Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 15. Apr. 2016 - W 2 K 15.30118

bei uns veröffentlicht am15.04.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Januar 2015 (GZ: 5844393 - 475) wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Höhe in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger, eine syrische Familie kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit wendet sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig.

Der am ... ... 1990 geborene Kläger zu 1), seine Ehefrau, die am ... ... 1987 geborene Klägerin zu 2), sowie ihre 2010 und 2012 geborenen Kinder, die Kläger zu 3) und 4) hatten nach eigenen Angaben Syrien am 24. Oktober 2013 verlassen und waren über die Balkan-Route am 31. August 2014 in die Bundesrepublik eingereist, wo sie am 7. November 2014 Asylantrag stellte.

Ein Abgleich der biometrischen Daten des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) ergab, dass die Kläger bereits am 28. November 2013 in Bulgarien Asyl beantragt hatten und in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt worden waren.

Auf die daraufhin im Dublin-Verfahren an Bulgarien gerichteten Wiederaufnahmegesuche, teilten die bulgarischen Behörden mit, dass den Klägern zu 1) und 2) mit Entscheidung vom 10. März 2014 bzw. vom 20. Mai 2014 in Bulgarien subsidiärer Schutz gewährt wurde und deshalb eine Wiederaufnahme im Dublin-Verfahren abgelehnt werde.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag der Kläger als unzulässig ab (Ziff. 1), forderte sie unter Fristsetzung zur Ausreise auf und droht ihnen andernfalls die Abschiebung nach Bulgarien an (Ziff. 2). Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem Urteil vom 17. Juni 2014, Az. 10 C 7.13, entschieden, dass ein erneutes Anerkennungsverfahren unzulässig sei, wenn dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz, also Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG schlössen eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gelte dies für subsidiären Schutz entsprechend. Der Asylantrag werde deshalb materiell nicht geprüft. Abschiebungshindernisse bezogen auf den sicheren Drittstaat, in den die Abschiebung angedroht werden solle, lägen nicht vor. Es obliege hierbei den Klägern unter Anlegung eines strengen Maßstabes, die Umstände darzulegen, aus denen sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdränge, dass sie von einem im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen seien. Die Angaben der Kläger, dass sie in Bulgarien keine Leistungen, keine Unterkunft und keine medizinische Versorgung erhalten hätten und die Kinder dort nicht zur Schule gehen könnten, lasse die Annahme eines Sonderfalls nicht zu. Die Unzulässigkeit des Asylantrags ergebe sich aus § 26a AsylVfG (nunmehr AsylG), so dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge grundsätzlich eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a AsylVfG (nunmehr AsylG) anordne. Die Abschiebungsandrohung sei als milderes Mittel allerdings ebenfalls zulässig. Die Ausreisefrist ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsyVfG (nunmehr AsylG). Der Bescheid wurde den Klägern am 13. Februar 2015 zugestellt.

Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger beim Verwaltungsgericht Würzburg mit Schriftsatz vom 20. Februar 2015, am selben Tag bei Gericht eingegangen, Klage erheben.

§ 26a AsylVfG (jetzt AsylG) beziehe sich nur auf die Anerkennung als Asylberechtigter gem. Art. 16a Abs. 1 GG. Die Kläger hätte aber nach § 13 AsylVfG (jetzt AsylG) auch Flüchtlingsschutz beantragt. Hinzu komme, dass Ungarn (gemeint ist wohl Bulgarien) die Rücknahme ablehne. Ihr Asylbegehren sei in Ungarn (gemeint ist wohl Bulgarien) zumindest teilweise abgelehnt worden, deshalb müsse über ihren Antrag auf Flüchtlingsschutz in einem ordnungsgemäßen Verfahren entschieden werden. Nach der Ablehnung der Rücknahme sei Deutschland für die Durchführung der Asylverfahren zuständig geworden, so dass der Asylausschluss des § 26a AsylVfG (jetzt AsylG) gar nicht anwendbar sei. Die Abschiebungsandrohung finde zudem keine Rechtsgrundlage in § 34a AsylVfG (jetzt AsylG) und sei schon deshalb rechtswidrig.

Die Kläger lassen beantragen:

Der Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2015, Az. 5844393-475, zugestellt am 13. Februar 2015, wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2015 teilte der Klägervertreter mit, dass die Klägerin zu 2) im 8. Monat schwanger sei. Der voraussichtliche Entbindungstermin sei der 12. Juli 2015.

