteten Verurteilung und Inhaftierung sowie der Echtheit der vorgelegten Urkunden die Vernehmung des in England lebenden Anwalts zu beantragen. Zudem legte er weitere Unterlagen vor, darunter eine gutachtliche Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS) vom 6. Dezember 2008, die das Anwalts- und Gerichtsschreiben und den Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls als echt bewertete und die Angaben des Beschwerdeführers auf der Grundlage eigener Recherchen bestätigte, sowie zwei ärztlich-psychologische Stellungnahmen, die eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierten.

7

Im Verhandlungstermin stellte der Beschwerdeführer jeweils hilfsweise den schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag sowie den Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass er vom Staatssicherheitsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt wurde, ein Gutachten des EZKS oder einer anderen fachkundigen Stelle einzuholen.

8

4. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. Februar 2009 ab. Eine Asylanerkennung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer für die behauptete Einreise auf dem Luftweg beweisfällig geblieben sei. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft könne der Beschwerdeführer nicht beanspruchen, weil er weder vorverfolgt eingereist sei noch eine politische Nachfluchtaktivität dargetan habe. Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot bestehe aus den vom Bundesamt genannten Gründen ebenfalls nicht.

9

Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG begründete das Gericht damit, dass es dem Beschwerdeführer den Vortrag zu seinen Fluchtgründen nicht glaube. Seine Angaben zu den beim Bundesamt vorgelegten Ausweisen einer irakischen Menschenrechtsorganisation seien ungereimt. Der eigentliche Verfolgungsvortrag weise, insbesondere was den zehnjährigen Aufenthalt im Irak und die Umstände der Rückkehr nach Syrien angehe, schwere Widersprüche auf. Vor dem Hintergrund dieser Widersprüche seien auch die Angaben zu Folter und Misshandlung während der Untersuchungshaft unglaubhaft. Auskünfte von offizieller Seite seien nicht zu erwarten; der damalige Anwalt könne keinen Erkenntnisgewinn über die Behandlung des Beschwerdeführers in der Haft erbringen; die in den vorgelegten ärztlichen Gutachten beschriebenen Symptome seien für die behaupteten Misshandlungen nicht spezifisch, sondern könnten auch andere Ursachen haben. Selbst die behauptete Verurteilung und Inhaftierung seien nicht frei von Zweifeln. Das Auswärtige Amt weise in seiner Auskunft vom 23. Januar 2007 auf mehrere Fälschungsmerkmale in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hin und bezeichne die Freilassung gegen Kaution als ungewöhnlich. Diese gewichtigen Zweifel habe der Beschwerdeführer durch das Gutachten des EZKS vom 6. Dezember 2008, das seinem Wesen nach überdies parteiisch sei, nicht substantiiert erschüttern können. Deshalb und weil nicht dargelegt worden sei, dass bessere Erkenntnisse zu erwarten seien, sei der Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens einer anderen fachkundigen Stelle abzulehnen gewesen. Über die konkrete Verurteilung und die Dauer der Haft gäben auch die sonst vorgelegten Unterlagen keine Aufschlüsse. Der gewichtigste Einwand gegen eine Verurteilung liege schließlich in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer das Urteil selbst nicht vorgelegt habe, obwohl die syrische Strafprozessordnung Möglichkeiten der Mitteilung an Abwesende vorsehe.

10

Ergänzend führte das Gericht an, dass, selbst wenn man eine Verhaftung des Beschwerdeführers und seine Verurteilung vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht als wahr unterstellte - was das Gericht nicht tue -, darin keine politische Verfolgung gesehen werden könnte. Die Bestrafung wegen hochverräterischen Verhaltens stelle keine solche dar, sondern sei Ausfluss des legitimen Interesses jedes Staates auf Achtung seiner territorialen Integrität. Der Anwalt des Beschwerdeführers könne allenfalls diesen Umstand belegen, nicht jedoch eine politisch motivierte unangemessene Behandlung in der Haft oder sonstige politische Mali während und beim Ergebnis des Verfahrens. Die hilfsweise beantragte Zeugenvernehmung sei deshalb unerheblich, zumal sich der Anwalt schriftlich geäußert habe und die Vernehmung entsprechend § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO habe unterbleiben können.

