Verwaltungsgericht Sigmaringen Beschluss, 04. Apr. 2018 - 5 K 1476/18

bei uns veröffentlicht am04.04.2018

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Sigmaringen vom 05.03.2018 wird hinsichtlich Nummern 1 und 2 wiederhergestellt und hinsichtlich Nummer 4 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.250,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Untersagung, sein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu betreiben.
Der Antragsteller ist Halter eines PKW der Marke Volkswagen des Typs Passat, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet ist. Mit Schreiben vom 22.01.2018 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt Sigmaringen mit, dass im Jahr 2015 festgestellt worden sei, dass diverse Fahrzeugtypen einzelner Hersteller im Hinblick auf ihre Stickoxid-Emissionen nicht den zugrunde liegenden Typengenehmigungen entsprächen, weshalb das Kraftfahrt-Bundesamt den betroffenen Herstellern gegenüber Maßnahmen - wie z.B. die Durchführung entsprechender Rückrufaktionen mit dem Ziel des Entfernens der verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen - angeordnet habe, um die Übereinstimmung der betroffenen (auch bereits im Verkehr befindlichen) Fahrzeuge mit dem ursprünglich genehmigten Typ wieder herzustellen. Wie nunmehr festzustellen sei, hätten trotz mehrfacher Erinnerung längst nicht alle Fahrzeughalter/-innen an den Rückrufaktionen teilgenommen. Es befänden sich noch Fahrzeuge im Verkehr, die nicht den geltenden Typgenehmigungsvorschriften entsprächen. Deshalb übermittle das Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeugidentifikationsnummer des - betroffenen - Kraftfahrzeugs des Antragstellers an das Landratsamt, damit dieses in eigener Zuständigkeit die Einleitung eines Verfahrens nach § 5 Abs. 1 FZV prüfen könne.
Das Landratsamt Sigmaringen setzte den Antragsteller daraufhin von der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts in Kenntnis und wies darauf hin, dass an seinem Fahrzeug ein Mangel bestehe, weil er nicht fristgerecht an der Rückrufaktion mit dem Code 23R7 zur Umrüstung seines Fahrzeugs teilgenommen habe; es sei nach wie vor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, die entfernt werden müsse. Das Landratsamt forderte ihn zur Mängelbeseitigung bis spätestens 28.02.2018 auf. Andernfalls werde der Betrieb des Fahrzeugs gem. § 5 Abs. 1, 2 FZV untersagt und das Fahrzeug zwangsweise außer Betrieb gesetzt.
Nachdem in der Folge keine Reaktion des Antragstellers erfolgte, untersagte das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 05.03.2018 den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr ab 19.03.2018, wenn er den Mangel nicht bis dahin beseitigt habe (Nummer 1) und gab ihm auf - wenn er die Beseitigung des Mangels nicht fristgerecht nachweise - unverzüglich die amtlichen Kennzeichen des Fahrzeugs zur Entstempelung vorzulegen und die Zulassungsbescheinigung Teil I bzw. den Fahrzeugschein abzugeben (Nummer 2). Ferner ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an (Nummer 3) und drohte für den Fall, dass der Antragsteller der Pflicht zum Nachweis der Beseitigung des Mangels und der Verpflichtung zur Vorlage der Kennzeichen und der Abgabe der Zulassungsbescheinigung Teil I bzw. des Fahrzeugscheins nicht fristgerecht nachkomme, die zwangsweise Entstempelung der Kennzeichen durch den Vollstreckungsdienst im Wege der Ersatzvornahme an (Nummer 4). Überdies erhob es eine Gebühr in Höhe von 40 EUR zzgl. 3,45 EUR für Auslagen (Nummer 5). Zur Begründung hieß es zunächst zur Betriebsuntersagung im Wesentlichen, der Antragsteller sei der Aufforderung zur Teilnahme an der Rückrufaktion und der damit verbundenen Mängelbeseitigung und zur Vorlage einer Bestätigung hierüber nicht nachgekommen. Art und Umfang des Mangels stellten eine erhebliche Gefährdung beim Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen für die Sicherheit und Gesundheit von Personen dar. Diese erhebliche Gefährdung könne nur durch die Betriebsuntersagung für das Fahrzeug ab dem genannten Datum vermieden werden. Zur Begründung der Sofortvollzugsanordnung führte das Landratsamt aus, es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse daran, dass nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen würden. Dieses öffentliche Interesse überwiege das private Interesse des Antragstellers, bis zur Bestandskraft dieser Entscheidung mit seinem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.
Der Antragsteller hat am 15.03.2018 Widerspruch eingelegt - ohne die Aussetzung der Vollziehung der Gebührenentscheidung zu beantragen - und zugleich beim Verwaltungsgericht Sigmaringen um Eilrechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26.02.2018 - 12 K 16702/17 - (Juris) und macht geltend, der Zwang zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei u.a. deswegen unzumutbar, da - in der Anbahnung eines offensichtlichen Rechtstreits mit dem Hersteller Volkswagen - wichtige Beweismittel zerstört würden.
Der Antragsteller beantragt - sachdienlich gefasst -,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Sigmaringen vom 05.03.2018 hinsichtlich Nummern 1 und 2 wiederherzustellen und hinsichtlich Nummer 4 anzuordnen.
Der Antragsgegner hat sich bis zur Entscheidung der Kammer in der Sache nicht geäußert, sondern lediglich die angefallenen Behördenakten (ein Band) übersandt.
Auf die beigezogene Behördenakte wie auch auf den Inhalt der Gerichtsakte wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen.
II.
10 
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (hinsichtlich Nummern 1 und 2 des streitigen Bescheids) bzw. nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG (hinsichtlich Nummern 4 des streitigen Bescheids) statthafte Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des fristgerecht eingelegten Widerspruchs ist zulässig und begründet.
11 
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Betriebsuntersagung ist bereits formell rechtswidrig. Sie ist zwar gesondert verfügt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), aber nicht ausreichend schriftlich begründet worden (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
12 
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis bezweckt, dass sich die Behörde selbst des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst wird und die dafür und dagegen sprechenden Gründe sorgfältig prüft. Der Betroffene wird durch die schriftliche Begründung über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet. Dies ermöglicht es ihm, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags abzuschätzen. Ebenso ermöglicht die Kenntnis der behördlichen Erwägungen eine ordnungsgemäße verwaltungsgerichtliche Kontrolle (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 S 2554/11 -, VBlBW 2012, 151). Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurück zu stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2005 - 10 S 644/05 -, Juris). Pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen genügen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002 - 10 S 985/02 -, VBlBW 2002, 441). Auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung kommt es indes nicht an (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2005, a.a.O.).
13 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. nur Beschluss vom 20.09.2011 - 10 S 625/11 -, DAR 2012, 603) können im Bereich des Gefahrenabwehrrechts, dem auch das Fahrzeugzulassungsrecht funktional zuzuordnen ist, die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gesichtspunkte typischerweise zugleich die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigen. Je gewichtiger die potenziell gefährdeten Rechtsgüter und je geringer die Einflussmöglichkeiten auf die Schadensquelle sind, umso eher ist es angezeigt, präventiv die Entfaltung der schadensträchtigen Aktivität mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Insoweit ist etwa auch die Fallgestaltung der voraussichtlich fehlenden Verkehrssicherheit von Kraftfahrzeugen exemplarisch für eine Koinzidenz von öffentlichem Interesse am Grundverwaltungsakt und an dessen Sofortvollzug, weil nicht verantwortet werden kann, dass höchstrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer durch die weitere Teilnahme eines womöglich verkehrsunsicheren Fahrzeugs für den Zeitraum bis zu einer etwaigen Mängelbeseitigung oder gar bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung gefährdet werden. Allerdings bedarf auch in solchen Fällen, in denen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieselben Elemente des öffentlichen Interesses maßgeblich sind wie für den Verwaltungsakt selbst, die Vollzugsanordnung einer Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Vor dem dargelegten Hintergrund sind aber an die Substantiierung der formellen Begründung der Sofortvollzugsanordnung regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen. Die speziell in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids gegebene Begründung kann dann regelmäßig knapp gehalten werden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002, a.a.O.) beziehungsweise ausnahmsweise auch so gefasst sein, dass sie auch für eine Vielzahl anderer Fälle verwendet werden kann (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 25.07.2016 - 3 B 40/16 -, SächsVBl 2016, 257). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt nur, dass die Behörde die aus ihrer Sicht bestehenden Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung benennt und damit zugleich dokumentiert, dass sie sich der Notwendigkeit eines - wenn auch mit dem Interesse am Grundverwaltungsakt identischen - besonders eilbedürftigen Vollzugsinteresses bewusst gewesen ist.
14 
Die hier in Rede stehende Sofortvollzugsanordnung in Nummer 3 des Bescheids des Landratsamts Sigmaringen vom 05.03.2018 genügt diesen Maßgaben nicht. Die diesbezügliche - knappe und im gerichtlichen Verfahren nicht weiter erläuterte oder gar ergänzte (vgl. dazu ohnehin: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011, a.a.O.) - Begründung beschränkt sich darauf, unter offenkundiger Verwendung eines Textbausteins das besondere öffentliche Interesse darin zu sehen, dass nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge (auch bereits vor Bestandskraft) „zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer“ vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden müssten. Eine solchermaßen pauschale Begründung mag - formell - ausreichend sein, wenn es um typische Fallgestaltungen einer Betriebsuntersagung geht, bei denen ggf. Sicherheitsmängel am Fahrzeug, etwa an der Bremsanlage, mit auf der Hand liegenden und beträchtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr bestehen. Davon kann hier aber keine Rede sein. Es ist weder vom Antragsgegner geltend gemacht noch auch nur im Ansatz ersichtlich, dass die am Fahrzeug des Antragstellers offenbar vorliegende Abweichung von der EG-Typengenehmigung in Gestalt einer unzulässigen Abschalteinrichtung überhaupt verkehrssicherheitsrelevant sein könnte. Vielmehr dürften vom Betrieb des Fahrzeugs des Antragstellers unzulässige umwelt- und ggf. auch gesundheitsschädigende Emissionen ausgehen, die in erster Linie Belange der Luftreinhaltung betreffen. Dass die damit verbundenen (Umwelt-)Gefahren aus behördlicher Sicht indes gleichermaßen dringlich und gerade im Fall des Antragstellers auch mit Sofortvollzug angegangen werden müssten, ergibt sich aus der hierzu gegebenen Begründung im Bescheid nicht. Da das Landratsamt mithin offenbar schlicht einen ersichtlich unpassenden Textbaustein als (alleiniges) Begründungselement verwendet hat, fehlt es nach Auffassung der Kammer gänzlich an einer hinreichenden schriftlichen Begründung der Sofortvollzugsanordnung, ohne dass damit eine - im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO dem Gericht auf formeller Ebene an sich verwehrte - Inhaltskontrolle der behördlichen Erwägungen verbunden wäre (ebenso VG Karlsruhe, Beschluss vom 26.02.2018 - 12 K 16702/17 -, Juris).
15 
2. Über die nach den vorstehenden Ausführungen unter 1.) bereits angezeigte kassatorische Aufhebung der behördlichen Sofortvollzugsanordnung hinaus (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011, a.a.O., m.w.N.) ist - weiter gehend mit Blick auf die prozessualen Folgen für den Fall einer behördlichen Neufassung der Sofortvollzugsanordnung (dazu: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.1996 - 1 S 776/96 -, Juris) - dem Antrag des Antragstellers entsprechend auch die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
16 
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann in Fällen der sofortigen Vollziehbarkeit das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßgeblich ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Für das Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen, in denen abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet wurde, das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gleichwohl nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, ESVGH 47, 177). Das Gericht nimmt in diesem Rahmen eine eigene Interessenabwägung vor und ist grundsätzlich nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.09.2012 - 10 S 731/12 -, DVBl. 2012, 1506).
17 
Ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung lässt sich jedenfalls derzeit nach Aktenlage nicht feststellen. Es spricht bereits vieles dafür, dass die Betriebsuntersagung in ihrer aktuell durch den streitigen Bescheid ausgestalteten Form ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sein dürfte.
18 
Die nach § 5 Abs. 1 FZV vorgesehene Beschränkung oder Untersagung des Betriebs eines Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen für den Fall, dass sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung erweist, steht im Ermessen der Zulassungsbehörde („kann“). Dabei legt § 114 Satz 1 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang bei Ermessensentscheidungen fest. Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu ggf. auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 46.12 -, BVerwGE 147, 81). Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung rechtswidrig. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren und die sie im Bescheid oder im Lauf des Prozesses selbst nicht benannt hat, im Ergebnis aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 11.05.2016 - 10 C 8/15 -, NVwZ 2016, 1577; BVerwG, Urteil vom 17.03.1981 - 1 C 6.77 -, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 80 S. 5 f.).
19 
Hier hat das Landratsamt zur (knappen) Begründung der in Nummer 1 des streitigen Bescheids verfügten Betriebsuntersagung - eine Betriebsbeschränkung (etwa auf den Bereich außerhalb von Umweltzonen) wurde offenbar nicht in Betracht gezogen - wiederum formelhaft auf die „Sicherheit und Gesundheit von Personen“ abgestellt, die durch „Art und Umfang des Mangels“ erheblich gefährdet seien. Umweltschutzgesichtspunkte oder Belange der Luftreinhaltung werden nicht erwähnt, wohl auch nicht durch die Bezugnahme auf die eher im Kontext von verkehrssicherheitsbedingten Gefahren herangezogene mögliche Beeinträchtigung der Gesundheit von Personen. Damit liegt der Ermessensausübung derzeit ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde, da vom Fahrzeug des Antragstellers keine unmittelbaren Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen. Selbst wenn man der Ermessensausübung das Bemühen um Luftreinhaltung und allgemeinen Gesundheitsschutz zugrunde legen wollte, fehlte es an der hierfür erforderlichen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, um eine verhältnismäßige Entscheidung treffen zu können. Denn weder aus dem Bescheid noch aus der Verwaltungsakte oder dem gerichtlichen Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich, weshalb konkret die Betriebsuntersagung eines einzelnen Fahrzeugs erforderlich und - in Auseinandersetzung mit den Interessen des Antragstellers - im Einzelfall auch angemessen sein sollte. Welche Beeinträchtigungen der Luftreinhaltung mit der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Fahrzeug des Antragstellers verbunden sein sollen bzw. ob ggf. flächendeckend gegen eine Vielzahl von Fahrzeughaltern vorgegangen werden soll, um ggf. etwaigen Summationsschäden vorzubeugen und ob in diesem Zusammenhang ein solches - kohärentes - Vorgehen auch mit Blick auf die Intensität der zu befürchtenden Umweltbeeinträchtigungen erforderlich ist, ist behördlich nicht ermittelt bzw. nirgends dargelegt. Dazu hätte für das Landratsamt aber jedenfalls deshalb schon Veranlassung bestanden, weil das Kraftfahrt-Bundesamt in seiner das Verfahren einleitenden Mitteilung (zu deren Rechtmäßigkeit vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.12.2017 - 4 MB 75/17 -, Juris) ausgeführt hat, „längst nicht alle“ Fahrzeughalter/-innen hätten bislang an den Rückrufaktionen teilgenommen, weshalb sich - ohne auch nur annäherungsweise Bezifferung - „noch Fahrzeuge“ im Verkehr befänden, die nicht den geltenden Typengenehmigungen entsprächen (auch das VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 - 6 K 12341/17 -, Juris, dort Rn. 352, weist darauf hin, dass angesichts „der Vielzahl von Diesel-Fahrzeugen, die im Stadtgebiet der Beklagten zugelassen sind, sowie der übrigen Emissionsquellen von NOx (...) die von den noch nicht umgerüsteten Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 EU5 ausgehenden NOx-Emissionen im Vergleich zu denen nachgerüsteter Fahrzeuge nicht als so hoch anzusehen [seien], dass davon auszugehen wäre, dass speziell durch den vermehrten NOx-Emissionsausstoß der noch umzurüstenden Fahrzeuge aus dem Konzern der Beigeladenen zu 2) eine Gesundheitsgefahr ausginge, der allein durch die sofortige Betriebsuntersagung der betroffenen Fahrzeuge begegnet werden könnte“). Jedenfalls mit Blick auf den Umstand, dass die vorschriftswidrige Verwendung von Abschalteinrichtungen bereits seit dem Jahr 2015 bekannt ist (vgl. zu diesem Aspekt wiederum VG Karlsruhe, Beschluss vom 26.02.2018, a.a.O.) und dass die jeweils für die Wahrung von Luftreinhaltungsbelangen zuständigen Behörden z.T. selbst durch Zwangsvollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu entsprechenden - umfänglichen und Erfolg versprechenden - Maßnahmen angehalten werden müssen (vgl. dazu nur VG Stuttgart, Beschluss vom 19.12.2017 - 13 K 14557/17 -, Juris; BayVGH, Beschluss vom 27.02.2017 - 22 C 16.1427 -, NVwZ 2017, 894; VG München, Beschluss vom 29.01.2018 - M 19 X 18.130 -, Juris; grundsätzlich zu den in Betracht kommenden Maßnahmen: VG Stuttgart, Urteil vom 26.07.2017 - 13 K 5412/15 -, Juris, und nachgehend BVerwG, Urteil vom 27.02.2018 - 7 C 30.17 -, bislang nicht im Volltext verfügbar) wären Ermessenserwägungen oder zumindest die Darlegung eines ansatzweise kohärenten Gesamtvorgehens erforderlich, aus denen hervorginge, inwieweit die individuelle Inanspruchnahme von einzelnen Betroffenen einen relevanten Beitrag zur - fraglos zu bewirkenden - Luftreinhaltung zu tragen vermag. Auf der Grundlage des behördlich aufbereiteten Sachverhalts erscheint eine besondere Dringlichkeit hierfür und damit ein besonderes Vollzugsinteresse jedenfalls zweifelhaft.
20 
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist die Kammer darauf hin, dass der Erlass sofort vollziehbarer Betriebsuntersagungen für den Fall des trotz Mängelbeseitigungsfrist weiter festzustellenden Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint. Unter Umständen können auch Aspekte der Luftreinhaltung ein besonderes Vollzugsinteresse begründen, beispielsweise wenn eine Betriebsuntersagung darauf ermessensfehlerfrei gestützt wird und womöglich darüber hinaus auch Bestandteil eines konsistenten und auf hinreichend ermittelter Sachverhaltsgrundlage beruhenden Gesamtvorgehens ist. Insoweit müssen ggf. auch die privaten Interessen des betroffenen Fahrzeughalters zurückstehen, da ihm schließlich Gelegenheit zur Abwendung der Betriebsuntersagung durch die - als solche für ihn kostenfreie - Mängelbeseitigung gegeben worden ist. Soweit der Antragsteller insoweit auf Beweisprobleme für etwaige Zivilprozesse gegen den Hersteller verweist, erschließt sich noch nicht ohne Weiteres, weshalb dem nicht schon mit den dafür zivilprozessual vorgesehenen Möglichkeiten (z.B. im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO) begegnet werden könnte; unabhängig davon vermögen privatrechtliche Probleme im Innenverhältnis zwischen dem betroffenen Fahrzeughalter / Eigentümer und dem Hersteller aber auch nicht ohne Weiteres Belange der hoheitlich sicherzustellenden Gefahrenabwehr zu relativieren. Die Kammer sieht sich im Eilverfahren jedoch nicht gehalten und mit Blick auf die Gewaltenteilung auch nicht befugt, gleichsam „reparierend“ dem hier in Rede stehenden Bescheid einen umweltrechtlichen Gehalt zu unterlegen, den ihm selbst das Landratsamt (bislang) nicht beigemessen hat.
21 
Durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Nummer 1 - und damit auch gegen Nummer 2 - des angegangenen Bescheids ist auch der Zwangsmittelandrohung die rechtliche Grundlage entzogen, weshalb insoweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG, wobei für die Betriebsuntersagung gemäß Ziffer 46.16 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Streitwert von 2.500,-- Euro angesetzt wird, der für das Eilverfahren halbiert wird (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; gemäß dessen Nr. 1.7.2 Satz 1 bleibt die Androhung des Zwangsmittels streitwertmäßig außer Ansatz).

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bei uns veröffentlicht am 28.11.2018

Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben. II. Die Klage wird abgewiesen. III. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu ¾ und der Beklagte

Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Nov. 2018 - M 23 K 18.2902

bei uns veröffentlicht am 28.11.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klagepartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. IV. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand

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(1) Erweist sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, kann die die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.

(2) Ist der Betrieb eines Fahrzeugs, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, untersagt, hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug unverzüglich nach Maßgabe des § 14 außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen. Der Halter darf die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs nicht anordnen oder zulassen, wenn der Betrieb des Fahrzeugs nach Absatz 1 untersagt ist oder die Beschränkung nicht eingehalten werden kann.

(3) Besteht Anlass zu der Annahme, dass ein Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung ist, so kann die Zulassungsbehörde anordnen, dass

1.
ein von ihr bestimmter Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen, Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder Prüfingenieurs einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation nach Anlage VIIIb der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgelegt oder
2.
das Fahrzeug vorgeführt
wird. Wenn nötig, kann die Zulassungsbehörde mehrere solcher Anordnungen treffen.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 05.12.2017 wird hinsichtlich dessen Ziffern 1 und 2 wiederhergestellt und hinsichtlich dessen Ziffern 4 und 5 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.250 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller ist seit 2011 Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs des Typs VW Amarok 2,0 TDI, das mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet ist. Im Jahr 2015 wurde öffentlich bekannt, dass zahlreiche Dieselfahrzeuge des VW-Konzerns - darunter das Fahrzeug des Antragstellers - im Hinblick auf ihre Stickoxid-Emissionen nicht der EG-Typgenehmigung entsprachen, sondern mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen waren. Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete daraufhin gegenüber dem Hersteller auf Grundlage von § 25 Abs. 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge an. Im Rahmen der Rückrufaktion spielt der Hersteller bei den betroffenen Fahrzeugen ein Software-Update auf.
Mit Schreiben vom 26.09.2017 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit, der Antragsteller habe an der Rückrufaktion bislang nicht teilgenommen. Daraufhin wies das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 23.10.2017 darauf hin, dass er für den vorschriftsmäßigen Zustand seines Fahrzeugs verantwortlich sei. Er werde gebeten, den Mangel möglichst umgehend zu beheben und hierüber bis spätestens zum 20.11.2017 einen Nachweis vorzulegen. Anderenfalls könne der Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagt werden. Hierauf teilte der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben mit, dass er zur Beseitigung des Mangels außerstande sei. Das im Rahmen der Rückrufaktion angebotene Software-Update beseitige den Mangel nicht und sei mit erheblichen Nachteilen und Schäden verbunden. Überdies führe er ein zivilgerichtliches Verfahren, in dem sein Fahrzeug in aktuellem Zustand als Beweismittel benötigt werde.
Das Landratsamt untersagte dem Antragsteller sodann mit Bescheid vom 05.12.2017 den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr, wenn er den Mangel nicht bis zum 12.12.2017 beseitigt habe (Ziff. 1) und gab ihm auf - soweit er bis zum 12.12.2017 die Beseitigung des Mangels nicht nachweise - unverzüglich die amtlichen Kennzeichen des Fahrzeugs zur Entstempelung und die Zulassungsbescheinigung Teil I zum Eintrag des Vermerks über die Betriebsuntersagung vorzulegen (Ziff. 2). Das Landratsamt ordnete die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an (Ziff. 3) und drohte für den Fall, dass der Antragsteller der Pflicht zum Nachweis der Beseitigung des Mangels und der Verpflichtung zur Vorlage der Kennzeichen und der Zulassungsbescheinigung Teil I nicht fristgerecht nachkommt, die zwangsweise Durchsetzung der Betriebsuntersagung durch den Vollzugsdienst im Wege der Ersatzvornahme an (Ziff. 4). Überdies erhob es eine Gebühr in Höhe von 30 EUR zzgl. 3,45 EUR für Auslagen (Ziff. 5).
Der Antragsteller legte am 08.12.2017 Widerspruch ein und hat am 11.12.2017 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er trägt im Wesentlichen vor, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht genügend begründet worden. Es liege gerade kein Fall vor, der bei typisierender Betrachtung mit einer Vielzahl anderer Fälle vergleichbar sei. Die gegebene Begründung sei sehr knapp und gehe nicht auf den Einzelfall ein. Die Frage der Verkehrssicherheit sei gerade nicht berührt. Ein besonderes, über das allgemeine Vollzugsinteresse hinausgehendes Interesse lasse der Bescheid auch im Übrigen nicht erkennen. Die Betriebsuntersagung sei rechtswidrig. Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt, da er nicht hinreichend erkennen lasse, zu welchem Zeitpunkt die Betriebsuntersagung greifen und wie der Mangel an seinem Fahrzeug beseitigt werden solle. Die Betriebsuntersagung sei überdies ermessensfehlerhaft. Aus dem angegriffenen Bescheid ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass sich das Landratsamt des von ihm auszuübenden Ermessens bewusst gewesen sei. Zudem habe es wesentliche entscheidungsrelevante Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Angesichts der Zweifel an der Verträglichkeit und Wirksamkeit des Software-Updates könne ihm nicht aufgegeben werden, es durchzuführen. Die zur Beseitigung des Mangels gesetzte Frist sei ebenso nicht angemessen. Die Androhung der Ersatzvornahme sowie die Festsetzung der Gebühr seien ebenfalls rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen Ziff. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 05.12.2017 wiederherzustellen und hinsichtlich Ziff. 4 und 5 des Bescheids anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt im Wesentlichen aus, nicht vorschriftsmäßig seien nicht nur Fahrzeuge, die nicht verkehrssicher seien, sondern auch solche, die nicht den formalen Zulassungsvorschriften entsprächen. Dies sei hier der Fall, da das Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte, die der Hersteller im Antrag der EG-Typgenehmigung nicht beschrieben habe. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der in der Typgenehmigung verankerten Schutzziele, namentlich an der Verhinderung umwelt- und gesundheitsschädigender Emissionen überwiege das private Interesse des Antragstellers.
10 
Der Kammer liegt die das Fahrzeug des Antragstellers betreffende Verwaltungsakte des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vor. Auf diese sowie auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
11 
Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich Ziff. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 05.12.2017 ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Entsprechendes gilt für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Ziff. 4 und 5 des angefochtenen Bescheids nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG bzw. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
12 
Die Anträge sind auch begründet.
13 
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die in Ziff. 1 und 2 des Bescheids verfügte Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs des Antragstellers und Verpflichtung zur Vorlage der amtlichen Kennzeichen sowie der Zulassungsbescheinigung hat Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt weder in formeller noch in materiell-rechtlicher Hinsicht den an sie zu stellenden Anforderungen.
14 
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids, die sich ersichtlich auf die Verfügungen in den vorstehenden Ziff. 1 und 2 bezieht, genügt bereits nicht den formellen Anforderungen.
15 
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis bezweckt, dass sich die Behörde selbst des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst wird und die dafür und dagegen sprechenden Gründe sorgfältig prüft. Der Betroffene wird durch die schriftliche Begründung über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet. Dies ermöglicht es ihm, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags abzuschätzen. Ebenso ermöglicht die Kenntnis der behördlichen Erwägungen eine ordnungsgemäße verwaltungsgerichtliche Kontrolle (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 S 2554/11 -, VBlBW 2012, 151). Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurück zu stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2005 - 10 S 644/05 -, juris). Pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen genügen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002 - 10 S 985/02 -, VBlBW 2002, 441). Auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung kommt es indes nicht an (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2005, a.a.O.).
16 
Nach diesen Maßstäben genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Begründungsanforderungen hier nicht. Das Landratsamt hat zur Begründung des Sofortvollzugs ausgeführt, es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse daran, dass nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Dieses öffentliche Interesse überwiege das private Interesse des Antragstellers, bis zur Bestandskraft der Entscheidung mit diesem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Hierbei handelt es sich weder um eine auf den konkreten Einzelfall abstellende noch um eine sonst nachvollziehbare Begründung für den Sofortvollzug. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich die Behörde zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen kann, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe erkennbar zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Dies kann etwa im Bereich des Gefahrenabwehrrechts häufig der Fall sein. Die speziell in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids gegebene Begründung kann dann regelmäßig knapp gehalten werden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002, a.a.O.) beziehungsweise ausnahmsweise auch so gefasst sein, dass sie auch für eine Vielzahl anderer Fälle verwendet werden kann (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 25.07.2016 - 3 B 40/16 -, SächsVBl 2016, 257). Dies entbindet die Behörde jedoch nicht davon, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dem ist das Landratsamt hier nicht gerecht geworden. Soweit es lediglich darauf hinweist, dass nicht vorschriftsgemäße Fahrzeuge zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen seien, mag dies in vielen Fällen der Untersagung des Betriebs eines Fahrzeugs auf Grundlage von § 5 Abs. 1 FZV, in denen die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und die Dringlichkeit deren Schutzes auf der Hand liegen, zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinreichen. Hier liegt jedoch gerade kein typischer Fall der Betriebsuntersagung aus Gründen der Verkehrssicherheit vor. Vielmehr erfolgte die Untersagung wegen der nicht verkehrssicherheitsrelevanten Abweichung des Fahrzeugs von der EG-Typgenehmigung sowie zum Schutz der Allgemeinheit vor umwelt- und gesundheitsschädigenden Emissionen. Die Dringlichkeit der Maßnahme ist hier nicht gleichsam offenkundig, insbesondere nicht unter dem bloßen Hinweis auf den in diesem Zusammenhang nicht relevanten Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer. Die Begründung ist daher zur Darlegung des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses nicht tragfähig.
17 
Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass die Frage, ob die Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen, für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.11.2004 - 10 S 2182/04 -, VBlBW 2005, 279). Da die Begründung vorliegend jedoch jeglichen den konkreten Einzelfall betreffenden Bezug vermissen lässt, geht sie ins Leere.
18 
Soweit der Antragsgegner im Rahmen seiner Antragserwiderung weitere Ausführungen zur aus seiner Sicht bestehenden Erforderlichkeit der Betriebsuntersagung macht, sind diese nicht geeignet, den Begründungsmangel zu heilen. Zum einen zielen diese Ausführungen darauf ab, den Erlass der Grundverfügung - namentlich der Betriebsuntersagung - weiter zu begründen und zeigen gerade nicht auf, weshalb der Antragsgegner über das den Erlass der Grundverfügung rechtfertigende öffentliche Interesse hinaus ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse annimmt, aufgrund dessen einem Rechtsbehelf ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung zukommen soll. Zum anderen kann eine fehlende oder unzureichende Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011, a.a.O., m.w.N.; Beschluss vom 17.07.1990 - 10 S 1121/90 -, juris).
19 
b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids keinen Bestand haben.
20 
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann in Fällen der sofortigen Vollziehbarkeit das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßgeblich ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Für das Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen, in denen abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet wurde, das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gleichwohl nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, ESVGH 47, 177). Das Gericht nimmt in diesem Rahmen eine eigene Interessenabwägung vor und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.09.2012 - 10 S 731/12 -, DVBl 2012, 1506).
21 
Dies zugrunde gelegt, lässt sich ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nicht feststellen. Hierbei kann die Kammer offen lassen, ob sich die in Ziff. 1 und 2 des Bescheids verfügte Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs des Antragstellers und die Verpflichtung zur Vorlage der amtlichen Kennzeichen sowie der Zulassungsbescheinigung bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen oder ob nicht die vom Antragsteller aufgeworfenen Bedenken - etwa an der Ermessensfehlerfreiheit der Betriebsuntersagung oder der knapp bemessenen Frist zur Behebung des Mangels an dem Fahrzeug - durchgreifen. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestünde, das die Ausnahme von der grundsätzlich eintretenden aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu rechtfertigen vermag.
22 
Wie bereits dargelegt, verfängt insbesondere der vom Landratsamt zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs angegebene Aspekt des Schutzes der anderen Verkehrsteilnehmer vor dem Betrieb eines nicht vorschriftsgemäßen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht. Die Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs des Antragstellers ergibt sich nach Angaben des Antragsgegners daraus, dass es wegen der eingebauten Abschalteinrichtung nicht der EG-Typgenehmigung entspricht. Die grundsätzliche Funktionsfähigkeit und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs ist hiervon – soweit ersichtlich – nicht betroffen. Eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, die ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse begründen könnte, geht von ihm nicht aus. Von der Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs betroffen sind dagegen Aspekte der Luftreinhaltung. So hat der Antragsgegner zur Begründung der Betriebsuntersagung dargelegt, dass diese der Verhinderung umwelt- und gesundheitsschädigender Emissionen dienen soll. Zwar handelt es sich auch hierbei um hohe Schutzgüter. Jedoch sind die von einem einzelnen Fahrzeug ausgehenden Gefahren für diese Schutzgüter nicht in gleicher Weise konkret und unmittelbar. Nicht zuletzt zeigt der seit Bekanntwerden der vorschriftswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung im Jahr 2015 vergangene Zeitraum, dass eine den Sofortvollzug rechtfertigende Dringlichkeit, die zur Beschränkung des effektiven Rechtsschutzes durch Wegfall der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs führen könnte, auch aus Sicht der zuständigen Behörden nicht vorzuliegen scheint. Auch im Übrigen ist ein über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände hinausgehendes besonderes Vollzugsinteresse im Hinblick auf das Fahrzeug des Antragstellers nicht ersichtlich. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs liegt daher unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht vor.
23 
2. Durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ziff. 1 und 2 des angegriffenen Bescheids ist der Androhung der Ersatzvornahme (Ziff. 4) und der Erhebung der Gebühr (Ziff. 5) die rechtliche Grundlage entzogen. Hinsichtlich dieser Maßnahmen ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs daher nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anzuordnen.
24 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
25 
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 46.16 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. August 2011 - 4 K 1583/11 - geändert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beschlagnahmeanordnung vom 12.08.2011 durch die Antragsgegnerin wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) sind begründet.
Die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mündlich durch die Antragsgegnerin getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Beschlag-nahmeanordnung vom 12.08.2011, bestätigt durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.08.2011, kann keinen Bestand haben, weil die Antragsgegnerin entgegen dem zwingenden Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung bei deren Anordnung nicht schriftlich begründet hat. Sie leidet daher an einem formellen Mangel, der zu ihrer Aufhebung nötigt, ohne dass es darauf ankommt, ob ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 25.08.1976 - X 1318/76 -, NJW 1977, 165 sowie Beschluss v. 17.07.1990 - 10 S 1121/90 -, juris m.w.N). Durch das Nachbringen der schriftlichen Begründung in der Verfügung vom 15.08.2011 kann der Formmangel nicht geheilt werden.
Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bestimmt, dass die sofortige Vollziehung „besonders angeordnet wird“. Notwendig ist eine entsprechende behördliche Willensentschließung, die dem Betroffenen kundgetan wird. Dafür reicht weder die tatsächliche Vollziehung oder Einleitung der Vollstreckung eines Verwaltungsakts noch die Annahme einer konkludenten Anordnung. Die Entscheidung über die sofortige Vollziehbarkeit muss ausdrücklich erfolgen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts muss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet werden. Auch die Offensichtlichkeit der Gründe, die einen Sofortvollzug gebieten, rechtfertigt in aller Regel keine Ausnahme vom Begründungszwang, wie die ausdrückliche Regelung in § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO zeigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse v. 25.8.1976, a.a.O. und v. 17.07.1990, a.a.O., m.w.N.). Von dem besonderen Begründungserfordernis darf nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO, also bei sog. Notstandsmaßnahmen, abgesehen werden. Diese Bestimmungen weichen deutlich vom Begründungsgebot bei Verwaltungsakten und den dortigen Ausnahmen (§ 39 VwVfG) ab. Eine dem § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vergleichbare Vorschrift fehlt in § 80 Abs. 3 VwGO. Angesichts dieser Rechtslage handelt es sich bei § 80 Abs. 3 VwGO um eine abschließende Spezialregelung. Das - danach zwingende - Begründungserfordernis in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verfolgt drei Funktionen. Die Behörde selbst wird angehalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu sein. Diese Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Der Betroffene wird über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet. Er kann danach die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 4 VwGO abschätzen. Dem Gericht erlaubt die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle.
Diese Vorgaben sind durch die Antragsgegnerin nur unzureichend beachtet worden.
Die Beschlagnahme der Fahrzeuge der Antragsteller wurde nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG durch die Antragsgegnerin als der zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 60 Abs. 1 PolG) am 12.08.2011 mündlich angeordnet. Zur Begründung erklärte die Antragsgegnerin, die Beschlagnahme sei erforderlich, um weitere Besetzungen von Grundstücken zu verhindern. Zugleich wurde von ihr mündlich die sofortige Vollziehung der Maßnahme erklärt. Die Beschlagnahme wurde durch den Polizeivollzugsdienst sofort vollstreckt. Den Antragstellern wurde vor Ort gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 PolG Bescheinigungen über den Vollzug der Beschlagnahme ausgestellt, in denen als Grund für die Beschlagnahme „Verhinderung weiterer Besetzungen von Grundstücken“ genannt worden ist; die Bescheinigungen weisen die Antragsgegnerin als anordnende Behörde aus.
Diese Bescheinigung ersetzt die erforderliche Begründung nicht. Sie dient vielmehr der Beweissicherung für den Betroffenen und soll es ihm ermöglichen, einen (eventuellen) späteren Anspruch auf Rückgabe der beschlagnahmten Sache mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen. Sie muss daher die beschlagnahmten Sachen hinreichend genau bezeichnen und die Polizeibehörde erkennen lassen, die die Beschlagnahme angeordnet hat (Belz/Mußmann, Polizeirecht für Baden-Württemberg, 7. Auflage, § 33 RdNr. 12).
Von dem Begründungserfordernis kann nicht ausnahmsweise nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgewichen werden. Danach gilt das Begründungserfordernis nach Satz 1 dann nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft (§ 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Dies war hier indes nicht der Fall. Auch wenn die Maßnahme aus der Sicht der Antragsgegnerin eilbedürftig war, handelte es sich weder um eine Notstandsmaßnahme, noch wurde sie als solche bezeichnet.
Über den Begründungsmangel kann auch nicht deshalb hinweggesehen werden, weil es sich um eine Maßnahme gehandelt hat, die sofort vollstreckt werden sollte. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfasst ausdrücklich nur Verwaltungsakte des Polizeivollzugsdienstes im institutionellen Sinne, die sich nach Landesrecht bestimmen. Dieses Privileg ist einem Bedürfnis der Praxis geschuldet (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 2010, § 80 RdNr. 122), erstreckt sich aber nicht auf - unaufschiebbare - Anordnungen und Maßnahmen der sog. Verwaltungspolizei (Ordnungs- bzw. Sicherheitsbehörden). Auch mit Blick darauf, dass für Maßnahmen nach § 33 PolG neben den Polizeibehörden (§ 60 Abs. 1 PolG) auch der Polizeivollzugsdienst (§ 60 Abs. 3 PolG) zuständig ist, ergibt sich nichts anderes. Da nach § 60 Abs. 3 PolG für die meisten der sog. polizeilichen Standardmaßnahmen neben der Zuständigkeit der Polizeibehörde eine eigene Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes besteht, werden diese auch bei unaufschiebbaren Maßnahmen im Regelfall tätig werden, sodass ihnen das Privileg des § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu Gute kommt und damit auch aus diesem Grunde eine Ausnahme vom Begründungserfordernis für die Ortspolizeibehörde nicht gerechtfertigt erscheint.
Durch die nach Vollzug der Maßnahme ergangene Verfügung vom 15.08.2011, die unter Ziff. 7 auch eine schriftliche Begründung der sofortigen Vollziehung enthält, ist der Begründungsmangel nicht geheilt worden.
10 
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (Beschluss v. 25.08.1976, a.a.O. und Beschluss v. 17.07.1990, a.a.O.) und auch nach der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Eyermann, VwGO, 11. Auflage, § 80 RdNr. 44, Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. § 80, RdNr. 179, jeweils m.w.N.; BayVGH, Beschluss. v. 24.02.1988, BayVBl. 1989, 117) kann eine fehlende oder unzureichende Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Der Gegenauffassung (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 01.03.1995, NVwZ-RR 1995, 572; HessVGH Beschluss v. 17.5.1984, DÖV 1985, 75; OVG NRW, Beschluss v. 26.6.1985, NJW 1986, 1894), die dem Gründe der Prozessökonomie entgegenhält und ein Nachholen der Begründung jedenfalls bis zur Stellung eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erlaubt, ist mit Blick darauf, dass es sich bei § 80 Abs. 3 VwGO um eine abschließende Sonderregelung handelt, nicht zu folgen. Mit der Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses wäre es nicht vereinbar, wenn eine fehlende Begründung mit heilender Wirkung nachgeholt werden könnte (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 80 RdNr. 174 ff. m.w.N; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.07.1990, a.a.O; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Auflage, § 80 RdNr. 48, m.w.N.).
11 
In der Verfügung vom 15.08.2011 kann schließlich nicht eine neue Anordnung einer sofortigen Vollziehung mit diesmal gesetzeskonformer Begründung gesehen werden. Eine solche Annahme scheitert - ungeachtet der Frage, ob vor Aufhebung des Sofortvollzugs dieser überhaupt neu angeordnet werden kann - bereits daran, dass sich dies dem Inhalt der Verfügung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG) entnehmen lässt.
12 
Sowohl der Eingang des Entscheidungssatzes („zu der am 12.08.2011 auf mündliche Anordnung der Polizeibehörde erfolgten Beschlagnahme Ihres Fahrzeugs ergeht folgende Verfügung“) als auch der erste Satz der Begründung („Die am 12.08.2011 auf Anordnung der Polizeibehörde erfolgte Beschlagnahme Ihres Fahrzeugs... wird wie folgt begründet:“) weisen vielmehr darauf hin, dass es sich wohl um eine nachträgliche Bestätigung der Beschlagnahme, die rechtlich zulässig ist, sowie um eine allerdings in rechtlicher Hinsicht - nicht zulässige (a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 01.03.1995 - 11 B 10640/95 -) - nachträgliche Bestätigung und Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung handeln soll, ungeachtet der ebenfalls beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung. Insoweit bestehende Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
13 
Mit dem Wegfall der Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt dem Widerspruch der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 1 VwGO wieder die aufschiebende Wirkung zu. Für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist daher kein Raum. Es bedarf vielmehr ggfs. einer erneuten, formgemäßen Anordnung.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 39 GKG.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die nachträgliche Auflage des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 17.03.2005 - Az.: 4-4651.12-KKPI-3 und 4-4651.12-KKP II-3 - wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

