Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2018:0306.7K11079.17.00
bei uns veröffentlicht am06.03.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines aufsichtsbehördlichen Bescheids, mit welchem ihr unter Beanstandung der entsprechenden vorangegangenen Beschlüsse des Gemeinderates auferlegt wird, erneut über die Feststellung der gemeindlichen Jahresabschlüsse für die Jahre 2011 und 2012 zu beschließen und dem ehemaligen Ortsbürgermeister, dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde sowie den Beigeordneten die Entlastung für die betreffenden Jahre zu erteilen.

2

Die Jahresabschlüsse der Jahre 2011 und 2012 waren zuvor am 4. März 2015 Beratungsgegenstand einer Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses der Klägerin. Nach einem Vortrag und Erläuterungen des für die Erstellung des Jahresabschlusses zuständigen Mitarbeiters der Verbandsgemeinde, Einsichtnahme in die zu prüfenden Unterlagen des Jahresabschlusses und stichprobenartiger Prüfung der Belegsammlung erhob der Rechnungsprüfungsausschuss keine Bedenken gegen die Jahresabschlüsse und empfahl jeweils mit zwei „Ja" und einer „Nein"- Stimme, die Feststellung der Jahresabschlüsse durch den Gemeinderat und die Erteilung der Entlastung für den ehemaligen Ortsbürgermeister und die ehemaligen Beigeordneten. In der Folgezeit nahmen die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses nach Mitteilung der Verbandsgemeinde am 22. Mai 2015 Einsicht in die Akte „Stichstraße O...“.

3

Daraufhin stimmte der Gemeinderat der Klägerin am 25. Juni 2015 über die Feststellung der Jahresabschlüsse und die Erteilung der Entlastung ab. Hierbei wurden die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse zu den Jahren 2011 und 2012 sowie die Entlastung des ehemaligen Bürgermeisters ..., des ehemaligen Ortsbürgermeisters ... und der ehemaligen Beigeordneten ... - welche im vorliegenden Rechtsstreit beigeladen sind - jeweils mit 6 „Nein“- Stimmen und 4 „Ja“- Stimmen abgelehnt. Zur Begründung für die Verweigerung der Entlastung führten zwei Ratsmitglieder an, sich nicht über die geltenden Gesetze hinweg setzen zu wollen. Der Vorsitzende des Gemeinderates stützte seine Entscheidung darauf, dass die Angelegenheit zur Stichstraße O... hinsichtlich des Zahlenwerkes streitig sei und gegen Vergaberichtlinien verstoßen worden sei. Ein weiteres Rats- und Prüfungsausschussmitglied, ..., bemängelte Verstöße gegen § 103 und § 113 der rheinland- pfälzischen Gemeindeordnung - GemO -.

4

Des Weiteren verwies er auf eine zuvor in der Gemeinderatssitzung mündlich geäußerte Stellungnahme. Hiernach habe er den Jahresabschlüssen nicht zustimmen können, da zum einen gegen die gesetzlich vorgesehenen Fristen (§ 108 Abs. 4 GemO und § 114 Abs. 1 GemO) sowie gegen § 114 Abs. 2 GemO verstoßen worden sei und die Rechnungsabschlüsse zum anderen der in § 113 GemO geforderten Vorstellung einer geordneten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Klägerin widersprächen. Insbesondere würden Schulden mit Schulden bezahlt und es sei nicht absehbar, dass diese Schulden jemals getilgt würden. Seine Aufforderung, diese Verstöße in das Protokoll zur Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses aufzunehmen, sei von der Mehrheit der Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses abgelehnt worden. Zudem habe er festgestellt, dass die bei der Angelegenheit „Stichstraße O...“ anfallenden Kosten im Gemeinderat auf ... Euro beziffert worden seien. Zum 30. Juli 2011 habe jedoch eine Kostenrechnung in Höhe von ... Euro vorgelegen, so dass sich eine Differenz von ... Euro ergebe. Dabei sei seiner Ansicht nach gegen Vergabegrundsätze verstoßen worden. Auch hätten Beschlüsse oft nur in Kopie vorgelegen. Zudem habe zwischen dem Ortsbürgermeister ..., dem Beigeordneten ... und einer Bürgerin ein Bürgergespräch über die Reduzierung der Baukosten durch die Abführung von Grundwasser über das Grundstück der Bürgerin stattgefunden, welches nicht protokolliert worden sei.

5

Nach Mitteilung der Verbandsgemeinde K... - Verbandsgemeinde - über die Beschlüsse der Klägerin bat die Kreisverwaltung Trier- Saarburg - Kreisverwaltung - den Bürgermeister der Verbandsgemeinde am 15. September 2015, die Beschlüsse nach § 42 GemO auszusetzen. Zur Begründung führte sie aus, die seitens der Klägerin vorgebrachten Gründe könnten die Verweigerung der Feststellung der Jahresabschlüsse sowie der Entlastung nicht rechtfertigen. Bei § 114 Abs. 1 GemO handele es sich nicht um eine Ausschlussfrist. Die Verzögerungen bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse seien auf die Einführung der kommunalen Doppik zurückzuführen. Auch gäben die Jahresabschlüsse die tatsächlichen Verhältnisse der Ortsgemeinde L... wieder. Das Gesamtbild der finanziellen Gegebenheiten zeige, dass die Klägerin ihre Haushaltswirtschaft in den vergangenen Jahren nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ausgeführt habe. Ferner lägen keine sonstigen schwerwiegenden Verstöße vor, welche dienstrechtliche Maßnahmen und Schadensersatzansprüche notwendig machen und daher die Beschlüsse rechtfertigen könnten.

6

Mit Schreiben vom 2. Februar 2016 setzte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde die Beschlüsse vom 25. Juni 2015 zur Feststellung der Jahresabschlüsse 2011 und 2012 sowie der Verweigerung der Entlastung unter Berufung auf § 42 Abs. 1 GemO aus und forderte den Gemeinderat dazu auf, sich in der nächsten Sitzung nochmals mit der Angelegenheit zu befassen und eine erneute Beschlussfassung herbeizuführen. Zur Begründung wiederholte er die Erwägungen der Kreisverwaltung.

7

In der Folge stimmte der Gemeinderat der Klägerin am 22. Februar 2016 erneut über die Feststellung der Jahresabschlüsse 2011, 2012 sowie die Erteilung der Entlastung ab. Dabei verblieb er mit jeweils 5 „Ja"- und 3 „Nein"- Stimmen bei seiner ablehnenden Entscheidung.

8

Daraufhin wandte die Kreisverwaltung sich am 18. April 2016 an die Klägerin. Eine materielle Prüfung der Gemeinderatsbeschlüsse vom 25. Juni 2015 habe ergeben, dass die vorgebrachten Gründe die Entscheidung, die Entlastung und Feststellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2011 und 2012 zu verweigern, evident nicht rechtfertigten. Ihr Schreiben sei als Anhörung für eine eventuell folgende Bestätigung der Aussetzungsentscheidung durch die Aufsichtsbehörde und sich ggf. daran anschließende weitere kommunalaufsichtliche Mittel (Anordnung gemäß § 122 ff. GemO) zu betrachten.

9

In der Folge beriet der Gemeinderat der Klägerin am 19. Mai 2016 erneut über die streitbefangenen Beschlüsse. Im Ergebnis blieb er mit 6 „Ja"- und 4 „Nein"- Stimmen bei seinen Beschlüssen vom 25. Juni 2015.

10

Nach entsprechender Mitteilung durch die Verbandsgemeinde erließ die Kreisverwaltung am 13. Oktober 2016 den streitgegenständlichen Bescheid - gerichtet an den Ortsbürgermeister der Klägerin -, mit welchem sie die Beschlüsse des Gemeinderates vom 25. Juni 2015, 22. Februar 2016 und 19. Mai 2016 über die Feststellung der Jahresabschlüsse 2011 und 2012 sowie die Entlastung beanstandete, den Gemeinderat aufforderte, die Beschlüsse aufzuheben und erneut unter Beachtung der ihm gesetzlich obliegenden öffentlichrechtlichen Pflichten - „siehe nachfolgende Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht“ - a) über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse 2011/ 2012 zu beschließen und b) dem ehemaligen Ortsbürgermeister, dem Bürgermeister sowie den Beigeordneten, soweit diese den Orts- bzw. Verbandsbürgermeister vertreten haben, bis zum 30. November 2016 die Entlastung zu erteilen. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihre Erwägungen aus dem Schreiben vom 15. September 2016.

11

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 28. Oktober 2016 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie anführte, die aufsichtsbehördliche Anordnung sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht in Gestalt des kommunalen Haushaltsrechts aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz und Art. 49 der rheinland- pfälzischen Landesverfassung. Der Beklagte überschreite seine Befugnisse aus § 122 GemO, denn eine entsprechende Anordnung könne nur getroffen werden, wenn eine der Körperschaft obliegende Verpflichtung verletzt werde. Dies sei hier nicht der Fall, denn durch das Versagen der Entlastung würden allenfalls innerorganschaftliche Rechtsstellungen beeinträchtigt. Die Entlastung habe bisher nicht erteilt werden können, da die Verbandsgemeinde der Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung die zur Klärung des Sachverhaltes angeforderten Akten nicht übermittelt habe. Schließlich sei weder das Entschließungs- noch das Auswahlermessen sachgerecht ausgeübt worden. Es sei nicht erkennbar, ob und inwieweit geprüft worden sei, ob als relativ milderes Mittel eine Beratung der Klägerin und das Drängen auf Klärung des Sachverhaltes ausgereicht hätten.

12

Im Februar 2017 beantragte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten bei der Verbandsgemeinde Akteneinsicht in die Verwaltungsakten betreffend die Angelegenheiten „Jugendplatz“ und „Stichstraße O...“. Die Akten zur Stichstraße O... wurden am 23. März 2017 an ihren Prozessbevollmächtigten übermittelt. Hingegen wurde die Akte „Jugendplatz“ nicht zur Einsicht übersandt, da sie nach Auffassung der Verbandsgemeinde nicht Gegenstand des Rechnungsprüfungsverfahrens waren. Zuvor hatte der Ortsbürgermeister dem Prozessbevollmächtigten mit Vollmachtsurkunde vom 26. Januar 2017 entsprechend einem vorigen Gemeinderatsbeschluss eine Prozessvollmacht erteilt. Hierüber informierte der Verbandsbürgermeister die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier - ADD - am 18. Mai 2017 und teilte mit, er gehe davon aus, dass die ADD von dem beauftragten Rechtsanwalt Weiteres hören werde.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2017, zugestellt am 8. August 2017, wies die ADD den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie die Ausführungen aus dem streitgegenständlichen Bescheid. Ergänzend trug sie vor, sofern es der Tatsache entspreche, dass dem Antrag eines Prüfungsausschussmitglieds auf Akteneinsicht in die Akte „Stichstraße O...“ nicht entsprochen worden sei, könne dies nicht zur Ablehnung der Feststellung des Jahresabschlusses bzw. der Entlastung führen. Mit Unterzeichnung des Protokolls durch alle Mitglieder des Prüfungsausschusses sei das Rechnungsprüfungsverfahren abgeschlossen. Im Nachgang dazu seien keine Nachprüfungen bzw. weitere Einsichtsrechte mehrheitlich durch den Prüfungsausschuss veranlasst worden. Des Weiteren habe die Klägerin im Anschluss an das Rechnungsprüfungsverfahren keine dienstrechtlichen Maßnahmen und Schadensersatzansprüche gegenüber Dritten geltend gemacht, sodass sie selbst davon ausgehe, dass ein schwerwiegender Verstoß nicht vorliege. Nach einer Gesamtwürdigung sei nicht auszuschließen, dass persönliche Differenzen zwischen den Organen bzw. Organteilen die Entscheidung wesentlich beeinflusst haben. Aufgrund des offensichtlichen Rechtsverstoßes durch die Klägerin und deren beharrlicher Weigerung, die Jahresabschlüsse festzustellen und die Entlastung zu erteilen, sei die Maßnahme nach § 122 GemO zudem gerechtfertigt gewesen. Überdies greife der Entscheidungstenor nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Klägerin ein, da ihr weiterhin Handlungsspielraum in Bezug auf die Feststellung der Jahresabschlüsse eröffnet werde. Auch der eindeutige Entscheidungstenor in Bezug auf die Entlastungserteilung sei nicht ermessensfehlerhaft, da die Beschlussfassung über die Feststellung des geprüften Jahresabschlusses nur im Zusammenhang mit der Entlastung zu sehen sei. Die Entlastung sei insoweit nur eine Folgeentscheidung, dass die Rechnungsprüfung abgeschlossen sei. Zudem unterlägen auch Handlungen der Gemeindeorgane dem aufsichtsbehördlichen Anordnungsrecht, denn die Gemeinde sei nur durch ihre Organe handlungsfähig. Im Übrigen handele es sich bei der Feststellung der Jahresabschlüsse und der Erteilung der Entlastung um keine rein internen Angelegenheiten, da beides Außenwirkung für das gesamte Haushaltswesen entfalte.

14

Nach voriger entsprechender Beschlussfassung des Gemeinderates vom 4. September 2017 hat die Klägerin am 6. September 2017 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus der Widerspruchsbegründung. In Ergänzung führt sie aus, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde habe die Entscheidung des Gemeinderates der Klägerin wegen eigener Betroffenheit/Befangenheit nicht aussetzen dürfen. Auch müsse sich die Entlastung an das Organ und nicht an den Amtsinhaber persönlich richten, weshalb die Abstimmung bereits fehlerhaft sei. Die Voraussetzungen des § 122 GemO lägen nicht vor, denn nach dem Wortlaut des streitgegenständlichen Bescheides handele es sich eher um eine Beanstandung nach § 121 GemO. Mit Blick auf § 122 GemO fehle es bereits an einem Unterlassen der Klägerin, da diese über Entlastung und Feststellung entschieden habe und keine Pflicht zur Entlastung bestehe.

15

Während des laufenden Klageverfahrens hat der Rechnungsprüfungsausschuss der Klägerin - nachdem zwischenzeitlich am 18. September 2017 zwei Mitglieder des Ausschusses neu nominiert wurden - in einer Sitzung am 22. November 2017 mehrheitlich beschlossen, alle vom Rechnungsprüfungsausschuss von 2014 bis zum 31. August 2017 gefassten Beschlüsse und Empfehlungen in Gänze aufzuheben. Des Weiteren hat der Rechnungsprüfungsausschuss den Beschluss gefasst, die vom Ratsmitglied ... benannten Bedenken hinsichtlich der Jahresabschlüsse 2011 und 2012 in die Niederschrift zu der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses vom 4. März 2015 aufzunehmen. Bei dem Beschluss über die Änderung der Niederschrift hat lediglich das Ratsmitglied ... mit „Ja" gestimmt, während die beiden neu nominierten Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses sich enthalten haben, da sie bei der Sitzung am 4. März 2015 nicht anwesend waren. Der Gemeinderat der Klägerin hat den Beschlussempfehlungen und Entscheidungen des Rechnungsprüfungsausschusses am 23. November 2017 einstimmig zugestimmt.

16

Die Klägerin beantragt,

17

den Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchbescheides der ADD vom 1. August 2017 aufzuheben.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

21

Zur Begründung bezieht der Beklagte sich auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, der Rechnungsprüfungsausschuss habe seine Aufgabe durch die Beschlussfassung am 4. März 2015 abschließend erfüllt, so dass das neuerliche Tätigwerden im zeitlichen Kontext zum laufenden Gerichtsverfahren jedweder Grundlage entbehre.

