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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme von Privatschulkosten und der Kosten einer Legasthenietherapie.

2

Bei der Klägerin handelt es sich um ein mittlerweile 15-jähriges Mädchen, das aktuell die neunte Klasse besucht. Nachdem es bei ihrer Geburt im Mai 2002 zu medizinischen Komplikationen gekommen war, wurde die Klägerin bereits als Kind aufgrund von diagnostizierten Entwicklungsstörungen therapeutisch behandelt. Bis zum Sommer 2015 besuchte die Klägerin die Integrierte Gesamtschule in .... Dort verschlechterten sich ihre Zensuren zusehends.

3

Im Jahr 2015 hielt sie sich von Februar bis Juni zur tagesklinischen Behandlung im Klinikum ... auf. Dort wurde durch den Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten Dr. ... und die Diplom-Psychologin ... die Diagnose gestellt, dass die Klägerin zum einen unter einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des oberen und unteren Verdauungssystems sowie an einer Überlauf-Enkopresis leide. Dies äußere sich durch wiederkehrende Bauchschmerzen, die hauptsächlich nachmittags auftreten würden, sowie durch gelegentliches Kotschmieren bzw. nichtorganisches Einkoten. Zwei Jahre zuvor sei eine Fructoseunverträglichkeit diagnostiziert worden, wobei sich trotz entsprechender Diät keine Besserung eingestellt habe. Des Weiteren stellten die Psychologen eine Aufmerksamkeitsstörung in einfacher Form (nach ICD-10 F 98.8 als Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität bezeichnet) sowie eine kombinierte Störung schulischer Fähigkeiten (nach ICD-10 F 81.3 als Legasthenie bezeichnet) fest, wobei die verschiedenen Tests einen Intelligenzquotienten zwischen 103 und 113 ergaben.

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Nach den Sommerferien wechselte die Klägerin zum Schuljahr 2015/2016 auf Veranlassung und Kosten der Eltern in die 7. Jahrgangsstufe der privaten Ganztagsschule mit Internat namens ... in ... . Ein schriftlicher Antrag an den Beklagten auf Übernahme der Kosten lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

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Am 06. Juli 2016 stellten die Eltern der Klägerin erstmals einen Antrag auf Kostenübernahme für eine beabsichtigte Legasthenietherapie bei dem ... in .... Der Aufforderung des Jugendamtes, diagnostische Gutachten über das Vorliegen der Lese- und Rechtschreibstörung vorzulegen, kam die Klägerin nicht nach. Ab Oktober 2016 erhielt die Klägerin ergänzend zu dem Schulangebot eine Legasthenietherapie bei dem ... in ..., welche die Eltern privat finanzierten. Am 29. November 2016 beantragten die Eltern der Klägerin sodann bei dem Beklagten die Kostenübernahme für die Privatschule. Desgleichen beantragten sie am 19. Dezember 2016 unter Bestätigung ihres am 06. Juli 2016 gestellten Antrags die Übernahme der Kosten für die bereits begonnene Legasthenietherapie und legten die zuvor angeforderten Dokumente vor. Die Klägerin begründete ihre Anträge damit, dass ihr aufgrund der diagnostizierten Entwicklungsstörungen wie dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und der Lese-Rechtschreib-Schwäche ein Anspruch auf Eingliederungshilfe zustehe. Sie leide unter einer Teilhabebeeinträchtigung, was den Leistungsbedarf für die Vergangenheit und die Zukunft begründe.

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In den Jahren 2016 / 2017 gaben die Eltern der Klägerin wegen des Verdachts auf eine Autismusstörung, ihres trotzig-oppositionellen Verhaltens und wegen schulischen Leistungsproblemen weitere Gutachten bei dem ... in Auftrag. Im Zuge der Begutachtung diagnostizierten die Ärzte Dr. ... und Dr. ... abschließend eine einfache Aufmerksamkeitsstörung, Züge einer Autismusstörung sowie Entwicklungsstörungen schulischer Fähigkeiten. Zudem wurde erneut eine ausgeprägte Rechtschreib- und Rechenstörung festgestellt. Zur unterstützenden Behandlung der festgestellten Störungen verordnete der jeweils behandelnde Arzt die Einnahme von Medikinet retard.

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Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 lehnte der Beklagte die Gewährung der beantragten Eingliederungshilfe in Form einer Kostenübernahme für die Beschulung an einer Privatschule ab. Er begründete seine Entscheidung maßgeblich damit, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, da die Einschränkungen in schulischen Fähigkeiten nach seiner Auffassung keine Teilhabebeeinträchtigung bei der Klägerin verursachen würden. Vielmehr bildeten die aktuellen schulischen Leistungen eine bessere Motivation der Klägerin ab, was auf die erfolgreiche medikamentöse Behandlung zurückzuführen sei und den Rückschluss zulasse, dass die Klägerin im alltäglichen Leben gesundheitlich und seelisch nicht beeinträchtigt sei. Mit einer ähnlichen Begründung lehnte der Beklagte am 14. März 2017 die begehrte Kostenübernahme für die Legasthenietherapie ab.

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Gegen diese Ablehnungsbescheide legte die Klägerin am 3. bzw. 29. März 2017 jeweils Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass eine Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für beide Maßnahmen geleistet werden müsse. Dies zeige sich insbesondere daran, dass sie aufgrund des Schulwechsels wesentlich bessere Noten erziele und im Klassenverband mehr Anschluss gefunden habe, also eine Verbesserung ihrer allgemeinen Lebenssituation zu erkennen sei, was die Notwendigkeit der selbstbeschafften Hilfe belege.

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Am 26. Oktober 2017 ergingen die Widerspruchsbescheide, mit denen die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen wurden. Der Kreisrechtsausschuss bei der Beklagten führte zur Begründung aus, dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch die vorgetragenen Einschränkungen im schulischen Bereich im Falle der Klägerin nicht beeinträchtigt werde und dies auch nicht zu erwarten sei. Etwaige Schwierigkeiten in der Schule seien offenbar abgebaut worden. Die vorgetragenen Spannungen im Umgang mit der Klägerin erschienen nicht als unmittelbare Folge der Entwicklungsstörung, sondern resultierten eher aus der familiären Erwartungshaltung. Bloße Schulängste, wie sie auch andere Kinder hätten, genügten insgesamt nicht, um den geltend gemachten Anspruch zu begründen. Der Umgang mit auftretender Schulunlust, Gehemmtheit und Versagensängsten falle in den pädagogischen Aufgabenbereich der jeweiligen Schule. Die Bewilligung stationärer Maßnahmen, womit auch die Beschulung an einer Privatschule mit Internatsbetreuung gemeint sei, käme daher ebenso wenig in Betracht wie die Kostenübernahme für die begonnene Legasthenietherapie.

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Die Klägerin hat am 30. November 2017 Klage erhoben. Sie verfolgt ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter, wiederholt und vertieft ihre Ansicht und betont, dass es ihr nach dem Schulwechsel gesundheitlich wie auch psychisch wesentlich besser gehe und auch die Bauchschmerzen, die sie in der Zeit vorher gequält hätten, nicht mehr auftreten würden. Zum Beleg legte die Klägerin ein neuerliches Gutachten von Dr. ... aus ... vor, der im Februar 2018 im Rahmen der Wiedervorstellung feststellte, dass sich die Situation der Klägerin unter den kontinuierlichen, fördernden Bedingungen der Internatsbetreuung stabilisiert habe und die Klägerin mehr Motivation und Leistungsbereitschaft zeige. Auch die soziale Integration habe sich zuletzt verbessert. Insgesamt sei eine positive Entwicklung zu erkennen. Dies lasse sich auch anhand der guten Zensuren ausweislich der eingereichten Zeugnisse erkennen. Die Entscheidung zum Schulformwechsel und zur Durchführung der Legasthenietherapie habe sich nach Auffassung der Klägerin demnach als erfolgreich erwiesen. Das Erfordernis, die begehrten Maßnahmen vor einer eigenständigen Einleitung förmlich bei dem zuständigen Jugendamt beantragen zu müssen, sei den Eltern der Klägerin nicht bekannt gewesen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 30. Januar 2017 und 14. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Oktober 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Eingliederungshilfe in Form der Beschulung an der ...- Privatschule in ... mit Unterbringung in dem dazugehörigen Internat sowie der Legasthenietherapie im ... in ... zu bewilligen und die nach der Antragstellung bisher bereits entstandenen Kosten zu tragen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Nach seiner Auffassung haben die Anspruchsvoraussetzungen zur Bewilligung der konkret begehrten Hilfen im Falle der Klägerin insgesamt zu keiner Zeit vorgelegen. Begründend führt er an, dass es nach wie vor an dem Beleg und der Überzeugung fehle, dass eine seelische Behinderung bei der Klägerin vorliege und hieraus eine Teilhabebeeinträchtigung in der gesetzlich geforderten Intensität resultiere. Seiner Einschätzung nach hätten die Eltern der Klägerin zudem einzig auf die Bewilligung der von ihnen zuvor eingeleiteten Maßnahmen beharrt und seien für ein reguläres Hilfeplangespräch nicht zugänglich gewesen. Das Jugendamt sei durch die eigenmächtige Einleitung des Schulwechsels und der im Lauf befindlichen Therapie vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Der geltend gemachte Anspruch sei im Antragswege bereits nicht ergebnisoffen gestellt worden, was eine Prüfung weiter erschwert habe.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Verpflichtungsklage in der Form einer Versagensgegenklage gemäß §§, 42 Abs. 1 Var. 2, 113 Abs. 5 S. 1 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Bewilligung von Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme von Privatschulkosten und der Kosten einer Legasthenietherapie. Die Ablehnungen der Anträge auf Kostenübernahme für die eingeleiteten Beschulungs- und Therapiemaßnahmen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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Der geltend gemachte Anspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 36a Abs. 3 in Verbindung mit § 35a Abs. 1 Sozialgesetzbuch VIII in der Fassung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert am 30. Oktober 2017, (BGBl. I S. 3618) – SGB VIII –. Gemäß § 35a Abs. 1 SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche einen Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nach § 36a Abs. 2 SGB VIII soll die Entscheidung über eine längerfristige Hilfe im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden, wobei hierzu ein Hilfeplan aufgestellt werden soll. Sofern das Hilfeplanverfahren unter Einbeziehung der Fachmeinung des Jugendamtes nicht durchgeführt wurde und die Situation des Betroffenen gemäß § 36a Abs. 2 SGB VIII auch keine bloß niedrigschwellige unmittelbare, also ambulante Hilfe erfordert, sondern die Hilfen vom Leistungsberechtigten – oder wie hier den Eltern desselben – selbst beschafft wurde, besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, dass der Träger der Jugendhilfe ausnahmsweise im Nachgang gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet wird. Hiernach wird der Jugendhilfeträger in Abweichung zum allgemein durchzuführenden Antragsverfahren erst im Nachgang zur Kostentragung der bereits in Anspruch genommenen Maßnahmen herangezogen.

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Indem die Eltern der Klägerin deren Schulwechsel zum Halbjahr 2015/2016 veranlassten und erst ein Jahr später, also im Jahr 2016, einen Antrag auf Bewilligung einer Eingliederungshilfe stellten, kamen sie sowohl dem Entscheidungsprozess als auch der finalen Entschließung des Jugendamtes zuvor. Ein Hilfeplan wurde nicht erarbeitet. Ein solcher Fall der sogenannten Selbstbeschaffung kann gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII jedoch nur dann zur Kostentragungspflicht des Jugendhilfeträgers führen, wenn der Leistungsberechtigte den Träger vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (2) und die Deckung des Bedarfs bis zu einer abschließenden Entscheidung des Jugendhilfeträgers keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (3). Diese drei Anspruchsvoraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, was hier nicht der Fall ist.

21

Es liegt kein Fall vor, in dem das für die Leistungsgewährung vorgesehene System versagt hat. Der Klägerin war es zuzumuten, die eventuelle Bedarfsdeckung zunächst aufzuschieben und ein ordnungsgemäßes Hilfeplanverfahren zu durchlaufen, bevor sie durch ihre Eltern den als förderlich erachteten Schulwechsel im Jahr 2015 selbstständig in die Wege leitete. Was die Gewährung einer Eingliederungshilfe für die Legasthenietherapie anbelangt, liegt der Fall nur insofern anders, als der betreffende Antrag zwar vor dem Beginn der Therapie gestellt wurde, die Maßnahme jedoch gleichwohl begonnen wurde, ohne dass ein Hilfeplan erstellt wurde und eine Bewilligung des Beklagten vorlag.

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I. Zunächst hat der Leistungsberechtigte den Jugendhilfeträger über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen und dies noch vor der Selbstbeschaffung (vgl. § 36a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB VIII). Das ist bei einer rechtzeitigen und substantiierten Antragsstellung gegenüber dem Jugendamt anzunehmen, damit dieses sodann zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist (OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015 – 12 A 1639/14 –, juris, Rn. 77 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 11. August 2015 – 5 C 18/04 –, juris). Der Hintergrund für das materielle Erfordernis eines Antrages bzw. frühzeitigen Befassens mit dem Begehr ergibt sich aus dem Ziel der Jugendhilfe, welches auf partnerschaftliche Hilfe unter Achtung familiärer Autonomie und auf kooperative pädagogische Entscheidungsprozesse gerichtet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 5 B 130/07 –, juris, Rn. 4). Staatliche Sozialleistungen – wie etwa die Eingliederungshilfe – setzen grundsätzlich immer einen rechtzeitigen Antrag voraus, was sich auch aus dem Umkehrschluss der Normen des § 28 Sozialgesetzbuch X in der Fassung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I, S. 130), zuletzt geändert am 30. Oktober 2017 (BGBl. I, S. 3618), – SGB X – in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I in der Fassung vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I, S. 3015), zuletzt geändert am 14. August 2017 (BGBl. I, S. 3214), – SGB I – ergibt. Hierbei ist jedoch keine besondere Form vorgeschrieben, es reicht auch ein schlüssiges Verhalten, was auf den Wunsch zur Leistung schließen lässt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 – 5 B 43/10 –, juris, Rn. 6). Das Begehren muss jedoch zielgerichtet und substantiiert geltend gemacht werden.

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Das erste schriftliche Hilfeersuchen ist in dem Antrag zur Bewilligung der Legasthenietherapie vom 06. Juli 2016 zu erkennen, also ziemlich genau ein Jahr nach dem Vollzug des Schulwechsels. Die Kostenübernahme für die Privatschule wurde gar erst Ende November 2016 beantragt. Im Zuge dessen wurden auch erstmals die erstellten Gutachten vorgelegt. Inwiefern bereits vorher Gespräche geführt worden sind und insofern ein gewisses Maß an Kenntnis bei dem Jugendamt vorgelegen haben mag, kann dahinstehen. Soweit die Eltern der Klägerin vortragen, trotz wiederholter Anrufe und aktivem Vorsprechen keine Beratung von Seiten des Beklagten erlangt zu haben, fehlt es hierfür einerseits an einem Nachweis, andererseits haben sie selbst nicht vorgetragen, substantiiert, gezielt und gleichwohl mit der erforderlichen Ergebnisoffenheit auf einen Hilfeplan hingewirkt zu haben.

24

Die Vertreterin des Beklagten hat vielmehr im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, die Eltern der Klägerin seien bei dem Jugendamt dergestalt bestimmt aufgetreten, dass sie konsequent die Bewilligung der von ihnen für nötig gehaltenen und zum Teil auch schon eingeleiteten Maßnahmen begehrt hätten. Gerade weil das Jugendamt auf die schriftliche Anfrage zur Bewilligung der Legasthenietherapie bereits einen Tag darauf umfassend antwortete und die Vorlage entsprechender Gutachten und Arztberichte forderte (vgl. Bl. 9 und 10 ff. d. Verwaltungsakte), wird der Vortrag des Beklagten hierdurch plausibilisiert und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass man den ratsuchenden Eltern die nötigen Hilfestellungen und Hinweise dergestalt verwehrte, dass diese zwingend selbst tätig werden mussten. Ebenfalls steht der Vortrag der Eltern, sie hätten von der Notwendigkeit einer Antragstellung nichts gewusst, im Widerspruch zu dem Vortrag der Mutter, die sich erkennbar bereits über viele Jahre mit der individuellen Förderung und schulischen Betreuung ihrer Tochter, der Klägerin, befasst hat. In diesem Zusammenhang fehlt es auch an der gerichtlichen Überzeugung, dass es den Eltern trotz des Aufsuchens diverser Kliniken und Therapiezentren sowie der Konsultation verschiedener Ärzte und Fachpersonen niemand nahegelegt haben will, zur finanziellen Entlastungen einen formellen Antrag bei dem zuständigen Jugendamt zu stellen und die zahlreichen in Auftrag gegebenen Gutachten an der entsprechenden Stelle vorzulegen.