 
Der beim sachlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist zulässig und begründet.
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin genügen allerdings die Ausführungen in der nachträglichen Auflage vom 17.03.2005 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, wonach in einem Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist. Zweck des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts anzuhalten. Außerdem sollen dem Betroffenen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden, so dass ihm eine Verteidigung seiner Rechte möglich ist. Ferner soll die Begründung der Sofortvollzugsanordnung die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung bilden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.01.2001, NJW 2001, 3427 = NZV 2001, 396). Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurück zu stellen. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen auf S. 6 f. der Auflage vom 17.03.2005 gerecht. Das Wirtschaftsministerium hat sich nicht auf pauschale und formelhafte Wendungen beschränkt. Vielmehr hat die Behörde auf eine - von ihr als unzureichend bewertete - Verfahrensweise der Antragstellerin im Jahr 2004 beim Vorliegen von Hinweisen abgestellt, dass nach Berechnungen der von der Antragstellerin hinzugezogenen Herstellerfirma des KKW Philippsburg die Beherrschung des Auslegungsstörfalls unter bestimmten Bedingungen nicht hinreichend gewährleistet sein könnte. Diese bei dieser Gelegenheit deutlich gewordene Vorgehensweise der Antragstellerin mache wegen des gebotenen Schutzes vor den Gefahren der Kernenergie den unverzüglichen Vollzug der Auflage erforderlich. Mit diesen Darlegungen hat das Wirtschaftsministerium den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen des Begründungszwangs genügt. Auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung kommt es für § 80 Abs. 3 VwGO dagegen nicht an (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.07.1994 - 10 S 1017/94 -, NVwZ-RR 1994, 625; v. 09.08.1994 - 10 S 1767/94 -, NVwZ-RR 1995, 174).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die nachträgliche Auflage vom 17.03.2005 (10 S 643/05) ist begründet; bei der vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung überwiegt das Interesse der Antragstellerin, vom Vollzug der nachträglichen Auflage vor einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Das Überwiegen des Aufschubinteresses der Antragstellerin ergibt sich daraus, dass die Rechtmäßigkeit dieser Auflage zweifelhaft erscheint. Bei der Interessenabwägung kann der Antragsgegner auch nicht geltend machen, die sofortige Vollziehung der angefochtenen nachträglichen Auflage sei geboten, um den Gefahren wirksam begegnen zu können, die von dem Kernkraftwerk wegen seines außergewöhnlich hohen Risikopotentials ausgehen. Denn auch ohne die angefochtene nachträgliche Auflage steht der im Bereich des Antragsgegners für die Atomaufsicht zuständigen Behörde (vgl. Art. 1 Abschnitt X Nr. 10 MinGbBek) das im Atomgesetz vorgesehene aufsichtsrechtliche Instrumentarium zur Verfügung. Der Gesetzgeber ist bei den Änderungen des Atomgesetzes davon ausgegangen, dass diese Handlungsermächtigungen für einen effektiven Schutz vor den mit dem Betrieb eines Kernkraftwerks verbundenen Risiken ausreichen. Dies gilt auch für die Regelung von Meldepflichten nach §§ 6 ff. der Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen (vgl. auch § 19 Abs. 2 AtG).
1) Rechtliche Bedenken begegnet die nachträgliche Auflage zunächst im Hinblick auf die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts.
Die nachträgliche Auflage vom 17.03.2005 stellt eine abstrakt-individuelle Regelung dar. Sie ist individuell, weil sie sich auf ein bestimmtes von der Antragstellerin betriebenes Kernkraftwerk bezieht. Andererseits ist die Auflage abstrakt, weil sie der Antragstellerin für eine Vielzahl von denkbaren Fallkonstellationen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt. § 37 Abs. 1 LVwVfG regelt, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Nicht nur hinsichtlich des Adressaten, sondern auch in Bezug auf die in der Sache selbst getroffene Regelung muss der Verwaltungsakt hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sein. Der Entscheidungsinhalt muss für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und diesen in die Lage versetzen zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird. Wenn der Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Inhalt hat, muss er grundsätzlich auch so bestimmt sein, dass er Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 335). Da die angefochtene nachträgliche Auflage für eine Vielzahl von Fallkonstellationen gilt, muss die Antragstellerin als Adressatin dem Verwaltungsakt entnehmen können, unter welchen Voraussetzungen sie zu dem in der Auflage näher beschriebenen Verhalten (z.B. Einstellung des Leistungsbetriebs, unverzügliche Information der Aufsichtsbehörde oder Vorlage eines Projektplans) verpflichtet ist. Im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen ist ferner die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Nr. 3 AtG zu beachten. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG zuwiderhandelt. Der Begriff der Strafbarkeit im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst jede Regelung, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes oder vorwerfbares Handeln ermöglicht und bezieht sich damit auch auf die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.12.1992 - 1 BvR 88/91, 1 BvR 576/91 -, BVerfGE 87, 399, 411 m.w.Nachw.). Zu berücksichtigen ist ferner, dass nach § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, der eine kerntechnische Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betreibt. Der Antragsgegner geht selbst davon aus (Antragserwiderung vom 02.06.2005, S. 3), dass durch die angefochtene nachträgliche Auflage die für den Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg erteilte Genehmigung teilweise aufgehoben und der Betrieb nur noch nach Maßgabe der Auflage gestattet worden ist. Das besondere Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG dient dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Denn der Betroffene soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bzw. Geldbuße bedroht ist. Art. 103 Abs. 2 GG hindert den Gesetzgeber nicht, verwaltungsrechtliche Pflichten und verwaltungsrechtliche Anordnungen mit Strafen oder Geldbußen zu bewehren, um auf diese Weise der Befolgungspflicht Nachdruck zu verleihen. Dann muss aber der konkrete Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.10.2000 - 1 BvR 1627/95 -, Rn. 56, GRUR 2001, 266). Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung genügt die angefochtene nachträgliche Auflage diesen Bestimmtheitsanforderungen nicht.
a) In A I 1 der Auflage wird der Antragstellerin für den Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg, Block 1 und Block 2, aufgegeben, den Leistungsbetrieb unverzüglich einzustellen, sofern Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten sind, es sei denn, das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend. Als offensichtlich unbedeutend gelten solche Defizite, hinsichtlich derer ohne neue Untersuchungen auf Grund vorhandener Erkenntnisse innerhalb von höchstens sieben Tagen eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt ist.
Die zwischen den Beteiligten besonders umstrittene Frage, ob die permanente sichere Beherrschung der von den Genehmigungen vorausgesetzten und im Verfahren geprüften Auslegungsstörfälle während des Betriebs des Kernkraftwerks eine elementare Betreiberpflicht darstellt, kann für den Gesichtspunkt der ausreichenden Bestimmtheit der nachträglichen Auflage dahingestellt bleiben. Einerseits ist die Beherrschung der Auslegungsstörfälle Voraussetzung für die Genehmigung eines Kernkraftwerks (Auslegung der Anlage). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist. Bei einem Kernkraftwerk, das der Erzeugung von Elektrizität dient (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV n.F.), sind Auslegungsstörfälle Störfälle im Sinne des § 49 StrlSchV n.F. (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AtVfV). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens kann die Genehmigungsbehörde die erforderliche Vorsorge gegen Störfälle insbesondere dann als getroffen ansehen, wenn der Antragsteller bei der Auslegung der Anlage die Störfälle zugrunde gelegt hat, die nach den veröffentlichten Sicherheitskriterien und Leitlinien für Kernkraftwerke die Auslegung eines Kernkraftwerks bestimmen müssen (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 3 StrlSchV n.F.). Werden nach der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen abschließend atomrechtliche Genehmigungen erteilt, so enthalten diese die verbindliche Feststellung, dass eine genehmigungskonform errichtete bzw. betriebene Anlage die atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1997 - 11 C 7.95 -, BVerwGE 104, 36, zu Teilerrichtungsgenehmigungen). Andererseits ist der Adressat der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage nur nach Maßgabe der Festsetzungen der Genehmigung, die auch im Hinblick auf die Beherrschung der Auslegungsstörfälle erfolgt sein können, berechtigt.
Aus dem umfangreichen Vorbringen der Beteiligten im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist zu schließen, dass die für die Errichtung und den Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg (Block 1 und 2) erteilten Genehmigungen keine Festsetzungen enthalten, die ausdrücklich auf die „Auslegungsstörfälle“ oder deren „Beherrschung“ in dem Sinne Bezug nehmen, dass zur Beherrschung der Auslegungsstörfälle im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. 3 AtVfV bestimmte „Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung“ einzuhalten sind. Die Nennung von Grenzwerten, Maßen oder anderen spezifizierten sicherheitstechnischen Anforderungen der Genehmigung in A I 1 der nachträglichen Auflage hat vielmehr den Sinn, diejenigen Festsetzungen zu bezeichnen, die für die Beherrschung der Auslegungsstörfälle von Bedeutung sein können und in die Genehmigungen im Hinblick auf diese Genehmigungsvoraussetzung aufgenommen worden sind. Hiervon geht offensichtlich auch der Antragsgegner aus, wie sich aus seinem Schriftsatz vom 02.06.2005 ergibt. Danach soll die Abweichung von einem Grenzwert nur dann von der Regelung in A I 1 erfasst werden, „wenn der jeweilige Grenzwert zum Inhalt der atomrechtlichen Genehmigung gehört und der Störfallbeherrschung dient“(S. 14). Auf S. 10 der Antragserwiderung vom 02.06.2005 wird auf „alle Werte“ abgehoben, „die der Genehmigung insoweit [Beherrschung der Auslegungsstörfälle] zugrunde liegen“. Die für die Errichtung und den Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg erteilten Genehmigungen sind wegen des Ausmaßes der Anlage und der technischen Anforderungen an den gefahrlosen Betrieb eines Kernkraftwerks besonders komplex und umfangreich. Es geht hier nicht um die zwischen den Beteiligten im Verlauf des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens umstrittene Frage der Bestimmung des Inhalts der verschiedenen Genehmigungen. Deren Inhalt kann jeweils durch die grundsätzlich zulässige Bezugnahme auf von der Antragstellerin eingereichte Antragsunterlagen bestimmt werden. Das Bestimmtheitsproblem besteht vielmehr darin, dass die nachträgliche Auflage in A I 1 nicht jede, sondern nur diejenigen Festsetzungen, Grenzwerte oder anderen sicherheitstechnischen Anforderungen der erteilten Genehmigungen meint, die für die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzung „Beherrschung der Auslegungsstörfälle“ von Bedeutung sind oder auch nur sein können. Diese Unterscheidung setzt aber eine Bewertung von Risiken bzw. die Beurteilung von technischen Vorgängen voraus, über die im jeweiligen konkreten Einzelfall erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen können. In seiner Antragserwiderung vom 02.06.2005 (S. 16 ff.) hat der Antragsgegner zur Erläuterung der Tatbestandsmerkmale „Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung“ auf den Begriff der Sicherheitsspezifikationen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 6 AtVfV verwiesen. Dabei handelt es sich um eine vom Betreiber dem Antrag auf Genehmigung beizufügende Aufstellung, die alle für die Sicherheit der Anlage und ihres Betriebs bedeutsamen Angaben, die für die Beherrschung von Stör- und Schadensfällen vorgesehenen Maßnahmen sowie einen Rahmenplan für die vorgesehenen Prüfungen an sicherheitstechnisch bedeutsamen Teilen der Anlage enthält. Nach den weiteren Ausführungen des Antragsgegners in der Antragserwiderung soll der Tatbestand von A I 1 der nachträglichen Auflage aber über diesen Begriff hinausgehen und „alle Daten, Grenzwerte und Maßnahmen“ erfassen, „die für den sicheren Zustand und die Sicherheit des Betriebs von Kernkraftwerken von Belang sind“. Dabei sollen nach der Begründung der nachträglichen Auflage (S. 4) auch die nur „mittelbar zur Bestimmung des Genehmigungsinhalts herangezogenen Unterlagen“ zu berücksichtigen sein. Angesichts dieser unklaren Festlegung des Tatbestandes von A I 1 der nachträglichen Auflage kann nicht davon ausgegangen werden, der Antragstellerin sei entsprechend den rechtsstaatlichen Anforderungen durch A I 1 der nachträglichen Auflage mit der erforderlichen Bestimmtheit vorgeschrieben worden, wann der Tatbestand dieses Regelungsteils der nachträglichen Auflage erfüllt ist und die dort festgelegten Maßnahmen zu ergreifen sind. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren auf das Vorbringen der Antragstellerin, die Auflage sei unbestimmt, eingewandt (S. 3 des Schriftsatzes vom 16.08.2005), beim technischen Personal der Anlagen liege die von der Antragstellerin „heraufbeschworene Unsicherheit über die Genehmigungsanforderungen nicht vor“, da ansonsten „ein rechtmäßiger Betrieb auch überhaupt nicht zu gewährleisten“ sei. Die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts, der - vergleichbar einer Rechtsnorm - dem Betroffenen für eine unbestimmte Vielzahl von Fallgestaltungen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, können nicht durch die Erwägung relativiert werden, der „Betroffene werde schon wissen, was gemeint sei“. Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners (S. 36 des Schriftsatzes vom 02.06.2005) können Defizite im Bereich der Bestimmtheit der nachträglichen Auflage im Hinblick auf die Sanktionsmöglichkeiten nach § 327 Abs. 1 StGB und § 46 Abs. 1 Nr. 3 AtG nicht mit der Erwägung kompensiert werden, diese Vorschriften setzten „entsprechend dem Schuldgrundsatz ein schuldhaftes oder fahrlässiges Fehlverhalten der Antragstellerin, ihrer Organe oder Mitarbeiter voraus“, und der Vorstand und die Mitarbeiter der Antragstellerin seien durch die Anwendung der Verschuldensregelungen ausreichend geschützt. Denn das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot erfordert im Interesse des Betroffenen bereits, dass diesem aufgrund der Fassung der abstrakten Regelung (hier in letzter Stufe maßgeblich ein Verwaltungsakt) klar wird, wann das in der Regelung festgelegte Verhalten geboten ist. Der Verpflichtete muss sich nicht darauf verweisen lassen, durch die unbestimmte Fassung eines Tatbestandes sei er nicht beeinträchtigt, weil es gegebenenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für seine Bestrafung fehle. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kann auch nicht auf die Grundsätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18.05.1988 (- 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 213 f.) zurückgegriffen werden. Denn diese gehen gerade davon aus, dass Art. 103 Abs. 2 GG, anders als im vorliegenden Fall, nicht anwendbar ist.
Es erscheint auch zweifelhaft, ob in A I 1 Satz 2 der nachträglichen Auflage die Voraussetzungen für die Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs („das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend“) hinreichend bestimmt sind. Denn es ist nicht hinreichend klar, auf wessen Kenntnisstand für das Merkmal „aufgrund vorhandener Erkenntnisse“ abzustellen ist (Erkenntnisstand der Antragstellerin oder aktueller - externer - Stand von Wissenschaft und Technik). Gerade im Hinblick auf die Sanktionsbestimmungen erscheint auch die Formulierung „eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt ist“ nicht ausreichend deutlich.
10 
b) Auch A I 2 der nachträglichen Auflage erscheint nach den oben genannten Kriterien nicht ausreichend bestimmt.
11 
aa) A I 2 a Satz 1 regelt zunächst eine Verpflichtung zur unverzüglichen Information der Aufsichtsbehörde, wenn sich unabhängig von Nummer 1 die Erkenntnis ergibt, „dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte“. Aus der Begründung der Auflage (S. 4 dritter Absatz) und auch aus dem Vorbringen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren (z.B. Schriftsatz vom 02.06.2005, S. 10) ergibt sich, dass diese Regelung für den Fall gelten soll, dass „(eventuelle) Defizite der Störfallbeherrschung aufgrund von Zuständen und Betriebsweisen“ auftreten, „hinsichtlich derer die Genehmigung (noch) keine konkreten oder unzureichende Anforderungen enthält“. Zunächst stellt sich wiederum das Problem, dass es in den für das Kernkraftwerk erteilten Genehmigungen keine Festsetzungen (Grenzwerte, Maße usw.) gibt, die ausdrücklich auf die „Beherrschung der Auslegungsstörfälle“ Bezug nehmen. Denn die „Beherrschung der Auslegungsstörfälle“ ist ein im Genehmigungsverfahren zu prüfender Aspekt. Als erst recht unbestimmt erscheint die Untergruppe der „Anforderungen zur Störfallbeherrschung“, die zwar in der Genehmigung geregelt sind, aber „unzureichend“ sein sollen. Hier ist auch zweifelhaft, auf wessen Einschätzung es hinsichtlich des Merkmals „unzureichend“ ankommen soll. Dies gilt auch, soweit maßgeblich darauf abgestellt wird, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung „in Frage gestellt sein könnte“.
12 
bb) A I 2 b Satz 1 der Auflage schreibt der Antragstellerin im Anschluss an 2 a der Auflage unter bestimmten Voraussetzungen die unverzügliche Einstellung des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks vor. Diese Regelung erscheint nach der hier möglichen Prüfung unbestimmt, weil die dort genannte Ausnahme von der Pflicht zur Einstellung des Leistungsbetriebs nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt. Denn es ist nicht ausreichend klar, wann „die Störfallbeherrschung zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt“ ist.
13 
2) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nachträglichen Auflage bestehen auch im Hinblick auf das Verhältnis von § 17 Abs. 1 Satz 3 und § 19 Abs. 3 AtG. Es erscheint fraglich, ob die Behörde in einer abstrakten nachträglichen Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG für eine Vielzahl von Fallgestaltungen die Einstellung des Leistungsbetriebs vorschreiben und damit die auch dem Schutz des Betreibers dienenden rechtlichen Bindungen umgehen kann, die im Falle einer konkreten Einzelentscheidung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG zu beachten sind.
14 
Nach § 19 Abs. 3 AtG kann die Aufsichtsbehörde anordnen, dass ein Zustand beseitigt wird, der den Vorschriften des Atomgesetzes oder der auf Grund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, den Bestimmungen des Bescheids über die Genehmigung oder allgemeine Zulassung oder einer nachträglich angeordneten Auflage widerspricht oder aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können. Die Behörde kann insbesondere anordnen, dass der Betrieb von Anlagen der in § 7 AtG bezeichneten Art einstweilen eingestellt wird.
15 
a) Mit A I 1 der nachträglichen Auflage regelt der Antragsgegner nach der Begründung der Auflage und seinem Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Fälle des Betriebs des Kernkraftwerks „außerhalb des Gestattungsumfangs der Genehmigung“. In einem solchen Fall kommt der Erlass einer Verfügung zur Einstellung des Betriebs des Kernkraftwerks aufgrund von § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG in Betracht. Eine solche Verfügung setzt aber voraus, dass die Behörde im konkreten Einzelfall den Sachverhalt aufklärt und eine Abweichung von der Genehmigung feststellt und nachweist. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG trägt die Aufsichtsbehörde. Auch kann der Betreiber in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Einstellungsverfügung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 AtG geltend machen, sein Interesse, vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben, überwiege, weil die Aufsichtsbehörde zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage ausgegangen sei. Die Ausübung der der Behörde durch diese Vorschrift eröffneten Befugnis, die für den betroffenen Anlagenbetreiber mit erheblichen Nachteilen verbunden ist, steht in ihrem Ermessen (vgl. zur behördlichen Duldung formell illegal betriebener kerntechnischer Anlagen in atypischen Ausnahmefällen, BVerwG, Urt. v. 25.10.2000 - 11 C 1.00 -, BVerwGE 112, 123, 131 ff.). Aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Behörde über die vorläufige Einstellung des Betriebs zu entscheiden (§ 40 LVwVfG).
16 
Bei A I 1 der nachträglichen Auflage ist die Aufsichtsbehörde demgegenüber wegen der abstrakten Fassung der Auflage - vergleichbar einer Rechtsnorm - zunächst von der Notwendigkeit entbunden, ihrerseits festzustellen und zu belegen, dass im Hinblick auf ein konkretes Ereignis oder einen bestimmten Umstand die Voraussetzungen für die behördliche Einstellung des Leistungsbetriebs gegeben sind. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einstellung des Leistungsbetriebs ist auch dem Betreiber des Kernkraftwerks überantwortet. Ist in einem konkreten Einzelfall zweifelhaft, ob die Bedingungen für die Einstellung des Betriebs vorliegen, so kommt der Entscheidung des Betreibers im Hinblick auf die Sanktionsregelungen besondere Bedeutung zu. Denn ist die Entscheidung des Betreibers für den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks nach Maßgabe der nachträglichen Auflage unrichtig, so ist der Tatbestand des § 327 Abs. 1 StGB bzw. § 46 Abs. 1 Nr. 3 AtG erfüllt. Kommt der Betreiber zu der Einschätzung, dass die in der nachträglichen Auflage geregelten Voraussetzungen für die Einstellung des Leistungsbetriebs gegeben sind, so hat er den Betrieb grundsätzlich einzustellen, während bei einem Vorgehen aufgrund der für diese Konstellationen im Gesetz vorgesehenen Bestimmung des § 19 Abs. 3 Satz 2 AtG eine behördliche Ermessensentscheidung zu treffen ist.
17 
Wenn der Gesetzgeber mit § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG der Behörde eine Grundlage dafür schafft, den Betrieb eines Kernkraftwerks wegen einer - wesentlichen - Abweichung von der dem Betreiber erteilten Genehmigung vorläufig einzustellen und hierfür den Erlass eines auf den konkreten Einzelfall bezogenen und im Ermessen der Behörde stehenden - belastenden - Verwaltungsakt mit den hierfür typischen Anforderungen und rechtlichen Bindungen - Sachverhaltsklärung, objektive Beweislast, Ermessensausübung und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - vorsieht, erscheint es überaus zweifelhaft, ob andere Ermächtigungsgrundlagen dieses Fachgesetzes - durch den behördlichen Erlass einer abstrakten Regelung - so gehandhabt werden dürfen, dass die für einen auf einen konkreten Einzelfall bezogenen Verwaltungsakt geltenden rechtlichen Bindungen zu Lasten des Betroffenen entfallen und insbesondere durch die Ausübung eines Vorabermessens ersetzt werden können.
18 
b) Das Entsprechende gilt für eine Situation, in der zweifelhaft ist, ob eine Genehmigungsvoraussetzung noch erfüllt ist. Auch für diesen Fall bietet § 19 Abs. 3 AtG eine Ermächtigungsgrundlage. Die für diese Norm geltenden Beschränkungen werden durch die angefochtene Auflage umgangen.
19 
Ob die nachträgliche Auflage auch noch aus anderen von der Antragstellerin geltend gemachten Gründen rechtswidrig ist, kann für das vorläufige Rechtsschutzverfahren dahingestellt bleiben.
20 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
22 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 05.12.2017 wird hinsichtlich dessen Ziffern 1 und 2 wiederhergestellt und hinsichtlich dessen Ziffern 4 und 5 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.250 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller ist seit 2011 Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs des Typs VW Amarok 2,0 TDI, das mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet ist. Im Jahr 2015 wurde öffentlich bekannt, dass zahlreiche Dieselfahrzeuge des VW-Konzerns - darunter das Fahrzeug des Antragstellers - im Hinblick auf ihre Stickoxid-Emissionen nicht der EG-Typgenehmigung entsprachen, sondern mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen waren. Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete daraufhin gegenüber dem Hersteller auf Grundlage von § 25 Abs. 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge an. Im Rahmen der Rückrufaktion spielt der Hersteller bei den betroffenen Fahrzeugen ein Software-Update auf.
Mit Schreiben vom 26.09.2017 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit, der Antragsteller habe an der Rückrufaktion bislang nicht teilgenommen. Daraufhin wies das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 23.10.2017 darauf hin, dass er für den vorschriftsmäßigen Zustand seines Fahrzeugs verantwortlich sei. Er werde gebeten, den Mangel möglichst umgehend zu beheben und hierüber bis spätestens zum 20.11.2017 einen Nachweis vorzulegen. Anderenfalls könne der Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagt werden. Hierauf teilte der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben mit, dass er zur Beseitigung des Mangels außerstande sei. Das im Rahmen der Rückrufaktion angebotene Software-Update beseitige den Mangel nicht und sei mit erheblichen Nachteilen und Schäden verbunden. Überdies führe er ein zivilgerichtliches Verfahren, in dem sein Fahrzeug in aktuellem Zustand als Beweismittel benötigt werde.
Das Landratsamt untersagte dem Antragsteller sodann mit Bescheid vom 05.12.2017 den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr, wenn er den Mangel nicht bis zum 12.12.2017 beseitigt habe (Ziff. 1) und gab ihm auf - soweit er bis zum 12.12.2017 die Beseitigung des Mangels nicht nachweise - unverzüglich die amtlichen Kennzeichen des Fahrzeugs zur Entstempelung und die Zulassungsbescheinigung Teil I zum Eintrag des Vermerks über die Betriebsuntersagung vorzulegen (Ziff. 2). Das Landratsamt ordnete die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an (Ziff. 3) und drohte für den Fall, dass der Antragsteller der Pflicht zum Nachweis der Beseitigung des Mangels und der Verpflichtung zur Vorlage der Kennzeichen und der Zulassungsbescheinigung Teil I nicht fristgerecht nachkommt, die zwangsweise Durchsetzung der Betriebsuntersagung durch den Vollzugsdienst im Wege der Ersatzvornahme an (Ziff. 4). Überdies erhob es eine Gebühr in Höhe von 30 EUR zzgl. 3,45 EUR für Auslagen (Ziff. 5).
Der Antragsteller legte am 08.12.2017 Widerspruch ein und hat am 11.12.2017 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er trägt im Wesentlichen vor, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht genügend begründet worden. Es liege gerade kein Fall vor, der bei typisierender Betrachtung mit einer Vielzahl anderer Fälle vergleichbar sei. Die gegebene Begründung sei sehr knapp und gehe nicht auf den Einzelfall ein. Die Frage der Verkehrssicherheit sei gerade nicht berührt. Ein besonderes, über das allgemeine Vollzugsinteresse hinausgehendes Interesse lasse der Bescheid auch im Übrigen nicht erkennen. Die Betriebsuntersagung sei rechtswidrig. Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt, da er nicht hinreichend erkennen lasse, zu welchem Zeitpunkt die Betriebsuntersagung greifen und wie der Mangel an seinem Fahrzeug beseitigt werden solle. Die Betriebsuntersagung sei überdies ermessensfehlerhaft. Aus dem angegriffenen Bescheid ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass sich das Landratsamt des von ihm auszuübenden Ermessens bewusst gewesen sei. Zudem habe es wesentliche entscheidungsrelevante Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Angesichts der Zweifel an der Verträglichkeit und Wirksamkeit des Software-Updates könne ihm nicht aufgegeben werden, es durchzuführen. Die zur Beseitigung des Mangels gesetzte Frist sei ebenso nicht angemessen. Die Androhung der Ersatzvornahme sowie die Festsetzung der Gebühr seien ebenfalls rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen Ziff. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 05.12.2017 wiederherzustellen und hinsichtlich Ziff. 4 und 5 des Bescheids anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt im Wesentlichen aus, nicht vorschriftsmäßig seien nicht nur Fahrzeuge, die nicht verkehrssicher seien, sondern auch solche, die nicht den formalen Zulassungsvorschriften entsprächen. Dies sei hier der Fall, da das Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte, die der Hersteller im Antrag der EG-Typgenehmigung nicht beschrieben habe. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der in der Typgenehmigung verankerten Schutzziele, namentlich an der Verhinderung umwelt- und gesundheitsschädigender Emissionen überwiege das private Interesse des Antragstellers.
10 
Der Kammer liegt die das Fahrzeug des Antragstellers betreffende Verwaltungsakte des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vor. Auf diese sowie auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
11 
Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich Ziff. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 05.12.2017 ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Entsprechendes gilt für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Ziff. 4 und 5 des angefochtenen Bescheids nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG bzw. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
12 
Die Anträge sind auch begründet.
13 
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die in Ziff. 1 und 2 des Bescheids verfügte Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs des Antragstellers und Verpflichtung zur Vorlage der amtlichen Kennzeichen sowie der Zulassungsbescheinigung hat Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt weder in formeller noch in materiell-rechtlicher Hinsicht den an sie zu stellenden Anforderungen.
14 
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids, die sich ersichtlich auf die Verfügungen in den vorstehenden Ziff. 1 und 2 bezieht, genügt bereits nicht den formellen Anforderungen.
15 
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis bezweckt, dass sich die Behörde selbst des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst wird und die dafür und dagegen sprechenden Gründe sorgfältig prüft. Der Betroffene wird durch die schriftliche Begründung über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet. Dies ermöglicht es ihm, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags abzuschätzen. Ebenso ermöglicht die Kenntnis der behördlichen Erwägungen eine ordnungsgemäße verwaltungsgerichtliche Kontrolle (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011 - 1 S 2554/11 -, VBlBW 2012, 151). Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurück zu stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2005 - 10 S 644/05 -, juris). Pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen genügen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002 - 10 S 985/02 -, VBlBW 2002, 441). Auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung kommt es indes nicht an (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.12.2005, a.a.O.).
16 
Nach diesen Maßstäben genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Begründungsanforderungen hier nicht. Das Landratsamt hat zur Begründung des Sofortvollzugs ausgeführt, es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse daran, dass nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Dieses öffentliche Interesse überwiege das private Interesse des Antragstellers, bis zur Bestandskraft der Entscheidung mit diesem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Hierbei handelt es sich weder um eine auf den konkreten Einzelfall abstellende noch um eine sonst nachvollziehbare Begründung für den Sofortvollzug. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich die Behörde zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen kann, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe erkennbar zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen. Dies kann etwa im Bereich des Gefahrenabwehrrechts häufig der Fall sein. Die speziell in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids gegebene Begründung kann dann regelmäßig knapp gehalten werden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002, a.a.O.) beziehungsweise ausnahmsweise auch so gefasst sein, dass sie auch für eine Vielzahl anderer Fälle verwendet werden kann (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 25.07.2016 - 3 B 40/16 -, SächsVBl 2016, 257). Dies entbindet die Behörde jedoch nicht davon, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dem ist das Landratsamt hier nicht gerecht geworden. Soweit es lediglich darauf hinweist, dass nicht vorschriftsgemäße Fahrzeuge zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen seien, mag dies in vielen Fällen der Untersagung des Betriebs eines Fahrzeugs auf Grundlage von § 5 Abs. 1 FZV, in denen die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und die Dringlichkeit deren Schutzes auf der Hand liegen, zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinreichen. Hier liegt jedoch gerade kein typischer Fall der Betriebsuntersagung aus Gründen der Verkehrssicherheit vor. Vielmehr erfolgte die Untersagung wegen der nicht verkehrssicherheitsrelevanten Abweichung des Fahrzeugs von der EG-Typgenehmigung sowie zum Schutz der Allgemeinheit vor umwelt- und gesundheitsschädigenden Emissionen. Die Dringlichkeit der Maßnahme ist hier nicht gleichsam offenkundig, insbesondere nicht unter dem bloßen Hinweis auf den in diesem Zusammenhang nicht relevanten Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer. Die Begründung ist daher zur Darlegung des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses nicht tragfähig.
17 
Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass die Frage, ob die Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen, für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.11.2004 - 10 S 2182/04 -, VBlBW 2005, 279). Da die Begründung vorliegend jedoch jeglichen den konkreten Einzelfall betreffenden Bezug vermissen lässt, geht sie ins Leere.
18 
Soweit der Antragsgegner im Rahmen seiner Antragserwiderung weitere Ausführungen zur aus seiner Sicht bestehenden Erforderlichkeit der Betriebsuntersagung macht, sind diese nicht geeignet, den Begründungsmangel zu heilen. Zum einen zielen diese Ausführungen darauf ab, den Erlass der Grundverfügung - namentlich der Betriebsuntersagung - weiter zu begründen und zeigen gerade nicht auf, weshalb der Antragsgegner über das den Erlass der Grundverfügung rechtfertigende öffentliche Interesse hinaus ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse annimmt, aufgrund dessen einem Rechtsbehelf ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung zukommen soll. Zum anderen kann eine fehlende oder unzureichende Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011, a.a.O., m.w.N.; Beschluss vom 17.07.1990 - 10 S 1121/90 -, juris).
19 
b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht kann die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids keinen Bestand haben.
20 
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann in Fällen der sofortigen Vollziehbarkeit das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Maßgeblich ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Für das Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren gebotene summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in den Fällen, in denen abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet wurde, das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gleichwohl nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht (st. Rspr., vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, ESVGH 47, 177). Das Gericht nimmt in diesem Rahmen eine eigene Interessenabwägung vor und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.09.2012 - 10 S 731/12 -, DVBl 2012, 1506).
21 
Dies zugrunde gelegt, lässt sich ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nicht feststellen. Hierbei kann die Kammer offen lassen, ob sich die in Ziff. 1 und 2 des Bescheids verfügte Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs des Antragstellers und die Verpflichtung zur Vorlage der amtlichen Kennzeichen sowie der Zulassungsbescheinigung bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen oder ob nicht die vom Antragsteller aufgeworfenen Bedenken - etwa an der Ermessensfehlerfreiheit der Betriebsuntersagung oder der knapp bemessenen Frist zur Behebung des Mangels an dem Fahrzeug - durchgreifen. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse bestünde, das die Ausnahme von der grundsätzlich eintretenden aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu rechtfertigen vermag.
22 
Wie bereits dargelegt, verfängt insbesondere der vom Landratsamt zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs angegebene Aspekt des Schutzes der anderen Verkehrsteilnehmer vor dem Betrieb eines nicht vorschriftsgemäßen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht. Die Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs des Antragstellers ergibt sich nach Angaben des Antragsgegners daraus, dass es wegen der eingebauten Abschalteinrichtung nicht der EG-Typgenehmigung entspricht. Die grundsätzliche Funktionsfähigkeit und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs ist hiervon – soweit ersichtlich – nicht betroffen. Eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, die ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse begründen könnte, geht von ihm nicht aus. Von der Vorschriftswidrigkeit des Fahrzeugs betroffen sind dagegen Aspekte der Luftreinhaltung. So hat der Antragsgegner zur Begründung der Betriebsuntersagung dargelegt, dass diese der Verhinderung umwelt- und gesundheitsschädigender Emissionen dienen soll. Zwar handelt es sich auch hierbei um hohe Schutzgüter. Jedoch sind die von einem einzelnen Fahrzeug ausgehenden Gefahren für diese Schutzgüter nicht in gleicher Weise konkret und unmittelbar. Nicht zuletzt zeigt der seit Bekanntwerden der vorschriftswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung im Jahr 2015 vergangene Zeitraum, dass eine den Sofortvollzug rechtfertigende Dringlichkeit, die zur Beschränkung des effektiven Rechtsschutzes durch Wegfall der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs führen könnte, auch aus Sicht der zuständigen Behörden nicht vorzuliegen scheint. Auch im Übrigen ist ein über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände hinausgehendes besonderes Vollzugsinteresse im Hinblick auf das Fahrzeug des Antragstellers nicht ersichtlich. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs liegt daher unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht vor.
23 
2. Durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ziff. 1 und 2 des angegriffenen Bescheids ist der Androhung der Ersatzvornahme (Ziff. 4) und der Erhebung der Gebühr (Ziff. 5) die rechtliche Grundlage entzogen. Hinsichtlich dieser Maßnahmen ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs daher nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anzuordnen.
24 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
25 
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 46.16 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die beim sachlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) gestellten Anträge, die aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller gegen die der Beigeladenen vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erteilte 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung (nachfolgend: 2. SAG) für das Kernkraftwerk Obrigheim vom 24.10.2011 wiederherzustellen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO), haben jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung überwiegen das entgegengesetzte Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen.
Die Antragsteller haben zur Unterstützung ihres Vorbringens vollinhaltlich auf eine „fachliche Begründung zum Eilantrag bezüglich der 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung“ des Gutachtensbüros ... vom 29.02.2012 verwiesen. Derartige Stellungnahmen und Ausarbeitungen können inhaltlich nicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Für die dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aufgegebene eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs ist die Bezugnahme auf Ausführungen eines Dritten nicht ausreichend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.07.1977 - 8 CB 84.76 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 47; Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1). Das Gebot, sich vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige postulationsfähige Person vertreten zu lassen, soll die Sachlichkeit des Verfahrens und die sachkundige Erörterung des Streitfalles, insbesondere der entscheidungserheblichen Rechtsfragen, gewährleisten. Das erfordert, dass der anwaltliche Prozessbevollmächtigte in erkennbarer Weise die Verantwortung für den Sachvortrag übernimmt. Daher stellt es keine formgerechte Antragsbegründung dar, wenn der bevollmächtigte Rechtsanwalt sich Ausführungen der von ihm vertretenen Partei oder eines Dritten lediglich zu eigen macht, ohne dass erkennbar wird, dass er eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes vorgenommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.1998 - 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1). Die in der fachlichen Begründung des Gutachters vom 29.02.2012 enthaltenen Ausführungen sind deshalb nur insoweit berücksichtigungsfähig, wie sich der anwaltliche Prozessbevollmächtigte hiermit in der Antragsbegründungsschrift oder den sonstigen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegten Schriftsätzen zumindest ansatzweise auseinandergesetzt und sie sich damit im Einzelnen zu eigen gemacht hat.
Keiner abschließenden Klärung bedarf, ob die von dem Antragsgegner und der Beigeladenen aufgeworfenen sonstigen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Anträge durchgreifen. Jedenfalls bei summarischer Prüfung spricht jedoch vieles dafür, dass die Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt sind. Zwar begründet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats die bloße Behauptung, es könne ein Reaktorunfall eintreten, der zu der Freisetzung von erheblichen Mengen radioaktiver Stoffe führen könne, noch nicht die Klagebefugnis bzw. die nach gleichen rechtlichen Maßstäben zu beurteilende Antragsbefugnis (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.06.1991 - 7 C 43/90 - BVerwGE 88, 286; Urteil des Senats vom 07.03.1995 - 10 S 2822/92 - ZUR 1996, 33 - jeweils m.w.N.). Die Antragsteller machen jedoch noch hinreichend substantiiert geltend, dass bei Durchführung der mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen Störfälle eintreten können, die zur Freisetzung von Radioaktivitätskonzentrationen führen, die erheblich über dem maßgeblichen Störfallgrenzwert liegen würden, und es deshalb zu einem Schaden an ihren schützenswerten Rechtsgütern kommen kann. Auch dürfte sich ihrem Vorbringen noch entnehmen lassen, dass das zu einem solchen Schaden führende Risiko so hinreichend wahrscheinlich ist, dass hiergegen Vorsorge nach § 7 Abs. 2 Nrn. 3 bzw. 5 AtG i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 2 AtG getroffen werden muss und dass diese Vorsorge als Voraussetzung der angefochtenen Genehmigung ihrer Ansicht nach nicht getroffen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11.01.1985 - 7 C 74.82 - BVerwGE 70, 365). Ferner dürfte den Antragstellern auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen zustehen. Soweit ersichtlich ist der von der gegenständlichen Genehmigung gedeckte Abbau der Großkomponenten des Primärkreislaufs gegenwärtig noch nicht vollständig abgeschlossen. Diese Fragen bedürfen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keiner abschließenden Klärung. Denn die Anträge haben jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der 2. SAG vom 24.10.2011 in einer den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet (dazu unter 1.). Bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage haben die Antragsteller keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür dargetan, dass die angefochtene Genehmigung entweder in formeller oder materieller Hinsicht rechtswidrig ist und sie in eigenen drittschützenden Rechten verletzt (dazu unter 2.). Schließlich überwiegt das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der 2. SAG auch bei einer von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelösten freien Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller (dazu unter 3.).
1. Die unter A.VI. des angegriffenen Bescheids erklärte Anordnung der sofortigen Vollziehung der 2. SAG unterliegt zunächst mit Blick auf die formellen Begründungsanforderungen keinen durchgreifenden Bedenken.
Zweck des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts anzuhalten. Außerdem sollen dem Betroffenen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden, so dass ihm eine Verteidigung seiner Rechte möglich ist. Ferner soll die Begründung der Sofortvollzugsanordnung die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung bilden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.01.2001 - 19 B 1757/00 u.a. - NJW 2001, 3427; Senatsbeschluss vom 24.06.2002 - 10 S 985/02 - VBlBW 2002, 441). Dementsprechend muss aus der Begründung hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurückzustellen. Demgemäß genügen - wie die Antragsteller zu Recht hervorheben - pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht.
Die von dem Antragsgegner verfügte Sofortvollzugsanordnung und deren Begründung genügen den vorstehend bezeichneten Anforderungen. Der Antragsgegner hat zur Begründung der verfügten sofortigen Vollziehung der 2. SAG im Wesentlichen ausgeführt, die sofortige Ausnutzung der Genehmigung entspreche dem Interesse der Allgemeinheit an einem unterbrechungsfreien und zügigen Abbau des stillgelegten Kernkraftwerks Obrigheim (vgl. Begründung der Genehmigung S. 52). Ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Genehmigung bestehe die Gefahr, dass der bereits beschrittene Weg des direkten Abbaus des Kernkraftwerks unterbrochen werde; auch habe die Beigeladene ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Genehmigung. Darüber hinaus hat der Antragsgegner eine Interessenabwägung mit den Belangen betroffener Dritter vorgenommen und darauf abgehoben, dass die Genehmigung einen überschaubaren Sachverhalt betreffe und gegen die ebenfalls überschaubaren Risiken ausreichend Vorsorge getroffen worden sei. Mit dieser Begründung hat der Antragsgegner - noch - hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, aus welchen Gründen des öffentlichen Interesses er es für sachgerecht hält, den durch die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage regelmäßig eintretenden Schutz des Betroffenen im Einzelfall zurückzustellen. Weitergehende, auf den Einzelfall bezogene Erwägungen waren in diesem Zusammenhang nicht zwingend anzustellen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO lediglich eine - von der materiellen Prüfung des Bestehens eines Sofortvollzugsinteresses zu unterscheidende - formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert. Ob die insoweit verlautbarten Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen, ist für die Einhaltung dieses formellen Begründungserfordernisses nicht von Bedeutung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10.12.2010 - 10 S 2173/10 - VBlBW 2011, 196; sowie vom 20.09.2011 - 10 S 625/11 - juris). Das Gericht nimmt im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Interessenabwägung vor und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 05.06.2001 - 1 SN 38/01 - NVwZ-RR 2001, 610).
2. Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage leidet die 2. SAG für das Kernkraftwerk Obrigheim vom 24.10.2011 weder an einem durchgreifenden formellen (dazu unter 2.1) noch an einem materiellen (dazu unter 2.2) Fehler, der die Antragsteller in drittschützenden Rechtspositionen verletzt.
2.1 Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die 2. SAG nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt nicht (dazu unter 2.1.1) bzw. fehlerhaft durchgeführt wurde (dazu unter 2.1.2) oder eine zwingend notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung unterblieben ist (dazu unter 2.1.3).
2.1.1 Zwar können die Antragsteller rügen, eine zwingend notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben. Diese Rüge ist jedoch unbegründet, da die mit der 2. SAG genehmigten Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen nicht zwingend einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung nach der allein in Betracht kommenden Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG zu unterziehen waren.
10 
2.1.1.1 Zutreffend weisen die Antragsteller darauf hin, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24.11.2011 - 9 A 24.10 - DVBl. 2012, 447) auch von einem Vorhaben lediglich mittelbar Betroffene eine zu Unrecht unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine zu Unrecht unterbliebene Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit rügen können, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der Fehler im Ergebnis auf ihre Rechtsposition ausgewirkt haben kann. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG u.a. dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht in zulässiger Weise nachgeholt worden ist. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG gilt dies entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO. Diese Regelungen räumen Individualklägern - abweichend von der früheren Rechtslage (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13.12.2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83) - ein subjektives Recht auf Durchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. auf Vorprüfung ein mit der Folge, dass ein Verfahrensfehler als beachtlich einzustufen ist. Danach kann die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung bereits dann verlangt werden, wenn die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensverstöße vorliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob sich diese Verstöße auf die Entscheidung ausgewirkt haben; es handelt sich insoweit um eine Sonderregelung, welche die Relevanz bestimmter Verfahrensverstöße gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht erweitert (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2011 - 9 A 23.10 - a.a.O.). Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 UmwRG ist nach ihrem Wortlaut eindeutig in dem Sinne, dass bereits die Nichtdurchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung einen Aufhebungsanspruch begründet. Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit das Fehlen einer unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer UVP-Vorprüfung unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führt.
11 
2.1.1.2 Zutreffend ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die mit der 2. SAG genehmigten einzelnen Abbau- und Stilllegungsmaßnahmen nicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren, sondern dass lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war. Nach der allein in Betracht kommenden einschlägigen Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG sind UVP-pflichtig u.a.
12 
„bei ortsfesten Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss oder zum Abbau der Anlage oder von Anlagenteilen; ausgenommen sind ortsfeste Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen, deren Höchstleistung 1 KW thermische Dauerleistungen nicht überschreitet; einzelne Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss oder zum Abbau der in Halbsatz 1 bezeichneten Anlagen oder von Anlagenteilen gelten als Änderung im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2;“
13 
Danach bestimmt der Wortlaut von Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG eindeutig, dass nur die insgesamt geplanten Maßnahmen nach dieser Bestimmung UVP-pflichtig sind; die einzelnen Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss oder zum Abbau dagegen „gelten als Änderung im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2“. Bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung folgt, dass lediglich vor der Entscheidung über den erstmaligen Antrag auf eine Stilllegungsgenehmigung gemäß § 7 Abs. 3 AtG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, auch wenn den Antragstellern zuzugeben ist, dass die einschlägige Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG das Wort „erstmalig“ nicht verwendet. Der 3. Halbsatz der Bestimmung stellt jedoch klar, dass die einzelnen Maßnahmen nur dann UVP-pflichtig sind, wenn die gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG durchzuführende Vorprüfung des Einzelfalls ergibt, dass die einzelnen Maßnahmen erhebliche nachteilige Auswirkungen haben können, die nicht bereits im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Maßnahme insgesamt beurteilt wurden. Haben die einzelnen Maßnahmen nach der Vorprüfung jedoch keine über die insgesamt geplanten Maßnahmen hinausgehenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen, bedarf es für sie keiner gesonderten Umweltverträglichkeitsprüfung.
14 
Dieser Befund wird durch eine systematische und historische Gesetzesauslegung bestätigt. Die gesetzliche Regelung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG steht im engen systematischen Zusammenhang mit der untergesetzlichen Bestimmung des § 19b der Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes - Atomrechtliche Verfahrensverordnung (AtVfV). Diese Bestimmung enthält die verfahrensrechtlichen Regelungen für die Erteilung einer Stilllegungsgenehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG. Nach § 19b Abs. 1 AtVfV müssen die Unterlagen, die einem erstmaligen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG beizufügen sind, auch Angaben zu den insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung, zum sicheren Einschluss und zum Abbau der Anlage oder von Anlagenteilen enthalten, die insbesondere die Beurteilung ermöglichen, ob die beantragten Maßnahmen weitere Maßnahmen nicht erschweren oder verhindern und ob eine sinnvolle Reihenfolge der Abbaumaßnahmen vorgesehen ist. Nach § 19b Abs. 1 Satz 2 AtVfV ist in den Unterlagen darzulegen, „wie die geplanten Maßnahmen verfahrensmäßig umgesetzt werden sollen und welche Auswirkungen die Maßnahmen nach dem jeweiligen Planungsstand voraussichtlich auf die in § 1a genannten Schutzgüter haben werden“. Die Verfahrensvorschrift des § 19b Abs. 1 Satz 2 AtVfV bestimmt somit, dass mit dem erstmaligen Eintrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG die Auswirkungen der insgesamt geplanten Maßnahmen auf die Schutzgüter der Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem jeweiligen Planungsstand darzulegen sind. Anknüpfend hieran regelt § 19b Abs. 3 AtVfV, dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung auf die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau erstreckt. Das der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 19b AtVfV zugrundeliegende Regelungskonzept bestätigt deshalb bei einer systematischen Betrachtung den Wortlautbefund der gesetzlichen Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG, wonach lediglich die insgesamt geplanten Stillegungsmaßnahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, spätere Einzelmaßnahmen jedoch als Änderung gelten und deshalb nur vorprüfungspflichtig im Sinne von § 3e Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG sind.
15 
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Antragsteller, dass eine untergesetzliche Verfahrensregelung wie § 19b AtVfV die höherrangige Gesetzesbestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG nicht abändern kann. Die Antragsteller verkennen dabei, dass die Verfahrensbestimmungen der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung nicht das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz abändern, sondern lediglich zu dessen Auslegung herangezogen werden. Im Übrigen ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei atomrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 AtG vorrangig nach den Verfahrensvorschriften der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung durchzuführen; dies ist im Hinblick auf die in § 4 UVPG enthaltene Subsidiaritätsklausel rechtlich nicht bedenklich. Eine derartige systematische Betrachtung ist trotz der unterschiedlichen Normenhierarchie der herangezogenen Bestimmungen hier vor allem deshalb statthaft, weil beide Bestimmungen nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers von einem einheitlichen Regelungskonzept getragen werden. Nach der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz (BT-Drs. 14/4599 vom 14.11.2000, S. 115 f.) trägt die neu eingeführte Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung im weiteren Sinne von Reaktoren der Neuregelung in Anhang I Nr. 2, 2. Anstrich der UVP-Änderungsrichtlinie Rechnung: „Hierzu wird in den geänderten Vorschriften der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung eine Umweltverträglich-keitsprüfung im gestuften Verfahren zur Genehmigung von Errichtung und Betrieb vorgesehen, ohne allerdings die einzelnen Genehmigungen nach § 7 Abs. 1 AtG durch ein vorläufiges positives Gesamturteil als feststellenden Regelungsbestandteil zu verbinden. Damit ist vor Beginn der Stilllegung und des Abbaus im Rahmen der Erteilung der ersten Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die insgesamt vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen. Der letzte Halbsatz in Nr. 11.1 stellt in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht klar, dass unbeschadet dessen - bei Reaktoren zusätzlich - in jedem Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG die jeweils beantragten Maßnahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen“. Auch die Begründung spricht eher für die Vorstellung des Gesetzgebers, dass lediglich vor Beginn der Stilllegung und des Abbaus im Rahmen der Erteilung der ersten Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die insgesamt vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen ist und die späteren Genehmigungen zugeordneten einzelnen Abbauschritte lediglich vorbehaltlich einer nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG durchzuführenden Vorprüfung des Einzelfalles umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig sind.
16 
2.1.1.3 Vor Erteilung der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vom 28.08.2008 hat der Antragsgegner eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, die sich entsprechend den Vorgaben der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG auf die insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerkes bezogen hat. Die 1. SAG enthält unter B.III. (S. 118 ff.) eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen, die auf der von der Beigeladenen erarbeiteten Umweltverträglichkeitsuntersuchung zum Vorhaben „Stilllegung und Abbau der Anlage KWO (Gesamtvorhaben)“ beruht. Damit sind die insgesamt geplanten Maßnahmen der Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks - wie von Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG gefordert - vor Erteilung der 1. SAG einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die vor Erteilung der 1. SAG durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung der insgesamt geplanten Maßnahmen fehlerfrei erfolgt ist. Einwendungen gegen die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung wurden damals weder von Trägern öffentlicher Belange noch von Anwohnern erhoben; auch ist die 1. SAG vom 28.08.2008 in Bestandskraft erwachsen. Damit steht Einwendungen gegen die damals durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung - unabhängig von einer möglichen Präklusion nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AtVfV - bereits die Bestandskraft der 1. SAG entgegen.
17 
2.1.1.4 Entgegen der Auffassung der Antragsteller war vor Erteilung der 2. SAG eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung nicht deshalb erforderlich, weil diese Genehmigung die 1. SAG vollständig ersetzen sollte bzw. nach dem Willen der Beigeladenen ein völlig eigenständiges Genehmigungsverfahren eröffnet worden sei. Die Antragsteller verkennen in diesem Zusammenhang das Verhältnis der streitgegenständlichen 2. SAG zur bestandskräftig gewordenen 1. SAG vom 28.08.2008. Maßgebend für das Verhältnis der beiden Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen zueinander ist der Regelungsinhalt der 2. SAG, wie er sich aus dem Empfängerhorizont vor allem von Drittbetroffenen ergibt. Gerade im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren ist es im Hinblick auf den Einwendungsausschluss für Drittbetroffene nach Ablauf der Auslegungsfrist (§ 7 AtVfV), im gestuften Verfahren darüber hinaus auch durch die Bestandskraft vorangegangener Teilgenehmigungen (§ 7b AtG), rechtsstaatlich geboten, bei der Auslegung von Genehmigungsbescheiden auch auf den Empfängerhorizont potentiell Drittbetroffener abzustellen. Denn sonst obläge Drittbetroffenen zwar eine Anfechtungslast mit allen rechtlichen Nachteilen bei Versäumung von Anfechtungsfristen, ohne dass gewährleistet wäre, dass sie der Anfechtungslast auch tatsächlich nachkommen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.06.1991 - 7 C 43.90 - a.a.O.; Senatsurteil vom 07.03.1995 - 10 S 2822/92 - a.a.O.).
18 
Bei der gerade auch aus Rechtsschutzgründen gebotenen objektiven Auslegung der 2. SAG aus dem Empfängerhorizont eines Drittbetroffenen kann entgegen der Auffassung der Antragsteller keine Rede davon sein, dass die 2. SAG die 1. SAG vollständig abgelöst habe. Vielmehr hat die 2. SAG nach ihrem eindeutigen Tenor und ihrer Begründung lediglich die Vornahme einzelner Abbaumaßnahmen vor allem im Kontrollbereich genehmigt und darüber hinaus das Stilllegungsreglement teilweise geändert. Fehl geht insbesondere die Grundannahme der Antragsteller, die 2. SAG habe den Betrieb des externen Brennelementlagers im sog. „Notstandsgebäude“ (Bau 37) insgesamt und umfassend neu genehmigt.
19 
Bei der Ermittlung des Regelungsinhalts der 2. SAG durch Auslegung ist primär auf den Entscheidungstenor, daneben auf die von der Genehmigungsbehörde gegebene Begründung abzustellen. Dabei ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Bescheidtenors und seiner Systematik mit der gebotenen Eindeutigkeit, dass die 2. SAG die 1. SAG nicht vollständig ersetzen sollte. So gestattet die 2. SAG ausweislich des Bescheidausspruchs in A.I.1.1 (S. 6) „den Abbau der nachfolgend tabellarisch aufgeführten Anlagenteile der Anlage KWO“; insoweit wurde durch die angegriffene 2. SAG der Regelungsinhalt der 1. SAG vom 28.08.2008 erweitert. Zum anderen wird gemäß A.I.1.2 (S. 13) der 2. SAG das Betriebsreglement für die Fortführung des Stilllegungsbetriebs dahingehend geändert, dass die in A.II. Nr. 25 bis Nr. 56 dieser Genehmigung genannten Unterlagen die entsprechenden Unterlagen in A.II. Nr. 16 bis Nr. 48 des Stilllegungsreglements der 1. SAG ersetzen. Die 2. SAG enthält deshalb nach ihrem eindeutigen Tenor lediglich eine gegenständlich beschränkte Änderung des Stilllegungsbetriebs, ohne diesen insgesamt und erneut vollständig zu legalisieren.
20 
Für dieses Verständnis spricht auch die von der Genehmigungsbehörde gegebene Begründung zum Verhältnis der beiden Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen zueinander. Der Antragsgegner umschreibt in der beigegebenen Begründung den Genehmigungsumfang dahingehend, das „die 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung neben dem Abbau von Anlagenteilen im Kontrollbereich und von weiteren Anlagenteilen im Überwachungsbereich auch die Fortführung des mit der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung genehmigten Stilllegungsbetriebs nach einem geänderten Stilllegungsreglement“ beinhalte (B.I.2 der 2. SAG, S. 32). Übereinstimmend hiermit stellt die Genehmigung unter B.I.2.2 (S. 34 f. der 2. SAG) klar, dass der mit der 1. SAG genehmigte Stilllegungsbetrieb mit der 2. SAG weiter gilt. Unter B.I.2.3 (S. 36 f. der 2. SAG) grenzt der Antragsgegner den Regelungsumfang der 1. und 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung ausdrücklich voneinander ab. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „die 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung als eine zur 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung selbständige Genehmigung neben diese“ trete. Sie löse die für das KWO geltende 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für den weiteren Abbau insoweit ab, als in ihr Festlegungen und Gestattungen aus der 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung in Teilen angepasst, übernommen und geändert wurden; daneben enthalte sie die gesamten einhüllenden Gestattungen, die bis zum Ende des gesamten Stilllegungs- und Abbauvorhabens gelten sollten. Damit stellt die Genehmigungsbehörde auch in der Begründung eindeutig klar, dass Gegenstand der 2. SAG im Hinblick auf das Stilllegungsreglement nur die dort ausdrücklich genannten Änderungen sind, nicht jedoch das Stilllegungsreglement insgesamt. Soweit keine Änderungen im Stilllegungsreglement durch die 2. SAG vorgenommen werden, verbleibt es nach der eindeutigen Regelung im Bescheidtenor und der oben wiedergegebenen Begründung vielmehr bei dem Stilllegungsbetrieb entsprechend den Regelungen der bestandskräftigen 1. SAG.