Der Rechtstreit wurde mit Beschluss vom 18. November 2015 auf den Einzelrichter übertragen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Gem. § 101 Abs. 2 VwGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Entsprechende Einverständniserklärungen liegen mit dem Schreiben des Klägervertreters vom 26. November 2015 und der allgemeinen Prozesserklärung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. Februar 2016 mit Ergänzung vom 24. März 2016 vor.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 16. Januar 2015 ist insgesamt rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Asylgesetz (AsylG) i. d. F. d Bek. vom 2. September 2008 (BGBl. I 2008, 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Februar 2016, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidungsfindung maßgeblich.

Der formell rechtmäßige Bescheid ist sowohl in Ziffer 1) als auch in Ziffer 2) materiell rechtswidrig.

Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig findet weder eine Rechtsgrundlage in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, noch lässt sie sich im Wege der Umdeutung auf eine andere Rechtsgrundlage stützen.

Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2015, Az. 1 B 41/15 - juris, ausgeführt hat, dürfen vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein aufgrund von § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG als unzulässig abgelehnt werden. Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung in Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie n. F.), der für Asylanträge, die vor diesem Datum gestellt wurden, die Anwendung der Rechts- und Verfahrensvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie a. F.) vorsieht. Denn gem. Art. 25 Abs. 2 lit. a) RL 2005/85/EG müssen die Mitgliedstaaten - zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Asylantrag nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (sog. Dublin II-VO) nicht geprüft wird -, nur dann nicht prüfen, ob der Antragsteller als Flüchtling i. S. d. Qualifikationsrichtlinie anzuerkennen ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft bereits zuerkannt hat. Im Fall der Kläger wurde lediglich subsidiärer Schutz nicht jedoch die Flüchtlingseigenschaft gewährt. Eine vorzeitige Anwendung von Art. 33 Abs. 1 lit. a) der RL 2013/32/EU, der die Möglichkeit einräumt, einen Antrag auf internationalen Schutz, also Flüchtlingsanerkennung und subsidiären Schutz, als unzulässig abzuweisen, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz bereits in Form von subsidiärem Schutz gewährt hat, kommt wegen seiner belastenden Wirkung für den betroffenen Antragsteller auch gem. Art. 5 RL 2013/32/EG nicht in Betracht. In diesem Sinne ist § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Verweisung auf § 60 Abs.1 Satz 3 AufenthG nicht auch zur entsprechenden Anwendung der Ausnahmen für Fälle nach § 60 Abs.1 Satz 2 AufenthG führt, auf die § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG Bezug nimmt. Zur weiteren Begründung wird auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015, Az. 1 B 41/15 - juris, verwiesen. Die Kläger stellte am 7. November 2014 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag, mit dem sie gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG zugleich internationalen Schutz, d. h. die Flüchtlingsanerkennung und subsidiären Schutz beantragten. Da der Antrag vor dem 20. Juli 2015, dem Anwendungsstichtag für die Asylverfahrensrichtlinie n. F., datiert, muss § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG jedenfalls im Fall der Kläger europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass die Verweisungskette nicht dazu führt, dass ein Antrag auf Flüchtlingsanerkennung nur deswegen als unzulässig abgelehnt werden darf. Ob dies - bei unverändertem Inhalt der nationalen Norm - auch für Anträge gilt, die nach dem 20. Juli 2014 gestellt wurden, kann offen bleiben.

Die Ablehnung des klägerischen Asylantrags lässt sich auch nicht im Wege der Umdeutung auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrechterhalten.

Zwar kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt gem. § 47 Abs. 1 VwVfG in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können, und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Jedoch kommt eine Umdeutung in einen Ablehnungsbescheid auf einer anderen Rechtsgrundlage hier nicht in Betracht. Insbesondere lässt sich die Ablehnung als unzulässig nicht auf § 26a oder § 27a.

So findet § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG wegen der Vorrangigkeit des durch das Dublin-Verfahren geregelte Zuständigkeits- und Rückführungsregime schon keine Anwendung. Denn die Zuständigkeitsbestimmung auf der Grundlage des sog. Dublin-Verfahrens scheidet nicht schon deshalb aus, weil den Kläger von einem Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz zugesprochen wurde. Zwar endet nach der aktuell gültigen Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) die Anwendbarkeit des dort etablierten Systems zur Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaates in zeitlicher Hinsicht mit dem Erlass einer Entscheidung, die dem Antragsteller internationalen Schutz i. S.v. Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie n. F.) gewährt. Dies umfasst die Flüchtlingsanerkennung genauso wie die „bloße“ Gewährung subsidiären Schutzes. Gem. Art. 2 lit. f) der Dublin III-VO ist derjenige dann als „Begünstigter internationalen Schutzes“ anzusehen und das Dublin-Verfahren damit beendet. Dies gilt gemäß der Überleitungsbestimmung in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 der Dublin III-VO jedoch nur für Anträge, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.