11

5. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung machte der Beschwerdeführer neben den Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz geltend, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.

12

Das Verwaltungsgericht sei den hilfsweise gestellten Beweisanträgen pflichtwidrig nicht nachgekommen. Den Antrag auf Vernehmung des früheren Anwalts des Beschwerdeführers habe es mangels Vorliegens der Voraussetzungen weder als unerheblich übergehen noch aus Gründen des Prozessrechts ablehnen dürfen. Entsprechendes gelte für den weiteren Hilfsbeweisantrag. Das Auswärtige Amt habe die Echtheit der vorgelegten Unterlagen nicht abschließend verifiziert, sondern lediglich auf mögliche Fälschungsmerkmale hingewiesen. Diesen Zweifeln habe der Beschwerdeführer durch Vorlage des Gutachtens des EZKS vom 6. Dezember 2008 Rechnung getragen, weshalb die Behauptung des Verwaltungsgerichts, es fehle eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, ins Leere gehe. Die Beweiserhebung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil das vorgelegte Gutachten, wie vom Verwaltungsgericht behauptet, seinem Wesen nach parteiisch sei; das EZKS werde von vielen Gerichten und auch vom Bundesamt als Gutachter herangezogen.

13

Des Weiteren sei die Unterstellung des Verwaltungsgerichts, die posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers könne andere als die behaupteten Ursachen haben, aus der Luft gegriffen und objektiv nicht begründet. Dem Gericht fehle die erforderliche Sachkunde, um dies beurteilen zu können. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs sei weitere Sachaufklärung notwendig gewesen, wie ein aktueller psychologischer Befundbericht bestätige.

14

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 20. November 2009, der in Anwendung von § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG nicht begründet worden ist, ab.

15

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Ablehnung seines Schutzbegehrens durch das Verwaltungsgericht erweise sich als willkürlich. Die fachgerichtliche Beweiswürdigung stütze sich auf Indizien, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs und unter Missachtung von Beweisanträgen in das Urteil eingeführt worden seien mit der Folge, dass die restlichen Indizien möglicherweise anders gewertet worden wären.

16

Insbesondere die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge verstoße gegen Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Das Verwaltungsgericht sei nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung gehalten, den Sachverhalt, solange sich ein so genannter Politmalus nicht von vornherein ausschließen lasse, in einer der Bedeutung des Asylgrundrechts entsprechenden Weise aufzuklären; dies gelte entsprechend, wenn Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt werde. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Folterungen seien Indizien für einen Politmalus, der sich nicht nur an der Strafhöhe festmachen lasse. Der Beschwerdeführer habe dargelegt, dass sein Anwalt nicht nur zur Frage der Inhaftierung und Verurteilung, sondern auch zur Frage der Folter sachgerechte Angaben hätte machen können. Das Verwaltungsgericht habe den Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Anwalts deshalb nicht wegen Unerheblichkeit oder unter Verweis auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO und das Vorliegen einer schriftlichen Äußerung ablehnen dürfen. Auch dem weiteren Hilfsbeweisantrag habe das Verwaltungsgericht stattgeben müssen, um sich hinreichende Überzeugungsgewissheit zu verschaffen; das Vorliegen oder Nichtvorliegen der unter Beweis gestellten Verurteilung wegen eines politischen Delikts beeinflusse die Glaubhaftigkeitsbewertung insgesamt und habe deshalb nicht dahinstehen können.

17

Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG liege darin begründet, dass das Verwaltungsgericht sich mit den eingeführten ärztlichen Stellungnahmen nicht hinreichend auseinandergesetzt und es unterlassen habe, zu der vorgetragenen posttraumatischen Belastungsstörung und deren Ursachen ein weiteres Gutachten einzuholen.

18

7. Das Bayerische Staatsministerium des Innern und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

19

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil sie zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.

20

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer vor ihrer Erhebung den Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ordnungsgemäß erschöpft.

21

a) Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs keine Anhörungsrüge erhoben hat, obgleich er mit der Verfassungsbeschwerde Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht. Die Anhörungsrüge wäre offensichtlich unzulässig gewesen, weil sich der Beschwerdeführer mit ihr auf keine neue und eigenständige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Verwaltungsgerichtshof hätte berufen können (vgl. BVerfGK 13, 496 <499 f.>).