21 
Ein gegenteiliges Verständnis kann auch nicht den sonstigen Regelungselementen des Bescheidtenors entnommen werden. Zutreffend weisen die Antragsteller zwar darauf hin, dass sich die 2. SAG gemäß A.I.1.5 auch auf den Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen nach § 2 Abs. 1 AtG und mit Kernbrennstoffen nach § 2 Abs. 3 AtG erstreckt. Aus dieser Bestimmung kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die 2. SAG das Betriebsreglement und insbesondere den Betrieb des externen Brennelementlagers vollständig neu regele. Bei der von den Antragstellern herangezogenen Regelung handelt es sich lediglich um die Erstreckung der atomrechtlichen Genehmigung auf einen an sich nach § 7 Abs. 1 StrlSchV genehmigungsbedürftigen Umgang mit Kernbrennstoffen gemäß § 7 Abs. 2 StrlSchV. Soweit eine solche Erstreckung der atomrechtlichen Genehmigung erfolgt, ist eine eigenständige Genehmigung nach § 7 Abs. 1 StrlSchV nicht mehr erforderlich. Bereits aus der Binnensystematik von § 7 StrlSchV und daneben aus dem systematischen Zusammenhang mit den atomrechtlichen Bestimmungen folgt, dass die Erstreckung nur soweit reichen kann, wie die atomrechtliche Genehmigung eine entsprechende Regelung enthält, die erstreckungsfähig ist. Hieraus folgt zugleich, dass die in A.I.1.5 enthaltene Erstreckung gemäß § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StrlSchV nicht weiter reichen kann als die im sonstigen Bescheidtenor enthaltenen atomrechtlichen Gestattungen. Auch in Bezug auf das Stilllegungsreglement kann die Erstreckung deshalb nicht über die durch die 2. SAG genehmigten Änderungen hinausgehen und nicht die Brennelementlagerung im Notstandsgebäude eigenständig regeln.
22 
Entgegen der Auffassung der Antragsteller kann aus der Systematik der in A.III. des Genehmigungstenors beigegebenen Nebenbestimmungen nicht ein abweichendes Verständnis des Genehmigungsumfangs der 2. SAG hergeleitet werden. Zwar beinhalten die Nebenbestimmungen insbesondere in A.III.3. Maßgaben zur Handhabung bestrahlter Brennelemente, die keine Beschränkung auf das Betriebsreglement der 2. SAG erkennen lassen. In der Einleitung zu den verfügten Nebenbestimmungen (S. 18 der 2. SAG) weist die Genehmigungsbehörde aber darauf hin, dass sämtliche Nebenbestimmungen an die Stelle der Nebenbestimmungen der 1. SAG treten und damit für den Gestattungsumfang beider Genehmigungen Geltung beanspruchen sollen. Bereits daraus folgt, dass die Genehmigungsbehörde lediglich aus Gründen der Klarheit sämtliche Nebenbestimmungen wiederholt und zusammengefasst hat, ohne damit eine inhaltlich abweichende Regelung gegenüber der 1. SAG zu treffen.
23 
Ebenso wenig können aus dem Genehmigungsantrag der Beigeladenen vom 15.12.2008 Anhaltspunkte für ein abweichendes Verhältnis der beiden Genehmigungen zueinander hergeleitet werden. Zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass die Beigeladene in ihrem ursprünglichen Antragsschreiben vom 15.12.2008 selbst von einem anderen Verständnis der beantragten Genehmigung zu der bestandskräftig erteilten 1. SAG ausgegangen ist. So führte die Beigeladene in dem Antragsschreiben vom 15.12.2008 ausdrücklich aus, „dass die vorliegend beantragte 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung die 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vollständig ablöst und bis zum Ende des gesamten Vorhabens gelten soll“. Damit hat die Beigeladene ihren eindeutigen Willen zum Ausdruck gebracht, dass sie ein umfassendes und vollständig eigenständiges Genehmigungsverfahren in Gang setzen wollte, mit dem das Stilllegungsreglement für das Kernkraftwerk insgesamt einer neuen genehmigungsrechtlichen Grundlage unterstellt werden sollte. Für einen derartigen Willen der Beigeladenen sprechen auch weitere Ausführungen in der Begründung ihres Genehmigungsantrags. Zu Recht weist die Beigeladene aber darauf hin, dass ihr Antragsschreiben vom 15.12.2008 nicht für die Ermittlung des Genehmigungsinhalts der 2. SAG maßgeblich ist. Wie oben näher dargestellt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Ermittlung des Inhalts einer atomrechtlichen Genehmigung gerade aus Rechtsschutzgründen auf den Inhalt der Genehmigungsurkunde selbst abzustellen, vor allem primär auf den Bescheidtenor und daneben die von der Behörde beigegebene Begründung. Auf Umstände außerhalb der Genehmigungsurkunde kann allenfalls untergeordnet und zur Beseitigung von Auslegungszweifeln abgestellt werden, wobei sich die Auslegung dabei freilich nicht in Widerspruch zu dem ausdrücklichen Bescheidinhalt setzen darf. Im Übrigen hat die Beigeladene ihre Ausführungen in dem ursprünglichen Antragsschreiben vom 15.12.2008 im Genehmigungsverfahren nicht aufrecht erhalten, sondern mit Schreiben an den Antragsgegner vom 31.08.2009 berichtigt. Dabei führte die Beigeladene ausdrücklich aus, dass die 2. SAG nunmehr eine zur 1. SAG selbständige Genehmigung darstellen solle; als solche trete die 2. SAG neben die 1. SAG. Regelungen der 1. SAG könnten gegenstandslos und in Teilen angepasst oder übernommen werden (vgl. S. 2 des Anschreibens der Beigeladenen vom 31.08.2009). Von diesem geänderten Verständnis der Beigeladenen ist im Übrigen - wie oben dargestellt - auch die Genehmigungsbehörde in der Begründung der 2. SAG ausgegangen (vgl. S. 37).
24 
Auch der Versuch der Antragsteller, aus den dem Genehmigungsantrag beigefügten Unterlagen ein anderweitiges Verständnis der beiden Genehmigungen zueinander herzuleiten, geht fehl. Zuzugeben ist den Antragstellern zwar, dass der von der Beigeladenen vorgelegte technische Bericht „Stilllegung und Abbau KWO - 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung - Störfallbetrachtung“ des Gutachters ... vom 31.03.2010 offenbar davon ausgeht, dass das Stilllegungsreglement durch die 2. SAG vollständig neu geregelt werden soll. Hierfür spricht, dass der Gutachter in seiner Störfallbetrachtung auch Szenarien berücksichtigt, die lediglich von der 1. SAG umfasste Maßnahmen beinhalten. Auch hier gelten jedoch die oben angestellten Erwägungen, wonach für die Ermittlung des Genehmigungsinhalts primär auf die Genehmigung selbst, nicht jedoch auf die Antragsunterlagen abzustellen ist. Im Übrigen ist der technische Bericht des Gutachters ... weder Grundlage noch Inhalt der 2. SAG; er ist in A.II. der 2. SAG nicht als Genehmigungsgrundlage erwähnt.
25 
Aus ähnlichen Gründen kann auch aus den der Genehmigung zugrundeliegenden Erläuterungsberichten Nrn. 1, 13 und Nr. 15 nicht entnommen werden, dass die 2. SAG den Betrieb des externen Lagerbeckens neu genehmige. Diese Erläuterungsberichte enthalten im Wesentlichen eine Beschreibung des Anlagenzustandes in verschiedener Hinsicht, etwa eine Charakterisierung des radiologischen Ausgangszustands oder eine Beschreibung des Gesamtvorhabens. Es liegt deshalb auf der Hand, dass in diesen Unterlagen technische Beschreibungen enthalten sind, die über den Regelungsinhalt der beantragten 2. SAG hinausgehen. Von diesem Verständnis ist auch der Antragsgegner ausgegangen, der diese Unterlagen unter A.II. der 2. SAG lediglich als Grundlage der Genehmigung, nicht aber als Genehmigungsinhalt aufgeführt hat. Entgegen der Auffassung der Antragsteller kann schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass in dem von der Beigeladenen mit dem Genehmigungsantrag vorgelegten Stilllegungshandbuch der Betrieb des externen Brennelementlagers in Bau 37 wiederholt erwähnt wird, geschlossen werden, der Stilllegungsbetrieb solle mit der 2. SAG insgesamt und umfassend neu geregelt werden. Zum einen ist - wie oben näher dargestellt - aus Rechtsschutzgesichtspunkten zur Ermittlung des Genehmigungsinhalts nicht auf technische Unterlagen wie das Stilllegungshandbuch abzustellen. Zum anderen trägt das neu erstellte Stilllegungshandbuch der Beigeladenen lediglich dem Umstand Rechnung, dass durch die 2. SAG der Stilllegungsbetrieb modifiziert wurde, was im Stilllegungshandbuch zu berücksichtigen war. Schließlich ist bei der hier vorzunehmenden Auslegung der von den Antragstellern herangezogene Schriftwechsel zwischen dem Antragsgegner und dem Bundesministerium für Umwelt unergiebig. Das von den Antragstellern erwähnte e-mail des Bundesumweltministeriums vom 12.10.2011 ist in anderen, nämlich aufsichtlichen Zusammenhängen ergangen und bezieht sich auf den geplanten Abbau von Elementen des externen Brennelementlagers im Notstandsgebäude. Der - nach dem oben Gesagten für die Auslegung der Genehmigung im Übrigen nicht maßgeblichen - Korrespondenz des Antragsgegners mit der Aufsichtsbehörde lässt sich deshalb nichts für die hier in Rede stehende Frage des Umfangs des Betriebsreglements der 2. SAG entnehmen.
26 
Nach alldem kann entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht davon ausgegangen werden, dass die 2. SAG den Stilllegungsbetrieb insgesamt erneut geregelt und dabei den Betrieb des externen Brennelementlagers im Notstandsgebäude eigenständig gestattet hat. Gegenstand des Antrags auf Erteilung der 2. SAG waren deshalb nur die dort im Einzelnen aufgeführten Änderungen des Stilllegungsreglements, nicht jedoch die „insgesamt geplanten Maßnahmen“ im Sinne von Nr. 11.1.1 der Anlage 1 zum UVPG.
27 
2.1.2 Entgegen der Auffassung der Antragsteller leidet die von dem Antragsgegner durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles nicht an einem zur Aufhebung der Genehmigung führenden relativen Verfahrensfehler. Dabei spricht zwar vieles dafür, dass § 4 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG - anders als die Überschrift nahelegt - keine abschließende Regelung über die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern enthält, sondern nur die dort genannten Fallgruppen zu absoluten Verfahrensfehlern erklärt, ohne die Beachtlichkeit anderer Verfahrensfehler nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. etwa § 46 VwVfG, § 44a VwGO) auszuschließen (vgl. hierzu näher Urteil des Senats vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - ZUR 2011, 600 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dies bedarf hier jedoch ebenso wenig einer weitergehenden Erörterung wie die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umstrittene Frage, ob ein gegenteiliges Normverständnis mit den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 10a Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG in der durch die Richtlinie 2003/35/EG geänderten Fassung, jetzt Art. 11 RL 2011/92/EU vereinbar ist (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2012 - 7 C 20.11 - NVwZ 2012, 448). Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung leidet die von dem Antragsgegner durchgeführte Vorprüfung der einzelnen Maßnahmen, die Gegenstand der 2. SAG sind, auf ihre Umweltrelevanz gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. § 3c Satz 1 und 3 UVPG nicht an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden relativen Verfahrensfehler.
28 
2.1.2.1 Beruht die Entscheidung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG, ist gemäß § 3a Satz 4 UVPG die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens ausschließlich daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Diese Einschränkung des gerichtlichen Kontrollumfangs gilt auch für alle Fälle der Vorprüfung, in denen auf § 3c UVPG verwiesen wird, mithin auch für die Vorprüfung nach Maßgabe von § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG (vgl. hierzu näher Dienes in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3a UVPG RdNr. 26.1). Gemäß der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 551/06, S. 43 f.) soll durch die Regelung des § 3a Satz 4 UVPG dem Umstand Rechnung getragen werden, dass § 3c UVPG der zuständigen Behörde mit der Formulierung „nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung“ einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt. Nachvollziehbarkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass das Ergebnis der behördlichen Prognose nach § 12 UVPG durch ein Gericht nicht auf materielle Richtigkeit, sondern lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.07.2010 - OVG 11 S 45.09 - juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 24.02.2010 - 5 Bs 24/10 - UPR 2010, 445). Im gerichtlichen Verfahren zu beanstandende Rechtsfehler, welche die Nachvollziehbarkeit ausschließen, liegen lediglich dann vor, wenn die Vorprüfung entweder Ermittlungsfehler aufweist, die so schwer wiegen, dass sie ersichtlich auf das Ergebnis durchschlagen konnten, oder wenn das Ergebnis außerhalb des Rahmens zulässiger Einschätzung liegt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 24.02.2010 - 5 Bs 24/10 - a.a.O.).
29 
Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass die von dem Antragsgegner durchgeführte Umweltverträglichkeitsvorprüfung einen derartigen schwerwiegenden Ermittlungs- oder Bewertungsfehler aufweist, der im gerichtlichen Verfahren beanstandet werden könnte. Auch die Antragsteller legen nicht dar, dass die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls an einem Verfahrensfehler leidet oder deren Ergebnis nicht nachvollziehbar wäre. Die Beigeladene hat die mit der 2. SAG beantragten Einzelmaßnahmen einer Vorprüfung nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3c Satz 1 und 3 UVPG unterzogen und das Ergebnis in dem den Antragsunterlagen beigefügten Bericht vom 11.12.2008 festgehalten. Dabei ist die Beigeladene zu dem Ergebnis gelangt, dass die geplanten Einzelmaßnahmen keine wesentlichen Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter des § 1a AtVfV bzw. § 2a UVPG haben. Der Antragsgegner hat - wie sich einem Aktenvermerk vom 26.01.2009 entnehmen lässt - die Vorprüfung der Beigeladenen dahingehend kritisch gewürdigt, ob die relevanten Auswirkungen des Vorhabens der 2. SAG auf die Schutzgüter durch die Ergebnisse der im Rahmen des Gesamtvorhabens durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung vollständig erfasst wurden und abgedeckt sind. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass bei der Ausnutzung der 2. SAG keine umweltrelevanten Wirkungen eintreten, die zu erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen gegenüber den Umweltauswirkungen führen, die Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung im Verfahren zur Erteilung der 1. SAG waren. Dieses Ergebnis hat der Antragsgegner ordnungsgemäß gemäß § 3a Satz 2 UVPG öffentlich bekannt gemacht. Zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass der Prüfvermerk des Antragsgegners vom 26.01.2009 über die Plausibilität der durchgeführten Vorprüfung sehr knapp gehalten ist, weshalb die von der Genehmigungsbehörde in diesem Zusammenhang im Einzelnen angestellten Erwägungen nicht vollständig nachvollzogen werden können. Dies führt jedenfalls bei summarischer Prüfung gleichwohl nicht zu einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Fehler im oben dargestellten Sinne, da die von der Beigeladenen durchgeführten Vorprüfungen in ihrem Bericht vom 11.12.2008 wesentlich detaillierter dargestellt sind und die Behörde sich ersichtlich diese Erwägungen zu Eigen gemacht hat.
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2.1.2.2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller enthält die 2. SAG bei summarischer Sachverhaltsprüfung keine relevanten Änderungen gegenüber der im Rahmen der Erteilung der 1. SAG durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung, die eine zumindest teilweise neue Verträglichkeitsprüfung erforderlich gemacht hätten. Vielmehr hält sich der mit der 2. SAG genehmigte Abbau und die Änderungen des Stilllegungsreglements im Rahmen der im Antrag zur 1. SAG dargestellten insgesamt geplanten Maßnahmen, die Gegenstand der durchgeführten Prüfung nach Nr. 11.1 der Anlage 1 zum UVPG waren.
31 
Eine wesentliche Abänderung des mit der 2. SAG genehmigten Vorhabens gegenüber der im Rahmen der 1. SAG dargelegten Gesamtmaßnahme kann nicht in der Errichtung der Materialschleuse zum Reaktorgebäude gesehen werden. Der Bau der neuen Materialschleuse ist nicht Gegenstand der 2. SAG, sondern wurde mit einer bestandskräftigen Änderungsgenehmigung zur 1. SAG vom 21.04.2010 legalisiert. Bereits aufgrund der Bestandskraft dieser Änderungsgenehmigung kann die Errichtung der Materialschleuse als solche nicht als den Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung überschreitende Änderung angesehen werden. In diesem Zusammenhang ist deshalb lediglich die Umweltrelevanz von Änderungen des Betriebsreglements zu betrachten, die durch die Errichtung der Materialschleuse eingetreten sind. Bei summarischer Prüfung dürfte der Antragsgegner zutreffend davon ausgegangen sein, dass durch die wohl untergeordneten Änderungen des Betriebsreglements durch Errichtung der neuen Materialschleuse keine derartigen umweltrelevanten Auswirkungen eintreten können, die den Rahmen der bei Erteilung der 1. SAG insgesamt geprüften Maßnahmen überschreiten. Hiergegen spricht, dass bereits im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 davon ausgegangen wurde, dass im Zuge der Abbaumaßnahmen bauliche Änderungen im Reaktorgebäude notwendig werden können (vgl. S. 112 des Sicherheitsberichts zur 1. SAG).
32 
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist auch durch die abweichende Gestaltung der einzelnen Genehmigungsschritte keine wesentliche Änderung der insgesamt geplanten Maßnahmen eingetreten, die Gegenstand der 1. SAG und der Umweltverträglichkeitsprüfung vor deren Erteilung waren. Zutreffend weisen die Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beigeladene mit ihrem Antrag zur Erteilung der 2. SAG von den Genehmigungsschritten abweicht, welche im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 und dem damaligen Genehmigungsantrag dargestellt waren. Insbesondere hat der damalige Genehmigungsantrag vorgesehen, dass in einem umfassenderen 2. Abbauschritt die stärker aktivierten Anlagenteile des Kon-trollbereichs vollständig abgebaut werden sollen, vor allem auch der Reaktordruckbehälter (vgl. die Darstellung der vorgesehenen Genehmigungsschritte im Sicherheitsbericht vom 19.05.2006, S. 12, 15 und 16). Von diesem ursprünglich geplanten Verfahrensablauf weicht der Antrag der Beigeladenen zur Erteilung der 2. SAG insoweit ab, als nunmehr ein weiterer Genehmigungsschritt vorgesehen wird und mit der beantragten 2. SAG lediglich ein Teil der aktivierten Anlagenteile im Kontrollbereich abgebaut werden soll. So soll die 2. SAG nur noch den Abbau des Reaktordruckbehälterdeckels, nicht jedoch des stark aktivierten Reaktordruckbehälterunterteils, der Reaktoreinbauten sowie des biologischen Schilds im Kontrollbereich umfassen; diese Abbaumaßnahmen sollen vielmehr einer bereits beantragten, jedoch noch nicht erteilten 3. SAG vorbehalten bleiben.
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Durch diese geänderte Genehmigungsabfolge wird indes nicht der mit der 1. SAG geprüfte Gesamtumfang der geplanten Maßnahmen mit der Folge verlassen, dass nunmehr eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung des Vorhabens zu erfolgen hätte. Zum einen hat die Beigeladene bereits in ihrem Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 (S. 16) explizit darauf hingewiesen, dass bei der für den zweiten Genehmigungsschritt noch durchzuführenden Detailabbauplanung sich unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie und von technischen Notwendigkeiten ergeben könne, dass zur Umsetzung der Abbauarbeiten im zweiten Abbauschritt mehr als nur ein Genehmigungsantrag erforderlich werde. Aufgrund dieser Angaben im Sicherheitsbericht stand bereits bei Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung des Gesamtvorhabens im Rahmen der 1. SAG fest, dass die vorgesehenen Genehmigungsschritte keine verbindliche Planung darstellen. Zum anderen weisen der Antragsgegner und die Beigeladene zutreffend darauf hin, dass allein eine geänderte Abfolge der zu beantragenden Genehmigungen und die Zuordnung der Abbauschritte hierzu nicht zu relevanten Umweltauswirkungen führen kann. Maßgeblich hierfür ist allein, ob die mit der ursprünglichen Planung vorgesehenen konkreten Abbaumaßnahmen bzw. Abbauschritte eingehalten werden oder ob auch insoweit eine relevante Änderung eingetreten ist. Wie sich der Darstellung der Abbaufolge auf S. 76 f. des Sicherheitsberichts vom 19.05.2006 entnehmen lässt, wird durch die geänderte Aufteilung der Genehmigungsschritte nicht von den technisch vorgesehenen Abbaumaßnahmen abgewichen. Im Übrigen wies die Beigeladene bei der Beschreibung des zweiten Abbauschritts (S. 90 f. des Sicherheitsberichts) bereits darauf hin, dass die konkrete Abbaufolge erst im Rahmen der Detailplanung des 2. Abbauschritts festgelegt werden könne. Durch die mit der 2. SAG vorgenommene Modifizierung tritt deshalb keine Änderung der technischen Abbauplanung ein, sondern lediglich eine Verschiebung von Maßnahmen in einen späteren Genehmigungsschritt. Gerade im Hinblick auf die Umweltrelevanz eines Vorhabens ist jedoch unerheblich, in welchem Genehmigungsschritt eine konkrete Einzelmaßnahme erfolgen soll. Entscheidend ist allein, dass sich die Ausführungsmaßnahmen innerhalb der insgesamt geplanten Maßnahmen halten, die Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der 1. SAG waren. Unerheblich dürfte in diesem Zusammenhang auch der Hinweis der Antragsteller sein, durch den Abbau des Reaktordruckbehälters in zwei Genehmigungsschritten stünden das Druckbehälter-Unterteil und die stark aktivierten Kerneinbauten für längere Zeit offen. Dem steht bereits entgegen, dass auch in der ursprünglich geprüften Genehmigungsplanung und dem Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 keine zeitlichen Vorgaben für den Abbau des Reaktordruckbehälters enthalten waren. Auch ohne die nunmehr vorgesehene Aufspaltung des Abbaus des Reaktordruckbehälters in zwei Genehmigungsschritten war deshalb nicht sichergestellt, dass dieser in einem engen zeitlichen Rahmen abgebaut wird.
34 
Eine wesentliche Änderung dürfte schließlich nicht dadurch eingetreten sein, dass eine längere Lagerung der Brennelemente im externen Nasslager (sog. Notstandsgebäude, Bau 37) erfolgen soll. Zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass nach der ursprünglichen zeitlichen Planung der Beigeladenen bis ca. 2011 alle bestrahlten Brennelemente in das beantragte Standortzwischenlager verbracht werden sollten, so dass die Anlage bei Beginn des zweiten Abbauschrittes brennstofffrei gewesen wäre. Die weitere Lagerung der abgebrannten Brennstäbe im Notstandsgebäude führt jedoch entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht dazu, dass der Rahmen der im Zuge der Erteilung der 1. SAG durchgeführten Umweltverträglichkeits-prüfung überschritten würde. Zum einen handelt es sich bei der oben dargestellten zeitlichen Abfolge lediglich um eine unverbindliche Planung der Beigeladenen, die unter dem Vorbehalt veränderter Umstände, insbesondere einer Verzögerung der Genehmigungserteilung für das Standortzwischenlager, stand. So wurde bereits im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass möglicherweise der Abtransport der bestrahlten Brennelemente aus der Anlage KWO nicht - wie vorgesehen - bis ca. 2011 abgeschlossen sein könne, etwa weil das beantragte BE-Zwischenlager zu diesem Zeitpunkt noch nicht betriebsbereit sei (vgl. S. 70 und 90 des Sicherheitsberichts). In diesem Fall sollte nach der im Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 dargelegten Konzeption der Stilllegungsbetrieb unter dem Regime der 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung auch die weitere Lagerung der bestrahlten KWO-Brennelemente im externen Nasslager bis zum vollständigen Abtransport aus der Anlage umfassen. Aufgrund dieser Darstellungen im Sicherheitsbericht war die weitergehende Lagerung von Brennelementen im externen Lager auch zum Zeitpunkt des zweiten Abbauschritts Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung, die im Rahmen der Erteilung der 1. SAG durchgeführt wurde.
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Zum anderen wurde die externe Brennelementlagerung im Notstandsgebäude mit einer der Beigeladenen erteilten Genehmigung vom 26.10.1998 gestattet, welche bestandskräftig wurde (vgl. hierzu auch den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des Senats vom 15.09.1999 - 10 S 1991/99 - VBlBW 2000, 149). Etwaige mit der externen Brennelementlagerung verbundenen Umweltauswirkungen waren bei Erteilung der 2. SAG daher nur insoweit in den Blick zu nehmen, als das Betriebsreglement in Bezug hierauf geändert wurde. Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die geringfügigen Änderungen des Betriebsreglements hinsichtlich der Lagerung der Brennelemente im externen Nasslager in einer für die Schutzgüter der Umweltverträglichkeitsprüfung relevanten Weise auswirken könnten. Ferner sollten nach den Darlegungen im Sicherheitsbericht die mit der 2. SAG beantragten Abbaumaßnahmen dergestalt rückwirkungsfrei erfolgen, dass die Lagerung der Brennelemente und der hierfür erforderlichen Sicherheitseinrichtungen im Notstandsgebäude durch die Maßnahmen nicht beeinträchtigt werden kann. Eine wesentliche Abweichung durch die längere Lagerung, bezogen auf die insgesamt geplanten Maßnahmen, liegt deshalb nicht vor.
36 
Nach alldem hat der Antragsgegner die mit der 2. SAG geplanten Einzelmaßnahmen zu Recht keiner weiteren vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen, sondern lediglich rechtsfehlerfrei eine Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG durchgeführt.
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2.1.3 Entgegen der Auffassung der Antragsteller war vor Erteilung der 2. SAG weder eine obligatorische (dazu unter 2.1.3.1) noch eine fakultative (dazu unter 2.1.3.2) Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.
38 
2.1.3.1 Zutreffend ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die von der Beigeladenen im Rahmen der 2. SAG beantragten Einzelmaßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks Obrigheim nicht einer obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung bedurften. Gemäß § 19b Abs. 2 AtVfV kann abweichend von § 4 Abs. 4 AtVfV von einer Bekanntmachung und Auslegung des Vorhabens dann nicht abgesehen werden, wenn für eine ortsfeste Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen, deren Höchstleistung 1 KW thermische Dauerleistung überschreitet, erstmals eine Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG beantragt wird. Bei den von der Beigeladenen beantragten Maßnahmen handelte es sich jedoch nicht um einen erstmaligen Antrag auf Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung im Sinne von § 7 Abs. 3 AtG. Auch wenn es sich bei der 1. und 2. Stilllegungsgenehmigung - wie oben unter 2.1.1.3 näher dargestellt - um selbständige Genehmigungen und nicht um Teilgenehmigungen im Sinne von § 18 AtVfV handelt, sind die Genehmigungen aufeinander bezogen und gestatten ein einheitliches Vorhaben im Sinne von § 19b Abs. 1 AtVfV. In diesem Zusammenhang kann auf die oben angestellten Erwägungen zu der Bestimmung der Nr. 11.1 der Anlage 1 zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz verwiesen werden, da diese auch im hier in Rede stehenden Zusammenhang Geltung beanspruchen. Schließlich war - wie oben näher dargestellt - für die mit der 2. SAG beantragten Maßnahmen keine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so dass eine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AtVfV geboten war.
39 
2.1.3.2 Der Antragsgegner hat unter fehlerfreier Betätigung seines Ermessens von einer erneuten fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung vor Erteilung der 2. SAG abgesehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Absehen von einer fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung nach Ermessen gemäß § 19b, § 4 Abs. 4 AtVfV lagen vor. Nach § 19b Abs. 1 AtVfV müssen die Unterlagen, die einem erstmaligen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG beizufügen sind, u.a. Angaben zu den insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau der Anlage oder von Anlagenteilen enthalten. Für den hier in Rede stehenden weiteren Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 3 AtG bleibt es dagegen gemäß 19b Abs. 2 AtVfV bei der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 4 Satz 1 AtVfV. Danach kann die Genehmigungsbehörde von der Bekanntmachung und Auslegung unter den in § 4 Abs. 2 AtVfV genannten Voraussetzungen absehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Sicherheitsbericht keine zusätzlichen oder anderen Umstände darzulegen wären, die nachteilige Auswirkungen für Dritte besorgen lassen.
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Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls bei summarischer Prüfung für das Genehmigungsverfahren der 2. SAG vor. Im Sicherheitsbericht zur 1. SAG ist das Gesamtvorhaben der Stilllegung und des Abbaus des Kernkraftwerks Obrigheim in einer den Anforderungen des § 19b Abs. 1 Satz 1 AtVfV genügenden Weise dargestellt. Die Beigeladene hat in ihrem Sicherheitsbericht vom 19.05.2006 das von ihr verfolgte Gesamtkonzept zum Abbau und zur Stilllegung der von ihr betriebenen kerntechnischen Anlage in den Grundzügen so konkret beschrieben, dass auch für Dritte eine Beurteilung der insgesamt geplanten Maßnahmen möglich war. Insbesondere hat sie im Sicherheitsbericht die insgesamt geplanten Maßnahmen, die Reihenfolge der einzelnen Abbauschritte und die dabei zu verwendenden Methoden so detailliert dargestellt, dass auch die interessierte Öffentlichkeit sowohl die mögliche Rückwirkungsfreiheit der Maßnahmen als auch das Vorliegen einer sinnvollen Abbaureihenfolge prüfen konnte. Auch hat die Beigeladene in den Unterlagen den Anforderungen des § 19b Abs. 1 Satz 2 AtVfV entsprechend weiter dargelegt, welche Auswirkungen die Maßnahmen nach dem jeweiligen Planungsstand voraussichtlich auf die in § 1a AtVfV genannten Schutzgüter haben werden. Wie oben unter 2.1.2.2 näher dargelegt, wichen die mit der 2. SAG gestatteten Einzelmaßnahmen auch nicht in einer Weise von der im Sicherheitsbericht zur 1. SAG dargestellten Abbauplanung ab, dass der vorgegebene Rahmen der Gesamtmaßnahmen überschritten worden wäre. Es stand deshalb im Ermessen des Antragsgegners, auf eine fakultative Öffentlichkeitsbeteiligung zu verzichten.
41 
Wie sich aus der Begründung der 2. SAG (B.I. 2.4.1) ergibt, hat der Antragsgegner das ihm eröffnete Ermessen erkannt; die im Rahmen der Ermessensausübung angestellten Erwägungen leiden nicht an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Mangel. Der Antragsgegner hat sich bei der Ausübung seines Ermessens im Wesentlichen davon leiten lassen, dass die Durchführung einer fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung weder relevante neue Informationen für die zu treffende Genehmigungsentscheidung liefern würde noch für die Rechtsschutz suchende Öffentlichkeit erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang hat er darauf abgehoben, dass durch die beantragten Abbau- und Stilllegungsmaßnahmen keine nachteiligen Auswirkungen für Dritte zu erwarten seien und bei der Durchführung eines fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens nicht mit einem wesentlichen Erkenntnisgewinn gerechnet werden könne. Diese Einschätzung des Antragsgegners ist zumindest vertretbar und kann deshalb nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die abschließend von dem Antragsgegner getroffene Abwägungsentscheidung zwischen den Belangen der interessierten Öffentlichkeit und dem öffentlichen Interesse an einer beschleunigten Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen bzw. der privaten Belange der Beigeladenen keinen Bedenken.
42 
Lediglich zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass die Antragsteller wohl auch bei einer fehlerhaft unterbliebenen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht in eigenen Rechten verletzt wären. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermittelt das atomrechtliche Verfahrensrecht Drittschutz nur im Hinblick auf eine bestmögliche Verwirklichung einer materiellen Rechtsposition. Dies hat zur Folge, dass ein auf einen Fehler des Verwaltungsverfahrens gestützter Rechtsbehelf eines Dritten nur Erfolg haben kann, wenn er dartut, dass und inwieweit sich die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift auf seine materiell-rechtliche Rechtsposition ausgewirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - BVerwGE 104, 36; sowie Beschluss vom 12.07.1993 - 7 B 114.92 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 42). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Dritte infolge des Verfahrensfehlers daran gehindert worden ist, Umstände vorzutragen, welche die Behörde nicht beachtet hat, denen sie aber bei einer den Anforderungen des § 7 Abs. 3 und Abs. 2 AtG entsprechenden Ermittlung und Bewertung von Risikofaktoren hätte nachgehen müssen. Eine derartige Beeinträchtigung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten wird von den Antragstellern nicht dargetan und liegt bereits deshalb fern, weil ihnen von dem Antragsgegner jedenfalls nach Erteilung der 2. SAG umfassende Akteneinsicht gewährt worden ist.
43 
Nach alledem ist die 2. SAG nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
44 
2.2 Die der Beigeladenen erteilte 2. SAG leidet jedenfalls bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht an einem durchgreifenden materiell-rechtlichen Mangel. Der Antragsgegner hat die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik den Antragstellern gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die genehmigten Stilllegungs- und Abbaumaßnahmen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG (dazu unter 2.2.1) und einen den Antragstellern gegenüber erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG (dazu unter 2.2.2) als gewährleistet ansehen dürfen. Auch kann der Antrag nicht auf die behauptete fehlende Entsorgungsvorsorge gestützt werden (dazu unter 2.2.3).
45 
2.2.1 Jedenfalls bei summarischer Prüfung durfte der Antragsgegner die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 2 AtG erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die mit der 2. SAG gestatteten Einzelmaßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau der kerntechnischen Anlage der Beigeladenen als getroffen ansehen.
46 
2.2.1.1 Ob die erforderliche Vorsorge gegen Schäden im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gewährleistet ist, kann der Senat nur eingeschränkt überprüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, dass die Exekutive die Verantwortung für die Risikoermittlung und Risikobewertung trägt, auch für die Entscheidung über Art und Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.01.1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115; BVerfG, Beschluss vom 10.11.2009 - 1 BvR 1178/07 - NVwZ 2010, 114 - jeweils mit weiteren Nachweisen aus der umfassenden Rechtsprechung). Daraus folgt, dass es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Die Exekutive ist für die Risikoermittlung und -bewertung, also auch für die Entscheidung über Art und Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden müssen, allein verantwortlich (BVerwG, Urteil vom 14.01.1998 - 11 C 11.96 - a.a.O.; Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129). Reichweite und Grenzen des sog. exekutiven Funktionsvorbehalts ergeben sich aus dem materiellen Recht, namentlich dessen Sinn und Zweck.
47 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient der Funktionsvorbehalt der Exekutive einem dynamischen Grundrechtsschutz und rechtfertigt sich auch daraus, dass im Atomrecht die erforderliche Schadensvorsorge am in die Zukunft hinein offenen, die bestmögliche Verwirklichung des Schutzzwecks des § 1 Nr. 2 AtG gewährleistenden Maßstab des Stands von Wissenschaft und Technik zu messen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - ZNER 2012, 288). Es ist insoweit nicht Sache der Gerichte, Prognosen der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf Situationen zu korrigieren, die allenfalls im Grenzbereich des nach praktischer Vernunft noch Möglichen liegen können. Allerdings ist das Maß des erforderlichen Schutzes normativ vorgegeben. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AtG legt die Exekutive normativ auf den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsoge fest und lässt die Genehmigungserteilung nur zu, wenn Gefahren und Risiken durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage „praktisch ausgeschlossen“ erscheinen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12.11.2008 - 1 BvR 2456/06 - DVBl. 2009, 642). Dementsprechend unterliegen die behördliche Risikoermittlung und -bewertung einschließlich des hinzunehmenden Restrisikos nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt, die Behörde also im Hinblick auf die Ergebnisse des von ihr durchgeführten Genehmigungsverfahrens „diese Überzeugung von Rechts wegen haben durfte“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1987 - 7 C 4.85 - BVerwGE 78, 177; Beschluss vom 02.07.1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 654; Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.). Das Gericht ist deshalb auf die Nachprüfung beschränkt, ob die Genehmigungsbehörde willkürfrei annehmen durfte, dass der erforderliche Schutz gegen die Risiken einer Leben oder Gesundheit Drittbetroffener möglicherweise gefährdenden Freisetzung ionisierender Strahlen nach Maßgabe des insoweit vorgesehenen Sicherungs- und Schutzkonzepts gewährleistet ist und Risiken damit praktisch nicht zu gegenwärtigen sind. Die Behörde darf aber nicht maßgebliche wissenschaftliche Erkenntnisse negieren oder in grober Weise fehl gewichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.1996 - 11 C 9.95 - DVBl. 1997, 52). Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und -bewertung ist nach Maßgabe des sich daraus ergebenden Besorgnispotenzials durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - a.a.O.).
48 
2.2.1.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze durfte der Antragsgegner davon ausgehen, dass die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Beeinträchtigungen, die aus einer planmäßigen Durchführung der mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen und des genehmigten Stilllegungsreglements herrühren, getroffen worden ist. Welches Risiko hiernach bei der Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung Drittbetroffenen zugemutet werden darf, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 1 Nr. 2 AtG die Exekutive dazu ermächtigt, näher zu bestimmen, welche Vorsorge zu treffen ist, damit bestimmte Strahlendosen und Konzentrationen radioaktiver Stoffe in der Luft und im Wasser nicht überschritten werden. Die erforderliche Vorsorge dafür, dass bestimmte Strahlendosen und bestimmte Konzentrationen radioaktiver Stoffe in Luft und Wasser nicht überschritten werden, wird durch die Bestimmung der Dosisgrenzwerte (§ 47 StrlSchV) konkretisiert. Dieser Wert konkretisiert die Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil er die äußerste, nicht mehr überschreitbare Grenze der erforderlichen Schadensvorsorge und damit nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Einzelnen vor den Gefahren und Risiken der Kernenergie bewahren soll. Soweit die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik dem Einzelnen gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansehen darf, hat es damit auch für den Drittschutz sein Bewenden. Mehr als die erforderliche Vorsorge, die auf den praktischen Ausschluss eines sich als Grundrechtsverletzung darstellenden Schadens hinausläuft, kann ein Dritter nicht verlangen. Insbesondere gibt es keinen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung der Strahlenexpositionen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.; Urteil vom 22.12.1980 - 7 C 84.78 - BVerwGE 61, 256).
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Die Genehmigungsbehörde ist aufgrund der von der Beigeladenen vorgelegten fachkundigen Berechnungen, die von dem gemäß § 20 AtG herangezogenen Sachverständigen geprüft worden sind, zu dem Ergebnis gelangt, dass bei Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen und einem ordnungsgemäßen Stilllegungsbetrieb die gemäß § 47 StrlSchV hinzunehmenden Werte bei weitem nicht erreicht werden. Die Antragsteller haben insoweit nicht substantiiert vorgebracht, durch welche Defizite der Schadensvorsorge sie sich in eigenen Rechten verletzt fühlen. Letztendlich wird von den Antragstellern nicht geltend gemacht, dass die Überschreitung von Grenzwerten für den bestimmungsgemäßen Stilllegungsbetrieb droht. Die Antragsteller sehen vielmehr lediglich einen Verstoß gegen das Strahlenminimierungsgebot des § 6 StrlSchV, der nach dem oben Gesagten jedoch nicht drittschützend ist.
50 
2.2.1.3 Entgegen der Auffassung der Antragsteller durfte die Genehmigungsbehörde bei summarischer Prüfung auch die erforderliche Vorsorge gegen die Auswirkungen von Störfällen, die in Ausnutzung der mit der 2. SAG genehmigten Einzelmaßnahmen zu betrachten waren, als getroffen ansehen. Die erforderliche Vorsorge dafür, dass bestimmte Strahlendosen bei den zu betrachtenden Störfallereignissen nicht überschritten werden, wird durch den anwendbaren Störfallplanungswert abschließend konkretisiert; auch insoweit gibt es keinen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung der Strahlenexposition bei den zu betrachtenden Störfallereignissen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - BVerwGE 104, 36; sowie vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.). Zutreffend ist die Genehmigungsbehörde auch davon ausgegangen, dass der für den Abbau und die Stilllegung von Kernkraftwerken maßgebende Störfallplanungswert gemäß § 117 Abs. 16 StrlSchV i.V.m. § 50 StrlSchV 50 mSv beträgt.
51 
Jedenfalls bei summarischer Prüfung ist die von der Genehmigungsbehörde durchgeführte Störfallbetrachtung nicht zu beanstanden. Die Beigeladene hat mit ihren Genehmigungsunterlagen eine Störfallbetrachtung des Sachverständigenbüros ... vom 31.03.2010 vorgelegt, die von dem amtlich bestellten Sachverständigen (§ 20 AtG) und der Genehmigungsbehörde kritisch gewürdigt wurde. Die Gutachter haben im Rahmen ihrer Störfallbetrachtung sämtliche zu unterstellenden sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignisabläufe des Stilllegungsbetriebes und des Abbaus der kerntechnischen Anlage der Beigeladenen untersucht. Zutreffend haben die Sachverständigen für die Ermittlung der relevanten Ereignisabläufe den Stilllegungsleitfaden vom 12.08.2009 sowie ergänzend die Störfall-Leitlinien zugrunde gelegt. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat der Gutachter radiologisch repräsentative Ereignisabläufe für Einwirkungen von Innen (EVI) und Einwirkungen von außen (EVA) untersucht und ist zu der rechnerischen Prognose gelangt, dass der einzuhaltende Störfallplanungswert von 50 mSv bei Weitem - für die meisten zu betrachtenden Szenarien um mehrere Größenordnungen - unterschritten wird. Die Antragsteller zeigen nicht substantiiert auf, dass weitere Störfallabläufe zu betrachten gewesen wären, oder dass gegen die Prognose der bei den angenommenen Störfällen eintretenden Strahlenexpositionen durchgreifende Bedenken bestehen. Ergänzend ist anzumerken, dass die Sachverständigen im Rahmen der Störfallbetrachtung auch Szenarien betrachtet haben, die nach dem zutreffenden rechtlichen Ansatz der Genehmigungsbehörde nicht in Ausnutzung der 2. SAG eintreten können. So haben die Gutachter bei ihrer Störfallbetrachtung u.a. den Einsturz der Lagergebäude Bau 39 und Bau 52 unterstellt und dessen Auswirkungen untersucht, obwohl die Lagerung von Abfallgebinden in diesen Gebäuden nicht mit der gegenständlichen 2. SAG, sondern bereits mit der bestandskräftigen 1. SAG vom 28.08.2008 genehmigt worden ist. In ähnlicher Weise haben die Gutachter die Lagerung der Brennelemente im externen Lagerbecken in ihre Betrachtung einbezogen, obwohl diese - wie oben unter 2.1.1.4 näher dargestellt - nicht Genehmigungsinhalt der 2. SAG war. Jedenfalls nach den im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein bestehenden beschränkten gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten ist deshalb davon auszugehen, dass Ermittlungsdefizite hinsichtlich der Identifizierung der Störfallszenarien und Bewertungsdefizite hinsichtlich der Auswirkungen der zu betrachtenden Störfälle nicht vorliegen. Die Genehmigungsbehörde durfte deshalb die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge gegen Störfälle im Sinne von § 7 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG als getroffen ansehen.
52 
2.2.2 Zu Recht dürfte die Genehmigungsbehörde auch davon ausgegangen sein, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG i.V.m. § 7 Abs. 3 AtG zu Gunsten der Antragsteller gegeben ist. In der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG auch dem Schutz individueller Rechte eines in der Nähe einer kerntechnischen Anlage wohnenden Drittbetroffenen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter dient, sofern diese nicht dem Bereich des Restrisikos zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.; sowie vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - a.a.O.). Zutreffend weisen die Antragsteller ferner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die von ihnen befürchteten Anschläge auf eine atomrechtliche Anlage als Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG anzusehen sind. Die Begriffe der „Störmaßnahmen“ und „sonstige(n) Einwirkungen Dritter“ sind denkbar weit gefasst, um entsprechend dem Gebot des dynamischen Grundrechtsschutzes auch gegenüber neuen Bedrohungsformen durch Handeln Dritter den erforderlichen Schutz bei atomrechtlichen Anlagen zu gewährleisten. Der Tatbestand schließt deshalb den Schutz vor Terror- und Sabotageakten sowie anderen Gefahren beispielsweise aus einem Flugzeugabsturz oder aus dem Transport gefährlicher Güter auf an der Anlage vorbeiführenden Verkehrswegen ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 - 7 C 31.87 - BVerwGE 81, 185). Auch ist der nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Drittschutz gegen Störeinwirkungen von außen nicht auf die erforderliche Vorsorge gegen Auslegungsstörfälle beschränkt (vgl. näher Urteil vom 10.04.2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.).
53 
Die Antragsteller sehen vor allem den erforderlichen Schutz gegen die Einwirkung Dritter durch den gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges auf das externe Brennelementlager im Notstandsgebäude (Bau 37) als nicht gewährleistet an und weisen zutreffend darauf hin, dass die Genehmigungsbehörde dieses Szenario vor Erteilung der 2. SAG nicht erneut betrachtet hat (vgl. Genehmigungsbegründung S. 49). Entgegen der Auffassung der Antragsteller dürfte diese Vorgehensweise der Genehmigungsbehörde rechtlich nicht zu beanstanden sein.
54 
Dies folgt bereits daraus, dass die Errichtung und der Betrieb des externen Brennelementlagers im Notstandsgebäude - wie oben unter 2.1.1.4 im Einzelnen dargestellt - nicht Regelungsgegenstand der 2. SAG ist. Vielmehr wurde die Errichtung und der Betrieb der externen Brennelementlagerung im Notstandsgebäude mit bestandskräftiger Genehmigung vom 26.10.1998 gestattet. Mit der 1. SAG vom 28.08.2008 wurde die externe Brennelementlagerung in den Stilllegungsbetrieb einbezogen und das Stilllegungs- bzw. Betriebsreglement der Lagerung neu geregelt. Die 2. SAG dagegen enthält im Hinblick auf die externe Brennelementlagerung nach ihrem eindeutigen Tenor und der von der Behörde gegebenen Begründung nur eine gegenständlich beschränkte Änderung des Stilllegungsbetriebs, nicht jedoch eine umfassende und neue Regelung. Bereits aus Gründen der Bestandskraftpräklusion können die Antragsteller deshalb der 2. SAG nicht entgegenhalten, dass der erforderliche Schutz gegen Einwirkungen Dritter durch den gezielten Absturz einer großen Verkehrsmaschine auf das externe Brennelementlagerbecken nicht gewährleistet sei.
55 
Im Übrigen könnten die Antragsteller selbst dann, wenn die 2. SAG eine umfassende Neuregelung des Stilllegungsbetriebes des externen Brennelementlagers enthielte, die Rechtmäßigkeit der 2. SAG nicht mit der Erwägung in Zweifel ziehen, Vorsorge gegen die Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes sei nicht hinreichend getroffen worden. Dem steht die bestandskräftige Genehmigung vom 26.10.1998 entgegen, mit der u.a. der Einbau von Brennelement-Lagergestellen in das externe Brennelementlagerbecken im Notstandsgebäude genehmigt wurde. Insofern liegt eine bestandskräftige Errichtungsgenehmigung für ein dauerhaftes Lagerbecken im Notstandsgebäude vor. Eine Errichtungsgenehmigung enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die verbindliche Feststellung, dass eine genehmigungskonform errichtete Anlage die atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - a.a.O.; sowie vom 07.06.1991 - 7 C 43.90 - a.a.O.). Bei Erteilung einer nachfolgenden Betriebsgenehmigung ist insbesondere auch die Genehmigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG nur noch bezüglich des Betriebsreglements zu prüfen, nicht jedoch bezüglich der früher bestandskräftig genehmigten Errichtung. Mit der Betriebsgenehmigung wird die Genehmigungsfrage neu lediglich im Hinblick auf den Betrieb aufgeworfen. Nur in diesem Umfang können Drittbetroffene mit einer gegen die Betriebsgenehmigung gerichteten Anfechtungsklage Ermittlungs- und Bewertungsdefizite im Bereich der Schadensvorsorge bzw. dem Schutz vor Einwirkungen Dritter rügen. Für den Drittschutz folgt hieraus insbesondere auch, dass die Betriebsgenehmigung nicht mehr mit materiell-rechtlichen Einwendungen bekämpft werden kann, die thematisch zum Regelungsgehalt einer früheren Errichtungsgenehmigung gehören; solchen Einwendungen ist vielmehr lediglich nach Maßgabe des § 17 AtG im aufsichtlichen Verfahren Rechnung zu tragen. Dies gilt selbst dann, wenn von den Drittbetroffenen Einwendungen aufgrund einer veränderten Sachlage geltend gemacht werden, die erst nach Erlass der vorangegangenen Errichtungsgenehmigung entstanden sind. Auch eine derartige Sachverhaltsänderung kann lediglich Anlass zum aufsichtlichen Einschreiten auf der Grundlage von § 17 AtG bieten, nicht jedoch einredeweise einer Betriebsgenehmigung entgegengehalten werden (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - a.a.O.). Bereits aus diesem Verhältnis von bestandskräftig gewordener Errichtungs- zu der hier in Rede stehenden Betriebsgenehmigung folgt, dass die Antragsteller diese nur mit der Einwendung bekämpfen können, die erforderliche Vorsorge gegen Einwirkungen Dritter im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG sei insoweit nicht gewährleistet, als die Genehmigungsfrage hinsichtlich der Errichtung gerade durch die Änderung des Betriebsreglements neu aufgeworfen wird. Dies wird jedoch von den Antragstellern nicht behauptet und ist auch fernliegend. Vielmehr machen die Antragsteller im Kern geltend, das externe Brennelementlager im Notstandsgebäude sei konstruktiv nicht gegen die Folgen eines gezielten Flugzeugabsturzes ausgelegt. Der Einwand bezieht sich auf die generelle bauliche Eignung des Lagergebäudes, nicht jedoch auf Fragen des Betriebsreglements.
56 
Lediglich zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner vor Erteilung der 1. SAG die Frage eines gezielten Flugzeugabsturzes im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG geprüft hat (vgl. hierzu B.II.4.5 S. 111 f. der 1. SAG). Die Genehmigungsbehörde gelangte dabei nach Auswertung der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zu dem Ergebnis, dass nach dem Maßstab der praktischen Vernunft ein absichtlich herbeigeführter Flugzeugabsturz auf eine Anlage, die den Leistungsbetrieb eingestellt und offensichtlich keinen besonderen Symbolwert und kein hohes Gefährdungspotenzial aufweise, nicht zu unterstellen sei; sie hat deshalb dieses Szenario dem Restrisiko zugeordnet. Dahingestellt kann bleiben, ob diese Betrachtung auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch vertretbar ist; zutreffend weisen die Antragsteller insoweit darauf hin, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in vergleichbaren Fallkonstellationen das Szenario „gezielter Flugzeugabsturz“ nicht dem Restrisiko, sondern dem Bereich der Schadensvorsorge zuzuordnen ist (BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 7 C 1.11 - a.a.O.). Die Genehmigungsbehörde hat jedenfalls unabhängig hiervon die von der Betreiberin vorgelegte Abschätzung der radiologischen Folgen eines absichtlich herbeigeführten Flugzeugabsturzes für den Nachbetrieb betrachtet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass auch dabei der maßgebliche Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen in Höhe von 100 mSv eingehalten wird. Mit den im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln kann mangels aussagekräftiger Angaben in der Begründung der 2. SAG freilich nicht nachvollzogen werden, von welchen konkreten Lastannahmen diese Prognose ausgeht.
57 
Das Abstellen auf den Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen nach Katastrophenschutzgrundsätzen dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein. Jedenfalls sind die in Rede stehenden Szenarien terroristischer Anschläge durch einen gezielten Flugzeugabsturz nach geltendem Recht nicht dem Bereich der auslegungsbestimmenden Störfälle zuzurechnen. Infolge dessen ist die erforderliche Schadensvorsorge nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hier nicht nach den Störfallplanungswerten zu bemessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.08.2006 - 7 B 38.06 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 1). Der in § 49 Abs. 1 StrlSchV für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift verwendete Begriff des Störfalls ist in § 3 Abs. 1 Nr. 28 Satz 1 StrlSchV als Ereignisablauf definiert, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorgesehen sind. Damit knüpft die Vorschrift der Sache nach an die Störfall-Leitlinien vom 18.10.1983 an, deren Gegenstand die Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist, nicht dagegen näher bestimmte andere Ereignisse, wie etwa Szenarien infolge gezielten Flugzeugabsturzes, die wegen ihres geringen Risikos keine Auslegungsstörfälle mehr sind. Bei der gebotenen Konkretisierung des Rechtsbegriffs des erforderlichen Schutzes gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG muss deshalb das allgemeine Schutzziel maßgeblich sein, dass eine Gefährdung von Leben und Gesundheit infolge erheblicher Direktstrahlung oder infolge der Freisetzung einer erheblichen Menge radioaktiver Stoffe verhindert werden muss. Als Orientierungsmaßstab kommen daher die Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden, verabschiedet von der Strahlenschutzkommission am 17./18.12.1998, in Betracht (vgl. hierzu näher BayVGH, Urteil vom 09.01.2006 - 22 A 04.40010 u.a. - juris). Der von der Genehmigungsbehörde herangezogene Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen in Höhe von 100 mSv bei einem Integrationszeitraum von sieben Tagen ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
58 
Nach alldem durfte die Genehmigungsbehörde den erforderlichen Schutz vor Schäden im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG von Rechts wegen als gegeben ansehen.
59 
2.3 Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, der erforderliche Entsorgungsnachweis für die in der Anlage noch vorhandenen Brennelemente sei von der Beigeladenen nicht geführt worden. Die Antragsteller bringen in diesem Zusammenhang vor, die 2. SAG genehmige die Verbringung der bestrahlten Brennelemente aus dem internen Brennelementlagerbecken im Reaktorgebäude in das Lagerbecken des Notstandsgebäudes; im Fall einer Störung im Notstandsgebäude stehe keine weitere Lagerungsmöglichkeit mehr zur Verfügung, die erforderliche Redundanz sei somit nicht gegeben. Dabei machen die Antragsteller mit diesem Vorbringen ein „anlagenimmanentes“ Entsorgungsrisiko geltend, das grundsätzlich als Klagegrund anerkannt ist (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 22.10.1987 - 7 C 4.85 - a.a.O.). Die diesem Vorbringen zugrunde liegende Annahme, die 2. SAG genehmige die Lagerung der bestrahlten Brennelemente in dem externen Becken, trifft jedoch - wie wiederholt dargelegt - nicht zu. Vielmehr wird durch die 2. SAG lediglich das Betriebsreglement des externen Brennelementlagerbeckens in Einzelheiten modifiziert, ohne dieses freilich umfassend und erneut zu legalisieren.
60 
Fehl geht insbesondere die Annahme der Antragsteller, durch die 2. SAG werde das Verbringen der Brennelemente aus dem internen Brennelementlager in das Notstandsgebäude erstmalig gestattet. Wie oben näher dargestellt, wurde die Errichtung und der Betrieb des externen Brennelementlagers mit bestandskräftig gewordener Genehmigung vom 26.10.1998 gestattet; mit der 1. SAG vom 28.08.2008 wurde das externe Brennelementlager in das Stilllegungsreglement einbezogen. Ferner befanden sich sämtliche Brennelemente zum Zeitpunkt der Erteilung der 2. SAG bereits im externen Brennelementlagerbecken. Im Reaktorgebäude befinden sich nach Vortrag der Beigeladenen seit Ende März 2007 keine Brennelemente mehr. Jedenfalls bei summarischer Prüfung dürfte der Antragsgegner auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen sein, dass ein weiteres redundantes Brennelementlagerbecken nicht erforderlich ist. Vielmehr ist die Genehmigungsbehörde sachverständig beraten zu der Einschätzung gelangt, dass das externe Brennelementlager die erforderlichen Sicherungseinrichtungen aufweist und dass die mit der 2. SAG gestatteten Maßnahmen keine Rückwirkungen auf dessen Betrieb haben. Im Übrigen ging auch das im Sicherheitsbericht zur 1. SAG vom 19.05.2006 dargestellte Stilllegungs- und Abbaukonzept der Beigeladenen davon aus, dass sich die abgebrannten Brennstäbe zum Zeitpunkt der Erteilung der 2. SAG allenfalls im externen Brennelementlagerbecken befinden sollen, sofern die primär vorgesehene Verbringung in ein Standortzwischenlager nicht durchgeführt werden konnte. Eine Rückverbringung der Brennelemente in das interne Brennelementlagerbecken war dagegen nach dem Stilllegungskonzept der Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. In Übereinstimmung mit diesem Konzept hat auch die Reaktorsicherheitskommission in ihrer vor Erteilung der 1. SAG abgegebenen Stellungnahme vom 11./12.12.2007 empfohlen, dass die Brennelemente nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in das interne Nasslager zurücktransportiert werden dürfen (siehe S. 20 der Stellungnahme). Eine derartige Rückverbringung in das interne Brennelementlager dürfte jedenfalls mit Errichtung der neuen Materialschleuse zum Reaktorgebäude zudem technisch unmöglich geworden sein. Vor Erteilung der hierzu erforderlichen Errichtungsgenehmigung vom 21.04.2010 hat der Antragsgegner sachverständig beraten geprüft, ob der Abtransport der Brennelemente aus dem externen Brennelementlager technisch möglich ist und keine Notwendigkeit für den Rücktransport in das interne Brennelementlagerbecken besteht. Aufgrund der Bestandskraft der Änderungsgenehmigung vom 21.04.2010 können die Antragsteller mithin nicht mehr geltend machen, dass ein Abtransport der Brennelemente aus dem externen Brennelementlagerbecken nicht möglich sei bzw. das interne Brennelementlagerbecken aus Redundanzgründen weiterhin benötigt werde.
61 
Des Weiteren machen die Antragsteller geltend, es fehle an der vom Gesetz vorausgesetzten realistischen Planung für die zeitnahe Errichtung eines standortnahen Zwischenlagers, in das die Brennelemente nach Beendigung der Lagerungen im externen Elementbecken verbracht werden könnten. Dies stehe im Widerspruch zu der in § 9a Abs. 1 b AtG enthaltenen Anforderung, dass der Entsorgungsnachweis für bestrahlte Brennelemente auf einer realistischen Planung beruhen müsse und nachzuweisen sei, dass hierfür rechtlich und technisch verfügbare Zwischenlagerkapazitäten bereitstehen. Diesem Einwand braucht jedenfalls im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht weiter nachgegangen werden, da die insoweit einschlägige und von den Antragstellern selbst herangezogene Vorschrift des § 9a AtG keinen Drittschutz vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1997 - 11 C 7.95 - a.a.O.; Beschluss vom 22.08.1991 - 7 B 153.90 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 37).
62 
3. Auch bei einer von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelösten Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung das entgegengesetzte Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen.
63 
Der Senat teilt dabei die Einschätzung des Antragsgegners, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einem zeitnahen Rückbau des Kernkraftwerkes Obrigheim besteht. Dieser liegt nicht zuletzt auch im wohlverstandenen Interesse der Anwohner und damit auch der Antragsteller, da mit dem Rückbau der Anlage und insbesondere dem Abtransport der demontierten Großkomponenten des Primärkreislaufs das geltend gemachte Besorgnispotenzial weiter reduziert wird. Zutreffend hat der Antragsgegner in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr hingewiesen, dass bei einer längeren Unterbrechung des Abbaus des Kernkraftwerks sich dieses Projekt in der Reihe der anderen Rückbauvorhaben nach der Abschaltung von acht deutschen Kernkraftwerken nach hinten verschieben könnte und damit eine erhebliche Zeitverzögerung zu befürchten wäre. Schließlich hat die Beigeladene nachvollziehbar im Einzelnen näher dargelegt, dass gerade die Durchführung der mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen von Großkomponenten des Primärkreislaufs für den vorgesehenen Zeitrahmen von essentieller Bedeutung ist. Auch hat die Beigeladene ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Sofortvollzug und der zügigen Durchführung von bereits vergebenen Abbaumaßnahmen dargelegt. Keiner abschließenden Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob die von der Beigeladenen vorgelegten Berechnungen der wirtschaftlichen Auswirkungen bei einer den Eilanträgen vollständig stattgebenden Entscheidung nachvollziehbar sind. Denn der Senat stellt bei der Interessenabwägung im Wesentlichen auf das öffentliche Interesse am zügigen Rückbau des Kernkraftwerks und lediglich untergeordnet auf die wirtschaftlichen Belange der Beigeladenen ab.
64 
Gegenüber diesen für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung streitenden Interessen muss das Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen zurücktreten. Zwar haben vor allem die Rechtsgüter Leben und Gesundheit, zu deren Schutz die Antragsteller die erforderliche Vorsorge beanspruchen, einen hohen Rang. Die Antragsteller haben jedoch - wie ausgeführt - einen Erfolg ihrer Klagen nicht als hinreichend wahrscheinlich dartun können. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass es bei der Beurteilung dieser Erfolgsaussichten ausschließlich um die Fragen einer Risikoerhöhung im vorgelagerten Bereich der Vorsorge bzw. um bloße Besorgnispotentiale geht. Auch dies lässt es eher zumutbar erscheinen, dass die Antragsteller den Vollzug der Genehmigung vorläufig hinnehmen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen für die Antragsteller geringe Vorteile bringen würde. Bei einem Erfolg der Eilanträge könnte der Abbau der in A.I.1.1 der 2. SAG genannten Anlagenteile nicht fortgesetzt werden. Dies dürfte für die Antragsteller jedoch lediglich von untergeordneter Bedeutung sein, da vor allem die kritischen Großkomponenten des Primärkreislaufs, deren Abbau von der 2. SAG gestattet wird, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits weitgehend demontiert sind. Auch damit hat sich das von den Antragstellern geltend gemachte Besorgnispotenzial, sofern es auf den Abbau von Anlagenteilen des Primärkreislaufs bezogen ist, bereits bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weiter reduziert. Im Übrigen haben die Antragsteller weniger gegen die mit der 2. SAG gestatteten Abbaumaßnahmen Einwendungen erhoben, sondern sich gegen den Betrieb des externen Nasslagers im Notstandsgebäude gewendet. Dieser würde jedoch auch bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen nicht vollständig unterbunden werden, da er - wie oben näher dargestellt - nicht Gegenstand der 2. SAG ist. Deshalb bestünde auch bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung die Möglichkeit, dass der Stilllegungsbetrieb unter dem Regime der 1. SAG weitergeführt wird. Bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung könnten die Antragsteller daher ihr Hauptziel, nämlich die Unterbindung der weiteren Brennelementlagerung im Notstandsgebäude, nicht erreichen. Daher ist das Suspensivinteresse der Antragsteller aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles als gering zu bewerten.
65 
Nach alledem bleibt der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen ohne Erfolg.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten den Antragstellern aufzuerlegen.
67 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG sowie § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nrn. 1.5, 6.2 i.V.m. Nr. 2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (VBlBW 2004, 467).
68 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Erweist sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, kann die die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.