22

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen sowie den Verwaltungsakten. Die genannten Unterlagen lagen vor und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

I.

24

Insbesondere ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthaft, denn bei der streitgegenständlichen aufsichtsbehördlichen Anordnung handelt es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (Gesetz vom 23. Dezember 1976 (GVBl. S. 308), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015 (GVBl. S. 487)) i. V. m. § 35 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -. Der an den Ortsbürgermeister, d. h. den gesetzlichen Vertreter der Klägerin (§ 47 Abs. 1 S. 1 der rheinland- pfälzischen Gemeindeordnung (in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. 1994, 153), zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.03.2017 (GVBl. S. 21) - GemO -), gerichtete Bescheid entfaltet gegenüber der Gemeinde Außenwirkung, da er diese in ihrem Selbstverwaltungsrecht in Gestalt ihrer kommunalen Finanzhoheit (Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz - GG -, Art. 49 Abs. 1, 3 der Landesverfassung für Rheinland- Pfalz, Gesetz vom 18. Mai 1947 (VOBl. 1947, 209), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.05.2015 (GVBl. S. 35) - LV -) betrifft (vgl. BVerwG, NJW 1965, 317, beck-online).

25

Richtigerweise wendet sich die Gemeinde als Körperschaft im Klagewege gegen den streitgegenständlichen Bescheid, denn dem Gemeinderat kommt insofern kein eigenes Klagerecht zu. Insbesondere resultiert ein solches nicht aus § 42 Abs. 2 S. 2 GemO, denn Streitgegenstand ist nicht die Aussetzung der Gemeinderatsbeschlüsse durch den Verbandsbürgermeister, sondern allein die aufsichtsbehördliche Maßnahme des Beklagten.

26

Die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis der Gemeinde folgt aus der Möglichkeit einer Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts in Gestalt der kommunalen Finanzhoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 49 Abs. 1 und 3 LV infolge der aufsichtsbehördlichen Anordnung gegenüber ihrem Organ.

27

Klagegegner ist gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 VwGO i. V. m. dem Rechtsträgerprinzip das Land Rheinland- Pfalz, denn die Kreisverwaltung Trier-Saarburg hat in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 GemO als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung gehandelt, § 55 Abs. 2 Nr. 1 der rheinland- pfälzischen Landkreisordnung (in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBl. S. 18), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2017 (GVBl. S. 21) - LKO -).

28

Auch hat die Gemeinde, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, entsprechend dem vorhergehenden Gemeinderatsbeschluss vom 4. September 2017, wirksam Klage erhoben. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde K..., welcher - mangels Eingreifens einer der in § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GemO genannten Ausnahmen - nach § 62 Abs. 3 VwGO im gerichtlichen Verfahren gesetzlicher Vertreter der Klägerin ist, hat die auf dem Gemeinderatsbeschluss vom 26. Januar 2017 basierende Vollmachtserteilung durch den Ortsbürgermeister der Klägerin jedenfalls konkludent genehmigt, indem er der ADD mit Schreiben vom 18. Mai 2017 mitteilte, er gehe davon aus, dass diese von dem seitens der Gemeinde beauftragten Rechtsanwalt Weiteres hören werde - ohne hierbei Einwände gegen die Vollmachtserteilung zu erheben.

II.

29

Die Klage, deren übrige Zulässigkeitsvoraussetzungen ebenfalls vorliegen, ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

30

Taugliche Ermächtigungsgrundlage für die aufsichtsbehördliche Anordnung ist § 122 GemO, denn die Kreisverwaltung hat sich nicht auf die Kassation der streitgegenständlichen Gemeinderatsbeschlüsse beschränkt, sondern darüber hinaus positiv angeordnet, dass der Gemeinderat erneut - unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht - über die Feststellung der Jahresabschlüsse beschließen und die Entlastung erteilen soll.

31

Hierbei ist unschädlich, dass die Kreisverwaltung im Bescheid vom 13. Oktober 2016 zunächst die im Streit stehenden Gemeinderatsbeschlüsse beanstandet hat. Zwar ist es grundsätzlich nicht möglich, die Aufsichtsmittel der Beanstandung und Anordnung kumulativ anzuwenden, da die Beanstandung der Gemeinde zunächst die Gelegenheit zu einer internen Selbstkorrektur der beanstandeten Rechtsverstöße geben soll (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 1992 - 15 A 2219/89 -, Rn. 6, juris). Eine kumulative Anwendung liegt hier jedoch nicht vor, denn die Beanstandung der Beschlüsse dient erkennbar lediglich der Begründung der nachfolgenden Anordnung (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 1992, a. a. O., Rn. 7). Dies wird insbesondere daran deutlich, dass der die Beanstandung regelnde § 121 GemO an keiner Stelle des Bescheids Erwähnung findet, sondern ausschließlich die Voraussetzungen des § 122 GemO geprüft werden.

32

Ebenso unterliegt es keinen Bedenken, dass die Kreisverwaltung den Gemeinderat zugleich zur Aufhebung der Gemeinderatsbeschlüsse aufgefordert hat. Es ist der Aufsichtsbehörde nicht verwehrt, der Gemeinde im Rahmen einer Anordnung aufzugeben, entgegenstehende Beschlüsse aufzuheben, da die Vorschaltung einer eigenständigen Beanstandung aufgrund der damit einhergehenden Verzögerungen die aufsichtsbehördliche Kontrolle wesentlich erschweren würde (vgl. PdK RhPf B- 1, GemO § 122, Ziff. 1.1., beck-online).

33

Überdies ist der Erlass einer aufsichtsbehördlichen Anordnung nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Bürgermeister der Verbandsgemeinde die Beschlüsse des Gemeinderates der Klägerin zuvor nach § 42 Abs. 1 GemO ausgesetzt hat. Ohne dass die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens im vorliegenden Rechtsstreit einer Entscheidung bedürfte, hindert die vorige Aussetzung durch den Bürgermeister die Aufsichtsbehörde nicht am Erlass einer Anordnung nach § 122 GemO, da es sich um zwei selbstständige Verfahren unterschiedlicher Art handelt (vgl. PdK RhPf B-1, GemO, Ziff. 4.1., beck-online; vgl. OVG RP, Urteil vom 12. September 1995 - 6 A 11146/95.OVG -, ESOVG).

34

Schließlich führt auch die Möglichkeit der Beigeladenen, im Kommunalverfassungsstreit auf die Erteilung der Entlastung zu klagen, nicht zu einem Ausschluss der Anordnungsbefugnis der Aufsichtsbehörde. Die Zuerkennung einer eigenen Klagebefugnis dient dem Schutz der Beigeladenen, hat jedoch nicht den Verlust der aufsichtsbehördlichen Anordnungsbefugnis zur Folge, da andernfalls, sofern die Beigeladenen keine Klage erheben, ein rechtsfreier Raum entstehen würde. Dies liefe Sinn und Zweck der Aufsicht nach § 117 GemO zuwider.

35

Der von der gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 GemO zuständigen Kreisverwaltung Trier-Saarburg erlassene, formell rechtmäßige Bescheid ist auch in materiell- rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

36

1. Obschon die Tenorierung des Bescheids insofern widersprüchlich anmutet, als dass die Kreisverwaltung hinsichtlich der Feststellung der Jahresabschlüsse lediglich eine erneute Beschlussfassung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde angeordnet hat, während sie die nachfolgende Erteilung der Entlastung zwingend vorgeschrieben hat, ist das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG gewahrt. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten daran ausrichten können und auch die mit der Angelegenheit befassten Behörden den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können (OVG RP, Urteil vom 07. Oktober 2009 - 1 A 10898/07 -, Rn. 46, juris). Diesen Anforderungen wird der Bescheid vom 13. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids - trotz des hinsichtlich der Feststellung der Jahresabschlüsse formell eingeräumten Entscheidungsspielraums - gerecht, denn die Ausführungen des Beklagten in Ausgangs- und Widerspruchsbescheid lassen keinen Zweifel daran, dass die Klägerin nach Auffassung des Beklagten verpflichtet ist, positiv die Feststellung der Jahresabschlüsse zu beschließen. Insbesondere die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach spätestens mit der dritten gleichlautenden Beschlussfassung der Klägerin die fortdauernde beharrliche Weigerung der Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten feststehe, belegen, dass der Beklagte nicht nur eine neuerliche Entscheidung über die Feststellung, sondern die seiner Auffassung nach zutreffende positive Beschlussfassung herbeiführen wollte.

37

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 122 GemO erfüllt. Die Gemeinde ist den ihr gesetzlich obliegenden Pflichten, die Jahresabschlüsse für die Jahre 2011 und 2012 gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO positiv festzustellen, sowie für die entsprechenden Jahre die Entlastung der Beigeladenen zu erteilen, nicht nachgekommen.

38

a. Bei der Verpflichtung zur Feststellung des Jahresabschlusses gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO handelt es sich der Sache nach um eine Pflicht der Gemeinde. Der entsprechende Gemeinderatsbeschluss entfaltet nicht lediglich im Innenverhältnis zwischen dem Gemeinderat und den zu entlastenden Organen Wirkung, sondern bringt nach Außen mit Wirkung für die Gemeinde zum Ausdruck, dass der Jahresabschluss unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Rechnungsprüfung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gemeinde vermittelt (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 GemO) und daher gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 GemO als Nachweis für das Ergebnis der Haushaltswirtschaft des Haushaltsjahres dienen soll. Letztlich korreliert die Feststellung des Jahresabschlusses als Schlussakt im Verfahren der §§ 108 ff. GemO mit der Verpflichtung der Gemeinde zur Aufstellung des Jahresabschlusses gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 GemO und schafft mit Blick auf etwaige überörtliche Prüfungen sowie durch die Bekanntmachung nach § 114 Abs. 2 GemO im Verhältnis zu den Bürgern der Gemeinde Klarheit über den Zustand des gemeindlichen Haushalts.

39

Diese Erwägungen machen zugleich deutlich, dass die Gemeinde zu einer positiven Entscheidung über die Feststellung des Jahresabschlusses verpflichtet ist, sofern dieser unter Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften ein zutreffendes Bild von der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der Gemeinde vermittelt (§ 108 Abs. 1 S. 3 GemO; hierzu PdK RhPf B-1, GemO § 108, Ziff. 1, beck-online). Das mit der Aufstellung des Jahresabschlusses verfolgte Ziel, das Ergebnis der Haushaltswirtschaft des Haushaltsjahres unter Anlegung der in § 108 GemO genannten, objektiven Maßstäbe nachzuweisen, würde konterkariert, wenn die Gemeinde bei der Beschlussfassung gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO aus sonstigen (politischen) Wertungsgesichtspunkten die abschließende Feststellung des Jahresabschlusses verweigern könnte. Auch sofern Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Haushaltsführung mit den gesetzlichen Vorschriften aus dem Handelsgesetzbuch, der Gemeindehaushaltsverordnung (Gesetz vom 18. Mai 2006 (GVBl. S. 203), zuletzt geändert durch Verordnung vom 7. Dezember 2016 (GVBl. S. 597) - GemHVO -), der Haushaltssatzung und dem Haushaltsplan auftreten, vermag dies - soweit die Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses sowie die Richtigkeit der hierin enthaltenen Zahlen und Feststellungen nicht in Frage gestellt wird - allenfalls zur Verweigerung der Entlastung, nicht jedoch zur Ablehnung einer positiven Feststellung zu berechtigen. Vielmehr dient der Jahresabschluss gerade als tragfähige Grundlage zur Prüfung entsprechender Verstöße sowie zur Beurteilung der hieraus resultierenden Konsequenzen.

40

Dies zugrunde gelegt, war die Klägerin gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO verpflichtet, durch ihren Gemeinderat die Feststellung der Jahresabschlüsse der Jahre 2011 und 2012 zu beschließen. Der Beklagte hat in zutreffender Weise festgestellt, dass die von der Gemeinde vorgetragenen Gründe die Verweigerung der Feststellung der streitgegenständlichen Jahresabschlüsse nicht rechtfertigen konnten. Andere, der Feststellung des Jahresabschlusses entgegenstehende Gründe sind im für Anfechtungsklagen zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Urteil vom 07. November 2012 - 8 C 28/11 -, BVerwGE 145, 67-79, Rn. 13 m. z. w. N.), d. h. hier am 1. August 2017, nicht erkennbar.

41

Ausgangspunkt der diesbezüglichen Prüfung sind die vom Rechnungsprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 4. März 2015 ausgesprochenen Empfehlungen, die Jahresabschlüsse der Jahre 2011 und 2012 festzustellen. Obschon der Gemeinderat nicht an die Empfehlungen des Rechnungsprüfungsausschusses gebunden ist, indizieren diese Empfehlungen jedenfalls, dass die Jahresabschlüsse unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Klägerin vermitteln, denn ihnen ist eine auf den Erläuterungen des für die Erstellung des Jahresabschlusses zuständigen Sachbearbeiters der Verbandsgemeinde basierende Prüfung gemäß § 113 Abs. 1 GemO vorausgegangen, ohne dass hierbei Bedenken gegen die Richtigkeit der Jahresabschlüsse erhoben wurden.

42

Maßgeblich für die Entstehung der positiven Indizwirkung ist, dass der Rechnungsprüfungsausschuss mehrheitlich die Feststellung der Jahresabschlüsse empfohlen hat, denn Beschlüsse eines aus dem Gemeinderat gebildeten Ausschusses bedürfen gemäß § 44 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 1 GemO lediglich der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, sofern - wie hier - gesetzlich keine andere Bestimmung vorgesehen ist.

43

Demgegenüber ist es für den Eintritt der Indizwirkung unerheblich, dass das Ratsmitglied ... der Auffassung ist, die Grundlage für seine Unterzeichnung des Protokolls sei nachträglich entfallen, da die Ausschussvorsitzende entgegen ihrer Zusage davon abgesehen habe, in der Folgezeit Akteneinsicht in die Akte „Stichstraße O...“ zu beantragen. Zum einen verkennt er, dass bei der Entscheidung des Gemeinderates über die Feststellung der Jahresabschlüsse allein der Beschluss des Prüfungsausschusses über die Empfehlung von Relevanz ist, während das Protokoll diesen Beschluss lediglich dokumentiert. Selbst wenn das Ratsmitglied ... das Protokoll nicht unterschrieben hätte, würde dies nichts an der erfolgten Beschlussfassung ändern. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass die Beschlussfassung des Rechnungsprüfungsausschusses anders ausgefallen wäre, wenn das Ratsmitglied ... nicht auf die Beantragung von Akteneinsicht durch die Ausschussvorsitzende vertraut hätte, denn er hat ohnehin gegen die Erteilung der Empfehlungen zur Feststellung des Haushaltes und zur Erteilung der Entlastung gestimmt. Gleiches gilt, soweit die Klägerin bemängelt, dass Bedenken, die das Ratsmitglied ... in der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses geäußert habe, nicht protokolliert seien, denn auch insofern ist ausschlaggebend, dass die Mehrheit der Ausschussmitglieder diese Bedenken nicht geteilt und daher von einer Protokollierung abgesehen hat. Gleichfalls wird die erfolgte Beschlussfassung nicht dadurch tangiert, dass nicht sämtliche anwesende Gemeinderatsmitglieder im Protokoll aufgeführt werden.