25

Eine Unmöglichkeit der rechtzeitigen Inkenntnissetzung, wie sie § 36a Abs. 3 S. 2 SGB VIII vorsieht, wurde hier weder vorgetragen, noch ist ein stichhaltiger Grund dafür ersichtlich.

26

Dass der Beklagte konkludent und hinreichend substantiiert schon vor dem schriftlichen Antrag über den Wunsch zur Bewilligung einer Eingliederungshilfe in Kenntnis gesetzt worden ist und dies auch so rechtzeitig geschah, dass ein reguläres Prüfungsverfahren noch sinnvoll und zielführend hätte durchgeführt werden können, ist nach alledem nicht anzunehmen. Jedenfalls bezieht sich der Klageantrag bereits vom zeitlichen Anknüpfungspunkt her auf die Sachlage ab Antragsstellung, wodurch deutlich wird, dass die Klägerseite ebenfalls frühestens zu diesem Zeitpunkt von einem Erfüllen der Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen ist bzw. die Lage in diesem Zeitpunkt als anspruchsbegründend erachtet. Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch letztlich offenbleiben, da es jedenfalls an der kumulativ zu erfüllenden zweiten Voraussetzung des Kostenübernahmeanspruchs fehlt – hier den zu belegenden Anforderungen an eine seelische Behinderung mit einer Teilhabebeeinträchtigung als kausaler Folge.

27

II. Die Voraussetzungen zur Gewährung der Hilfe, wie sie in § 36a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB VIII gefordert werden, sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Dabei verweist die genannte Norm implizit auf die Tatbestandsmerkmale des § 35a Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII, welche dem Wortlaut nach ebenfalls kumulativ vorliegen müssen. Hiernach haben Kinder und Jugendliche gemäß § 35a Abs.1 Nr. 1 und 2 SGB VIII einen Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht (1) und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (2). Diese beiden Merkmale, die sich mit den Schlagworten der seelischen Behinderung einerseits und einer darauf beruhenden Teilhabebeeinträchtigung andererseits umschreiben lassen, müssen kumulativ vorliegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im vorliegenden Fall keines der Merkmale in dem hierfür erforderlichen Maß an Tiefe und Intensität erfüllt, geschweige denn ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Voraussetzungen nachgewiesen.

28

1. Eine Gesundheitsabweichung in Form einer seelischen Behinderung, wie sie in § 35a Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII gefordert wird, meint eine psychische oder verhaltensbezogene Störung im Sinne einer altersuntypischen Abweichung (s. dazu Kunkel/Kepert/Pattar-Kepert/Dexheimer, § 35a, Rn. 11 und 13). Dies kann erst bei chronischen Störungen angenommen werden, die trotz oder unabhängig von ärztlicher Behandlung die psychosoziale Entwicklung und Integration des Kindes oder Jugendlichen nachhaltig beeinträchtigen (VG Köln, Urteil vom 26. April 2017 – 26 K 7375/16 – juris; Kunkel/Kepert/Pattar-Kepert/Dexheimer, a. a. O., Rn. 19).

29

Eine seelische Behinderung in diesem Sinne hat bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

30

Gemäß den Gutachten vom 18. Juni 2015 und 19. Oktober 2015 diagnostizierten die aufgesuchten Psychologen Dr. ... und Dipl. Psych. ... bei der Klägerin im Rahmen des tagesklinischen Aufenthalts im Klinikum ... unter anderem eine Aufmerksamkeitsstörung und eine kombinierte Störung schulischer Fähigkeiten. Diese Störungen sind im Allgemeinen als Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom in einfacher Form (kurz ADS) sowie unter dem Begriff Legasthenie bekannt. Die erstellte Diagnose wird von den später konsultierten Ärzten des ... in ... bestätigt, was die Gutachten des Dr. ... vom 08. März 2016, 30. September 2016 und 10. Januar 2017 sowie die Gutachten des Dr. ... vom 06. November 2017 und 08. Februar 2018 belegen. Der geäußerte Verdacht auf eine Autismuserkrankung werde indes am ehesten durch die Aufmerksamkeitsstörung bedingt, wie Dr. ... in den genannten Gutachten bestätigt. Das Vorliegen der diagnostizierten Erkrankungen hat der Beklagte zu keiner Zeit bestritten.

31

Das Gericht teilt jedoch die Auffassung des Beklagten, dass hierdurch keine seelische Behinderung belegt ist. Der Verwaltungsgerichtshof Hessen hat in seinem hier maßgeblichen Urteil vom 04. Mai 2010 unter ausdrücklicher Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1998 überzeugend dargelegt, dass ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom für sich genommen keine seelische Behinderung darstellt (VGH Hessen, Urteil vom 04. Mai 2010 – 10 A 1623/09 –, juris, Rn. 31, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 – 5 C 38/97 –, juris). Bei einer solchen Diagnose sei eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand nur dann zu bejahen, wenn es als Sekundärfolge von ADS zu einer seelischen Störung kommt. Eine in Folge von ADS etwa häufig bemerkte Distanzstörung der betroffenen Kinder zu Erwachsenen sowie der Mangel an normaler Vorsicht und Zurückhaltung reicht für eine solche Sekundärfolge noch nicht aus (vgl. VG Köln, Urteil vom 01. Februar 2017 – 26 K 5134/16 –, juris, Rn. 43). Ausgehend hiervon führt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss aus dem Jahr 2011 exemplarisch aus, dass es in dem dort zu beurteilenden Fall einer hyperkinetischen Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit (allgemein bekannt als ADHS) zu nachweislichen Sekundärfolgen wie etwa emotionalen und kognitiven Blockaden, unmittelbarer Gefahr der Desintegration, Mobbing-Tendenzen, Schulschwänzen, nächtlichen Fressattacken und fortschreitender Isolation gekommen sei. Depressive Verstimmungen oder eine neurotische Entwicklungsstörung, die eine psychotherapeutische Betreuung akut oder langfristig notwendig machen, werden als weitere Beispiele für eine mögliche Sekundärfolge basierend auf einer ADS- Störung genannt (s. dazu VG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 7 K 623/12 –, juris, Rn. 32). Dass eine äußerlich erkennbare und derart gravierende Einschränkung der Klägerin vorgelegen haben soll, bestätigt jedoch keiner der konsultierten Ärzte. Auch nach den Angaben der Eltern lag diese Qualität oder Intensität nicht vor.

32

Soweit die Eltern der Klägerin vorgetragen haben, dass die Klägerin permanent unter Bauchschmerzen gelitten und häufig Schwierigkeiten mit Durchfällen und Stuhlhalten gehabt habe, fehlt es an einem entsprechenden Gutachten einer Fachperson, welche einen kausalen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen den diagnostizierten Störungen und einer möglichen somatischen Darmerkrankung herstellt. Einzig die frühen Gutachten der Psychologen Dr. ... und ... aus dem Jahr 2015 verhalten sich zu der nur dort erwähnten Diagnose einer Überlauf-Enkopresis mit nichtorganischem Einkoten. Es wird – entgegen der Anmerkung seitens der Mutter in der mündlichen Verhandlung – nur von gelegentlichem Kotschmieren berichtet, welches überwiegend nachmittags und im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auftrat und nicht, wie vorgetragen, morgens direkt vor der Schule. Eine medizinische Ursache konnte nicht gefunden werden; zur weiteren Behandlung wurde eine Therapie zur Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens und eigener Akzeptanz empfohlen, da die Klägerin – wohl auch aus Scham – Vermeidungstendenzen und Überforderungszustände gezeigt hat. Dass ein Schulwechsel erforderlich wäre, wird nicht erwähnt. Bereits in dem späteren Gutachten vom Oktober 2015 wird von einer Linderung der Symptomatik berichtet, auch die Bauchschmerzen hätten sich im Verlauf weiter gebessert. Hieraus ergibt sich für die Anspruchsvoraussetzung, dass sich aus dem Vortrag die Bauchschmerzen betreffend keine seelische Behinderung ableiten lässt, da es hierfür an einer kausal auf der ADS beruhenden und konkret zu benennenden Folgeerkrankung fehlt, die ebenfalls einen gewissen Schweregrad erreichen und von einer gewissen Dauerhaftigkeit sein muss.

33

Das Gericht würdigt hier auch den Umstand, dass in den folgenden Gutachten ab 2016, die nur ein halbes Jahr später erstattet wurden und sich zeitlich bis in den Februar 2018 erstrecken, mit keinem Wort mehr erwähnt wird, dass die Klägerin von somatisch bedingten Bauchschmerzen geplagt wurde. Wenn sich die Abdominalschmerzen und Durchfallerscheinungen konkret auf die Schule und dort belastende Behinderungen hätten zurückführen lassen, wie es die Eltern geltend gemacht haben, erscheint es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich dieser Umstand gerade nach einem für ein junges Mädchen aufwühlenden Wechsel von einer Regelschule hin zu einer Privatschule mit Internat prompt und ohne weitere Erwähnung geändert haben soll. Die Eltern der Klägerin erachten diese Entwicklung als Bestätigung der Richtigkeit ihrer Entscheidung zum Schulformwechsel. In Fällen von psychischem Druck aufgrund diagnostizierter Lernschwierigkeiten mit somatischen Erkrankungsfolgen erscheint dieser Verlauf in zeitlicher Hinsicht jedoch wenig überzeugend, sondern lässt eher vermuten, dass entweder die Grunderkrankung oder die somatische Auswirkung auf den Organismus nicht allzu gravierend war. Es kann gerade auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Ursache für die Bauchschmerzen, die laut Arztberichten vornehmlich nachmittags auftraten, eher im häuslichen denn im schulischen Bereich zu verorten waren. Insofern erscheint die Schlussfolgerung des Beklagten im Widerspruchsbescheid durchaus plausibel, dass die Spannungen nicht durch die Schulform, sondern durch den häuslichen Leistungsdruck hervorgerufen wurden, sodass die räumliche Trennung von der Familie bereits zur Entzerrung der Lage beigetragen haben könnte. Hierbei sind auch die Gutachten von Dr. ... vom 08. März 2016 und 30. September, also ein halbes Jahr nach dem Wechsel auf die Privatschule, anzuführen, in denen er bestätigt, dass gerade der Schulwechsel zu einer Beruhigung der als sehr angespannt wahrgenommenen familiären Interaktionen geführt habe. Selbst wenn es, was keiner der Fachärzte hinreichend bestätigt hat, einen Zusammenhang zwischen dem vermeintlich störungsbedingten Leistungsdruck die vorherige Schule betreffend und der damaligen Darmsymptomatik gegeben haben soll und sich letztere binnen weniger Monate gänzlich relativiert hat, so ist es weiterhin nicht ersichtlich, inwiefern sich die Antragstellerin gerade erst im Sommer 2016 wirksam auf einen inzwischen beseitigten Störungszusammenhang berufen kann. Gerade weil der Klageantrag für die Übernahme der bereits entstandenen Kosten an den Zeitpunkt nach der Antragstellung anknüpft, war die Gesundheitssituation der Klägerin in der Zeit des Antrags, also im Juli und November 2016 zu betrachten, welche sich ausweislich der vorgelegten Gutachten als stabil und nicht akut förderbedürftig darstellte. Die festgestellte Verbesserung des seelischen und körperlichen Befindens der Klägerin wird im Übrigen in den Gutachten gerade auch auf den Wirkungsgrad des verordneten Medikaments Medikinet retard zurückgeführt. Sowohl die Leistungsprobleme, die im Rahmen der Klagebegründung als Triebfeder für die eingeleiteten Beschulungsmaßnahmen angeführt wurden, als auch das Sozialverhalten der Klägerin haben sich hierdurch stetig verbessert (vgl. dazu die o. g. Gutachten der Jahre 2016 / 2018 der Dres. ... und ... aus ...). Dies schilderten letztlich auch die Eltern der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Eine akute seelische Behinderung in Form einer Sekundärstörung wird hierdurch eher widerlegt, denn nachgewiesen.

34

Was die Legasthenie betrifft, so gehen Rechtsprechung und Literatur einheitlich davon aus, dass es sich hierbei lediglich um eine Teilleistungsschwäche handelt, die noch keine seelische Behinderung darstellt (OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2011 – 12 A 1169/11 –, juris, Rn. 9; VG Trier, Urteil vom 08. September 2016 – 2 K 1234/16 –; Kunkel/Kepert/Pattar-Kepert/Dexheimer, a. a. O., Rn. 19). Das Thüringer Oberverwaltungsgericht lässt das alleinige Vorliegen der Diagnose ebenfalls nicht ausreichen und hat in seinem Urteil vom 19. Januar 2017 überzeugend dargelegt, dass im Fall von Dyskalkulie oder Legasthenie nur dann von einer seelischen Störung auszugehen sei, wenn zusätzlich wenigstens eine weitere Sekundärfolge in Gestalt einer Erkrankung nach der ICD-10 Klassifikation eingetreten ist (s. dazu Thüringer OVG, Urteil vom 19. Januar 2017 – 3 KO 656/16 –, juris, Rn. 34). Hierbei bestätigte das Gericht die obergerichtliche Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2007, wonach die Legasthenie einer geistigen Leistungsstörung zuzuordnen ist, die in erster Linie die kognitive Informationsverarbeitung betrifft und für sich genommen nicht ausreicht, um das Tatbestandsmerkmal des § 35a Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII zu erfüllen (OVG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 – 7 E 10212/07 –, juris, Rn. 7).

35

Wie bereits dargelegt, fehlt es in Bezug auf beide Störungen an einem hinreichenden Beleg für eine Sekundärerkrankung, die nach ICD-10 klassifiziert werden müsste. Eine als chronisch zu bezeichnende Folgestörung hat die Klägerin hier jedenfalls nicht nachgewiesen. Da die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Selbstbeschaffung den Leistungsberechtigten trifft (s. dazu Kunkel/Kepert/Pattar-Kunkel-Pattar, a. a. O., § 36a, Rn. 25), ist bereits für den Teilbereich der seelischen Behinderung zu folgern, dass die Klägerin beweisfällig geblieben ist.

36

2. Des Weiteren erfüllt die Klägerin auch nicht die zweite Voraussetzung, welche in § 35a Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII normiert ist und als Teilhabebeeinträchtigung beschrieben wird. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen die Fähigkeit des Betroffenen zu altersgemäßen Handlungsmöglichkeiten und Kontakten in den Bereichen Familie, Schule, Beruf und Freizeit aufgrund der Abweichung der seelischen Gesundheit vom lebensalterstypischen Zustand beeinträchtigt ist (s. dazu VGH Bayern, Beschluss vom 10. September 2012 – 12 ZB 12.1076 –, juris, Rn. 11). Dafür ist erforderlich, dass die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt, was sich wiederum nach dem Grad und Ausmaß der Störungen richtet (s. dazu BVerwG, Urteil vom 26. November 1998, a. a. O., Rn. 15). Es muss also eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegen oder eine solche drohen (s. dazu OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 – 12 A 659/124 –, juris, Rn. 9).