Der von den Klägern in Bulgarien am 28. November 2013 gestellte Asylantrag fällt zeitlich also noch in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (sog. Dublin II-VO). So ordnet auch Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO für die Zuständigkeitsbestimmung ausdrücklich die Fortgeltung der Dublin II-VO an. Nichts anderes kann für die rechtliche Reichweite des beantragten Schutzes gelten. Denn anders als Art. 2 lit. f) Dublin III-VO, definiert Art. 2 lit. c) Dublin II-VO einen Asylantrag als „Ersuchen um internationalen Schutz eines Mitgliedstaates im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention“, so dass die Gewährung bloßen subsidiären Schutzes zugleich die Ablehnung des Antrags auf Flüchtlingsanerkennung beinhaltet, an die sich gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO für den ablehnenden Mitgliedstaat die Verpflichtung knüpft, den Drittstaatsangehörigen, der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen (vgl. dazu: VG Magdeburg, U. v. 5.10.2015, Az. 9 A 372/14 MD - juris). Nach den Regelungen der Dublin II-VO führt also nur die Anerkennung als Flüchtling i. S.v. Art 1 lit. g) der Dublin II-VO dazu, dass das Dublin-Verfahren danach keine Anwendung mehr findet. Im Unterschied zur neueren Dublin III-VO, die auf die im Jahr 2013 in Bulgarien gestellten Anträge der Kläger jedoch gerade nicht anwendbar ist, lässt die - für die nachwirkenden Rechtsfolgen des Antrags maßgebliche - Dublin II-VO die Zuerkennung subsidiären Schutzes für die Beendigung des Dublin-Regimes noch nicht genügen. Parallel zu den im Rahmen von § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG dargestellten Änderungen bei den Asylverfahrensrichtlinien wird mit der Umstellung von Dublin II-VO auf Dublin III-VO also eine Angleichung der Rechtsfolgen bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz an die Rechtsfolgen der Flüchtlingsanerkennung vollzogen. Aufgrund der jeweiligen Überleitungsvorschriften kommt diese Gleichstellung bei den Klägern jedoch zeitlich weder bei der Asylverfahrensrichtlinie noch im Dublin-Verfahren zum Tragen. So zieht die Zuerkennung des subsidiären Schutzes in Bulgarien am 10. März 2014 bzw. 20. Mai 2014 auch nicht die Beendigung des Dublin-Verfahrens nach sich, sondern ist bei der Rechtsfolgenbestimmung als Ablehnung eines Antrags auf Flüchtlingsanerkennung zu behandeln. Unerheblich ist dabei, dass die Verbescheidung der Anträge zeitlich bereits in den Anwendungsbereich der Dublin III-VO fällt. Denn die Fortgeltung des Dublin-Regimes ist allein an die Antragstellung geknüpft. Die Verpflichtung zur Wiederaufnahme gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO ist deshalb auch nicht durch das In-Kraft-Treten der Dublin III-VO erloschen. Sie wirkt vielmehr in das Dublin-Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit für die am 7. November 2014 in Deutschland gestellten Asylanträge hinein. Im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung der Dublin III-VO für einen Antrag nach dem 1. Januar 2014 sind die Regelungen der Dublin II-VO nämlich auch noch dann - implizit - beachtlich, wenn die Zuständigkeit sich aus der Prüfung und ggf. Verbescheidung eines Asylantrags ableitet, der zeitlich unter das Regelungsregime der Dublin II-VO fällt (vgl. VG Magdeburg, a. a. O.). So sieht auch Art. 41 Dublin III-VO ausdrücklich vor, dass - wenn ein Antrag nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde - Sachverhalte, die die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß dieser Verordnung nach sich ziehen können, auch berücksichtigt werden, wenn sie aus der Zeit davor datieren. Da die Zuständigkeit für die Asylanträge der Kläger auf der Grundlage des europarechtlichen Dublin-Regime zu bestimmen ist, findet die Drittstaatsregelung des § 26a AsylG gem. § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG keine Anwendung.

Die Ablehnung der Anträge als unzulässig kann auch nicht auf § 27a AsylG gestützt werden. Dies ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass Bulgarien die Anwendbarkeit des Dublin-Regimes verneint und die Wiederaufnahme der Kläger im Dublin-Verfahren ablehnt. Denn das europäische Regelwerk zur Bestimmung der Mitgliedstaaten ist unmittelbar geltendes Recht, dessen Anwendbarkeit nicht im Belieben der ebenfalls daran gebundenen Mitgliedstaaten steht. Jedoch haben die Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte in einer ermessensfehlerfreien Entscheidung über einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO aus humanitären Gründen entscheidet. Mit ihrem Vortrag, dass sie in Bulgarien keine Leistungen, keine Unterkunft und keine medizinische Versorgung bekommen hätten und die Kinder dort nicht zur Schule gehen könnten, haben sie bereits im Anhörungsverfahren Anhaltspunkte für die Prüfung eines solchen Selbsteintritts geltend gemacht. Die Beklagte hat sich damit im Rahmen des bei § 26a AsylG zu prüfenden Konzepts der normativen Vergewisserung zwar befasst, jedoch lediglich auf eine vermeintliche Darlegungslast der Kläger verwiesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung, wie sie für eine Ermessensentscheidung gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig gewesen wäre, hat nicht stattgefunden.