44

Des Weiteren ist der Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses nicht deshalb fehlerhaft, weil den Ausschussmitgliedern in rechtswidriger Weise Akteneinsicht verweigert worden wäre. Vielmehr haben die Ausschussmitglieder nach - in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert bestrittener - Mitteilung der Kreisverwaltung am 22. Mai 2015 Akteneinsicht in die Akte „Stichstraße O...“ genommen. Indem der Prüfungsausschuss in der Folgezeit bis zu der erstmaligen Beschlussfassung des Gemeinderates vom 25. Juni 2015 dennoch weder Ergänzungen zum Protokoll der Sitzung vom 4. März 2015 vorgenommen, noch einen gegenteiligen Beschluss über die Erteilung der Empfehlungen getroffen hat, hat er zum Ausdruck gebracht, bei seiner Entscheidung verbleiben zu wollen.

45

Schließlich führen auch die Beschlüsse des neu konstituierten Rechnungsprüfungsausschusses vom 22. November 2017 über die Ergänzung diverser Bedenken im Protokoll zur Sitzung vom 4. März 2015 sowie die Aufhebung sämtlicher Beschlüsse und Empfehlungen des Rechnungsprüfungsausschusses der Ortsgemeinde L... von 2014 bis zum 31. August 2017 nicht zu einem Wegfall der aus der Empfehlung folgenden Indizwirkung. Diese nachträglich eingetretenen Umstände sind bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 13. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 1. August 2017 grundsätzlich nicht entscheidungserheblich, weil sie nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 1. August 2017 erfolgt sind.

46

Ferner hat der Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses vom 22. November 2017 nicht zur Folge, dass die Indizwirkung der Beschlüsse vom 4. März 2015 ex tunc entfällt, denn es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für ein Tätigwerden des Rechnungsprüfungsausschusses mit derartigen Auswirkungen. Dessen Funktion beschränkt sich nach § 113 GemO auf die zeitlich vor der Beschlussfassung des Gemeinderates stattfindende Prüfung des Jahresabschlusses, denn Zweck der Rechnungsprüfung durch den Prüfungsausschuss ist es, eine tragfähige Grundlage für die Entscheidung des Gemeinderates zu bilden (vgl. PdK RhPf B-1, GemO § 113, beck-online). Auf dieser Grundlage trifft der Gemeinderat gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO eine abschließende Entscheidung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entlastung des Bürgermeisters und der Beigeordneten. Ungeachtet der Frage, inwiefern der Prüfungsausschuss seine Beschlussfassung vor der Entscheidung des Gemeinderates revidieren kann, fehlt es insoweit jedenfalls an gesetzlichen Anknüpfungspunkten, welche einer erneuten Prüfung und Änderung der Empfehlung durch den Prüfungsausschuss nach erfolgter Beschlussfassung des Gemeinderates im Hinblick auf den bereits ergangenen Beschluss Bedeutung beimessen würden. Eine solche Wirkung nachträglicher Beschlüsse des Prüfungsausschusses liefe Sinn und Zweck des § 114 GemO, welcher das den Haushalt des Vorjahres betreffende Verfahren bis zum Ende des darauffolgenden Jahres zum Abschluss bringen soll, erkennbar zuwider, da in diesem Fall jederzeit mit einer Wiederholung der Gemeinderatsbeschlüsse zur Feststellung und Entlastung gerechnet werden müsste.

47

Soweit nachträglich Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Jahresabschlüsse in das Protokoll zum 4. März 2015 aufgenommen wurden, entfaltet dies ohnehin von vornherein keine Wirkung, da der entsprechende Beschluss nicht mehrheitlich, sondern lediglich von einem einzigen der in der Sitzung vom 4. März 2015 anwesenden Ausschussmitglieder getroffen wurde.

48

Die nach alledem bestehende Vermutung, dass die Jahresabschlüsse der Jahre 2011 und 2012 den Anforderungen des § 108 GemO genügen, hat die Klägerin bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2017 nicht widerlegt. Hierzu hätte es ihr spätestens im Widerspruchsverfahren oblegen, substantiiert darzulegen, weshalb die Darstellungen in den Jahresabschlüssen nach Auffassung des Gemeinderates in Teilen unzutreffend sein sollen.

49

Daran fehlt es jedoch. Zunächst ergeben sich aus der im Protokoll zur Gemeinderatssitzung vom 25. Juni 2015 wiedergegebenen Stellungnahme des Ratsmitgliedes ... keine substantiierten Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten in den Jahresabschlüssen.

50

Soweit bemängelt wird, dass die Jahresabschlüsse entgegen § 108 Abs. 4 GemO nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres aufgestellt wurden, führt dies weder zur Unrichtigkeit, noch zur Unwirksamkeit der Jahresabschlüsse. Es handelt sich bei § 108 Abs. 4 GemO nicht um eine Ausschlussfrist, sondern bloß um eine Regelung zur Verfahrensbeschleunigung. Wird diese nicht eingehalten, ist die Gemeinde gleichwohl zur Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Gleiches gilt hinsichtlich der in § 114 Abs. 1 S. 1 GemO angeordneten Frist zur Beschlussfassung über die Feststellung (vgl. PdK RhPf B-1, GemO § 114, Ziff. 3.5, beck-online). Von vornherein irrelevant ist im Rahmen der Entscheidung des Gemeinderates gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO, ob die Bekanntmachung nach § 114 Abs. 2 GemO umgehend nach Ablauf des auf das betreffende Haushaltsjahr folgenden Jahres erfolgt - oder wie hier notwendigerweise ebenfalls verzögert ist -, denn die Bekanntmachung betrifft lediglich das auf den Gemeinderatsbeschluss folgende weitere Verfahren.

51

Ebenso führen die vorstehend bereits aufgeführten Vorgänge in und um die Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses vom 4. März 2015 nicht zur Unrichtigkeit der Jahresabschlüsse, denn diese betreffen nur die der Aufstellung des Jahresabschlusses nachgelagerte Prüfung (vgl. § 113 GemO).

52

Auch das Vorbringen zum Fehlbetrag im Jahr 2011 in Höhe von ... Euro, zur Aufnahme eines Kassenkredites in Höhe von ... Euro sowie die darauf aufbauende Schlussfolgerung, es würden „Schulden mit Schulden" bezahlt, lassen nicht erkennen, dass die Darstellungen im Jahresabschluss diese Vorgänge unzutreffend wiedergeben. Vielmehr richten sich die entsprechenden Ausführungen erkennbar gegen die Kreditaufnahme als solche. Die politische Bewertung der Vorgänge, welche zu den im Jahresabschluss dargestellten Zahlen führen, ist jedoch gemäß vorstehenden Ausführungen nicht Gegenstand der Entscheidung des Gemeinderates über die Feststellung der Jahresabschlüsse, da diese ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten erfolgt. Gleiches gilt, soweit in der Stellungnahme des Ratsmitglieds ... die allgemeine Verschuldung der Gemeinde beanstandet wird, denn dieser Einwand richtet sich der Sache nach gegen die haushaltspolitischen Entscheidungen des Gemeinderates.

53

Des Weiteren liegen mit Blick auf den Ausbau der Stichstraße O... keine Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten der Jahresabschlüsse vor. Soweit das Gemeinderatsmitglied ... darlegt, die Kosten seien mit ... Euro höher gewesen als ursprünglich veranschlagt, weshalb seiner Auffassung nach gegen Grundsätze der Einleitung eines Vergabeverfahrens verstoßen worden sei, betrifft dies das Bauvorhaben als solches, nicht jedoch die Darstellung im Jahresabschluss. Gleiches gilt hinsichtlich seiner Ausführungen, wonach im Zusammenhang mit dem Ausbau der Stichstraße O... Beschlüsse oft nur in Form einer Kopie vorgelegen hätten und ein Protokoll zu einem Bürgergespräch fehle. Substantiierte Ausführungen dazu, welche Darstellungen im Jahresabschuss insofern unrichtig sein sollen, finden sich demgegenüber nicht - obwohl die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses bereits am 22. Mai 2015 Akteneinsicht genommen hatten und der Klägerin am 23. März 2017 erneut die Akte zur „Stichstraße O...“ übermittelt wurde.

54

Die weitere Begründung der Ratsmitglieder ... und ..., wonach sie sich nicht über geltende Gesetze hinwegsetzen möchten, erlaubt mangels jeglicher Substantiierung ebenfalls nicht die Feststellung von Unrichtigkeiten des Jahresabschlusses. Hinsichtlich der Behauptung des Ratsvorsitzenden, das Zahlenwerk zur Stichstraße O... sei streitig, fehlt es gleichfalls an konkreten Angaben dazu, welche Zahlen im Jahresabschluss aus welchem Grund unrichtig sein sollen.

55

Soweit das Ratsmitglied ... in einem Schreiben vom 30. Dezember 2016 Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten in der Bilanz bezüglich des Bürgerhauses gesehen und Bedenken hinsichtlich damit zusammenhängender Fördergelder gehegt hat, handelt es sich erkennbar um seine persönliche Auffassung, die bei der Entscheidung des Gemeinderates nicht tragend war, da sie weder vom Rechnungsprüfungsausschuss (in der ursprünglichen Zusammensetzung) geteilt, noch von der Klägerin zur Begründung ihrer Beschlüsse angeführt wurde. Nachdem keines der mit der Rechnungsprüfung betrauten Organe diesen Punkt aufgegriffen und beanstandet hat, lässt allein die Stellungnahme des Ratsmitglieds keinen Rückschluss auf Unrichtigkeiten des Jahresabschlusses zu.

56

Auch in der Widerspruchsbegründung vom 28. April 2017 verweist die Klägerin lediglich pauschal auf möglicherweise vorliegende haushalterische Unstimmigkeiten, die noch einer Aufklärung bedürften, ohne diesbezüglich dezidierte Anhaltspunkte zu benennen.

57

Schließlich berechtigt der Umstand, dass der Klägerin seitens der Verbandsgemeinde die im Februar 2017 beantragte Akteneinsicht in die Akte „Jugendplatz“ nicht gewährt wurde, nicht zur Verweigerung der Feststellung der Jahresabschlüsse, denn die Klägerin kann sich insoweit - jedenfalls im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung der Jahre 2011 und 2012 - nicht auf einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht berufen. Aus Ziffer 4 der Verwaltungsvorschrift zu § 110 GemO (Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Gemeindeordnung vom 3. Mai 1979 (MinBl. S. 179), zuletzt geändert durch Rundschreiben des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 31. März 2014 (MinBl. S. 39) - GemOVV -), wonach der Rechnungsprüfungsausschuss ohne vorigen Antrag nach § 33 Abs. 3 GemO zur Akteneinsicht berechtigt ist, lässt sich ein derartiger Anspruch nicht herleiten, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Akte gemäß dem Schreiben vom 23. Juni 2017 und den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Auftrag der Ortsgemeinde, nicht aber im Auftrag des Rechnungsprüfungsausschusses angefordert hat.

58

Überdies kann die Klägerin vorliegend aus § 33 Abs. 3 GemO kein Recht auf Einsicht in die Akte „Jugendplatz“ herleiten. Ein solcher Anspruch scheitert bereits daran, dass aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht hervorgeht, dass das durch den Prozessbevollmächtigen geäußerte Akteneinsichtsverlangen auf dem Verlangen eines Viertels der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder beruht. Auch auf Nachfrage des Gerichts nach einer Befassung des Gemeinderates mit dem Akteneinsichtsgesuch in der mündlichen Verhandlung hat der Ortsbürgermeister lediglich ausgeführt, dass der Prozessbevollmächtigte von der Ortsgemeinde beauftragt worden sei, ohne die Beteiligung des Gemeinderates zu konkretisieren.

59

Ungeachtet dessen konnte die Klägerin sich im Zusammenhang mit der Feststellung der Jahresabschlüsse 2011 und 2012 sowie der Erteilung der Entlastung ohnehin nicht auf ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht in die Akte „Jugendplatz“ berufen. Zwar kommt dem Gemeinderat im Rahmen der Rechnungsprüfung grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten, die zu den Zahlungsvorgängen des jeweiligen Rechnungsjahres entstanden sind, zu (vgl. OVG RP, Urteil vom 4. Oktober 2013 - 10 A 10631/13.OVG -, ESOVG). Will die Gemeinde ein derartiges berechtigtes Interesse daraus herleiten, dass sie zur Entscheidung über die Feststellung der Jahresabschlüsse und die Erteilung der Entlastung zunächst Akteneinsicht nehmen muss, um eine tragfähige Entscheidungsgrundlage zu erlangen, obliegt es ihr jedoch, das Akteneinsichtsgesuch im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der Beschlussfassung des Gemeinderates zu stellen. Unterlässt sie dies und entscheidet - wie hier - mehrfach über die Feststellung und Entlastung, ohne dass die betreffende Akte überhaupt Erwähnung findet, bringt die Gemeinde selbst zum Ausdruck, dass die Akteneinsicht zur Entscheidungsfindung gerade nicht erforderlich ist - und ein berechtigtes Interesse jedenfalls im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung der betreffenden Jahresabschlüsse nicht besteht.

60

Im Übrigen wurde seitens der Klägerin in Bezug auf die Angelegenheit „Jugendplatz“ ebenfalls nicht substantiiert vorgetragen, inwiefern der Jahresabschluss mangelbehaftet sein soll. Soweit die Klägerin vorträgt, es sei ungeklärt, ob und in welcher Höhe der Bodenaushub von der Gemeinde bezahlt worden sei, ist eine Unrichtigkeit des Jahresabschlusses nicht feststellbar, denn aus den zur Akte gereichten Unterlagen der Verbandsgemeinde ergibt sich, dass der Klägerin hierbei keine Kosten entstanden sind. Der Einwand, es sei nicht bekannt, ob eine Baugenehmigung vorläge, betrifft abermals nicht die Richtigkeit des Jahresabschlusses, sondern das zugrundeliegende Bauvorhaben.

61

Fehlt es nach alledem im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an verifizierbaren Anhaltspunkten für Unrichtigkeiten der Jahresabschlüsse 2011 und 2012, war die Klägerin verpflichtet, deren Feststellung positiv zu beschließen, denn es bleibt insofern bei der aus der Empfehlung des Rechnungsprüfungsausschusses resultierenden Vermutung, wonach die Jahresabschlüsse die Finanz-, Vermögensund Ertragslage der Gemeinde zutreffend wiedergeben.

62

b. Darüber hinaus war die Klägerin verpflichtet, die Entlastung des ehemaligen Ortsbürgermeisters, des Bürgermeisters und der Beigeordneten zu erteilen.

63

Ebenso wie die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 114 Abs. 1 S. 1 GemO obliegt die Verpflichtung zur Entscheidung über die Entlastung gemäß § 114 Abs. 1 S. 2 GemO der Gemeinde als Körperschaft, welche hierbei durch ihr Organ, den Gemeinderat, handelt. Dies wird deutlich, wenn man das Wesen der Entlastung im Gesamtkontext der gemeindlichen Haushaltsführung in den Blick nimmt.