37

Im Falle der Klägerin liegt eine Beeinträchtigung in dieser Intensität nicht vor. Sie stützt das Klagebegehren nahezu ausschließlich auf ihr beeinträchtigtes Schul– und Lernverhalten, was gerade auch durch die Vorlage diverser Zeugnisse verdeutlicht wird. In der mündlichen Verhandlung haben die Eltern der Klägerin angegeben, dass die erbrachten Schulleistungen zunächst nicht dem ermittelten Intelligenzquotienten der Klägerin entsprochen hätten und ihr durch die neue Beschulung und individuelle Förderung nun die Möglichkeit offenstehe, einen Haupt- und Realschulabschluss zu erreichen. Auch auf Nachfragen seitens des Gerichts wurde diese Argumentation in den Fokus des Verfahrens gerückt, wodurch wohl belegt werden soll, wie sinnvoll, nötig und nützlich die Selbstbeschaffung durch die Eltern war. An dem Erfolg dieser Entscheidung als Ausdruck elterlicher Sorge hegt das Gericht indes keine Zweifel. Jedoch ist höchstrichterlich geklärt, dass der Tatbestand des § 35a Abs. 1 SGB VIII bei bloßen Schulproblemen und auch Schulängsten nicht erfüllt ist, da diese Schwierigkeiten auch von anderen Kindern geteilt werden und dadurch kein individueller Ausdruck einer das Verhalten und die soziale Interaktion prägenden medizinischen Erkrankung sind (s. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 26. November 1998, a. a. O., Rn. 15; VGH Hessen, Urteil vom 04. Mai 2010, a. a. O., Rn. 31; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2014 a. a. O., Rn. 9). Die in diesen Entscheidungen ebenfalls erwähnte Rückausnahme, nämlich das bestätigte Vorliegen von auf Versagensängsten beruhender Schulphobie, totaler Schul- oder Lernverweigerung, dem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt und die Vereinzelung in der Schule wird in der erforderlichen Intensität weder berichtet noch scheint dies im vorliegenden Fall wahrscheinlich. Die Mutter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung lediglich berichtet, dass die Klägerin am Nachmittag häufig teilnahmslos auf ihrem Bett gelegen und lange an die Decke gestarrt habe. Sie (die Mutter) habe sich auch deshalb gesorgt, weil die Klägerin selten Freunde besuchte oder diese zu sich eingeladen habe. Beschwerden oder belastende Einschränkungen in der soeben aufgezeigten Intensität oder Tragweite vermag das Gericht anhand dieser geschilderten Verhaltensweisen in der Gesamtschau mit dem sonst geschilderten Verhalten der Klägerin nicht zu erkennen.

38

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der für das Gericht maßgebliche Beurteilungszeitpunkt nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung jener der letzten Behördenentscheidung ist (s. dazu etwa VG Minden, Urteil vom 17. November 2017 – 6 K 6310/16 –, juris, Rn. 20 f. m. w. N.). Im vorliegenden Fall meint das die rechtliche Bewertung des medizinisch-diagnostisch belegten Zustandes der Klägerin, wie er sich in der Zusammenschau aller vorgelegten Gutachten und Arztberichte für den Beklagten darstellte. Wie bereits ausgeführt, hat sich die schulische und wohl auch die psychosoziale Situation der Klägerin stetig stabilisiert und verbessert. Exemplarisch spricht der Gutachter Dr. ... in seinem Bericht vom 10. Januar 2017 unter Bestätigung desjenigen vom 30. September 2016 von einer Beruhigung der zuvor als angespannt wahrgenommenen familiären Interaktionen und einer Akzeptanz und Integration der Klägerin in ihrer neuen Schule. Der von der Mutter in der mündlichen Verhandlung beschriebene Zustand, dass die Klägerin in fast schon apathischem Verhalten reglos an die Decke gestarrt habe, könnte demnach womöglich eine Auswirkung des damaligen familiären Leistungsdrucks gewesen sein, welcher sich durch die räumliche Distanz alsbald gebessert zu haben scheint. Diese Gutachten lagen dem Beklagten im Widerspruchsverfahren vor und wurden in nicht zu beanstandender Weise bei den Entscheidungen über die eingelegten Widersprüche berücksichtigt. Der Beklagte ging aufgrund der ihm zur Verfügung gestellten Erkenntnismittel im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zurecht davon aus, dass es sich bei der Klägerin um eine jedenfalls nicht gravierend eingeschränkte Jugendliche handelt, die mit den diagnostizierten Lernstörungen nach Darstellung der Ärzte und Gutachter im Wesentlichen gut umzugehen vermag.

39

Insgesamt ist festzuhalten, dass aus medizinischer Sicht zu keinem Zeitpunkt eine als Sekundärfolge zu klassifizierende seelische Störung vorgelegen hat und auch keine Teilhabebeeinträchtigung in dem hierfür erforderlichen Ausmaß dargetan wurde, sodass der Kernbereich des hier geltend gemachten Anspruchs, nämlich der Nachweis über einen damals akuten Hilfebedarf, nicht hinreichend erbracht worden ist.

40

III. Überdies vermochte die Klägerin auch nicht darzulegen, dass die selbst beschafften Maßnahmen keinen zeitlichen Aufschub im Sinne des § 36a Abs. 3 S. 1 Nr. 3 lit. a) SGB VIII geduldet hätten. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der durchgeführte Schulwechsel unausweichlich geworden wäre, da ein vorübergehender Verbleib nicht zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011, a. a. O., Rn. 4). Hierfür sind zusätzliche Anhaltspunkte erforderlich, welche die dringende Notwendigkeit des Schulwechsels belegen, um nachzuweisen, dass der Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht mehr hat abgewartet werden können (vgl. dazu BVerwG, ebenda).

41

Das ist hier nicht belegt. Ein reiner Leistungsabfall an der alten Schule und somit ein eventuell drohendes Schulversagen, wie es in der Klagebegründung angeführt wird, reicht aus den dargestellten Gründen nicht aus, um ein Eilbedürfnis zu begründen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der hier geltend gemachten Anspruchsgrundlage des § 36a Abs. 3 SGB VIII um eine Ausnahmeregelung von dem regulär durchzuführenden Antrags- und Hilfeplanverfahren handelt, wie es in § 35a und § 36 SGB VIII beschrieben wird (s. dazu etwa Kunkel/Kepert/Pattar- Kunkel-Pattar, a. a. O., § 36a, Rn. 6). Das Jugendhilferecht ist in seiner Grundkonzeption gerade nicht auf die Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen gerichtet, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe unter Wahrnehmung seiner Gesamt- und Planungsverantwortung (s. hierzu OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015, a. a. O., Rn. 79). Es soll die in Steuerungsverantwortung des Jugendamtes zu bewilligende Maßnahme kooperativ erwogen werden, um ein gewisses Maß an Qualitätskontrolle für die mit öffentlichen Mitteln geförderte Unterstützung hilfebedürftiger Kinder und Jugendlicher zu gewährleisten (vgl. dazu VGH Hessen, Urteil vom 04. Mai 2010, a. a. O., Rn. 38 f.). Aufgrund des gesetzlichen Auftrages zur partnerschaftlichen und pädagogischen Entscheidungsfindung zugunsten der Hilfeempfänger verbietet es sich daher, den Jugendhilfeträger als reine Zahlstelle für eigenmächtig in die Wege geleitete Fördermaßnahmen anzusehen (vgl. dazu auch VG Minden, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 34). Aus der Natur der Sache muss es der Steuerungsverantwortung des Jugendamtes überlassen bleiben, nach der Entwicklung eines Hilfeplans die geeigneten und zugleich kostengünstigsten Maßnahmen zu bestimmen.

42

Gerade im vorliegenden Fall, in dem vollendete Tatsachen weit vor einer konkret formulierten Antragstellung geschaffen wurden, ließen die Eltern der Klägerin ein rechtzeitiges und nachdrückliches Leistungsbegehren unter Drängen auf ein durchzuführendes Hilfeplanverfahren weitgehend vermissen. Ihre Passivität dem Jugendamt gegenüber unter einseitiger Forderung der Kostenübernahme für bereits privat als gut befundene Maßnahmen darf keinen "Belohnungseffekt" auslösen (vgl. zu dieser Thematik auch Kunkel/Kepert/Pattar-Kunkel-Pattar, § 36a, Rn. 21). Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Klagebegründung und wiederholend in der mündlichen Verhandlung hilfsweise ausgeführt hat, dass die Dauer des Widerspruchsverfahrens gescheut worden sei und sich dieses dann faktisch auch als lang erwiesen habe, kann dies hier schon deshalb nicht verfangen, weil die jeweiligen Ablehnungsbescheide tatsächlich in weniger als drei Monaten nach der Antragstellung ergangen sind und es vorübergehend an der angeforderten Mitwirkung der Eltern gefehlt hat. Ein sogenanntes Systemversagen auf Seiten des Beklagten lag hier zu keinem Zeitpunkt vor. Dies wäre in teleologischer Auslegung des § 36a Abs. 3 SGB VIII jedoch erforderlich, um eine Erstattungspflicht auszulösen (vgl. dazu etwa Sächsisches OVG, Urteil vom 23. September 2016 – 4 A 114/15 –, juris, Rn. 39; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 20. Juli 2017 – B 3 K 16.691 –, juris, Rn. 37). Dem Beklagten kann hier weder die gerügte Ignoranz oder Teilnahmslosigkeit noch eine Verschleppung des Entscheidungsablaufs vorgeworfen werden. Zudem hätte der Klägerin auch die Wahrnehmung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO offen gestanden, wenn sie tatsächlich davon ausgegangen wäre, ihr würde bei weiterem Zuwarten ein ernstlicher Nachteil drohen. Eine besondere Ausnahmesituation, wie sie in § 36a Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII gefordert wird, vermag das Gericht hier insgesamt nicht zu erkennen, wodurch die Klägerin auch in Hinblick auf diese Voraussetzung darlegungs- und beweisfällig geblieben ist.

43

Die Klägerin hat nach alldem keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe in Gestalt der Kostenübernahme für die von ihr begonnenen Maßnahmen der Beschulung und Legasthenietherapie. Die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihre Versagungsgegenklage war folglich insgesamt abzuweisen.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Gerichtskosten werden gemäß § 188 S. 1 und 2 VwGO nicht erhoben.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZivilprozessordnungZPO –.

46

Gründe, wonach die Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen wäre, sind nicht gegeben, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.

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Verwaltungsgericht Trier Urteil, 01. März 2018 - 2 K 14025/17.TR zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 35a Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung


(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und2. daher ihre Teilhabe am Leben in d

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 36a Steuerungsverantwortung, Selbstbeschaffung


(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 36 Mitwirkung, Hilfeplan


(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwickl

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Verwaltungsgericht Trier Urteil, 01. März 2018 - 2 K 14025/17.TR zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte dur

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 16. Nov. 2015 - 12 A 1639/14

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Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendun

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 19. Dez. 2013 - 7 K 623/12

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Tenor Die Beklagte wird verpflichtet, vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 die Kosten für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. in Höhe von monatlich 450,00 EUR und ab dem 01.11.2011 in Höhe von monatlich 595,00 EUR zu übernehmen.Der Bescheid der Beklagten

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 17. Feb. 2011 - 5 B 43/10

bei uns veröffentlicht am 17.02.2011

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.

(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn

1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3.
die Deckung des Bedarfs
a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
War es dem Leistungsberechtigten unmöglich, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, so hat er dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachzuholen.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel sowie Klassenfahrten und -ausflüge - im Zeitraum vom 22. August 2012 bis zum Juli 2013 zu übernehmen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte zu 90 %. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 und vom 22. Mai 2008 - BVerwG 5 B 130.07 - JAmt 2008, 600).

3

a) Die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Frage

"ob bei einer im Rahmen der Selbsthilfe verschafften Maßnahme im Sinne des § 35a Abs. 2 SGB VIII Kostenerstattungsansprüche gegen den Jugendhilfeträger nur dann bestehen können, wenn die fragliche Maßnahme alternativlos in Betracht kommt, jede andere Maßnahme also nicht geeignet wäre, der bestehenden Belastungssituation zu begegnen",

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn das Berufungsgericht hat die Zurückweisung der Klage nicht allein darauf gestützt, beim Kläger wären zur Behandlung seines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (im Folgenden: ADS) auch andere Maßnahmen als der Wechsel auf die Internationale Schule in Frage gekommen.

4

Vielmehr hat es selbstständig tragend ausgeführt, für eine Kostenerstattung selbst beschaffter Maßnahmen fehle es im Schuljahr 2002/2003 auch an der schon vor Einführung des § 36a SGB VIII erforderlichen Dringlichkeit. Es sei nicht anzunehmen, dass der Schulwechsel nach dem bereits damals sinngemäß geltenden § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub geduldet habe. Zumindest ein vorübergehender Verbleib sei nicht unzumutbar gewesen, so dass der Kläger die abschließende Entscheidung des Jugendamts über die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII für den Besuch der Privatschule hätte abwarten können und müssen. Für die Schuljahre 2003/2004 bis 2005/2006 wird selbstständig tragend darauf abgestellt, dass jedenfalls die nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII erforderliche Teilhabebeeinträchtigung nicht mehr bestanden habe und auch im Falle eines erneuten Schulwechsels auf eine öffentliche Schule keineswegs sicher gedroht habe (UA S. 31 f.). Insoweit sind auch keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben.

5

Folglich ist die möglicherweise klärungsbedürftige Frage nicht entscheidungserheblich, ob eine selbst beschaffte Maßnahme im Falle der Unaufschiebbarkeit nicht nur geeignet (vgl. OVG Münster vom 30. Januar 2004 - 12 B 2392/03 - NVwZ-RR 2004, 503 <505>), sondern - wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof im angegriffenen Berufungsurteil ausführt - auch alternativlos sein muss (differenzierend Kunkel in LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 36a Rn. 8).

6

b) Die vom Kläger des Weiteren für grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage,

"ob das 'In-Kenntnis-Setzen' des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe vom Hilfebedarf im Sinne des § 36a Abs. 3 Ziff. 1 SGB VIII zwingend einen förmlichen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe voraussetzt oder ob es hierfür ausreichend ist, dass der Jugendhilfeträger in anderweitiger Form Kenntnis vom Hilfebedarf erlangt und auf dieser Grundlage über die Hilfegewährung entscheiden konnte",

rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Zum einen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt, dass Leistungen der Jugendhilfe grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe voraussetzen, dass für diesen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und dass er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann (Beschluss vom 22. Mai 2008 a.a.O. m.w.N.). Zum anderen hat der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht tragend auf den Zeitpunkt des förmlichen Antrages abgestellt. Er ist vielmehr davon ausgegangen, das Jugendamt habe von einem möglichen Hilfebedarf bereits Ende Februar/Anfang März 2002 erfahren und habe darauf in ausreichendem Umfang reagiert (UA S. 26 bis 28).

7

2. Die Revision ist auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

8

2.1 Die mit der Beschwerde erhobene Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Erfolg haben, wenn die für aufklärungsbedürftig gehaltenen Tatsachen unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (stRspr, vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212; Beschluss vom 22. Mai 2008 a.a.O.). Daran fehlt es.

9

a) Der Kläger rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht hätte entsprechend seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag die behandelnden Therapeuten zum Beweis für die Behauptung vernehmen müssen, dass dem Kläger seinerzeit eine seelische Behinderung gedroht habe. Es erscheint zwar zweifelhaft, ob dieser Hilfsbeweisantrag schon deswegen abgelehnt werden konnte, weil es sich bei dem angeführten Beweisthema der drohenden seelischen Behinderung streng genommen nicht um eine Tatsache, sondern um eine der Rechtsanwendung zuzuordnende Prognoseentscheidung handelt. Dies mag zwar die Vernehmung der behandelnden Therapeuten als sachverständige Zeugen ausschließen, hindert aber ihre Heranziehung als Sachverständige nicht (vgl. Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <42 f.>). Dass die Vernehmung von Sachverständigen die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern hierfür nur eine Hilfestellung bieten kann, ändert nichts daran, dass ein Sachverständigengutachten durchaus als geeignetes Beweismittel zur Unterstützung der letztlich maßgeblichen richterlichen Überzeugungsbildung in Bezug auf die Gefahr einer seelischen Behinderung in Betracht kommen kann (vgl. Beschluss vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 1 B 5.08 - juris Rn. 5).