22

b) Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der materiellen Subsidiarität (vgl. BVerfGE 95, 96 <127>; 112, 50 <60 ff.>) liegt nicht vor. Ein solcher folgt insbesondere nicht daraus, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit, die beiden Beweisanträge unbedingt zu stellen (§ 86 Abs. 2 VwGO), nicht wahrgenommen hat. Um sich mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz rechtliches Gehör zu verschaffen, kann nicht die Stellung eines durch Beschluss zu bescheidenden unbedingten Beweisantrags verlangt werden. Die hilfsweise Stellung des Beweisantrags reicht aus, da sie das Gericht nicht von der Verpflichtung enthebt, die Erheblichkeit des Beweisangebots zu beurteilen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 1992 - 2 BvR 633/91 -, NVwZ 1992, S. 659 <660>).

23

2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Das Verwaltungsgericht hat die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG ergebenden Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG verfehlt.

24

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 16a Abs. 1 GG ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (vgl. BVerfGE 80, 315 <335>). Dies gilt indes dann nicht, wenn die staatliche Maßnahme allein dem - grundsätzlich legitimen - staatlichen Rechtsgüterschutz, etwa im Bereich der Terrorismusbekämpfung, dient (vgl. BVerfGE 80, 315 <339>) oder sie nicht über das hinausgeht, was auch bei der Ahndung sonstiger krimineller Taten ohne politischen Bezug regelmäßig angewandt wird (vgl. BVerfGE 81, 142 <151>). Das Asylgrundrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden (auch massiven) Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2004 - 2 BvR 1318/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 613 <614>). Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann freilich in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (so genannter Politmalus; vgl. BVerfGE 80, 315 <336 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>). Solange sich ein solcher "Politmalus" nicht von vornherein ausschließen lässt, haben die Fachgerichte den diesbezüglichen Sachverhalt in einer der Bedeutung des Asylgrundrechts entsprechenden Weise aufzuklären (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2004 - 2 BvR 1318/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 613 <614> und Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>).

25

Das Bundesverfassungsgericht überprüft die fachgerichtlichen Ermittlungen darauf, ob sie einen hinreichenden Grad an Verlässlichkeit aufweisen und auch dem Umfang nach, bezogen auf die besonderen Gegebenheiten im Asylbereich, zureichend sind (vgl. BVerfGE 76, 143 <162>; 83, 216 <234>). Eine fachgerichtliche Wertung beanstandet es, wenn sie anhand der gegebenen Begründung nicht mehr nachvollziehbar ist und/oder nicht auf einer verlässlichen Grundlage beruht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644> m.w.N.).

26

b) Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Asylgrundrecht, sondern auch für Verfahren, die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet sind (aus einfachrechtlicher Sicht ebenso BVerwG, Beschluss vom 3. August 2006 - 1 B 20/06 -, juris Rn. 2 f.; vgl. auch zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 10. Januar 1995 - 9 C 276/94 -, NVwZ 1996, 86 <88 f.>). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ergeben sich insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.

27

Den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen muss auch im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 GG wirksam Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGK 10, 108 <112 f.>). Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit und des Freiheitsgrundrechts. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert dieser Rechte Rechnung zu tragen (vgl. zu den Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 GG BVerfGE 117, 71<106 f.>). Jedenfalls in Fällen, in denen es um die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu. Die fachgerichtliche Verneinung einer Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG muss daher, solange ein politischer Charakter der Strafverfolgungsmaßnahmen nicht von vornherein auszuschließen ist, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen.

28

c) Diesen Anforderungen werden die tragenden Erwägungen des angegriffenen Urteils zur Verneinung einer vom Beschwerdeführer erlittenen politischen Verfolgung nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht ist der Frage, ob die vom Beschwerdeführer dargelegte und unter Beweis gestellte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht härter als diejenige zur Verfolgung ähnlicher nicht politischer Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit (vgl. BVerfGE 80, 315 <338>) und damit eine Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG gewesen sein könnte, nicht im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang nachgegangen.

29

aa) Mit dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht zu vereinbaren ist bereits, dass das Verwaltungsgericht es unterlassen hat, Feststellungen zum Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilung zu treffen. In den Urteilsgründen findet sich hierzu lediglich die ungenügende Aussage, die Verurteilung sei "keineswegs frei von Zweifeln".