Die Vorschriften in der Dublin III-VO für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates dienen zwar prinzipiell allein der zügigen Bearbeitung von Asylanträgen und sind als organisatorische Regelungen nicht individualschützend. Wenn sie aber nicht nur die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln, sondern auch dem Grundrechtsschutz dienen, hat der Asylsuchende ein subjektives Recht auf Prüfung seines Asylantrags durch den zuständigen Mitgliedstaat (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris). Im Hinblick auf den Charakter von Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO als fakultative Bestimmung kommt zwar grundsätzlich nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfrei Entscheidung des Bundesamts gem. § 40 VwVfG in Betracht. Das Ermessen verdichtet sich aber dann zu einer Pflicht zum Selbsteintritt, wenn jede andere Entscheidung unvertretbar wäre. Zwar gelten auch für den Anspruch auf einen Selbsteintritt gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ähnlich strenge Maßstäbe wie im Rahmen des „Konzepts der normativen Vergewisserung“. Denn das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das „Prinzip gegenseitigen Vertrauens“, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Daraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris). Die diesem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zugrunde liegende Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. So kann ein Asylbewerber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Überstellung im Dublin-Verfahren jedenfalls mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris). Denn in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geht die europäische Rechtsgrundlage selbst davon aus, dass eine Überstellung unmöglich ist, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Zwar sind an die Feststellung solcher „systemischen Mängel“ hohe Anforderungen zu stellen. So liegen sie nur dann vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris). Für die Kläger ist dies im Falle einer Überstellung nach Bulgarien jedoch zu bejahen. Denn als Familie mit zwei Kleinkindern im Alter von vier und sechs Jahren, sowie dem 2015 geborenen Säugling gehören sie zu einem Personenkreis, der typischerweise besonders verwundbar und deswegen in einem erhöhten Maße schutzbedürftig ist. Das Gericht geht angesichts der aktuellen Erkenntnislage davon aus, dass die Lebensumstände, denen Asylbewerber bzw. subsidiär Schutzberechtigte nach einer Rücküberstellung nach Bulgarien ausgesetzt sind, im Fall einer Familie mit drei Kleinkindern typischer so ausgestaltet sind, dass mit einer Menschenrechtsverletzung zu rechnen ist. Denn nach den neuesten Auskünften über die Lebensbedingungen für Schutzsuchende in Bulgarien, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, haben Rückkehrer, die in Bulgarien als Flüchtlinge anerkannt worden sind oder subsidiären Schutz erhalten haben, bei einer Rückkehr keine reale Chance, dort Arbeit, eine Wohnung, eine finanzielle Unterstützung (Sozialhilfe) oder eine notwendige medizinische Versorgung zu erhalten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Stuttgart vom 23.7.2015; UNHCR, Aktualisierte Antworten auf Fragen im Zusammenhang mit der Überstellung nach dem Dublin-Verfahren vom Juni 2015; im Ergebnis ebenso: VG Oldenburg (U. v. 4.11.2015, Az. 12A49815 12 A 498/15 - juris). Es ist deshalb ernsthaft zu befürchten, dass die Kläger bei einer Rückkehr bzw. Abschiebung nach Bulgarien unter den dort gegenwärtig herrschenden Verhältnissen nicht in der Lage wären, das zum Leben notwendige Existenzminimum zu sichern. Es gibt keinen nationalen Integrationsplan, der es diesem Personenkreis ermöglicht, eine Existenz aufzubauen. Die EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU wurde noch nicht umgesetzt. Es gibt keine Unterstützung bei der Wohnungssuche. Zwar haben die Schutzberechtigten Anspruch auf Sozialhilfe - allerdings in geringerer Höhe als bulgarische Staatsangehörige. Tatsächlich erhalten sie diese Unterstützung jedoch nicht. So führt das Auswärtige Amt (a. a. O.) aus, dass der Erhalt eines Schutzstatus in der Regel Obdachlosigkeit bedeutet. Es besteht faktisch kein Zugang zur gesundheitlichen Versorgung. Ein ausgeweitetes Angebot an Sprachkursen existiert nicht. Faktisch haben rückkehrende Asylbewerber selbst im Fall ihrer Anerkennung keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Selbst die Möglichkeiten auf dem Schwarzmarkt sind beschränkt, da dieser überwiegend von Roma eingenommen wird. Weder der Kläger zu 1) noch die Klägerin zu 2) verfügen über eine berufliche Qualifikation, die ihnen - im Vergleich zu anderen Rückkehren - größere Chancen auf ein geregeltes Erwerbseinkommen ermöglichen würde. Im Gegenteil, durch die notwendige Betreuung ihrer drei Kleinkinder sowie den durch die Kinder gesteigerten Familienbedarf sind sie gegenüber anderen Rückkehrern noch zusätzlich benachteiligt. Hinzukommt, dass für die Kläger zu 3) und 4) ein angemessener Zugang zu Betreuungseinrichtungen und Schulen nicht gewährleistet erscheint. Geht man also unter Berücksichtigung der neueren Erkenntnismittel sowie der individuelle Verwundbarkeit der Kläger davon aus, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Bulgarien derzeit keine reale Chance hätte, sich eine tragfähige eigene Lebensgrundlage zu schaffen, die es der Familie erlauben würde, das zum Leben notwenige Existenzminimum zu erwirtschaften, begründet dies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung, die in den regelhaft auftretenden Defiziten der in Bulgarien herrschenden Aufnahmebedingungen angelegt ist. Damit liegt im spezifischen Fall der Kläger als einer Familie mit kleinen und Kleinstkindern eine rechtliche Unmöglichkeit der Überstellung nach Bulgarien. Gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO führt dies zwar zunächst nur dazu, dass das Verfahren der Zuständigkeitsprüfung fortgesetzt wird, um festzustellen, ob ein anderer Staat als zuständig bestimmt werden kann. Kommt eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat aber nicht in Betracht, so wird der das Dublin-Verfahren durchführende Staat gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 zuständig. Ist die Fortsetzung des Dublin-Verfahrens zur Feststellung eines anderen zuständigen Staates aussichtslos oder führt zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer, ist dies im Rahmen von Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zu berücksichtigen und kann zu einem subjektiven Anspruch auf Selbsteintritt der Bundesrepublik führen (vgl. VGH München, B.v. 3.12.2015 - 13a B 15.50124 - juris). Zwar liegen mit den Eurodac-Treffern vom 11. November 2014 für die Kläger zu 1) und 2) Anhaltspunkte für eine weitere Zuständigkeit Ungarns vor. Da die daran anknüpfenden Fristen zur Stellung eines Wiederaufnahmegesuches gem. Art 23 Abs. 2 Dublin III-VO jedoch seit langem verstrichen sind, ist auch im Lichte der Verfahrensdauer und unter Berücksichtigung eines Zuständigkeitswechsels gem. Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO von einem gebunden Anspruch der Kläger auf Selbsteintritt der Bunderepublik Deutschland auszugehen. Damit ist die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger zuständig. Die Ablehnung der Asylanträge als unzulässig in Ziffer 1) des angegriffenen Bescheids ist damit rechtswidrig.