10

Die Frage der seelischen Behinderung war jedoch nach der Rechtsauffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs letztlich nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat zwar bezweifelt, dass dem Kläger im Frühjahr 2002, eine seelische Behinderung drohte. Es hat die Ablehnung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs für das Schuljahr 2002/2003 aber letztlich nicht auf diese Zweifel gestützt. Es hat ergänzend ausgeführt, dass es auch an der erforderlichen Gefahr einer Teilhabebeeinträchtigung fehle, und es hat die Frage der drohenden seelischen Behinderung „letztlich dahinstehen“ lassen (UA S. 19), weil der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch für das Schuljahr 2002/2003 seines Erachtens an den sonstigen Voraussetzungen für die Erstattung selbst beschaffter Hilfen scheiterte. Auch für die folgenden Schuljahre hat der Verwaltungsgerichtshof lediglich darauf abgestellt, dass dem Kläger jedenfalls nach dem einjährigen Besuch der Internationalen Schule keine Teilhabebeeinträchtigung mehr drohte und auch im Falle eines erneuten Schulwechsels keineswegs sicher gedroht hätte. In der Aufklärungsrüge ist auch nicht aufgezeigt worden, dass sich in Bezug auf die Schuljahre 2003/2004 bis 2005/2006 hinsichtlich einer drohenden Teilhabebeeinträchtigung des Klägers weitere Ermittlungen aufgedrängt hätten und dass darauf bereits im Berufungsverfahren im ausreichenden Maße hingewirkt worden wäre. Der oben erwähnte Hilfsbeweisantrag konnte nur so verstanden werden, dass er sich auf die „seinerzeit“ im Jahre 2002 drohende seelische Behinderung bezog. Entgegen dem Beschwerdevorbringen musste der Antrag nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er für den gesamten eingeklagten Erstattungszeitraum gelten sollte.

11

b) Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts war letztlich auch auf die im anderen Hilfsbeweisantrag unter Beweis gestellte Behauptung, dass die Internationale Schule für die ADS-Problematik des Klägers „die richtige Schule“ gewesen sei, nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon, dass dieser Beweisantrag eine dem Beweis nicht zugängliche Bewertung zum Gegenstand hat und vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei schon mangels konkreter Tatsachenbehauptung abgewiesen worden ist, kam es auf die vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Zweifel an der Eignung dieser Schule als Therapieeinrichtung für Kinder mit ADS nicht an. Das Berufungsgericht hat - wie bereits ausgeführt - die Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch aus anderen selbstständig tragenden Gründen abgelehnt, so dass die beantragte Vernehmung des Schulleiters der Internationalen Schule auch nicht aus Gründen der richterlichen Aufklärungspflicht erforderlich gewesen ist.

12

2.2 Die angegriffene Entscheidung verletzt auch nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Anspruch auf rechtliches Gehör fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. Oktober 1990 - 2 BvR 562/88 - BVerfGE 83, 24 <35> und vom 30. April 2010 - 1 BvR 2797/09 - FamRZ 2010, 1145). Allerdings müssen die Gerichte nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich bescheiden (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267 <274>). Es müssen nur die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187>). Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (stRspr, Beschluss vom 2. September 2010 - BVerwG 9 B 12.10 -). Auch in diesem Fall kommt es nur dann zur Aufhebung einer Gerichtsentscheidung, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Berücksichtigung des Vortrags zu einer für die Prozesspartei günstigeren Entscheidung hätte führen können (BVerfG, Urteil vom 14. Dezember 1982 - 2 BvR 434/82 - BVerfGE 62, 392 <396>; BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2008 - BVerwG 8 B 24.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 77).

13

a) Soweit der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall auf zwei gutachtliche Stellungnahmen zur ADS-Problematik des Klägers aus dem Jahr 2007 nicht eingegangen ist, kann die angegriffene Entscheidung auf einer mangelnden Berücksichtigung dieses Vorbringens jedenfalls nicht beruhen. Denn das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer seelischen Behinderung des Klägers - wie ausgeführt - letztlich dahinstehen lassen und den Kostenerstattungsanspruch aus anderen Gründen abgelehnt.

14

b) Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof auch den Sachvortrag zur Dringlichkeit des Schulwechsels im klagebegründenden Schriftsatz vom 9. März 2007 nicht übergangen. Die darin angeführten Argumente für die Notwendigkeit des Schulwechsels (ADS, Absinken der Schulleistungen, Probleme mit Mitschülern, Mobbing, aggressives Verhalten des Klägers, Schulwechselempfehlung des Klassenlehrers und Schulleiters, unbefriedigender Verlauf der Gespräche bei der Schulaufsicht) werden im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (UA S. 8). Damit hat das Berufungsgericht den diesbezüglichen Parteivortrag zur Kenntnis genommen. Dann aber bedarf es besonderer Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, dass das Berufungsgericht das zur Kenntnis genommene Vorbringen bei der Entscheidungsfindung nicht erwogen habe.

15

Soweit es bei der Erörterung der Rechtsfrage der Unaufschiebbarkeit des Schulwechsels nicht im Einzelnen auf diese Punkte eingegangen ist, lässt dies nicht den Schluss zu, es hätte diese Argumente nicht in Erwägung gezogen. Das Berufungsgericht hat erkennbar zwischen der Frage der Notwendigkeit eines Schulwechsels und der Frage der Unaufschiebbarkeit des Schulwechsels bis zu einer Entscheidung des Jugendamts differenziert und verlangt, dass für die Unaufschiebbarkeit eines Schulwechsels noch zusätzliche Argumente angeführt werden müssten, die auch einen vorübergehenden Verbleib unzumutbar erscheinen ließen. Es hat die im Tatbestand des Urteils durchaus referierten Probleme des Klägers im Ergebnis nicht als so schwerwiegend angesehen, dass auch ein einstweiliger Verbleib in der bisherigen Schule unzumutbar gewesen wäre.

16

Bei dieser Bewertung der Tatsachen hat es sich maßgeblich auf die im Aktenvermerk vom 12. September 2002 festgehaltene Einschätzung der Mutter des Klägers gestützt, der Kläger habe die bisherige Schule nicht verlassen müssen. In diesem Zusammenhang ist auch die zum Beleg des Gehörverstoßes angeführte Passage des Urteils zu verstehen, es sei nicht über Auseinandersetzungen des Klägers mit seinen Mitschülern berichtet worden, die einen einstweiligen Verbleib auf der Schule unzumutbar erscheinen ließen. Ist aber das Vorbringen einer Partei zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden, dann hindert der Anspruch auf rechtliches Gehör das Gericht nicht, die zur Kenntnis genommenen Tatsachen anders zu bewerten als die Prozesspartei. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>).

17

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

18

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.

(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn

1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3.
die Deckung des Bedarfs
a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
War es dem Leistungsberechtigten unmöglich, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, so hat er dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachzuholen.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 die Kosten für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. in Höhe von monatlich 450,00 EUR und ab dem 01.11.2011 in Höhe von monatlich 595,00 EUR zu übernehmen.