64

Hierbei kommt der Entlastung eine Doppelwirkung zu. Zum einen stellt sie den Schlusspunkt des in den §§ 108 ff. GemO geregelten Verfahrens zur Bewertung der Haushaltsführung des Vorjahres dar. Grundlage der Haushaltsführung sind die Aufstellung des Haushaltsplanes und der Haushaltssatzung. Diese obliegt nach den §§ 93 Abs. 1 S. 1,95 Abs. 1 GemO der Gemeinde als Körperschaft. Haushaltsplan und -satzung werden sodann während des Haushaltsjahres durch den Ortsbürgermeister, den Bürgermeister und die Beigeordneten ausgeführt. Bei der Entscheidung über die Erteilung der Entlastung wird schließlich geprüft, ob hierbei die im Haushaltsplan sowie der Haushaltssatzung getroffenen Bestimmungen eingehalten wurden und keine Verstöße gegen die die Haushaltsführung betreffenden Vorschriften der GemO, des Handelsgesetzbuches sowie der GemHVO vorliegen. Wird die Entlastung erteilt, bedeutet dies, dass hinsichtlich der Haushalts-, Kassen- und Rechnungsführung keine Bedenken bestehen (Ziff. 3. GemOVV zu § 114 GemO) und daher gegen die Haushaltsführung des abgelaufenen Rechnungsjahres keine Einwendungen erhoben werden (PdK RhPf B-1, GemO § 114, Ziff. 3.1.1., beck-online). Darin liegt zugleich die Genehmigung von Haushaltsüberschreitungen, soweit diese erkennbar sind (vgl. PdK RhPf B-1, GemO § 114, Ziff. 3.1.4, beck-online; VGH München, Urteil vom 11. Januar 1994 - 4 B 81 A. 2021 -, beck-online). Kleinere Unzulänglichkeiten, welche als einzelne Vorgänge keine schwerwiegenden Unkorrektheiten darstellen und im Hinblick auf den Gesamtumfang der Haushaltswirtschaft nicht ins Gewicht fallen, schließen die uneingeschränkte Entlastung vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht aus (vgl. VG Gera, Urteil vom 22. Juli 2015 - 2 K 42/15 Ge -, Rn. 28, juris). Jedoch lässt der auf die Haushaltsführung bezogene Prüfungsrahmen keinen Raum zur Ausübung allgemeiner Rechts- oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen oder gar zu politischer Kontrolle (VGH München, Urteil vom 11. Januar 1994, a. a. O.; vgl. PdK RhPf B-1, GemO § 114, Ziff. 3.2, Rn. 6, beck-online). Ebenso beinhaltet die Entlastung keinen Verzicht auf etwaige Schadensersatz- oder Regressansprüche. Auch Fragen der disziplinarischen Verfolgung etwaiger Pflichtverletzungen sowie strafrechtliche Konsequenzen liegen außerhalb des auf die Haushaltsführung bezogenen Entscheidungsrahmens (vgl. VGH München, Urteil vom 11. Januar 1994, a. a. O.; PdK Rh Pf B-1, GemO § 114, Ziff. 3.1.2, beck-online).

65

Zum anderen kommt der Entlastung politische Bedeutung zu (PdK RhPf B-1, GemO § 114, Zif. 3.1.1, beck-online), denn die Feststellung, dass keine Einwendungen gegen die Haushaltsführung erhoben werden, stellt gegenüber den zu entlastenden Organen ein Vertrauensvotum des Gemeinderates dar. Dieses Vertrauensvotum ist Grundlage für die weitere Zusammenarbeit der mit der Haushaltsführung befassten Organe (vgl. VGH München, Urteil vom 11. Januar 1994, a. a. O.; zitiert von VG Gera, Urteil vom 22. Juli 2015, a. a. O., Rn. 25).

66

Obschon die Entlastung nach alledem primär Wirkungen im Innenverhältnis zwischen Gemeinderat und Bürgermeister sowie Beigeordneten entfaltet, folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Entscheidung über die Entlastung nicht lediglich um eine Pflicht des Gemeinderates gegenüber den zu Entlastenden handelt, sondern vielmehr um eine Pflicht der Gemeinde als Körperschaft, welche der Gemeinderat als handelndes Organ wahrnimmt.

67

Maßgeblich ist insoweit, dass der Gemeinderat bei der Erteilung der Entlastung beurteilt, ob die tatsächliche Haushaltsführung der von der Gemeinde aufgestellten Haushaltssatzung sowie dem gemeindlichen Haushaltsplan entspricht, denn diese Kontrolle steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Verpflichtung der Gemeinde, ihren Haushalt gemäß § 93 GemO ordnungsgemäß zu führen. Nachdem ihr als juristischer Person die Haushaltsführung ihrer Organe zugerechnet wird, obliegt es der Gemeinde, am Ende des Haushaltsjahres zu prüfen, ob die tatsächliche Haushaltsführung ordnungsgemäß war. Wird dies festgestellt und die Entlastung erteilt, übernimmt die Gemeinde hiermit im Ergebnis die Verantwortung für die Haushaltsführung und schafft auf diese Weise Rechtsklarheit.

68

Dieser Systematik läuft die Auffassung der Klägerin, wonach die Verpflichtung zur Erteilung der Entlastung ausschließlich dem Gemeinderat als solchem obliegt, zuwider. Der Gemeinderat wäre, sofern er nicht zugleich für die Gemeinde handeln würde, schon nicht berechtigt, durch die Erteilung der Entlastung verbindlich festzustellen, dass keine Einwände gegen die Haushaltsführung erhoben werden und etwaige geringfügige Überschreitungen der Haushaltssatzung zu genehmigen, denn derartige Einwendungen stünden nicht dem Gemeinderat, sondern der gemäß § 93 GemO für die Haushaltsführung verantwortlichen Gemeinde zu.

69

Auch soweit die Erteilung der Entlastung ein Vertrauensvotum beinhaltet, wäre dies obsolet, wenn hierdurch nicht die Gemeinde im Ganzen gebunden würde. Andernfalls könnte z. B. der Bürgermeister als weiteres Organ der Gemeinde trotz erteilter Entlastung jederzeit Einwände gegen die Haushaltsführung durch die Beigeordneten erheben. Dies liefe Sinn und Zweck des § 114 Abs. 1 S. 2 GemO entgegen, da durch den Beschluss über die Entlastung und dessen Bekanntmachung nach § 114 Abs. 2 GemO die Haushaltsprüfung zum Vorjahr zum Abschluss gebracht und auf diesem Wege letztlich Rechtsklarheit geschaffen werden soll.

70

Eine andere Wertung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die zu Entlastenden ihren Anspruch auf Erteilung der Entlastung klageweise gegen den Gemeinderat als Organ geltend machen können (hierzu VGH München, Urteil vom 11. Januar 1994, a. a. O.; VG Gera, Urteil vom 22. Juli 2015, a. a. O., Rn. 22; VG Trier, Urteil vom 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR -, Rn. 39, juris), denn dies ist lediglich Ausfluss der besonderen prozessualen Situation im Kommunalverfassungsstreit. Hierbei ist der mit der Beschlussfassung über die Entlastung betraute Gemeinderat Klagegegner, da im Kommunalverfassungsstreit die innerorganisatorische Kompetenz- und Pflichtenzuordnung über die Frage der Passivlegitimation entscheidet (vgl. OVG RP, Beschluss vom 1. Dezember 1994 - 7 B 12954/94 -, Rn. 16, juris; VG Trier, Urteil vom 24. Mai 2017, a. a. O., Rn. 25). Diese prozessuale Situation lässt jedoch keine Rückschlüsse darauf zu, wen die gesetzliche Verpflichtung in materiell- rechtlicher Hinsicht trifft.

71

Schließlich steht der Anwendung des § 122 GemO die Rechtsprechung des rheinland-pfälzischen OVG (Urteil vom 13. Juni 1960 - 1 C 9/60 -) sowie des VG Gießen (Urteil vom 10. März 2014 - 8 K 846/12.GI -, beck-online) nicht entgegen, denn hiernach ist nur die Kontrolle der Pflichterfüllung der gemeindlichen Organe gegenüber der Gemeinde der aufsichtsbehördlichen Kontrolle entzogen. Um eine solche Konstellation handelt es sich hier nicht, da die Verpflichtung zur Erteilung der Entlastung - wie vorstehend dargelegt - die Gemeinde selbst trifft.

72

Legt man die obigen Ausführungen zugrunde, ergibt sich darüber hinaus, dass die Gemeinde zur Erteilung der Entlastung verpflichtet ist, soweit keine schwerwiegenden Bedenken gegen die Haushaltsführung des Bürgermeisters, des Ortsbürgermeisters und der Beigeordneten bestehen (so auch VGH München, Urteil vom 11. Januar 1994, a. a. O.; VG Gera, Urteil vom 22. Juli 2015, a. a. O., Rn. 24; VG Trier, Urteil vom 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR -, Rn. 39, juris). Liegen diese Voraussetzungen vor, verbleibt der Gemeinde kein Entscheidungsspielraum, da der auf die Haushaltsführung beschränkte Prüfungsrahmen die Verweigerung der Entlastung aus politischen Gründen oder allgemeinen Recht- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausschließt. Für eine derartige Auslegung sprechen auch die Regelung in Ziff. 3 GemOVV zu § 110 GemO, wonach die Entlastung zu erteilen ist, wenn Gründe, die die Haushalts-, Kassen- und Rechnungsführung betreffen, ausgeräumt sind, sowie die Gesetzesbegründung zu § 114 Abs. 2 GemO, ausweislich derer die Begründungspflicht sicherstellen soll, dass die Entlastung nicht von unsachlichen Motiven beeinflusst wird (Lt-Drucks. 7/1884, S. 104).

73

Hiernach war die Klägerin verpflichtet, hinsichtlich der Jahre 2011 und 2012 die Entlastung des ehemaligen Ortsbürgermeisters, des Bürgermeisters sowie der Beigeordneten zu erteilen, denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids lagen keine zur Verweigerung der Entlastung berechtigenden Gründe vor.

74

Ausgangspunkt sind auch hier die Beschlüsse des Rechnungsprüfungsausschusses aus der Sitzung vom 4. März 2015, denn die Empfehlung zur Erteilung der Entlastung indiziert, dass keine durchgreifenden Einwände gegen die Haushalts-, Kassen- und Rechnungsführung - nachfolgend „Haushaltsführung" - der Beigeladenen in den Jahren 2011 und 2012 vorliegen. Hinsichtlich des Entstehens der Indizwirkung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Unschädlich ist, dass der Rechnungsprüfungsausschuss lediglich die Entlastung des ehemaligen Ortsbürgermeisters und der ehemaligen Beigeordneten, die ihn vertreten haben, nicht jedoch des Verbandsbürgermeisters, empfohlen hat. Hierbei handelt es sich erkennbar um ein Versehen, da sich dem Protokoll zur Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses keinerlei Anhaltspunkte für Bedenken an der ordnungsgemäßen Haushaltsführung durch den Verbandsbürgermeister entnehmen lassen.

75

Die somit bestehende Vermutung einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung der Beigeladenen hat die Klägerin nicht widerlegt.

76

Soweit Verstöße gegen die in § 108 Abs. 4 GemO und § 114 Abs. 1 S. 1 GemO enthaltenen Fristen gerügt werden, handelt es sich schon nicht um Tatsachen, welche die Haushaltsführung betreffen, sondern um das nachfolgende Verfahren zur Abbildung der Haushaltsführung im Jahresabschluss. Doch selbst wenn man hinsichtlich der Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses nach § 108 Abs. 4 GemO einen ausreichenden Zusammenhang zur Haushaltsführung bejahte, könnte der Fristverstoß die Verweigerung der Entlastung nicht rechtfertigen, da es sich jedenfalls nicht um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Haushaltsführung handelt. Zum einen stellt § 108 Abs. 4 GemO gemäß den obigen Erläuterungen keine Ausschlussfrist dar; zum anderen hat der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass die Verzögerungen nicht auf ein Fehlverhalten der Beigeladenen, sondern auf die Einführung der kommunalen Doppik zurückzuführen sind.

77

Des Weiteren berechtigt der vom Ratsmitglied ... infolge der Inanspruchnahme des Kassenkredites i. H. v. ... Euro erhobene Vorwurf, Schulden würden mit Schulden bezahlt, nicht zur Verweigerung der Entlastung, denn er richtet sich im Kern nicht gegen die Haushaltsführung der Beigeladenen, sondern gegen die Entscheidung über die Inanspruchnahme des Kassenkredites. Diese (politische) Entscheidung unterfällt indes nicht dem bei der Entscheidung über die Entlastung anwendbaren Prüfungsrahmen, denn sie obliegt nicht den zu Entlastenden, sondern ist Teil der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Haushaltssatzung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 1 GemO, da die Aufnahme von Kassenkrediten nach § 105 Abs. 2 S. 1 GemO einen Ansatz in der Haushaltssatzung voraussetzt. Mithin könnte die Entlastung allenfalls verweigert werden, wenn die Beigeladenen bei der Inanspruchnahme der Kassenkredite den in der Haushaltssatzung vorgesehenen Höchstbetrag überschritten hätten. Dies ist allerdings nicht der Fall, denn der in der Stellungnahme des Ratsmitgliedes ... genannte Betrag von ... Euro war ausweislich des Rechenschaftsberichts zum Jahr 2011 (S.1) in dieser Höhe in der Haushaltssatzung vorgesehen.

78

Zur Verweigerung der Entlastung berechtigt ebenso wenig, dass sich die Finanzlage der Klägerin aus Sicht des Ratsmitglieds ... dramatisch darstellt und eine Lösung nicht in Sicht sei. Diesem Vorwurf lassen sich mangels Substantiierung bereits keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Beigeladenen entnehmen. Vielmehr ist die finanzielle Situation der Gemeinde Resultat der haushaltspolitischen Entscheidungen des Gemeinderates, zu deren Kontrolle die Entscheidung über die Entlastung nicht missbraucht werden darf.

79

Ferner sind im Zusammenhang mit der Angelegenheit „Stichstraße O...“ keine schwerwiegenden Verstöße der Beigeladenen gegen ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Haushaltsführung feststellbar. Soweit das Ratsmitglied ... der Auffassung ist, hierbei sei gegen die Grundsätze der Einleitung eines Vergabeverfahrens verstoßen worden, berechtigt dies nicht zur Verweigerung der Entlastung, denn der Einwand richtet sich der Sache nach gegen die Auftragsvergabe durch die Gemeinde. Die Entscheidung hierüber unterfällt jedoch der Zuständigkeit des Gemeinderates, da es sich angesichts der erheblichen finanziellen Auswirkungen nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung nach § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 GemO handelt. Trifft der Gemeinderat selbst eine derartige Entscheidung, kann er (auch in geänderter personeller Besetzung) die Entlastung der den Beschluss ausführenden Personen nicht aus diesem Grund verweigern. Andernfalls würde dem Bürgermeister und den Beigeordneten die politische Verantwortung für Beschlüsse des Gemeinderates zugeschrieben - was nach obigen Ausführungen - mit Sinn und Zweck der Entlastung nicht vereinbar ist.

80

Im Übrigen ist ein Verstoß gegen die Regelungen zur Einleitung eines Vergabeverfahrens nicht erkennbar, denn die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, durch welches konkrete Verhalten gegen welche Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen sein soll. Insbesondere lässt sich der Stellungnahme des Ratsmitglieds ... entnehmen, dass tatsächlich - wie in § 22 Abs. 1 GemHVO vorgeschrieben - eine Ausschreibung durchgeführt wurde.

81

Bei dem am 5. Februar 2018 erstmals erhobenen Einwand, es sei nicht bekannt, ob für die Maßnahme „Jugendplatz“ eine Baugenehmigung vorliege, handelt es sich erkennbar um Vortrag „ins Blaue hinein“. Dieser vermag, nachdem er bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids keine Erwähnung gefunden hat, die Verweigerung der Entlastung nicht nachträglich zu rechtfertigen - zumal der Einwand abermals nicht die Haushaltsführung der Beigeladenen, sondern das Bauvorhaben als solches betrifft.