Nichts anderes kann für die an die Ziffer 1) anknüpfenden Ziffern 2) und 3) des Bescheides gelten. Es kann damit dahinstehen, ob eine Abschiebungsandrohung als milderes Mittel auf § 34a AsylG gestützt werden kann.

Die Klage ist somit insgesamt begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Das Gerichtsverfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. Er ist über die Folgen einer Beschränkung des Antrags zu belehren. § 24 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19). Der nachfolgende Asylantrag ist unverzüglich zu stellen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger zu 1. bis 4. bilden eine Familie. Gemäß den Angaben der Eltern (Kläger zu 1. und 2.) sind sie afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige muslimisch-sunnitischen Glaubens. Der Kläger zu 1. (Ehemann/Vater) wurde demnach am 1. Januar 1989 in Herat geboren, die Klägerin zu 2. (Ehefrau/Mutter) am 1. Januar 1992 ebenfalls in Herat, die Klägerin zu 3. (Kind) am 1. Januar 2010 in Teheran/Iran, der Kläger zu 4. (Kind) am 1. Januar 2014 in Van/Türkei. Sie reisten am 15. Juni 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten Asylanträge. Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 8. Juli 2014 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gaben die Kläger zu 1. und 2. Folgendes an: Sie seien im Jahr 2009 in den Iran übergesiedelt und hätten in Teheran geheiratet. Anfang 2014 seien sie von dort ausgereist und über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich ins Bundesgebiet gelangt. Sie seien wegen der Menschenrechte und in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Deutschland gekommen. Ihre Personalpapiere seien ihnen auf dem Reiseweg weggenommen worden oder seien verloren gegangen.