(2) Ist der Betrieb eines Fahrzeugs, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, untersagt, hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug unverzüglich nach Maßgabe des § 14 außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen. Der Halter darf die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs nicht anordnen oder zulassen, wenn der Betrieb des Fahrzeugs nach Absatz 1 untersagt ist oder die Beschränkung nicht eingehalten werden kann.

(3) Besteht Anlass zu der Annahme, dass ein Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung ist, so kann die Zulassungsbehörde anordnen, dass

1.
ein von ihr bestimmter Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen, Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder Prüfingenieurs einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation nach Anlage VIIIb der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgelegt oder
2.
das Fahrzeug vorgeführt
wird. Wenn nötig, kann die Zulassungsbehörde mehrere solcher Anordnungen treffen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Zahlung von Zinsen für eine überzahlte Zuwendung verpflichtet wird.

2

Der Beklagte gewährte der Klägerin im August 1989 eine Zuwendung von bis zu 1 143 000 DM aus Mitteln der Finanzhilfen des Bundes für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden als Anteilfinanzierung unter Zugrundelegung der vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO vom 14. Juni 1987 (VV-LHO). Die Förderbedingungen verpflichteten die Klägerin, die Verwendung der Zuwendung innerhalb eines Jahres nach Erfüllung des Zuwendungszwecks nachzuweisen (Nr. 6.1 Anlage 3 zur VV-LHO), und die Bewilligungsbehörde, den Nachweis der Verwendung von der Zuwendungsempfängerin zu verlangen (Nr. 10.1 VV-LHO). Die Klägerin rief die gesamte Zuwendung bis 13. Dezember 1996 ab. Am 1. Juni 1997 stellte sie die geförderte Baumaßnahme fertig. Im Dezember 2007 übersandte sie dem Beklagten einen Verwendungsnachweis. Nach Prüfung der von der Klägerin beigebrachten Unterlagen verminderte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 die der Klägerin bewilligte Zuwendung um 89 745 € auf 494 662 €.

3

Mit weiterem Bescheid vom 14. September 2010 verpflichtete der Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 60 517 € für den Zeitraum 13. Dezember 1996 bis 9. März 2008. Zur Begründung führte er aus, nach § 49a Abs. 4 HVwVfG könnten Zinsen verlangt werden, wenn eine Leistung in Anspruch genommen werde, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen seien. Außergewöhnliche Umstände, die eine Nichterhebung von Zinsen rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Insbesondere könne die Klägerin sich nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Sie habe bei Abruf der Mittel nicht berücksichtigt, dass der in der Förderungsberechnung angesetzte Finanzierungsanteil Dritter nicht bezuschusst werde. Ausschließlich zu ihren Lasten gehe auch der Umstand, dass die Akten ohne Abrechnung und Aufstellung eines Verwendungsnachweises archiviert worden seien. Eine Verpflichtung des Zuwendungsgebers, den Verwendungsnachweis anzufordern, bestehe nicht.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der Klägerin zuletzt auf den Zeitraum 13. Dezember 1996 bis 31. Dezember 2006 beschränkte Berufung zurückgewiesen. Als Rechtsgrundlage für die festgesetzte Zinsforderung sei § 49a Abs. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrens- und kostenrechtlicher Vorschriften vom 1. Dezember 1994 (HEGVBl. I S. 677) analog heranzuziehen. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. Der ursprüngliche Zuwendungsbescheid habe seine Wirkung nicht in Folge des Eintritts einer auflösenden Bedingung verloren, sondern weil die Höhe der Zuwendung verbindlich erst in dem Schlussbescheid im Dezember 2008 geregelt worden sei. Auf eine solche Fallkonstellation sei § 49a Abs. 3 HVwVfG entsprechend anwendbar.

5

Die Ermessensausübung des Beklagten sei gemessen an § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG rechtlich nicht zu beanstanden. Es schade nicht, dass der Beklagte angenommen habe, eine Ermessensentscheidung im Rahmen des § 49a Abs. 4 HVwVfG treffen zu müssen. Beide Ermessensermächtigungen dienten dem Ziel einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Es bedürfe jeweils außergewöhnlicher Umstände, um die Nichterhebung von Zinsen zu rechtfertigen. Solche lägen nicht vor. Der Beklagte habe zu Recht angenommen, dass die Klägerin die die Zinsansprüche auslösende Überzahlung alleine verschuldet habe. Das folge zwar nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin fiktive Finanzierungsbeiträge Dritter nicht zu ihren Lasten berücksichtigt habe. Es folge aber daraus, dass die Klägerin eine Verringerung der förderfähigen Ausgaben an den insgesamt gestiegenen Gesamtkosten nicht in ihre Berechnungen eingestellt und deshalb die gesamte Fördersumme abgerufen habe. Diese Ursache für die Überzahlung falle nicht in den Verantwortungsbereich des Beklagten, der den Zuwendungshöchstbetrag für die Klägerin zutreffend errechnet habe. Zudem sei die Klägerin ihrer aus den Förderbedingungen folgenden Verpflichtung, den Verwendungsnachweis binnen eines Jahres nach Abschluss der Arbeiten einzureichen, nicht nachgekommen. Der Geltendmachung von Erstattungszinsen stehe schließlich nicht entgegen, dass der Beklagte bei der ihm gemäß Ziff. 9.1 und 10.1 VV-LHO obliegenden Kontrolle der zweckentsprechenden Mittelverwendung über Jahre hinweg versagt habe. Denn nach den Förderbedingungen sei die Klägerin vorrangig in der Pflicht gewesen. Sie könne sich nicht unter Hinweis auf die fehlende Kontrolle den Zinsvorteil dauerhaft sichern.

6

Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Zinsansprüche des Beklagten für Zeiträume vor dem 1. Januar 2007 seien verjährt.

7

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. April 2012 und das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 2014 zu ändern und den Bescheid des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen K. vom 14. September 2010 aufzuheben, soweit damit Zinsen für die Zeit vor dem 1. Januar 2007 festgesetzt wurden.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Er verteidigt das Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist mit der Rechtsfolge der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf einer unrichtigen Anwendung von § 114 Satz 1 VwGO. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

11

1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Verpflichtung der Klägerin zur Verzinsung der Erstattungsforderung alleine aus einer entsprechenden Anwendung des § 49a Abs. 3 HVwVfG folgen kann. Der Senat ist an die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs gebunden, der Bescheid des Beklagten vom 10. August 1989 sei ein in verschiedener Hinsicht vorläufiger Bescheid, der insoweit durch den endgültigen Bescheid vom 1. Dezember 2008 ersetzt worden sei (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dies zugrunde gelegt ist, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat, § 49a Abs. 4 HVwVfG nicht anwendbar. In Rede stehen nämlich nicht lediglich Zwischenzinsen, sondern Erstattungszinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 2.12 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 12 Rn. 15 ff.). Diese regelt § 49a Abs. 3 HVwVfG, der seinem Wortlaut nach allerdings nur bei Rücknahme, Widerruf und Eintritt einer auflösenden Bedingung einschlägig ist. Die Vorschrift ist aber auf Fälle, in denen ein vorläufiger Bescheid durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird und dadurch der Behaltensgrund für eine Geldleistung entfällt, entsprechend anwendbar. Denn für eine Privilegierung einer Erstattungsforderung, die durch Erlass eines endgültigen Bescheides entsteht, gegenüber Erstattungsforderungen, die durch Rücknahme, Widerruf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung begründet werden, ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 8 Rn. 24 ff.).

12

Die entsprechende Anwendung des § 49a Abs. 3 HVwVfG durch den Verwaltungsgerichtshof ist revisionsgerichtlicher Prüfung zugänglich. Nach § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes beruht, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Die Vorschrift soll die Einheitlichkeit der Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern sichern (BVerwG, Beschluss vom 30. November 1994 - 4 B 243.94 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 59). Dieser Vereinheitlichungszweck gebietet es, sie nicht nur in Fallkonstellationen anzuwenden, in denen um die richtige Anwendung des in Bund und Land einheitlich positiv geregelten Verwaltungsverfahrensrechts gestritten wird, sondern auch in Konstellationen, in denen es um die rechtlich zutreffende Schließung einer im Bundes- wie im Landesverwaltungsverfahrensgesetz gleichermaßen bestehenden Lücke geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 2.12 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 12 Rn. 19). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Verzinsung einer Erstattungsforderung, die durch die Ersetzung eines vorläufigen Bescheides durch einen endgültigen Bescheid ausgelöst wird, ist weder im Bundes- noch im hessischen Landesrecht geregelt. Die bestehende Regelungslücke ist, wie der Vergleich mit den in § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG ausdrücklich geregelten Sachverhalten zeigt, auch dem Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts zuzurechnen. Sowohl in den von § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG erfassten Fällen als auch im vorliegenden nicht geregelten Fall geht es um die Bewältigung der Folgen des Wegfalls des Rechtsgrunds für eine Geldleistung. Die Bewältigung dieser Folgen hat der Gesetzgeber mit § 49a VwVfG und § 49a HVwVfG dem Verwaltungsverfahrensrecht zugeordnet. Die damit aufgeworfenen Fragen sind daher in gleicher Weise revisibel.

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2. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Ermessenskontrolle sind mit § 114 Satz 1 VwGO nicht vereinbar. Die Vorschrift legt den gerichtlichen Prüfungsumfang bei Ermessensentscheidungen fest. Das Gericht hat danach nur zu prüfen, ob die Verwaltung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum ausgeschöpft hat, ob sie die gesetzlichen Grenzen der Ermessensbetätigung überschritten hat und ob sie die nach dem Zweck der Ermessensermächtigung für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 10). Es darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, wozu auch in Einklang mit § 114 Satz 2 VwGO nachgeschobene Erwägungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 34). Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 17. März 1981 - 1 C 6.77 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 80 S. 5 f.; Rennert, a.a.O., Rn. 22 ff.).

14

a) Der Verwaltungsgerichtshofs hat zutreffend erkannt, dass die Ermessensentscheidung nicht schon deswegen rechtswidrig ist, weil der Beklagte von § 49a Abs. 4 HVwVfG und nicht von § 49a Abs. 3 HVwVfG ausgegangen ist. Das folgt aus § 47 Abs. 3 VwVfG, der lediglich die Umdeutung einer gebundenen in eine Ermessensentscheidung verbietet, nicht aber die Umdeutung einer Ermessensentscheidung in eine andere Ermessensentscheidung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 47 Rn. 30). Lässt der Gesetzgeber das Auswechseln der Ermessensermächtigung bei einer Umdeutung eines Verwaltungsakts zu, muss dies erst recht für den Fall des bloßen Begründungswechsels gelten.

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b) Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG werde wesentlich durch die Grundsätze der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung geprägt, die nur ausnahmsweise bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Gesichtspunkte mit dem Ergebnis eines Absehens von der Zinserhebung überwunden werden können. Die Vorschrift des § 49a Abs. 3 HVwVfG soll ebenso wie die Vorschrift des § 49a Abs. 3 VwVfG verhindern, dass unverbrauchte Zuwendungen anstelle ihrer zeitnahen Verwendung oder Zurückführung an den Zuwendungsgeber vom Zuwendungsempfänger zinsbringend zu seinen Gunsten verwendet werden (vgl. LT-Drs. 13/5844 S. 7 f.; BT-Drs. 13/1534 S. 6 f.). Ein Absehen von der Erhebung von Zinsen nach § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG kann daher nur dann in Betracht kommen, wenn die vom Gesetzgeber regelmäßig angenommene Möglichkeit des Zuwendungsnehmers, sich für die Dauer der Überzahlung einen Zinsvorteil auf Kosten des Zuwendungsgebers zu verschaffen, ausnahmsweise nicht kompensiert werden muss.

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c) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch unter Verstoß gegen § 114 Satz 1 VwGO angenommen, der Beklagte habe sein Ermessen in einer dem Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG entsprechenden Weise ausgeübt. Er hat in seine Ermessensprüfung Erwägungen eingestellt, die der Beklagte in seinem Bescheid selbst nicht benannt und im Laufe des Prozesses auch nicht zulässigerweise gemäß § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben hat.

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aa) Der Beklagte hat in der Begründung seines Bescheides ausgeführt, die Klägerin habe die Überzahlung zu vertreten, weil sie bei Abruf der ihr gewährten Zuwendung den von Dritten zu tragenden Finanzierungsbeitrag nicht berücksichtigt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verantwortung der Klägerin für das Entstehen der Überzahlung dagegen aus dem Umstand abgeleitet, dass der Anteil der förderfähigen Ausgaben an den Gesamtkosten während der Bauphase erheblich gesunken sei, sodass die zuwendungsfähigen Baukosten am Ende trotz einer Gesamtkostensteigerung niedriger gewesen seien als im ursprünglichen Zuwendungsbescheid veranschlagt. Mit diesen Erwägungen führt der Verwaltungsgerichtshof Gesichtspunkte in die Ermessensprüfung ein, die der Beklagte nicht zur Begründung seiner Ermessensentscheidung herangezogen hat. Er überschreitet damit den ihm durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen, auf die von der Behörde benannten Ermessensgesichtspunkte beschränkten Prüfungsrahmen. Der von der Behörde genannte Gesichtspunkt ist auch nicht allein deswegen mit dem vom Verwaltungsgerichtshof benannten identisch, weil aus beiden die Verantwortlichkeit der Klägerin für die Überzahlung abgeleitet wird.

18

bb) Der Beklagte hat in der Begründung seines Bescheides weiter ausgeführt, lediglich die Klägerin, nicht aber der Beklagte sei verantwortlich für die rechtzeitige Einreichung des Verwendungsnachweises gewesen. Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof, unter Hinweis auf Ziff. 9.1 und 10.1 VV-LHO (StAnz 1987, 1475, 1478) von einer Verpflichtung des Beklagten ausgegangen, den Verwendungsnachweis aktiv einzufordern. Er hat diese Pflicht dann aber hinter die Verpflichtungen der Klägerin für eine rechtmäßige Abwicklung des Zuwendungsverhältnisses zurücktreten lassen. Mit diesen Erwägungen, die nicht Gegenstand der behördlichen Ermessenprüfung waren und vom Beklagten auch nicht zulässigerweise nach § 114 Satz 2 VwGO in das Verfahren eingeführt wurden, durfte der Verwaltungsgerichtshof sein Ergebnis, die behördliche Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden, ebenfalls nicht rechtfertigen.

19

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die zu überprüfenden Ermessenserwägungen ergeben sich aus der Begründung des Bescheides des Beklagten vom 14. September 2010 und hinsichtlich eventueller Ergänzungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO aus dem Vortrag des Beklagten im gerichtlichen Verfahren.

20

Der Bescheid des Beklagten vom 14. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat seine Ermessensausübung auf einen rechtlich unzutreffenden Gesichtspunkt gestützt. Er ist in seinem Bescheid davon ausgegangen, dass ihn keinerlei Verpflichtung getroffen habe, den Verwendungsnachweis anzumahnen. Diese Annahme widerspricht dem klaren Wortlaut der von ihm in das Förderverhältnis einbezogenen Förderbedingungen (vgl. Nr. 10.1 VV-LHO).

21

Der Beklagte hat zudem in seine Ermessensentscheidung nicht einbezogen, in welchem Umfang die Dauer der Überzahlung - und damit auch die Dauer der der Klägerin auferlegten Verzinsungspflicht - von ihm selbst mitverursacht worden ist. Das hätte nach dem oben beschriebenen Zweck des § 49a Abs. 3 Satz 2 HVwVfG aber nahe gelegen. Hierbei ist nämlich in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte das Zuwendungsverhältnis selbst durch einen in verschiedener Hinsicht nur vorläufigen Bescheid geregelt hatte, der seiner Natur nach auf eine endgültige Regelung durch einen Schlussbescheid ausgelegt war. Vor Erlass dieses Schlussbescheides konnte der Beklagte das Zuwendungsverfahren selbst nicht als abgeschlossen betrachten, sondern musste das Zuwendungsverhältnis auch seinerseits dauernd unter Beobachtung halten. Dem geben die erwähnten Bestimmungen in Nr. 10.1 VV-LHO Ausdruck. Dann aber liegt das Risiko eines verspäteten Abschlusses des Zuwendungsverfahrens nicht einseitig bei der Zuwendungsempfängerin. Diesem Umstand musste der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung, ob und in welcher Höhe Erstattungszinsen zu erheben seien, Rechnung tragen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer - vom 26. September 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Halter eines Pkw des Herstellers Volkswagen AG. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA 189 EU5 ausgestattet. An der vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber dem Hersteller mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 angeordneten Rückrufaktion 23R7 zwecks Entfernung der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung und Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs (insbesondere der Emissionen) nahm er nicht teil. Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 wies das KBA den Antragsteller deshalb darauf hin, dass das Fahrzeug über einen technischen Mangel verfüge, der in der regelmäßigen Hauptuntersuchung geprüft werde. Weiter kündigte das KBA die Übermittlung von Halter- und Fahrzeugdaten an die örtliche Zulassungsbehörde an, die ihrerseits die Einleitung von Maßnahmen nach § 5 Abs. 1 FZV, insbesondere eine Untersagung des weiteren Betriebs des Fahrzeugs in eigener Zuständigkeit veranlassen könne.

2

Den gegen die angekündigte Datenübermittlung nachgesuchten vorläufigen Rechtsschutz mit den Anträgen,

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1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, eine Übermittlungssperre in dem zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes betreffend der Daten des Fahrzeugs des Antragstellers mit der FIN WV1... oder der Person des Antragstellers selbst anzuordnen, soweit diese erkennen lassen, dass das Fahrzeug des Antragstellers eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist; außerdem soweit diese erkennen lassen, ob das Fahrzeug an der Rückrufaktion 23R7 teilgenommen hat und die dort vorgesehene Maßnahme durchgeführt wurde oder nicht,

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2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die Halter- und Fahrzeugdaten des Kraftfahrzeugs mit der FIN WV1... nicht an die örtlich zuständige Zulassungsbehörde zu übermitteln, soweit diese erkennen lassen, dass das Fahrzeug des Antragstellers eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist; außerdem soweit diese erkennen lassen, ob das Fahrzeug an der Rückrufaktion 23R7 teilgenommen hat und die dort vorgesehene Maßnahme durchgeführt wurde oder nicht,

5

hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. September 2017 abgelehnt. Der Antrag zu 1) sei bereits unzulässig, weil er sich gegen eine für die Einrichtung von Übermittlungssperren nach § 41 StVG, § 43 FZV unzuständige Behörde richte. Der Antrag zu 2) sei unbegründet, weil es insoweit an den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. und Nr. 2 i.V.m. § 14 BDSG fehle.

II.

6

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

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1. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Antrag zu 1) bereits unzulässig ist. Das KBA ist für die Einrichtung einer Übermittlungssperre im Fahrzeugregister nach §§ 41 StVG, 43 FZV nicht zuständig und damit falscher Adressat einer einstweiligen Anordnung. § 43 Abs. 1 FZV bestimmt, dass die Anordnung solcher Übermittlungssperren nur durch die für die Zulassungsbehörde zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen angeordnet wird.

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Eine davon abweichende Zuständigkeit des KBA für das von ihr gemäß § 32 StVG geführte Zentrale Fahrzeugregister und für den Fall, dass es um Datenübermittlungen an die Zulassungsbehörde geht, ist weder vorgesehen noch erforderlich. Zum einen gelten Übermittlungssperren (nur) gegenüber Dritten und damit nicht zwischen den beiden Registerbehörden, also der Zulassungsbehörde und dem KBA (§ 31 Abs. 1 und 2 StVG). Dies ergibt sich aus der besonderen Zuständigkeitsverteilung in § 43 Abs. 1 und 2 FZV. Die Zulassungsbehörde ist in Absatz 1 lediglich in ihrer Rolle als registerführende Behörde bezeichnet und nach Absatz 2 verpflichtet, dem KBA „Übermittlungssperren gegenüber Dritten“ (vgl. § 43 Abs. 1 FZV) mitzuteilen. Sie selbst kann damit nicht „Dritte“ i.S.d. Vorschrift sein. Zum anderen wirken die Übermittlungssperren nach § 41 StVG grundsätzlich gegenüber jedermann, also gegenüber öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen und gegenüber Privatpersonen, so dass eine teilweise Sperre nicht in Frage kommt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.09.2016 - 12 ME 122/16 - Rn. 10 in juris).

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Hieraus folgt zugleich, dass auch kein Bedarf nach einer analogen Anwendung der §§ 41 StVG, 43 FZV besteht. Eine planwidrige Regelungslücke besteht insoweit nicht. Der Gesetzgeber hat die Auskünfte und Übermittlungen nach den §§ 35 ff. StVG an ganz bestimmte Zwecke geknüpft, deren Aufzählung abschließend ist (vgl. VG Braunschweig, Beschl. v. 04.09.2009 - 6 A 46/09 -, Rn. 21, juris). Von daher erfordert auch das vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1 ff., juris Rn. 145 ff.) keine andere Handhabung. Jenseits der Regelung zur Einrichtung einer Übermittlungssperre schließt das Gesetz die Verantwortlichkeit des KBA für einzelne Übermittlungen nicht aus. Insoweit gelten die bereichsspezifischen Regelungen der §§ 35 bis 40, 43 StVG und ggf. ergänzend die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).

10

Eine darüber hinausgehende Zuständigkeit kann schließlich auch nicht mit der Rechtsauffassung begründet werden, das KBA „führe“ im vorliegenden Fall die Fahrzeug-Zulassungsverordnung i.S.d. § 46 Abs. 1 FZV „aus“, weil die beabsichtigte Datenübermittlung einen „Teilakt“ der vom Antragsteller erwarteten Anordnung nach § 5 FZV darstelle (wäre dem im Übrigen so, wäre der Antrag wegen der Regelung des § 44a Satz 1 VwGO schon nicht statthaft, vgl. dazu Beschl. des Senats v. 20.09.2017 - 4 MB 60/17 -, juris Rn. 12). Ergänzend gilt vielmehr das BDSG (dazu unter 2.). Auf die weiteren Ausführungen zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 41 Abs. 2 StVG und die behauptete Zielsetzung der Datenübermittlung kommt es deshalb an dieser Stelle nicht an.

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2. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Antrag zu 2) als zulässig, aber unbegründet abgelehnt. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruches hat der Antragsteller auch mit der Beschwerdebegründung nicht dargelegt. Es bleibt vielmehr dabei, dass sich die beabsichtigte Übermittlung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) vom KBA an die örtliche Zulassungsbehörde nach den Vorschriften des BDSG richtet und dass die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. und Nr. 2 i.V.m. § 14 BDSG vorliegen (dazu schon Beschl. des Senats a.a.O. Rn. 20 ff.).

12

a. Die Übermittlung ist für die rechtmäßige Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der örtlichen Zulassungsbehörde erforderlich (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. BDSG).

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(1) Die Beschwerde meint, dass bei der Übermittlung nicht die öffentliche Aufgabe der Zulassungsbehörde nach §§ 5, 46 Abs. 1 FZV, sondern der Versuch im Vordergrund stehe, für den Abgasskandal eine pragmatische und rasche Lösung zu finden. Die Zulassungsbehörde nehme deshalb privatwirtschaftliche Aufgaben und Interessen des Fahrzeugherstellers wahr, indem die Fahrzeughalter unter Androhung der Betriebsuntersagung zur Teilnahme an dem dem Hersteller auferlegten Rückruf und dem Aufspielen des Software-Updates gezwungen würden. Hierdurch werde weder die Mangelfreiheit noch die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs hergestellt; vielmehr sei mit erheblichen Schäden am Fahrzeug zu rechnen. Zudem werde die Beweisführung im Zivilprozess gegenüber dem Hersteller vereitelt.

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Diese Argumentation stellt die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe, wie sie § 15 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. BDSG verlangt und wie sie §§ 5, 46 Abs. 1 FZV beschreiben, nicht in Frage. Der Gesetzgeber hat die Inbetriebnahme von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen unter den Vorbehalt einer behördlichen Zulassung gestellt und die Erteilung der Zulassung an bestimmte Voraussetzungen gebunden (§ 1 Abs. 1 StVG, § 3 Abs. 1 FZV). Damit macht er die Einhaltung normierter Voraussetzungen zur öffentlich-rechtlichen Pflicht von Fahrzeughersteller, Fahrzeugeigentümer und -halter und deren Überwachung zur öffentlichen Aufgabe der zuständigen Behörden. So bedarf es für die Produktion von Kraftfahrzeugen, die im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen werden sollen, u.a. einer EG-Typgenehmigung (§ 1 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und 3a StVG). Die Erteilung und Überwachung der Einhaltung von EG-Typgenehmigungen gegenüber dem Fahrzeughersteller liegt gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-FGV) in der Zuständigkeit des KBA und wurde vorliegend gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV durch Anordnung von Nebenbestimmungen, u.a. einer Rückrufaktion, wahrgenommen. Daneben kann die örtliche Zulassungsbehörde als die durch Landesrecht bestimmte untere Verwaltungsbehörde i.S.d. § 46 Abs. 1 FZV gemäß § 5 Abs. 1 FZV tätig werden, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig erweist. Diese behördliche Überwachung ist durch das öffentliche Interesse an einem geregelten Verkehr auf öffentlichen Straßen zwecks Vermeidung von Gefahren sowohl für die Allgemeinheit als auch für einzelne Personen wie den Fahrer oder andere Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt. Der Fahrzeughalter unterliegt insoweit einer öffentlich-rechtlichen Mitwirkungspflicht (§ 31 Abs. 2 StVZO). Die Argumentation des Antragstellers betrifft demgegenüber die materiellen Anforderungen behördlichen Einschreitens – auf die es an dieser Stelle nicht ankommt – und im Übrigen vorrangig das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Fahrzeugeigentümer und Fahrzeughersteller.

15

(2) Die Übermittlung bzw. die Kenntnis der Daten (Dammann in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15 Rn. 15) darf vom KBA nicht nur als geeignet, sondern auch als erforderlich zur Erfüllung der Aufgaben der Zulassungsbehörde angesehen werden. Die fehlende Vorschriftsmäßigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 FZV kann sich vorliegend aus der Information ergeben, dass bei dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut und sodann kein Software-Update durchgeführt worden ist, so dass keine Übereinstimmung mit der ursprünglichen EG-Typgenehmigung besteht. Ob eine Erforderlichkeit nur dann in Frage kommt, wenn die Aufgabenerfüllung sonst unmöglich wäre (Dammann in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15 Rn. 15; Eßer in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl., § 15 Rn. 15, 13) oder ob es ausreicht, dass die Behörde ihre Aufgabe sonst nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten erfüllen könnte (Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 5/14, § 15 Rn. 16, 10 m.w.N.) bzw., ob es der Erforderlichkeit entgegensteht, dass die Angaben auch vom Betroffenen erfragt (so Eßer in: Auernhammer, DSGVO / BDSG, 5. Aufl., § 15 Rn. 16) oder von dritter Seite erlangt werden könnten (beides verneinend Dammann in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15 Rn. 16), kann dahinstehen. Denn der Antragsteller legt in seiner Beschwerde keinen alternativen Weg dar. Die Möglichkeit einer Direkterhebung beim betroffenen Halter behauptet er selbst nicht. Unklar bleibt, wie die Zulassungsbehörde auf einer Website des Herstellers diejenigen Fahrzeuge ihres Zuständigkeitsbereichs („etwa unter Eingabe der FIN“) identifizieren soll, die an dem Rückruf nicht teilgenommen haben, wenn sie die jeweilige FIN nicht kennt und gerade erst vom KBA erhalten soll. Unter diesen Umständen genügt auch der abstrakte Hinweis auf die Amtsermittlungspflichten der Zulassungsbehörde oder auf eine mögliche Amtshilfe durch den Polizeivollzugsdienst nicht den Darlegungspflichten, denn ein konkret gangbarer Weg wird nicht aufgezeigt. Die Behörde kann jedenfalls nicht gehalten sein kann, ohne jegliche Anhaltspunkte „ins Blaue hinein“ zu ermitteln.

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(3) Entgegen der Auffassung der Beschwerde erfolgt die Übermittlung damit auch zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. BDSG (zu diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal: Dammann in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15 Rn. 13 mit Verweis auf § 14 Rn. 32). Denn die Übermittlung von Daten an eine andere öffentliche Stelle ist durch deren Aufgabenerfüllung bereits dann legitimiert, wenn ihr diese Aufgabe durch Rechtsvorschrift übertragen ist, ihre diesbezüglichen Zuständigkeiten gegeben sind und sie sich bei der Art und Weise der Nutzung der Daten im gesetzmäßigen Rahmen hält (vgl. Sokol in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 13 Rn. 19; Eßer in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl., § 13 Rn. 10). Dies ist nach den obigen Ausführungen der Fall. Die nach § 5 FZV durchzuführende Prüfung obliegt der Zulassungsbehörde und erfolgt dort in eigener Zuständigkeit. Vorliegend versetzt erst die Kenntnis der FIN die Zulassungsbehörde in die Lage, den Antragsteller als Halter eines Fahrzeuges zu identifizieren, welches nicht vorschriftsmäßig betrieben wird. Dass das Fehlen des Software-Updates die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs in Frage stellt, bestreitet die Beschwerde nicht. Ihr geht es darum, etwaige Maßnahmen der Zulassungsbehörde von vornherein zu verhindern, weil sie in der Aufgabenwahrnehmung durch das KBA und die örtliche Zulassungsbehörde ein kollusives Zusammenwirken im Interesse des Fahrzeugherstellers und zulasten der betroffenen Fahrzeugeigentümer zu erkennen vermeint. Sie betrachtet die Fahrzeugeigentümer als Opfer eines Betruges vonseiten des Fahrzeugherstellers, so dass es dessen Sache wäre, sie auf zivilrechtlicher Ebene durch entsprechende Angebote zur Teilnahme am Rückruf zu bewegen oder das Fahrzeug zurückzukaufen. Ob diese Sichtweise zutrifft, bedarf keiner näheren Klärung. Sie ändert nichts daran, dass die Fahrzeugeigentümer und -halter öffentlich-rechtlich für die Vorschriftsmäßigkeit ihres Fahrzeuges verantwortlich und gemäß § 31 Abs. 2 StVZO zur Mitwirkung verpflichtet sind. Gegebenenfalls kann die örtliche Zulassungsbehörde diese Aspekte im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens berücksichtigen. Im Übrigen strahlt eine rechtswidrige Aufgabenerfüllung nur dann auf die vorangegangene Datenübermittlung zurück, wenn zwischen der Rechtsverletzung und dem Datenumgang ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht derart, dass gerade der Umgang mit den Daten zu dem rechtlich zu beanstandenden Teil der Aufgabenerfüllung führt (vgl. Dammann in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 14 Rn. 33). Einen solchen Zusammenhang legt die Beschwerde nicht dar.

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b. Aufseiten des Datenempfängers liegen auch die Voraussetzungen einer zulässigen Nutzung i.S.d. § 14 BDSG vor. Der Verweis von § 15 Abs. 1 Nr. 2 auf § 14 BDSG soll lediglich sicherstellen, dass bezüglich der Daten, die nicht zur Erfüllung des Zweckes übermittelt werden, zu dem sie erhoben worden sind, die Voraussetzungen der Zweckänderung, wie sie in § 14 BDSG, insbesondere in dessen Absatz 2, formuliert sind, beachtet werden (Eßer in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl., § 15 Rn. 18; Dammann in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15 Rn. 18). Die mit der Speicherung der Daten bei der örtlichen Zulassungsbehörde verbundene Zweckänderung ist von § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG – nämlich zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit – gedeckt. Wie bereits dargelegt, kann die örtliche Zulassungsbehörde ihre Aufgabe, die Vorschriftsgemäßheit der für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeuge zu überwachen, anders nicht erfüllen, so dass die Nutzung auch erforderlich ist.

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Die von der Beschwerde gegen die Erforderlichkeit der Datennutzung vorgebrachten Argumente betreffen in Wirklichkeit die vom KBA angeordnete Rückrufaktion und deren Überwachung bis hin zu den rechtlichen Konsequenzen für diejenigen, die an der Rückrufaktion nicht teilgenommen haben. Der Antragsteller meint, dass das vom KBA genehmigte Software-Update nicht geeignet sei, eine Konformität mit der EG-Typgenehmigung herzustellen, weshalb die Nicht-Vornahme des Software-Updates die Zulassungsbehörde auch nicht zu einer Maßnahme i.S.d. § 5 FZV berechtige. Durch die in Abweichung von der ursprünglichen EG-Typgenehmigung veränderte Herstellung des Fahrzeugs sei die EG-Typgenehmigung selbst analog § 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 StVZO erloschen. Auch diese Fragen sind nicht hier, sondern gegebenenfalls in einem Verwaltungs-(streit-)verfahren gegenüber der Zulassungsbehörde zu klären.

19

c. Schließlich liegen entgegen der Auffassung der Beschwerde auch keine Ermessensfehler vor. Der Antragsteller verkennt, dass die Datenübermittlung tatsächliches Verwaltungshandeln darstellt und weder einen Verwaltungsakt beinhaltet (Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 6/15, § 15 Rn. 1 m.w.N.) noch einen solchen voraussetzt (Eßer in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl., § 15 Rn. 9). Hieraus folgt zum einen, dass es keiner Begründung der Ermessensbetätigung bedarf, wie sie § 39 VwVfG für Verwaltungsakte verlangt. Zum anderen kommt eine Anwendung des die Ermessenbetätigung regelnden § 40 VwVfG als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens bei schlichtem Verwaltungshandeln allenfalls in analoger Weise zur Anwendung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 40 Rn. 6a). Für den Fall der Datenübermittlung weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass dieser allgemeine Rechtsgedanke im Wesentlichen bereits den Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 BDSG immanent ist. Die Übermittlung personenbezogener Daten setzt ebenso wie jede andere Phase der Datenverarbeitung tatbestandlich voraus, dass sie zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung geeignet und erforderlich ist. Der Übermittlungstatbestand umreißt damit bereits den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der bei jedem hoheitlichen Handeln zu beachten ist (vgl. Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 4/13, § 14 Rn. 3) und trägt der von einer Übermittlung ausgehenden Gefährdung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bereits Rechnung (Eßer in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl., § 15 Rn. 2).

20

Hiervon ausgehend ist für die (alternative) Annahme eines Ermessensnichtgebrauchs, einer Ermessensüberschreitung, eines Ermessensfehlgebrauchs oder eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kein Raum, jedenfalls ist dergleichen von der Beschwerde nicht hinreichend dargelegt. Der Antragsteller kleidet seine an anderer Stelle bereits geübte Kritik vielmehr nur in ein neues Gewand. Insoweit kann auf die dazu erfolgten Ausführungen verwiesen werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich das KBA bei seiner Entscheidung für eine Datenübermittlung hingegen nicht am Zweck der Ermächtigung und nicht an (grund-)gesetzlichen Vorgaben orientiert hätte oder dass es die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Ermessensgrenzen wie z.B. unter dem Aspekt des Willkürverbots oder des Grundsatzes der Selbstbindung missachtet hätte, sind weder dargelegt noch ersichtlich.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

22

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Beschwerde des Klägers eingestellt.

II. Auf die Beschwerde des Beklagten hin erhält die Nummer I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 folgende Fassung:

„1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.

2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“%2. Im Übrigen werden der Vollstreckungsantrag des Klägers und die Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen.%2. Unter Abänderung der Nummer II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016 fallen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug zu zwei Fünfteln dem Kläger, zu drei Fünfteln dem Beklagten zur Last. Die Beigeladene trägt ihre im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zur Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene zu je einem Viertel zu tragen. Dem Kläger fallen ferner jeweils die Hälfte der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zur Last. Diese Beteiligten haben ihrerseits je ein Viertel der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren über die Vollstreckung des Urteils, das das Bayerische Verwaltungsgericht München am 9. Oktober 2012 im Verfahren M 1 K 12.1046 auf eine Klage des Klägers - einer anerkannten Vereinigung im Sinn von § 3 UmwRG - hin erlassen hat.

1. Der Tenor dieses Urteils lautet in seiner Nummer I wie folgt:

„Der Beklagte wird verpflichtet, den für München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält.“

Der in seiner Erstfassung vom September 2004 stammende, durch Schreiben des damaligen Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 28. Dezember 2004 in Kraft gesetzte Luftreinhalteplan für die Stadt München wurde im Oktober 2007 zum ersten Mal, im August 2008 zum zweiten Mal und im September 2010 zum vierten Mal fortgeschrieben. Die im April 2012 erfolgte dritte Fortschreibung hatte eine Beteiligung des Münchener Umlandes zum Gegenstand.“

Nach den Feststellungen im Urteil vom 9. Oktober 2012 belief sich die NO2-Belastung in München - bezogen auf den Jahresmittelwert (vgl. § 3 Abs. 2 der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) - im Jahr 2011 an der Messstelle Landshuter Allee auf 85 µg/m³, an der Messstelle Stachus auf 76 µg/m³ und an der Messstelle Prinzregenten Straße auf 61 µg/m³. Ferner wurde danach der Tagesmittelgrenzwert für Partikel PM10 von 50 µg/m³ (§ 4 Abs. 1 der 39. BImSchV) im Jahr 2011 an der Messstelle Landshuter Allee 48-mal überschritten.

Den Entscheidungsgründen zufolge genügte der Luftreinhalteplan für München in der Fassung der vierten Fortschreibung den sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl Nr. L 152 vom 11.6.2008, S. 1), aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. BImSchV ergebenden Anforderungen nicht. Selbst der Beklagte gehe nicht davon aus, dass das dort genannte Instrumentarium geeignet sei, die Grenzwerte einzuhalten. Nach den durchgeführten Immissionsprognosen sei ohne weitere Maßnahmen weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 damit zu rechnen, dass insbesondere an der Messstation Landshuter Allee der sich auf das Jahresmittel beziehende NO2-Grenzwert eingehalten werde. Zwar seien die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht verpflichtet, Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass es zu keinerlei Grenzwertüberschreitungen mehr komme. Die in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen müssten aber jedenfalls geeignet sein, eine solche Überschreitung auszuschließen; es genüge nicht, dass die zuständige Behörde lediglich Bemühungen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte unternehme und überhaupt einen Luftreinhalteplan aufstelle oder fortschreibe. Dass der Erlass eines Luftreinhalteplans mit weitergehenden Maßnahmen tatsächlich oder rechtlich unmöglich sei, sei nicht ersichtlich. Angesichts der Vielzahl möglicher Maßnahmen, die in der mündlichen Verhandlung diskutiert worden seien, stünden dem Beklagten weitere, naturgemäß einschneidendere Maßnahmen zur Verringerung der Werte zur Verfügung; die vom Kläger angeführte räumliche Ausdehnung der Umweltzone sei nur eine davon. Bei der Auswahl der Maßnahmen und der hiervon negativ Betroffenen verfüge die Behörde allerdings über einen Gestaltungsspielraum, der einen Anspruch des von einer Überschreitung des Immissionsgrenzwerts Betroffenen ebenso wie eines Umweltverbandes auf eine bestimmte Maßnahme regelmäßig ausschließe.

Die von ihm gegen dieses Urteil eingelegte, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 22 BV 12.2450 geführte Berufung nahm der Beklagte am 8. April 2014 zurück, nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Beteiligten mit Schreiben vom 4. April 2014 darauf hingewiesen hatte, dass die Klage nach dem damaligen Stand der Meinungsbildung des Verwaltungsgerichtshofs als zulässig und begründet erscheine, so dass die Berufung zurückzuweisen sein könnte.

2. In der Folgezeit wurde der Luftreinhalteplan für München zweimal fortgeschrieben.

2.1 Die fünfte Fortschreibung datiert vom Mai 2014. Danach wurden an den im Stadtgebiet von München bestehenden Messstationen u. a. folgende Schadstoffkonzentrationen festgestellt:

Partikel PM10:

LÜB - Stationen

Jahresmittel 2010

µg/m³

Jahresmittel 2011

µg/m³

Jahresmittel 2012

µg/m³

Jahresmittel 2013

µg/m³

Anzahl der Überschreitungen*) 2010

Anzahl der Überschreitungen*) 2011

Anzahl der Überschreitungen*) 2012

Anzahl der Überschreitungen*) 2013

Stachus

32

31

26

26

47

35

[11] 14

[17] 19

Landshuter Allee

38

36

29

31

65

48

[17] 27

[30] 39

Prinzregenten Straße

28

25

-

-

31

17

-

-

Johanneskirchen

22

21

16

18

23

9

4

8

Loth Straße

24

22

18

20

27

11

5

11

*) bezogen auf den Tagesmittelwert

Die in eckige Klammern gesetzten Angaben haben - hier ebenso wie nachfolgend - die Zahl der Tage zum Gegenstand, um die das nach § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV zulässige Kontingent an Überschreitungstagen aufgrund der Ausbringung von Streusalz überstiegen wurde (vgl. § 25 der 39. BImSchV).

Stickstoffdioxid NO2:

LÜB - Stationen

Jahresmittel 2010

µg/m³

Jahresmittel 2011

µg/m³

Jahresmittel 2012

µg/m³

Jahresmittel 2013

µg/m³

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2010

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2011

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2012

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2013

Stachus

74

76

60

64

8

6

1

0

Landshuter Allee

99

85

81

81

192

50

27

50

Prinzregenten Straße

68

61

-

-

8

7

-

-

Johanneskirchen

28

23

22

22

0

0

0

0

Loth Straße

35

33

31

31

2

2

0

0

Moosach

39

39

35

-

2

2

0

-

Die fünfte Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthält 20 Maßnahmen, die teils neu sind, zum Teil aber - wie diese Ausarbeitung auf Seite 37 selbst einräumt - bereits früher im Luftreinhalteplan thematisiert, aufgrund aktueller Entwicklungen und Fortschritte jedoch wiederum aufgegriffen worden seien. Nur vieren dieser Maßnahmen spricht die fünfte Fortschreibung ein quantifizierbares Minderungspotenzial in Bezug auf Luftschadstoffe (teilweise allerdings nur für NOx) zu. Es sind die Maßnahmen M 1 (Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung an der Landshuter Allee auf 50 km/h mit strenger Überwachung), M 4 (Fortführung des Optimierungsprogramms für Grüne Wellen), M 5 (Entwicklung und Simulation von Verkehrssteuerungsmaßnahmen für das umweltorientierte Verkehrsmanagement) und M 17 (Planung einer Verkehrsbeeinflussungsanlage mit intelligenter Verkehrssteuerung auf der BAB 96 zwischen den Anschlussstellen Gräfelfing und dem Autobahnende in München- Sendling).

2.2 Die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München stammt vom Dezember 2015. Die im Stadtgebiet gemessenen Schadstoffkonzentrationen stellten sich danach - soweit vorliegend von Belang - im Jahr 2014 wie folgt dar:

Partikel PM10:

LÜB-Stationen

Jahresmittel [µg/m³]

Anzahl der Überschreitungen beim Tagesmittelwert

LandshuterAllee

27

[16] 17

Stachus

23

[13] 14

Loth Straße

18

8

Johanneskirchen

16

6

Stickstoffdioxid NO2:

LÜB-Stationen

Jahresmittel [µg/m³[

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h-Mittelwert

LandshuterAllee

83

24

Stachus

62

0

Loth Straße

31

0

Johanneskirchen

22

0

Diese Fortschreibung räumt gleichfalls ein, dass sie außer neuen Maßnahmen auch solche enthält, die bereits im bestehenden Luftreinhalteplan bzw. in seinen Fortschreibungen thematisiert, aufgrund „aktueller Entwicklungen und Fortschritte[…] jedoch erneut aufgegriffen“ worden seien (Seite 30). Keine der in ihr aufgelisteten 20 Maßnahmen enthält bezifferte Angaben über das mit ihrer Umsetzung einhergehende Immissionsminderungspotenzial hinsichtlich der Luftschadstoffe „Partikel PM10“ und „Stickstoffdioxid (NO2)“; bei zwölf von ihnen wurde die Frage nach dem Minderungspotenzial mit den Worten „[derzeit] nicht quantifizierbar“, „nicht konkret bezifferbar“, „soll durch das Projekt ermittelt werden“ oder unter Verwendung ähnlicher Formulierungen beantwortet.

Unter prognostischem Blickwinkel führte die sechste Fortschreibung aus, eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwerts für das Jahresmittel an der Landshuter Allee sei ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich; an der Messstation am Stachus stehe eine Einhaltung voraussichtlich ab 2025 zu erwarten. Die Immissionsprognosen beruhten im Wesentlichen auf der Erneuerung der Fahrzeugflotte sowie den quantifizierbaren Maßnahmen wie dem Lkw-Durchfahrtsverbot und der Umweltzone. Maßnahmen, deren Wirkungen sich nicht belastbar abschätzen ließen (hierzu gehörten solche, die den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sowie die Förderung des Fahrradverkehrs zum Ziel hätten), seien bei der Immissionsprognose nicht berücksichtigt worden.

3. Am 18. November 2015 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht,

dem Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen unter Fristsetzung ein angemessenes Zwangsgeld von bis zu 10.000 Euro anzudrohen,

hilfsweise,

gegen das Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen ein angemessenes Zwangsgeld festzusetzen.

Am 21. Juni 2016 erließ das Verwaltungsgericht daraufhin folgenden, dem Beklagten am 29. Juni 2016 als Fernkopie und am 30. Juni 2016 als Postexemplar zugestellten Beschluss:

Dem Antragsgegner wird für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung dieses Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- Euro angedroht.

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Anträge seien unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO so auszulegen, dass der Beklagte als Rechtsträger des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz Vollstreckungsschuldner sei.

Die Vollstreckung eines zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans verpflichtenden Urteils bestimme sich nach § 172 VwGO, da diese Vorschrift auch die Erzwingung solcher hoheitlichen Maßnahmen umfasse, mit denen die öffentliche Hand eine dem Erlass eines Verwaltungsakts vergleichbare, allein ihr vorbehaltene spezifische Regelungsbefugnis in Anspruch nehme.

Soweit im Stadtgebiet der Beigeladenen keine Überschreitung der Grenzwerte für Partikel PM10 mehr vorliege, ziehe das nicht die Unzulässigkeit des Vollstreckungsantrags nach sich. Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens bilde nämlich die Frage, ob die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zur Gänze befolgt worden sei. Es müsse insgesamt geprüft werden, ob der für München geltende Luftreinhalteplan so geändert worden sei, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid und Partikel PM10 enthalte. Sei das nicht der Fall, müsse ein Zwangsgeld angedroht werden.

Der Umstand, dass die Vollstreckungsmaßnahme „innerhalb desselben Rechtsträgers“ erfolgen solle, nehme dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da dem Kläger andernfalls die Möglichkeit genommen würde, effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Überdies sei davon auszugehen, dass nicht nur das Zwangsgeld als solches, sondern gerade dessen Androhung den jeweiligen Vollstreckungsschuldner zur Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils motivieren solle.

Der Antrag habe in der Sache deshalb Erfolg, da der Beklagte der ihm durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegten Verpflichtung grundlos nicht nachgekommen sei.

Dieses Urteil sei vollstreckungsfähig, da sich aus ihm die Verpflichtungen des Beklagten in hinreichend bestimmter Weise ergäben. Jene Entscheidung habe den Gestaltungsspielraum des Beklagten beachtet und einen Anspruch darauf, dass er zu einer bestimmten Maßnahme verpflichtet werde, verneint. Der Vollstreckungsfähigkeit des Urteils sei dadurch Rechnung getragen worden, dass die Entscheidungsgründe verbindliche Vorgaben enthielten, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten seien.

Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage, bei der die Bindung an die dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zugrunde liegende Rechtsauffassung entfallen würde, ergebe sich nicht daraus, dass Dieselfahrzeuge die Vorgaben der Euro-5- und der Euro-6-Norm zwar unter den vorgesehenen Testbedingungen, nicht aber im tatsächlichen Fahrbetrieb einhalten könnten. Denn diese tatsächliche Gegebenheit habe schon bei Erlass des zu vollstreckenden Urteils bestanden; die Euro-6-Norm sei überdies erst am 1. September 2014 verbindlich geworden. Neu sei lediglich die Erkenntnis, dass diese Normen bereits im Zeitpunkt der Rechtskraft jenes Urteils nicht eingehalten worden seien; das lasse seine Bindungswirkung jedoch nicht entfallen. Die Frage, wie schnell die Verminderung des Schadstoffausstoßes von Dieselfahrzeugen voranschreite, sei nicht entscheidungserheblich, da dem Beklagten unabhängig hiervon Maßnahmen zur Verfügung stünden, die zum Ausschluss der Grenzwertüberschreitung geeignet seien. Auch unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei es ihm zumutbar, solche einschneidenden Maßnahmen - bis hin zu einem Verkehrsverbot oder Ähnlichem - zu ergreifen.

Die Tatsache, dass offenbar einige Hersteller von Dieselfahrzeugen die Software dergestalt beeinflusst hätten, dass Fahrzeuge zwar bei Testmessungen, nicht aber im Realbetrieb die Vorgaben der Euro-5- und der Euro-6-Norm hätten einhalten können, vermöge die Säumnis des Beklagten ebenfalls nicht zu rechtfertigen, da dieser Umstand für die Nichterfüllung der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht ursächlich sei.

Wenn dem Beklagten in diesem Urteil aufgegeben worden sei, einen zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte geeigneten Luftreinhalteplan aufzustellen und den Zeitraum ihrer Überschreitung „möglichst kurz zu halten“, so folge hieraus in Verbindung mit Aussagen in der seinerzeit vorliegenden vierten Fortschreibung des Luftreinhalteplans, dass eine „schnellstmögliche Einhaltung“ der Grenzwerte jedenfalls dann nicht bejaht werden könne, wenn sie weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 in Aussicht stehe.

Durch das zu vollstreckende Urteil sei dem Beklagten ferner aufgegeben worden,

„einschneidendere“ als die in der vierten Fortschreibung erwähnten Maßnahmen - insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone - zu prüfen und sie ggf. in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Verlangt werde mithin ein Katalog an wirksamen Maßnahmen, die geeignet seien, die Grenzwerte so schnell wie möglich - nach den Entscheidungsgründen vor 2015 bzw. 2020 - einzuhalten.

Die Ungeeignetheit der in der sechsten Fortschreibung enthaltenen Maßnahmen ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte selbst nicht davon ausgehe, sie seien zur Einhaltung der Grenzwerte tauglich. Die von ihm als zentral verstandene Maßnahme M 1 (sie hat die „gutachterliche Ermittlung der verkehrlichen Bedingungen und Auswirkungen verkehrssteuernder Maßnahmen mit dem Ziel der Minderung der Verkehrsmenge auf besonders belasteten Abschnitten sowie deren Stickstoffdioxid- Minderungspotentials und sonstiger Auswirkungen auf die Luftqualität“ zum Gegenstand) diene bestenfalls zur Vorbereitung weiterer Maßnahmen, stelle aber selbst keine Maßnahme dar, die die Emissionen reduzieren könne. Die Maßnahmen M 2 bis M 20 seien viel zu unkonkret bzw. angesichts der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht werde, nicht geeignet, effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beizutragen.

4. Mit der von ihm eingelegten Beschwerde beantragte der Beklagte:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016 wird aufgehoben. Der Antrag wird abgelehnt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei das Urteil vom 9. Oktober 2012 mangels ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit nicht vollstreckbar. Hieran ändere der bei Verbescheidungsurteilen erforderliche Rückgriff auf die Entscheidungsgründe nichts, da auch aus ihnen nicht hervorgehe, mit welchen Maßnahmen oder in welchem Zeitraum das im Urteilstenor vorgegebene Ziel zu erreichen sei. Die einzigen insoweit belangreichen Ausführungen fänden sich in den beiden letzten Sätzen der Randnummer 33 des Urteils. Wie ein Vergleich mit dem nahezu identischen Parallelfall verdeutliche, über den der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 11. Mai 2016 (9 E 448/16 - juris) befunden habe, reichten sie nicht aus, um die Vollstreckungsfähigkeit des hier inmitten stehenden Urteils bejahen zu können. Bereits in einem Schreiben vom 16. Dezember 2013 habe der beschließende Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs anlässlich seiner Befassung mit der gegen das Urteil vom 9. Oktober 2012 eingelegten Berufung im Übrigen Zweifel an der Vollstreckungsfähigkeit dieser Entscheidung angemeldet.

Der im angefochtenen Beschluss enthaltene Hinweis darauf, dass eine Einhaltung der Grenzwerte im Jahr 2015 oder im Jahr 2020 keine „schnellstmögliche Einhaltung“ darstelle, stelle schon deshalb keine taugliche Konkretisierung dar, da zwei unterschiedliche, zudem fünf Jahre auseinander liegende Zeitpunkte genannt würden. Zudem ergebe sich aus diesem Kriterium allenfalls eine Negativabgrenzung dergestalt, der sich entnehmen lasse, wann der Beklagte seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Dazu, um dem Vollstreckungsschuldner hinreichend bestimmte Vorgaben zu erteilen, durch deren Erfüllung er sich einem Vollstreckungsverfahren erfolgreich entziehen könne, sei diese Aussage nicht geeignet.

Der Annahme, das Urteil vom 9. Oktober 2012 sehe in der Ausweitung der Umweltzone eine taugliche Maßnahme, stehe entgegen, dass sich das Verwaltungsgericht auf die Feststellung beschränkt habe, diese (vom Kläger angeführte) Maßnahme existiere und sei möglicherweise geeignet. Tatsächlich seien dem Beklagten keine Maßnahmen bekannt, die zum Ausschluss von Grenzwertüberschreitungen geeignet seien.

Sollte das Urteil vom 9. Oktober 2012 gleichwohl als vollstreckungsfähig angesehen werden, habe der Beklagte die sich aus dieser Entscheidung ergebende Verpflichtung durch die seither vorgenommene zweimalige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München erfüllt. Der Beklagte verweist insoweit auf die auf der Landshuter Allee eingeführte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h sowie darauf, dass seit Oktober 2012 die Einfahrt in die Umweltzone nur noch Fahrzeugen mit grüner, nicht aber mit gelber oder roter Plakette erlaubt sei. Weitergehende Verpflichtungen ließen sich weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen jenes Urteils entnehmen. Zudem bedürften die in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen zunächst der Umsetzung; messbare Auswirkungen auf die Umwelt ließen sich deshalb erst mit deutlicher Verzögerung feststellen.