82

Überdies ist die Verweigerung der Entlastung auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Beigeladenen bei der Beschlussfassung in der Sitzung am 25. Juni 2016 namentlich aufgeführt wurden, denn dieser allenfalls formelle Fehler tangiert ebenfalls nicht die Haushaltsführung der Beigeladenen und hätte im Übrigen spätestens in der nächsten Sitzung des Gemeinderates behoben werden können.

83

Die aus der Empfehlung des Rechnungsprüfungsausschusses resultierende Indizwirkung zu Gunsten einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung der Beigeladenen ist auch durch die übrigen von der Klägerin vorgebrachten Gründe nicht entkräftet. Insofern wird auf die vorstehenden Ausführungen im Zusammenhang mit der Feststellung der Jahresabschlüsse (einschließlich der Ausführungen zur Akteneinsicht) verwiesen. Diese beanspruchen hinsichtlich der Erteilung der Entlastung gleichermaßen Geltung, da auch insoweit substantiierter Vortrag erforderlich wäre und abweichende politische Erwägungen bzw. Rechtsund Zweckmäßigkeitsüberlegungen bezüglich der kostenauslösenden Maßnahmen die Verweigerung der Entlastung nicht rechtfertigen können.

84

3. Dies zugrunde gelegt, war der Beklagte nach § 122 GemO zum Erlass der streitgegenständlichen Anordnung berechtigt, denn die Klägerin hat durch ihre mehrfachen Weigerungen ihre Verpflichtung zur Feststellung der Jahresabschlüsse der Jahre 2011 und 2012 und zur Entlastung der Beigeladenen verletzt.

85

Dabei hat der Beklagte das durch § 122 GemO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Anordnung verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn angesichts der wiederholten ablehnenden Gemeinderatsbeschlüsse wäre eine bloße Beanstandung nach § 121 GemO aller Voraussicht nach wirkungslos geblieben. Überdies greift die Anordnung nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin aus Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 49 LV in Gestalt der Finanzhoheit ein, denn dieser verblieb gemäß obigen Ausführungen bei der Entscheidung über die Feststellung der Jahresabschlüsse und Entlastung der Beigeladenen ohnehin kein Entscheidungsspielraum.

III.

86

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Hiernach trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, weil diese keinen eigenen Antrag gestellt und sich daher keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO).

IV.

87

Die vorläufige Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

V.

88

Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§§ 124, 124 a VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 78


(1) Die Klage ist zu richten 1. gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,2

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 62


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind1.die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,2.die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den G

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 06. März 2018 - 7 K 11079/17.TR zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Mai 2017 - 7 K 2266/17.TR

bei uns veröffentlicht am 24.05.2017

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckungsfähigen Betrages vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 07. Nov. 2012 - 8 C 28/11

bei uns veröffentlicht am 07.11.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister.

Referenzen

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister.

2

Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist seit dem Jahr 1987 als Bezirksschornsteinfegermeister bestellt und ist derzeit für einen Kehrbezirk im Burgenlandkreis zuständig.

3

Der Kläger betätigt sich aktiv für die Nationaldemokratische Partei (NPD), ohne deren Mitglied zu sein. Er ist seit dem Jahr 2004 Vorsitzender der NPD-Fraktion im Stadtrat von L., seit 2007 Mitglied der NPD-Fraktion im Kreistag des Burgenlandkreises und kandidierte im Jahr 2005 als Unabhängiger auf der Landesliste Sachsen-Anhalt der NPD für die Wahlen zum Deutschen Bundestag.

4

In den Jahren 2001 bis 2004 sowie 2006 und 2007 nahm er an Veranstaltungen zum Gedenken an die Mörder des Außenministers der Weimarer Republik Walther Rathenau in Bad Kösen, Ortsteil Saaleck, teil, wo er 2004 an einer Kranzniederlegung mitwirkte und 2007 zudem eine Rede hielt. Weitere außerberufliche Aktivitäten des Klägers sind zwischen den Beteiligten umstritten.

5

Der Beklagte widerrief mit Bescheid vom 10. April 2008 die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister mit der Begründung, dass dieser nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes besitze. Im Hinblick auf die von dem Bezirksschornsteinfegermeister wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben bestehe eine besondere Loyalitätspflicht zum Staat und zum Gefüge seiner Ordnung. Durch die exponierte Betätigung für die rechtsextremistische NPD habe er sich für das Amt des Bezirksschornsteinfegermeisters untragbar gemacht.

6

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 29. April 2010 den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 10. November 2011 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nicht erfüllt seien. Es sei nicht dargetan, dass der Kläger die ihm nach dem Schornsteinfegergesetz übertragenen Aufgaben nicht erfüllt oder etwa die damit verbundenen steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Pflichten vernachlässigt habe. Die dem Kläger zur Last gelegten politischen Aktivitäten seien kein hinreichender Grund dafür, seine Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister wegen fehlender persönlicher Zuverlässigkeit zu widerrufen. Zwar sei der Senat davon überzeugt, dass der Kläger sich mit den Zielen der NPD identifiziere und sich aktiv für diese Partei einsetze. Es sei aber nicht festzustellen, dass er im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben Bürgern gegenüber unangemessen, insbesondere aktiv werbend für die Ziele der NPD bzw. für rechtsextremistische Auffassungen, aufgetreten sei. Auch die - nach Auffassung des Senats zu Recht bestehenden - Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers seien für sich genommen nicht geeignet, seine Zuverlässigkeit infrage zu stellen, weil die Aufgabenerfüllung des Bezirksschornsteinfegermeisters kein aktives Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung voraussetze. Dies gelte ungeachtet des Umstands, dass Bezirksschornsteinfegermeistern hoheitliche Befugnisse eingeräumt seien. Die dem Kläger zur Last gelegten Verhaltensweisen im privaten Bereich belegten zwar, soweit sie ihm denn zugerechnet werden könnten, eine ausländerfeindliche und antisemitische Grundhaltung. Sie stünden aber nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit und seien damit nicht geeignet, eine gröbliche Verletzung seiner Berufspflichten zu begründen.

7

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend: Das angefochtene Urteil gehe zu Unrecht davon aus, dass die Feststellung der Unzuverlässigkeit wegen eines Verhaltens im privaten Bereich einen Zusammenhang mit einer zu befürchtenden Verletzung beruflicher Pflichten voraussetze. Aufgrund seiner Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben seien an die persönliche Zuverlässigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters höhere Anforderungen als an einen "normalen" Gewerbetreibenden zu stellen. Der Bezirksschornsteinfegermeister müsse auch durch sein außerberufliches Verhalten in der Öffentlichkeit Gewähr dafür bieten, dass Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen im Kehrbezirk das notwendige Vertrauen besitzen und dem Bezirksschornsteinfegermeister ohne berechtigte Bedenken Zutritt zu ihren Grundstücken und Räumen verschaffen. Die vom Berufungsgericht festgestellten rechtsextremistischen Aktivitäten des Klägers und sein aktives politisches Engagement für die NPD ließen schon für sich genommen die Befürchtung entstehen, dass er nicht die erforderliche Neutralität bei der Wahrnehmung seines öffentlichen Amtes wahre. Darauf, dass der Kläger nicht strafrechtlich verurteilt worden sei, komme es nicht an. Im Übrigen wiesen die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen teilweise den vom Gericht geforderten Zusammenhang mit einer Verletzung der Pflichten des Bezirksschornsteinfegermeisters auf. Der Internetauftritt der NPD-Kreistagsfraktion beinhalte schmähende und beleidigende Aussagen ("Wadenbeißer", "Kriminelle" sowie "Hanf zu Seilen, Laternen zu Galgen") gegenüber dem damaligen Wirtschaftsminister, dem ranghöchsten Vertreter der obersten Aufsichtsbehörde. Weiterhin sei der Kläger im Internet in Berufskleidung mit der sogenannten "Schulhof-CD" der NPD abgebildet gewesen. Das Berufungsgericht habe insoweit gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen, als es nicht aufgeklärt habe, ob es sich - wie der Kläger behauptet - hierbei um eine Fotomontage handele. Schließlich sei für die Beurteilung der Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, da es sich bei dem Widerrufsbescheid um einen Dauerverwaltungsakt handele, weshalb das Berufungsgericht auch Vorfälle nach 2008 hätte in den Blick nehmen müssen.

8

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. November 2011 und das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle zu ändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt ebenfalls das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision hat Erfolg. Das angegriffene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. April 2008 unbegründet. Der Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister zu Recht widerrufen.

13

1. Da es sich um eine Anfechtungsklage handelt und das einschlägige materielle Recht keine anderweitige Regelung trifft, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich (vgl. Urteil vom 8. April 1997 - BVerwG 1 C 7.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 41). Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei dem Widerruf der Bestellung nicht um einen Dauerverwaltungsakt, sondern um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, mit dem in Form einer einmaligen Regelung eine Rechtsposition wieder entzogen wird (vgl. auch Musielak/Schira/Manke, Schornsteinfegergesetz, 6. Aufl. 2003, § 11 Rn. 9). Schon deshalb geht die vom Beklagten gezogene Parallele zur Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO fehl. Die nach einem Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister gegebene Wiedereintragungsmöglichkeit in die Bewerberliste ist zudem von einem an die Behörde zu stellenden Antrag abhängig (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 3 i.V.m. § 1 Nr. 2 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 19. Dezember 1969 - SchfVO 1969 ). Dieses Antragserfordernis schließt es nicht anders als bei der Wiedergestattung einer zuvor untersagten Gewerbeausübung (vgl. zu § 35 Abs. 5 und 6 GewO Urteil vom 2. Februar 1982 - BVerwG 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <2 f.> = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 37 S. 8) aus, die für eine Wiedergestattung relevanten Umstände im laufenden Anfechtungsprozess zu berücksichtigen. Der angefochtene Bescheid beurteilt sich somit nach dem Gesetz über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz - SchfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 1998 (BGBl I S. 2071), geändert durch Art. 147 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407); auf nach dem Widerruf eingetretene tatsächliche Umstände lässt er sich nicht stützen.

14

2. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 ist - nach Anhörung des Vorstandes der Schornsteinfegerinnung - die Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Bezirksschornsteinfegermeister nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes besitzt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegen diese Voraussetzungen hier vor.

15

a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin Recht zu geben, dass die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit funktions-, das heißt berufsbezogen zu bestimmen sind. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998, der die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters "für die Ausübung seines Berufes" voraussetzt. Entgegen der Ansicht des Beklagten unterliegt der Bezirksschornsteinfegermeister damit nicht einer politischen Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG den Beamten als solchen - (auch) unabhängig von dessen Funktion - trifft (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346 ff.>). Nach dieser Rechtsprechung hat der Beamte den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen; sie fordert insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (a.a.O. S. 348). Zwar ist gemäß Art. 33 Abs. 5 GG das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln, und gemäß Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der Bezirksschornsteinfegermeister ist jedoch nicht Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Zwar übt er ebenfalls hoheitliche Befugnisse aus; doch ist er deshalb nicht in den öffentlichen Dienst eingegliedert, sondern wird als Privater mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse beliehen (vgl. Urteil vom 18. März 1994 - BVerwG 8 C 15.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 37). Die Beleihung Privater mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse stellt gerade die Ausnahme von der Regel des Art. 33 Abs. 4 GG dar (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 2 BvR 133/10 - , NJW 2012, 1563 = JZ 2012, 676 m. Anm. Waldhoff).

16

Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich nichts Anderes. Zwar mag die Betrauung mit öffentlichen Aufgaben unter gleichzeitiger Ermächtigung zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse als Übertragung eines öffentlichen Amtes im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden; dementsprechend bestimmt § 9 Abs. 4 des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes vom 26. November 2008 (BGBl I S. 2242) nunmehr, dass die Auswahl zwischen den Bewerbern und Bewerberinnen zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vorzunehmen ist. Das lässt jedoch offen, nach welchen Gesichtspunkten die Anforderungen an die persönliche Eignung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeisters des Näheren zu bestimmen sind. Namentlich ist damit nicht gesagt, dass hierbei auch bei Personen, die nicht dem öffentlichen Dienst zuzurechnen sind, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu berücksichtigen sind.

17

b) Der Bezirksschornsteinfegermeister besitzt nur dann die erforderliche (fachliche und persönliche) Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes, wenn er die Gewähr dafür bietet, jederzeit seine Berufspflichten zu erfüllen. Diese ergeben sich aus den §§ 3 und 13 SchfG 1998. Hiernach hat der Bezirksschornsteinfegermeister eine Doppelstellung: Gemäß § 3 Abs. 2 SchfG 1998 gehört er als Gewerbetreibender dem Handwerk an, nimmt aber bei der Feuerstättenschau (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 SchfG 1998), bei der Bauabnahme (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 und 9 SchfG 1998) und bei Tätigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes sowie der rationellen Energieverwendung (§ 13 Abs. 2 Nr. 10, 11 und 12 SchfG 1998) öffentliche Aufgaben wahr. Der Bezirksschornsteinfegermeister hat demnach im Vergleich zu anderen Handwerkern eine Sonderstellung inne, bei der die privatrechtlichen Wesenszüge ganz zurücktreten, die öffentlich-rechtlichen Elemente durchaus überwiegen (Urteil vom 19. Dezember 1957 - BVerwG 1 C 241.54 - BVerwGE 6, 72 <75> = Buchholz 451.20 § 39 GewO Nr. 1 S. 3; Beschluss vom 23. Februar 1972 - BVerwG 1 B 13.72 - GewArch 1972, 184). Dementsprechend gelten für ihn nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Handwerks- und Gewerberechts; zusätzlich muss er auch Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Berufspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen.

18

Der Bezirksschornsteinfegermeister nimmt seine öffentlichen Aufgaben unter Ausübung hoheitlicher Befugnisse wahr; er ist insofern Beliehener (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 23. Februar 1972 a.a.O. und vom 18. Dezember 1989 - BVerwG 8 B 141.89 - BVerwGE 84, 244 <247> = Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 32 S. 20; Urteil vom 18. März 1994 - BVerwG 8 C 15.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 37 S. 6). Das gilt unabhängig davon, ob er selbst Verwaltungsakte erlassen darf oder auf schlicht-hoheitliches Handeln beschränkt ist (vgl. hierzu Huber/Schorr, Die Zukunft des Schornsteinfegerhandwerks im Binnenmarkt, 2006, Rn. 32 ff., 51 ff.). Ihm wird gemäß § 2 SchfG 1998 ein Kehrbezirk zugewiesen, in dem er zur Vornahme der in § 1 SchfG 1998 geregelten Kehr- und Überprüfungsarbeiten unter Ausschluss jeden Wettbewerbs allein befugt ist. Die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen sind nach § 1 Abs. 3 SchfG verpflichtet, dem Bezirksschornsteinfegermeister und seinen Bediensteten zur Ausübung dieser Kehr- und Überwachungsaufgaben den Zutritt zu ihren Grundstücken und Räumen zu gestatten. Der Bezirksschornsteinfegermeister tritt den Eigentümern und Besitzern von Grundstücken und Räumen damit hoheitlich gegenüber. Er ist deshalb wie jede Behörde (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG) an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), namentlich an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Ein Bezirksschornsteinfegermeister, der nicht die Gewähr bietet, die geltende Rechtsordnung, insbesondere die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen in seinem Kehrbezirk jederzeit verlässlich zu beachten, ist im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 persönlich unzuverlässig.