30

(1) Wie die Verfassungsbeschwerde zu Recht ausführt, können aus dem Feststehen der Verurteilung wegen eines Staatsschutzdeliktes als solcher Schlüsse auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu deren politischem Charakter gezogen werden. Eine Bestätigung der vom Beschwerdeführer im Einzelnen dargelegten und unter Beweis gestellten Tatsache hätte insbesondere die vom Verwaltungsgericht gewonnene Auffassung, dass dessen Angaben zu Folter und Misshandlung während der Untersuchungshaft unglaubhaft seien, in Frage stellen und Anlass für eine andere Einschätzung der weiteren Aufklärungsmöglichkeiten, vor allem der mit dem ersten Beweisantrag angebotenen Zeugenvernehmung, geben können. Da das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, hierzu nachvollziehbare Feststellungen zu treffen, fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Grundlage für die Beurteilung der Asylrelevanz der Strafverfolgungsmaßnahme.

31

(2) Das Absehen von weiterer Sachaufklärung zum Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilung war auch nicht aus der Erwägung heraus gerechtfertigt, dass das Klagevorbringen hierzu keinen tatsächlichen Anlass bot (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Oktober 2000 - 2 BvR 941/99 -, juris Rn. 5). Der Beschwerdeführer hatte in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, zum Beweis seiner Verurteilung und Inhaftierung ein Gutachten des EZKS oder einer anderen fachkundigen Stelle einzuholen, und damit eine weitere Aufklärungsmöglichkeit benannt. Diese durfte das Verwaltungsgericht nicht mit der Begründung übergehen, dass der Beschwerdeführer nicht in detailliierter Auseinandersetzung mit der hohen Beweiswert genießenden Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Januar 2007 dargetan habe, warum an dessen Feststellungen Zweifel bestehen und eine andere Organisation bessere Erkenntnisse erbringen sollte. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes enthielt nämlich zur behaupteten Verurteilung überhaupt keine Aussage, sondern befasste sich lediglich mit der Frage, ob ein vor dieser datiertes Schreiben echt sei.

32

bb) Darüber hinaus entbehrt die hypothetische Annahme des Verwaltungsgerichts, bei unterstellter Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Oberste Staatssicherheitsgericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen Separatismus könne hierin keine politische Verfolgung gesehen werden, jeder tatsächlichen Grundlage.

33

Bei einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein syrisches Staatssicherheitsgericht bedurfte es einer Auseinandersetzung mit dem Einzelfall, um festzustellen, ob in der Anwendung der Strafgesetze durch das Gericht eine Maßnahme politischer Verfolgung zu erblicken war (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>). Das Verwaltungsgericht hätte erwägen und darlegen müssen, weshalb die Strafvorschrift als solche und nach der Strafverfolgungspraxis keinen Verfolgungscharakter aufweist, sowie Feststellungen dazu treffen müssen, dass die gegen den Betroffenen verhängte Strafe keine unverhältnismäßige, (auch) an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Sanktion darstellt (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 3. August 2006 - 1 B 20/06 -, juris Rn. 3). In diesem Zusammenhang wäre auch der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei im Zuge der Ermittlungen gefoltert worden, als Indiz für das Bestehen eines "Politmalus" nachzugehen gewesen.

34

Das Verwaltungsgericht hat ausweislich der Urteilsgründe keine dieser Erwägungen angestellt. Was die behauptete strafrechtliche Verurteilung angeht, hat es sich auf die - lediglich den Ausgangspunkt der gebotenen Befassung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bildende - Feststellung beschränkt, dass die Pönalisierung und Bestrafung hochverräterischen Verhaltens als solche keine politische Verfolgung darstelle. Auf die vom Beschwerdeführer vorgetragene Folter und Misshandlung ist es nur insoweit eingegangen, als seiner Auffassung nach die Einvernahme des früheren Anwalts des Beschwerdeführers hierzu keinen Erkenntnisgewinn bringen könne und die vorgelegten ärztlich-psychologischen Stellungnahmen insoweit keinen eindeutigen Aussagegehalt aufwiesen. Damit hat es seiner Aufklärungspflicht nicht genügt. Der Beschwerdeführer hatte klar zu erkennen gegeben, dass er einen Zusammenhang zwischen der Behandlung in der Haft und dem anschließenden Strafverfahren für gegeben erachte. Das Verwaltungsgericht hätte deshalb seinen Schilderungen über die erlittene Folter durch eigene Sachverhaltsermittlungen weiter nachgehen müssen. Da es hiervon abgesehen hat, entbehrt seine Wertung, dass die unterstellte Strafverfolgungsmaßnahme keinen politischen Charakter aufweise, jeder tatsächlichen Grundlage.