Der Bescheid der Beklagten vom 25.10.2011 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.02.2012 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 7/8, der Kläger 1/8 der Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt wegen des Vorliegens einer Rechtschreibschwäche und einer ADS-Störung Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für den Besuch des Privaten Gymnasiums E.
Bei dem am ...1999 geborenen Kläger traten bereits in der 2. Schulklasse der X-Schule Schwierigkeiten auf. Nach dem Schulbericht der X-Schule vom 20.07.2007 wies der Kläger im Unterricht lediglich eine geringe Ausdauer auf und beteiligte sich selten am Unterricht. Die Anfertigung schriftlicher Arbeiten erfolgte langsam, die Diktate wurden mit unterschiedlicher Fehlerzahl geschrieben und beim Abschreiben viele Fehler gemacht. Das Erfassen von Textaufgaben bereitete dem Kläger Schwierigkeiten. Der Notendurchschnitt der Halbjahresinformation der 3. Klasse lag bei 3,07.
Durch Gutachten des Lehrinstituts für Orthographie und Schreibtechnik S. vom November 2007 wurden beim Kläger nach Durchführung der Hamburger Schreibprobe erhebliche Defizite festgestellt. Im Bereich der richtigen Schreibweise der Wörter belegte der Kläger Prozentrang 14, d.h. bezogen auf eine entsprechende Vergleichsgruppe erzielten 86% der Schüler einen besseren Wert als der Kläger; im Bereich der Graphemtreffer belegte der Kläger einen Prozentrang von 8, d.h. 92% der vergleichbaren Schüler erzielten einen besseren Wert; im Bereich der orthographischen Erwerbsstrategie belegte der Kläger Prozentrang 7, im morphematischen Bereich Prozentrang 2,4.
Durch Gutachten vom 06.03.2009 des Sozialpädiatrischen Zentrums des Klinikums S. wurde beim Kläger ein signifikanter Rückstand in der Rechtschreibtechnik bei altersentsprechender intellektueller Gesamtleistungsfähigkeit sowie ein erheblicher Nachholbedarf in allen schriftsprachlichen Bereichen festgestellt. Es wurden eine Rechtschreibstörung (F 81.1G), eine Auditive Verarbeitungsstörung (F 80.20 G) sowie eine Artikulationsstörung (F 80.0G) diagnostiziert. Nach dem Gutachten des Dr. A. Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie, vom 19.10.2010 leide der Kläger an Störungen von Verhalten und Emotionen (ICD-10:
F 98.8); es bestünden Konzentrationsauffälligkeiten, die jedoch keine Störungswertigkeit im Sinne einer ADHS aufweisen würden.
Der Kläger wiederholte freiwillig die 2. Klasse. Durch einen Schulwechsel auf die R. Schule, an der nach dem pädagogischen Konzept der Montessori-Pädagogik unterrichtet wird, besserte sich die Situation des Klägers bis zum Ende der Grundschulzeit anhaltend. Nach der Aussage der damaligen Klassenlehrerin des Klägers seien keine besonderen Auffälligkeiten hinsichtlich der Konzentration und Leistungsfähigkeit festzustellen gewesen, doch habe eine Rechtschreibproblematik bestanden. Der Notendurchschnitt des Klägers bei Abschluss der Grundschule lag bei 2,1.
Nach der Beendigung der Grundschule stellte die Mutter des Klägers einen Antrag auf Aufnahme ihres Sohnes an die Y-Schule, Realschule und Gymnasium in freier Trägerschaft, S., der mit Schreiben vom 28.01.2011 abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde angeführt, die Schule könne dem Kläger nicht die besondere Zuwendung zukommen lassen, die er aus ihrer Sicht benötige. Der Kläger besuchte daraufhin bis zu den Osterferien 2011 (20.04.2011) die 5. Klasse des staatlichen Z.-Gymnasiums, S.. Nach dem Bericht des damaligen Klassenlehrers, Herrn Dr. W., sei der Kläger im Unterricht oft unkonzentriert gewesen und habe sich kaum aktiv am Unterricht beteiligt. Bei Arbeitsaufträgen habe er mehr Zeit als seine Mitschüler benötigt und es sei nur zu einer rudimentären schriftlichen Fixierung der Ergebnisse gekommen. Der Kläger habe Mühe gehabt, neue Inhalte sicher zu erfassen, zu verstehen und zu behalten, so dass weder seine mündlichen noch schriftlichen Leistungen den Anforderungen des Unterrichts genügt hätten. Im Halbjahreszeugnis des staatlichen Gymnasiums wurde in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Erdkunde und Biologie eine Durchschnittsnote von 4,1 erreicht. Herr Dr. W. befürwortete einen Wechsel auf das Private Gymnasium E., da dem Kläger die für das staatliche Gymnasium notwendige Konzentrationsfähigkeit, Lernbereitschaft und Selbstständigkeit fehle.
Gemäß Gutachten vom 18.03.2011 des Dr. B., Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderheilkunde, wurde beim Kläger eine ausgeprägte Lese- und Rechtschreibstörung (F 81.0) diagnostiziert. Unter Bezugnahme auf die Durchführung der Hamburger Schreibprobe wurde im Bereich der richtigen Schreibweise ein Prozentrang von 2, im Bereich der Graphemtreffer ein Prozentrang von 1 und im Bereich der Rechtschreibstrategien Prozentränge von 1 bis 50 ermittelt. Darüber hinaus wurde eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (F 90.0) und eine beginnende emotionale Störung (F 93.8) diagnostiziert. Mit Sicherheit sei der Kläger intellektuell für das Gymnasium nicht überfordert; zum Verhängnis werde ihm seine Konzentrationsschwäche und die damit einhergehende psychomotorische Verlangsamung. Ferner stellte Dr. B. beim Kläger psychosomatische Beschwerden und eine depressive Verstimmung fest. Es werde dringend empfohlen, den Kläger in einem gymnasialen Rahmen zu unterrichten, welcher den Bedürfnissen von Kindern mit ADS und ADHS gerecht werde; dies scheine am besten im Privaten Gymnasium E. der Fall zu sein.
Am 24.03.2011 stellte die Mutter des Klägers bei der Beklagten einen Antrag auf Eingliederungshilfe gemäß 35a SGB VIII gerichtet auf Kostenübernahme für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. durch den Kläger. Parallel zur Antragsstellung stellte die Mutter des Klägers diesen beim Privaten Gymnasium E. vor.
10 
Seit Mai 2011 besucht der Kläger das Private Gymnasium E.. Das Private Gymnasium E. ist ein staatlich genehmigtes Ganztagesgymnasium (G 8). Es steht Kindern offen, die nachweislich von ADHS betroffen sind und über eine Gymnasialempfehlung oder ein entsprechendes psychologisch attestiertes Begabungsprofil verfügen. Der Unterricht erfolgt in kleinen Klassen (max. 12 - 15 Schüler je Klasse) und leistet nach der Auflistung im Schulvertrag neben dem Regelunterricht (u. a. Einzelförderung, schulbegleitende psychologisch-pädagogische Betreuung, therapeutische Einzelbetreuung, Gruppentherapie sowie Eltern- und Lehrerberatung).
11 
Im Hinblick auf den Antrag auf Eingliederungshilfe wurde der Kläger von der Schulpsychologischen Beratungsstelle des Staatlichen Schulamts S. am 25.07.2011 erneut begutachtet. Im Prüfsystem für Schule und Bildung bezüglich der Klassen 4-6 erreichte der Kläger in der Jahrgangsnorm für Klasse 5 ein Gesamtergebnis von SW=96 (PR 34,5), d.h. ein Ergebnis im unteren Durchschnittsbereich. In der schulartspezifischen Norm für das Gymnasium erreichte er ebenfalls mit SW=84 (PR 5,5) nur einen unterdurchschnittlichen Wert. Im schulpsychologischen Bericht des Staatlichen Schulamts Stuttgart heißt es, dass der Kläger sich im Privaten Gymnasium E. sehr wohl fühle und bessere Leistungen erbringen könne. Die Begabungswerte des Klägers lägen laut Testergebnis nicht im Bereich der gymnasialen Begabung und die negativen Erfahrungen am staatlichen F.-E.-Gymnasium könnten auch durch eine kognitive Überforderung des Klägers zu erklären sein.
12 
Mit Bescheid vom 25.10.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. durch den Kläger ab. Zur Begründung führte sie aus: Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe habe die Kosten von Hilfemaßnahmen gemäß § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur zu tragen, wenn sie auf Grundlage einer Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts des Klägers bzw. seiner Eltern erbracht werden. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Kostenübernahme von selbst beschafften Hilfen seien nicht gegeben. Der Kläger sei im maßgeblicher Zeitraum nicht dem in § 35a SGB VIII erfassten Personenkreis der seelisch behinderten bzw. von einer seelischen Behinderung bedrohten Kindern oder Jugendlichen zuzurechnen. Die eingeholten fachärztlichen Gutachten seien widersprüchlich hinsichtlich der Diagnosen. Die attestierte Lese- und Rechtschreibstörung und das ADS-Syndrom seien jedenfalls für sich betrachtet nicht ausreichend, um Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zu gewähren. Weder läge eine für die Annahme einer seelischen Behinderung i.S.d. § 35a SGB Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII erforderliche sekundäre Neurotisierung, noch die im Rahmen des § 35a SGB Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII erforderliche Teilhabebeeinträchtigung vor.
13 
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus: Es liege keine unzulässige Selbstbeschaffung vor, da die Beschulung im Privaten Gymnasium E. aufgrund der Lese-/Rechtschreibschwäche sowie der ADHS-Störung und daraus folgender größter schulischer, persönlicher und sozialer Schwierigkeiten des Klägers unausweichlich und unaufschiebbar gewesen sei. Die Kostenübernahme sei im März 2011 beantragt worden, von Seiten des Jugendamtes seien aber keinerlei Alternativen angeboten oder ein Hilfeplangespräch angesetzt worden.
14 
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus: Es handele sich um einen Fall der unzulässigen Selbsthilfe, denn weder hätte ein Systemversagen seitens der Beklagten vorgelegen, noch seien die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII gegeben gewesen. Der Kläger sei nicht im Sinne des § 35a Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII seelisch behindert und weise auch im Übrigen keine Teilhabebeeinträchtigung auf. Die vorhandenen Schulschwierigkeiten träten bei vielen Schülern im Laufe der Schulbildung auf. Selbst bei Annahme einer Teilhabeproblematik würde diese ausschließlich im Bereich der schulischen Leistungsfähigkeit und nicht im Bereich der sozialen Teilhabe liegen. Es seien insoweit Alternativen im Rahmen des staatlichen Schulsystems denkbar, wobei das Primat staatlicher Beschulung gelte.
15 
Am 24.02.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er zusammengefasst aus, ausweislich mehrerer ärztlicher Stellungnahmen leide der Kläger an einer schweren Lese- und Rechtschreibschwäche sowie einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Der Wechsel in das Private Gymnasium E. sei aufgrund einer untragbar gewordenen Situation für den Kläger im Rahmen der Beschulung im staatlichen Gymnasium erfolgt. Mit der Beschulung im Privaten Gymnasium E. gehe ausweislich der vorliegenden Schulberichte eine positive Entwicklung des Klägers einher. Die Selbsthilfemaßnahme sei aufgrund der Untätigkeit der Beklagten zulässigerweise erfolgt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid der Beklagten vom 25.10.2011 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, rückwirkend ab dem 01.05.2011 bis 31.10.2011die Kosten für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. durch den Kläger in Höhe von monatlich 450,00 EUR und ab dem 01.11.2011 in Höhe von monatlich 595,00 EUR zu übernehmen,
sowie hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf entsprechende Kostenübernahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend Folgendes vor:
21 
Ein Hilfeplanverfahren habe nicht stattfinden müssen, da bereits die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII abgelehnt worden seien. Der Wechsel in das Private Gymnasium E. sei nicht alternativlos gewesen, da die Möglichkeiten im öffentlichen Schulsystem nicht ausgeschöpft gewesen seien. Der Annahme einer zulässigen Selbsthilfe stehe darüber hinaus entgegen, dass die Mutter des Klägers auf den Entscheidungsweg bei der Beklagten und die damit erforderliche Einholung entsprechender Gutachten hingewiesen worden sei. Die Antragsstellung im März 2011 sei auch nicht so rechtzeitig erfolgt, dass die Beklagte rechtzeitig zum Schulwechsel im Mai 2011 eine Entscheidung hätte treffen können.
22 
Im Klageverfahren hat der Klägervertreter u.a. Zeugnisse und Schulberichte des Privaten Gymnasiums E. vorgelegt.
23 
Den ursprünglich gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 28.10.2013 zurückgenommen.
24 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die angefallenen Kosten für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 in Höhe von monatlich 450,00 EUR und ab dem 01.11.2011 in Höhe von monatlich 595,00 EUR zu übernehmen. Der Bescheid des Beklagten vom 25.10.2011 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 02.02.2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in seinen Rechten, soweit sie dem entgegenstehen.
26 
Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitraum von der Antragstellung bis zur gerichtlichen Entscheidung, weil der Kläger die Kostenübernahme vom Zeitpunkt der Antragsstellung hinaus für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum begehrt. Im Rahmen des § 36a Abs. 3 SGB VIII kommt es insbesondere auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bedarfsdeckung an (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 36a Rn. 11). Der Jugendhilfeträger darf den geltend gemachten jugendhilferechtlichen Bedarf selbst nach einer Ablehnung nicht aus den Augen verlieren. Im Fall der Hilfe für eine angemessene Schulbildung bietet sich die Bildung von Zeitabschnitten nach den Schuljahren an (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31.8.1995 - 5 C 9/94 -, NJW 1996, 2588; BayVGH, Urteil vom 30.1.2008 - 12 B 07.280 - und Beschluss vom 09.11.2010 - 12 ZB 09.1251 -; jeweils juris; zum jugendhilferechtlichen Leistungsbegriff vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.1.2004 - 5 C 9/03 -, BVerwGE 120, 116 ff.).
27 
Die Beklagte ist gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.09.2011 (Schuljahr 2011/2012) die Aufwendungen für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu erstatten.
28 
Nach § 36a Abs. 1 SGB VIII trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten einer Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans und unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht dem gesetzlichen Auftrag des Jugendhilfeträgers entspricht, nur „Zahlstelle“ und nicht Leistungsträger zu sein. Nur wenn der Träger der Jugendhilfe von Anfang an in den Entscheidungsprozess einbezogen ist, kann er seine aus § 36a Abs. 1, § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und die Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII wahrnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.05.2008 - 5 B 130/07 -, juris). Wird abweichend hiervon die Hilfe durch die Eltern selbst beschafft, ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII), die Voraussetzungen gemäß § 35a SGB VIII für die Hilfegewährung vorlagen (§ 36a Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII) und die Deckung des Bedarfs bis zur Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Leistungsgewährung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII).
29 
Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Hilfe zumindest ab dem Beginn des Schuljahrs 2011/2012 vor.
30 
Gemäß § 35a Abs. 1 SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn (Nr. 1) ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und (Nr. 2) daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nicht jede Abweichung der seelischen Gesundheit i.S. einer seelischen Störung hat jedoch eine seelische Behinderung zur Folge. Hinzukommen muss die Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft. Für die Frage, ob ein Kind oder Jugendlicher seelisch behindert i.S. des § 35a SGB VIII ist, kommt es auf das Ausmaß, den Grad der seelischen Störungen an. Entscheidend ist, ob die seelischen Störungen nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv sind, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 38/97 -, juris). Von einer seelischen Behinderung bedroht sind gemäß § 35 a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII Kinder und Jugendliche, bei denen eine seelische Behinderung als Folge seelischer Störungen noch nicht vorliegt, der Eintritt der seelischen Behinderung aber droht, weil eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit (wesentlich mehr als 50 %, vergl. BVerwG vom 26.11.1998, a.a.O.) zu erwarten ist. Der Rechtsbegriff der seelischen Behinderung unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.03.2007 - 7 E 10212/07 -, JAmt 2007, 365 ff.; Vondung in Kunkel, LPK-SGB VIII, § 35a Rn. 7 a. E.).
31 
Ausweislich der vorliegenden fachärztlichen Gutachten lag beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum eine Abweichung der seelischen Gesundheit von dem für sein Lebensalter typischen Zustand vor.
32 
Beim Kläger wurde eine Rechtschreibstörung (F 81.1G), eine Auditive Verarbeitungsstörung (F 80.20 G) sowie eine Artikulationsstörung (F 80.0G; vgl. Gutachten vom 06.03.2009 des Sozialpädiatrischen Zentrums des Klinikum Stuttgart) sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (F 90.0; Gutachten vom 18.03.2011 des Dr. B., Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderheilkunde) diagnostiziert. Legasthenie ist eine geistige Leistungsstörung, die nach ständiger Rechtsprechung allerdings für sich genommen noch keine seelische Störung darstellt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 9.11.2010 - 12 ZB 09.1251). Eine seelische Störung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist nur anzunehmen, wenn als Sekundärfolge der Legasthenie eine Neurotisierung eintritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.07.1995 - 5 B 119.94 -; VGH Mannheim, Urteil vom 13.11.1996 - 6 S 1350/94 -; VGH München, Beschluss vom 26.03.2001 - 12 ZB 01.219 -, jeweils juris; Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 35a Rn. 71). Auch das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) - mit oder ohne Hyperaktivität - stellt als solches keine seelische Störung dar. Als seelische Störungen kommen jedoch neurotische Entwicklungsstörungen in Betracht, die - insbesondere bei Schulversagen - Folge eines ADS sein können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.1997 - 9 S 1462/96 -, juris). Ein Abweichen der seelischen Gesundheit im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand verlangt daher zusätzlich zu der geistigen Teilleistungsstörung die Feststellung hierin begründeter Sekundärfolgen im seelischen Bereich (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2009 – 1 B 432/09; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.03.2007 - 7 E 10212/07 -, juris).
33 
Eine derartige, auf den beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen beruhende seelische Störung lag bei Antragsstellung vor. Ausweislich des Gutachtens des Dr. B., Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderheilkunde, wurde beim Kläger eine beginnende emotionale Störung (F 93.8) diagnostiziert, bei der sich bereits sekundäre Folgen, u.a. in Form von Ängsten, psychosomatischen Beschwerden und depressiven Verstimmungen, herausgebildet haben. Gleichermaßen stellte Dr. A., Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie fest, dass der Kläger an Störungen von Verhalten und Emotionen (ICD-10: F 98.8) leidet. Diese Diagnosen belegen, dass beim Kläger infolge der diagnostizierten Erkrankungen bereits erhebliche Sekundärfolgen eingetreten sind. Der Kläger befindet sich bis heute in psychotherapeutischer Behandlung.
34 
Aufgrund der altersuntypischen Abweichung der seelischen Gesundheit des Klägers war auch seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII beeinträchtigt.
35 
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Freundeskreis, Schule und Freizeit, wobei eine Störung der Teilhabe bereits dann vorliegt, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche auswirkt. Sie kann nicht nur durch eine Ausgrenzung der Umwelt, sondern auch durch subjektive Schwierigkeiten des Betroffenen, aktiv am Leben teilzunehmen, bedingt werden. Das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung ist trotz des Vorliegens eines unbestimmten Rechtsbegriffs gerichtlich voll überprüfbar (BayVGH, Beschluss vom 21.1.2009 – 12 CE 08.2731 –; VG Hamburg, Urteil vom 24.11.2009 – 13 K 4032/07 - jeweils juris).
36 
Entscheidend ist, ob die seelischen Störungen nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv sind, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 38/97 -, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügen bloße Schulprobleme und Schulängste, die andere Kinder oder Jugendliche teilen, demgegenüber für die Annahme einer Teilhabebeeinträchtigung nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 38/97 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.03.2007 - 7 E 10212/07 -, jeweils juris).
37 
Gemäß § 36 Abs. 2 SGB VIII hat das Jugendamt im Rahmen der Hilfeplanung unter Beteiligung des Kindes bzw. Jugendlichen und seiner Eltern eine eigenständige, von der ärztlichen Stellungnahme abgrenzbare Einschätzung vorzunehmen, ob aufgrund der vom Arzt festgestellten seelischen Störung eine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung in der spezifischen Lebenssituation im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII gegeben ist. Bei jungen Menschen maßgeblich ist insbesondere die Integration in den drei Bereichen Familie, Kindergarten/Schule/Beruf, Freundeskreis/Freizeit. Ausschließlich den pädagogischen Fachkräften des Jugendamtes (vgl. § 72 SGB VIII) obliegt es daher - wenn auch auf der Basis des Gutachtens nach § 35a Abs. 1a SGB VIII - die Teilhabebeeinträchtigung festzustellen und den Bedarf an Leistungen nach Maßgabe des § 36 SGB VIII festzusetzen (s. auch BT-Drs. 14/5074, S. 121). Bei der Aufstellung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe sollen die Personen, die die Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII abgegeben haben, beteiligt werden. Im Rahmen dieses fachlichen Zusammenwirkens von sozialpädagogischen und ärztlichen Fachkräften sind unter Federführung des Jugendamtes nachvollziehbare und gerichtlich überprüfbare Aussagen zu treffen, in welchem Ausmaß eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, insbesondere welche Lebensbereiche und welches soziale Umfeld von dieser Teilhabebeeinträchtigung betroffen sind. Erst auf dieser Grundlage kann der Jugendhilfeträger den tatsächlichen aktuellen Hilfebedarf des Betroffenen – wiederum durch Fachkräfte feststellen und hieraus auf die notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen schließen.
38 
Die Teilhabebeeinträchtigung muss vom Jugendamt für die Bereiche Familie, Schule und Freizeit jeweils eigens festgestellt werden (vgl. Kunkel, a.a.O., JAmt 2007, 17 ff.). Angesichts der herausragenden Bedeutung der schulischen Bildung und Erziehung für die soziale Integration reicht es für eine bestehende oder drohende Beeinträchtigung der „Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“ i.S.d. § 35a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII aus, wenn von der festgestellten Störung „nur“ der Lebensbereich Schule betroffen ist (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 35a, Rn. 19). Aufgabe und Ziel der Eingliederungshilfe ist gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII u.a. die Erlangung einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen. In der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass schulisch bedeutsame Teilleistungsstörungen bei entsprechend starker Ausprägung zu einer (drohenden) seelischen Behinderung führen und neben der schulischen Förderung auch eine jugendhilferechtliche Leistungsverpflichtung begründen können (vgl. etwa Frankfurter Kommentar, a.a.O., § 35a Rn. 40 f. m.w.N.).
39 
Gemessen an diesen Maßgaben steht fest, dass aufgrund der altersuntypischen Abweichung der seelischen Gesundheit des Klägers seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt ist. Die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers im schulischen Bereich ergibt sich insbesondere aus den vorliegenden (sozial)pädagogischen, schulpsychologischen und fachärztlichen Stellungnahmen. Die Probleme des Klägers gehen über bloße Schulprobleme oder auch Schulängste, die andere Kinder teilen, bei weitem hinaus (vgl. BVerwG, Urteil v. 26.11.1998 - 5 C 38/97 -, juris). Nachvollziehbar ist auch, dass der Besuch des Z.-Gymnasiums der bestehenden Teilhabebeeinträchtigung des Klägers nicht dauerhaft begegnen konnte. Der Kläger ist im Ergebnis - mangels Anleitung und entsprechender Hilfestellung - im herkömmlichen Schulsystem insoweit gescheitert. Betrachtet man die Schulbiographie des Klägers bis zur Aufnahme in das Private Gymnasium E., ergibt sich, dass zum Zeitpunkt des Eintritts in das Private Gymnasium E. die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft jedenfalls im Lebensbereich „Schule“ in schwerwiegender Weise beeinträchtigt war. Bereits im Grundschulalter war der Kläger aufgrund seiner Störung nicht in der Lage, sich in den Unterricht zu integrieren, und litt bereits in der 2. Schulklasse nach dem Schulbericht der X-Schule vom 20.07.2007 an Ausdauerproblemen sowie grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Anfertigung bzw. Erfassung schriftlicher Aufgaben, welche zur freiwilligen Wiederholung einer Klassenstufe sowie einem Schulwechsel bereits in der Grundschulzeit führten. In der 5. Klasse des Z-Gymnasiums, S., verstärkten sich die Probleme des Klägers. Nach dem Bericht des damaligen Klassenlehrers hatte der Kläger Schwierigkeiten bei der Erfassung, beim Verständnis und der Wiedergabe von Texten und war insgesamt nur zu einer rudimentären schriftlichen Fixierung erreichter Ergebnisse in der Lage. Nach Ansicht des Klassenlehrers fehlte dem Kläger ein Mindestmaß an Konzentration, Lernbereitschaft und Selbstständigkeit, um den Anforderungen des regulären Schulunterrichts gerecht zu werden. Aufgrund der bestehenden Defizite wurde im Halbjahreszeugnis der 5. Klasse, d.h. unmittelbar vor dem Schulwechsel auf das Private Gymnasium E., eine Durchschnittsnote von 4,1 erreicht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kläger aufgrund seiner seelischen Behinderung hinsichtlich der sich daraus ergebenden Probleme im schulischen Bereich der Eingliederungshilfe bedurfte.
40 
In Auswertung der vorliegenden Stellungnahmen und Berichte ist der Besuch des Privaten Gymnasiums E. auch die geeignete und zugleich erforderliche Hilfeform, die das Ergebnis einer fachlich vertretbaren Entscheidung aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten ist.
41 
Dem Beklagten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe steht bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme der Jugendhilfe - wie bereits oben dargelegt - ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 ff.). Von diesem Grundsatz kann nur unter der Voraussetzung abgewichen werden, dass das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die Hilfeleistung entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.10.2012 - 5 C 21/11 -, juris). In dieser Situation ist der Betroffene, obgleich ihm der Sachverstand des Jugendamtes fehlt, gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Dies hat zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben (vgl. BVerwG, a.a.O.). Wenn eine Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne vertretbar ist, kann nicht nachträglich eingewendet werden, das Jugendamt hätte eine andere Maßnahme für geeigneter gehalten (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 36a, Rn. 13; BVerwG, a.a.O.). Unter diesen Voraussetzungen können die Berechtigten den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen.
42 
Die von der Mutter des Klägers getroffene Entscheidung, den Kläger am Privaten Gymnasium E. zu beschulen, war aus der ex-ante-Betrachtung des Leistungsberechtigten eine fachlich gut vertretbare Entscheidung. Das Gymnasium stellt sowohl nach dem Abschlusszeugnis der Grundschule als auch gemäß der Stellungnahme des Dr. B. eine geeignete Schulform dar. Dies hat sich durch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten aktuellen Schulzeugnisse bestätigt. Der Unterricht an diesem Gymnasium entspricht den Bedürfnissen des Klägers. Er erfolgt in kleinen Klassen und leistet nach der Auflistung im Schulvertrag neben dem Regelunterricht u. a. Einzelförderung, schulbegleitende psychologisch-pädagogische Betreuung, therapeutische Einzelbetreuung, Gruppentherapie sowie Eltern- und Lehrerberatung. Angesichts der beim Kläger vorliegenden erheblichen schulischen Integrationsschwierigkeiten war der Wechsel auf das Private Gymnasium E. einer geeignete und in hohem Maße erforderliche Hilfeform, um den Kläger angemessen zu beschulen.
43 
Ein Anspruch des Klägers ist auch nicht wegen des Nachrangs der Jugendhilfe ausgeschlossen. Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch dieses Buch nicht berührt. Darin ist der Grundsatz vom Nachrang der Jugendhilfe bzw. die allgemeine Subsidiarität jugendhilferechtlicher Leistungen gegenüber denen anderer Sozialleistungsträger und der Schulen verankert (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.2010 - 5 C 7.09 -; Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 32.05 -, juris). Dieser Grundsatz kommt auch in der Formulierung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zum Ausdruck, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Es genügt aber für die Nachrangigkeit der Jugendhilfe nicht, dass eine anderweitige Verpflichtung überhaupt besteht. Vielmehr muss diese anderweitige Verpflichtung auch rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten sein (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 08.09.2010 - 12 A 1326/10 -, juris m.w.N.; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. vom 22.01.2012 - G 3/10, NDV 2012, 264; Vondung, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 7). In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht auch einen gegenüber der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe vorrangigen Anspruch gegen die Schulverwaltung nur in dem Fall angenommen, dass die Schule tatsächlich Hilfe gewährt oder der Betroffene den Anspruch auf Hilfeleistung gegen die Schulverwaltung rechtzeitig verwirklichen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.06.2001 - 5 B 105.00 -; Urteil vom 23.11.1995 - 5 C 13.94 -, juris). Vorliegend war das staatliche Schulsystem zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die geeignete und erforderliche Hilfe zu gewähren. Die Y-Schule, Realschule und Gymnasium in freier Trägerschaft, S., lehnte die Einschulung des Klägers bereits von vornherein ab, da sie sich nicht in der Lage sah, dem Kläger die besondere Zuwendung zukommen zu lassen, die er aus ihrer Sicht benötige (vgl. Schreiben vom 28.01.2011). Am Z-Gymnasium, S., wurde ebenfalls keine Hilfestellung angeboten und ein Schulwechsel an das Private Gymnasium E. vom Klassenlehrer ausdrücklich befürwortet.
44 
Auch die übrigen Voraussetzungen einer zulässigen Selbsthilfe im Sinne des § 36a Abs. 3 SGB VIII sind vorliegend erfüllt. Insbesondere wurde die Beklagte vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf, dessen Deckung bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe keinen zeitlichen Aufschub duldete, in Kenntnis gesetzt. Eingliederungshilfe ist allerdings erst ab dem Schuljahr 2011/2012 zu gewähren, da erst ab diesem Zeitpunkt sämtliche Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII erfüllt waren.
45 
Der Hilfesuchende ist nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger die beantragte Hilfe nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches „Systemversagen“ liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. Selbstbeschaffung im Sinne des § 36a Abs. 3 SGB VIII ist folglich immer nur dann möglich, wenn infolge des Steuerungsversagens der Behörde der Hilfebedarf nicht rechtzeitig gedeckt werden würde, der Steuerungsfehler also kausal ist für das Ausbleiben der Leistung (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 36a, Rn. 10).
46 
Obwohl der Beklagten mit der Antragsstellung am 24.03.2011 medizinische Gutachten vorlagen, sie daher zur Feststellung der seelischen Behinderung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in der Lage war, war sie dennoch nicht in der Lage, zum Zeitpunkt der im Wege der Selbsthilfe erfolgten Beschulung auch eine abschließende Beurteilung über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung zu treffen. Der hier dem Jugendamt zur Verfügung stehende Zeitraum zwischen der Antragsstellung (März 2011) und der Selbstbeschaffung (Mai 2011) gewährt der Beklagten nicht den für eine ordnungsgemäße Entscheidung zuzubilligenden Zeitraum, in dem eine Beurteilung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer Teilhabebeeinträchtigung unter normalem Verlauf des Behördenhandelns erwartet werden kann. Das Ausbleiben der Leistung zum Zeitpunkt des Schulwechsels im Mai 2011 war folglich nicht auf einen Steuerungsfehler der Beklagten zurückzuführen. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Bearbeitungsfrist, bei der auch die Dringlichkeit der Beschulung einzustellen ist, ist nach Auffassung der Kammer ein Leistungsanspruch daher erst ab Beginn des Schuljahres 2011/2012 begründet.
47 
Die Höhe der monatlich zu leistenden Kosten folgt aus der zwischen dem örtlich zuständigen Jugendhilfeträger und dem Privaten Gymnasium E. getroffenen Vereinbarung.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.
49 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Gründe