Am 20. August 2014 verzeichnete das Bundesamt EURODAC-Treffer bezüglich Griechenland und Ungarn und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an die Dublin- Stelle in Ungarn. Mit Schreiben vom 22. August 2014 teilte das Bundesamt den Klägern mit, dass ein Dublinverfahren eingeleitet worden sei. Die Einwanderungsbehörde (Dublin Unit) der Republik Ungarn stimmte dem Ersuchen mit Schreiben vom 29. August und 1. September 2014 zu. Durch Bescheid vom 11. September 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab (1.) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (2.). In der Begründung ist ausgeführt, dass die Asylanträge gemäß § 27a AsylVfG (nunmehr AsylG) unzulässig seien, weil für deren Behandlung nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO Ungarn zuständig sei. Am 24. September 2014 erhoben die Kläger beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 6 K 14.50237) und beantragten einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (Au 6 S 14.50238). Zur Begründung machten sie unter Vorlage eines fachärztlichen psychiatrischen Attests vom 25. Juni 2014 geltend, dass bei der Klägerin zu 2. Verdacht auf eine rezidivierende depressive Störung in gegenwärtig schwerer Episode bestehe. Außerdem legten sie einen fachärztlichen Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses Kempten vom 2. Oktober 2014 vor, demgemäß sich die Klägerin zu 2. wegen akuter Suizidalität ab dem 19. September 2014 in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden hatte. Hierbei wurde folgende Diagnose gestellt: Rezidivierende depressive Störung in gegenwärtig schwerer Episode mit psychotischen Symptomen und eine posttraumatische Belastungsstörung.

Durch Beschluss vom 1. Oktober 2014 ordnete das Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage an. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens legten die Kläger ein 19-seitiges Attest des Kompetenzzentrums Psychotraumatologie der Universität Konstanz vom 12. November 2014 vor („Kurzer psychodiagnostischer Befund“ der Dipl.-Psych. Dr. B.), wonach eine schwere chronische posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bei sehr hoher Suizidalität bestehe. Durch Urteil vom 21. November 2014 hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf. Aufgrund der schweren seelischen Erkrankung der Klägerin zu 2. bestehe für die Beklagte zwingend die Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO. Jene könnte ihr Asylverfahren in Ungarn nicht durchführen, ohne einer ernsthaften gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Durch den Verstoß gegen die genannte Vorschrift sei die Klägerin zu 2. in ihren Rechten verletzt. Bei besonderer Schutzbedürftigkeit könne sich das Ermessen der Behörde zu einem Anspruch des Asylsuchenden auf Selbsteintritt verdichten.

Aufgrund des Antrags der Beklagten vom 17. Dezember 2014 bezüglich der Nr. 1 des angefochtenen Bundesamtsbescheids hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 1. Juni 2015 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugelassen (13a ZB 14.50090). Es sei zu klären, ob ein Kläger im Dublin-Verfahren nicht allein systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedstaat, sondern auch eine besondere Schutzwürdigkeit wegen einer schweren Erkrankung für den Fall der Abschiebung geltend machen kann.

Die Beklagte verweist in der Berufungsbegründung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel entgegentreten könne.

Sie beantragt,

die Klage unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung abzuweisen, soweit diese noch keine Rechtskraft erlangt hat.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie machen in der Berufungserwiderung geltend, dass aufgrund der fachärztlich diagnostizierten Erkrankung der Klägerin zu 2. hier ein dauerhaftes Vollstreckungshindernis bestehe, welches allein schon die Aufhebung der Abschiebungsanordnung gebiete. Es komme hier nicht auf die mögliche medizinische Versorgung in Ungarn an, weil das Verwaltungsgericht auf gesundheitliche Gefahren abgestellt habe, deren Ursache nicht in den Aufnahmebedingungen des Zielstaats liege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet (§ 125 Abs. 1, § 128 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu Recht ergangen. Die Entscheidung der Beklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG das Asylgesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722).

Die Klagen sind zulässig.

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - juris zu Art. 2 Buchst. e Dublin II-VO) richtigerweise als die allein statthafte Klageart angesehen, wenn es - wie hier - um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin III-Verordnung geht (Verordnung - EU - Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - ABl. Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO).

Die Klagen sind auch begründet.

Die Voraussetzungen des vom Bundesamt zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen § 27a AsylG für eine Unzulässigkeit des Asylantrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit liegen nicht vor, weil Deutschland entgegen der Auffassung der Beklagten zur Entscheidung über die Asylanträge zuständig ist.

Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit kann sich aus der Dublin III-VO ergeben, auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Dieses Verfahren dient zuvörderst dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin III-VO ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 2, 3, 4, 5 und 40). Im Verfahren nach der Dublin III-VO steht deshalb insbesondere die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat. Gemessen hieran wäre nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO eigentlich die Republik Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, weil die Kläger, aus einem Drittstaat kommend, die Grenze dieses Mitgliedstaats überschritten hatten. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamts hatte Ungarn mit Schreiben vom 29. August und 1. September 2014 zugestimmt (Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO). Entsprechend der Konzeption der Dublin III-VO hat das Bundesamt den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. Die Frist von sechs Monaten zur Überstellung der Kläger beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erst mit der endgültigen Entscheidung über die Berufung als rechtshängigen Rechtsbehelf, weil die Klage im vorliegenden Fall infolge der Anordnung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO aufschiebende Wirkung hat (s. Art. 27 Abs. 3 Buchst. b Dublin III-VO). Demzufolge wäre grundsätzlich Ungarn nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO verpflichtet, die Kläger aufzunehmen.

Für den Fall, dass ein Mitgliedstaat - wie hier - der Aufnahme zugestimmt hat, kann ein Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin II-VO und dem folgend des Bundesverwaltungsgerichts (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208; BVerwG, U.v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - juris; B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677; s. auch U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377) damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden. Art. 3 Abs. 2 der hier maßgeblichen Dublin III-VO regelt nunmehr ausdrücklich, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der im dortigen Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortsetzt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen. Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (s. hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 75 ff.; BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Gemäß der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asyl- und Asylhaftsystem systemische Mängel aufweist und für Antragsteller die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht (EGMR, U.v. 3.7.2014 - Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12 - NLMR - Newsletter Menschenrechte - 2014, 282; s. auch BayVGH, B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris).

Ob die Verfahrensumstände im Mitgliedstaat Ungarn mittlerweile systemische Schwachstellen aufweisen, kann hier aber dahinstehen, weil die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalls bereits nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen ist. Danach kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Aufgrund ihrer besonderen Situation haben die Kläger im vorliegenden Fall auch einen Anspruch darauf, dass ihre Asylanträge in Deutschland geprüft werden. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann ein Kläger zwar allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Dezember 2015, § 27a Rn. 52). Bei der Anwendung dieser fakultativen Bestimmung steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu (EuGH, U.v. 10.12.2013 a. a. O. Rn. 57). Das Ermessen verdichtet sich aber dann zu einer Pflicht zum Selbsteintritt, wenn jede andere Entscheidung unvertretbar wäre. Eine solche Fallkonstellation ist anzunehmen, wenn in einer Situation, in der Grundrechte des Antragstellers im Falle der Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel verletzt würden, die Lage des Antragstellers durch eine unangemessen lange Verfahrensdauer noch verschlimmert würde (EuGH, U.v. 14.11.2013 a. a. O. Rn. 35 und vom 21.12.2011 a. a. O. Rn. 98; BVerwG, B.v. 27.10.2015 a. a. O.). Darüber hinaus besteht eine Pflicht zum Selbsteintritt, wenn im Fall der Überstellung eine in den persönlichen Umständen des Betroffenen wurzelnde Grundrechtsverletzung gegeben wäre.

Gleiches gilt für den Einwand der Beklagten, dass ein Asylbewerber nach der bereits erwähnten Rechtsprechung der europäischen Gerichte und des Bundesverwaltungsgerichts einer Überstellung grundsätzlich nur mit dem Einwand systemischer Mängel entgegentreten kann. Die Vorschriften in der Dublin Ill-VO für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats dienen zwar prinzipiell allein der zügigen Bearbeitung von Asylanträgen und sind als organisatorische Regelungen nicht individualschützend. Wenn sie aber nicht nur die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln, sondern (auch) dem Grundrechtsschutz dienen, hat der Asylsuchende ein subjektives Recht auf Prüfung seines Asylantrags durch den danach zuständigen Mitgliedstaat und kann eine hiermit nicht im Einklang stehende Entscheidung des Bundesamts erfolgreich angreifen (BVerwG, U.v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris).