35

3. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Grundrechtsverletzung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Februar 2009 auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Auf das Vorliegen der weiter gerügten Grundrechtsverletzungen kommt es nicht an.

36

Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2009 wird damit gegenstandslos.

III.

37

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie bezüglich beider Zulassungsgründe nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2

1. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

3

1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).

4

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - BVerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in Bezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des Tatsachenstoffes berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des Revisionsrechts festgehalten und für das Bundesverwaltungsgericht keine Befugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher Bedeutung in "Länderleitentscheidungen", wie sie etwa das britische Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die Berufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auseinanderzusetzen.

5

Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 BvR 31/14 - InfAuslR 2017, 75). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen Beurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des Bundesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die Behörden des Heimatstaates von einer solchen Betätigung ausgingen. Für Tatsachenfragen - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen Bewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das Bundesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende Bewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

6

Im Ergebnis unterschiedliche Bewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - hier nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 B 249.03 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 B 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der Beweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

7

1.2 Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

8

a) Die Beschwerde hält zunächst - unter Hinweis auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 - 2 BvR 31/14 - (InfAuslR 2017, 75) - für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu einem Urteil vom 16.12.2016 nur subsidiärer Schutz, wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz meint, zu gewähren ist, oder aber der Flüchtlingsstatus gemäß Artikel 3 AsylG, z.B. der VGH Baden-Württemberg vom 19.06.2013, AZ A 11 S 927/13, der bei der gleichen Tatsachengrundlage abweichend rechtlich gelangt ist."

9

Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Von einer grundsätzlichen Bedeutung ist regelmäßig auszugehen, wenn eine bundesrechtliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte uneinheitlich beantwortet wird und es an einer Klärung des für die materiellrechtliche Subsumtion sowie die Tatsachenfeststellung und -würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstabes durch das Bundesverwaltungsgericht fehlt.

10

Dass sich vor diesem Hintergrund im vorliegenden Verfahren eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage stellt, wird von der Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Der bloße Hinweis darauf, dass zwei Obergerichte - bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage - zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, weist gerade nicht auf eine (klärungsfähige) Rechtsfrage des Bundesrechts, wenn und weil es an Darlegungen zur Frage fehlt, auf welchem (klärungsbedürftigen) Unterschied in den der Tatsachenbewertung zugrunde liegenden Rechtsauffassungen die im Ergebnis abweichende Beurteilung beruht. Es fehlen schon nähere Darlegungen, inwiefern mit Blick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahre 2013 weiterhin von einer identischen Tatsachengrundlage auszugehen ist. Soweit die Beschwerde behauptet, das Berufungsgericht gehe davon aus, dass sich die Umstände bis in das Jahr 2016 hinein nicht geändert hätten (UA S. 28), bezieht sich diese Feststellung auf den Umgang der syrischen Behörden mit Personen in Syrien, die aus ihrer Sicht verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen (UA S. 27). Hinsichtlich der Situation von Syrern, die nach illegaler Ausreise, Asylantragstellung und längerem Auslandsaufenthalt nach Syrien zurückkehren, ist das Berufungsgericht hingegen unter Einbeziehung neuerer Erkenntnisquellen und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Münster, Urteil vom 21. Februar 2017 - 14 A 2316/16.A - juris Rn. 47 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 2. Februar 2017 - 2 A 515/16 - juris Rn. 21 ff.; VGH München, Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30364 - juris Rn. 62 ff.; OVG Schleswig, Urteil vom 23. November 2016 - 3 LB 17/16 - juris Rn. 37) zu dem Ergebnis gekommen, es gebe keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden letztlich jeden Rückkehrer, der Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, ohne weitere Anhaltspunkte der Opposition zurechneten. Dabei hat es insbesondere berücksichtigt, dass inzwischen fast fünf Millionen Menschen und damit knapp ein Viertel der Bevölkerung aus Syrien geflohen ist. Insoweit sei auch dem syrischen Staat bekannt, dass der Großteil der Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Regime, sondern aus Angst vor dem Bürgerkrieg verlassen habe (UA S. 15 f.).