 
25 
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die angefallenen Kosten für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 in Höhe von monatlich 450,00 EUR und ab dem 01.11.2011 in Höhe von monatlich 595,00 EUR zu übernehmen. Der Bescheid des Beklagten vom 25.10.2011 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 02.02.2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in seinen Rechten, soweit sie dem entgegenstehen.
26 
Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitraum von der Antragstellung bis zur gerichtlichen Entscheidung, weil der Kläger die Kostenübernahme vom Zeitpunkt der Antragsstellung hinaus für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum begehrt. Im Rahmen des § 36a Abs. 3 SGB VIII kommt es insbesondere auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bedarfsdeckung an (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 36a Rn. 11). Der Jugendhilfeträger darf den geltend gemachten jugendhilferechtlichen Bedarf selbst nach einer Ablehnung nicht aus den Augen verlieren. Im Fall der Hilfe für eine angemessene Schulbildung bietet sich die Bildung von Zeitabschnitten nach den Schuljahren an (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31.8.1995 - 5 C 9/94 -, NJW 1996, 2588; BayVGH, Urteil vom 30.1.2008 - 12 B 07.280 - und Beschluss vom 09.11.2010 - 12 ZB 09.1251 -; jeweils juris; zum jugendhilferechtlichen Leistungsbegriff vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.1.2004 - 5 C 9/03 -, BVerwGE 120, 116 ff.).
27 
Die Beklagte ist gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.09.2011 (Schuljahr 2011/2012) die Aufwendungen für den Besuch des Privaten Gymnasiums E. in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu erstatten.
28 
Nach § 36a Abs. 1 SGB VIII trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten einer Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans und unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird. Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht dem gesetzlichen Auftrag des Jugendhilfeträgers entspricht, nur „Zahlstelle“ und nicht Leistungsträger zu sein. Nur wenn der Träger der Jugendhilfe von Anfang an in den Entscheidungsprozess einbezogen ist, kann er seine aus § 36a Abs. 1, § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und die Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII wahrnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.05.2008 - 5 B 130/07 -, juris). Wird abweichend hiervon die Hilfe durch die Eltern selbst beschafft, ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII), die Voraussetzungen gemäß § 35a SGB VIII für die Hilfegewährung vorlagen (§ 36a Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII) und die Deckung des Bedarfs bis zur Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Leistungsgewährung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII).
29 
Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Hilfe zumindest ab dem Beginn des Schuljahrs 2011/2012 vor.
30 
Gemäß § 35a Abs. 1 SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn (Nr. 1) ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und (Nr. 2) daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nicht jede Abweichung der seelischen Gesundheit i.S. einer seelischen Störung hat jedoch eine seelische Behinderung zur Folge. Hinzukommen muss die Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft. Für die Frage, ob ein Kind oder Jugendlicher seelisch behindert i.S. des § 35a SGB VIII ist, kommt es auf das Ausmaß, den Grad der seelischen Störungen an. Entscheidend ist, ob die seelischen Störungen nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv sind, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 38/97 -, juris). Von einer seelischen Behinderung bedroht sind gemäß § 35 a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII Kinder und Jugendliche, bei denen eine seelische Behinderung als Folge seelischer Störungen noch nicht vorliegt, der Eintritt der seelischen Behinderung aber droht, weil eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit (wesentlich mehr als 50 %, vergl. BVerwG vom 26.11.1998, a.a.O.) zu erwarten ist. Der Rechtsbegriff der seelischen Behinderung unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.03.2007 - 7 E 10212/07 -, JAmt 2007, 365 ff.; Vondung in Kunkel, LPK-SGB VIII, § 35a Rn. 7 a. E.).
31 
Ausweislich der vorliegenden fachärztlichen Gutachten lag beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum eine Abweichung der seelischen Gesundheit von dem für sein Lebensalter typischen Zustand vor.
32 
Beim Kläger wurde eine Rechtschreibstörung (F 81.1G), eine Auditive Verarbeitungsstörung (F 80.20 G) sowie eine Artikulationsstörung (F 80.0G; vgl. Gutachten vom 06.03.2009 des Sozialpädiatrischen Zentrums des Klinikum Stuttgart) sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (F 90.0; Gutachten vom 18.03.2011 des Dr. B., Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderheilkunde) diagnostiziert. Legasthenie ist eine geistige Leistungsstörung, die nach ständiger Rechtsprechung allerdings für sich genommen noch keine seelische Störung darstellt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 9.11.2010 - 12 ZB 09.1251). Eine seelische Störung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist nur anzunehmen, wenn als Sekundärfolge der Legasthenie eine Neurotisierung eintritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.07.1995 - 5 B 119.94 -; VGH Mannheim, Urteil vom 13.11.1996 - 6 S 1350/94 -; VGH München, Beschluss vom 26.03.2001 - 12 ZB 01.219 -, jeweils juris; Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 35a Rn. 71). Auch das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) - mit oder ohne Hyperaktivität - stellt als solches keine seelische Störung dar. Als seelische Störungen kommen jedoch neurotische Entwicklungsstörungen in Betracht, die - insbesondere bei Schulversagen - Folge eines ADS sein können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.1997 - 9 S 1462/96 -, juris). Ein Abweichen der seelischen Gesundheit im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand verlangt daher zusätzlich zu der geistigen Teilleistungsstörung die Feststellung hierin begründeter Sekundärfolgen im seelischen Bereich (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2009 – 1 B 432/09; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.03.2007 - 7 E 10212/07 -, juris).
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Eine derartige, auf den beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen beruhende seelische Störung lag bei Antragsstellung vor. Ausweislich des Gutachtens des Dr. B., Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderheilkunde, wurde beim Kläger eine beginnende emotionale Störung (F 93.8) diagnostiziert, bei der sich bereits sekundäre Folgen, u.a. in Form von Ängsten, psychosomatischen Beschwerden und depressiven Verstimmungen, herausgebildet haben. Gleichermaßen stellte Dr. A., Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie fest, dass der Kläger an Störungen von Verhalten und Emotionen (ICD-10: F 98.8) leidet. Diese Diagnosen belegen, dass beim Kläger infolge der diagnostizierten Erkrankungen bereits erhebliche Sekundärfolgen eingetreten sind. Der Kläger befindet sich bis heute in psychotherapeutischer Behandlung.
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Aufgrund der altersuntypischen Abweichung der seelischen Gesundheit des Klägers war auch seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII beeinträchtigt.
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Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Freundeskreis, Schule und Freizeit, wobei eine Störung der Teilhabe bereits dann vorliegt, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche auswirkt. Sie kann nicht nur durch eine Ausgrenzung der Umwelt, sondern auch durch subjektive Schwierigkeiten des Betroffenen, aktiv am Leben teilzunehmen, bedingt werden. Das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung ist trotz des Vorliegens eines unbestimmten Rechtsbegriffs gerichtlich voll überprüfbar (BayVGH, Beschluss vom 21.1.2009 – 12 CE 08.2731 –; VG Hamburg, Urteil vom 24.11.2009 – 13 K 4032/07 - jeweils juris).
36 
Entscheidend ist, ob die seelischen Störungen nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv sind, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 38/97 -, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügen bloße Schulprobleme und Schulängste, die andere Kinder oder Jugendliche teilen, demgegenüber für die Annahme einer Teilhabebeeinträchtigung nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 38/97 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.03.2007 - 7 E 10212/07 -, jeweils juris).
37 
Gemäß § 36 Abs. 2 SGB VIII hat das Jugendamt im Rahmen der Hilfeplanung unter Beteiligung des Kindes bzw. Jugendlichen und seiner Eltern eine eigenständige, von der ärztlichen Stellungnahme abgrenzbare Einschätzung vorzunehmen, ob aufgrund der vom Arzt festgestellten seelischen Störung eine (drohende) Teilhabebeeinträchtigung in der spezifischen Lebenssituation im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII gegeben ist. Bei jungen Menschen maßgeblich ist insbesondere die Integration in den drei Bereichen Familie, Kindergarten/Schule/Beruf, Freundeskreis/Freizeit. Ausschließlich den pädagogischen Fachkräften des Jugendamtes (vgl. § 72 SGB VIII) obliegt es daher - wenn auch auf der Basis des Gutachtens nach § 35a Abs. 1a SGB VIII - die Teilhabebeeinträchtigung festzustellen und den Bedarf an Leistungen nach Maßgabe des § 36 SGB VIII festzusetzen (s. auch BT-Drs. 14/5074, S. 121). Bei der Aufstellung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe sollen die Personen, die die Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII abgegeben haben, beteiligt werden. Im Rahmen dieses fachlichen Zusammenwirkens von sozialpädagogischen und ärztlichen Fachkräften sind unter Federführung des Jugendamtes nachvollziehbare und gerichtlich überprüfbare Aussagen zu treffen, in welchem Ausmaß eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, insbesondere welche Lebensbereiche und welches soziale Umfeld von dieser Teilhabebeeinträchtigung betroffen sind. Erst auf dieser Grundlage kann der Jugendhilfeträger den tatsächlichen aktuellen Hilfebedarf des Betroffenen – wiederum durch Fachkräfte feststellen und hieraus auf die notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen schließen.
38 
Die Teilhabebeeinträchtigung muss vom Jugendamt für die Bereiche Familie, Schule und Freizeit jeweils eigens festgestellt werden (vgl. Kunkel, a.a.O., JAmt 2007, 17 ff.). Angesichts der herausragenden Bedeutung der schulischen Bildung und Erziehung für die soziale Integration reicht es für eine bestehende oder drohende Beeinträchtigung der „Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“ i.S.d. § 35a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII aus, wenn von der festgestellten Störung „nur“ der Lebensbereich Schule betroffen ist (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 35a, Rn. 19). Aufgabe und Ziel der Eingliederungshilfe ist gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII u.a. die Erlangung einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen. In der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass schulisch bedeutsame Teilleistungsstörungen bei entsprechend starker Ausprägung zu einer (drohenden) seelischen Behinderung führen und neben der schulischen Förderung auch eine jugendhilferechtliche Leistungsverpflichtung begründen können (vgl. etwa Frankfurter Kommentar, a.a.O., § 35a Rn. 40 f. m.w.N.).
39 
Gemessen an diesen Maßgaben steht fest, dass aufgrund der altersuntypischen Abweichung der seelischen Gesundheit des Klägers seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt ist. Die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers im schulischen Bereich ergibt sich insbesondere aus den vorliegenden (sozial)pädagogischen, schulpsychologischen und fachärztlichen Stellungnahmen. Die Probleme des Klägers gehen über bloße Schulprobleme oder auch Schulängste, die andere Kinder teilen, bei weitem hinaus (vgl. BVerwG, Urteil v. 26.11.1998 - 5 C 38/97 -, juris). Nachvollziehbar ist auch, dass der Besuch des Z.-Gymnasiums der bestehenden Teilhabebeeinträchtigung des Klägers nicht dauerhaft begegnen konnte. Der Kläger ist im Ergebnis - mangels Anleitung und entsprechender Hilfestellung - im herkömmlichen Schulsystem insoweit gescheitert. Betrachtet man die Schulbiographie des Klägers bis zur Aufnahme in das Private Gymnasium E., ergibt sich, dass zum Zeitpunkt des Eintritts in das Private Gymnasium E. die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft jedenfalls im Lebensbereich „Schule“ in schwerwiegender Weise beeinträchtigt war. Bereits im Grundschulalter war der Kläger aufgrund seiner Störung nicht in der Lage, sich in den Unterricht zu integrieren, und litt bereits in der 2. Schulklasse nach dem Schulbericht der X-Schule vom 20.07.2007 an Ausdauerproblemen sowie grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Anfertigung bzw. Erfassung schriftlicher Aufgaben, welche zur freiwilligen Wiederholung einer Klassenstufe sowie einem Schulwechsel bereits in der Grundschulzeit führten. In der 5. Klasse des Z-Gymnasiums, S., verstärkten sich die Probleme des Klägers. Nach dem Bericht des damaligen Klassenlehrers hatte der Kläger Schwierigkeiten bei der Erfassung, beim Verständnis und der Wiedergabe von Texten und war insgesamt nur zu einer rudimentären schriftlichen Fixierung erreichter Ergebnisse in der Lage. Nach Ansicht des Klassenlehrers fehlte dem Kläger ein Mindestmaß an Konzentration, Lernbereitschaft und Selbstständigkeit, um den Anforderungen des regulären Schulunterrichts gerecht zu werden. Aufgrund der bestehenden Defizite wurde im Halbjahreszeugnis der 5. Klasse, d.h. unmittelbar vor dem Schulwechsel auf das Private Gymnasium E., eine Durchschnittsnote von 4,1 erreicht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kläger aufgrund seiner seelischen Behinderung hinsichtlich der sich daraus ergebenden Probleme im schulischen Bereich der Eingliederungshilfe bedurfte.
40 
In Auswertung der vorliegenden Stellungnahmen und Berichte ist der Besuch des Privaten Gymnasiums E. auch die geeignete und zugleich erforderliche Hilfeform, die das Ergebnis einer fachlich vertretbaren Entscheidung aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten ist.
41 
Dem Beklagten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe steht bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme der Jugendhilfe - wie bereits oben dargelegt - ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 ff.). Von diesem Grundsatz kann nur unter der Voraussetzung abgewichen werden, dass das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die Hilfeleistung entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.10.2012 - 5 C 21/11 -, juris). In dieser Situation ist der Betroffene, obgleich ihm der Sachverstand des Jugendamtes fehlt, gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Dies hat zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben (vgl. BVerwG, a.a.O.). Wenn eine Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne vertretbar ist, kann nicht nachträglich eingewendet werden, das Jugendamt hätte eine andere Maßnahme für geeigneter gehalten (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 36a, Rn. 13; BVerwG, a.a.O.). Unter diesen Voraussetzungen können die Berechtigten den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen.
42 
Die von der Mutter des Klägers getroffene Entscheidung, den Kläger am Privaten Gymnasium E. zu beschulen, war aus der ex-ante-Betrachtung des Leistungsberechtigten eine fachlich gut vertretbare Entscheidung. Das Gymnasium stellt sowohl nach dem Abschlusszeugnis der Grundschule als auch gemäß der Stellungnahme des Dr. B. eine geeignete Schulform dar. Dies hat sich durch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten aktuellen Schulzeugnisse bestätigt. Der Unterricht an diesem Gymnasium entspricht den Bedürfnissen des Klägers. Er erfolgt in kleinen Klassen und leistet nach der Auflistung im Schulvertrag neben dem Regelunterricht u. a. Einzelförderung, schulbegleitende psychologisch-pädagogische Betreuung, therapeutische Einzelbetreuung, Gruppentherapie sowie Eltern- und Lehrerberatung. Angesichts der beim Kläger vorliegenden erheblichen schulischen Integrationsschwierigkeiten war der Wechsel auf das Private Gymnasium E. einer geeignete und in hohem Maße erforderliche Hilfeform, um den Kläger angemessen zu beschulen.
43 
Ein Anspruch des Klägers ist auch nicht wegen des Nachrangs der Jugendhilfe ausgeschlossen. Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII werden Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, durch dieses Buch nicht berührt. Darin ist der Grundsatz vom Nachrang der Jugendhilfe bzw. die allgemeine Subsidiarität jugendhilferechtlicher Leistungen gegenüber denen anderer Sozialleistungsträger und der Schulen verankert (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.2010 - 5 C 7.09 -; Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 32.05 -, juris). Dieser Grundsatz kommt auch in der Formulierung des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zum Ausdruck, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Es genügt aber für die Nachrangigkeit der Jugendhilfe nicht, dass eine anderweitige Verpflichtung überhaupt besteht. Vielmehr muss diese anderweitige Verpflichtung auch rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten sein (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 08.09.2010 - 12 A 1326/10 -, juris m.w.N.; Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. vom 22.01.2012 - G 3/10, NDV 2012, 264; Vondung, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 7). In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht auch einen gegenüber der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe vorrangigen Anspruch gegen die Schulverwaltung nur in dem Fall angenommen, dass die Schule tatsächlich Hilfe gewährt oder der Betroffene den Anspruch auf Hilfeleistung gegen die Schulverwaltung rechtzeitig verwirklichen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.06.2001 - 5 B 105.00 -; Urteil vom 23.11.1995 - 5 C 13.94 -, juris). Vorliegend war das staatliche Schulsystem zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die geeignete und erforderliche Hilfe zu gewähren. Die Y-Schule, Realschule und Gymnasium in freier Trägerschaft, S., lehnte die Einschulung des Klägers bereits von vornherein ab, da sie sich nicht in der Lage sah, dem Kläger die besondere Zuwendung zukommen zu lassen, die er aus ihrer Sicht benötige (vgl. Schreiben vom 28.01.2011). Am Z-Gymnasium, S., wurde ebenfalls keine Hilfestellung angeboten und ein Schulwechsel an das Private Gymnasium E. vom Klassenlehrer ausdrücklich befürwortet.
44 
Auch die übrigen Voraussetzungen einer zulässigen Selbsthilfe im Sinne des § 36a Abs. 3 SGB VIII sind vorliegend erfüllt. Insbesondere wurde die Beklagte vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf, dessen Deckung bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe keinen zeitlichen Aufschub duldete, in Kenntnis gesetzt. Eingliederungshilfe ist allerdings erst ab dem Schuljahr 2011/2012 zu gewähren, da erst ab diesem Zeitpunkt sämtliche Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII erfüllt waren.
45 
Der Hilfesuchende ist nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger die beantragte Hilfe nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches „Systemversagen“ liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. Selbstbeschaffung im Sinne des § 36a Abs. 3 SGB VIII ist folglich immer nur dann möglich, wenn infolge des Steuerungsversagens der Behörde der Hilfebedarf nicht rechtzeitig gedeckt werden würde, der Steuerungsfehler also kausal ist für das Ausbleiben der Leistung (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 36a, Rn. 10).
46 
Obwohl der Beklagten mit der Antragsstellung am 24.03.2011 medizinische Gutachten vorlagen, sie daher zur Feststellung der seelischen Behinderung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in der Lage war, war sie dennoch nicht in der Lage, zum Zeitpunkt der im Wege der Selbsthilfe erfolgten Beschulung auch eine abschließende Beurteilung über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung zu treffen. Der hier dem Jugendamt zur Verfügung stehende Zeitraum zwischen der Antragsstellung (März 2011) und der Selbstbeschaffung (Mai 2011) gewährt der Beklagten nicht den für eine ordnungsgemäße Entscheidung zuzubilligenden Zeitraum, in dem eine Beurteilung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer Teilhabebeeinträchtigung unter normalem Verlauf des Behördenhandelns erwartet werden kann. Das Ausbleiben der Leistung zum Zeitpunkt des Schulwechsels im Mai 2011 war folglich nicht auf einen Steuerungsfehler der Beklagten zurückzuführen. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Bearbeitungsfrist, bei der auch die Dringlichkeit der Beschulung einzustellen ist, ist nach Auffassung der Kammer ein Leistungsanspruch daher erst ab Beginn des Schuljahres 2011/2012 begründet.
47 
Die Höhe der monatlich zu leistenden Kosten folgt aus der zwischen dem örtlich zuständigen Jugendhilfeträger und dem Privaten Gymnasium E. getroffenen Vereinbarung.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.
49 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.