Auch der Beklagte verkenne nicht, dass sich in einem Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO der Inhalt des zu vollstreckenden Urteils über dessen notwendige Auslegung hinaus auch durch eine gewisse Fortschreibung konkretisieren lassen müsse, falls Unklarheiten sich anhand der Urteilsurkunde selbst nicht beseitigen ließen. Wenn § 172 VwGO das Gericht des ersten Rechtszugs zum Vollstreckungsorgan erkläre, werde damit auch dem Umstand Rechnung getragen, dass in derartigen Vollstreckungsverfahren nicht selten ein „Weiterdenken“ der Erwägungen notwendig werde, die der zu vollstreckenden Entscheidung zugrunde lagen, um feststellen zu können, was der Beklagte schulde und ob er seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Die zwangsläufig allgemein gehaltene Fassung von Verbescheidungsurteilen könne es im Licht des Art. 19 Abs. 4 GG erfordern, im Vollstreckungsverfahren die einem solchen Urteil zugrunde liegenden Überlegungen und Wertungen näher zu präzisieren, um zu verhindern, dass sich derartige Entscheidungen im Unverbindlichen erschöpften. Dies dürfe aber über die in dem zu vollstreckenden Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen nicht hinausgehen und setze deshalb voraus, dass diese Feststellungen, Überlegungen und Wertungen selbst bereits Grundlage der Erwägungen in jenem Urteil gewesen seien. Da in dem Erkenntnisverfahren, das dem Urteil vom 9. Oktober 2012 vorangegangen sei, keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob die schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung diskutierten Maßnahmen tatsächlich möglich, geeignet und verhältnismäßig seien, müssten sie zunächst Gegenstand eines neuen Erkenntnisverfahrens sein; denn vom Vollstreckungsschuldner dürfe nichts rechtlich Unmögliches verlangt werden.

Aufgrund der Reichweite und Eingriffsintensität gelte das namentlich für eine Sperrung von (Innen-)Stadtbereichen für Kraftfahrzeuge. Erst ein neues Erkenntnisverfahren könne die nötige Plattform für die Prüfung bieten, ob hierfür eine Ermächtigungsgrundlage bestehe und ob das planerische Gestaltungsermessen u. U. auf die Verpflichtung zur Aufnahme dieser Maßnahmen in die weitere Fortschreibung des streitigen Luftreinhalteplans reduziert sei.

Die vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist von einem Jahr sei im Übrigen viel zu kurz bemessen. Angesichts der Vielzahl der einzuschaltenden öffentlichen Stellen und der Notwendigkeit einer Öffentlichkeitsbeteiligung benötige eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans einen Zeitraum, der deutlich über einem Jahr liege. Zu bedenken sei auch, dass das Gutachten, dessen Einholung die sechste Fortschreibung als Maßnahme M 1 enthalte, um die Jahresmitte 2017 und damit fast gleichzeitig mit dem Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist vorzulegen sei. Erst wenn dieses Gutachten vorliege, werde zu prüfen und zu entscheiden sein, welche der dort genannten Vorschläge realisiert werden könnten; im Anschluss daran sei die Überarbeitung des Luftreinhalteplans zu erstellen.

Die Maßnahmen auf lokaler Ebene zur Reduktion der Immissionen seien im Übrigen beinahe erschöpft. Nur eine drastische Reduzierung der Fahrzeugmenge und/oder eine Verbesserung des Emissionsverhaltens von Kraftfahrzeugen (insbesondere solcher mit Dieselantrieb) könnten eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken. Solche Maßnahmen seien nach derzeitiger Rechtslage indes unverhältnismäßig. Eine wesentliche Verbesserung der NO2-Belastungssituation durch die Umstellung der Fahrzeugflotte auf die Euro-6- bzw. die Euro-VI-Norm sei erst deutlich nach dem Ende des laufenden Jahrzehnts anzunehmen, da die vorhandene Fahrzeugflotte auf Jahre hinaus das Emissionspotenzial bestimmen werde.

5. Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Urteil vom 9. Oktober 2012 sei deshalb vollstreckungsfähig, weil die dem Beklagten darin auferlegte Verpflichtung, einen zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid geeigneten Luftreinhalteplan aufzustellen, in den Entscheidungsgründen dahingehend konkretisiert werde, dass „einschneidendere“ Maßnahmen als die in der vierten Fortschreibung enthaltenen geboten seien; zu ihnen gehöre insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 56) ausgeführt, dass dem Verwaltungsgericht die Option („machen kann“) zustehe, hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen verbindliche Vorgaben zu machen; diese seien alsdann auch im Vollstreckungsverfahren zu beachten. Das bedeute indes nicht, dass das Tatsachengericht alle in den Luftreinhalteplan aufzunehmenden Maßnahmen im Urteil erwähnen müsse; dies verbiete sich sowohl aus Gründen der Gewaltenteilung als auch mit Blickrichtung auf die Komplexität der Luftreinhalteplanung.

Bereits die Tatsache, dass die Umweltzone in München immer noch so groß sei wie im Jahr 2012, erhelle, dass der Beklagte die ihm durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt habe. Darüber hinaus gebe es nicht einmal ein Konzept dafür, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, damit die Grenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden könnten. Dass zur Umsetzung des zu vollstreckenden Urteils auch (ggf. zeitlich, örtlich und sachlich begrenzte) Verkehrsbeschränkungen zählten, sei allen Beteiligten bewusst, jedoch weigere man sich beharrlich, die entsprechenden Konsequenzen insbesondere für den Verkehr mit Dieselfahrzeugen zu ziehen.

Für eine Beschränkung des Diesel-Kraftfahrzeugverkehrs bedürfe es keiner Novellierung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BImSchV). Denn jedenfalls hinsichtlich der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Einzelstraßen im Stadtgebiet der Beigeladenen könne ein solches Verkehrsverbot durch das Zeichen 251 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung, dem ein Zusatzzeichen „Gilt für Diesel“ bzw. „Alle außer Diesel frei“ o. ä. beizufügen sei, ausgesprochen werden. Härtefällen könne mit einer Allgemeinverfügung begegnet werden. Als Alternative zur Verlautbarung eines Durchfahrtsverbots für Dieselfahrzeuge komme eine Beschilderung in Betracht, wie sie im Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 11. März 2016 als rechtlich zulässig bezeichnet worden sei. Die Pflicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, sei die rechtlich zwingende Konsequenz daraus, dass auf Bundesebene von der Schaffung der „Blauen Plakette“ abgesehen worden sei. Dies gelte umso mehr, als der Beklagte keine auf deren Einführung abzielende Initiative im Bundesrat ergriffen habe.

Der Hinweis der Beigeladenen darauf, dass sich das zu vollstreckende Urteil nicht dazu äußere, unter welchen Voraussetzungen sie ihr Einvernehmen zu straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen des Beklagten zu erteilen habe, sei unbehelflich, da es bereits an der Bereitschaft des Beklagten fehle, straßenbehördliche Maßnahmen in den Luftreinhalteplan aufzunehmen und um das Einvernehmen der Beigeladenen hierzu zu ersuchen. Das Einvernehmen dürfe im Übrigen nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen verweigert werden; andernfalls sei es nach den zu § 36 Abs. 1 BauGB entwickelten Grundsätzen zu ersetzen.

6. Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an. Sie verweist auf ihre Ausführungen in dem Berufungszulassungsverfahren 22 ZB 16.1475, das ebenfalls die Verpflichtung des Beklagten zur Änderung des Luftreinhalteplans für München zum Gegenstand hat. Ergänzend hierzu macht sie geltend, die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012 richte sich nicht nach § 172 VwGO, sondern nach § 894 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Mangels einer Tenorierung, angesichts derer die Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO eintreten könne, sei jene Entscheidung nicht vollstreckungsfähig. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 172 VwGO habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen abgelehnt.

Unabhängig hiervon sei es nicht Aufgabe des Vollstreckungsverfahrens, unterlassene konkrete Maßnahmen anzuführen, deren Benennung das Urteil vom 9. Oktober 2012 gescheut habe.

Der Beklagte könne deshalb nicht säumig sein, weil er ohne das nach § 47 Abs. 4 Satz 2, Abs. 6 BImSchG erforderliche Einvernehmen der Beigeladenen und ohne Erstreckung der Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 auf sie keine Maßnahmen der Luftreinhalteplanung treffen könne. Rechtskraftwirkung entfalte ein Verbescheidungsurteil nämlich dann nicht, wenn es zu einer Rechtsvoraussetzung keine verbindlichen Ausführungen enthalte. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beigeladene ihr Einvernehmen zu Luftreinhaltemaßnahmen des Beklagten erteilen müsse, verhalte sich das zu vollstreckende Urteil indes nicht.

Eine grundlose Säumnis des Beklagten sei ferner zum einen deshalb zu verneinen, weil seit dem Erlass des zu vollstreckenden Urteils zwei Fortschreibungen des Luftreinhalteplans in Kraft getreten seien. Zum anderen sei eine Erweiterung der Umweltzone - die einzige vom Verwaltungsgericht konkret angesprochene Maßnahme - angesichts der bisher nicht eingeführten „Blauen Plakette“ rechtlich unmöglich.

7. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. Januar 2017 legte auch der Kläger gegen den Beschluss vom 21. Juni 2016 Beschwerde ein. Dieses Rechtsmittel nahm er in der am 16. Februar 2017 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durchgeführten mündlichen Verhandlung zurück.

8. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift, wegen des Vorbringens der Beteiligten und des Verfahrensgangs im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Das Verfahren über die Beschwerde des Klägers war nach der Rücknahme dieses Rechtsmittels entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht ging zu Unrecht davon aus, dem Beklagten dürfe ein Zwangsgeld für den Fall angedroht werden, dass er die gesamte ihm im Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegte Verpflichtung nicht binnen Jahresfrist erfüllen sollte. Von ihm können in Vollzug jener Gerichtsentscheidung gegenwärtig nur Handlungen verlangt werden, die der Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung dieses Plans dienen (vgl. die Nummern 1 bis 3 der neu gefassten Nummer I des Tenors des angefochtenen Beschlusses). Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die darüber hinausgehenden, aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 resultierenden Pflichten des Beklagten seien derzeit im Vollstreckungswege durchsetzbar, war der Beschluss vom 21. Juni 2016 deshalb unter gleichzeitiger diesbezüglicher Ablehnung des Vollstreckungsantrags des Klägers abzuändern. Andererseits musste die Beschwerde zurückgewiesen werden, soweit sie darauf abzielte, die erfolgte Androhung eines Zwangsgeldes zur Gänze abzuwenden, da das Urteil vom 9. Oktober 2012 dem Grunde nach vollstreckbar ist und der Beklagte die ihm darin auferlegte Verpflichtung insoweit, als das von ihm gegenwärtig verlangt werden kann, nicht in dem gebotenen Umfang erfüllt hat.

1. Rechtsgrundlage für die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012

Die Vollstreckung von Urteilen, die die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechen, richtet sich grundsätzlich nach § 172 VwGO.

Dies entspricht nicht nur der - soweit ersichtlich - übereinstimmenden Auffassung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die sich bisher mit der Vollstreckung von gleich oder ähnlich tenorierten, die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechenden Urteilen zu befassen hatten (VG Stuttgart, B.v. 14.8.2009 - 13 K 511/09 - juris Rn. 32; VG Wiesbaden, B.v. 11.1.2016 - 4 N 1727/15.WI - juris Rn. 28; VG Hamburg, B.v. 18.7.2016 - 9 V 1062/16 - juris Rn. 5; VG Sigmaringen, B.v. 24.11.2016 - 1 K 5134/15 - BA S. 11 f.; im Ergebnis ebenso, ohne die Frage überhaupt zu problematisieren, HessVGH, B.v. 11.5.2016 - 9 E 448/16 - juris Rn. 17 f., 25 f., 29 und 35; B.v. 11.5.2016 - 9 E 450/16 - juris Rn. 17, 25 f., 29 und 34); ein Rückgriff auf die - allerdings nur entsprechend anwendbare – Vorschrift des § 172 VwGO ist auch von der Sache her geboten. Denn zu vollstrecken ist vorliegend eine gerichtliche Entscheidung, die die öffentliche Gewalt lediglich dazu verurteilt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, die jedoch keinen kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt festsetzt, bis zu dem der geschuldete Erfolg herbeigeführt sein muss, und die darüber hinaus die Wahl der einzusetzenden Mittel vollständig dem - freilich stets pflichtgemäß auszuübenden - Ermessen der zuständigen Behörde überlässt. In solchen Fällen kann es in deutlich höherem Maß als in anderen Vollstreckungsverfahren ungewiss sein, ob die öffentliche Verwaltung der ihr gerichtlich auferlegten Verpflichtung vollständig nachgekommen ist. Das gilt namentlich dann, wenn sie seit dem Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung gewisse Handlungen vorgenommen (hier: den verfahrensgegenständlichen Luftreinhalteplan tatsächlich fortgeschrieben) hat, jedoch Streit darüber besteht, ob diese Maßnahmen ausreichen (die Behörde m.a.W. den „Erfüllungseinwand“ erhebt), oder sie behauptet, weitergehende Schritte könnten von ihr deshalb nicht verlangt werden, weil das zur Verfügung stehende Handlungsinstrumentarium ausgeschöpft sei (vgl. zur grundsätzlichen Beachtlichkeit sowohl des Erfüllungseinwands als auch der Behauptung, die Vornahme der im zu vollstreckenden Titel rechtskräftig auferlegten Handlung sei dem Schuldner unmöglich, im Vollstreckungsverfahren sowie zur fehlenden Beschränkung des Vollstreckungsschuldners auf die Geltendmachung dieses Einwands im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO: Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 887 Rn. 23 m.w.N.; Gruber in MK zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 888 Rn. 13 m.w.N.). In derartigen Konstellationen kann das Vollstreckungsverfahren einen Grad an Komplexität aufweisen, der sich signifikant von jenen Fallgestaltungen unterscheidet, in denen der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen ist, die Vollstreckung von nicht dem Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO unterfallenden Leistungsurteilen bestimme sich nach den §§ 887 f. ZPO (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.1.1999 - 8 C 98.2131 - juris Rn. 2, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Beseitigung eines straßenrechtlichen Überbaus; B.v. 2.4.2001 - 8 C 01.587 - VGH n.F. 54, 74/75, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Beseitigung der Überteerung eines Grundstücks; B.v. 7.3.2002 - 4 C 02.188 - BayVBl 2003, 375, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Lieferung von den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprechendem Wasser; B.v. 9.3.2009 - 7 C 08.3151 - juris Rn. 17 f., betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Änderung eines Schulzeugnisses; B.v. 6.4.2009 - 7 C 09.763 - juris Rn. 13, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Zulassung als Mieter von Hochschulräumen). Es erscheint deshalb angemessen, für die Klärung der Stichhaltigkeit des „Erfüllungs-“ bzw. des „Unmöglichkeitseinwands“ in Fällen der hier inmitten stehenden Art ein gerichtliches Verfahren zur Verfügung zu stellen, das dem Vollstreckungsschuldner dann, wenn sich ein Einwand der vorbezeichneten Art als (teilweise) nicht zutreffend erweist, Gelegenheit belässt, den ihm durch die zu vollstreckende Entscheidung auferlegten Pflichten innerhalb der gemäß § 172 Satz 1 VwGO zu setzenden Frist nachzukommen, ohne dass es bereits in diesem Stadium (was letztlich zu Lasten der Allgemeinheit ginge) zu einer Zwangsgeldfestsetzung kommt. Eine solche Folge aber wäre dann unabweisbar, würde sich die Vollstreckung eines Gerichtsurteils, das zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verpflichtet, gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO von vornherein nach dem Achten Buch der Zivilprozessordnung bestimmen; denn die alsdann anzuwendende Vorschrift des § 888 ZPO schließt in ihrem Absatz 2 die Androhung eines Zwangsmittels ausdrücklich aus. Die Absicht des Gesetzgebers, die öffentliche Gewalt vor der „scharfen“ zivilprozessualen Vollstreckung zu verschonen - hierin muss das tragende Motiv für die Schaffung des § 172 VwGO gesehen werden (vgl. Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2011, § 172 Rn. 11) -, gebietet deshalb die vorrangige Heranziehung von § 172 VwGO gerade in Fällen der inmitten stehenden Art.

Trotz der teilweisen Ablehnung des Vollstreckungsantrags durch das Beschwerdegericht kann der Kläger aus diesem Grund auch nicht mit dem im ersten Rechtszug gestellten, auf die sofortige Festsetzung eines Zwangsgelds abzielenden Hilfsantrag durchdringen.

Unzutreffend ist die Auffassung der Beigeladenen, die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012 bestimme sich nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 894 ZPO. Dahinstehen kann, ob ein Luftreinhalteplan überhaupt als eine Willenserklärung (bzw. - mit Blickrichtung auf die darin erwähnten Maßnahmen - als ein Bündel von Willenserklärungen) angesehen werden kann. Einem Rückgriff auf die Vorschrift des § 894 ZPO steht jedenfalls entgegen, dass das zu vollstreckende Urteil die in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München aufzunehmenden Handlungen nicht derart detailgenau umschrieben hat, dass davon ausgegangen werden könnte, mit dem Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung stehe der neue Inhalt des Plans bereits in einer Weise fest, die geeignet wäre, die sich aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ergebende Vollzugspflicht auszulösen. Hieran ändert der Umstand nichts, dass das Ermessen des Beklagten, wie er dem Urteil vom 9. Oktober 2012 gerecht wird, dahingehend eingeschränkt ist, dass er nach Ausräumung der derzeit noch bestehenden straßenverkehrsrechtlichen Ungewissheiten nicht mehr rechtsfehlerfrei davon absehen kann, in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor (nachfolgend „Dieselfahrzeuge“ genannt) einzuarbeiten. Denn selbst insoweit bedarf es noch vom Beklagten vorzunehmender Feststellungen darüber, hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) derartige Verkehrsverbote ohne Verstoß gegen anderweitige Vorgaben der Rechtsordnung angeordnet werden können, in welchem sachlichen und zeitlichen Umfang dies zu geschehen hat, und welche Ausnahmen von einem solchen Verkehrsverbot zugelassen werden müssen.

Bei alledem verkennt der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit von Verfassungs wegen gehalten sind, „die Vollstreckungsvorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung so auszulegen und anzuwenden, dass ein wirkungsvoller Schutz der Rechte des Einzelnen auch gegenüber der Verwaltung gewährleistet ist“ (BVerfG, B.v. 9.8.1999 - 1 BvR 2245/98 - DVBl 1999, 1646). § 172 VwGO steht daher dem Einsatz anderer nach § 167 VwGO in Verbindung mit der Zivilprozessordnung möglicher Zwangsmittel nicht entgegen (BVerfG, B.v. 9.8.1999 a.a.O. S. 1646). Ist etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar, dass die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt, gebietet es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, von der nach § 167 VwGO möglichen „entsprechenden“ Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten (BVerfG, B.v. 9.8.1999 a.a.O. S. 1646). Die Durchführung des nach § 172 Satz 1 VwGO einer Zwangsgeldfestsetzung obligatorisch vorgeschalteten Androhungsverfahrens steht deshalb der gebotenen effektiven Durchsetzung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen auch gegenüber der öffentlichen Hand nicht entgegen.

2. Vollstreckbarkeit des Urteils vom 9. Oktober 2012

Dieses Urteil statuiert eine Verpflichtung des Beklagten, deren Inhalt und Umfang sich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs, in Ansehung dessen dieses Ziel zu verwirklichen ist, sowie hinsichtlich eines einzelnen zu diesem Zweck zu ergreifenden Mittels - nämlich der Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München - im Weg der Auslegung eindeutig bestimmen lässt; es ist deshalb vollstreckbar.

2.1 Räumliche Reichweite der im Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegten Verpflichtung

Eindeutig ist der dem Beklagten in diesem Urteil erteilte Rechtsbefehl zunächst hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs. Die Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für München so zu ändern, dass die im Tenor des zu vollstreckenden Urteils genannten drei Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden, beschränkt sich nicht auf den näheren Umgriff derjenigen beiden öffentlichen Verkehrsflächen in München, an denen sich die Messstationen befinden, die auch in jüngerer Zeit noch Grenzwertüberschreitungen registriert haben (d.h. auf den Stachus sowie einen bestimmten Abschnitt der Landshuter Allee). Desgleichen ist diesem Urteil eine Begrenzung seines Regelungsgehalts auf das innerhalb des Mittleren Rings liegende Stadtgebiet der Beigeladenen (d.h. die bereits vorhandene Umweltzone) fremd. Nach dem eindeutigen, keiner relativierenden Auslegung zugänglichen Wortlaut der Nummer I des Tenors des zu vollstreckenden Urteils umfasst die auferlegte Verpflichtung vielmehr das gesamte „Stadtgebiet von München“.

2.2 Sachliche Reichweite der zu vollstreckenden Verpflichtung

Eindeutig ist ferner die sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebende Verpflichtung des Beklagten, die bisherige Überschreitung der im Tenor dieser Entscheidung genau bezeichneten Immissionsgrenzwerte für Feinstaub (Partikel PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) abzustellen.

Spürbar eingeschränkt wird die Weite dieser Verpflichtung durch den Umstand, dass das Urteil nicht die „sofortige“, sondern nur die „schnellstmögliche“ Einhaltung dieser Grenzwerte verlangt. Es bringt damit zum Ausdruck, dass der Beklagte nur die Aufnahme solcher Maßnahmen in den Luftreinhalteplan schuldet, zu deren Durchführung die nach den einschlägigen Bestimmungen hierfür zuständigen Träger öffentlicher Gewalt (vgl. § 40 Abs. 1 und § 47 Abs. 6 BImSchG) tatsächlich und rechtlich in der Lage sind. Eine weitere Eingrenzung ergibt sich aus dem ebenfalls in die Nummer I des Urteilstenors ausdrücklich aufgenommenen Kriterium der „Erforderlichkeit“ der jeweiligen Maßnahme. „Erforderlich“ sind nach allgemeinem verwaltungsrechtlichem Sprachgebrauch nur solche Handlungen der öffentlichen Gewalt, bei denen sich die Relation zwischen ihrer Eignung, das zu verwirklichende Ziel zu erreichen, und den damit für die Allgemeinheit oder für Einzelne einhergehenden Belastungen vorteilhafter als bei zur Verfügung stehenden Alternativmaßnahmen darstellt. Der Gesichtspunkt der „Erforderlichkeit“ einer Maßnahme umschreibt damit einen Teilaspekt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dessen Beachtung der öffentlichen Verwaltung bei der Auswahl der in einen Luftreinhalteplan aufzunehmenden Maßnahmen und ihrer näheren Ausgestaltung durch § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG überdies ausdrücklich aufgegeben wird.

Für die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012 ergeben sich hieraus bedeutsame Konsequenzen. Behauptet der Vollstreckungsschuldner, er habe mit den seit dem Erlass des zu vollstreckenden Urteils ergriffenen Maßnahmen das ihm (derzeit) zur Verfügung stehende Instrumentarium ausgeschöpft, während der Vollstreckungsgläubiger - wie vorliegend - eine Vielzahl weiterer Handlungsoptionen aufführt, die ohne rechtfertigenden Grund nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden seien, so besteht die Gefahr, dass das Vollstreckungsverfahren unter Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits mit Sachfragen überfrachtet wird (so zu Recht BVerwG, U.v. 5.9.2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 54). Denn die Beantwortung der Frage, ob dieses Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers zutrifft, setzt nicht nur die Prüfung voraus, ob die von ihm benannten Maßnahmen zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind; wegen der sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ergebenden Verpflichtung der zuständigen Behörden, die in einen Luftreinhalteplan aufgenommenen Aussagen umzusetzen (vgl. dazu z.B. Fisahn in Kotulla, BImSchG, Stand November 2004, § 40 Rn. 18; Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1 Teil II, § 40 BImSchG Rn. 27; Hansmann/Röckinghausen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand September 2010, § 47 BImSchG Rn. 29 f.; Jarass BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 40 Rn. 11 und § 47 Rn. 52 - 55), müssen sowohl die materielle Rechtmäßigkeit der jeweils in Streit stehenden Maßnahme als auch ihre Vollzugsfähigkeit zumindest in allen wesentlichen Punkten bereits vor ihrer Einstellung in den Plan geklärt sein. Bejaht oder verneint das Gericht in einem Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO die Existenz eines weiteren, vom Vollstreckungsschuldner bisher nicht berücksichtigten Instruments zur Luftreinhaltung (mit der daraus resultierenden Pflicht zur Aufnahme dieses Instruments in einen Plan nach § 47 Abs. 1 BImSchG), so übernimmt es die Verantwortung nicht nur für die materielle Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme einschließlich ihrer Verhältnismäßigkeit, sondern auch für ihre rechtliche und tatsächliche Vollziehbarkeit.

Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeit ist es zu verstehen, wenn das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 56) angemerkt hat, der Vollstreckungsfähigkeit einer gerichtlichen Entscheidung der vorliegenden Art werde dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen könne, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten seien. Dieser Aussage kommt Beachtlichkeit auch im vorliegenden Zusammenhang zu, da die Tenorierung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 (4 K 165/12.WI - juris), das der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (a.a.O.) zugrunde lag, mit der Entscheidungsformel des vorliegend verfahrensgegenständlichen Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 im Wesentlichen übereinstimmt. Den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Weg, verbindliche Vorgaben hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen bereits in die das Erkenntnisverfahren abschließende Entscheidung aufzunehmen, hat das zu vollstreckende Urteil allerdings nicht beschritten. Insbesondere kann der in Abschnitt 2.5 der Entscheidungsgründe dieses Urteils enthaltene Hinweis auf die aus der Sicht des Verwaltungsgerichts bestehende Option einer Ausdehnung der Umweltzone nicht als eine solche Vorgabe verstanden werden; die dortigen Darlegungen dienen vielmehr lediglich dazu, beispielhaft aufzuzeigen, dass dem Beklagten weitere, bisher nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Aus den knappen Ausführungen in der Randnummer 56 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (a.a.O.) kann entgegen der Auffassung, die in den Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Mai 2016 (9 E 448/16 - juris; 9 E 450/16 - juris) zum Ausdruck gelangt, indes nicht hergeleitet werden, gerichtliche Entscheidungen, die die öffentliche Gewalt zum Erlass oder zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verpflichten, seien nur dann - und auch das nur insoweit - vollstreckbar, als sie zumindest in den Entscheidungsgründen eine oder mehrere Maßnahme(n) benennen, die dieser Plan zwingend zu enthalten hat.

Einer solchen Annahme steht zunächst entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Randnummer 56 des Urteils vom 5. September 2013 (a.a.O.) davon spricht, dass eine solche Entscheidung verbindliche Vorgaben der dort näher bezeichneten Art machen „kann“. Mehr noch fällt ins Gewicht, dass das Bundesverwaltungsgericht unmittelbar zuvor - nämlich in den Randnummern 54 f. der Entscheidungsgründe des gleichen Urteils - die Ordnungsgemäßheit des Klageantrags, der dem in jenem Revisionsverfahren zu überprüfenden Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 (4 K 165/12.WI - juris Rn. 15) zugrunde lag (er stimmt mit dem in der Streitsache M 1 K 12.1046 gestellten Klageantrag - abgesehen von der hier vorgenommenen zusätzlichen Einbeziehung der Immissionsgrenzwerte nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV - praktisch wortgleich überein), als dem Bestimmtheitserfordernis genügend bezeichnet hat. Diese Einstufung erfolgte ausdrücklich auch mit Blickrichtung auf das Postulat der Vollstreckbarkeit der auf einen solchen Antrag hin ergehenden gerichtlichen Entscheidung (BVerwG, U.v. 5.9.2013 a.a.O. Rn. 54 a.E.). Da gerade bei Leistungsklagen - eine solche lag sowohl dem vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden anhängig gemachten Verfahren 4 K 165/12.WI als auch dem hier zu vollstreckenden Urteil des Verwaltungsgerichts München zugrunde - ein Klageantrag nur zulässig ist, wenn er zu einer vollstreckungsfähigen Entscheidung führen kann (Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2006, § 82 Rn. 7), darf nicht davon ausgegangen werden, ein Urteil, das einen vom Bundesverwaltungsgericht als hinreichend bestimmt bezeichneten Klageantrag unverändert übernimmt, sei unvollstreckbar. Die Bedeutung des Hinweises in der Randnummer 56 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (a.a.O.) kann deshalb nur darin gesehen werden, dass die - fakultative - Benennung von Maßnahmen, die der verurteilte Träger öffentlicher Gewalt beim Erlass oder bei der Fortschreibung eines Luftreinhalteplans in Betracht zu ziehen hat, in den Entscheidungsgründen eines diesbezüglichen Urteils dessen Vollstreckung erleichtert, weil das Vollstreckungsverfahren hierdurch von materiellrechtlichen Fragen entlastet wird, ohne dass die Vollstreckbarkeit derartiger Erkenntnisse unabdingbar von der Aufnahme einschlägiger Aussagen in die Gründe der Entscheidung abhängt.

Damit in Einklang steht, dass auch die Zivilgerichte es als für die Vollstreckung eines Urteils ausreichend ansehen, wenn darin die geschuldete Handlung lediglich in Gestalt des zu erzielenden, bestimmt bezeichneten Erfolgs umschrieben wird (Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 887 Rn. 5 mit umfangreichen Nachweisen in der Fn. 12).

Bestätigt wird das vorstehend dargestellte Ergebnis ferner durch den Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 56) davon spricht, die Gerichte könnten den für die Erstellung von Luftreinhalteplänen zuständigen Behörden verbindliche Vorgaben „im Sinne eines Bescheidungsurteils“ hinsichtlich der „in Betracht zu ziehenden“ Maßnahmen erteilen. Dem Bundesverwaltungsgericht steht insoweit mithin nicht die Fallgestaltung vor Augen, dass ein Träger öffentlicher Gewalt zum Erlass oder zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verurteilt wurde, der nach den Vorgaben des erkennenden Gerichts (mögen sie sich im Tenor oder in den Gründen der Entscheidung finden) konkrete, bereits vom Gericht verbindlich vorgegebene Maßnahmen auf jeden Fall zu enthalten hat; denn in dieser Konstellation liegt gerade kein Bescheidungs-, sondern ein „klassisches“ Leistungsurteil vor. Für Bescheidungsaussprüche ist demgegenüber kennzeichnend, dass sie die öffentliche Verwaltung dazu verpflichten, bestimmte Prüfungen oder Erwägungen vorzunehmen. Betreibt der obsiegende Rechtsschutzsuchende die Vollstreckung aus einem Urteil der letztgenannten Art mit der Begründung, die zuständige Behörde habe die geschuldete Prüfung bzw. die vorzunehmenden Erwägungen nicht in einer den Vorgaben des Gerichts entsprechenden Weise durchgeführt bzw. sei hierbei zu nicht rechtskonformen Ergebnissen gelangt, so können sich in einem solchen Vollstreckungsverfahren Sach- und Rechtsfragen stellen, die sich u. U. nur graduell von denen unterscheiden, die dann aufgeworfen sind, wenn das erkennende Gericht - wie im Urteil vom 9. Oktober 2012 geschehen - von „Vorgaben im Sinne eines Bescheidungsurteils“ gänzlich abgesehen hat.

Begrenzt ist der Nutzen von „Prüfaufträgen“, „Erwägungsgeboten“ oder ähnlichen Vorgaben im Sinn der Randnummer 56 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312), die der öffentlichen Verwaltung nur eine verfahrensrechtliche Verpflichtung sowie eine Begründungslast auferlegen, ohne das Ergebnis der geschuldeten Vergewisserung vorwegzunehmen, schließlich in all den Fällen, in denen das zu vollstreckende Urteil den zuständigen Träger öffentlicher Gewalt - wie vorliegend der Fall - dazu verpflichtet, aus der Gesamtheit des tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums eine nicht näher beschriebene Auswahl zu treffen, um der Nichteinhaltung verbindlicher Immissionsgrenzwerte ein Ende zu setzen. Etwaige gerichtliche Hinweise über in diesem Zusammenhang in Betracht kommende Handlungsoptionen würden in derartigen Konstellationen stets nur beispielhaften Charakter tragen und andere zielführende Maßnahmen nicht ausschließen. Rügt der Vollstreckungsgläubiger, der Vollstreckungsschuldner habe ein Urteil der vorbezeichneten Art deshalb nicht vollständig erfüllt, weil er Instrumente nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen habe, die rechtlich zulässig und tatsächlich realisierbar seien, ohne dass das erkennende Gericht sie in den Gründen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung als „in Betracht zu ziehende Maßnahmen“ erwähnt hat, so stellt sich im Vollstreckungsverfahren ebenfalls die Notwendigkeit, einem derartigen - entscheidungserheblichen - Vorbringen nachzugehen. Auch dieser Umstand erhellt, dass die Vollstreckungsfähigkeit eines Urteils, das die öffentliche Gewalt zur schnellstmöglichen Einhaltung von genau bezeichneten Immissionsgrenzwerten im Weg der Luftreinhalteplanung verpflichtet, nicht damit „stehen oder fallen“ kann, ob die Entscheidungsgründe eines solchen Erkenntnisses verbindliche Vorgaben „über in Betracht zu ziehende“ Maßnahmen enthalten.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass das in § 172 VwGO erwähnte „Gericht des ersten Rechtszuges“ in nach dieser Vorschrift durchzuführenden Verfahren - ebenso wie das gemäß § 887 Abs. 1, § 888 Abs. 1 Satz 1 und § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Fall ist - zutreffender Auffassung zufolge als Prozess-, nicht aber als Vollstreckungsgericht tätig wird (Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 167 Rn. 94; Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2011, § 172 Rn. 7). Die Befugnisse des im Vollstreckungsverfahren tätigen Prozessgerichts - z.B. zur Auslegung des zu vollstreckenden Titels - aber reichen weiter als diejenigen anderer Vollstreckungsorgane (Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 887 Rn. 5; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, vor § 704 Fn. 127). Insbesondere kann es dann, wenn Inhalt und Grenzen des im Erkenntnisverfahren zugesprochenen Anspruchs im Hinblick auf künftige Entwicklungen noch nicht in vollem Umfang eindeutig bezeichnet werden konnten, die nötige Bestimmung selbst vornehmen, soweit dies aus dem Titel einschließlich der Entscheidungsgründe oder aufgrund allgemein zugänglicher, leicht und sicher feststellbarer anderer Urkunden, auf die der Titel verweist, möglich ist (BGH, B.v. 4.3.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16/18). Statthaft - und ggf. auch geboten - sind deshalb im Verfahren nach § 172 VwGO die Konkretisierung eines zu vollstreckenden Urteils, das die Behörde zu bauaufsichtlichen Maßnahmen gegen einen Grundstücksnachbarn des Vollstreckungsgläubigers verpflichtet, dahingehend, dass diesem Gebot nicht bereits durch den Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung, sondern erst durch deren Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs entsprochen wird (OVG NW, B.v. 20.2.1992 - 10 E 1357/91 - NVwZ-RR 1992, 518), ferner die in einem solchen Verfahren getroffene Feststellung, dass die Übertragung eines bestimmten konkret-funktionellen Amtes der rechtskräftig ausgesprochenen Verpflichtung zur Beschäftigung eines Beamten auf einem nach der Besoldungsgruppe A 14 bewerteten Dienstposten nicht genügt (NdsOVG, B.v. 12.9.2006 - 5 OB 194/06 - NVwZ-RR 2007, 139), und die Aussage, dass ein Urteil, das eine Straßenverkehrsbehörde zu einer „spürbaren“ und „effektiven“ Verringerung der von einer Straße ausgehenden Geräusche verpflichtet, so zu verstehen ist, dass eine Lärmreduzierung um mindestens 3 bis 5 dB(A) angestrebt werden muss (BayVGH, B.v. 12.7.2007 - 11 C 06.868 - juris Rn. 28 - 30).

2.3 Unionsrechtliche Determinanten für die gerichtliche Handhabung des Vollstreckungsrechts in Fällen der vorliegenden Art

Eine gerichtliche Entscheidung der hier inmitten stehenden Art jedenfalls dem Grunde nach als vollstreckungsfähig anzusehen, ist auch unter unionsrechtlichem Blickwinkel geboten. Im Urteil vom 19. November 2014 (C-404/13 - NVwZ 2015, 419) hat der Europäische Gerichtshof die Verpflichtung der Gerichte der Mitgliedstaaten betont, dann gegenüber der zuständigen nationalen Behörde „jede erforderliche Maßnahme“ wie z.B. eine Anordnung (im englischen Originaltext: „any necessary measure, such as an order in the appropriate terms“) zu erlassen, damit diese Behörde einen nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den darin vorgesehenen Bedingungen erstellt, falls dieser Mitgliedstaat die sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der genannten Richtlinie ergebenden Anforderungen (zu ihnen gehört u. a. die Pflicht zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im Jahresmittel ab dem 1.1.2010) verfehlt und er um keine Fristverlängerung gemäß Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG nachgesucht hat.

Liegt - wie hier - bereits ein rechtskräftiges Urteil vor, das die zuständige Behörde zum Erlass eines richtlinienkonformen Luftreinhalteplans verpflichtet, so kann die nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2014 (a.a.O.) gebotene gerichtliche „order in the appropriate terms“ nur darin bestehen, für eine effektive Durchsetzung dieses Urteils im Vollstreckungswege Sorge zu tragen. Die Verweisung des obsiegenden Rechtsschutzsuchenden auf die Möglichkeit einer erneuten Klage wäre mit den in dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs statuierten Pflichten der Gerichte des betroffenen Mitgliedstaats zum einen wegen des damit verbundenen weiteren Zeitverlusts, zum anderen - und vor allem - deswegen nicht vereinbar, weil die Befolgung eines solches Urteils zunächst wiederum von der diesbezüglichen Bereitschaft des Beklagten und der Beigeladenen abhinge; sollte sie weiterhin nicht (in genügendem Maß) bestehen, würde sich die Problematik der Durchsetzung derartiger Entscheidungen erneut stellen.

2.4 Anforderungen an die Ausgestaltung des Vollstreckungsverfahrens bei der Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung der inmitten stehenden Art

Notwendiges Korrelat der Erfordernisse, die sich aus dem Postulat der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts sowie dem Gebot der Wirksamkeit der Vollstreckung von gegen die öffentliche Verwaltung ergangenen Gerichtsentscheidungen (BVerfG, B.v. 9.8.1999 - 1 BvR 2245/98 - DVBl 1999, 1646) für den Umfang der vorliegend veranlassten Sach- und Rechtsprüfung ergeben, ist eine Ausgestaltung des Vollstreckungsverfahrens, die die Rechte der Beteiligten - insbesondere den Anspruch des Vollstreckungsschuldners und anderer durch Vollstreckungsmaßnahmen nachteilig Betroffener auf rechtliches Gehör - in besonders sorgfältiger Weise wahrt. Die eingehende schriftsätzliche Aufbereitung des Streitstoffs im ersten Rechtszug und im Beschwerdeverfahren, vor allem aber die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in beiden Instanzen dienen diesem Zweck.

2.5 Grenzen der gerichtlichen Befugnisse in derartigen Vollstreckungsverfahren

Bei alledem darf nicht verkannt werden, dass das Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO nicht die Funktion des regulären Erkenntnisverfahrens übernehmen kann. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass in diesem Verfahren gemäß § 152 Abs. 1 VwGO keine Möglichkeit der Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts besteht. Dies schließt es vor allem aus, im Vollstreckungsverfahren bei der Prüfung, ob dem Vollstreckungsschuldner bisher noch ungenutzte Möglichkeiten zur Erfüllung der ihm rechtskräftig auferlegten Verpflichtung zur Verfügung stehen, rechtliche Fragen zu beantworten, die gemäß § 137 Abs. 1 VwGO letztinstanzlich der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen, sofern sie höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt wurden und sich das zutreffende Normverständnis nicht unmittelbar und zweifelsfrei aus dem geschriebenen Recht ergibt; durch eine gegenläufige Vorgehensweise würde den unterliegenden Beteiligten eine von Gesetzes wegen grundsätzlich eröffnete Rechtsmittelmöglichkeit abgeschnitten.

3. Keine gesonderte Zwangsgeldandrohung hinsichtlich des Stundenmittelwerts für Stickstoffdioxid und des Tagesmittelwerts für Partikel PM10

Die Beschwerde des Beklagten hat zunächst insoweit Erfolg, als sich die Androhung eines Zwangsgelds vorliegend auf den Teil des Urteils vom 9. Oktober 2012 zu beschränken hat, durch den dem Beklagten die Änderung des Luftreinhalteplans für die Stadt München mit dem Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV bezeichneten Immissionsgrenzwerts im Stadtgebiet von München aufgegeben wurde.

Nach den glaubhaften Angaben, die sich u. a. in der Tabelle 2/7 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München (Seite 16) finden und deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, wurde der in § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV für Partikel PM10 festgesetzte Grenzwert von 50 µg/m³ am Stachus letztmals im Jahr 2010 und an der Landshuter Allee zuletzt im Jahr 2011 öfter als an 35 Tagen im Jahr nicht eingehalten. Für zutreffend erachtet der Verwaltungsgerichtshof ferner die Angabe des Beklagten, dass die im Jahr 2013 an der Landshuter Allee registrierten 39 Überschreitungstage gemäß § 25 der 39. BImSchV deshalb auf 30 zu reduzieren sind, weil die im Lauf jenes Jahres zu verzeichnende Nichteinhaltung des 50-µg/m³-Kriteriums an neun Tagen auf der Ausbringung von Streusalz beruhte. Dass die Grenzwerte für Partikel PM10 im Gebiet der Beigeladenen mittlerweile eingehalten werden, hat der Kläger eingangs des Abschnitts I des Schriftsatzes seiner Bevollmächtigten vom 27. April 2016 im Übrigen ausdrücklich eingeräumt.

Allerdings geht der Beklagte selbst davon aus, ungeachtet dieser positiven Entwicklung könnten in den nächsten Jahren bei ungünstigen meteorologischen Bedingungen einzelne Überschreitungen des in § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV festgesetzten Grenzwerts nicht ganz ausgeschlossen werden (vgl. z.B. Seite 13 f., Seite 17 und Seite 76 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München). Abhängig vom weiteren Verlauf der Witterung kann eine solche Gegebenheit bereits im Jahr 2017 eintreten. Ob es hierzu kommt, muss freilich - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - als in jeder Hinsicht offen gelten.

Der Beklagte hat ferner glaubhaft darauf hingewiesen, dass an der Landshuter Allee im Jahr 2016 erstmals auch der Stundenmittelwert für Stickstoffdioxid (§ 3 Abs. 1 der 39. BImSchV) nur noch weniger häufig überschritten wurde, als das von Rechts wegen zulässig ist. Insoweit ist derzeit freilich ebenfalls ungesichert, ob es sich hierbei um einen einmaligen Befund oder um eine dauerhafte Entwicklung handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof lässt es dahinstehen, wie es sich auf den Fortbestand der Pflicht des Beklagten zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München mit dem Ziel der Einhaltung der in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV festgesetzten Immissionsgrenzwerte auswirkt, dass eine Nichteinhaltung dieser beiden Grenzwerte aktuell nicht mehr mit Sicherheit bejaht werden kann. Denn der Kläger besitzt an der Androhung eines Zwangsgeldes mit dem Ziel der Aufnahme von Maßnahmen in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München, die der schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV dienen, derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis. Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge, wie sie der Beklagte in Befolgung des Urteils vom 9. Oktober 2012 nach näherer Maßgabe dieser Beschwerdeentscheidung vorzubereiten und nach Ausräumung der insoweit derzeit bestehenden rechtlichen Unklarheiten in den Luftreinhalteplan aufzunehmen hat, werden nämlich allen erkennbaren Umständen nach bewirken, dass an den hiervon betroffenen Straßen(abschnitten) außer der Stickstoffdioxidkonzentration auch die Belastung mit Partikeln PM10 weiter zurückgehen wird. Dies folgt allein schon aus der Verringerung des Verkehrsaufkommens, das mit einem Ausschluss von Dieselfahrzeugen von der Benutzung bestimmter Strecken einhergeht. Sofern der Beklagte derartige Verkehrsverbote - wie er dies nach dem Urteil vom 9. Oktober 2012 schuldet - so ausgestaltet, dass sie auch während derjenigen Zeitabschnitte im Tagesverlauf gelten, während derer an den insoweit problematischen Straßen(abschnitten) eine besonders hohe Stickstoffdioxidbelastung der Luft zu verzeichnen ist, werden solche Maßnahmen aller Voraussicht nach auch bewirken, dass der Immissionsgrenzwert nach § 3 Abs. 1 der 39. BImSchV auf Dauer nicht mehr häufiger überschritten werden wird, als dies von Rechts wegen zulässig ist.

4. Nichterfüllung der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich des Grenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV

Jedenfalls hinsichtlich der Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird, ist der Beklagte dem Rechtsbefehl, der sich diesbezüglich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergibt, bisher nicht gerecht geworden.

Dabei ist auch der verfassungsrechtliche Hintergrund zu beachten, von dem dieses Urteil ausgeht: Denn aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) folgt die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor diese Rechtsgüter zu stellen (BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 - BVerfGE 39, 1/41; U.v. 16.10.1977 - 1 BvQ 5/77 - BVerfGE 46, 160/164; B.v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - BVerfGE 53, 30/57; B.v. 14.1.1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54/73; U.v. 15.2.2006 - 1 BvR 357/05 - BVerfGE 115, 118/152 sowie jüngst BVerfG, B.v. 26.7.2016 - BvL 8/15 - NJW 2017, 53 Rn. 69). Dass dieses Grundrecht durch die nunmehr bereits seit mehr als sieben Jahre andauernde unzulässig hohe NO2-Belastung zahlreicher Straßen(abschnitte) in gravierender Weise beeinträchtigt wird, hat der Kläger im Vollstreckungsverfahren überzeugend aufgezeigt. Zu verweisen ist insofern namentlich auf die Ausführungen in dem aus dem Jahr 2013 stammenden Bericht der Weltgesundheitsorganisation „Review of evidence on health aspects of air pollution“, auf den die Klagebevollmächtigten auf Seite 29 ihres Schriftsatzes vom 27. April 2016 verwiesen haben. Dieser Ausarbeitung zufolge (vgl. namentlich die Ausführungen auf der dortigen Seite 73) haben viele seit dem Jahr 2004 publizierte Studien Zusammenhänge zwischen kurzzeitigen Schwankungen der NO2-Konzentration und Veränderungen hinsichtlich der Zahl der Todesfälle, der Krankenhausaufnahmen und dem Auftreten von Atemwegssymptomen dokumentiert; weitere nunmehr veröffentlichte Untersuchungen würden Verknüpfungen zwischen der NO2-Langzeitexposition und der Mortalität sowie der Morbidität aufzeigen. Sowohl die Kurzals auch die Langzeitstudien hätten zudem ergeben, dass diese Wirkungen bei Konzentrationen einträten, die im Bereich der gegenwärtig geltenden unionsrechtlichen Grenzwerte oder sogar unter ihnen lägen (vgl. zur Vielzahl der seit 2005 gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die - u. a. in Bezug auf Stickstoffdioxid - Zusammenhänge zwischen nachteiligen gesundheitlichen Folgen und einem Belastungsniveau aufzeigen, das unterhalb der Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation liegt, auf denen die im Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG festgelegten Grenzwerte beruhen, Seite 182 sowie - speziell in Bezug auf Stickstoffdioxid - Seite 185 des Berichts „Review of evidence on health aspects of air pollution“). Überlegungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München, die - wie das in Abschnitt 6.4 des Entwurfs des zweiten Zwischenberichts des vom Beklagten beauftragten Sachverständigenbüros geschehen ist - Maßnahmen in Erwägung ziehen, die dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrag für menschliches Leben und menschliche Gesundheit allenfalls mit Blickrichtung auf einen kleinen Teil der betroffenen Bevölkerung gerecht werden, stellen keine ausreichenden Schritte zur Umsetzung des zu vollstreckenden Urteils dar.

Das Verwaltungsgericht hat im Beschluss vom 21. Juni 2016 zutreffend aufgezeigt, dass auch die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht als ausreichende Erfüllung dieses Urteils anerkannt werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Verwaltungsgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen in Abschnitt II.3.b der Gründe jener Entscheidung Bezug.

Ausgenommen von dieser Verweisung ist die Kritik, die das Verwaltungsgericht im zweiten bis vierten Satz des letzten Absatzes auf Seite 15 des Beschlussumdrucks an der formalen Ausgestaltung der „funktionalen Leistungsbeschreibung“ geübt hat, die zum Zweck der Umsetzung der Maßnahme M 1 aus der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans erstellt worden sei. Wäre - wie das die sechste Fortschreibung insoweit vorsieht - die Einholung eines Gutachtens, das der „Ermittlung der verkehrlichen Bedingungen und Auswirkungen verkehrssteuernder Maßnahmen mit dem Ziel der Minderung der Verkehrsmenge auf besonders belasteten Abschnitten sowie deren Stickstoffdioxid-Minderungspotentials und sonstiger Auswirkungen auf die Luftqualität“ dient, tatsächlich geboten, um den Luftreinhalteplan für die Stadt München mit dem Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung insbesondere des Grenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV ändern zu können, so wäre nichts dagegen zu erinnern, dass die Leistungsbeschreibung weder einen Kopf noch ein Datum trägt und sie nicht unterschrieben ist.

Tatsächlich kann jedoch - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - die Einholung eines solchen Gutachtens nicht als eine Maßnahme anerkannt werden, die für eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München mit dem Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung bisher überschrittener Grenzwerte geeignet und erforderlich ist. Zum Einen hat das diesbezügliche Vorgehen des Beklagten zu vermeidbaren Verzögerungen bei den eigentlich erforderlichen Maßnahmen geführt (4.1). Zudem reichen die bereits jetzt absehbaren Ergebnisse des eingeholten Gutachtens nicht aus, das durch das zu vollstreckende Urteil vorgegebene Ziel zu erreichen (4.2).

4.1 Vermeidbare Zeitverluste auf Grund des gemäß der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München einzuholenden Gutachtens

Die Erstellung einer solchen Ausarbeitung würde nur dann eine der rechtskonformen Umsetzung des Urteils vom 9. Oktober 2012 dienende Handlung darstellen, wenn sie erforderlich wäre, um bei den verantwortlichen Entscheidungsträgern vorhandene Wissensdefizite entweder hinsichtlich der Ursachen der fortdauernden Nichteinhaltung des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV bezeichneten Immissionsgrenzwerts oder aber darüber zu beheben, welche Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich zur Verfügung stehen, um diesem rechtswidrigen Zustand so rasch als möglich ein Ende zu setzen. Hiervon kann indes keine Rede sein.

4.1.1 Herausragende Bedeutung des mit Dieselfahrzeugen abgewickelten Straßenverkehrs für die Stickstoffdioxidbelastung der Luft schon umfassend und zweifelsfrei bekannt

Bereits im Schreiben vom 18. Dezember 2014 an die Regierung von Oberbayern hat das Bayerische Landesamt für Umwelt festgehalten, der Maßnahme M 1 in der damals in Aussicht genommenen Fassung des Entwurfs der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht zustimmen zu können, obgleich seinerzeit - anders als im endgültigen Wortlaut dieser Fortschreibung - noch in Aussicht genommen war, außer lediglich verkehrssteuernden Maßnahmen auch Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote zum Gegenstand des Gutachtensauftrags zu machen (vgl. die dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Klagebevollmächtigten beigefügte Anlage Ast. 7). Die Entbehrlichkeit dahingehender erneuter Studien hat das Landesamt für Umwelt mit folgenden Worten begründet:

„Gerade für München liegen bereits umfangreiche Untersuchungen vor. Im anliegenden Vortrag von Herrn K* … vom 21.10.2014 zum Erfahrungsaustausch Luftreinhalteplanung bei der Regierung von Oberbayern ist auf Folie 6 übersichtlich dargestellt, wie sich die Immissionsbelastung von Stickstoffdioxid im Hauptstraßennetz von München verteilt. Uns stellt sich die Frage, zu welchen neuen Erkenntnissen eine weitere teure Untersuchung führen soll.“

Dass - und in welch herausragendem Ausmaß - das erforderliche Fachwissen über die Ursachen der verfahrensgegenständlichen Luftverunreinigungen und die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Schritte innerhalb des öffentlichen Dienstes selbst vorhanden ist, bestätigt eindrucksvoll vor allem die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt erstellte, am 25. März 2015 abgeschlossene Studie „Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der NO2-Belastung an stark befahrenen Straßen - Untersuchung am Beispiel der Landshuter Allee, München“.

Diese Studie, deren wichtigste Ergebnisse Eingang in Abschnitt 2.5 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München gefunden haben, zeigt detailgenau auf, in welchem Umfang Dieselfahrzeuge (verschiedener Kategorien) zur Belastung der Luft an der Landshuter Allee mit Stickstoffdioxid beitragen. Mit einem Anteil von fast 68% sei der lokale Kraftfahrzeugverkehr auf dieser Straße mit Abstand der größte Verursacher der NO2-Immissionen (Seite 2 der Studie vom 25.3.2015). Rechne man den durch Kraftfahrzeuge hervorgerufenen Beitrag „aus dem städtischen Hintergrund“ hinzu, ergebe sich, dass insgesamt ca. 81% des NO2- Immissionswerts an der Landshuter Allee durch den Kraftfahrzeugverkehr hervorgerufen würden (Seite 2 der Studie vom 25.3.2015). 91% der auf den lokalen Verkehr zurückzuführenden NO2-Immissionen wiederum werden durch Dieselfahrzeuge (Diesel-Pkw und schwere Nutzfahrzeuge) hervorgerufen (Seite 10 der Studie vom 25.3.2015).

Dieser Verantwortungsanteil des mit Dieselfahrzeugen abgewickelten Straßenverkehrs an der NO2-Belastung der Luft an der Landshuter Allee ist noch um jene Immissionen zu erhöhen, die nicht durch den lokalen Verkehr verursacht werden, sondern die aus dem städtischen und dem regionalen Hintergrund stammen. In diese Hintergrundbelastung, deren Anteil vom Bayerischen Landesamt für Umwelt auf 32% veranschlagt wurde (vgl. u. a. Seite 10 der Studie vom 25.3.2015, Abbildung 8), geht gleichfalls ein hoher verkehrsbedingter Anteil ein. Denn jedenfalls die „städtische Hintergrundbelastung“ mit Stickstoffdioxid stellt sich ebenfalls ganz überwiegend als verkehrsbedingt dar, wie den in der fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München enthaltenen, die Verhältnisse im Jahr 2012 wiedergebenden Tabellen 2/12 bis 2/15 entnommen werden kann. Die darin enthaltenen Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Anteil einzelner Verursacherarten (in Prozenten) an der NO2-Gesamtbelastung:

LÜB-Station

lokaler Verkehr

verkehrsbedingteHintergrundbelas- tung aus dem städtischen Raum

von genehmigungsbedürf- tigen Anlagen ausdem städtischen Raum verursachteHintergrundbelastung

von nichtgenehmigungsbe- dürftigen Anlagen aus dem städtischen Raum verursachteHintergrundbelastung

sonstige Einflüsseauf die ausdem städtischen Raum stammende Hintergrundbelas- tung

regionale Hintergrund- Belastung

Stachus

51,0

22,5

0,5

2,7

0,0

23,2

Landshuter Allee

67,8

13,3

0,3

1,7

0,0

16,9

Johanneskirchen

0,0

33,3

1,1

5,1

0,0

60,6

Loth Straße

11,4

37,2

1,1

4,7

0,0

45,6

Welch herausragende Rolle Dieselfahrzeugen an der verkehrsbedingten Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid zukommt, zeigt schließlich auch eine emissionsbezogene Betrachtungsweise. Nach den Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt sind 75% der an der Landshuter Allee zu verzeichnenden, durch Kraftfahrzeuge hervorgerufenen NO2-Emissionen auf Personenkraftwagen mit Dieselantrieb und 23% auf schwere Nutzfahrzeuge zurückzuführen; lediglich 2% der verkehrsbedingten Stickstoffdioxidemissionen werden danach von Personenkraftwagen mit Benzinmotoren verursacht (Seite 6 der Studie vom 25.3.2015, Abbildung 5).