19

c) Ob der Bezirksschornsteinfegermeister unzuverlässig ist, beurteilt sich anhand von Tatsachen, welche auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufes schließen lassen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO). Von der Behörde wird also eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit einer Prognose auf das künftige Verhalten des Bezirksschornsteinfegermeisters (vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Band I, Stand Februar 2012, § 35 Rn. 31 f.). Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (vgl. Marcks, a.a.O. Rn. 32 m.w.N.).

20

Hierbei ist auch vergangenes außerberufliches - in diesem Sinne privates - Verhalten in den Blick zu nehmen, sofern dieses Anhaltspunkte für künftiges berufliches Verhalten bietet. Aus der Regelungsgeschichte lässt sich nicht herleiten, dass der Normgeber privates Verhalten hätte vollständig ausblenden wollen. Zwar hat die Neufassung der Schornsteinfegerverordnung vom 12. November 1964 (BGBl I S. 874) nicht mehr verlangt, dass sich der Bezirksschornsteinfegermeister durch einen "vorbildlichen Lebenswandel" auszeichne. Indes schrieb § 27 Abs. 3 Satz 2 SchfVO 1964 vor, dass er auch außerhalb seiner Berufstätigkeit der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden müsse, die sein Beruf erfordern. Dass diese Bestimmung nicht in das Schornsteinfegergesetz vom 15. September 1969 (BGBl I S. 1634) übernommen wurde, bringt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zum Ausdruck, dass das private Verhalten nunmehr für die Frage der Zuverlässigkeit des Schornsteinfegermeisters außer Acht zu lassen wäre. Der Satz wurde vielmehr auf Anregung des Bundesjustizministeriums gestrichen, weil er "unerheblich" sei (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Aktenvermerk vom 12. und 13. März 1969, S. 3); es sollte mithin insofern bei der allgemeinen gewerberechtlichen Rechtslage verbleiben, wonach privates Verhalten aber ebenfalls nicht von vornherein ausgeblendet wurde und wird.

21

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist auch nicht nur solches private Verhalten relevant, das schon selbst einen "unmittelbaren" Berufsbezug aufweist. Abgesehen davon, dass sich "unmittelbar" berufsbezogenes Verhalten selten hinlänglich genau von nur "mittelbar" berufsbezogenem Verhalten wird abgrenzen lassen, besteht für eine derartige Blickverengung kein Anlass. Der nötige Berufsbezug wird dadurch hergestellt, dass auch privates Verhalten das Urteil der Unzuverlässigkeit nur dann zu tragen vermag, wenn es die Sorge begründet, der Bezirksschornsteinfegermeister werde künftig seinen beruflichen Pflichten nicht jederzeit zuverlässig nachkommen. Aus demselben Grunde besteht auch kein Anlass, vergangenes (privates) Verhalten nur dann zur Grundlage für die nötige Prognose zu nehmen, wenn es strafbar war oder gar wenn es - wie der Kläger meint - tatsächlich bestraft wurde. Aufschluss über künftiges berufliches Verhalten vermag nicht nur strafbares Verhalten zu bieten.

22

Allerdings haben behördliche Maßnahmen im Bereich des Gewerberechts und damit auch solche nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 die Grundrechte des Betroffenen zu wahren, unter anderem die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und die Freiheit, sich in einer oder für eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei zu engagieren. Solche Maßnahmen dürfen deshalb nicht allein an die politische oder weltanschauliche Gesinnung anknüpfen. Bei der Prüfung und Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit eines Bezirksschornsteinfegermeisters geht es allein darum, eine - auf der Grundlage seines bisherigen Verhaltens zu befürchtende - Verletzung berufsbezogener Pflichten zu verhindern.

23

d) Die bloße Mitgliedschaft in der NPD oder Anhängerschaft für diese Partei könnte nach dem Vorstehenden die Unzuverlässigkeit eines Bezirksschornsteinfegermeisters für die Ausübung seines Berufes ebenso wenig begründen wie die Kandidatur zu kommunalen Vertretungskörperschaften oder staatlichen Parlamenten, die Wahrnehmung von Mandaten aus einer solchen Wahl oder die Mitgliedschaft in einer Fraktion der NPD.

24

Zulässig ist jedoch eine Anknüpfung an öffentliche antisemitische Aktivitäten des Klägers im außerberuflichen Bereich. Das Berufungsgericht hat zu den einzelnen, vom Beklagten vorgetragenen Aktivitäten keine näheren Feststellungen getroffen, so dass als gesichert nur diejenigen Aktivitäten zugrundegelegt werden können, die der Kläger selbst eingeräumt hat. Hiernach ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2004 sowie erneut 2006 und 2007 an den jährlichen "Totenehrungen" an den (mittlerweile eingeebneten) Gräbern der Mörder Walther Rathenaus teilgenommen, dort 2004 einen Kranz mit der Aufschrift "Wenn alle untreu werden, bleiben wir doch treu" niedergelegt und 2007 eine Rede gehalten hat. Das Berufungsgericht hat hierin den Beleg für eine rassistische und antisemitische Grundhaltung gesehen. Hiergegen hat der Kläger Verfahrensrügen nicht erhoben.

25

Gegen die Sachwürdigung des Berufungsgerichts lässt sich auch nichts erinnern. Durch seine aktive Beteiligung an den "Totenehrungen" hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass für ihn selbst schwerste antisemitische Straftaten billigenswert und die Täter verehrungswürdig sind, sofern die Taten den von ihm für richtig gehaltenen politischen Zielen dienen. Der im Jahr 1922 auf den Reichsaußenminister Dr. Walther Rathenau verübte Mordanschlag zielte nicht nur auf die Destabilisierung und Beseitigung der Republik und der Demokratie, sondern war antisemitisch motiviert. Dr. Rathenau war wegen seines jüdischen Glaubens Ziel hasserfüllter antisemitischer Hetzkampagnen gewesen und wurde deren Opfer (vgl. dazu u.a. Gotthard Jasper, Der Schutz der Republik. Studien zur staatlichen Sicherung der Demokratie in der Weimarer Republik 1922 - 1930, Tübingen 1963, S. 57 m.w.N.; Clemens Picht in: Hans Wilderotter , Walther Rathenau 1867 - 1922. Die Extreme berühren sich, 1997, S. 117 <125 f.>). Bekannt wurde vor allem das von den nationalistisch-terroristischen Freikorps verbreitete Schmählied: "Auch der Rathenau, der Walther, / erreicht kein hohes Alter. / Knallt ab den Walther Rathenau, / die gottverfluchte Judensau!" (vgl. u.a. Gotthard Jasper, a.a.O. S. 57). Gerade wegen dieser doppelten Bedeutung veranstaltete die NSDAP seit 1933 alljährliche "Totenehrungen" am Todestag der beiden Täter, dem 17. Juli, an deren Grab in Saaleck. Hitler ließ dort sogar einen Gedenkstein aufstellen.

26

Nach 1990 stellte sich die extreme Rechte in diese Tradition, indem sie alljährlich wiederum am 17. Juli "Totenehrungen" in Saaleck durchführte. Durch ihr Gesamtgepräge und die Anknüpfung an die früheren Gedenkveranstaltungen in der NS-Zeit erlangen sie ihren spezifischen Erklärungsinhalt. Die für die "Totenehrungen" in Saaleck Verantwortlichen und die daran aktiv Mitwirkenden machten damit öffentlich deutlich, dass sie den Mördern ihre Ehrerbietung bezeugten und dass sie sich bewusst in die Tradition der früheren NS-Gedenkveranstaltungen stellten. So wurde dies auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen (vgl. u.a. die Berichte in der "Zeit" vom 30. März 2000 und in der "Badischen Zeitung" vom 13. August 2012). Wie sich aus den Einlassungen des anwaltlich vertretenen Klägers im Anhörungs- und im Klagverfahren ergibt, waren und sind ihm die historischen Fakten und Zusammenhänge des Mordanschlags auf Dr. Rathenau sowie die nationalsozialistische Tradition, in der die "Totenehrungen" standen, im Wesentlichen bekannt und bewusst. Er hat sich an diesen Veranstaltungen aktiv beteiligt und sich damit öffentlich antisemitisch betätigt. Seine Einlassung, er habe sich lediglich mit dem historischen Sachverhalt auseinandersetzen wollen, stellt nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen eine Schutzbehauptung dar, die erkennbar das Ziel hat, die seinem Verhalten zugrunde liegenden Beweggründe zu verschleiern; sie sucht den Erklärungsinhalt seines Verhaltens herunterzuspielen. Das ergibt sich bereits daraus, dass er nicht nur einmal und als schweigender Besucher, sondern wiederholt teilnahm und sich auch mit einer Kranzniederlegung mit einer Aufschrift, welche den Eingangsvers des von der SS missbrauchten Studentenliedes "Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu" wiederholt, sowie einer öffentlichen Rede hervorgetan hat.

27

Einem Bezirksschornsteinfegermeister, der in dieser Weise antisemitische und rassistische schwerste Straftaten öffentlich billigt, fehlt die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes. Er bietet nicht die Gewähr dafür, dass er die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen er in Ausübung seines Berufes gegenübertritt, jederzeit verlässlich achtet. Vielmehr besteht die Gefahr, dass er sich diesen Personen gegenüber - entgegen seiner Bindung auch an Art. 3 Abs. 3 GG - jedenfalls dann voreingenommen und diskriminierend verhält, wenn diese einer ethnischen oder religiösen Minderheit angehören. Eine Verletzung der besonderen Grundrechte aus Art. 3 Abs. 3 GG wäre zudem von besonderem Gewicht; das Vertrauen der Bevölkerung und gerade von ethnischen oder religiösen Minderheiten in eine neutrale und unvoreingenommene Amtsführung deutscher Amtsträger ist nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte stets prekär und gerade deshalb besonders wertvoll. Angesichts dessen sind an die nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 "erforderliche" Zuverlässigkeit gerade in dieser Hinsicht besonders hohe Anforderungen zu stellen. Deshalb genügen die beschriebenen Anhaltspunkte, um den Kläger als unzuverlässig erscheinen zu lassen. Die zuständige Behörde muss nicht abwarten, bis sich die Gefahr einer konkreten Verletzung der Berufspflichten realisiert.

28

3. Grundrechte des Klägers stehen dem Widerruf seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nicht entgegen.

29

a) Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Indem die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anordnet, schränkt sie die Freiheit der Berufswahl auf der Stufe einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung ein. Solche Einschränkungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur statthaft, soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, geschützt werden soll, sie nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen und keine übermäßige unzumutbare Belastung enthalten (BVerfG, Beschluss vom 12. März 1985 - 1 BvL 25, 45, 52/83 - BVerfGE 69, 209 <218>). Es steht nicht im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 1 GG, Personen nicht mit den Hoheitsbefugnissen eines Bezirksschornsteinfegermeisters zu beleihen, die Anlass bieten, an ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zu zweifeln, ihre Amtspflichten uneingeschränkt zu erfüllen und insbesondere ihre beruflichen Aufgaben unparteiisch und frei von jeglicher Diskriminierung ihrer Kunden, auch wenn sie ethnischen oder religiösen Minderheiten angehören, wahrzunehmen. Die Gewährleistung einer unparteiischen und rechtsstaatlichen Aufgabenwahrnehmung stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, hinter das das Interesse des Bezirksschornsteinfegermeisters, mit Hoheitsbefugnissen beliehen zu werden, zurückzustehen hat. Mildere, ebenso geeignete Maßnahmen zum Schutz des Gemeinschaftsguts sind nicht ersichtlich. Eine vorherige Pflichtenmahnung (vgl. § 27 SchfG 1998 und hierzu Beschluss vom 8. September 1959 - BVerwG 1 CB 91.59 - GewArch 1959/60, 160; Dohrn, Das deutsche Schornsteinfegerwesen, Stand Juli 2012, 750 § 11 Rn. 5) wäre nicht geeignet gewesen, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Denn der anwaltlich vertretene Kläger hat auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 28. Januar 2008 sein Verhalten durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Februar 2008 ausdrücklich rechtfertigen lassen. Er sah keine Veranlassung, sein Verhalten zu korrigieren. Auch im Klageverfahren hat der Kläger hieran festgehalten. Mit dem Widerruf der Bestellung wird dem Kläger zudem nicht die Möglichkeit genommen, seinem Beruf als Schornsteinfeger in anderer Weise, etwa in einem Angestelltenverhältnis oder als selbstständiger Handwerker ohne Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister mit Hoheitsbefugnissen nachzugehen.

30

b) Der Widerruf der Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister wegen seiner festgestellten mehrfachen aktiven Beteiligung an den "Totenehrungen" für die Rathenau-Attentäter in Saaleck verstößt auch nicht gegen sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG). Dabei kann offen bleiben, ob die Maßnahme überhaupt in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreift; das könnte bezweifelt werden, weil sie dem Kläger nicht verbietet, eine bestimmte Meinung überhaupt oder in einer bestimmten Art und Weise zu äußern, und auch nicht das Äußern einer bestimmten Meinung mit einer Sanktion belegt. Selbst wenn der Widerruf der Bestellung wegen der damit verbundenen nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreifen sollte, ist dies gerechtfertigt. Die Meinungsäußerungsfreiheit findet ihre Grenze unter anderem in den "allgemeinen Gesetzen" nach Art. 5 Abs. 2 GG. Hierzu gehören diejenigen Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verbieten und die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, sondern dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <209 f.> m.w.N.). Das betreffende Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung sowie unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538, 2045/06 - BVerfGE 117, 244 <260> und Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1602, 1606, 1626/07 - BVerfGE 120, 180). Für Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG folgt hieraus, dass ihre Zielsetzung nicht darauf gerichtet sein darf, Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <332>). Das ist bei § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nicht der Fall. Der Widerruf der Bestellung dient der Gefahrenabwehr und zielt allein darauf ab sicherzustellen, dass nur solche Personen die Aufgaben und Befugnisse eines Bezirksschornsteinfegermeisters wahrnehmen, die die Gewähr bieten, dass sie die damit verbundenen beruflichen Pflichten uneingeschränkt und verlässlich erfüllen. Ein Amtsträger wie der Bezirksschornsteinfegermeister darf unter Berufung auf seine Meinungsäußerungsfreiheit seine berufliche Verpflichtung nicht infrage stellen, dass er die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen er bei der Ausübung seines Berufes hoheitlich gegenübertritt, uneingeschränkt und jederzeit verlässlich achtet. Da dieser Rechtsgüterschutz beim Kläger nicht gewährleistet ist, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für seine Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister. Eine den Kläger weniger belastende, jedoch gleich wirksame Maßnahme als der Widerruf der Bestellung ist nicht ersichtlich. Der Widerruf ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da dem Kläger nicht die Ausübung des Schornsteinfegerhandwerks generell untersagt wird.

31

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Garantien der Meinungsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 EMRK, deren Inhalt und Entwicklungsstand bei der Auslegung des Grundgesetzes in Betracht zu ziehen sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568 <2572>).