(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn

1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3.
die Deckung des Bedarfs
a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
War es dem Leistungsberechtigten unmöglich, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, so hat er dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachzuholen.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.

(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden.

(3) Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden. Gewährt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen zur Teilhabe, sind die Vorschriften zum Verfahren bei einer Mehrheit von Rehabilitationsträgern nach dem Neunten Buch zu beachten.

(4) Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden.

(5) Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht in Frage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden; die Entscheidung, ob, wie und in welchem Umfang deren Beteiligung erfolgt, soll im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Willensäußerung des Personensorgeberechtigten getroffen werden.

(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.

(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn

1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3.
die Deckung des Bedarfs
a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
War es dem Leistungsberechtigten unmöglich, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, so hat er dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachzuholen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Hilfe zur Erziehung bzw. Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für die Unterbringung ihrer Tochter , geboren am 2004, im Internat „Landheim “.

Die Tochter der Klägerin besuchte vom 30.11.2014 bis zum 31.12.2016 das Internat „Landheim “ in am .

Ausweislich der Behördenakte (Bl. 7 der Jugendhilfeakte) hat sich die Klägerin mit folgender „Kontaktformular-Nachricht“ vom 02.07.2017 an das Jugendamt der Beklagten gewandt: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe gelesen, das Jugendamt bezuschusst in einigen Fällen den Besuch eines Internats. Welche Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein? Wo und wie kann der Zuschuss beantragt werden?“

Im Rahmen eines telefonischen Gespräches am 09.07.2015 mit dem Jugendamt der Beklagten wies die Klägerin u.a. darauf hin, dass das Internat sehr teuer sei und sie die Voraussetzungen wissen wolle, unter denen das Jugendamt die Internatskosten bezuschussen oder übernehmen könne.

Mit schriftlichem Antrag vom 18.08.2015, eingegangen bei der Beklagten am 24.08.2015, beantragte die Klägerin den Internatsbesuch ihrer Tochter im Landheim , Landheim 1-12, am zu bezuschussen.

Mit Schreiben vom 26.02.2016, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 01.03.2016, erhob die Klägerin Untätigkeitsklage (Az. B 3 K 16.142) gegen die Stadt Bamberg, da diese über den Antrag vom 18.08.2015 nicht entschieden hat.

Mit Bescheid vom 16.03.2016 lehnte die Beklagte den Antrag vom 18.08.2015 auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der stationären Unterbringung nach §§ 27, 34 SGB VIII für die Tochter der Klägerin ab.

Zur Begründung führte die Beklagte aus, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil die Voraussetzungen einer Hilfe nach §§ 27, 34 SGB VIII nicht vorlägen. Die Internatsunterbringung sei bereits zum 30.11.2014 durch die Klägerin selbst erfolgt. Erst mit Schreiben vom 18.08.2015 sei ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt worden. Die Feststellung der Geeignetheit und Notwendigkeit einer konkret beantragten Jugendhilfemaßnahme treffe das zuständige Jugendamt. Eine Begründung, warum die Internatsunterbringung für die Entwicklung von notwendig und geeignet sei, sei nicht angegeben worden. In einem Vorgespräch sei lediglich ein Hinweis auf die hohen Internatskosten erfolgt. Im Übrigen sei ein zwingender Jugendhilfebedarf für eine stationäre Unterbringung nicht gegeben.

Nachdem die Beklagte am 16.03.2016 einen Ablehnungsbescheid erlassen hat, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Klageverfahren (Az. B 3 K 16.142) wurde mit Beschluss vom 31.08.2016 eingestellt Mit Schreiben vom 13.04.2016, eingegangen bei der Beklagten am 14.04.2016, erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 16.03.2016.

Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, es sei nicht zutreffend, dass erst am 18.08.2015 eine Kostenübernahme beantragt worden sei. Bereits Monate zuvor habe sie mehrmals telefonisch um Übernahme der Internatskosten gebeten. In diesen Telefongesprächen habe sie keineswegs den Antrag lediglich mit den hohen Kosten der Internatsunterbringung begründet. Vielmehr sei die Internatsunterbringung aufgrund der schulischen Probleme ihrer Tochter angezeigt gewesen. Die Tochter habe von Beginn an in der Grundschule immense Probleme, die geforderten Lernziele zu verinnerlichen. Sowohl eine Teilnahme bei der AWO-Mittagsbetreuung als auch eine aktive Unterstützung bei den Hausaufgaben habe nicht zu einer Verbesserung der schulischen Leistungen beigetragen. Seit dem Besuch des Internats habe ihre Tochter die Noten in kürzester Zeit verbessern können. Im Übrigen sei ihr im Dezember 2015 bekannt geworden, dass ihre Tochter Opfer eines mehrfachen sexuellen Missbrauchs, der bereits einige Jahre zurückliege, geworden sei. Im Internat habe ihre Tochter eine Vertrauensperson gefunden, mit der sie offen über die schrecklichen Erlebnisse sprechen könne. Schon allein deshalb würde es eine besondere Härte bedeuten, wenn ihre Tochter aus finanziellen Gründen aus dem dortigen vertrauten Umfeld herausgerissen werden müsse.

Über den Widerspruch vom 13.04.2016 wurde bislang nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 10.10.2016 erhob die Klägerin eine

„2. Untätigkeitsklage gegen das Stadtjugendamt B., ...“

Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, mit Schreiben vom 16.04.2016 habe sie Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Bezuschussung des Internatsbesuchs ihrer Tochter eingelegt. Die Beklagte habe darüber aber nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 07.11.2016 führte die Klägerin weiter aus, im November 2014 habe sie von der Jugendamtsmitarbeiterin Frau K unangemeldet Besuch erhalten mit dem Hinweis, es läge eine anonyme Meldung wegen Vernachlässigung ihrer Tochter vor. Bereits bei diesem Gespräch habe sie mitgeteilt, dass die Tochter zum 01.12.2014 im Internat angemeldet sei. Frau K habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass es Möglichkeiten gäbe, dies von Seiten des Jugendamts zu fördern. Im Januar 2014 habe sie daraufhin erstmals telefonischen Kontakt mit Frau L vom Jugendamt wegen einer Förderung der Internatsunterbringung aufgenommen. Auch in der Folgezeit seien deswegen mehrere Telefonate erfolgt. Im August 2015 habe ihr dann Frau L in einem weiteren Telefonat mitgeteilt, dass der Vorgang geprüft worden sei und keine Möglichkeit einer Förderung bestehe. Einen schriftlichen Ablehnungsbescheid habe das Jugendamt verweigert, da bis dato kein schriftlicher Antrag gestellt worden sei. Daraufhin habe sie mit Schreiben vom 18.08.2015 einen schriftlichen Antrag auf Kostenübernahme gestellt, welcher mit Schreiben vom 16.03.2016 - mit einer haarsträubenden Begründung - abgelehnt worden sei. Insbesondere sei unzutreffend, dass der Antrag auf Kostenübernahme lediglich mit den hohen Internatskosten begründet worden sei. Vielmehr sei in mehreren Telefonaten auf die schulischen Probleme ihrer Tochter und die erfolglosen Abhilfeversuche innerhalb der Familie hingewiesen worden. Die wahren Gründe für die schulischen Probleme habe sie dann erst im Dezember 2015 im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch ihrer Tochter erfahren.