Eine solche Fallkonstellation liegt hier aufgrund der schweren und fortwährenden psychischen Erkrankung der Klägerin zu 2. (Ehefrau/Mutter) vor. Aus dem Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheit nach Art. 3 Abs. 1 GR-Charta ergibt sich die Pflicht zum Selbsteintritt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die in der GR-Charta verankerten Grundrechte bei der Auslegung und Anwendung der Dublin-Vorschriften zu berücksichtigen (EuGH, U.v. 6 6.2013 - C-648/11 - NVwZ-RR 2013, 735 Rn. 50 ff.; zum Zusammenhang von Grundrechtsschutz und Individualschutz vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris). Außerdem ist zu bedenken, dass nach Art. 19 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, die Pflicht besteht, Antragstellern mit schweren psychischen Störungen die erforderliche medizinische Versorgung und psychologische Betreuung zu gewähren. Nach Art. 21 dieser Richtlinie ist ferner die spezifische Situation von Personen mit psychischen Störungen zu berücksichtigen. Gemäß den Befunden des Bezirkskrankenhauses Kempten (Fachkrankenhaus für Psychiatrie) vom 7. Januar 2015 und einer niedergelassenen Fachärztin für Psychiatrie vom 25. Februar 2015 liegen bei der Klägerin (nach vier Suizidversuchen) eine schwere depressive Episode nach F32.2 und eine posttraumatische Belastungsstörung nach F43.1 vor. Nach der Diagnose der niedergelassenen Fachärztin besteht auch noch eine erhebliche Selbstgefährdung. Die Behandlung erfolgt ambulant und mittels Verschreibung/Einnahme von drei verschiedenen Psychopharmakon-Tabletten (Neuroleptika und Antidepressivum). Gemäß dem Befund der Universität Konstanz vom 12. November 2014 (S. 18) ist eine langfristige Behandlung bei gleichzeitiger Stabilisierung der Lebenssituation erforderlich. In dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (3.12.2015) gab es keine Anzeichen für eine positive Veränderung des Krankheitsbilds. Zwischen den Prozessbeteiligten ist unstreitig, dass der Zustand nach wie vor dringend behandlungsbedürftig ist.

Bei derartigem Grundrechtsbezug, der sich hier in einer schwerwiegenden Krankheit äußert, ist eine Ermessensreduzierung auf Null und damit eine Pflicht zum Selbsteintritt anzunehmen. Das ergibt sich aus den Wertungen der Dublin III-VO selbst, die sich nicht nur auf rein verfahrenstechnische Regelungen beschränkt. Die gesonderte Erwähnung von Personen, die wegen Krankheit auf die Unterstützung von Verwandten angewiesen sind (Art. 16 Dublin III-VO) zeigt, dass der Unionsgesetzgeber die Ermessensausübung dort einschränken will, wo Grundrechte berührt sind. Ähnlich verhält es sich mit den Zuständigkeitsbestimmungen für unbegleitete Minderjährige, die nicht nur die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln, sondern auch dem Grundrechtsschutz dienen und individualschützend sind (BVerwG, U.v. 16.11.2015 - 1 C 4.15 - juris). In derartigen Fällen besteht grundrechtsbedingt die Pflicht zum Selbsteintritt, welche ein subjektives Recht vermittelt (so auch Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 17 K2, K3, K6; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Dezember 2015, § 27a Rn. 182; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27a AsylG Rn. 61, 70; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, Kap. 9 Rn. 46 f.; ders., AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 27a Rn. 62; ders., Änderungen im Dublin-Verfahren nach der Dublin III-VO, ZAR 2014, 5/9; ders., Ausgewählte Probleme des Eilrechtsschutzes im Dublin-Verfahren, InfAuslR 2015, 164/166; Lübbe, Prinzipien der Zuordnung von Flüchtlingsverantwortung und Individualrechtsschutz im Dublin-System, ZAR 2015, 125/131; a.A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand November 2015, § 27a AsylG, Rn. 106). Die Annahme des Selbsteintritts steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK. Danach besteht grundsätzlich kein Anspruch auf weiteren Verbleib in einem bestimmten Staat, um dort eine notwendige medizinische oder psychologische Behandlung fortführen zu können, sofern nicht ausnahmsweise zwingende humanitäre Gründe gegen eine unfreiwillige Ortsveränderung („removal“) sprechen (EGMR, U.v. 4.6.2013 - Daytbegova und Magomedova ./. Österreich, Nr. 6198/12 - hudoc.echr.coe.int. Rn. 63, 67). Dieser Vorbehalt kommt im vorliegenden Fall zum Tragen. Gemäß den vorliegenden fachärztlichen Attesten ist damit zu rechnen, dass im Fall der Abschiebung das labile seelische Gleichgewicht der Klägerin zu 2. in riskanter Weise aus den Fugen geraten würde. Eine solche Maßnahme würde eine Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit bewirken und wäre somit ein Eingriff in die geistige Unversehrtheit (Jarras, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 7).

Für die Kläger zu 1., 3. und 4. als Familienangehörige im Sinn von Art. 2 Buchst. g Dublin III-VO ergibt sich der Selbsteintritt aus den unionsrechtlichen Vorschriften zum Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 GR-Charta, Art. 11 Dublin III-VO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob die drohende Verschlechterung des Gesundheitszustands ein triftiger ermessensleitender Gesichtspunkt bei der Prüfung des Selbsteintritts ist und ob sich der Betroffene hierauf berufen kann, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt (vgl. Berlit, Anmerkung vom 16.6.2014 zu BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - jurisPR-BVerwG 12/2014 Anm. 3).

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.