11

Dessen ungeachtet formuliert die Beschwerde auch keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage zum Flüchtlingsrecht. Insbesondere legt sie nicht näher dar, inwiefern in Fällen, in denen ein Staat Rückkehrer nicht generell einer regimefeindlichen Gesinnung verdächtigt, sondern - wie vom Berufungsgericht tatrichterlich und mangels durchgreifender Verfahrensrügen das Bundesverwaltungsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt - in ihnen allenfalls "potentielle" Gegner und "potentielle" Informationsquellen zur Exilszene sieht, auf die er möglicherweise wahllos routinemäßig zugreift (UA S. 21), um nach möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen zu "fischen" (UA S. 23), von der Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes nach § 3b Abs. 2 AsylG und damit von der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen einer möglichen Verfolgungshandlung und einem flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgrund auszugehen ist. Der Hinweis auf den "wahllosen" Zugriff des Regimes macht auch deutlich, dass das Berufungsgericht - ungeachtet der Verwendung der Bezeichnung "potentielle" Gegner oder "potentielle" Informationsquellen - nicht im rechtlichen Ansatz verkannt haben könnte, dass für die Verknüpfung von (möglicher) Verfolgungshandlung mit dem Verfolgungsgrund hinreicht, dass das Regime einem Rückkehrer eine bestimmte politische Überzeugung bzw. Regimegegnerschaft lediglich zuschreibt (§ 3b Abs. 2 AsylG) und auch sonst "unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist" (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG).

12

b) Ein Klärungsbedarf wird auch nicht hinsichtlich der Frage aufgezeigt,

"ob [dem Kläger] ..., zumal nach längerem Auslandsaufenthalt und Asylanerkennung im Ausland, wegen der Flucht ins Ausland vor der drohenden Einberufung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen seitens des syrischen Regimes drohen."

13

Abgesehen von dem Umstand, dass dem Kläger im Ausland kein Asyl, sondern lediglich subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, zeigt die Beschwerde auch insoweit keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Maßstabsfrage auf, sondern wendet sich lediglich gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung folgt insoweit auch nicht aus der von der Beschwerde herangezogenen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

14

aa) Das Berufungsgericht geht bei der Beurteilung der Frage, ob dem Kläger wegen der durch seine Flucht möglicherweise bewirkten Wehrdienstentziehung Verfolgung wegen eines in § 3b AsylG normierten Verfolgungsgrundes droht, zutreffend von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäben aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54 = DVBl 1987, 47, vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 - BVerwGE 81, 41 <44> und vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 = InfAuslR 1991, 310 <313>; allgemein zur Anknüpfung an die politische Überzeugung als Grundlage eines zielgerichteten Eingriffs in ein flüchtlingsrechtlich geschütztes Rechtsgut s.a. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315 <335>; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 <60 f.>). Auch für andere Fallgestaltungen wurde eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung dann verneint, wenn die verhängte Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft. So hat das Bundesverwaltungsgericht die Ausbürgerung eines türkischen Staatsangehörigen, der der Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes nicht nachgekommen war, als nicht asylerheblich gewertet (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 9 C 3.95 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 180 S. 63 f.). Es hat sich dabei auf eine Vorschrift des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes gestützt, wonach der Ministerrat denjenigen die türkische Staatsangehörigkeit aberkennen kann, die sich im Ausland aufhalten und ohne triftigen Grund drei Monate lang der amtlichen Einberufung zur Ableistung des Militärdienstes nicht nachkommen. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung bestätigt und konkretisiert, in der es um eine Ausbürgerung aufgrund der fehlenden Registrierung in einer ehemaligen Sowjetrepublik ging. Auch hier wurde hervorgehoben, dass eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht nicht als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden kann (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 24).