Mit Schriftsatz vom 14.11.2016, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 22.11.2016, beantragte die Beklagte die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.11.2016 aus, ein schriftlicher Antrag „auf Zuschuss der Internatskosten“ sei erst am 24.08.2015 bei ihr eingegangen. Außer der Angabe, den Internatsbeschuss ihrer Tochter zu bezuschussen, seien von der Klägerin keine weiteren Gründe angegeben worden. Es handle sich eindeutig um eine sog. selbstbeschaffte Maßnahme. Die Tochter der Klägerin habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits nahezu neun Monate in dem Internat befunden. Nach Auskunft des örtlichen Jugendamts handele es sich bei diesem Internat zudem um keine Jugendhilfeeinrichtung. Außerdem sei unabhängig davon vom Allgemeinen Sozialdienst (ASD) des Stadtjugendamts Bamberg festgestellt worden, dass eine stationäre Hilfegewährung nicht erforderlich sei. Aufgrund der von der Klägerin im Widerspruchsschreiben vom 13.04.2016 vorgebrachten Gründe, habe eine erneute Überprüfung stattgefunden. Dabei sei festgestellt worden, dass ein jugendhilferechtlicher Bedarf für eine Heimerziehung weiterhin nicht vorliege. Im Übrigen würden schulische Probleme für sich allein keinesfalls ausreichende Gründe für die Erforderlichkeit einer vollstationären Jugendhilfemaßnahme darstellen. Insbesondere bei selbstbeschafften Maßnahmen habe der Jugendhilfeträger die Kosten hierfür nur dann zu übernehmen, wenn die beantragte Hilfe nach seiner eigenen fachlichen Entscheidung in dieser Form geeignet, notwendig und erforderlich sei. Nach § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII trage nämlich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung erbracht wird. Die Voraussetzungen einer Selbstbeschaffung nach § 36a Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 SGB VIII seien daher nicht gegeben. Die Klägerin habe den Träger der Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung weder in Kenntnis gesetzt noch lägen die Voraussetzungen für die Hilfe vor noch habe die Deckung des etwaigen Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet.

Mit Schriftsatz vom 13.12.2016 führte die Klägerin aus, die Ursache, dass das Jugendamt den Hilfeprozess nicht von Beginn an gesteuert habe, liege in der nachlässigen Behördenarbeit und sei weder ihr noch ihrer Tochter vorzuwerfen. Die Frage der Übernahme der Internatskosten sei zwischen ihr und dem Jugendamt bereits vor dem Sommer 2015 ein Thema gewesen.

Im Übrigen bestehe ein Recht der Eltern auf Entscheidungsfreiheit bei der Wahl der Einrichtung. Es könne nicht zu Lasten ihrer Tochter gehen, dass das Jugendamt Landsberg am Lech nicht mit dem Landheim zusammenarbeite. Schon allein deshalb könne die Kooperation eines örtlich überhaupt nicht zuständigen Jugendamts nicht als Maßstab für die Entscheidung der hiesigen Behörde herangezogen werden.

Mit weiterem Schriftsatz vom 29.12.2016 legte die Klägerin eine Stellungnahme des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten , München, vor, mit der Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII in Form einer Internatsbeschulung mit ausreichend strukturiertem Setting, sowie eine Traumatherapie – finanziert durch die Krankenkasse – vorgeschlagen wurde.

Die Beklagte verwies mit Schriftsatz vom 17.01.2017 auf § 35a Abs. 1a Satz 4 SGB VIII und führte aus, dass der Dipl.-Psychologe für das Landheim tätig sei. Hilfe solle nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, die der Person angehöre, die die Stellungnahme abgebe, erbracht werden.

Mit Schreiben vom 23.01.2017 bzw. 26.01.2017 teilte die Klägerin mit, dass das Landheim den Erziehungs- und Ausbildungsvertrag für ihre Tochter aufgrund offener Verbindlichkeiten in Höhe von 7.685,00 EUR zum 31.12.2016 gekündigt habe. Im Übrigen sei die Behauptung, Herr sei Psychologe der Einrichtung, unzutreffend. Dieser betreibe eine eigene Praxis in München und sei damit nicht als Mitarbeiter oder Interessensvertreter des Internats zu betrachten. Im Übrigen erscheine es äußerst fragwürdig, dass die Beklagte in all ihren Stellungnahmen in keiner Zeile auf den schweren sexuellen Missbrauch ihrer Tochter eingehe. Dieses traumatische Erlebnis bedürfe der dringenden Aufarbeitung.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 17.05.2017 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angehört.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.

II.

Nach sachgerechter Auslegung des klägerischen Vorbringens (§ 88 VwGO) begehrt die die Klägerin mit ihrer „2. Untätigkeitsklage“ die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27, 34 SGB VIII) bzw. – nach Vorlage der Stellungnahme des Kinder- und Jugend-psychotherapeuten vom 27.12.2016 – Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) in Form der Übernahme bzw. Bezuschussung der Kosten für die Unterbringung ihrer Tochter im „Landheim “ ab dem 30.11.2014.

III.

Die so auszulegende Klage ist bereits unzulässig, soweit die Klägerin die Übernahme bzw. Bezuschussung der Internatskosten als Maßnahme der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder oder Jugendliche nach § 35a SGB VIII (i.V.m. § 36a Abs. 3 SGB VIII) im eigenen Namen klageweise geltend macht.

Gem. § 42 Abs. 2 VwGO ist – soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist – eine Anfechtungsbzw. Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Klägerin geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz wird daher grundsätzlich nur dann gewährt, soweit die Klägerin die Verletzung subjektiver Rechte – und nicht nur rein objektiven Rechts – geltend machen kann. Demnach schließt § 42 Abs. 2 VwGO auch Klagen aus, in denen sich der Kläger auf subjektive Rechte Dritter beruft (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 42 Rn. 72 und 76). Zwar dürfen die Anforderungen an das Vorliegen der Klagebefugnis nicht überspannt werden (vgl. Happ a.a.O., § 42 Rn. 93), jedoch ist vorliegend unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Verletzung subjektiver Klägerrechte ersichtlich.

Eine subjektive, materielle Rechtsposition, die das Klagebegehren - Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII - tragen könnte, ist für das Gericht nicht erkennbar. Anspruchsberechtigt nach nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind das jeweilige Kind bzw. der jeweilige Jugendliche, nicht hingegen die Eltern bzw. die Personensorgeberechtigten. Da der Anspruch den Kindern und Jugendlichen zusteht, kann die Klägerin allenfalls als gesetzliche Vertreterin ihrer 13-jährigen Tochter handeln (vgl. Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 35a, Rz. 29). Die Klage wurde aber ausschließlich im eigenen Namen und nicht – zumindest auch – im Namen und in Vertretung ihrer Tochter erhoben.

Eine Klagebefugnis der Klägerin folgt auch nicht unmittelbar Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BayVGH, U.v. 13.3.2003 – 12 B 99.2992 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 14.8.2012 – 4 LA 203.12 – juris).

III.

Soweit die Klägerin den Aufwendungsersatz auf §§ 27, 34 SGB VIII (i.V.m. § 36a Abs. 3 SGB VIII) stützt, ist Klage zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 3 VwGO statthaft. Sie ist gemäß § 75 Satz 1 VwGO zulässig, da bislang ohne zureichenden Grund in angemessener Frist (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) über den Widerspruch vom 13.04.2016 nicht entschieden wurde. Insbesondere stellt das Vorbringen der Beklagten, sie habe den Vorgang der Widerspruchsbehörde nicht vorlegen können, da sich die Unterlagen noch beim Verwaltungsgericht im Verfahren B 3 K 16.142 befunden haben, keinen zureichenden Grund für die Verzögerung dar.

2. Die insoweit zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme bzw. Bezuschussung der Kosten für die Unterbringung ihrer Tochter im „Landheim “ vom 30.11.2014 bis zum 31.12.2016 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gem. § 36a Abs. 1 SGB VIII trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten für Hilfe zur Erziehung gem. §§ 27, 34 SGB VIII grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird. Werden Hilfen zur Erziehung abweichend von § 36a Abs. 1 SGB VIII vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 36a Abs. 3 SGB VIII zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Entscheidung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.

§ 36a Abs. 3 SGB VIII regelt damit den Anspruch auf Aufwendungsersatz nach Selbstbeschaffung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ohne vorherige positive Entscheidung über die Hilfegewährung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Voraussetzung hierfür ist ein „Systemversagen“, also dass die selbstbeschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt wurde. Der Anspruch auf eine Leistung nach §§ 27 ff. SGB VIII (Primäranspruch) wandelt sich bei zulässiger Selbstbeschaffung in einen Anspruch auf Erstattung der Kosten um (vgl. Wiesner in SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 36a, Rz. 42 ff.).

Die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegen bezüglich der von der Klägerin selbstbeschafften Internatsunterbringung nicht vor.

a) Vorliegend hat die Kammer bereits erhebliche Bedenken, ob die Klägerin die Beklagte vor Unterbringung ihrer Tochter im Landheim über den Hilfebedarf im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII (rechtzeitig) in Kenntnis gesetzt hat.

Laut Aktenlage (Bl. 7 der Jugendhilfeakte) hat sich die Klägerin erstmals mit E-mail vom 02.07.2015 bei der Beklagten nach den Voraussetzungen für die Bezuschussung der - seit 30.11.2014 erfolgten - Internatsunterbringung erkundigt. Am 09.07.2015 erfolgte ein Telefongespräch. Mit Schreiben vom 18.08.2017 beantragte die Klägerin sodann schriftlich die Bezuschussung des Internatsbesuchs. Auch aus der im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahme der fallzuständigen Sozialpädagogin vom 29.12.2016 ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin die Beklagte vor dem 02.07.2016 über die Unterbringung ihrer Tochter seit dem 30.11.2014 im Landheim in Kenntnis gesetzt hat. Die Klägerin trägt hingegen im Klageverfahren vor, bereits im November 2014 – anlässlich einer anonymen Meldung wegen Vernachlässigung ihrer Tochter – der Jugendamtsmitarbeiterin Frau K mitgeteilt zu haben, dass ihre Tochter zum 01.12.2014 im Internet angemeldet sei. Im Januar 2015 habe es sodann erstmals telefonischen Kontakt mit Frau L vom Jugendamt wegen einer Förderung der Internatsunterbringung gegeben.

Zwar setzt die Kenntnis des Jugendamts vom Hilfebedarf nach § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII keinen förmlichen Antrag voraus. Es bedarf jedoch einer eindeutigen Willensbekundung des Leistungsberechtigten Hilfe für Erziehung in Anspruch nehmen zu wollen. Diese Bekundung kann schriftlich oder mündlich erfolgen oder sich konkludent aus dem Zusammenhang des Beratungskontakts ergeben. Ggf. hat das Jugendamt darauf hinzuwirken, dass das Hilfebegehren vom Leistungsberechtigten konkretisiert und spezifiziert wird (vgl. Meysen in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 36a, Rz. 41; Wiesner a.a.O., § 36a, Rz. 44). Greift der Leistungsberechtigte zur „Selbstbeschaffung“, so trägt er im Nachhinein das Risiko, dass die Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruches des § 36a Abs. 3 SGB VIII nachzuweisen sind. Ihn trifft insbesondere die Beweislast für die Umstände wegen derer davon auszugehen ist, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Kenntnis vom Hilfebedarf hatte (Meysen a.a.O., § 36a, Rz. 56).

b) Unabhängig von der Frage, wann die Klägerin die Beklagte von der Unterbringung ihrer Tochter im Landheim letztlich ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt hat und unabhängig davon, dass die Beklagte jedenfalls im Juli/August 2015 von den - in Zeitabschnitten teilbaren Unterbringungskosten (vgl. dazu VG Aachen, U.v. 28.7.2014 – 2 K 1679/12 – juris) – wusste, scheitert der Aufwendungsersatzanspruch nach § 36a Abs. 3 SGB VIII jedenfalls daran, dass die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Unterbringung im Landheim nicht vorliegen (vgl. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII).

Gem. § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung ist dann nicht gewährleistet, wenn ein erzieherischer Bedarf (Erziehungsdefizit) des Kindes im Einzelfall vorliegt und diese Mängellage durch die Erziehungsleistung der Eltern nicht behoben wird, d.h. es muss sich um einen objektiven Ausfall von Erziehungsleistungen der Eltern/Personensorgeberechtigten handeln (vgl. VG Aachen a.a.O.). Selbst wenn vorliegend davon auszugehen ist, gilt es zu beachten, dass sich Art und Umfang der Hilfe nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall richten (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Dem Jugendamt steht insoweit ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu, der vom Verwaltungsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (vgl. VG Aachen a.a.O. m.w.N.).

Mit fachlichen Stellungnahmen vom 04.03.2016 (Bl. 48 der Jugendhilfeakte) bzw. 16.09.2016 (Bl. 93/94 der Jugendhilfeakte) hat die Beklagte wiederholt festgestellt, dass es der Klägerin hauptsächlich um die schulische Förderung ihrer Tochter geht. Eine stationäre Hilfegewährung bzw. ein jugendhilferechtlicher Bedarf für eine Heimerziehung konnte nicht festgestellt werden. Für die Kammer ist dabei nicht ersichtlich, dass die Behörde insoweit die Grenzen ihres Beurteilungsbzw. Ermessensspielraums unterbzw. überschritten hat, insbesondere da die von der Klägerin vorgenommene Selbstbeschaffung (vollstationäre Unterbringung) eine der kostenträchtigsten und intensivsten Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung beinhaltet. Auch die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass aufgrund – eines unterstellten – Erziehungsdefizits sogleich eine Internatsunterbringung auf Kosten der Allgemeinheit notwendig ist.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass Anfang Dezember 2015 bekannt geworden ist, dass die Tochter der Klägerin bei einem Camping-Urlaub im Jahr 2013 sexuell missbraucht worden sein soll. Infolgedessen schlägt nunmehr der Dipl.-Psychologe mit Stellungnahme vom 27.12.2016 eine Maßnahme der Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII vor. Unabhängig davon, dass ein Anspruch auf Eingliederungshilfe allenfalls der Tochter und nicht der Klägerin zusteht (s.o.), erfüllt die von der Klägerin vorgelegte Einschätzung des Dipl.-Psychologen vom 27.12.2016 nach Überzeugung des Gerichts schon formal nicht die Anforderungen einer Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII (vgl. dazu Meysen a.a.O. § 35a, Rz. 45 ff.). Die äußerst dürftige „Stellungnahme“ (knapp eine DIN A4 Seite) resultiert im Wesentlichen aus Behauptungen und einem Therapievorschlag (Internatsbeschulung mit ausreichend strukturierten Setting). Dabei ist für das Gericht nicht ersichtlich, wie durch die Unterbringung der Tochter der Klägerin in einem Internat das im Raum stehende Trauma bewältigt werden soll. Weiterhin empfiehlt der Psychotherapeut eine Traumatherapie (finanziert durch die Krankenkasse). Warum neben einer Traumatherapie zur Behandlung der sexuellen Übergriffe eine zusätzliche Unterbringung und Beschulung der Tochter der Klägerin im Internat im Rahmen des § 35a SGB VIII bzw. der §§ 27, 34 SGB VIII erforderlich sein soll, erschließt sich für das Gericht aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht.

Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung bzw. Bezuschussung der Internatskosten nach §§ 27, 34 SGB VIII bzw. § 35a SGB VIII.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.

(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn

1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3.
die Deckung des Bedarfs
a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
War es dem Leistungsberechtigten unmöglich, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, so hat er dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachzuholen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.