Der Beklagte geht selbst davon aus, dass die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in Bezug auf die Landshuter Allee in München ermittelten Ursachen für die NO2- Belastung der Luft keine atypische Gegebenheit widerspiegeln, sondern sie zumindest dem Grunde nach verallgemeinerungsfähig sind. Denn eingangs des Abschnitts 2.5 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München hat er festgehalten:

„Die bisherigen Verursacheranalysen der Luftreinhaltepläne in Deutschland zeigen deutlich, dass die NO2-Belastung an verkehrsbezogenen Messstellen maßgeblich von Kraftfahrzeugen (Kfz), insbesondere von Diesel-Kfz, verursacht wird.“

Auf die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt erstellte Studie „Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der NO2-Belastung an stark befahrenen Straßen - Untersuchung am Beispiel der Landshuter Allee, München“ bezieht sich diese Fortschreibung im unmittelbaren Anschluss daran nur, um die Richtigkeit dieses ubiquitären Befunds exemplarisch zu verdeutlichen.

4.1.2 Wissen um die Unausweichlichkeit der Begrenzung des Dieselanteils am Straßenverkehr zum Zweck der Einhaltung der NO2-Immissionswerte bereits vorhanden

Auch hinsichtlich der zur Bekämpfung der Grenzwertüberschreitungen bei NO2 in Betracht kommenden Handlungsoptionen selbst bestehen innerhalb der öffentlichen Verwaltung keine Kenntnisdefizite, die durch Sachverständigengutachten behoben werden müssten. Am 16. Februar 2016 hat der LAI-Ausschuss „Luftqualität/Wirkungsfragen/Verkehr“, der sich aus Amtsträgern der Umweltverwaltungen des Bundes und der Länder zusammensetzt, eine mit „Handlungsbedarf und -empfehlungen zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte“ überschriebene Ausarbeitung vorgelegt, in der die aus fachlicher Sicht gebotenen Schritte dargestellt werden. Auch für dieses Fachgremium steht danach fest, dass wichtigster Verursacher für die Überschreitungen der Luftqualitätsgrenzwerte für Stickstoffdioxid, wie sie an etwa zwei Dritteln der in Deutschland an verkehrsreichen Straßen errichteten Messstationen zu verzeichnen seien, der motorisierte Straßenverkehr ist, und dass vier Fünftel dieses Verkehrsbeitrags von Dieselfahrzeugen stammen (Kernsätze 1 und 2 der LAI- Ausarbeitung). Zusätzliche Maßnahmen müssten deswegen vor allem hier ansetzen, um eine hohe Wirksamkeit zu entfalten und der gesetzlichen Vorgabe entsprechen zu können, die Überschreitungen so schnell wie möglich zu vermeiden (Kernsatz 3 der LAI-Ausarbeitung). Prioritärer Maßstab für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen habe der Schutz der Gesundheit der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Bevölkerung zu sein; dem Schutz dieser Menschen müsse Vorrang vor den Belangen der von Maßnahmen Betroffenen beigemessen werden (Kernsatz 4 der LAI-Ausarbeitung). Die Planung und Umsetzung zusätzlicher, auch einschneidender Maßnahmen sei vor dem Hintergrund des seitens der EU-Kommission gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens unausweichlich, wobei die erforderlichen Schritte zeitnah eingeleitet und stringent verwirklicht werden müssten (Kernsätze 5 und 6 der LAI-Ausarbeitung). Angesichts des beträchtlichen Handlungsdrucks komme einer möglichst schnellen Umsetzbarkeit von Maßnahmen große Bedeutung zu; da die Möglichkeiten zur kurzfristigen Verbesserung der Fahrzeugflotte mit Blick auf die NOx-Emissionen begrenzt seien, müsse in den besonders belasteten Gebieten zusätzlich das Kfz-Verkehrsaufkommen gesenkt werden (Kernsatz 8 Teil 1 der LAI-Ausarbeitung). Da die unionsrechtlichen Abgasgrenzwerte für Dieselpersonenkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse „Euro 5“ mit Blickrichtung auf eine NO2-Minderung unwirksam seien, die Richtlinie 2008/50/EG jedoch eine Ergebnisverpflichtung statuiere, habe die EU-Kommission ausdrücklich ein „Verbot von Dieselfahrzeugen in einigen städtischen Gebieten“ als mögliche Maßnahme zur Einhaltung der Grenzwerte benannt (Seite 7 der LAI-Ausarbeitung). Auch der Europäische Gerichtshof habe im Urteil vom 19. November 2014 (C-404/13 - NVwZ 2015, 419) klargestellt, dass die Grenzwerte nicht mehr überschritten werden dürften. Da dies gleichfalls einer Ergebnisverpflichtung entspreche, sei das planerische Ermessen dann eingeschränkt, „wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lässt“ (Seite 8 der LAI-Ausarbeitung).

Zutreffend festgehalten hat der LAI-Ausschuss „Luftqualität/Wirkungsfragen/Verkehr“ in seiner Ausarbeitung vom 16. Februar 2016 in diesem Zusammenhang ferner, dass sich der von Rechts wegen geschuldete Erfolg innerhalb überschaubarer Zeit nicht als Folge eines veränderten NO2-Emissionsverhaltens von Dieselfahrzeugen einstellen wird. Denn die derzeit auf den Markt gelangenden Diesel-Pkw der Schadstoffklasse „Euro 6“ würden die durch diese Norm beabsichtigte Minderung der NOx- Emissionen bei Weitem nicht erreichen; insbesondere die im Jahr 2013 auf den Markt gelangten Kraftfahrzeuge dieser Schadstoffklasse würden zum Teil ähnlich hohe, in Einzelfällen sogar höhere Realemissionen verursachen, als sie im „Handbuch Emissionsfaktoren für städtische Fahrbedingungen“ im Mittel für Euro-5-Fahrzeuge angegeben würden (Seite 9 der LAI-Ausarbeitung). Was den NO2-Ausstoß anbetreffe (hierauf kommt es, wie der Verwaltungsgerichtshof ergänzend anmerkt, von Rechts wegen ausschließlich an), so könne „anhand der derzeitigen Datenlage keine gesicherte Schlussfolgerung in Richtung eines relevanten Rückgangs des NO2- Anteils am NOx im Abgas von Euro-6-Fahrzeugen gezogen werden“ (Seite 10 der LAI-Ausarbeitung).

4.1.3 Wissen um die Auswirkungen von Verkehrsbeschränkungen und -verboten für Dieselfahrzeuge

Aufgrund eigener Sachkunde in der Lage ist der Beklagte darüber hinaus schließlich, die Auswirkungen von Maßnahmen zu bewerten, die der Bekämpfung unzulässig hoher Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Luft dienen. So hat das Bayerische Landesamt für Umwelt in Abschnitt 6 der Studie „Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der NO2-Belastung an stark befahrenen Straßen - Untersuchung am Beispiel der Landshuter Allee, München“ detailgenau aufgezeigt, wie sich ein Ausschluss (bestimmter Arten) derartiger Fahrzeuge von der Benutzung der Landshuter Allee auf die dortige NO2-Konzentration auswirken würde. Dass diese Behörde die Konsequenzen bestimmter Maßnahmen für die Belastung der Luft mit Schadstoffen exakt zu quantifizieren vermag, zeigt ferner die Stellungnahme, die das Bayerische Landesamt für Umwelt am 22. August 2012 gegenüber der Regierung von Oberbayern zu der Frage abgegeben hat, wie sich eine Verlängerung von Lärmschutzwänden, die Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie der Stufen 1 bis 3 der Umweltzone auf die NO2- und PM10-Belastung an der BAB 96 in München- Laim auswirken würden.

4.1.4 Wissen um die Problematik der rechtlichen Zulässigkeit insbesondere von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Das Ausmaß der innerhalb des öffentlichen Dienstes vorhandenen Sachkunde dokumentiert sich u. a. in den im Laufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens eingereichten Schriftsätzen der Landesanwaltschaft Bayern, in denen die - vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund eigener Rechtsüberzeugung geteilten - Bedenken aufgezeigt wurden, die u. U. dagegen sprechen, dass sich Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge bereits mit dem gegenwärtig zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung in zweifelsfrei rechtskonformer Weise verlautbaren lassen.

4.2 Keine hinreichende Eignung der im eingeholten Gutachten in Aussicht genommenen Vorschläge zur Zielerreichung.

Bereits der Entwurf des zweiten Zwischenberichts des Gutachtens, das in Umsetzung der Maßnahme M 1 aus der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München eingeholt wurde, rechtfertigt darüber hinaus die Aussage, dass diese Ausarbeitung keine Beiträge enthalten wird, auf die sich der Beklagte stützen könnte, um dem Urteil vom 9. Oktober 2012 jedenfalls jetzt nachzukommen.

Der Entwurf eines zweiten Zwischenberichts des Sachverständigenbüros diskutiert in seinem Abschnitt 6 drei - jeweils in mehreren Varianten betrachtete - Maßnahmen, durch die sich die Stickstoffdioxidbelastung in Teilen des Gebiets der Beklagten verringern lasse. Keiner dieser Ansätze kann indes als hinreichend geeignet angesehen werden, das zu vollstreckende Urteil umzusetzen.

4.2.1 Keine hinreichende Eignung von Dosierungen des Verkehrszuflusses

Ausweislich der Ausführungen auf Seite 24 will der Entwurf des zweiten Zwischenberichts eine Dosierung des Verkehrszuflusses in (nicht exakt bezeichnete) zentrale oder zentrumsnahe Bereiche des Stadtgebiets der Beigeladenen durch „eine Erhöhung von Widerständen an Knoten“ erreichen. Da auf Seite 25 der gleichen Ausarbeitung von einer Erhöhung des „Widerstands“ für in bestimmte Richtungen fahrende Verkehrsteilnehmer an der Kreuzung der Prinzregenten Straße und des Leuchtenbergrings um 15 Sekunden die Rede ist und im Anschluss daran (Abschnitt 6.1.2 des Entwurfs des zweiten Zwischenberichts) untersucht wird, wie sich eine Erhöhung der Abbiegewiderstände an allen Knotenpunkten im Verlauf der Prinzregenten Straße auf die verkehrliche Frequentierung dieser Straße auswirken würde, kann als gesichert gelten, dass das vom Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro insoweit eine Verlängerung der Rotphasen von Lichtsignalanlagen in Erwägung gezogen hat.

Der Entwurf des zweiten Zwischenberichts räumt in Abschnitt 6.1.1 selbst ein, dass der Erfolg einer solchen Maßnahme, würde sie sich nur auf eine einzige Lichtsignalanlage im Verlauf der untersuchten Prinzregenten Straße beschränken, „sehr gering“ bliebe, da sich der Verkehr alsdann zum größten Teil auf die Einstein Straße verlagern würde, die ihrerseits bereits hohe Immissionswerte aufweise. Eingangs des Abschnitts 6.2 hält die gleiche Ausarbeitung ferner fest, eine gezielte Zuflussdosierung, die einen gesamten Streckenzug umfasse, würde gleichfalls „nur eine kleinräumige Entlastung“ bewirken; würden die Rotphasen entlang der gesamten Prinzregenten Straße verlängert, wäre die ganze Einstein Straße bis zum Max-Weber Platz von einer Verkehrsverlagerung betroffen (Entwurf des zweiten Zwischenberichts, Seite 26).

Ein derartiges Ausweichverhalten der motorisierten Verkehrsteilnehmer könnte nach Auffassung des vom Beklagten beauftragten Sachverständigenbüros verhindert werden, wenn die „Widerstände“ an allen Knotenpunkten der Straßen, die radial auf den Mittleren Ring zulaufen, verlängert würden; dies zöge eine gleichmäßige Erhöhung der Reisezeit nach sich, ohne dass schnellere Alternativrouten zur Verfügung stünden. Im Entwurf des zweiten Zwischenberichts wird angenommen, dass durch eine derartige „gleichmäßige Erhöhung der Reisezeit der motorisierte Individualverkehr (MIV) unattraktiver wird und dies zu einer Reduktion des Kfz-Verkehres führt“ (Seite 29 dieser Ausarbeitung). Dass dieser Effekt zeitnah eintritt, ist allerdings sehr unsicher.

4.2.2 Keine hinreichende Eignung einer Sperrung der Altstadt der Beigeladenen für Kraftfahrzeuge

Nicht zielführend ist der Ansatz, das gesamte innerhalb des Altstadtrings der Beigeladenen liegende Gebiet für Kraftfahrzeuge (generell oder für solche bestimmter Art) zu sperren, wie dies das vom Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro in Abschnitt 6.4 des Entwurfs seines zweiten Zwischenberichts zur Diskussion stellt.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach derzeitigem Kenntnisstand die für Stickstoffdioxid geltenden Immissionsgrenzwerte an keiner einzigen innerhalb des Altstadtrings liegenden Straße überschritten werden. Der Beklagte hat in die Anlage 2 zur fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München als Abbildungen A 2/1 und A 2/2 grafische Darstellungen aufgenommen, aus denen hervorgeht, wie hoch Hauptverkehrsstraßen im Gebiet der Beigeladenen nach dem Ergebnis eines Screenings, das im Jahr 2010 im Rahmen der „Machbarkeitsstudie Umweltorientiertes Verkehrsmanagement München - Simulationsstudie“ durchgeführt worden sei, im Jahresmittel mit Stickstoffdioxid belastet sind. Die innerhalb des Altstadtrings liegende Fläche des Stadtgebiets weist keine einzige einschlägige Eintragung auf. Ebenfalls keine einzige innerhalb des Altstadtrings liegende Straße enthält ferner die Tabelle 4-2, die Bestandteil der vorerwähnten Simulationsstudie ist; in ihr werden diejenigen Straßenabschnitte aufgeführt, die im Gebiet der Beigeladenen die höchste NO2-Gesamtbelastung aufweisen. Sollten an einzelnen Straßen innerhalb der Altstadt gleichwohl Überschreitungen des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV festgesetzten Grenzwerts festzustellen sein, so spräche angesichts der geringen Frequentierung der Altstadt durch Lastkraftwagen (vgl. dazu S. 39 des Entwurfs des zweiten Zwischenberichts des beauftragten Sachverständigenbüros) sowie angesichts der wegen der zahlreichen dort befindlichen, ausgedehnten Fußgängerzonen und des fehlenden Durchgangsverkehrs nicht besonders hohen Verkehrsbelastung dieses Stadtteils nichts dafür, dass es sich um ein flächenhaft auftretendes Problem handelt.

Zwar erhofft der Entwurf des zweiten Zwischenberichts als Folge einer Sperrung der Altstadt der Beigeladenen eine Verkehrsentlastung des Altstadtrings selbst, auf dem es abschnittsweise (wie z.B. am Stachus) zu Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV kommt, sowie wesentlicher radialer Zufahrtsstrecken zur Altstadt, für die ausweislich der vorerwähnten Tabelle 4-2 partiell der gleiche Befund gilt. Es fehlt jedoch jede - auch nur ansatzweise - Begründung dafür, dass es mangels anderweitiger Handlungsalternativen geboten und verhältnismäßig ist, den Bewohnern der Altstadt und den dort ansässigen Gewerbebetrieben jene Belastungen aufzuerlegen, die mit einem Benutzungsverbot für Kraftfahrzeuge einhergehen, um hinsichtlich des Altstadtrings sowie in Bezug auf außerhalb der Altstadt liegende, auf sie zuführende Straßen eine Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung zu erzielen.

4.2.3 Keine hinreichende Eignung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge auf dem gesamten Mittleren Ring und der ganzen hiervon umschlossenen Fläche

Der im Entwurf des zweiten Zwischenberichts erörterte Vorschlag, auf und innerhalb des Mittleren Rings ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zu erlassen, geht von dem zutreffenden Ansatz aus, dass sich Maßnahmen zur Bekämpfung unzulässig hoher NO2-Konzentrationen gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ganz vorrangig gegen den Verkehr mit Dieselfahrzeugen zu richten haben, da diese Emissionsquelle nach dem Vorgesagten im weitaus größten Umfang zur Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid beiträgt. Unzureichend ist jedoch der räumliche Ansatz, den das vom Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro insoweit gewählt hat.

Der Vorschlag greift insofern eindeutig zu kurz, als er von Maßnahmen hinsichtlich des außerhalb des Mittleren Rings liegenden Stadtgebiets vollständig absieht. Dies stellt deshalb keine pflichtgemäße Erfüllung des Urteils vom 9. Oktober 2012 dar, weil diese Entscheidung eine Änderung des Luftreinhalteplans dahingehend verlangt, dass die einschlägigen Immissionsgrenzwerte „im [gesamten] Stadtgebiet von München“ schnellstmöglich eingehalten werden, und der in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV festgesetzte Immissionsgrenzwert auch außerhalb des Mittleren Rings überschritten wird. Aus der Abbildung A 2/1, die sich in der Anlage 2 zur fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München findet, geht hervor, dass die danach höchstzulässige Konzentration für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ nach dem im Jahr 2010 durchgeführten Screening u. a. an zahlreichen Straßen im Stadtteil Milbertshofen, einigen Straßen im Stadtbezirk Feldmoching-Hasenbergl (namentlich an der Dülfer Straße) sowie an Teilen der Verdi- und der Fürstenrieder Straße überschritten wurde. Soweit das seinerzeitige Screening zu einer Nichteinhaltung des Grenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV auch für wesentliche Teile des Ortszentrums von München-Pasing gelangte, erscheint es vorstellbar, dass dieser Befund als Folge der insoweit geschaffenen Umfahrungsstrecke ganz oder partiell gegenstandslos geworden sein könnte. Im Übrigen muss jedoch nicht zuletzt deshalb von der prinzipiellen Fortdauer dieser rechtswidrigen Zustände ausgegangen werden, weil die Messungen, die im Herbst 2016 im Auftrag der Ludwig-Bölkow-Stiftung im Gebiet der Beigeladenen durchgeführt wurden, bestätigt haben, dass die höchstzulässige Jahresmittelwertkonzentration an Stickstoffdioxid auch außerhalb des Mittleren Rings an mehreren Stellen überschritten wird. Aus dem Entwurf des hierüber vorbereiteten Berichts, den der Kläger als Anlage zum Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 10. Februar 2017 in das Vollstreckungsverfahren eingeführt hat, geht hervor, dass u. a. an der Verdi- und der Dülfer Straße ein höherer NO2- Jahresmittelwert als 40 µg/m³ gemessen worden sei; gleiches gelte für einen Abschnitt der Dachauer Straße im Bereich des Stadtteils Moosach.

5. Rechtskonform ausgestaltete Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge als einzige dem zu vollstreckenden Urteil gerecht werdende Handlungsmöglichkeit

Aus einer zusammenschauenden Würdigung des Vorgesagten folgt, dass dem Beklagten andere Möglichkeiten als eine Verringerung der Zahl der Dieselfahrzeuge, die auf den zu hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen bzw. in ihrem nächsten Umgriff verkehren, nicht zur Verfügung stehen, um das durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 vorgegebene Ziel - wie geschuldet - schnellstmöglich zu erreichen. Auf den Umstand, dass „nur eine drastische Reduktion der Fahrzeugmenge … eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken“ kann, hat der Beklagte auf Seite 19 der Beschwerdebegründung vom 29. Juli 2016 selbst hingewiesen. Dies trifft mit der Einschränkung zu, dass mit dahingehenden Maßnahmen gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zumindest in erster Linie die Halter und Fahrer von Dieselfahrzeugen in die Pflicht zu nehmen sind.

5.1 Keine ausreichende Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils durch Maßnahmen zur Verbesserung des Emissionsverhaltens von Dieselfahrzeugen

Als weitere Handlungsoption hat der Beklagte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vorstehenden Zitat eine Verbesserung des Emissionsverhaltens von Kraftfahrzeugen (insbesondere solchen mit Dieselantrieb) erwähnt. Das trifft insofern fraglos zu, als eine drastische Reduzierung des NO2-Ausstoßes von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor den effizientesten und - im Vergleich zu Verkehrsverboten - zugleich deutlich weniger stark in Freiheitsrechte Betroffener eingreifenden Lösungsansatz darstellen würde. Der Annahme, der Beklagte könne dem Urteil vom 9. Oktober 2012 durch diesbezügliche Schritte gerecht werden, steht indes entgegen, dass ihm keinerlei Regelungsbefugnisse zustehen, mit deren Hilfe er auf den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen Einfluss zu nehmen vermag.

Es käme deshalb in Vollzug des Urteils vom 9. Oktober 2012 lediglich in Betracht, dass der Beklagte sich in einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst verpflichtet, seinen eigenen Fuhrpark sowie den Fahrzeugbestand von Rechtssubjekten des Privatrechts, auf die er einen dahingehenden Einfluss auszuüben vermag (d. h. vor allem staatlicher Eigengesellschaften), schnellstmöglich mit Fahrzeugen auszustatten, die ein optimales NO2-Emissionsverhalten aufweisen. Der Annahme, der Beklagte könne auf diese Weise das zu vollstreckende Urteil erfüllen, ohne zusätzliche, einschneidendere Maßnahmen zu ergreifen, steht jedoch bereits der - gemessen am Gesamtbestand - nicht ins Gewicht fallende Anteil staatseigener Fahrzeuge im Raum München entgegen.

Die Aufnahme von Umstellungsmaßnahmen der vorbezeichneten Art in Bezug auf den Fuhrpark der Beigeladenen und derjenigen Privatrechtssubjekte, auf die die Beigeladene diesbezüglich Einfluss auszuüben vermag (dazu gehören vor allem ihre Stadtwerke), würde voraussetzen, dass die Beigeladene entweder von sich aus hierzu bereit wäre oder der Beklagte eine solche Umrüstung ihr gegenüber erzwingen könnte. Denn auch insoweit kommt dem Gesichtspunkt Bedeutung zu, dass wegen der aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG folgenden Verpflichtung, in Luftreinhaltepläne aufgenommene Maßnahmen auch tatsächlich zu realisieren, ihre rechtliche und tatsächliche Umsetzbarkeit gesichert sein muss.

Ob zumindest eine der vorgenannten Voraussetzungen erfüllt ist, kann in vorliegendem Zusammenhang auf sich beruhen. Der Bejahung einer Verpflichtung der Beigeladenen zu einer forcierten Umstellung ihres Fahrzeugbestands steht jedenfalls entgegen, dass gegenwärtig für zahlreiche Kommunalfahrzeuge (namentlich für solche, die eine hohe Masse aufweisen, wie das z.B. im Bereich der städtischen Verkehrsbetriebe, der Müllabfuhr und der Feuerwehr der Fall ist) andere ausgereifte Antriebstechniken als Dieselmotoren noch nicht zur Verfügung stehen.

5.2 Fehlende Eignung einer Erweiterung der im Gebiet der Beigeladenen bestehenden Umweltzone zur ausreichenden Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils

Rechts- und ermessensfehlerfrei hat der Beklagte vor diesem Hintergrund auch davon abgesehen, in den Luftreinhalteplan für die Stadt München die Verpflichtung der Beigeladenen aufzunehmen, diejenigen Straßenabschnitte in ihrem Stadtgebiet, an denen Überschreitungen der Grenzwerte nach § 3 Abs. 1 und 2 der 39. BImSchV zu verzeichnen sind, zu Umweltzonen im Sinn von § 45 Abs. 1f StVO zu erklären. Selbst dann nämlich, wenn in eine solche Zone nur Fahrzeuge mit grüner Plakette einfahren dürfen, wäre eine derartige Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung dieser Grenzwerte ungeeignet. Denn die grüne Plakette erhalten Dieselfahrzeuge dann, wenn sie die Anforderungen der Euro-4-Norm/Euro-IV-Norm erfüllen oder sie zwar nur der Euro-3-Norm/Euro-III-Norm genügen, jedoch mit einem Partikelfilter ausgerüstet sind (vgl. dazu Seite 19 der vierten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München sowie Knauff in GK-BImSchG, Stand September 2011, § 40 Rn. 46). Dieselfahrzeuge, die der Euro-4-Norm/Euro-IV-Norm unterfallen, weisen im Vergleich aller Schadstoffgruppen jedoch den bei weitem höchsten NO2-Ausstoß auf (vgl. z.B. die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München, Seite 27 Abbildung 2/14).

5.3 Materielle Rechtmäßigkeit und Vollziehbarkeit von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Als verbleibende Handlungsoption, um dem Urteil vom 9. Oktober 2012 gerecht zu werden, steht dem Beklagten mithin allein die Möglichkeit zu Gebote, die Zahl der Dieselfahrzeuge zu verringern, die auf den von NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen verkehren.

Die Zuständigkeit, die zu diesem Zweck erforderlichen Verkehrsverbote für solche Fahrzeuge zu erlassen und die in Zusammenhang damit erforderlichen Ausnahmen zu genehmigen, liegt entweder nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 11 ZustGVerk bei der Beigeladenen als örtlicher oder gemäß Art. 4 Abs. 1 ZustGVerk bei ihr als unterer Straßenverkehrsbehörde. Da die Beigeladene insoweit im übertragenen Wirkungskreis handelt (vgl. Art. 6 Satz 1 ZustGVerk), kann ihr der Beklagte gemäß Art. 109 Abs. 2 GO - vorbehaltlich der sich aus Art. 109 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GO ergebenden Einschränkungen - Vorgaben auch hinsichtlich der Ausübung eines ihr insoweit ggf. verbleibenden Ermessens erteilen.

Jedenfalls in Gestalt der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG steht der Beigeladenen eine Befugnisnorm zu Verfügung, um Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge nach ihrer Aufnahme in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans durch den Erlass dahingehender straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen umzusetzen. Ob derartige Anordnungen zusätzlich auf § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO gestützt werden können, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Vertiefung.

-Bei methodisch korrekter Vorgehensweise, die den einzelnen, unzulässig hoch mit Stickstoffdioxid belastete Straßenabschnitt zum Ausgangspunkt der Prüfung nimmt, ob dort ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich seines räumlichen, sachlichen und zeitlichen Umfangs erforderlich, geeignet und angemessen ist, und bei der die gleichen Prüfungsschritte dann vorgenommen werden, wenn ein solches Verkehrsverbot auf andere, selbst nicht von NO2- Grenzwertüberschreitungen betroffene Straßen(abschnitte) erstreckt werden soll, kann nicht davon gesprochen werden, derartige Eingriffe in den Straßenverkehr seien von vornherein unverhältnismäßig. Denn die damit einhergehenden - ggf. erheblichen - Beschränkungen grundrechtlich verbürgter Freiheiten von Verkehrsteilnehmern müssen in Relation zu der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Anwohner gesetzt werden, die aus unzulässig hohen Stickstoffdioxidkonzentrationen resultiert. Angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt (vgl. zum Rang des menschlichen Lebens als oberstem Verfassungswert BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 - BVerfGE 39, 1/42; U.v. 15.2.2006 - 1 BvR 357/05 - BVerfGE 115, 118/152), wird von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden dürfen.

Entgegen dem Vorbringen des Beklagten kann auch nicht davon gesprochen werden, ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge sei deshalb ungeeignet (und damit rechtswidrig), weil sich seine Einhaltung nicht überwachen lasse. Die Überwachung mag teilweise aufwändig oder nur weitmaschig möglich sein. Dass sie ihre Wirkung wesentlich verfehlen würde, ist nicht nachvollziehbar. Da praktisch alle schweren Nutzfahrzeuge ab einer gewissen Größenordnung mit Dieselmotoren ausgestattet sind, können sie bei polizeilichen Verkehrskontrollen, die auf einer von einem solchen Verbot betroffenen Straße stattfinden, gezielt angehalten und daraufhin überprüft werden, ob sie ggf. unter eine Ausnahme von einem derartigen Verkehrsverbot fallen. Aber auch kleinere Nutzfahrzeuge sowie bestimmte Arten bzw. Typen von Personenkraftwagen verfügen derart häufig über Dieselantrieb, dass sie gezielt kontrolliert werden können. Zudem entspricht es verbreiteter polizeilicher Praxis, zum Zwecke der Verkehrskontrollen eine „Langsamfahrstelle“ einzurichten; Dieselfahrzeuge werden sich hierbei vielfach bereits durch ihr Motorengeräusch oder durch einschlägige auf dem Fahrzeug angebrachte Modellbezeichnungen („TDI“ o.ä.) identifizieren lassen. Unabhängig von alledem hat nach § 11 Abs. 6 FZV jeder Fahrer eines Kraftfahrzeugs die Zulassungsbescheinigung Teil I mit sich zu führen und sie zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen; die vom jeweiligen Fahrzeug benötigte Kraftstoffart ist aus der Eintragung im Feld P3 dieses Dokuments ersichtlich.

6. Derzeit noch bestehende rechtliche Ungewissheiten im Zusammenhang mit Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Obwohl der Beklagte nach alledem das Urteil vom 9. Oktober 2012 bisher nicht ausreichend befolgt hat, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof gehindert, die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Androhung der Festsetzung eines Zwangsgelds für den Fall zu bestätigen, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan für die Stadt München nicht bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 durch Aufnahme desjenigen Handlungsinstruments (nämlich von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge) fortschreibt, durch das allein er nach dem Vorgesagten dem Rechtsbefehl gerecht werden kann, der ihm durch das zu vollstreckende Urteil erteilt wurde. Denn im Hinblick auf die sich aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ergebende Pflicht, derartige Verkehrsverbote auch tatsächlich anzuordnen, darf eine solche Zwangsmittelandrohung nur ergehen, wenn bereits jetzt die Rechtmäßigkeit auch der Handlungen, die die öffentliche Verwaltung im Vollzug eines solchen Plans vorzunehmen hätte, in jeder Hinsicht zweifelsfrei feststünde. Diesbezügliche Bedenken bestehen zum einen hinsichtlich der Frage, ob das geltende Recht ausreichende Befugnisnormen bereithält, um in allen Fällen, in denen das ggf. geboten ist, Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge rechtskonform zulassen zu können (6.1). Vor allem aber ist zweifelhaft, ob solche Verbote mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung einwandfrei bekanntgegeben werden können (6.2).

6.1 Erforderlichkeit und rechtliche Bewältigung von Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Die Verpflichtung, die dem Beklagten durch das zu vollstreckende Urteil auferlegt wurde, schließt es nicht aus, Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zuzulassen, sofern das nachweislich erforderlich ist, damit eine solche Maßnahme ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angeordnet werden kann, und auch unter Berücksichtigung der jeweils bewilligten Ausnahme(n) zugunsten der Anwohner das im konkreten Fall höchstmögliche Schutzniveau gewahrt bleibt.

Dass partiell Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge unumgänglich sein werden, erscheint im Hinblick darauf nicht zweifelhaft, dass mit derartigen Fahrzeugen zum Teil Transportbedürfnisse abgewickelt werden, die von derart großer Bedeutung für die Allgemeinheit sind, dass das lückenlose Unterbleiben derartiger Verkehrsvorgänge auf von einem einschlägigen Verbot betroffenen Straßen u. U. nicht ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht gefordert werden kann. In den Blick zu nehmen sind insbesondere die Fälle, in denen für einen Beförderungsvorgang weder andere Verkehrsmittel als Dieselfahrzeuge noch Alternativstrecken zur Verfügung stehen. Nicht von vornherein ausschließbar erscheint es ferner, dass aus den gleichen Gründen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auch im Individualinteresse geboten sein könnten. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung, die den Schutzgütern „menschliches Leben und menschliche Gesundheit“ nach der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt, werden Ausnahmen freilich stets nur dann rechtsfehlerfrei zugelassen werden können, wenn sich das betroffene Allgemein- oder Einzelinteresse gegen den aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzanspruch der von unzulässig hohen Stickstoffdioxidbelastungen betroffenen Straßenanwohner durchsetzen kann. Sofern danach Durchbrechungen eines solchen Verkehrsverbots dem Grunde nach in Betracht kommen, werden sie ggf. in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht zu begrenzen sein.

Dass an die Zulassung von Ausnahmen von einschlägigen Verkehrsverboten ein strenger Maßstab anzulegen ist, zeigt § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, der derartige Sonderregelung selbst dann, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, von unaufschiebbaren und überwiegenden Gründen abhängig macht. Ein ebenfalls gemeinwohlbezogener Ansatz liegt der ersten Alternative des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV zugrunde. Sollte ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge unzumutbare Folgen ausschließlich zu Lasten Einzelner zeitigen, würde die zweite Alternative der letztgenannten Vorschrift dann ausreichende Möglichkeiten eröffnen, um einer solchen Fallgestaltung Rechnung zu tragen, wenn „von und zu bestimmten Einrichtungen“ stattfindende Verkehrsvorgänge inmitten stehen. Denn § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV ist so aufgebaut, dass sich die im Vordersatz dieser Bestimmung enthaltenen Tatbestandsmerkmale auf die beiden im Anschluss daran normierten Fallgestaltungen beziehen.

Nicht zweifelsfrei erscheint demgegenüber, ob das geltende Recht eine Befugnisnorm zur Verfügung stellt, um Ausnahmen von einem Verkehrsverbot auch dann zulassen zu können, wenn eine solche Entscheidung im ausschließlichen überwiegenden Individualinteresse erforderlich sein sollte, die begünstigten Fahrten jedoch nicht „von und zu bestimmten Einrichtungen“ führen, wie § 1 Abs. 2 der 35. ImSchV das voraussetzt. Derartige Fallgestaltungen ließen sich zwar unschwer durch Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO lösen. Es ist indes nicht zweifelsfrei, ob diese Bestimmung auf Verkehrsverbote anwendbar ist, die ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG finden. Für Verkehrsverbote, wie sie in Umweltzonen im Sinn von § 45 Abs. 1f StVO gelten, hat dies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (B.v. 8.12.2009 - OVG 11 S. 50.09 - juris Rn. 9) unter Hinweis auf den aus seiner Sicht abschließenden Charakter der in § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV eröffneten Ausnahmemöglichkeiten ausdrücklich verneint; die engen tatbestandlichen Bestimmungen dieser Normen dürften nicht durch die in § 46 Abs. 1 und 2 StVO enthaltenen, weitgefassten Ausnahmevorschriften unterlaufen werden.

Diesen Erwägungen lässt sich sachliches Gewicht nicht absprechen. Andererseits dürfen Maßnahmen, die der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen sowie der Durchsetzung des Geltungsanspruchs der Richtlinie 2008/50/EG und der dort normierten Immissionsgrenzwerte auch in der Bundesrepublik Deutschland dienen, schlechthin nicht daran scheitern, dass die deutsche Rechtsordnung u. U. nicht für alle Härtefälle, die in diesem Zusammenhang zu bewältigen sein können, hinreichende Ausnahmevorschriften bereithält. Auch bestünde die Gefahr der Umgehung des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV dann nicht, wenn § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO in der Verwaltungspraxis nur in den Fällen herangezogen würde, in denen ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge ohne Zulassung einer Ausnahme im Einzelfall eine Härte nach sich zöge, die ihrerseits nicht mehr als verfassungskonform angesehen werden könnte, die beiden erstgenannten Bestimmungen indes tatbestandlich nicht einschlägig sind.

Angesichts des vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 8. Dezember 2009 (OVG 11 S. 50.09 - juris Rn. 9) eingenommenen Standpunkts käme einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO auch hinsichtlich solcher Verkehrsverbote für anwendbar erklären würde, die sich auf § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG stützen, wohl grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. In einem Hauptsacherechtsstreit, in dem sich diese Frage in entscheidungserheblicher Weise stellt, wäre wegen ihrer Bedeutung für den Verwaltungsvollzug die Zulassung der Revision in Erwägung zu ziehen. Es erschiene vor diesem Hintergrund nicht angemessen, würde sich der Verwaltungsgerichtshof in einem Vollstreckungsverfahren, in dem eine Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen ist, in einer an der Rechtskraft seines Beschlusses teilnehmenden Weise zu der inmitten stehenden Problematik äußern.

Muss die Frage, ob das geltende Recht ausreichende Instrumente zur Verfügung stellt, um in allen Fällen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zulassen zu können, in denen das zur Vermeidung verfassungswidriger Härten u. U. geboten ist, derzeit aber als offen angesehen werden, so scheidet bereits aus diesem Grund eine unveränderte Bestätigung des angefochtenen Beschlusses aus. Denn da der Beklagte - wie aufgezeigt - dem zu vollstreckenden Urteil nur durch den Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nachkommen kann, würde ihm ein ggf. rechtswidriges Verhalten abverlangt, wollte man ihn als verpflichtet ansehen, derartige Verbote bereits zu einem Zeitpunkt in die geschuldete Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufzunehmen, in dem noch ungeklärt ist, ob von derartigen Verboten in allen erforderlichen Konstellationen ggf. notwendige Ausnahmen zugelassen werden können.

6.2 Ungeklärte Möglichkeit einer rechtskonformen Bekanntgabe von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge sowie gruppenbezogener Ausnahmen hiervon

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergehen auch Verkehrsverbote und -beschränkungen, die immissionsschutzrechtlichen Zielsetzungen dienen, „nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften“. Unabhängig davon, ob darin eine Rechtsgrund- oder eine bloße Rechtsfolgenverweisung auf das Straßenverkehrsrecht liegt, folgt aus dieser Vorschrift, dass die öffentliche Verwaltung bei einschlägigen Maßnahmen auf das Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts beschränkt ist.

Nach § 45 Abs. 4 Halbs. 1 StVO dürfen die in § 45 Abs. 3 StVO genannten Behörden (d.h. die Straßenverkehrs- und die Straßenbaubehörden) den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Es spricht alles dafür,

dass auch die zum Vollzug des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zuständigen Stellen dieser Bindung unterliegen, da - insbesondere ortsfremde - Verkehrsteilnehmer schutzwürdig davon ausgehen dürfen, dass ihnen die Ge- und Verbote, die sie bei der Verkehrsteilnahme zu beachten haben, ausschließlich auf diese Art und Weise zur Kenntnis gebracht werden.

Da die Straßenverkehrs-Ordnung kein der Verlautbarung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge dienendes Verkehrszeichen kennt, ist eine rechtskonforme Bekanntgabe derartiger Verbote derzeit nur möglich, wenn sich eine dahingehende behördliche Anordnung mittels des vorhandenen Zeichenbestandes (unter Einschluss von Zusatzzeichen, bei denen es sich gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO ebenfalls um Verkehrszeichen handelt) in einer Weise zum Ausdruck bringen lässt, die den straßenverkehrsrechtlichen Anforderungen genügt. Das setzt voraus, dass der objektive Aussagegehalt des Verkehrszeichens (bzw. der Kombination aus - ggf. mehreren - Verkehrs- und Zusatzzeichen) zum einen eindeutig ist und eine solche Beschilderung zum anderen so übersichtlich gestaltet werden kann, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt ihren Bedeutungsgehalt „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ zu erfassen vermag (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.).

6.2.1 Bekanntgabe mittels des Zeichens 251 und eines Zusatzzeichens

Der Kläger schlägt zum einen vor, ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit Hilfe des Zeichens 251 der Straßenverkehrs-Ordnung unter Beifügung des Zusatzschilds „gilt nur für Diesel“ (oder mittels eines ähnlichen Texts) zu verlautbaren. Durch ein solches Zusatzzeichen würde eine allgemeine Beschränkung des durch das Zeichen 251 kundgemachten Verbots zum Ausdruck gebracht; dies lässt § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO grundsätzlich zu. Ebenfalls rechtmäßig wäre bei einer auf den Wortlaut der letztgenannten Bestimmung beschränkten Betrachtungsweise ein Zusatzzeichen, aus dem sich ergäbe, dass alle Kraftfahrzeuge, die über einen anderen Antrieb als einen Dieselmotor verfügen, von dem Verbot ausgenommen sind.

Dahinstehen kann, ob dem Einwand des Beklagten zu folgen ist, durch ein solches Zusatzschild werde angesichts des weitreichenden Umfangs der hierdurch bewirkten Beschränkung des Geltungsanspruchs des prinzipiellen Verkehrsverbots für Kraftwagen aller Art (bzw. - im Fall der zweiten vom Kläger zur Diskussion gestellten Ausgestaltung des Zusatzschildes - angesichts des erheblichen Umfangs der vom normativen Regelungsgehalt des Zeichens 251 zugelassenen Ausnahmen) dessen Wesensgehalt verändert. Denn unabhängig hiervon bestünde jedenfalls das Problem, dass § 39 Abs. 3 Satz 2 StVO „Aufschriften“ auf Zusatzzeichen (d.h. Zusatzzeichen, die ihren Regelungsgehalt in Textform zum Ausdruck bringen) nur zulässt, „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Eine „andere Bestimmung“ im Sinn dieser Vorschrift könnte u. U. in der laufenden Nummer 26 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung gesehen werden. Nach der Nummer 1 der dortigen, sich auf die Zeichen 250 bis 259 - und damit auch auf das Zeichen 251 - beziehenden Erläuterungen können „andere Verkehrsarten“ durch „Verkehrszeichen gleicher Art mit Sinnbildern nach § 39 Absatz 7“ StVO verboten werden. Sollten Fahrzeuge mit Dieselantrieb als eine „Verkehrsart“ im Sinn dieser Bestimmung anzusehen sein, so könnte hieraus herzuleiten sein, dass sich auf solche Fahrzeuge beziehende Verkehrsverbote nicht in der vom Kläger befürworteten Weise verlautbart werden dürften. Denn weder würde die Kombination aus dem Zeichen 251 in Verbindung mit einem Zusatzzeichen, das eine der im vorstehenden Absatz beispielhaft erwähnten Aufschriften trägt, als ein den Zeichen 250 bis 259 gleichartiges Verkehrszeichen angesehen werden können, noch würde der Regelungsgehalt einer solchen Schilderkombination ausschließlich durch Sinnbilder kundgemacht.

6.2.2 Bekanntgabe durch die Zeichen 270.1 bzw. 270.2 und ein Zusatzzeichen

Zum anderen hat der Kläger zur Diskussion gestellt, den Beginn eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge durch das Zeichen 270.1 der Straßenverkehrs-Ordnung bekanntzugeben, dessen (sich auf alle Kraftfahrzeuge erstreckender) Regelungsgehalt wiederum durch ein Zusatzzeichen „gilt nur für Dieselfahrzeuge“ eingeschränkt oder dem ein Zusatzzeichen beigefügt werden könnte, demzufolge alle Kraftfahrzeuge mit anderem als Dieselantrieb von dem durch das Zeichen 270.1 bewirkten Verkehrsverbot ausgenommen sind.

Die laufende Nummer 44 des Anhangs 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung (vgl. dort Nummer 2 Satz 2) lässt es zwar ausdrücklich zu, Ausnahmen vom Geltungsanspruch des Zeichens 270.1 durch Zusatzzeichen zu verlautbaren. Bedenken gegen die rechtliche Tragfähigkeit dieser Lösung könnten sich jedoch daraus ergeben, dass die Zeichen 270.1 und 270.2 der Straßenverkehrs-Ordnung gemäß § 45 Abs. 1f StVO zur Kennzeichnung von „Umweltzonen“ dienen, und dass diese Vorschrift von einer wohl obligatorischen Verbindung dieser Zeichen mit dem Zusatzzeichen ausgeht, dessen äußere Gestalt und dessen Regelungsgehalt sich aus der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung ergeben. Unter einer „Umweltzone“ versteht der Verordnungsgeber danach ein Gebiet, in dem die Verkehrsteilnahme für alle Kraftfahrzeuge verboten ist, die nicht über eine der auf dem Zusatzzeichen nach der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung wiedergegebenen Plaketten verfügen. Auch in der Lebenswirklichkeit sind die Zeichen 270.1 bzw. 270.2 und das in der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs- Ordnung abgebildete Zusatzzeichen wohl derart ausnahmslos miteinander verknüpft, dass nicht gewährleistet ist, jeder Verkehrsteilnehmer, der sich mit der vom Kläger vorgeschlagenen, hiervon abweichenden Zeichenkombination konfrontiert sieht, werde den Bedeutungsgehalt der so kundgemachten Regelung innerhalb der kurzen Zeit zweifelsfrei erfassen, in der dies nach den Vorgaben der Rechtsprechung für einen durchschnittlichen Kraftfahrer möglich sein muss (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.).

6.2.3 Bekanntgabe ggf. erforderlicher gruppenbezogener Ausnahmen

Ebenfalls nicht gesichert ist, ob sich mit dem vorhandenen Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung solche Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge rechtskonform bekanntgeben lassen, bei denen sich der Kreis der Begünstigten nur nach abstrakt-generellen Kriterien umschreiben lässt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag gegenwärtig nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit Vorgaben der Rechtsordnung, die schwerer wiegen als das Gebot der lückenlosen Geltung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge, geboten sein könnte, bestimmten Arten solcher Fahrzeuge die Verkehrsteilnahme auf für sie grundsätzlich gesperrten Straßen zu gestatten oder Fahrten zu bestimmten Zielen innerhalb des gesperrten Bereichs bzw. aus bestimmten Anlässen zuzulassen, ohne dass die Halter oder Fahrer solcher Fahrzeuge stets in der Lage sind, hierfür bei der Beigeladenen einzelfallbezogene oder eine Mehrzahl von Verkehrsvorgängen erfassende, durch Bescheid zu erteilende Ausnahmegenehmigungen zu beantragen. Ob all diese „gruppenbezogenen“ Ausnahmen - auch soweit nach dem Vorgesagten hierfür eine materielle Rechtsgrundlage vorhanden sein sollte - auf einem (weiteren) Zusatzschild zu den Zeichen, durch die das Verkehrsverbot als solches und seine auf Dieselfahrzeuge beschränkte Geltung verlautbart werden, so eindeutig und übersichtlich wiedergegeben werden können, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ erfassen kann (BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.), erscheint nicht gesichert. Einer Bekanntgabe der Ausnahmen gemäß Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG stünde, sofern das Verkehrsverbot durch das Zeichen 251 kundgemacht würde, wohl § 45 Abs. 4 Halbs. 1 StVO entgegen; der dort verankerte Grundsatz, wonach die Straßenverkehrs- und die Straßenbaubehörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürfen, gilt auch für Ausnahmen von Verkehrsverboten (BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 - 23); angesichts des abschließenden Charakters dieser Regelung kommt eine Verlautbarung derartiger Ausnahmen durch öffentliche Bekanntmachung nur insoweit in Betracht, als sie ausdrücklich zugelassen ist (BVerwG, U.v. 13.3.2008 a.a.O. Rn. 25).

Dies ist zwar hinsichtlich des Zeichens 270.1 (vgl. die Nummer 2 Satz 2 zur laufenden Nummer 44 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) der Fall. Ungesichert erscheint jedoch, ob insoweit der Grundsatz eingreift, dass sich Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit einer durch Verkehrszeichen bekanntgemachten Regelung verlassen können müssen (BVerwG, U.v. 13.3.2008 a.a.O. Rn. 25). Hiermit stünde es u.U. nicht in Einklang, wenn das Verkehrsverbot als solches durch ein Verkehrs- und die Beschränkung seines Geltungsbereichs auf Dieselfahrzeuge durch ein Zusatzzeichen verlautbart würden, die hiervon geltenden Ausnahmen indes aus den aufgestellten Zeichen nicht ersichtlich wären.

Der Verwaltungsgerichtshof lässt bei alledem nicht außer Betracht, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Schreiben an den Minister für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg vom 11. März 2016 und an den Oberbürgermeister der Beigeladenen vom 6. Dezember 2016 die Auffassung vertreten hat, der Geltungsanspruch des in der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung als Ergänzung zum Zeichen 270.1 vorgesehenes Zusatzzeichens lasse sich „kurzfristig“ dadurch außer Kraft setzen, dass es zeitweilig abgedeckt werde; Härtefällen könne durch eine Ausnahmegenehmigung bzw. Allgemeinverfügung Rechnung getragen werden. Diese Aussagen beziehen sich jedoch dem ausdrücklichen Wortlaut beider Schreiben zufolge auf die Fallgestaltung, dass die örtlich zuständige Behörde zu dem Ergebnis gelangt, eine vorhandene Umweltzone werde „bei besonderen witterungsbedingten Ausnahmesituationen im Einzelfall“ nicht mehr den aktuellen Anforderungen gerecht. Die Notwendigkeit, gruppenbezogene Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge dann in rechtskonformer Weise zu verlautbaren, wenn die zu begünstigenden Verkehrsteilnehmer aus praktischen Gründen nicht auf den Weg der Beantragung einer in Bescheidsform zu erteilenden Ausnahmegenehmigung verwiesen werden können, stellt sich indes nicht nur in zeitlich eng umgrenzten Ausnahmesituationen.

-7 Auswirkungen der vorbezeichneten Zweifelsfragen auf den Umfang der derzeitigen Durchsetzbarkeit des zu vollstreckenden Urteils

Die vorstehend erörterten Gesichtspunkte stellen augenscheinlich keine Hindernisse dar, die dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge schlechthin entgegenstehen. Vielmehr handelt es sich um höchstrichterlich ungeklärte Fragen, die sich anhand des geschriebenen Rechts nicht völlig eindeutig beantworten lassen.

Es kann als gesichert gelten, dass diese Zweifel innerhalb überschaubarer Zeit ausgeräumt sein werden. Nicht fernliegend erscheint es insbesondere, dass zumindest ein Teil von ihnen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geklärt werden dürfte, das voraussichtlich auf die Sprungrevision hin ergehen wird, die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 (3 K 7695/15 - juris) eingelegt wurde. Denn das Verwaltungsgericht hat eine Kundgabe von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge mittels des Zeichens 251 und eines Zusatzzeichens, das den Geltungsanspruchs des durch dieses Zeichen verlautbarten Verkehrsverbots für Kraftwagen auf Dieselfahrzeuge beschränkt, ausdrücklich als zulässig angesehen.

Sollte durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgezeigt werden, dass dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge derzeit Hindernisse entgegenstehen, die sich daraus ergeben, dass das deutsche Recht gegenwärtig kein ausreichendes Instrumentarium zu ihrer Bekanntgabe zur Verfügung stellt, so wäre gleichfalls damit zu rechnen, dass dieser Mangel innerhalb überschaubarer Zeit behoben wird. Denn es ist sowohl angesichts der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Richtlinie 2008/50/EG unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, als auch im Licht des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen schlechthin ausgeschlossen, dass die zu diesem Zweck alternativlos gebotenen Schutzmaßnahmen deswegen unterbleiben, weil die derzeit gültige Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung kein Verkehrszeichen kennt, mit dessen Hilfe Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge (sowie die von ihnen ggf. geltenden Ausnahmen) kundgemacht werden können. Gleiches gälte, falls das geltende Recht keine ausreichenden Befugnisnormen dafür enthalten sollte, um sämtliche von Verfassungs wegen ggf. erforderlichen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge bewilligen zu können. Vielmehr kann als gesichert gelten, dass die zuständigen Stellen jedenfalls durch das Vertragsverletzungsverfahren, das die Europäische Kommission wegen der nunmehr seit dem Jahr 2010 andauernden Nichteinhaltung der in der Richtlinie 2008/50/EG festgesetzten Immissionsgrenzwerte gegen die Bundesrepublik Deutschland durchführt, dazu angehalten werden, die insoweit bestehenden (ohnehin nur marginalen) Defizite der inländischen Rechtsordnung zu beheben.

Pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens, das den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Ausgestaltung einer Zwangsgeldandrohung nach § 172 VwGO zusteht, entspricht es vor diesem Hintergrund, darauf Bedacht zu nehmen, dass die in Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge von dem Augenblick an ohne weitere Verzögerung in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufgenommen werden können, in dem die aufgezeigten Hindernisse ausgeräumt sein werden. Dies ist nur dann gesichert, wenn der Beklagte in jenem künftigen Zeitpunkt über ein Konzept verfügt, aus dem sich ergibt, in Bezug auf welche Straßen im Stadtgebiet der Beigeladenen, an denen es zu Überschreitungen des in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Immissionsgrenzwerts kommt, er Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan für München aufnehmen wird, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, die im Jahresmittel unzulässig hoch mit Stickstoffdioxid belastet sind, er von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots in den Luftreinhalteplan mit welcher Begründung abzusehen gedenkt. Vom Beklagten im Rahmen des anhängigen Vollstreckungsverfahrens die Erstellung eines solchen Konzepts als „Minus“ gegenüber der vom Verwaltungsgericht geforderten sofortigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu verlangen, ist von Rechts wegen umso mehr geboten, als zwischen der Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans und dem Erlass und der Bekanntgabe straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen, die solche Verbote zum Gegenstand haben, selbst bei der gebotenen unverzüglichen Umsetzung dieses Plans (§ 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG) nochmals eine gewisse Zeitspanne vergehen wird.

7.1 Vollständige Erfassung der von einschlägigen Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitte) als notwendige erste Stufe des geschuldeten vorbereitenden Konzepts

Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Luftreinhalteplan für die Stadt München nach dem Wegfall der gegenwärtig inmitten stehenden rechtlichen Hemmnisse in der gemäß dem Urteil vom 9. Oktober 2012 geschuldeten Weise fortgeschrieben werden kann, ist das lückenlose Wissen darum, welche Straßen im Gebiet der Beigeladenen rechtswidrig hoch mit Stickstoffdioxid belastet sind. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte hierzu ausgeführt, diejenigen Hauptstraßen im Gebiet der Beigeladenen, auf denen die maximal zulässige NO2-Konzentration im Jahresmittel überschritten wird, seien bereits vollständig erfasst; hinsichtlich der Nebenstraßen bedürfe es einer solche Erfassung nicht, da erfahrungsgemäß dort keine Grenzwertüberschreitungen aufträten.