32

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) (Urteil vom 23. September 1998 - Nr. 55/1997/839/1045, Lehideux und Isomi/Frankreich - ÖJZ 1999, 656 <658>; Entscheidung vom 24. Juni 2003 - Nr. 65831/01, Garaudy/Frankreich - NJW 2004, 3691 <3692>) genießt eine Äußerung gegen die Grundwerte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), worunter auch die Rechtfertigung einer pro-nationalsozialistischen Politik fällt, bereits nicht den Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Widerruf der Bestellung hier in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit eingreifen würde, läge ein Verstoß gegen Artikel 10 Abs. 1 EMRK nur dann vor, wenn der Eingriff nicht gesetzlich vorgesehen ist, kein legitimes Ziel nach Absatz 2 verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele nicht notwendig ist. Der Widerruf der Bestellung ist jedoch in § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 gesetzlich vorgesehen. Damit wird auch ein im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK legitimes Ziel verfolgt; es soll sichergestellt werden, dass die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen der Kläger bei der Ausübung seines Berufes hoheitlich gegenübertritt, uneingeschränkt und jederzeit verlässlich geachtet werden. Dieses Ziel ist in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Das bedarf keiner näheren Darlegung. Der Widerruf ist auch nicht im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK unverhältnismäßig. Insofern gilt nichts anderes als hinsichtlich der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckungsfähigen Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Kläger von der Beratung und Beschlussfassung des Beklagten über die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur weiteren Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegen eine dem Beklagten gegenüber getroffene kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung der Kreisverwaltung ....

2

Die Kläger sind Mitglieder des Beklagten, die in den Jahren 2011 und 2012 das Amt der Beigeordneten innehatten. Für diese beiden Jahre wurde bisher weder über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse Beschluss gefasst noch über die Entlastung des Ortsbürgermeisters und der Beigeordneten. Zunächst wurden die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse sowie die Entlastung anlässlich einer Sitzung des Beklagten vom 25. Juni 2015 unter Ausschluss der Kläger verweigert. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde geltend gemacht, dass die gesetzlichen Fristen der Gemeindeordnung – GemO – nicht eingehalten worden seien. Gemäß § 114 Abs. 1 S. 1 GemO sei über den Jahresabschluss spätestens bis zum 31. Dezember des dem Haushaltsjahr folgenden Jahres zu beschließen, was nicht möglich gewesen sei. Der Jahresabschluss 2011 sei entgegen § 108 Abs. 4 GemO auch nicht im ersten Halbjahr 2012 vollzogen worden. Zudem widersprächen die Rechnungsabschlüsse grundlegend der nach § 113 GemO geforderten Vorstellung von einer geordneten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Ortsgemeinde. Schulden würden mit Schulden bezahlt, die Ertragslage stelle nicht in Aussicht, dass diese Schulden jemals getilgt würden. Schließlich sei aufgrund der bisher vorliegenden Unterlagen nicht abschließend feststellbar, ob im Rahmen der Erschließung der Stichstraße „...“ u. a. gegen Vergaberichtlinien verstoßen worden sei; das diesbezüglich vorliegende Zahlenwerk sei weiterhin strittig.

3

Diese Beschlüsse wurden durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde ... am 2. Februar 2016 mit der Auflage ausgesetzt, dass sich der Beklagte in seiner nächsten Sitzung erneut mit den betreffenden Punkten zu befassen und eine neue Beschlussfassung hinsichtlich der Entlastung und der Feststellung der Jahresabschlüsse herbeizuführen habe.

4

In der darauffolgenden Sitzung des Beklagten vom 22. Februar 2016 wurden unter Ausschluss der Kläger die Beschlüsse aus der Sitzung vom 25. Juni 2015 bestätigt, mithin die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse sowie die Entlastung verweigert.

5

Mit Schreiben vom 18. April 2016 gab die Kreisverwaltung ... dem Beklagten vor einer bereits in Aussicht gestellten kommunalaufsichtlichen Anordnung durch die Aufsichtsbehörde die Gelegenheit, hierzu bis zum 20. Mai 2016 Stellung zu nehmen bzw. die erfolgten Beschlussfassungen zu überdenken. Zur Begründung wurde hierbei seitens der Kreisverwaltung ausgeführt, dass die Beschlüsse rechtswidrig gefasst worden seien, da die vorgebrachten Gründe evident nicht die Entscheidungen rechtfertigten, die Entlastung und Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse zu versagen.

6

In der Sitzung des Beklagten vom 19. Mai 2016 verblieb es jedoch wiederum bei den ursprünglichen Beschlüssen anlässlich der Ausgangssitzung vom 25. Juni 2015. Auch diese Beschlussfassung erfolgte unter Ausschluss der Kläger.

7

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2016, dem Ortsbürgermeister zugestellt am 20. Oktober 2016, stellte die Kreisverwaltung ... als Kommunalaufsichtsbehörde fest, dass die Beschlüsse des Beklagten über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse 2011 und 2012 sowie die Entlastung des (Orts-)Bürgermeisters und der Beigeordneten geltendes Recht verletzten und beanstandete diese aufsichtsbehördlich. Zugleich forderte sie den Beklagten auf, die streitgegenständlichen Beschlüsse vom 25. Juni 2015, 22. Februar 2016 bzw. 19. Mai 2016 aufzuheben und erneut unter Beachtung der ihm gesetzlich obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten (a) über die Feststellung der geprüften Jahresabschlüsse 2011/2012 zu beschließen und (b) dem ehemaligen Ortsbürgermeister, dem Bürgermeister sowie den Beigeordneten, soweit diese den Orts- bzw. Verbandsbürgermeister vertreten haben, bis zum 30. November 2016 die Entlastung zu erteilen.

8

Gegen den vorgenannten Bescheid der Kreisverwaltung ... legte die Ortsgemeinde ... durch Schreiben des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde ... vom 26. Oktober 2016 Widerspruch ein nachdem am 20. Oktober 2016 ein entsprechender Ratsbeschluss gefasst worden war. In dem Widerspruchsschreiben wurde ausgeführt, dass die Widerspruchseinlegung zunächst zur Fristwahrung erfolge und eine Begründung folge.

9

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Begründung dieses Widerspruchs war sodann Gegenstand der Sitzung des Beklagten vom 1. Dezember 2016. Hierbei konnte keine Klärung zu der Frage herbeigeführt werden, ob die Kläger als Ratsmitglieder wegen Befangenheit auszuschließen seien. Diese Frage sollte sodann in der darauffolgenden Sitzung abgehandelt werden.

10

In der anschließenden, hier streitgegenständlichen Sitzung am 26. Januar 2017 erklärte der Ortsbürgermeister unter Hinweis auf eine diesem vorliegende und als Sitzungsvorlage ausgeteilte anwaltliche Stellungnahme, dass die Kläger bei der Beschlussfassung hinsichtlich der Frage der Beauftragung eines Rechtsanwaltes wegen Befangenheit auszuschließen seien. Die Kläger wurden sodann von dem Ortsbürgermeister aufgefordert, vom Sitzungstisch abzurücken. Hierauf erwiderte die Klägerin zu 1) unter Bezugnahme auf das Ergebnis einer von ihr bei der Verbandsgemeindeverwaltung ... gestellten Anfrage, dass mangels Unmittelbarkeit kein Ausschließungsgrund vorliege. Der Kläger zu 2) schloss sich dieser Auffassung an. Da ein Einvernehmen zwischen den Parteien nicht herzustellen war, stellte der Beklagte durch den Ortsbürgermeister schließlich die Nichtöffentlichkeit her und fasste mehrheitlich den Beschluss, dass eine Befangenheit der Kläger vorliege. Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wurden die Kläger über die Beschlussfassung unterrichtet. Diese rückten vom Sitzungstisch ab und nahmen im Zuschauerraum Platz. Der Beklagte beschloss anschließend mehrheitlich, eine Prozessvollmacht zur – weiteren – Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu erteilen.

11

Mit an den Ortsbürgermeister der Gemeinde ... gerichteter E-Mail vom 27. Januar 2017 setzte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde ... den streitgegenständlichen Beschluss vom Vortage aus. Zur Begründung führte er hierbei aus, dass der Beschluss über die Ausschlüsse der beiden Ratsmitglieder rechtsfehlerhaft sei, so dass dieser auch nicht ausgeführt werden dürfe. Der Ortsbürgermeister der Gemeinde ... teilte hierauf mit E-Mail vom selben Tage mit, dass der Beschluss bereits ausgeführt worden und die Anweisung – seiner Meinung nach – daher hinfällig sei.

12

Die Kläger haben am 22. Februar 2017 gegen ihren Ausschluss Klage erhoben und machen geltend, dass es sich um einen Tagesordnungspunkt gehandelt habe, welcher nur mittelbar mit den Beschlüssen der verweigerten Entlastung im Zusammenhang stehe. Es sei nicht um die Frage entlastender Feststellungen für die Kalenderjahre 2011 und 2012 sondern um die Frage gegangen, ob für das Widerspruchsverfahren ein Rechtsanwalt zu beauftragen sei, was mit entsprechenden Kosten einhergehe. Mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts trete der vom Mandanten gewünschte Erfolg nicht automatisch ein. Dies hinge vielmehr von den Entscheidungen Dritter, insbesondere der Gerichte, ab.

13

Die Kläger beantragen,

14

festzustellen, dass ihr Ausschluss wegen Befangenheit in der Sitzung des Beklagten vom 26. Januar 2017 hinsichtlich der Beschlussfassung zur Beauftragung eines Rechtsanwalts zwecks Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid der Kreisverwaltung ... vom 13. Oktober 2016 rechtswidrig war und die Beschlussfassung unter Mitwirkung der Kläger zu wiederholen ist.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er ist der Auffassung, es sei eine Befangenheit der Kläger anzunehmen, da diese unmittelbar betroffen seien. Die Kläger hätten bei dem Rechnungsprüfungsverfahren nach § 110 GemO als damalige Beigeordnete, soweit sie den Bürgermeister im Prüfungszeitraum vertreten hätten, kein Stimmrecht. Wenn sie schon im Prüfungsverfahren kein Stimmrecht hätten, dann seien sie auch nicht berechtigt, mitzuwirken, wenn es um die rechtliche Überprüfung dieses Prüfungsverfahrens gehe. Nach den ersten Feststellungen würden in den Jahren 2011 und 2012 haushalterische Unregelmäßigkeiten vermutet, die einer verlässlichen Klärung im Rechnungsprüfungsverfahren bedürften. Sollten sich diese Vermutungen erhärten, könnte dies zu einem Nachteil in der Gestalt eines möglichen Ansehensverlustes bzw. einer Rufschädigung für die Kläger führen, der sich durch das Ergebnis der weiteren Überprüfung der Haushaltsjahre 2011 und 2012 ergeben könne. Gerade diese Überprüfung habe mit Hilfe des beauftragten Rechtsanwalts vorgenommen werden sollen. Diese mögliche nachteilige Wirkung der Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Unterstützung der Jahresprüfung 2011 und 2012 begründe eine Interessenkollision, weil die Kläger befürchten müssten, dass sich die ersten Vermutungen wegen Unregelmäßigkeiten bestätigen könnten. Zudem hätten die Kläger sich auch in der Vergangenheit bei den Beratungen zum gleichen Thema regelmäßig selbst ausdrücklich auf ihr bestehendes Sonderinteresse berufen und sich freiwillig vom Sitzungstisch entfernt. Die Kläger hätten außerdem zunächst die Aufsichtsbehörde einschalten müssen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakte der Verbandsgemeinde ... (1 Heft) verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig (1.) aber unbegründet (2.).

20

1. Die Klage ist als Feststellungsklage im Kommunalverfassungsstreitverfahren zulässig, da die Kläger geltend machen können, durch den Ausschluss aus der Sitzung des Beklagten am 26. Januar 2017 hinsichtlich der Beschlussfassung zur Beauftragung eines Rechtsanwalts zur weiteren Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid der Kreisverwaltung ... vom 13. Oktober 2016 in eigenen Rechten – ihrem Recht auf Anwesenheit bei den Sitzungen und auf Teilnahme an der Beratung und Abstimmung – als Ratsmitglieder verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –, § 30 Gemeindeordnung – GemO –, VG Koblenz, Urteil vom 26. Januar 2006 – 6 K 1589/05.KO – juris Rn. 16; OVG RP, Urteil vom 13. Juni 1995 – 7 A 10875/94.OVG – juris).

21

Vertreten wird der Gemeinderat im Kommunalverfassungsstreitverfahren von dem Ortsbürgermeister als Ratsvorsitzenden gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 GemO (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 31. Oktober 2013 – 10 LC 72/12 – juris Rn. 59). Die Gemeinde als solche, also die kommunale Körperschaft, ist am Kommunalverfassungsstreit nicht beteiligt sondern nur gemeindliche Organ(teil)e, vorliegend einzelne Ratsmitglieder auf Kläger- und der Ortsgemeinderat auf Beklagtenseite. Damit vertritt der (Verbands-)Bürgermeister die Gemeinde auch nicht als gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 62 Abs. 3 VwGO i. V. m. der maßgeblichen gemeinderechtlichen Vertretungsregelung nach § 68 Abs. 1 Nr. 4 GemO. Vielmehr ist der Vertreter der Organwalter des beteiligten Organ(teil)s, also bei Kollektivorganen z. B. der Ratsvorsitzende (vgl. hierzu ausführlich: Schoch in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 1. Auflage 2009, § 28 Rn. 65 f.).

22

Ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO besteht allein deshalb, weil wegen des vom Rat eingenommenen Rechtsstandpunktes unter im Wesentlichen vergleichbaren Umständen dasselbe erneut passieren kann. Angesichts der vorliegenden Wiederholungsgefahr ist auch nicht von Bedeutung, dass der streitgegenständliche Beschluss zunächst mit E-Mail des (Verbands-) Bürgermeisters vom 27. Januar 2017 ausgesetzt worden war, zumal das Aussetzungsverfahren aber auch im weiteren Verlauf nicht weiter betrieben und offensichtlich einvernehmlich als gegenstandslos betrachtet wurde.

23

Schließlich haben die Kläger auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist durch die Möglichkeit der Anrufung der Aufsichtsbehörde nicht ausgeschlossen (OVG RP, Urteil vom 8. März 1965 – 6 A 22/64 – AS RP-SL 9, 335-348).

24

2. Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Sie richtet sich zwar gegen den richtigen Passivlegitimierten (a.), ist im Übrigen jedoch unbegründet (b.).

25

a. Der Beklagte ist richtiger Klagegegner und damit passivlegitimiert, da er als „Kontrastorgan“ (vgl. zur Terminologie: OVG RP, Beschluss vom 1. Dezember 1994 – 7 B 12954/94.OVG – juris Rn. 16) in innerorganschaftlichem Streit mit den Klägern steht. Im Kommunalverfassungsstreit entscheidet die innerorganisatorische Kompetenz- und Pflichtenzuordnung über die Frage der Passivlegitimation. Passivlegitimiert ist danach das Organ der Gemeinde, dem die für das streitige Handeln erforderliche interne Kompetenz zuzurechnen ist. Die Kompetenz für den streitigen Ausschluss aus der Sitzung des Ortsgemeinderates am 26. Januar 2017 steht nach § 22 Abs. 5 S. 2 Alt. 1 GemO dem Gemeinderat zu, welcher die Entscheidung vorliegend auch getroffen hat.

26

b. Der Beklagte hat die Kläger jedoch zu Recht in der Sitzung vom 26. Januar 2017 von der Beratung und Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt Nr. 3 „Jahresabschlüsse 2011 – 2012; hier: weitere Vorgehensweise“ ausgeschlossen, da bei ihnen der Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO gegeben war.