15

bb) Von diesen rechtlichen Maßstäben geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerde angeführten Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30372 - (juris) aus. Seine im Ergebnis von jener des OVG Rheinland-Pfalz abweichende Bewertung, dass Rückkehrern im militärdienstpflichtigen Alter (Wehrpflichtige, Reservisten), die sich durch Flucht ins Ausland einer in der Bürgerkriegssituation drohenden Einberufung zum Militärdienst entzogen haben, bei der Einreise im Zusammenhang mit den Sicherheitskontrollen von den syrischen Sicherheitskräften in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle Gesinnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine menschenrechtswidrige Behandlung, insbesondere Folter, droht (Rn. 72), gründet in der in Auswertung der Erkenntnislage gefundenen Überzeugung, dass die Sicherheitskräfte zurückkehrende Personen Maßnahmen nicht wahllos oder allein wegen der Nichterfüllung einer alle Staatsbürger männlichen Geschlechts und einer bestimmten Altersgruppe (wehrfähige Männer) gleichermaßen treffenden Pflicht unterziehen, sondern ihnen durchweg eine illoyale, politisch oppositionelle Haltung unterstellen; diese Einschätzung beruht mit der Zuschreibung einer bestimmten Handlungsmotivation an das syrische Regime und seine Sicherheitskräfte auf einer den Tatsachengerichten vorbehaltenen Sachverhaltswürdigung.

16

cc) Weder die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage selbst noch das sie stützende Vorbringen führt in Bezug auf die unterschiedliche Bewertung der Rückkehrgefährdung nach Syrien zurückkehrender wehrpflichtiger Personen die im Ergebnis unterschiedlichen Bewertungen auf unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Verknüpfung der (möglicherweise) drohenden Verfolgungshandlung (§ 3a AsylG) mit einem Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) zurück, die einer grundsätzlichen revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich sein könnten.

17

c) Auch die weiter aufgeworfenen Fragen, insbesondere

"ob Syrern, die aus einer vermeintlichen regierungsfeindlichen Zone ... stammen, in jedem Fall der hypothetischen Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht"

und

"ob aufgrund den vom OVG festgestellten Tatsachengrundlage die genannten Umstände in ihrer Gesamtschau rechtlich als politische Verfolgung zu qualifizieren sind."

rechtfertigen keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil die Beschwerde auch insoweit keine einer grundsätzlichen Klärung bedürftige Rechtsfrage aufzeigt, sondern sich in der Sache lediglich gegen die ihrer Auffassung nach unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wendet.

18

2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

19

2.1 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtsätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

20

2.2 Auch diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere werden die sich angeblich widersprechenden Rechtssätze nicht konkret herausgearbeitet. In dem herangezogenen Kammerbeschluss vom 22. November 1996 (- 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6) hatte das Bundesverfassungsgericht - zu Art. 16a GG - dahin erkannt, dass politische Verfolgung auch dann vorliegen kann, wenn der oder die Betroffene lediglich der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist; auch wenn sich die Sicherheitskräfte vom Beschwerdeführer in erster Linie Informationen über seine Verwandten und andere PKK-Mitglieder erhofft haben sollten, hätte er doch die ihm zugefügten Misshandlungen und Erniedrigungen wegen seiner Beziehungen zu den Gesuchten, mithin wegen des asylerheblichen Merkmals der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, erdulden müssen. Dem wird aber kein hiervon abweichender, vom Berufungsgericht aufgestellter Rechtssatz gegenübergestellt. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist vielmehr zu entnehmen, dass es von einem wahllosen Zugriff der Sicherheitsbehörden ausgeht, der gerade nicht an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal, etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, anknüpft; allenfalls geht das Berufungsgericht, ohne insoweit von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts abzuweichen, implizit davon aus, dass die Gruppe der nach illegaler Ausreise und Schutzbegehren zurückkehrenden Personen oder doch die Untergruppe der zurückkehrenden wehrfähigen Männer keine "bestimmte soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden. Im Übrigen erging die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 1996 - 2 BvR 1753/96 - (AuAS 1997, 6) zum Begriff der politischen Verfolgung in Art. 16a Abs. 1 GG, während es vorliegend um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG geht.

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.