Bestandteil einer sachgerechten Vorbereitung der nach dem zu vollstreckenden Urteil geschuldeten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München ist es, dass der Beklagte dieses Straßenverzeichnis der Allgemeinheit zugänglich macht. Dies folgt bereits daraus, dass einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorauszugehen hat. Diese besitzt spätestens ab der Einleitung dieses Beteiligungsverfahrens einen Rechtsanspruch darauf, zu erfahren, auf welchen Straßen(abschnitten) es zu Überschreitungen der einschlägigen Grenzwerte kommt, um beurteilen zu können, ob die zuständige Behörde einerseits alle betroffenen Teile der Bevölkerung in ihre Überlegungen einbezogen hat, sie andererseits aber von Maßnahmen absieht, die den motorisierten Straßenverkehr ohne sachlich rechtfertigenden Grund einschränken.

Wenn es der Verwaltungsgerichtshof vorliegend für ermessensgerecht ansieht, an der vom Verwaltungsgericht festgesetzten, am 29. Juni 2017 ablaufenden Frist hinsichtlich der geschuldete Teilhandlung „Bekanntgabe der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitte)“ festzuhalten, so ist hierfür einerseits maßgeblich, dass dem Beklagten bis zur Einleitung des Beteiligungsverfahrens nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG zwangsläufig eine längere Frist zugestanden werden muss. Denn die Durchführung der vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung setzt voraus, dass der Beklagte über ein sowohl zielführendes als auch den Vorgaben der Rechtsordnung genügendes Konzept über die näheren Modalitäten der dem Grunde nach geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge verfügt. Dies ist gegenwärtig weder der Fall noch kann die Erstellung eines solchen Konzepts selbst bei Anspannung aller Kräfte bis zum 29. Juni 2017 erwartet werden.

Nicht ermessensgerecht wäre es andererseits, es dem Beklagten zu gestatten, das Verzeichnis der Straßen, auf denen bzw. in deren Umgriff der Grenzwert nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV nicht eingehalten wird, der Allgemeinheit erst zeitgleich mit der Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung zugänglich zu machen. Eine vorgezogene Bekanntgabe dieses Verzeichnisses trägt vielmehr dazu bei, den Betroffenen und der Allgemeinheit bereits vor dem Beginn des gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG erforderlichen Verfahrens einen den zuständigen Behörden vergleichbaren Kenntnisstand zu verschaffen. Sie werden damit bereits vorab in die Lage versetzt, gegenüber dem Beklagten geltend zu machen, bestimmte Strecken seien zu Unrecht (nicht) in dieses Verzeichnis aufgenommen worden, da der durch § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV vorgegebene Grenzwert - nicht bzw. ebenfalls - überschritten werde. Das eigentliche Beteiligungsverfahren nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG kann auf diese Weise von Auseinandersetzungen darüber entlastet werden, in Bezug auf welche Straßen(abschnitte) ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge dem Grunde nach veranlasst ist. Dies erscheint nicht zuletzt deshalb sachdienlich, weil die (Nicht-)Aufnahme von Straßen in das vorerwähnte Verzeichnis nicht auf Messungen, sondern auf Berechnungen beruht und es nicht fern liegt, dass die Richtigkeit dieser Berechnungen vor allem von dem Zeitpunkt an angezweifelt werden könnte, ab dem die Endfassung des Berichts über die Ergebnisse der Messungen vorliegt, die im Auftrag der Ludwig-Bölkow-Stiftung im Gebiet der Beigeladenen durchgeführt wurden.

Wenn der Beklagte die Festsetzung eines Zwangsgeldes erst dann zu gewärtigen hat, falls er das Straßenverzeichnis nicht bis spätestens zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit zugänglich macht, so verkennt der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass dieses Verzeichnis Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG beinhaltet, hinsichtlich derer jedermann gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG verlangen kann, dass sie ihm nach Maßgabe dieses Gesetzes auch unabhängig von der vorgenannten Frist zugänglich gemacht werden. Da allein der Beklagte in zulässiger Weise Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. Juni 2016 eingelegt hat, durfte die in dieser Entscheidung gesetzte Frist jedoch auch hinsichtlich der hier inmitten stehenden Teilverpflichtung nicht zu seinen Ungunsten verkürzt werden.

7.2 Fristen für die Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung und die Erstellung der Endfassung des der Fortschreibung des Luftreinhalteplans dienenden Konzepts

Pflichtgemäßer Ermessensausübung entspricht es, die im angefochtenen Beschluss gesetzte Frist insoweit bis zum 31. August 2017 zu verlängern, als die Einleitung des Verfahrens nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG in Frage steht. Denn bis dahin muss es dem Beklagten möglich sein, die in Befolgung des Urteils vom 9. Oktober 2012 geschuldeten Überlegungen, auf welchen Straßen(abschnitten) ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit welchen Modalitäten zu erlassen ist, so weit zu konkretisieren, dass die Ergebnisse der Allgemeinheit zur Kenntnis gebracht werden können. Dies gilt zumal im Hinblick darauf, dass sich der Beklagte mit der Umsetzung der zu vollstreckenden Entscheidung bereits erheblich in Verzug befindet und der von Verfassungs wegen gebotene Schutz des Lebens und der Gesundheit der von rechtswidrigen Stickstoffdioxidimmissionen betroffenen Menschen es erfordert, zumindest die Erstellung des vorbereitenden Konzepts mit allem Nachdruck voranzutreiben, solange eine diesem Ziel dienende Fortschreibung des Luftreinhalteplans als solche nicht verlangt werden kann. Ebenfalls keinen weiteren Aufschub duldet die dem Beklagten obliegende Verpflichtung, innerhalb seines Verantwortungsbereichs jene langandauernde Verletzung des Rechts der Europäischen Union abzustellen, die in der Nichteinhaltung der sich aus der Richtlinie 2008/50/EG ergebenden Immissionsgrenzwerte liegt.

Dringlich ist aus den gleichen Gründen ferner die Erstellung jener Endfassung des ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge betreffenden Konzepts, in dem der Beklagte zum Ausdruck bringt, inwieweit er den Ergebnissen der Öffentlichkeitsbeteiligung Rechnung getragen hat. Da die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen zur vorläufigen Fassung des Konzepts gemäß § 47 Abs. 5a Satz 3 Halbs. 2 BImSchG nicht vor Mitte Oktober 2017 enden wird und u. U. mit einer großen Zahl von Äußerungen gerechnet werden muss, ist es ermessensgerecht, als Zeitpunkt für die späteste Präsentation der endgültigen Fassung des vorbereitenden Konzepts den 31. Dezember 2017 festzusetzen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene nur im zweiten Rechtszug einen Sachantrag gestellt hat, konnte sie lediglich insoweit anteilig zur Tragung der Gerichtskosten und zur teilweisen Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers herangezogen werden. Aus dem gleichen Grund war ihr auch nur hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ein partieller Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen. Die unterschiedliche Höhe der Quoten, mit denen die Beteiligten im Vergleich der beiden Rechtszüge zueinander zur Kostentragung herangezogen wurden, rechtfertigt sich daraus, dass der Kostenanteil des Klägers hinsichtlich des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof um denjenigen Anteil zu erhöhen war, der auf die von ihm später wieder zurückgenommene Beschwerde entfällt.

Dr. Schenk Demling Ertl

Tenor

I. Das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) in Nr. II.3. des Tenors angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro wird festgesetzt. Der Antragsgegner hat das Zwangsgeld innerhalb von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses auf das Konto der Staatsoberkasse Bayern mit der IBAN DE ... einzuzahlen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt gegen den Antragsgegner die Vollstreckung aus einem verwaltungsgerichtlichen Urteil durch Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro.

Für das Gebiet der Landeshauptstadt München wurde erstmals am 28. Dezember 2004 ein Luftreinhalteplan aufgestellt. Auf diesen Plan und seine Datengrundlage beziehen sich die 1. Fortschreibung vom Oktober 2007, die 2. Fortschreibung vom August 2008 und die 4. Fortschreibung vom September 2010. Die im April 2012 erfolgte 3. Fortschreibung hatte eine Beteiligung des Münchener Umlands zum Gegenstand.

Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046), rechtskräftig seit 8. April 2014, verpflichtete das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antragsgegner, den für die Landeshauptstadt München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 μg/m³, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 μg/m³, bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 μg/m³, bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält. Den Entscheidungsgründen zufolge genüge der Luftreinhalteplan für München in der Fassung der 4. Fortschreibung den sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, aus § 47 Abs. 1 Satz 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) ergebenden Anforderungen nicht.

Im Mai 2014 trat die 5. Fortschreibung, im Dezember 2015 die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München in Kraft. In der 6. Fortschreibung wird im Rahmen einer Prognose zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte (S. 76) ausgeführt, dass eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwertes für das Jahresmittel an der L. Allee ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich sei. An der Messstation Stachus sei eine Einhaltung voraussichtlich ab 2025 zu erwarten. Diese Prognose basiere im Wesentlichen auf der Erneuerung der Fahrzeugflotte sowie quantifizierbaren Maßnahmen wie Lkw-Durchfahrtsverbot und Umweltzone. Maßnahmen, deren Wirkung nicht belastbar abgeschätzt werden könne (wie z.B. Ausbau ÖPNV und Fahrradverkehr), würden bei der Immissionsprognose nicht berücksichtigt.

Auf Antrag des Antragstellers hat das Bayerische Verwaltungsgericht München dem Antragsgegner mit Beschluss vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung des Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 EUR angedroht. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass ein Fall der grundlosen Säumnis vorliege. Bisher sei seitens des Antragsgegners kein Luftreinhalteplan mit Maßnahmen aufgestellt, die im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 geeignet wären, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich auszuschließen. Die in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthaltenen Maßnahmen entsprächen nicht den Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012, da sie zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nicht geeignet seien. Die Maßnahmen seien zu unkonkret bzw. angesichts der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht werde, nicht geeignet, effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beizutragen.

Diesen Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427 – juris) auf die Beschwerde des Antragsgegners wie folgt geändert:

„II.1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.

2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG –) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes (39. BImSchV) festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Antragsgegner zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“

Zur Begründung führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus, dass das Urteil vom 9. Oktober 2012 vollstreckbar sei. Der Antragsgegner sei jedenfalls hinsichtlich der Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid vom 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten werde, dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht nachgekommen. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit werde durch die nunmehr bereits seit mehr als sieben Jahre andauernde unzulässig hohe NO2-Belastung zahlreicher Straßen(abschnitte) in gravierender Weise beeinträchtigt. Das Bayerische Verwaltungsgericht München habe im Beschluss vom 21. Juni 2016 zutreffend aufgezeigt, dass auch die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht als ausreichende Erfüllung dieses Urteils anerkannt werden könne. Aus einer zusammenschauenden Würdigung folge, dass dem Antragsgegner andere Möglichkeiten als eine Verringerung der Zahl der Dieselfahrzeuge, die auf den zu hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen bzw. in ihrem nächsten Umgriff verkehrten, nicht zur Verfügung stünden, um das durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 vorgegebene Ziel schnellstmöglich zu erreichen. Bei methodisch korrekter Vorgehensweise könne nicht davon gesprochen werden, derartige Eingriffe in den Straßenverkehr seien von vornherein unverhältnismäßig. Angesichts der herausragenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) werde von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden können. Es bestünden allerdings Bedenken, ob das geltende Recht ausreichende Befugnisnormen bereithalte, um Ausnahmen von den Verkehrsverboten in ausreichendem Umfang rechtskonform zulassen zu können, sowie, ob solche Verbote mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung bekanntgegeben werden könnten. Dies stelle jedoch kein Hindernis dar, das dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrverbote schlechthin entgegenstehe. Angesichts der europarechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland sowie des staatlichen Schutzauftrags sei mit einer entsprechenden Rechtsetzung zu rechnen, um die Grundlagen für Dieselfahrverbote zu schaffen. Pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens entspreche es, darauf Bedacht zu nehmen, dass die in Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ohne weitere Verzögerung in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufgenommen werden könnten, sobald die aufgezeigten Hindernisse ausgeräumt sein würden. Dies sei nur dann gesichert, wenn der Antragsgegner über ein Konzept für Verkehrsverbote im Hinblick auf Dieselfahrzeuge verfüge. Vom Antragsgegner die Erstellung eines solchen Konzepts als „Minus“ gegenüber der vom Verwaltungsgericht geforderten sofortigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu verlangen, sei von Rechts wegen geboten.

Am 18. Juli 2017 hat der Antragsgegner eine Liste der von Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte sowie eine Übersichtskarte zu Straßen mit Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen in München auf der Homepage der Regierung von Oberbayern (dort abrufbar unter: http://www.regierung.oberbayern.bayern.de/aufgaben/umwelt/allgemein/luftreinhalte/02716/) veröffentlicht.

Die Regierung von Oberbayern hat am 20. Juli 2017 im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 15 auf Seite 112 unter der Überschrift „Luftreinhaltung München“ mitgeteilt, dass die Bayerische Staatsregierung in der Sitzung des Ministerrats vom 18. Juli 2017 ein Maßnahmenpaket für saubere Luft in Innenstädten beschlossen habe, das unter einem näherbezeichneten Link, der auf den Bericht der Kabinettssitzung vom 18. Juli 2017 verweist, eingesehen werden könne. Dieses werde der zukünftigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen. Stellungnahmen zu den Maßnahmen würden, soweit das Gebiet der Landeshauptstadt München betroffen sei, bis 18. August 2017 von der Regierung von Oberbayern entgegengenommen. Dieses Maßnahmepaket sehe neben der zügigen Nachrüstung von Euro-5-Diesel-Pkw auch spürbare Kaufanreize für die Flottenumrüstung von Diesel-Pkw, eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, den raschen Ausbau der E-Mobilität und die Förderung des Radverkehrs vor.

Mit Beschluss vom 22. August 2017 (M 19 X 17.3931) hat das Bayerische Verwaltungsgericht München das unter Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 gegen den Antragsgegner angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es auf die bislang noch nicht erfüllte Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 abgestellt.

Das Zwangsgeld wurde vom Antragsgegner beglichen.

Am ... November 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München (Verfahren M 19 X 17.5464) die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen den Antragsgegner im Hinblick auf Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2018 beantragte der Antragsteller,

das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) in Nr. II.3. des Tenors angedrohte Zwangsgeld festzusetzen.

Der Antragsgegner sei der Zwangsgeldandrohung in Nr. II.3. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht nachgekommen, so dass auch dieses Zwangsgeld nunmehr festzusetzen sei.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verwies er auf den Schriftsatz vom 15. Januar 2018 im Verfahren M 19 X 17.5464. Dort hatte er insbesondere ausgeführt, dass der Freistaat Bayern alles daran setze, die Verpflichtungen aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 umzusetzen. Dies ergebe sich daraus, dass eine Vielzahl von Maßnahmen, auch schon im Rahmen der 5. und 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, vorgesehen und umgesetzt sei. Darüber hinaus habe das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans veranlasst, mit der weitere konkrete Maßnahmen benannt würden, um das Ziel der Einhaltung von Grenzwerten schnellstmöglich mit den rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Das bayerische Maßnahmenpaket vom 18. Juli 2017 enthalte eine umfangreiche Auflistung von Maßnahmen, die mittelfristig eine Grenzwerteinhaltung von Stickstoffdioxid bewirken würden. Diese Maßnahmen würden möglichst bald begonnen und umgesetzt. Die Sachlage habe sich deshalb im Vergleich zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in maßgeblichen Punkten geändert. Eine Änderung der Sachlage sei auch insoweit eingetreten, als entgegen der Erwartung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine zeitnahe Klärung der rechtlichen Grundlagen durch das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht erfolgt sei. Auch habe der Gesetzgeber noch keine straßenverkehrsrechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten geschaffen. Im Übrigen fehle es für die geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung für beabsichtigte Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge an einer Rechtsgrundlage. Bereits die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines vorbereitenden Konzepts mit dem Ziel pauschaler Fahrverbote würde zu einer Grundrechtsbetroffenheit führen. Zudem würde die Öffentlichkeitsbeteiligung zu beabsichtigten Fahrverboten unzulässig in das Planungsermessen der Exekutive eingreifen und wäre unverhältnismäßig. Um mittels Dieselfahrverboten kurzfristig die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zu erreichen, müsste auf einem großen Teil der Münchner Hauptverkehrsstraßen ein totales Dieselfahrverbot verhängt werden. Ausweichrouten müssten über kurz oder lang ebenfalls mit Fahrverboten belegt werden. Damit wären faktisch sämtliche Dieselfahrzeuge aus dem gesamten Münchner Stadtgebiet auszusperren und allein in München 300.000 zugelassene Diesel-Pkw betroffen. Einschneidende Verkehrsbeschränkungen, wie sie hier in München zur Einhaltung der NO2-Immissionsgrenzwerte notwendig würden, wären mit der Funktion einer Stadt nicht mehr verträglich und würden gravierende, nicht akzeptable Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer haben. Dem Gesundheitsschutz komme kein absoluter Vorrang über die anderen Belange zu. Selbst wenn in München alle Dieselfahrzeuge im gesamten Stadtgebiet ausgeschlossen würden, würde immer noch ein geringer Anteil an Überschreitungen verbleiben. Im Übrigen werde der NO2-Stundenmittelwert mittlerweile eingehalten. Überschreitungen des Jahresmittelwertes für NO2 lägen zwischen 50 µg/m³ und 60 µg/m³ an 5 Prozent des Hauptstraßennetzes in München vor, von mehr als 60 µg/m³ lediglich an 3 Prozent. Bezogen auf das gesamte Straßennetz würden an 95 Prozent der Straßen in München die Grenzwerte eingehalten.

Am 16. Januar 2018 veröffentlichte der Antragsgegner ein „Konzept für eine 7. Fortschreibung“ zum Luftreinhalteplan für die Stadt München auf der Internetseite der Regierung von Oberbayern sowie in der Sonderausgabe des Amtsblatts der Regierung von Oberbayern vom 16. Januar 2018 und wies darauf hin, dass dieses Konzept der 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen werde. Stellungnahmen hierzu würden bis 5. März 2018 schriftlich bei der Regierung von Oberbayern entgegen genommen. In diesem Konzept wird der Jahresmittelwert hinsichtlich Stickstoffdioxid für das Jahr 2017 in München wie folgt dargestellt:

 

Weiter wird ausgeführt, dass Immissionsberechnungen zur Schadstoffbelastung in München durchgeführt worden seien. Das Modellierungsergebnis weise für 24 Prozent des betrachteten 511 km langen Hauptverkehrsstraßennetzes innerhalb des Stadtgebiets der Landeshauptstadt München eine NO2-Belastung größer 40 µg/m³ und damit eine Überschreitung des NO2-Grenzwertes der 39. BImSchV für das Jahresmittel auf. Bezogen auf das betrachtete Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Randbebauung (330 km) betrage der Anteil mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 Prozent. Streckenbezogene Verkehrsverbote seien in München nach der gutachterlichen Bewertung des Ingenieurbüros ... nicht zielführend zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte. Die spezielle Konfiguration der Hauptverkehrsstraßen in München führe lediglich zu einer Verlagerung der Verkehrsströme auf noch aufnahmefähige Straßen. Für die Verwaltung sei es nicht möglich, zum jetzigen Zeitpunkt über die vom Gericht gewünschten Fahrverbote genaueres zu sagen. Fahrverbote seien in den Maßnahmepaketen des Bundes und des Landes nicht vorgesehen. Die Politik wolle diese Verbote vermeiden und habe daher ein nachhaltiges, aber anderes Vorgehen u.a. mit einer deutlichen Modernisierung der Flotten und Stärkung des ÖPNV begonnen. Das Minderungspotential von Software-Updates für Dieselfahrzeuge am Standort Landshuter Allee werde im optimistischen Szenario mit ca. 3 µg/m³ abgeschätzt. In Kombination mit dem Rückkauf von 25 Prozent der älteren Diesel-Pkw der Euro-Normen 1 bis 4 und Ersatz durch Diesel der Euro-Norm 6 und Euro-6 Benziner ergäbe sich an der Landshuter Allee ein Minderungspotential von etwa 5 µg/m³. Nach den Berechnungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt würde sich für die Landshuter Allee im Falle der durchgeführten Software-Updates eine NO2-Minderung von 5,6 µg/m³ ergeben. Zum Minderungspotential hinsichtlich der Nachrüstmöglichkeiten zur Stickoxid-Emissionsminderung bei Diesel-Kraftfahrzeugen durch Hardware-Lösungen lägen bislang keine abschließenden Aussagen vor. Neben dem tatsächlichen NOx-Minderungspotential seien noch viele weitere Fragen, wie beispielsweise zu möglichen technischen Problemen, offen.

Weitere Prognosen hinsichtlich der Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes enthält das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht. Keine der in dem Konzept aufgelisteten Maßnahmen M 1.1 bis M 7.3 enthält bezifferte Angaben über das mit ihrer Umsetzung einhergehende Immissionsminderungspotential hinsichtlich Stickstoffdioxid.

Die Beigeladene übermittelte Unterlagen zum Stadtratsbeschluss der Beigeladenen vom 24. Januar 2018, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (M 19 X 17.5464 und M 19 X 18.130) nebst Sitzungsniederschrift vom 29. Januar 2018 Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat Erfolg.

1. Die Vollstreckung von Urteilen, die die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechen, richtet sich grundsätzlich nach § 172 VwGO (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 22 C 16.1427 – juris Rn. 67). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis 10.000 Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.

2. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

a) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) ist vollstreckbar. Es statuiert eine Verpflichtung des Antragsgegners, deren Inhalt und Umfang sich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs, in Ansehung dessen dieses Ziel zu verwirklichen ist, sowie hinsichtlich eines einzelnen zu diesem Zweck zu ergreifenden Mittels – nämlich der Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München – im Wege der Auslegung eindeutig bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 71). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde dem Antragsteller ausgestellt.

b) Der Antragsgegner ist der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird, nicht nachgekommen (vgl. hierzu VG München, B.v. 21.6.2016 – M 1 V 15.5203 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 100). Er hat weder den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.2. und II.3. statuierten Maßgaben Genüge getan noch anderweitig geeignete Maßnahmen ergriffen, die die schnellstmögliche Einhaltung dieses Jahresmittelgrenzwertes sicherstellen.

Die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München stellt aus den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) unter II.3.b. dargestellten Gründen keine ausreichende Erfüllung des Urteils dar (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 102). Der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid wird im Stadtgebiet München auch weiterhin nicht eingehalten. So wurde an den Messstellen in der Landshuter Allee im Jahr 2017 ein Wert von 78 µg/m³ ermittelt, am Stachus ein Wert von 53 µg/m³. Aus der vom Antragsgegner am 18. Juli 2017 veröffentlichten Liste der von Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte sowie der Übersichtskarte, die anhand von Berechnungen erstellt wurden, ergibt sich, dass an 24 Prozent des Hauptverkehrsstraßennetzes innerhalb des Stadtgebiets der Landeshauptstadt München der Jahresmittelwert von 40 µg/m³ überschritten wird. Bezogen auf das Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Randbebauung beträgt der Anteil der Straßen mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 Prozent (vgl. S. 20 des Konzepts zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München).

c) Der Antragsgegner ist den Maßgaben aus Nr. II.2. und II.3. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 nicht nachgekommen. Zur Umsetzung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 besteht (jedenfalls derzeit) nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 27. Februar 2017 (Rn. 141) keine andere Möglichkeit, als die Zahl der Dieselfahrzeuge zu verringern, die auf den von den NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen verkehren. Da derzeit allerdings noch rechtliche Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge bestehen (vgl. hierzu das beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 C 26.16 anhängige Revisionsverfahren, das nach der Terminvorschau des Bundesverwaltungsgerichts am 22.2.2018 zur mündlichen Verhandlung ansteht), folgt nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zunächst die Verpflichtung des Antragsgegners, als Minus zu der aus dem zu vollstreckenden Urteil eigentlich geschuldeten Aufnahme von Verkehrsverboten vorab ein Konzept bezüglich der Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge zu erstellen und hierfür die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG einzuleiten. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen.

d) Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass sich seit dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ergeben hat. Der Antragsgegner hat auch sonst keine Maßnahmen getroffen, mit denen er die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erfüllen und die schnellstmögliche Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 sicherstellen könnte. Insbesondere hat er durch das zwischenzeitlich erstellte und veröffentliche Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München seine sich derzeit aus dem Urteil ergebende Verpflichtung weiterhin nicht erfüllt.

Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans stellt keinen adäquaten Ersatz der in Erfüllung des Urteils derzeit geschuldeten Erstellung und Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote dar. Denn es enthält – mit Ausnahme von Ausführungen zum Minderungspotential durch Software-Updates von Dieselfahrzeugen – weder in zeitlicher noch in quantifizierbarer Hinsicht belastbare Angaben zum Minderungspotential im Hinblick auf Stickstoffdioxid. In diesem Konzept wurde bereits bei der Darstellung der Maßnahmen M 1 bis M 7.3 – anders als bei der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans – auf Angaben zum Minderungspotential der einzelnen Maßnahmen gänzlich verzichtet. Angaben hinsichtlich der Realisierung bzw. zum Zeitplan der einzelnen Maßnahmen finden sich in diesem Konzept entweder gar nicht (M 1.3, M 2.1, M 2.2, M 2.3, M 3.1, M 3.4, M 4.3) oder sie bleiben vage. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Reduktion des Emissionsverhaltens von Fahrzeugen (M 1.1) steht dem Antragsgegner keine Regelungsbefugnis zu (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 143). Ob und in welchem Umfang Nachrüstmöglichkeiten zur NOx-Emissionsminderung bei Dieselkraftfahrzeugen durch Hardware-Lösungen überhaupt zum Tragen kommen, ist nach den Ausführungen im Konzept zur 7. Fortschreibung derzeit ebenfalls noch offen (vgl. S. 32 des Konzepts). Die in dem Konzept genannten Maßnahmen mögen zwar – sofern sie denn tatsächlich umgesetzt werden – zu einer Reduzierung von Stickstoffdioxid führen. Allerdings ergibt sich anhand dieses Konzepts nicht hinreichend konkret, wann diese Maßnahmen umgesetzt werden und welche Auswirkungen ab welchem Zeitpunkt sie auf den Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid haben werden. Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München vermag daher die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegende Einschätzung, dass derzeit allein ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge das verbleibende Mittel zur schnellstmöglichen Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 folgenden Verpflichtung des Antragsgegners ist, nicht in Frage zu stellen.

Dasselbe gilt für die vom Antragsgegner genannten umfassenden Bemühungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Verbesserung der Luftqualität in Städten. Aus den oben genannten Gründen lässt sich nicht einmal im Ansatz ersehen, welche konkreten Auswirkungen die geschilderten Bemühungen für die Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid in München haben.

e) Dass dem Antragsgegner die Erstellung und Veröffentlichung eines vollzugsfähigen Konzepts für Dieselfahrverbote innerhalb der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist bis 31. Dezember 2017 objektiv nicht möglich war und auch weiterhin nicht möglich ist, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst für das Gericht erkennbar.

Der Antragsgegner ist vielmehr hinsichtlich der Erstellung und Veröffentlichung eines vollzugsfähigen Konzepts für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge weiterhin grundlos säumig.

(1) Soweit die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass der Antragsgegner aufgrund einer Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) seit August 2017 zu einer strategischen Umweltprüfung verpflichtet sei und diese innerhalb der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht habe durchgeführt werden können, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antragsgegner im Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst davon ausgeht, dass eine Verpflichtung zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung nicht besteht (S. 9 des Konzepts). Diese Auffassung steht im Einklang mit § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Anlage 5 Nr. 2.2 zum UVPG n.F..

(2) Der Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote stehen keine rechtlichen Bedenken entgegen. § 47 Abs. 5a BImSchG stellt entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote dar. § 47 Abs. 5 und Abs. 5a BImSchG sehen bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen explizit eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit vor, so dass von dieser Rechtsgrundlage auch die Veröffentlichung eines Konzepts zu einzelnen Aspekten des Luftreinhalteplans umfasst ist. Der Umstand, dass derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, ob Dieselfahrverbote auf der Basis des geltenden Rechts verhängt werden können, lässt die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines entsprechenden Konzepts unberührt. Zwar setzt § 47 Abs. 5a S. 2 BImSchG grundsätzlich voraus, dass die bekanntgemachten Maßnahmen sich rechtlich auch verwirklichen lassen. § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG steht jedoch seinem Sinn und Zweck nach einer Veröffentlichung von solchen Maßnahmen, für die jedenfalls aufgrund des staatlichen Schutzauftrags bzw. aufgrund europarechtlicher Verpflichtungen die entsprechenden Rechtsgrundlagen zeitnah geschaffen werden müssen, nicht entgegen. Hiervon ging im Übrigen auch der Antragsgegner aus, der noch in der 6. Fortschreibung unter Maßnahme Nr. 2 „Anpassungen der bestehenden Umweltzone zur Reduzierung der NO2-Belastung“ auf die Einführung einer „blauen Plakette“ im Bewusstsein abgestellt hat, dass es hierfür noch keine Rechtsgrundlage gab. Die mit der Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote einhergehende Grundrechtsbetroffenheit ist im Hinblick auf die ohnehin bereits seit längerem bestehende breite öffentliche Diskussion über Dieselfahrverbote gering und durch den staatlichen Schutzauftrag für Gesundheit und Leben gerechtfertigt. Der Antragsgegner hat zudem selbst die Möglichkeit, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung umfassend darüber zu informieren, dass das Konzept erst nach Klärung bzw. Schaffung der Rechtsgrundlagen in die Praxis umgesetzt wird.

(3) Ohne Erfolg macht der Antragsgegner weiter geltend, dass die Erstellung eines Konzepts für Dieselfahrverbote nicht möglich sei, weil sich derartige Verkehrsbeschränkungen im Hinblick auf die besondere Hauptstraßenkonfiguration in München als unverhältnismäßig erweisen würden. Der Antragsgegner lässt insoweit außer Betracht, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. Februar 2017 ausgeführt hat, die mit Verkehrsbeschränkungen einhergehenden – ggf. erheblichen – Beschränkungen grundrechtlich verbürgter Freiheiten von Verkehrsteilnehmern müssten in Relation zu der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Anwohner gesetzt werden, die aus unzulässig hohen Stickstoffdioxidkonzentrationen resultiere. Angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt, wird nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden dürfen. Aufgabe des Antragsgegners ist es daher, ein entsprechendes Konzept zu erstellen, das zum einen dem Gesundheitsschutz der betroffenen Anwohner, zum anderen aber auch im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der grundrechtlich verbürgten Freiheit der Verkehrsteilnehmer Rechnung trägt. Nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt hierbei auch ein Vorgehen in mehreren Stufen in Betracht. Sollte sich bei Erstellung des Konzepts die Anordnung von Dieselfahrverboten auf sämtlichen Straßen(abschnitten) auch in Ansehung von erforderlichen Ausnahmen als unverhältnismäßig erweisen, so hätte der Antragsgegner in einem nächsten Schritt Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge jedenfalls für einzelne, am stärksten von Grenzwertüberschreitungen betroffene Straßen(abschnitte) zu prüfen und darauf beruhend ein entsprechendes Konzept zu erstellen und zu veröffentlichen. Weiter erscheinen zeitliche Staffelungen oder Staffelungen nach Fahrzeugarten für die Verkehrsverbote denkbar. Dass ein solches Vorgehen tatsächlich nicht möglich ist, wurde vom Antragsgegner nicht substantiiert vorgetragen und ist auch für das Gericht nicht erkennbar. Dem Antragsgegner kommt bei der Ausgestaltung der Dieselfahrverbote unter Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechtsinteressen ein Gestaltungsspielraum zu; zu einer pauschalen Ablehnung von Verkehrsbeschränkungen ist er nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls derzeit nicht berechtigt.

(4) Die vom Antragsgegner vorgetragenen Schwierigkeiten der Kontrolle von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge lassen die Eignung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zur Zielerreichung nicht entfallen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 155). Der Antragsgegner wird für eine entsprechende Überwachung Sorge zu tragen haben.

(5) Soweit der Antragsgegner einwendet, dass selbst bei einem vollständigen Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge in München immer noch ein geringer Anteil an Grenzwertwertüberschreitungen verbleiben würde und somit durch die im Urteil vom 9. Oktober 2012 enthaltene Forderung nach einer Einhaltung der Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet von München tatsächlich Unmögliches verlangt werde, hat er bereits nicht substantiiert dargelegt, worauf diese Annahme beruht. Im Übrigen greift dieser Einwand nicht durch. Aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. BImSchV ergibt sich Pflicht des Antragsgegners, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwertes als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten. Selbst wenn die Grenzwerte trotz Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel nicht eingehalten werden könnten, wäre der Antragsgegner verpflichtet, die Überschreitung jedenfalls so gering wie möglich zu halten.

(6) Die gerichtliche Vorgabe an den Antragsgegner, zur derzeitigen Erfüllung der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtungen ein Konzept für Dieselfahrverbote zu erstellen, stellt auch keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung dar. Dem Antragsgegner wurde durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 hinsichtlich der Mittel zur Zielerreichung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt, von dem er nicht in dem von Rechts wegen gebotenen Umfang Gebrauch gemacht hat. Die von ihm in den Blick genommen Maßnahmen sind sämtlich nicht ausreichend, um die aus dem Urteil geschuldete „schnellstmögliche“ Erreichung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid zu erreichen. Der Antragsgegner geht in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst unter prognostischem Blickwinkel davon aus, dass an der Landshuter Allee der gesetzliche Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid erst nach dem Jahr 2030 und damit erst rund 16 Jahre nach Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 eingehalten werden wird. Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthält selbst keine Prognose mehr, so dass insoweit weiterhin die Prognose aus der 6. Fortschreibung maßgeblich ist. Reichen jedoch die vom Antragsgegner bislang in die Luftreinhalteplanung eingeführten Maßnahmen nicht aus, um die Grenzwertüberschreitung auf einen kürzest möglichen Zeitraum zu beschränken, so konzentriert sich der Gestaltungsspielraum auf die – jedenfalls nach derzeitigem Kenntnisstand – alleinige Möglichkeit der Verringerung von Dieselfahrzeugen auf den von Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich Stickstoffdioxid betroffenen Straßen(abschnitten). Die verhältnismäßige Ausgestaltung der Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge obliegt weiterhin dem Gestaltungsspielraum des Antragsgegners. Wenn das Gericht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens auf diese nach dem derzeitigen Kenntnisstand allein verbliebene Maßnahme abstellt, vermag dies keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung zu begründen.

(7) Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht über die Zulässigkeit von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen für Dieselfahrzeuge entschieden hat, lässt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erstellung und Veröffentlichung des Konzepts unberührt. Selbst für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge würden derzeit rechtliche Hindernisse entgegenstehen, ist im Hinblick auf die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Richtlinie 2008/50/EG unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, sowie im Licht des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen davon auszugehen, dass entsprechende Regelungen im nationalen Recht schnellstmöglich angepasst werden, um die rechtlichen Grundlagen für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge schaffen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 184). Vom Antragsgegner wird daher durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht eine gegebenenfalls überflüssige Vorarbeit verlangt, sondern es steht zu erwarten, dass das zu erstellende Konzept auch tatsächlich (nach Klärung der Rechtsfragen bzw. Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlagen) – ggf. nach angemessener Übergangszeit – in die Praxis umgesetzt werden kann.

3. Das im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.3. angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro ist daher in Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung des hohen Rangs des Gesundheitsschutzes und des Verhaltens des Antragsgegners, das ohne Zwangsmaßnahmen eine Umsetzung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erwachsenden Verpflichtungen jedenfalls zeitnah nicht mehr erwarten lässt, nach § 172 VwGO festzusetzen. Das Anknüpfen der Frist zur Zahlung an den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses trägt der aufschiebenden Wirkung einer etwaigen Beschwerde gegen diesen Beschluss Rechnung, § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 172 Rn. 61).