27

Der Ausschluss war formell rechtmäßig. Da zu der Frage, ob die anstehende Beratung und Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts den Klägern einen unmittelbaren Vorteil bringen konnte, unterschiedliche Rechtsansichten vertreten wurden, lag ein Zweifelsfall im Sinne des § 22 Abs. 5 S. 2 GemO vor. Die Kläger erhielten sodann in öffentlicher Sitzung die Gelegenheit, zu der vom Ortsbürgermeister angenommenen Befangenheit Stellung zu nehmen. Im Anschluss daran hat der Beklagte in Abwesenheit der Kläger in nichtöffentlicher Sitzung mehrheitlich eine Befangenheit angenommen.

28

Der Ausschluss der Kläger von der Beratung und Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt Nr. 3 war auch materiell rechtmäßig. Denn in der Person der Kläger lag der Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO vor. Danach dürfen Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben – darunter fällt auch die eines Ratsmitglieds – nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung u. a. ihnen selbst einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann.

29

Dies ist nicht nur bei den Adressaten der eigentlichen Entlastungsentscheidung der Fall sondern auch bei der hier streitgegenständlichen Entscheidung darüber, ob zur weiteren Durchführung eines Widerspruchsverfahrens der Ortsgemeinde gegen eine kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung, mit welcher die Ortsgemeinde angewiesen wurde, die bisher verweigerte Entlastung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erteilen, ein Rechtsanwalt beauftragt werden soll.

30

Mit dem Ausschließungsgrund des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, kommunale Ratsmitglieder anzuhalten, ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung auszurichten, ihnen persönliche Konfliktsituationen zu ersparen sowie das Vertrauen der Bürger in eine saubere Kommunalverwaltung zu erhalten und zu stärken (st. Rspr. OVG RP, vgl. nur Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 24). Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Ratsmitglied tatsächlich beabsichtigt, ein konkretes persönliches Anliegen – hier die Erteilung der Entlastung – zu verfolgen; vielmehr genügt es, dass ein dahingehender „böser Anschein“ begründet ist. Dieser besteht bereits dann, wenn konkrete Umstände den Eindruck begründen, das Ratsmitglied könne bei seiner Entscheidung auch von persönlichen Interessen geleitet werden (vgl. OVG RP, Urteil vom 24. März 2011 – 1 C 10737/10.OVG – juris). Ob eine Interessenkollision tatsächlich besteht, ist unerheblich (VG Neustadt, Urteil vom 28. Februar 2011 – 3 K 958/10.NW – juris Rn. 17).

31

Die von dem Beklagten bisher in mehreren Sitzungen verweigerte Entlastungsentscheidung nach § 114 Abs. 1 S. 2 GemO stellt für die Kläger einenNachteil und die durch die kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung vom 13. Oktober 2016 an den Beklagten ausgesprochene Verpflichtung, die Entlastung bis spätestens zum 30. November 2016 zu erteilen, einen zu diesem Zeitpunkt in naher Zukunft erreichbaren Vorteil i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO dar, der durch die Widerspruchseinlegung – zunächst zumindest vorübergehend – vereitelt wurde.

32

Vor- oder Nachteil im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO ist jede Auswirkung für den Betroffenen, die ihn besser oder schlechter stellt, wobei nicht nur materielle sondern auch immaterielle, insbesondere individuelle persönliche Interessen zu einem Mitwirkungsverbot führen können (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur GemO, Gabler, Höhlein, u. a., Stand September 2013, § 22 Ziffer 2.3.2). Auch der aus einer Entscheidung des Gemeinderats resultierende Ansehens- oder Einflussverlust für ein Ratsmitglied kann einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil in diesem Sinne begründen (OVG RP, Urteil vom 23. April 1998 – 1 C 10789/97.OVG – juris Rn. 24). Der Begriff des Vor- oder Nachteils ist weit zu interpretieren. Als Regulativ zur Verhinderung einer überzogenen Anwendung des Mitwirkungsverbots ist der Begriff der „Unmittelbarkeit“ anzusehen (Praxis der Kommunalverwaltung, a. a. O.).

33

Die Entlastung ist die politische Feststellung, dass die Rechnungsprüfung positiv abgeschlossen ist (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur GemO, Stand September 2013, § 114 Ziffer 3.1.3). Sie bedeutet, dass der Gemeinderat mit dem Entlastungsbeschluss die politische Verantwortung für die Haushaltswirtschaft der Gemeinde für das abgelaufene Haushaltsjahr übernimmt und stellt ein Vertrauensvotum dar. In der vollständigen Verweigerung der Entlastung liegt daher die Aussage, dass die Haushaltswirtschaft insgesamt kein Vertrauen verdiene, womit der Makel bzw. Anschein nicht ordnungsgemäßer Haushaltsführung einhergeht. In der Öffentlichkeit – gerade auch in kleinen Gemeinden – kann hiermit dem Ansehen der mit der Haushaltsführung befassten Personen ein erheblicher Schaden zugefügt werden (vgl. zur Annahme eines Nachteils auch: Praxis der Kommunalverwaltung, Kommentar zur GemO, Stand September 2013, § 22 Ziffer 2.3.2 sowie § 114 Ziffer 4).

34

Das von dem Beklagten am 20. Oktober 2016 beschlossene grundsätzliche Vorgehen gegen die kommunalaufsichtliche Anordnung und der daraufhin am 26. Oktober 2016 eingelegte Widerspruch verzögerten die für die Kläger bereits zum 30. November 2016 in Aussicht stehende Entlastungserteilung und stellen somit ebenfalls einen Nachteil für die Kläger dar. Nichts anderes gilt daher für die damit im Zusammenhang stehende Frage, wie dieses den Vorteil der Kläger verzögernde Verfahren weiter betrieben werden soll; konkret, ob hierzu von der Beklagten ein Rechtsanwalt bevollmächtigt und mit der Begründung des Widerspruchs befasst werden soll oder ob dieses Verfahren ohne die Einbeziehung eines Volljuristen mit eigenem Sachverstand zu Ende gebracht wird.

35

Ein Vorteil scheidet schließlich auch nicht deshalb aus, weil die Entlastungserteilung die Tätigkeit der Kläger „amtsbezogen“ als ursprüngliche Beigeordnete betrifft und damit nicht Angelegenheiten außerhalb der übertragenen kommunalen Aufgabenwahrnehmung. Eine entsprechende Einschränkung der Mitwirkungsverbote kann aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO nicht hergeleitet werden. Auch die Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Gemeindeordnung vom 3. Mai 1979 (MinBl. S. 179), zuletzt geändert durch Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 09. Dezember 2016 (MinBl. S. 278 bis 280) – GemO-VV –, sieht in Ziffer 4 zu § 114 GemO ausdrücklich vor, dass der Bürgermeister und die Beigeordneten, denen die Entlastung erteilt werden soll, an der Beratung und Abstimmung des Gemeinderats über die Entlastung nicht teilnehmen dürfen. Schließlich haben der Ortsbürgermeister und die Beigeordneten vor diesem Hintergrund auch in dem dieser Beschlussfassung vorgelagerten Rechnungsprüfungsverfahren nach § 110 Abs. 4 GemO kein Stimmrecht (vgl. auch zur Annahme eines Nachteils wegen eines möglichen Ansehensverlusts im Zusammenhang mit „dienstlichen“ Äußerungen eines Bürgermeisters: VGH BW, Urteil vom 10. Mai 1993 – 1 S 1943/92 – juris).

36

Die Beratung und Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts in der streitgegenständlichen Sitzung vom 26. Januar 2017 war auch geeignet, den Klägern einen unmittelbaren Vor-/Nachteil i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO zu bringen.

37

Unmittelbar im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GemO ist ein möglicher Vor- oder Nachteil nicht erst dann, wenn zwischen der zu treffenden Entscheidung des Rates und den möglichen vor- oder nachteiligen Folgen ohne Hinzutreten eines weiteren Umstandes eine direkte Kausalität besteht (sog. formale Theorie) oder wenn die zur Verwirklichung des Vor- oder Nachteils erforderliche Umsetzung des Ratsbeschlusses zwangsläufig zu erwarten ist (sog. modifizierte formale Theorie, vgl. Schaaf/Oster in: Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand September 2013, § 22 Ziffer. 2.3.4.4). Ein lediglich so verstandenes Kausalitätskriterium würde nämlich nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führen; auch ohne einen solchen engen formalen Zusammenhang kann ein starkes, den Anschein einer von persönlichen Interessen mitbestimmten Entscheidung begründendes Interesse am Entscheidungsgegenstand bestehen (st. Rspr. OVG RP, vgl. zuletzt Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 26). Andererseits sollen die Befangenheitsvorschriften zwar eine Entscheidung in eigener Sache verhindern, jedoch keine zu weite Ausdehnung erfahren, um die Funktionsfähigkeit des Gemeinderates und damit die auf demokratischer Teilhabe beruhende Beteiligung der Vertretungskörperschaft nicht unangemessen zurückzudrängen (OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 27). Zu fragen ist, ob mögliche Sonderinteressen für die Haltung des Ratsmitgliedes bestimmenden Einfluss gewinnen können, ob also dem drohenden Vor- oder Nachteil ein solches Gewicht zukommt, dass eine persönliche Konfliktsituation entsteht, in der nicht mehr gewährleistet ist, dass das Ratsmitglied seine Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und seiner freien, durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung ausübt. Wann dies der Fall ist, ergibt eine Bewertung der Beziehung zwischen dem Ratsmitglied und dem Beratungsgegenstand aufgrund der Umstände des Einzelfalles (OVG RP, Urteil vom 28. Juni 2016 – 1 C 10575/15.OVG – juris Rn. 28).

38

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist vorliegend das Merkmal der Unmittelbarkeit gegeben. Dem den Klägern drohenden Nachteil kam ein solches Gewicht zu, dass eine persönliche Konfliktsituation entstand, in der nicht mehr gewährleistet war, dass diese ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung ausüben. Die Beziehung zwischen dem hier streitgegenständlichen Beratungsgegenstand und den Klägern führt vorliegend angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Entlastungsentscheidung und den hier maßgeblichen Besonderheiten des Einzelfalls dazu, dass das mögliche Sonderinteresse der Kläger bestimmenden Einfluss auf deren Haltung nehmen konnte.

39

Die Kläger haben grundsätzlich einen – auch gesetzlichen – Anspruch auf die Entlastungserteilung, der notfalls unter Umständen gar im Klagewege durchgesetzt werden könnte. Auch im kommunalen Bereich wird Personen, denen zu Unrecht bisher nicht die Entlastung erteilt wurde, eine eigenständige Klagebefugnis zugesprochen (vgl. für den Bürgermeister, unabhängig vom dem grds. vorrangig durchzuführenden Beanstandungsverfahren: VG Gera, Urteil vom 22. Juli 2015 – 2 K 42/15 – juris).

40

Die Wirkung der bisher in mehreren Sitzungen nicht erteilten Entlastungsentscheidung wurde vorliegend dadurch verstärkt, dass in der regionalen Presse auch in der Vergangenheit bereits mehrfach hierüber berichtet wurde, es sich um eine kleine Ortsgemeinde handelt und das Vorgehen der Ortsgemeinde an sich – das „Aufbegehren“ gegen eine kommunalaufsichtliche Anordnungsentscheidung und derart beharrliche Festhalten an dem eingenommenen Rechtsstandpunkt – sich deutlich von dem ansonsten im kommunalen Bereich üblichen abhebt.

41

Durch die bereits in der Sitzung vom 1. Dezember 2016 erörterte und nunmehr in der streitgegenständlichen Sitzung vom 26. Januar 2017 zur abschließenden Diskussion stehende Einbeziehung eines Rechtsanwaltes in das Verfahren, in welchem die kommunalaufsichtliche Verfügung ergangen war, die Entlastung – auch der Kläger – bis spätestens zum 30. November 2016 zu erteilen, erreichte der Streit über die Entlastungsentscheidung eine weitere Stufe der Eskalation. Wenn auch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes im allgemeinen Geschäftsleben durchaus üblich und auch auf Seiten von Behörden oder Gemeinden vermehrt anzutreffen ist, stellt sie dennoch nicht den Regelfall dar. Bei Gemeinden wird in der Rechtsprechung auch grundsätzlich angenommen, dass diese ihre eigenen Verwaltungsaufgaben ohne fremde Unterstützung ausführen können, auch wenn sie selbst nicht als Ausgangsbehörde tätig geworden sind (vgl. hierzu im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren eines von einer Ortsgemeinde beauftragten Rechtsanwaltes zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens: OVG Sachsen, Urteil vom 11. März 2008 – 4 B 699/06 – juris Rn. 27).

42

Wenn den Klägern der Rechtsanwalt vorliegend auch nicht selbst als Partei in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüber steht, stellt dieser sich für diese bei verständiger Würdigung der Gesamtsituation im Ergebnis als Hindernis und Gegner dar bei dem naheliegenden Ziel, die Entlastungsentscheidung möglichst zeitnah zu erlangen. Eine mit juristischen Auseinandersetzungen nicht regelmäßig befasste Person, die sich auf der anderen Seite mit einem Rechtsanwalt konfrontiert sieht, wird ihre prozessuale Situation aber durchaus ernster als zuvor einschätzen und ihre Reaktion entsprechend anzupassen versuchen bzw. gar schon versuchen, zu verhindern, dass die gegnerische Seite sich durch Beiziehung eines Volljuristen verstärkt.

43

Aus Sicht der Kläger steht nachvollziehbar zu befürchten, dass der durch die Vollmachtserteilung durch die Ortsgemeinde an seinen Auftrag – die (erfolgreiche) Fortführung des bereits angestrengten Widerspruchsverfahrens – gebundene Rechtsanwalt das Widerspruchsverfahren eher erfolgreich zu Ende bringt, womit die zumindest annehmbar erstrebte Entlastungsentscheidung sogar gänzlich unmöglich gemacht und nicht nur zeitlich verzögert würde. Denn dadurch, dass nunmehr ein Volljurist mit dem Widerspruchsverfahren auf Seiten des Beklagten befasst werden und das den auch objektiven Interessen der Kläger gegenläufige Verfahren betreiben sollte, kann gerade – aber gewiss nicht nur – bei juristischen Laien der Eindruck entstehen, dieses Verfahren werde sich nunmehr noch länger hinauszögern und zudem mit höherer Wahrscheinlichkeit als zuvor mit – für die Kläger – negativem Ergebnis zu Ende gehen. Wenn auch gerade im Verwaltungsverfahren aufgrund des dort geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes dies nur in eingeschränktem Maße zutreffend ist, erschließt sich diese Differenzierung für nicht regelmäßig mit entsprechenden Verfahren betraute Personen nicht ohne weiteres. Insbesondere aber kann eine derartige Differenzierung auch nicht von der Öffentlichkeit erwartet werden, welche eine Beteiligung der Kläger an einem diese in ihrem Kernbereich von Ansehen und Achtung betreffenden Abstimmungsvorgang zu bewerten hat.

44

In Anbetracht dieser Gesamtumstände ist die im Raume stehende und auch nach außen strahlende persönliche Konfliktsituation der Kläger geeignet, deren Entscheidungsfindung maßgeblich zu beeinflussen, so dass der Ausschluss der Kläger zu Recht erfolgt ist, ohne dass es auf die „Zahl der Schritte“ zwischen Vor-/ Nachteil und dem Beschlussgegenstand ankommt.

45

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 S. 1 und S. 2 ZivilprozessordnungZPO –.

46

4. Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat, noch ein Fall der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.