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, den am 01.01.2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 i. H. v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im der Umweltzone Stuttgart enthält.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannter Umweltschutzverband, begehrt die Verurteilung des Beklagten, den für die Landeshauptstadt Stuttgart geltenden Teilplan des Luftreinhalteplanes für den Regierungsbezirk Stuttgart in der Fassung seiner 1. und 2. Fortschreibung (im Weiteren: Luftreinhalteplan Stuttgart) um die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 i. H. v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr zu ergänzen.
Bereits am 30.03.2005 erhob ein Stuttgarter Bürger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erstmals eine Klage auf Erlass eines Luftreinhalte- und Aktionsplanes, weil der seit dem 01.01.2005 zum Schutz der menschlichen Gesundheit für Partikel PM10 geltende, über 24 Stunden gemittelte Immissionsgrenzwert von 50 µg/m³ (bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr) nicht eingehalten war. Dieser Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 31.05.2005 statt (16 K 1121/05).
Daraufhin setzte das Regierungspräsidium Stuttgart mit Zustimmung des Umweltministeriums Baden-Württemberg zum 01.01.2006 den Luftreinhalteplan Stuttgart in Kraft, in dem insgesamt 36 Maßnahmen zur Minderung der PM10- und NO2-Belastungen festgelegt wurden.
Nachdem das Urteil rechtskräftig geworden war, beantragte der damalige Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren 13 K 511/09 dessen Vollstreckung. Zur Begründung führte er aus, der aufgestellte Luftreinhalteplan Stuttgart enthalte keine geeigneten Aktionsplan-Maßnahmen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart teilte diese rechtliche Einschätzung und drohte dem Regierungspräsidium Stuttgart mit Beschluss vom 14.08.2009 ein Zwangsgeld für den Fall an, dass das Regierungspräsidium seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 31.05.2005 nicht bis zum 28.02.2010 nachkomme.
Da seit dem 01.01.2010 ein über das Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid NO2 von 40 µg/m³ einzuhalten ist (vgl. § 3 Abs. 2 i. V. m. der Anlage 11 der 39. BImSchV), nahm das Regierungspräsidium Stuttgart im Februar 2010 eine erste „Fortschreibung des Aktionsplans zur Minderung der PM10- und NO2-Belastungen“ vor, mit der unter anderem ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte, ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen angeordnet wurden.
Nachdem auch diese Maßnahmen in der Folgezeit nicht zu einer Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für PM10 und NO2 führten, erhob ein anderer Stuttgarter Bürger zwei weitere Klagen (13 K 3683/09 und 13 K 2756/12), die jeweils mit einem Prozessvergleich endeten.
Im Vergleich vom 15.09.2011 im Verfahren 13 K 3683/09 verpflichtete sich der Beklagte zur Prüfung und gegebenenfalls Anordnung einer weiteren Geschwindigkeitsbegrenzung (Tempo 40 km/h) und weiterer verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf der B 14.
Im Vergleich vom 23.12.2013 im Verfahren 13 K 2756/12 verpflichtete sich der Beklagte, den Luftreinhalteplan Stuttgart ein weiteres Mal fortzuschreiben und mindestens zwei weitere Maßnahmen im Sinne des § 27 Abs. 2 der 39.BImschV aufzunehmen, die geeignet sind, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für PM10 und NO2 am Wohnort des damaligen Klägers weiter zu reduzieren.
10 
Diese „2. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes zur Minderung der PM10- und NO2-Belastungen“ erfolgte im Oktober 2014 und sah als „weitergehende Luftreinhaltemaßnahmen“ u. a. weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen an Steigungsstrecken sowie eine Verkehrsverflüssigung auf der B 14 vor.
11 
Nachdem auch diese weiteren Maßnahmen im Winterhalbjahr 2014/2015 wiederum zu keiner nennenswerten Reduzierung der PM10- und NO2-Belastungen auf der B 14 im Bereich des Neckartors führten, erhob der damalige Kläger eine weitere Klage auf Ergänzung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 i. H. v. 40 µg/m³ und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von Stuttgart (13 K 875/15).
12 
Dieses Klageverfahren 13 K 875/15 endete in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2016 mit folgendem Vergleich:
13 
1. Der Beklagte verpflichtet sich vorbehaltlich der Zustimmung des Ministerrats, den Luftreinhalteplan des Regierungspräsidiums Stuttgart, Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart bis 31.08.2017 wie folgt fortzuschreiben:
14 
Sofern die in der Klage monierten Immissionsgrenzwerte im Kalenderjahr 2017 noch überschritten werden, wird der Beklagte ab 01.01.2018 bei Wetterlagen, die nach dem Konzept des Beklagten, wie in seinem Schriftsatz vom 31.03.2016 in Abschnitt II dargestellt, die Ausrufung des Feinstaubalarms rechtfertigen, mindestens eine rechtmäßige verkehrsbeschränkende Maßnahme für das Neckartor auf der Grundlage seines Konzepts ergreifen, die geeignet ist, eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens am Neckartor um ca. 20 % gegenüber vergleichbaren Tagen für den Zeitraum der Verkehrsbeschränkung zu bewirken.
15 
2. Für den Fall, dass der Ministerrat die Zustimmung zum Vergleich nicht erteilt, können die Kläger den Vergleich bis zum 30.06.2016 widerrufen.
16 
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
17 
Nachdem der Ministerrat diesem Vergleich zugestimmt hatte und der genannte Immissionsgrenzwert für Partikel PM10 bereits Ende März 2017 erneut überschritten war und auch der für NO2 geltende Jahresmittelwert i. H. v. 40 µg/m³ im Jahr 2017 wiederum mit Sicherheit überschritten werden wird, legte das Regierungspräsidium Stuttgart Anfang Mai 2017 die „3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung der PM10- und NO2–Belastungen“ (im Weiteren: 3. Fortschreibung) vor, die seit dem 08.05.2017 auch Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 47 Abs. 5a BImSchG ist.
18 
Diese 3. Fortschreibung sieht die folgenden 20 als Maßnahmen bezeichneten Vorhaben vor:
19 
M1: Ab dem 01.01.2020 gilt ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit Ausnahme von Fahrzeugen der Stufe 5 gemäß der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35.BImSchV) (Blaue Plakette), vorausgesetzt, die 35. BImSchV ist bis zu diesem Zeitpunkt so verändert, dass sie mindestens eine weitere Stufe (5) der Kennzeichnungsmöglichkeit enthält.
20 
M2a: Vorausgesetzt die 35.BImSchV wird noch im Jahr 2017 durch die Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer „Blauen Plakette“ erweitert, gilt ab 01.01.2018 an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verkehrsverbot für alle Fahrzeuge mit Ausnahme von Fahrzeugen mit „Blauer Plakette“ für ein Gebiet auf allen Straßenzügen innerhalb des Stuttgarter Talkessels, auf allen Streckenabschnitten in Stuttgart-Feuerbach und auf einzelnen Streckenabschnitten in Stuttgart-Zuffenhausen.
21 
M2b: Sollte die 35.BImSchV bis zum 01.01.2018 noch nicht in der o. a. Art zur Verfügung stehen, wird ab 01.01.2018 auf einzelnen bestimmten Straßenabschnitten im Stadtgebiet von Stuttgart an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet.
22 
M2c: Sollte die unter M2b dargestellte Maßnahme aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ergreifbar sein, wird ab 01.01.2018 zur Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs auf im einzelnen festgelegten Streckenabschnitten der B 14 (Cannstatter Straße, Am Neckartor), der Neckarstraße, der Tal-/Wagenburg-straße und der Landhausstraße im Stuttgarter Osten an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet.
23 
M3: Die SSB AG baut ihr Angebot im Bereich der Stadtbahnen (neue Linien, Taktung, Verlängerung der Traktion auf Doppelzüge) weiter aus.
24 
M4: Als Vorlaufbetrieb für den Ausbau der Haltestellen der Linie U 1 für den 80-Meter-Zug-Betrieb plant die SSB AG zusammen mit der Landeshauptstadt Stuttgart zwischen Stuttgart-Bad Cannstatt und der Innenstadt im Jahr 2018 eine zusätzliche Schnellbuslinie (Betriebszeit 06:00 Uhr bis 20:30 Uhr) zur frühzeitigen Kapazitätserweiterung auf dieser hoch belasteten und bedeutsamen Nachverkehrsachse einzurichten.
25 
M5: Die Landeshauptstadt Stuttgart richtet zusätzliche Busspuren/Bussonderstreifen im Stuttgarter Talkessel ein. Die Maßnahme darf allerdings nicht zu relevanten Störungen oder Behinderungen des Kfz-Verkehrs führen.
26 
M6: Die SSB AG wird gewährleisten, dass auf den Buslinien im Stuttgarter Talkessel ab 01.01.2018 nur noch Busse mit Euro-VI-Standard oder Hybridantrieb unterwegs sind. Dazu erfolgt unter Voraussetzungen einer Landesförderung für diese Maßnahme bis zum 01.01.2018 eine vorgezogene Ersatzbeschaffung der 10 auf der Linie 42 eingesetzten CapaCity-Busse (derzeit noch EEV-Standard). Diese werden durch CapaCity-Busse mit Euro-VI-Standard ersetzt.
27 
M7: Das Land Baden-Württemberg unterstützt darüber hinaus die SSB AG bei der Ersatzbeschaffung ihrer EEV-Standard-Busse im Stadtgebiet von Stuttgart, so dass sukzessive im Rahmen der Ersatzbeschaffung unter ökologischen Gesichtspunkten die neueste und beste verfügbare Abgasreinigungstechnik bzw. alternative Antriebstechnik eingesetzt werden kann.
28 
M8: Der Verband Region Stuttgart wird im Rahmen des ÖPNV-Paktes bis zum 01.01.2025 sukzessive die Taktung auf bestimmten Strecken der S-Bahn und ihre Kapazität durch die Anschaffung neuer Züge erhöhen.
29 
M9: Weitere Expressbuslinien werden vom Verband Region Stuttgart sukzessive eingerichtet.
30 
M10: Die zuständigen Landkreise verbessern stufenweise den Bus-Zubringerverkehr zur S-Bahn, wie im ÖPNV-Pakt vereinbart.
31 
M11: Das Land Baden-Württemberg erhöht die Zahl der Zugverbindungen im Schienenpersonennahverkehr bis 2021 um 37 % von 415 Zügen auf 567 Zügen von/nach Stuttgart Hauptbahnhof und richtet dabei drei neue Metropolexpresslinien ein.
32 
M12: Der Verband Region Stuttgart entwickelt im Rahmen des ÖPNV-Paktes ein regionales Park + Ride-Konzept und setzt die erforderlichen Maßnahmen stufenweise um.
33 
M13: Die Landeshauptstadt Stuttgart setzt ihr Radverkehrskonzept weiter um und baut das Radwegenetzes auf den Hauptradrouten durch Stuttgart bis zum 01.01.2020 unter anderem auf den Hauptradrouten 2 (Stuttgart-Ost nach Hedelfingen), 9 (Radverbindung Geißeichstraße) und 10 (Vaihingen nach Sillenbuch) aus. Parallel dazu folgend sukzessive weitere Ausbauten, wofür im Haushalt der Landeshauptstadt Stuttgart die entsprechenden Haushaltsmittel bereitgestellt werden sollen. Die Maßnahme darf allerdings nicht zu relevanten Störungen oder Behinderungen des Kfz-Verkehrs führen.
34 
M14: Auf Basis eines Fußverkehrskonzepts plant die Landeshauptstadt Stuttgart ein Investitionsprogramm Fußverkehr zu erstellen, das die Strategie für Förderung und Umsetzung von Fußverkehrsmaßnahmen langfristig in Stuttgart festlegt.
35 
M15: Die Fahrzeuge der Landeshauptstadt Stuttgart und diejenigen des Landesfuhrparks Baden-Württemberg werden soweit es sich um Fahrzeuge handelt, die überwiegend im Stadtgebiet Stuttgart eingesetzt werden bzw. ihren regelmäßigen Stellplatz dort haben, im Rahmen der Neubeschaffung soweit möglich auf Elektro-, hilfsweise Hybrid-, hilfsweise Erdgasbetrieb umgestellt.
36 
M16: Zur Unterstützung einer beschleunigten Umstellung der Flottenzusammensetzung und Durchdringung der Kfz-Flotte mit Elektrofahrzeugen und anderen emissionsarmen Antrieben führt das Land Förderprogramme für Fahrzeuge von Pflege- und Lieferdiensten ein.
37 
M17: Die Landeshauptstadt Stuttgart plant, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf weiteren Steigungsstrecken im Stadtgebiet Stuttgart sukzessive ab dem 01.01.2018 auf 40 km/h zu reduzieren.
38 
M18: Die Höchstgeschwindigkeit im Stuttgarter Stadtgebiet wird an Feinstaub-Alarmtagen außerhalb geschlossener Ortschaften auf 50 km/h bzw. auf mindestens vierstreifig ausgebauten Straßen auf 60 km/h reduziert, wenn sichergestellt ist, dass dies nicht zu spürbaren Ausweichverkehren führt.
39 
M19: Die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, ihr Gebührensystem zu überprüfen und beginnend zum 01.11.2017 auch die Parkgebühren im gesamten Stadtgebiet moderat zu erhöhen. Hierbei sind die Interessen der Anwohner und des Handels zu berücksichtigen.
40 
M20: Die Gebühren der Parkhäuser im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart, die sich im Eigentum des Landes Baden-Württemberg befinden, werden im Zuge eines Gesamtkonzepts mit dem Ziel einer verträglichen Anpassung geprüft. Ausgenommen sind gewährte Benutzervorteile für emissionsarmen Fahrzeuge. Für Inhaber von längerfristigen Monatsverträgen sind angemessene Übergangsregelungen zu treffen.
41 
Bereits am 18.11.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der seit dem 01.01.2010 geltende Jahresmittelgrenzwert für NO2 sei im Jahr 2013 an allen Verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden. Auch im Jahr 2014 hätten die Jahresmittelwerte an den Messstationen Am Neckartor und Hohenheimer Straße deutlich über den Grenzwerten gelegen. Der Stundengrenzwert sei an der Messstation Am Neckartor ebenfalls deutlich überschritten gewesen.
42 
Nach einem vom Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) vom Mai 2015 würden unter Zugrundelegung der bisher in der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart aus dem Jahr 2014 vorgesehenen Maßnahmen die genannten Immissionsgrenzwerte auch in Zukunft und bis über das Jahr 2020 hinaus nicht eingehalten. Wesentliche Ursache für diese Stickstoffdioxidbelastungen in Stuttgart sei der Straßenverkehr.
43 
Wegen dieser Überschreitungen der Stickstoffdioxidgrenzwerte habe die EU-Kommission die Bundesrepublik bereits mit Schreiben vom 22.09.2014 aufgefordert, mitzuteilen, bis wann die Grenzwerte eingehalten würden und weitere zusätzliche Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu benennen.
44 
Auf die Antwort der Bundesregierung vom 21.11.2014, wonach mit einer Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte im Stadtgebiet Stuttgart nicht vor dem Jahr 2020 und den Ballungsgebieten Stuttgart nicht vor dem Jahr 2030 gerechnet werden könne, habe die EU-Kommission mit Schreiben vom 08.06.2015 ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2015/2073, SG-Greffe (2015)D/6868) gegen die Bundesrepublik mit der Begründung eingeleitet, die langjährige Verzögerung sei ein ausreichendes Indiz dafür, dass bislang keine geeigneten Maßnahmen getroffen worden seien, um den Zeitraum der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten.
45 
Daraufhin habe der Beklagte der EU-Kommission ein zweistufiges Konzept „Luftreinhaltung für die Landeshauptstadt Stuttgart“ vom 27.07.2015 (im Weiteren: Konzept) vorgelegt. Die im aktuellen Luftreinhaltungsplan (2. Fortschreibung) und in dem Konzept vom 27.07.2015 enthaltenen Maßnahmen seien jedoch nicht geeignet, die Grenzwertüberschreitungen bei Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten.
46 
Der Kläger habe deshalb mit Schreiben vom 13.08.2015 beim Beklagten den nun auch im Klageverfahren geltend gemachten Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans geltend gemacht.
47 
Hierauf habe der Beklagte lediglich mitgeteilt, der Luftreinhalteplan werde derzeit auf der Grundlage des am 27.07.2015 vorgestellten Konzepts fortgeschrieben. Daraufhin sei die vorliegende Klage erhoben worden.
48 
Diese sei als allgemeine Leistungsklage zulässig. Der Kläger sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere klagebefugt, weil er ein nach § 3 UmwRG anerkannter Verband sei.
49 
Die allgemeine Leistungsklage sei auch begründet. Dem Kläger stehe ein Rechtsanspruch auf Änderung/Fortschreibung des für Stuttgart geltenden Luftreinhalteplanes zu. Der für Stickstoffdioxid seit dem 01.01.2010 einzuhaltende Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ werde an mehreren Orten im Stadtgebiet überschritten. An der Messstelle Am Neckartor habe der Wert im Jahr 2014 bei 88 µg/m³ gelegenen. Auch der Stundengrenzwert sei dort im Jahr 2014 überschritten gewesen (36 statt 18 zulässige Überschreitungstage).
50 
Der Beklagte sei daher nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchV verpflichtet, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen festlege. Diese Maßnahmen müssten geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Die bisher ergriffenen Maßnahmen seien hierfür nicht geeignet. Nichts anderes gelte auch für die im Rahmen der 3. Fortschreibung vorgesehenen Maßnahmen.
51 
Die geltenden Immissionsgrenzwerte der 39. BImSchV seien strikt verbindlich. Es handle sich um Werte, die aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt worden seien, schädliche Auswirkungen für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, und die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eingehalten werden müssten und danach nicht mehr überschritten werden dürften (vgl. § 1 Nr. 15 der 39. BImSchV). Sie würden damit eine Gefahrenabwehrschwelle zum Schutz der Gesundheit definieren. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes handle es sich bei der Pflicht zur Einhaltung der Grenzwerte für NO2 nach Fristablauf um eine sog. „Ergebnisverpflichtung“, welche die Mitgliedstaaten nicht nach eigenem Ermessen hinausschieben könnten. Sofern das von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG geforderte Ergebnis der fristgerechten Grenzwerteinhaltung nicht erreicht werde, müsse der Mitgliedstaat nicht nur angemessene, sondern zur schnellstmöglichen Zielerreichung geeignete Maßnahmen ergreifen.
52 
Dabei stehe dem Planungsträger im Rahmen der Planung bei der Auswahl der Maßnahmen zwar ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser Gestaltungsspielraum bestehe jedoch nur im Rahmen des vorgegebenen Ziels einer schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne dieses planerische Ermessen sogar auf die Festlegung einer bestimmten Maßnahme eingegrenzt sein, wenn allein die Wahl dieser Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lasse. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Umsetzung bestehe jedoch kein Ermessen. Ein schrittweises Vorgehen bei der Überschreitung bereits einzuhaltenden Grenzwerte sei daher nicht ausreichend.
53 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne eine Maßnahme, die der schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung diene, nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen werden. Die komplexe Abstimmung der Eigentums-, Berufs- und allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Gesundheitsschutz könne nicht im Rahmen einer behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall erfolgen. Vielmehr bedürfe es hierfür einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Konkretisierungsentscheidung, wie sie in Form der Immissionsgrenzwerte vorliege. Dies folge auch aus einem Umkehrschluss aus § 23 der 39. BImSchV, der die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen lediglich bei der Einhaltung der dort genannten langfristigen Ziele erwähne, nicht jedoch in Bezug auf Immissionsgrenzwerte. Insoweit sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lediglich bei der Auswahl der Maßnahmenadressaten zu beachten. Diese Rechtsansicht zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Festlegung der zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte notwendigen Maßnahmen werde auch in der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, des Bundesverwaltungsgerichts und der Verwaltungsgerichte geteilt. In Bezug auf Immissionsgrenzwerte könne demnach lediglich in Fällen „höherer Gewalt“ auf Maßnahmen und zudem nur unter engen zeitlichen Voraussetzungen verzichtet werden.
54 
Die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG enthaltene Ergebnisverpflichtung zur Luftreinhaltung impliziere also, dass hinsichtlich der hierfür zu ergreifenden Maßnahmen keine Beschränkung im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit bestehe. Eine andere Auslegung sei auch nicht mit dem Zweck der Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG vereinbar, da die Vorschrift als eine Art Notregelung dem Zweck diene, schwerwiegende Verstöße gegen das Unionsrecht zu beenden, welche gravierende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben.
55 
Nach einer Studie der WHO aus dem Jahr 2013 verkürze die Luftverschmutzung durch Feinstaub die durchschnittliche Lebenserwartung aller Menschen in der EU um 8,6 und in Deutschland sogar um 10,2 Monate. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2014 werde die NO2-Exposition unter anderem mit einer erhöhten Mortalität sowie mit vermehrten Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht. Dadurch, dass in der Richtlinie die von der WHO vorgeschlagenen deutlich niedrigeren Grenzwerte (noch) nicht festgeschrieben worden seien, seien die Aspekte der Durchführbarkeit der Emissionsreduzierung auch bereits auf gesetzgeberischer Ebene berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund stelle die Maßgabe der Eignung zur schnellstmöglichen Grenzwerterreichung, die in der Vorgängerrichtlinie noch nicht enthalten gewesen sei, eine bewusste Anhebung des Anforderungsniveaus angesichts bestehender gravierender Gesundheitsgefährdungen dar. Dies folge auch aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2008/50/EG.
56 
Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die Mitgliedstaaten nunmehr bereits 15 Jahre Zeit zur Erreichung der Grenzwerte gehabt hätten. Es sei daher auch aus diesem Grund nicht unverhältnismäßig, qualifizierte Anforderungen an die Eignung der Maßnahmen zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung zu stellen.
57 
Für die Verpflichtung des Beklagten zur Einhaltung der Grenzwerte sei das Verhalten anderer Rechtsträger unbeachtlich. Soweit die Grenzwertüberschreitungen auf unzureichende unionsrechtliche Abgasnormen zurückzuführen seien, sei zwar unstreitig, dass es der dringenden Einführung von Vorgaben für die Emissionsminderung im tatsächlichen Fahrbetrieb (sog. Real Driving Emissions; RDE) bedürfe. Sofern sich das Inkrafttreten solche Regelungen jedoch verzögere, seien diese allseits bekannten Defizite von den lokalen Behörden durch eigene effektive Maßnahmen zu kompensieren.
58 
Im Rahmen des zu erstellenden Gesamtkonzeptes zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte dürfe sich die Planung auch nicht auf eine Beschäftigung nur mit einzelnen Maßnahmen beschränken. Es seien vielmehr alle möglichen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, wozu auch die 110 geeigneten Maßnahmen gehören würden, die das Umweltbundesamt (UBA) in seiner „Bestandsaufnahme und Wirksamkeit von Maßnahmen der Luftreinhaltung“ aus dem Jahr 2013 benannt habe.
59 
Diesen Anforderungen werde die Luftreinhaltungsplanung des Beklagten weder mit der 2. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans aus dem Jahr 2014 noch mit den im Rahmen der 3. Fortschreibung vorgestellten Maßnahmen gerecht. Auch seien diese nicht geeignet, die Grenzwertüberschreitungen „so kurz wie möglich“ zu halten.
60 
Das vorgelegte Konzept entspreche bereits im Hinblick auf den vorgelegten Zeitplan nicht den oben dargelegten rechtlichen Anforderungen, da die Fahrbeschränkungen auf so genannte „Feinstaubalarmtage“ beschränkt seien und eine Grenzwerteinhaltung so erst für das Jahr 2020 prognostiziert und nur schrittweise angestrebt werde. Zudem hänge das Gelingen von mehreren Unwägbarkeiten ab.
61 
Der Begriff der Luftreinhaltemaßnahmen sei weit zu verstehen. In Betracht kämen alle behördlichen Aktivitäten, die zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte beitragen könnten. Bloße Handlungsabsichten seien dagegen nicht ausreichend. Es seien insbesondere verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, für die mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auch eine Rechtsgrundlage für Verkehrsbeschränkungen und -verbote existiere. Diese Begriffe seien weit zu verstehen und könnten sowohl den gesamten Kfz-Verkehr als auch nur bestimmte Fahrzeugarten betreffen. In zeitlicher Hinsicht könnten die Maßnahmen sowohl dauerhaft als auch zeitlich beschränkt sein. Die Bezugnahme auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beziehe sich im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung nur auf die Umsetzung der Verkehrsbeschränkungen durch Straßenverkehrsschilder. Weitere straßenverkehrsrechtliche Voraussetzungen müssten nicht vorliegen.
62 
Unter den Maßnahmenbegriff des § 47 Abs. 1 BImSchG würden auch planerische Maßnahmen fallen (vgl. § 47 Abs. 6 BImSchG), wie z.B. die Festsetzung von Fußgängerbereichen oder von verkehrsberuhigten Bereichen. Hierzu seien jedoch konkrete planungsrechtliche Festlegungen in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Als „sonstige Entscheidungen“ im Sinne des § 47 Abs. 6 BImSchG kämen auch Maßnahmen in Betracht, die etwa durch Weisungen gegenüber anderen Verwaltungsträgern durchgesetzt werden könnten oder die Vergabe von Finanzmitteln und Subventionen für geeignete Luftreinhaltemaßnahmen (sog. Anreizentscheidungen). Die Mindestanforderungen an Luftreinhaltungsmaßnahmen seien in der Richtlinie 2008/50/EG in Anhang XV im Einzelnen genannt. Eine Beschränkung auf langfristige Maßnahmen sei bei bereits eingetretenen und anhaltenden Grenzwertüberschreitungen nicht zulässig. Ein Luftreinhalteplan müsse vielmehr ein wirksames Gesamtkonzept mit Immissionsprognose enthalten.
63 
Die derzeitige Planung des Beklagten entspreche diesen Anforderungen nicht und schöpfe insbesondere die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus. Es fehle bereits an einer entsprechenden Gesamtplanung. Für den Großteil der angekündigten Maßnahmen gebe der Beklagte zudem kein Wirkungspotenzial an.
64 
Die vorgesehenen Maßnahmen im Bereich der Förderung emissionsarmer Fahrzeuge und Maschinen seien unzureichend, ein konkretes qualifiziertes Minderungspotenzial werde ihnen nicht zugeordnet. Für den Durchgangsverkehr werde keine verbindliche Maßnahme angekündigt. Die Umstellung auf emissionsarme Baumaschinen sei allein ebenfalls unzureichend.
65 
Das politische Engagement zur schnellen Einführung eines RDE-Testzyklus mache die Ergreifung verkehrsbeschränkender Maßnahmen nicht entbehrlich.
66 
Es sei auch nicht zu erwarten, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung (Ausweitung des Parkraummanagements, Förderung des Fußverkehrs, Erhöhung des Radverkehrsetats, Ausbau des ÖPNV im Stadtgebiet und in der Region, Lkw-Durchfahrtsverbot, Verkehrssteuerung zur Verstetigung des Verkehrs und zur Vermeidung von Durchfahrten durch die Umweltzone) zu einer Reduzierung des Kfz-Verkehrs um 20 % führen werde.
67 
Die derzeitige Förderung des ÖPNV durch Einführung des sog. Jobtickets gehe hierfür noch nicht weit genug, die Bezuschussung könne vielmehr noch deutlich höher ausfallen. Insbesondere sei in Erwägung zu ziehen, den Nahverkehr komplett gratis abzuwickeln, wie dies auch bereits in anderen Städten weltweit der Fall sei. Alternativ komme auch ein Bürgerticket oder ein deutlich günstigeres Jahresticket in Betracht.
68 
Die Einführung einer City-Maut sei nicht in Betracht gezogen worden, obwohl es für deren Einführung noch nicht einmal einer gesonderten landes- oder bundesrechtlichen Regelung bedürfe.
69 
Die Planung zur Förderung emissionsarmer Fahrzeuge sei dagegen zu unkonkret, mit zeitlichen Unsicherheiten behaftet und schöpfe die heute bestehenden Möglichkeiten zu einer solchen Förderung nicht aus.
70 
Dringend erforderlich und ohne weiteres möglich sei auch eine schnellere Ausstattung der Busflotte mit SCRT-Filtern, eine Optimierung der städtischen Fahrzeugflotte und der Taxiflotte sowie die Schaffung von finanziellen Anreizen (Förderprogramme) zur technisch ohne weiteres möglichen Nachrüstung schwerer Nutzfahrzeuge PKWs mit SCR(T)-Systemen.
71 
Die Beschränkung von Kleinfeuerungsanlagen sei weder zur sicheren Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte noch der NO2-Grenzwerte ausreichend. Ebenso wenig sei das planerische Potenzial zur Luftreinhaltung bei der Stadtplanung und dem Bau ausgeschöpft.
72 
Für eine spürbare Senkung der Stickoxidbelastung sei letztlich eine deutliche Reduzierung der Verkehrsmengen insbesondere in Bezug auf Dieselfahrzeuge erforderlich. Der Beklagte habe in seinem Konzept vom 27.07.2015 selbst anerkannt, dass die Einführung einer „Blauen Plakette“ besonders wirksam wäre, deren Einführung in zeitlicher Hinsicht jedoch nicht absehbar sei.
73 
Die im Konzept vom 27.07.2015 vorgesehenen zeitlich und sachlich beschränkten Fahrverbote, etwa abwechselnd für Fahrzeuge mit geraden/ ungeraden Kennziffern, seien sofort zu ergreifen, die vorgesehene zeitliche Verzögerung (ab 2018) nicht nachvollziehbar.
74 
Der Ausschluss besonders verschmutzender Dieselfahrzeuge sei auf der Grundlage des § 40 Abs.1 Satz 1 BImSchG möglich. Ebenso sei die Umsetzung einer solchen Maßnahme durch entsprechende Verkehrszeichen auch schon heute möglich und werde beispielsweise in Italien bereits praktiziert. Dies habe das Bundesverkehrsministerium in einem Brief an das Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg auch ausdrücklich bestätigt.
75 
Statt der vom Bundesverkehrsministerium vorgeschlagenen, nicht differenzierenden Sperrung für den gesamten Verkehr durch Verdecken des Zusatzzeichens „Grüne Plakette“ sei es jedoch zweckmäßiger, lediglich dieselbetriebene Kraftfahrzeuge auszuschließen, die sich nicht mit einem SCRT-Filter nachrüsten lassen. Denn der Dieselverkehr sei mit einem Verursachungsbeitrag von ca. 85 % der Hauptverursacher der Luftverschmutzung mit Stickstoffdioxid in Ballungsgebieten.
76 
Solche gezielten Zufahrtsverbote für Dieselfahrzeuge seien auch bereits in früheren Aktionsplänen in anderen Städten enthalten gewesen. Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge seien auch ohne eine Novellierung der 35. BImSchV und der Einführung einer „Blauen Plakette“ rechtlich möglich, und zwar durch Verwendung des Verkehrszeichens 251 (Verbot für Kraftwagen) und einem Zusatzzeichen „Gilt für Diesel“ oder nur „Diesel“. Solche atypischen Zusatzzeichen seien nach der ständigen Rechtsprechung auch zulässig, da weder die StVO noch der zu § 39 StVO erlassene Katalog der Verkehrszeichen eine abschließende Aufzählung möglicher Zusatzzeichen enthalte und ein solches neues Zusatzzeichen lediglich der Zustimmung der obersten Landesbehörde bedürfe. Da die Bezeichnung „Diesel“ international verwendet werde, sei dieses auch verständlicher als der vom Beklagten vorgesehene Zusatz für die Euro 6-Ausnahme. Da der straßenverkehrsrechtliche Sichtbarkeitsgrundsatz nicht für das Immissionsschutzrecht gilt und Ausnahmen deshalb schon aufgrund von § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG durch Allgemeinverfügung erlassen werden dürften, sei ein Zusatzzeichen, welches sich auf den Dieselverkehr bezieht, sogar entbehrlich.
77 
Als alternative Beschilderung komme deshalb auch die Ausweisung einer sogenannten „BMVI-Umweltzone“ in Betracht, die nach Rechtsansicht des Bundesverkehrsministeriums mit dem Zeichen Nr. 270.1 der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO ohne Zusatzzeichen bekannt gemacht werden könne. Da mit dieser Beschilderung der gesamte Fahrzeugverkehr ausgesperrt werde, seien für Fahrzeuge mit Grüner Plakette, die keine Dieselfahrzeuge sind, Ausnahmen durch personen- oder fahrzeug- bzw. Antriebsbezogene Allgemeinverfügungen zu erteilen.
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Alternativ hierzu könnten die Ausnahmen aber auch durch eine Beschilderung mit dem Verkehrszeichen 270.1 und dem Zusatzzeichen „Grüne Plakette“ sowie einem weiteren Zusatzzeichen „Kein Diesel“ verfügt werden. Weitere Ausnahmen seien ausdrücklich in § 2 Abs. 3 i. V. m. Anhang 3 der 35.BImSchV geregelt.
79 
Es sei schließlich auch kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum Ausnahmeregelungen zu Umweltzonen durch Allgemeinverfügung erlassen werden könnten und dies für Fahrverbote, die durch das Verkehrszeichen 251 bekannt gegeben werden, nicht ebenso gelten sollte. Auch die Kontrolle des Verkehrsverbotes sei sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr möglich. Der Umstand, dass der Dieselverkehr durch das Verkehrsverbot möglicherweise andere Straßen umgeleitet werde, rechtfertige kein Absehen von der Maßnahme.
80 
Da keine ebenso geeigneten, milderen Maßnahmen als die genannten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, dafür aber alternative Fortbewegungsmittel zur Verfügung stehen würden, seien diese auch verhältnismäßig. Solchen Maßnahmen könnten auch keine Bestandsschutzüber-legungen entgegengehalten werden. Dies habe der Beklagte für Fahrzeuge der Schadstoffklassen unterhalb Euro 6 auch selbst anerkannt.
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Obwohl weder die Besitzer von Dieselfahrzeugen noch die von den Immissionen betroffenen Bürger eine persönliche Schuld an der heutigen Schadstoffproblematik treffe, könne die Interessenabwägung nicht zulasten Letzterer ausgehen, weil die Immissionsgrenzwerte im Realbetrieb um ein Vielfaches überschritten würden und die in den Immissionsgrenzwerten zum Ausdruck kommende Interessenabwägung so systematisch missachtet werde.
82 
Hinsichtlich des möglichen Zeitpunktes eines Fahrverbotes sei es sinnvoll, zwischen den verschiedenen Fahrzeuggruppen zu differenzieren und die Möglichkeiten der Nachrüstung einzubeziehen. Bei neu zugelassenen Bussen und schweren Nutzfahrzeugen sei die Abgasnorm Euro 6 bereits seit 2014 Pflicht. Für diese Fahrzeuggruppe könnten die notwendigen Fahrverbote kurzfristig, etwa bereits zum 01.01.2017, umgesetzt werden. Ein Ausschluss von Dieselfahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 4 und 5 aus den am stärksten belasteten Gebieten käme ab Januar 2018 in Betracht. Bei Kraftfahrzeugen, welche die aktuellsten Abgasstandards einhalten, sei dagegen eine etwas längere Übergangsfrist erforderlich, da die Schadstoffnorm Euro 6 bei Neuzulassungen erst im September 2015 verbindlich geworden sei.
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Der Begrenzung von Dieselfahrzeugen könne schließlich auch nicht der Klimaschutz entgegengehalten werden.
84 
Die sukzessive Erneuerung der Fahrzeugflotte reiche zur Verbesserung der Immissionssituation nicht aus, zumal die Immissionswerte auch von neu zugelassenen Pkws der Abgasnorm Euro 6 im Realbetrieb nicht eingehalten würden. Deren durchschnittlicher Stickoxidausstoß liege nach jüngsten Erkenntnissen des Forscherverbundes ICCT und des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) bei 500 mg/km und damit deutlich über dem Grenzwert von 80 µg/m³. Es sei daher rechtlich bedenklich, Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 von den Fahrverboten auszunehmen. Dies gelte auch im Hinblick auf die vom Beklagten vorgesehen straßenverkehrsrechtliche Beschilderung des Fahrverbots mit einem Zusatzzeichen "Nur für Dieselfahrzeuge unter Euro 6/VI“, da dies bei den betroffenen Verkehrsteilnehmern eine Kenntnis der Emissionsklasse ihres Kraftfahrzeuges voraussetze. Die allgemeine Beschränkung auf „Diesel“ sei demgegenüber rechtlich unproblematisch.
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Im Ergebnis seien nach alledem die verfügbaren und rechtmäßigen Maßnahmen für eine schnellere Grenzwerteinhaltung nicht ausgeschöpft. Insbesondere werde dem klägerischen Begehren auch nicht durch die im Vergleich vom 26.04.2016 vom Beklagten eingegangenen Verpflichtungen entsprochen, weil diese keine dauerhaften Verkehrsbeschränkungen beinhalten und sich lediglich auf schadstoffträchtige Wetterlagen beziehen würden. Die im Vergleich vorgesehenen Maßnahmen, die lediglich Am Neckartor eine Verkehrsreduzierung um 20 % bewirken sollen, seien damit nicht ausreichend, um die genannten NO2-Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet einzuhalten.
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Nichts anderes gelte insoweit auch für den inzwischen vorliegenden Entwurf für eine 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart. Die darin enthaltenen Maßnahmen würden nicht den grundsätzlichen Anforderungen an die Eignung von Luftreinhaltemaßnahmen entsprechen, die das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 14.08.2009 im Vollstreckungsverfahren 13 K 511/09 aufgestellt habe.
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Die im Planentwurf vorgesehene verkehrsbeschränkende Maßnahmen M1 (Blaue Plakette in der Umweltzone) sei zwar zu begrüßen. Diese Maßnahme gelte jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Bundesgesetzgeber durch eine Änderung der 35. BImSchV eine entsprechende Kennzeichnungsmöglichkeit durch die Blaue Plakette schaffe. Außerdem knüpfe die Maßnahme daran an, dass 80 % der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge und leichten Nutzfahrzeuge die Anforderungen an die neue Plakette erfüllen müssten. Insoweit gehe der Planentwurf aber selbst davon aus, dass dies frühestens im Jahr 2020 der Fall sei, möglicherweise also auch später. Es könne daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass es in Stuttgart die Blaue Plakette selbst im Jahr 2025 nicht gebe. Außerdem werde die Wirksamkeit der Maßnahme durch weitgehende und im Einzelnen sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahmevorschriften eingeschränkt, nach denen etwa 20 % der Fahrzeuge aus dem Verkehrsverbot herausfallen würden. Sachlich nicht gerechtfertigt sei insbesondere auch die pauschale Ausnahme vom Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6, weil auch diese Fahrzeugklasse nach den Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes einen durchschnittlichen Stickoxidausstoß von 500 mg/km aufweise. Eine solche Herausnahme der Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 sei auch rechtlich nicht geboten, weil das baden-württembergische Straßenrecht ein Vertrauen des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs grundsätzlich nicht schütze und es auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gebiete, Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 pauschal von Verkehrsverboten auszunehmen. Mit den gesetzlichen Anforderungen unvereinbar sei schließlich auch der im Fortschreibungsentwurf angekündigte Verzicht auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen für den Fall einer Nachrüstzusage durch die Industrie.
88 
Diese Bedenken hinsichtlich der Ausnahmen für Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 würden auch für die Maßnahmen M2a bis c (Blaue Plakette/„Luftreinhaltestrecken“ im Talkessel oder Am Neckartor bei Feinstaubalarm ab 01.01.2018) gelten. Völlig ungeeignet seien diese Maßnahmen jedoch vor allem aufgrund ihrer zeitlichen Beschränkung auf Tage mit Feinstaubalarm, weil das Problem der Überschreitung der Jahresmittel- und Stundenmittelgrenzwerte für NO2 nicht lediglich an Feinstaubalarmtagen bestehe. Diese nur geringen Wirkungen der genannten drei Maßnahmen-Varianten räume der Fortschreibungsentwurf auch selbst ein. Es sei daher nur ein ganzjährig geltendes Fahrverbot geeignet. Die rechtliche Möglichkeit der Umsetzung der Maßnahmen M2b und M2c bestehe bereits heute, an deren bundesrechtlicher Zulässigkeit der Bekanntgabe mittels des Zeichens 251 der Anl. 2 StVO keine Zweifel bestünden. § 45 Abs. 1f StVO regle nur, wie eine Umweltzone zu kennzeichnen sei. Die Norm treffe jedoch keine Aussage dazu, dass innerhalb der Umweltzone keine Straße individuellen streckenbezogenen Beschränkungen unterliegen dürfe. Dies folge bereits daraus, weil nach der Konzeption der StVO begrifflich zwischen „Umweltzonen“ und „Strecken“ unterschieden werde. Als Rechtsgrundlage für streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen komme zudem § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO in Betracht.
89 
Die Maßnahmen M3 bis M14 zur Stärkung des Umweltverbundes seien zu unkonkret, denn es werde bereits kein Immissionsminderungspotenzial für die einzelnen Maßnahmen genannt. Teilweise handle es sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verwaltungsgerichts Stuttgart auch bereits nicht um „Maßnahmen“ im Sinne des § 47 BImSchG. Teilweise seien sie auch in zeitlicher Hinsicht nicht als qualifizierte Luftreinhaltemaßnahmen nach § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG geeignet. Auch bei den Maßnahmen zur Verbesserung des Emissionsverhaltens bestimmter Flotten handle es sich nicht um Maßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG. Die Maßnahmen M17 und M18 (Ausweitung Tempo 40 auf Steigungsstrecken; Geschwindigkeitsreduzierung auf ausdrücklichen Straßen an Feinstaubalarmtagen) hätten nahezu kein Immissionsminderungspotenzial. Auch mit M19 und M20 (Erhöhung von Parkgebühren) seien keine konkreten Maßnahmen verbunden und eine Minderung der NO2-Immissionswerte Am Neckartor nicht zu erwarten.
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Die im Rahmen der Erstellung der Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans weiter diskutierten Maßnahmen seien überwiegend mit nicht überzeugenden Gründen abgelehnt worden. Dies gelte insbesondere für die Nahverkehrsabgabe und die City-Maut, der eine hohe Wirksamkeit bescheinigt werde. Die Richtigkeit der im Fortschreibungsentwurf enthaltenen Immissionsprognose sei ebenfalls zweifelhaft, weil die im Planentwurf angekündigten Maßnahmen mit den im Gesamtwirkungsgutachten untersuchten Maßnahmen in mehrfacher Hinsicht nicht deckungsgleich seien. Die Ergebnisse des Wirkungsgutachtens könnten daher nur bedingt zum Nachweis der Wirksamkeit des Maßnahmenpakets der 3. Fortschreibung herangezogen werden. Der Fortschreibungsentwurf sei somit insgesamt nicht geeignet, rechtmäßige Zustände herzustellen. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die ab 2018 geltenden Streckenbeschränkungen ganzjährig gelten, die Ausnahmen für Euro 6 abgeschafft würden und die Blaue Umweltzone unmittelbar nach Novellierung der 35. BImSchV eingeführt würde. Soweit der Beklagte zuletzt vorgetragen habe, die Maßnahme M2b nicht mehr in den novellierten Luftreinhalteplan Stuttgart aufnehmen zu wollen, weil man mit einer Veränderung der Software zur Motorsteuerung im Rahmen der „Nachrüstlösung“ mehr erreichen könne, habe der Beklagte hierfür keinerlei Belege vorgelegt. Die angeblich vorrangigen Nachrüstlösungen würden vielmehr ausschließlich auf bloßen Gesprächen „mit der Autoindustrie“ - wer immer dies im Einzelnen auch sei - beruhen, obwohl diese Gespräche hinsichtlich der technischen, rechtlichen, finanziellen und zeitlichen Umsetzung bislang ohne konkretes Ergebnis geblieben seien. Es sei mittlerweile auch erwiesen, dass solche Software-Lösungen bei der NOx-Nachrüstung ungeeignet seien. Die Wirksamkeit solcher Softwareupdates liege zwischen 0% und 30 %. Die in diesem Zusammenhang weiter angesprochenen Konzepte der Hochschule Heilbronn und der TU Graz seien unzureichend, weil darin als Zielwerte der Nachrüstung lediglich Werte von 250 bzw. 360 mg NOx angestrebt würden, die deutlich über dem (gesetzlichen) Emissionsgrenzwert liegen und zudem nur bei Laborprüfzyklus (WLTC) eingehalten würden. Die vom Beklagten genannte Reduktion um 50 % der Maximalwerte sei im Übrigen nur dann zu erreichen, wenn keine Abschaltungen im Realbetrieb vorgenommen würden, was jedoch auch weiterhin beabsichtigt sei. Abgesehen von diesen technischen Einwänden, existiere bislang auch kein konkreter Vorschlag der Autoindustrie für die genannte Software-Lösung. Denn bislang hätten sich noch nicht einmal die deutschen Hersteller auf einen Vorschlag für eine Rückruflösung geeinigt. Jede Veränderung der Motorsteuersoftware erfordere zudem zwingend eine Prüfung und Genehmigung im Rahmen der EU-Verordnung 715/2007. Da die Entwicklung und Genehmigung von individuell unterschiedlichen Softwarelösungen für alle Euro 5- bzw. Euro 6-Modelle diverser Hersteller erfahrungsgemäß mehr als zwölf Monate dauere, und zwar beginnend ab dem Zeitpunkt der Einigung, seien im gesamten Jahr 2018 keinerlei Verbesserungen der Luftbelastungssituation und auch 2019 nur in geringem Maße zu erwarten. Schließlich könne auch nicht von einer hohen Beteiligungsbereitschaft der Diesel-Pkw-Halter an den Softwareänderungen ausgegangen werden, da selbst kostenlose Nachrüstaktionen in der Vergangenheit lediglich Beteiligungsquoten zwischen 5 und 20 % gehabt hätten. Demgegenüber habe der Kläger aufgezeigt, wie eine technisch wirksame Nachrüstung aussehe. Um einen Abgaswert unter 80 mg NOx/km bei realen Straßenmessungen zu erreichen, sei der Einbau einer neuen Abgasanlage mit einem Kostenaufwand von ca. 1500 EUR erforderlich.
91 
Der Beklagte sei im Hinblick auf die bisher vorgesehene Maßnahme M2b auch keineswegs an die Rechtsmeinung des BMVI als Rechtsaufsichtsbehörde gebunden. Dabei verkenne der Beklagte insbesondere, dass Streckenbeschränkungen wie in der Maßnahme M2b keine zonalen Verbote seien. Streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen seien sowohl nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 als auch nach Abs. 1b Nr. 5 StVO zulässig (vgl. im Einzelnen Anwaltsschriftsätze vom 17.11.2015, 01.06.2016, 07.03.2017, 12.06.2017 und vom 17.07.2017).
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, den am 01.01.2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 für die Landeshauptstadt Stuttgart geltenden Teilplan des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 i. H. v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO2 i. H. v. 200 µg/m³ bei maximal 18 Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält.
94 
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
96 
Er hält die Klage für unbegründet. Durch die beabsichtigte 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans würden die genannten Immissionsgrenzwerte bis zum Jahr 2021 eingehalten. Darüber hinausgehende Maßnahmen könnten vom Kläger nicht verlangt werden, weil es für solche weitergehenden Maßnahmen keine Rechtsgrundlage im geltenden Recht gebe und diese auch aus sonstigen Gründen - z.B. wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - rechtswidrig wären. Sollten die maßgebliche Immissionsgrenzwerte trotz dieser Maßnahmen nicht eingehalten werden können, scheide eine neuerliche Fortschreibung des Luftreinhalteplans um weitere Maßnahmen dennoch aus, weil der Bundesgesetzgeber bislang keine Rechtsgrundlagen für solche weitergehenden Maßnahmen geschaffen habe und der Beklagte nicht zu etwas rechtlich Unmöglichem verpflichtet werden könne.
97 
Zur näheren Begründung listet der Beklagte zunächst verschiedene Zahlen, Daten und Fakten zum tatsächlichen und technischen Hintergrund des Streitgegenstands des vorliegenden Klageverfahrens auf, namentlich zum Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen mit unterschiedlichen Antriebstechniken, den Kennzahlen zum Kraftfahrzeug-Bestand in Deutschland, zu den fiskalischen Rahmenbedingungen für die aktuelle Zusammensetzung des Kraftfahrzeug-Bestandes sowie zu den geographisch ökonomischen und verkehrlichen Eckdaten der Beigeladenen im Vergleich zu mehreren ausgesuchten Vergleichsstädten und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Danach sei unbestritten, dass die NO2 - und PM10 - Belastung in der Stuttgarter Innenstadt nach wie vor zu hoch sei. Der Vergleich zeige jedoch, dass die Immissionssituation in Stuttgart durch eine ausgeprägte Kessellage mit zahlreichen Steigungsstrecken geprägt werde, die durch hoheitliche Maßnahmen in einem Luftreinhalteplan nicht beeinflusst werden könnten, aber ein „höheres Ambitionsniveau“ bei der Luftreinhaltung zu Erreichung der gleichen Ziele notwendig mache. Da ein gutes ÖPNV-Angebot und eine hohe ÖPNV-Akzeptanz tendenziell zu besseren Immissionswerten führen würden, sei eine Steigerung der Attraktivität des ÖPNV in jedem Fall das Mittel der Wahl. Der verbleibende motorisierte Individualverkehr (MIV) sei idealerweise nicht auf wenige Verkehrswege zu konzentrieren, sondern sollte möglichst entzerrt werden, um den Verkehrsfluss zu gewährleisten und immissionskritische Staus und Stop-and-Go-Verkehr möglichst zu vermeiden (vgl. hierzu im Einzelnen: S. 6 bis 31 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
98 
Zur Vorbereitung der aktuellen Planungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplanes sei eine „Wirkungsabschätzung weiterer Maßnahmen für den Ballungsraum Stuttgart“ durch das Gutachterbüro ... GmbH (im Weiteren: Gesamtwirkungsgutachten; GWG) vorgenommen worden. Dabei sei der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einhaltung der in Immissionsgrenzwerte für Feinstaub (PM10) am Neckartor und weiteren hoch belasteten Straßenabschnitten im Wesentlichen durch eine Minderung der Verkehrsmenge um 20 % bei gleichzeitiger Abnahme der Hintergrundbelastung – z.B. durch eventuell verpflichtende Betriebseinschränkungen bei Komfortheizungen – bis 2020 nahezu erreicht werden könne. Vergleichbares gelte auch für die Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte (NO2). Auch insoweit gehe der Gutachter davon aus, dass der zulässige Immissionsgrenzwert mit einer Kombination aus der Reduzierung der Verkehrsmenge um 20 % und einer Fortschreibung der Umweltzone nahezu erreicht werden könne.
99 
Die Beklagte wolle deshalb die Verbesserung der Immissionssituation in Stuttgart mit einem Maßnahmenbündel erreichen. Zu besseren Durchsetzbarkeit und Akzeptanz in der Öffentlichkeit sei hierfür ein zeitlich abgestuftes, in zwei Phasen aufgeteiltes Vorgehen vorgesehen, und zwar mit einer Phase der Freiwilligkeit (Phase 1) und einer Phase 2 mit verbindlichen Vorgaben im Rahmen der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes (vgl. hierzu im Einzelnen: S. 32 bis 43 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
100 
Weitergehende Maßnahmen seien unzulässig. Sie könnten insbesondere nicht auf § 40 Abs. 1 BImSchG gestützt werden. Dabei handle es sich nicht lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung, weil der Luftreinhaltungsplan im Sinne des § 47 BImSchG ein bloßes Verwaltungsinternum und deshalb gerade keine Rechtsgrundlage für Maßnahmen sein könne, die in Rechte Dritter eingreifen würden. Hinzu komme, dass für die Verhängung von Fahrverboten, die nach dem Emissionsverhalten der Fahrzeuge differenzieren, eine entsprechende Kennzeichnung dieser Fahrzeuge in der 35.BImSchV (sog. Kennzeichnungsverordnung) erforderlich sei (z.B. „Blaue Plakette“) und damit der Mitwirkung des Bundesgesetzgebers bedürfe.
101 
Die Voraussetzungen des § 45 StVO für die Verhängung von Verkehrsverboten würden ebenfalls nicht vorliegen, weil Maßnahmen nach dieser Vorschrift nur hinsichtlich bestimmter Straßen oder Straßenstrecken ergriffen werden dürften. § 45 StVO lasse es daher nicht zu, pauschal ganze Ortsteile oder die Innenstadt für den „Motorisierten Individualverkehr (MIV)“ zu sperren, weil dies voraussetzen würde, dass auf allen Straßen der genannten Gebiete die Immissionsgrenzwerte für NO2 überschritten wären, was jedoch nicht der Fall sei. Außerdem dürfe eine Verkehrsbeschränkung nach § 45 StVO nur aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs und zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen erfolgen. Zwar seien die Schadstoffe PM10 und NO2 Abgase im Sinne dieser Vorschrift, PM10 jedoch nur, soweit dieser motorseitig emittiert werde, also nicht von Aufwirbelungen, Bremsen- und Reifenabrieb, etc. herrühre. Gerade dabei handle es sich jedoch um die Hauptverursachungsanteile der PM10-Gesamtemissionen am Neckartor. Es gebe demnach im geltenden Recht derzeit keine Vorschrift, auf die sich Fahrverbote zur Minderung von Abrieb und Aufwirbelungen als Hauptverursacher der Feinstaubbelastung stützen ließe. Schließlich schütze § 45 StVO lediglich die Wohnbevölkerung. Ein Schutz der Menschen, die im Plangebiet lediglich arbeiten würden, könne folglich über diese Vorschrift von vornherein nicht erfolgen.
102 
Daneben bestehe für (selektive) Fahrverbote gegenwärtig auch ein vollzugspraktisches Hindernis für die verkehrsrechtliche Anordnung von Verkehrsbeschränkungen, weil es für einen bestimmten Besetzungsgrad eines Fahrzeugs oder für ein bestimmtes Kennzeichen (gerade/ungerade) in der StVO gegenwärtig gar kein Verkehrsschild gebe. Die Ermächtigung für plangebietsbezogene Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs aus Luftreinhaltungsgründen finde sich vielmehr in § 40 und § 47 BImSchG i.V.m. § 45 Abs. 1 Ziffer f. StVO, in dem ausschließlich die Verwendung der Zeichen 270.1 und 270.2 StVO in Verbindung mit den dazu vorgesehenen Zusatzzeichen (StVO, Anlage 2 Nr. 46) vorgesehen sei (vgl. im Einzelnen S. 43 bis 48 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
103 
Soweit als planerische Maßnahmen der Ausbau des ÖPNV in Betracht komme, seien bloße programmsatzartig in den Luftreinhalteplan aufgenommene Appelle an die Beigeladene als Träger des ÖPNV nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart mangels hinreichender Konkretheit keine Maßnahmen, die den Mindestanforderungen des § 47 Absatz 1 BImSchG genügen würden. Konkrete Maßnahmen des ÖPNV-Ausbaus könnten zudem auch deshalb nicht in einen Luftreinhalteplan aufgenommen werden, weil deren Realisierung der vorherigen Durchführung von ergebnisoffenen Planungsverfahren bedürfe. Im Ergebnis nichts anderes gelte auch für die Frage der Festsetzbarkeit organisatorischer Maßnahmen im Bereich des ÖPNV (vgl. im Einzelnen S. 48 bis 51 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
104 
Maßnahmen eines Luftreinhalteplanes müssten zudem ohne Einschränkung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, da dieser Grundsatz auch im Recht der Luftreinhalteplanung gelte. Dies folge sogar explizit aus § 17 Abs. 2 BImSchG und müsse daher auch für Maßnahmen nach § 47 BImSchG gelten. Dies werde auch in der einschlägigen Rechtsprechung so gesehen und bedürfe auch keiner Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes.
105 
Verkehrsbeschränkungen seien daher nur zulässig, wenn die realistische Möglichkeit bestehe, auf ein alternatives Verkehrsmittel auszuweichen. Da Stuttgart sehr viele Berufspendler verzeichne, sei davon auszugehen, dass die große Mehrheit der Verkehrsteilnehmer, die auf einer der beiden Hauptverkehrsachsen in die Stuttgarter Innenstadt einfahren, auch dort arbeiten würden und daher - im Gegensatz zum klassischen Durchgangsverkehr - nicht auf Umfahrungsstrecken ausweichen könnten. Gegenüber diesen Verkehrsteilnehmern (Berufspendlern) sei eine verkehrsbeschränkende Maßnahme (wie z.B. ein Einfahrverbot) daher nur dann verhältnismäßig, wenn diesen Verkehrsteilnehmern der ÖPNV als alternatives Verkehrsmittel zur Verfügung stehe. Dies setze voraus, dass der Stuttgarter ÖPNV die Kapazitäten aufweise, um diese zusätzlichen Fahrgäste aufzunehmen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach den Erhebungen des örtlichen ÖPNV-Trägers VVS GmbH die Verkehrsmittel des Stuttgarter ÖPNV (insbesondere S-Bahnen) in der morgendlichen Spitzenstunde zwischen 7:00 und 8:00 Uhr eine Auslastungsquote im Mittel von lediglich 55 % (bei Langzügen mit 3 Einheiten), und dabei ein Drittel der Züge zu weniger als 50 % und nur ein Sechstel der Züge zu mehr als zwei Dritteln ausgelastet gewesen seien, müsse man festhalten, dass Verkehrsteilnehmer und vor allem Berufspendler, die bisher das eigene Fahrzeug für die Einfahrt in die Stuttgarter Innenstadt nutzten, im Falle von Fahrverboten im Grundsatz eine Möglichkeit finden müssten, auf den ÖPNV zu wechseln. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts Wesentliches, wenn man zusätzlich zu den 6 S-Bahn-Linien auch die 5 Stadtbahnlinien in den Blick nehme, die im Stuttgarter Verbundgebiet betrieben würden. Da jedoch keinesfalls davon ausgegangen werden könne, dass bei Verhängung eines Fahrverbots auch sämtliche hiervon Betroffenen einfach und ohne weiteres auf den ÖPNV umsteigen würden, sei ein Einfahrtverbot bereits auf dieser ersten Stufe der Prüfung, ob es den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge, nicht unproblematisch. Den betroffenen Berufspendler müssten daher auch andere Mobilitätsoptionen angeboten werden, wie z.B. der Ersatz eines Kraftfahrzeuges mit zu hohen Immissionswerten durch ein sauberes Fahrzeug, was jedoch nicht von einem Tag auf den anderen, sondern nur innerhalb einer vernünftigen Frist ab der Ankündigung der geplanten Maßnahmen erwartet werden könne. Genau dies sehe das jetzt geplante Konzept zur Luftreinhaltung vor.
106 
Ein Ausschluss von Fahrzeugen mit aktuellster Schadstoffnorm (Euro 6) sei zudem mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar, weil ein Bürger, der ein solches Fahrzeug erwerbe, nicht rechtswidrig handle, wenn er dieses Fahrzeug im Rahmen des Gemeingebrauchs auf öffentlichen Straßen führe. Er könne sich daher auf die Garantiefunktion des Rechts berufen, wonach derjenige, der eine zugelassene Tätigkeit ausübt, darauf vertrauen dürfe, dass die Rechtsordnung ihm diese Tätigkeit nicht untersage. Wer ein Fahrzeug fahre, dass die aktuellste Schadstoffnorm einhalte, habe deshalb einen Rechtsanspruch darauf, hierfür zugelassene öffentliche Straßen im Rahmen des Gemeingebrauchs ohne jegliche Einschränkung befahren zu dürfen. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Einhaltung der aktuell geltenden strengsten Schadstoffnorm Euro 6 im Laborbetrieb nach dem geltenden Prüfverfahren NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) leider keine Gewähr dafür biete, dass das betreffende Fahrzeug diese Immissionsgrenzwerte auch im Realbetrieb tatsächlich einhalte.
107 
Bei einem Ausschluss von Fahrzeugen mit schlechterer Schadstoffnorm als Euro 6 stelle sich die Frage nach dem Bestandsschutz, weil diese Fahrzeuge jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Zulassung der seinerzeit geltenden strengsten Schadstoffnorm entsprochen hätten. Da der Bestandschutz im Immissionsschutzrecht allerdings von vornherein nur ein „eingeschränkter“ sein könne, sei festzuhalten, dass es keinen Rechtsanspruch eines Fahrzeugführers gebe, mit einem Fahrzeug, das irgendwann in der Vergangenheit einmal die seinerzeit geltenden emissionsseitigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt habe, zeitlich unbegrenzt öffentliche Straßen befahren zu dürfen. Insoweit werde man vielmehr die gesetzgeberische Abwägungsentscheidung zwar grundsätzlich zu respektieren haben, wonach der Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der von den Immissionen Betroffenen höher zu gewichten sind, als die betroffenen Rechtsgüter des Fahrzeugführers (Eigentum und allgemeine Handlungsfreiheit). Im vorliegenden Fall sei jedoch im Rahmen der erforderlichen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu berücksichtigen, dass die Kapazitäten des ÖPNV im Verbundgebiet Stuttgart gegenwärtig (noch) nicht ausreichen würden, sämtlichen von einem Einfahrtverbot betroffenen Pendlern die Möglichkeit zu bieten, zu den Stoßzeiten einfach auf den ÖPNV zu wechseln. Ebenso seien die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die der Betroffene dadurch erleide, dass er sein bisheriges Fahrzeug durch ein anderes ersetzen müsse, um weiterhin zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Parallele zum anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, dass im Falle des Widerrufs einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einen Entschädigungsanspruch vorsehe, wenn das Vertrauen in den Bestand der Genehmigung schutzwürdig sei. Ein Einfahrverbot stelle im Ergebnis nichts anderes als einen solchen Widerruf im Sinne des § 21 BImSchG dar, für den dem Betroffenen ein irgendwie gearteter Ausgleich zustehe. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte sei die Verhängung eines weitergehenden Einfahrtverbotes in die Stuttgarter City für sämtliche Fahrzeuge mit einer schlechteren Abgasnorm als Euro 6 für Dieselfahrzeuge und Euro 3 für Benzinfahrzeuge nur dann verhältnismäßig, wenn man den betroffenen Fahrzeugführern angemessene Übergangsfristen einräume, in denen sie mit ihren Fahrzeugen noch die Innenstadt befahren dürften, bevor sie dann vom Einfahrtverbot erfasst würden. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass die Immissionsgrenzwerte der 39.BImSchV bereits zum 01.01.2010 verbindlich geworden seien und der Beklagte deshalb säumig sei. Denn eine Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der genannten Immissionsgrenzwerte würde im Ergebnis auf eine „Bestrafung“ der Beklagten für Versäumnisse in der Vergangenheit hinauslaufen.
108 
Da es bislang keine zusätzliche Kennzeichnung für besonders emissionsarme Fahrzeuge (Blaue Plakette) gebe, bestehe derzeit keine rechtliche Grundlage, Fahrzeuge aus Umweltzonen oder Teilen von Umweltzonen auszuschließen, die hohe NOx-Emissionen verursachen würden. Für auf § 40 Abs. 1 BImSchG gestützte Fahrverbote folge dies bereits aus Absatz 3 der Vorschrift, in dem explizit verlangt werde, dass für die bevorrechtigten (d.h. vom Fahrverbot ausgenommen) Kraftfahrzeuge eine entsprechende Kennzeichnung in einer Rechtsverordnung des Bundes festzulegen sei. Dasselbe gelte für Fahrverbote, die auf § 45 StVO gestützt werden sollten. Ohne eine entsprechende Kennzeichnung sei ein solches Einfahrtverbot auch nicht kontrollierbar.
109 
Entgegen der in seinem Schreiben vom 11.03.2016 geäußerten Rechtsansicht des Bundesministers für Verkehr und Digitale Infrastruktur, würden sich Einfahrverbote auch nicht bereits gegenwärtig – also auch ohne Blaue Plakette – durch Verdecken des Zusatzzeichens an den Umweltzonen-Schildern verhängen lassen. Denn dies hätte ein generelles Einfahrtverbot zur Folge und würde daher selbst besonders emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge wie Elektroautos betreffen. Eine solche Alles-oder-Nichts-Regelung sei daher unverhältnismäßig. Soweit Ausnahmen von diesem Verbot für bestimmte Gruppen von Fahrzeugführern durch Allgemeinverfügung gewährt werden könnten, sei eine solche Regelung wiederum nicht kontrollierbar und damit nicht praktikabel. Im Übrigen gebe es für solche Ausnahmen vom Einfahrtverbot auch wiederum keine Verkehrszeichen in der StVO. Eine Bekanntgabe solcher Ausnahmen vom Einfahrtverbot mittels Allgemeinverfügung sei möglicherweise bereits wegen der Vorschrift des § 45 Abs. 4 StVO nicht möglich, wonach die Behörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürften (vgl. im Einzelnen S. 53 bis 73 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
110 
Die geplante Einführung einer separaten Fahrspur für Fahrzeuge mit besonderen Merkmalen (sog. „Umweltstreifen“) werfe möglicherweise ebenfalls Fragen der Verhältnismäßigkeit auf, weil hierdurch der Straßenraum für den übrigen Verkehr verknappt, dadurch möglicherweise Ausweichverkehre generiert würden und es infolgedessen letztlich auch auf diesen Ausweichstrecken zu Überschreitungen der genannten Immissionsgrenzwerte kommen könne, was mit dem „Verschlechterungsverbot des § 26 der 39. BImSchV nicht vereinbar sei.
111 
Bei der weiter viel diskutierten Maßnahme, die Einfahrt in die Innenstadt an die Errichtung einer Abgabe zu knüpfen (sog. City-Maut), stelle sich neben dem Problem der Geeignetheit auch die Frage, ob es sich hierbei um eine verbotene Verhinderungsabgabe handle und diese auch wegen fehlender Rechtsgrundlage unzulässig wäre, weshalb die Einführung einer City-Maut bis auf weiteres nicht möglich sein dürfte (vgl. im Einzelnen S. 78 bis 82 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
112 
Da weitergehende Maßnahmen als diejenigen, die aktuell zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehen seien, aus rechtlichen Gründen derzeit nicht ergriffen werden könnten, genüge der Beklagte auch den Anforderungen der Rechtsprechung, wonach der Zeitraum der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten „so kurz wie möglich“ zu halten sei.
113 
Sollte das jetzt geplante Maßnahmenpaket nicht ausreichen, um die NO2-Immissionsgrenzwerte spätestens im Jahr 2021 einzuhalten, sei schließlich – höchst vorsorglich – zu akzeptieren, dass die Immissionsgrenzwerte trotz Ausschöpfung aller rechtlich zulässigen Möglichkeiten in Stuttgart nicht einzuhalten seien. Es läge dann ein Anwendungsfall des anerkannten Grundsatzes vor, wonach niemand zu Unmöglichen verpflichtet sein könne. In diesem Fall habe der EU-Gesetzgeber der Beigeladenen eine vorübergehende Ausnahme von den Immissionsgrenzwerten zu gewähren (vgl. hierzu im Einzelnen S. 89 bis 94 der Klageerwiderung vom 31.03.2016).
114 
Das inzwischen vorliegende Gesamtwirkungsgutachten bestätige, dass eine schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für NO2 und insbesondere des Jahresmittelwerts des § 3 Abs. 2 der 39.BImSchV nur mit sehr weitgehenden Maßnahmen der Beschränkung des „Motorisierten Individualverkehrs (MIV)“ erzielbar sei, namentlich von Fahrzeugen, die emissionsseitig die Anforderungen an eine Blaue Plakette nicht erfüllen würden, also in erster Linie Diesel-Pkw, die nicht die aktuell strengste Abgasnorm Euro 6 einhalten würden. Die Blaue Umweltzone mit ganzjährigen flächendeckenden Verkehrsbeschränkungen (Modul 1.1 laut Gesamtwirkungsgutachten) sei unverzichtbarer Bestandteil des Luftreinhaltungskonzepts des gegenwärtig in Bearbeitung befindlichen Luftreinhaltungsplans. Dieses Szenario 2 werde ergänzt um zusätzliche bis 2020 umsetzbare Maßnahmen (Szenario 2), welches wiederum durch Szenario 3 mit der weiteren Maßnahme einer City-Maut ergänzt werde, welche aber mangels Rechtsgrundlage bis auf weiteres nicht ergreifbar sei. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit könnten die genannten Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge mit Otto-Motoren unter Euro 3 und Diesel-Pkw unter Euro 6 jedoch erst im Jahr 2020 erfolgen, weil erst zu diesem Zeitpunkt die Flottenerneuerung so weit fortgeschritten sei, dass 80 % der im Stuttgarter Stadtgebiet zugelassenen Kraftfahrzeuge und leichten Nutzfahrzeuge die Anforderungen der Blauen Plakette erfüllen würden. Für diese 80 %-Regelung sei jedoch eine Fortschreibung der 35.BImSchV um eine Blaue Plakette erforderlich. Die Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes sei nur dann rechtlich möglich, wenn die Blaue Plakette eingeführt werde.
115 
Die ohne Blaue Plakette im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans interimistisch vorgesehenen, zeitlich begrenzten und streckenbezogenen Verkehrsbeschränkungen würden zwar in der Summe einen begrenzten Beitrag zur Senkung des NO2-Jahresmittelwerts liefern, würden jedoch nicht zu dessen Einhaltung führen, worauf die vorliegende Klage gerichtet sei. Hieraus folge, dass das vorgelegte Konzept tatsächlich der schnellstmögliche Weg sei, um die Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen. Könnten die weitergehenden Maßnahmen mangels Blauer Plakette rechtlich nicht umgesetzt werden, könne das Ziel der Grenzwerteinhaltung auch nicht schneller erreicht werden. Es könne daher auch offen bleiben, ob alle Maßnahmen des Konzepts oder nur einige oder womöglich gar keine dieser Maßnahmen materiell die Anforderungen erfüllen, die an eine Luftreinhaltungsmaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG zu stellen seien, weil mehr als diese Maßnahmen in rechtmäßiger Weise nicht ergriffen werden könnten. Denn der Kläger könne vom Beklagten nichts rechtlich Unmögliches verlangen (ultra posse nemo obligatur). Dies sei in den Parallelverfahren des Klägers in Darmstadt und Wiesbaden auch bereits obergerichtlich bestätigt worden.
116 
Zur weiteren Begründung gibt der Beklagte einen Überblick über bereits ergriffene Luftreinhaltungsmaßnahmen in den Bereichen Ausbau des ÖPNV, des Radverkehrs, des Fußverkehrs, von P+R-Parkplätzen, Förderung der Elektromobilität, Fuhrpark der Beigeladenen und des Beklagten, Parkraummanagement, Höchstgeschwindigkeit innerorts, Baumaschinen, Komfortkamine, Straßenreinigung, Stadtbegrünungskonzept und Feinstaubalarm (vgl. im Einzelnen S. 7 bis 15 der weiteren Klagerwiderung vom 28.02.2017).
117 
Der Beklagte beschreibt und erläutert weiter die in der 3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans vorgesehenen Maßnahmen. Diese umfassen im Einzelnen die beabsichtigten ganzjährigen bzw. temporären (streckenbezogenen) Verkehrsbeschränkungen, Ausbau und Förderung des Umweltverbundes, Umstellung des städtischen und landeseigenen Fuhrparks auf Elektro-, Hybrid- und Erdgasbetrieb und Entwicklung von Förderprogramme, Umrüstung der Busflotte, Geschwindigkeitsbegrenzungen inner- und außerorts und Parkraummanagement (vgl. im Einzelnen S. 15 bis 35 der weiteren Klagerwiderung vom 28.02.2017).
118 
Weitere Maßnahmen seien wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht möglich, dessen Geltung auch im Bereich der Luftreinhaltung eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sei. Dies habe der Gesetzgeber in § 47 Abs. 4 S. 1 BImSchG auch selbst ausdrücklich klargestellt. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus der strikten Verbindlichkeit der gemeinschaftsrechtlich festgesetzten Immissionsgrenzwerte herleiten, weil durch diese Immissionsgrenzwerte lediglich eine Gefahrenschwelle festgelegt werde, bei deren Überschreiten hoheitliches Handeln notwendig sei. Bei der Frage, welche Maßnahmen im Einzelnen getroffen werden könnten, sei jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Deshalb sei es trotz der gesetzlichen Vorgabe der schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte auch rechtlich zulässig, dass infolge der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Einzelmaßnahmen sich das damit verfolgte Ziel der Einhaltung der Grenzwerte verzögern könne. Hierfür spreche auch bereits der Wortlaut des § 47 Absatz 1 S. 3 BImSchG, wonach Überschreitungen „so kurz wie möglich“ zu halten seien. Hieraus folge, dass eine zeitliche Relativierung der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte bereits gesetzesimmanent sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Fehl gehe auch die Rechtsauffassung der Klägerin, wonach der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereits auf der normativen Ebene der Festlegung der Immissionsgrenzwerte Berücksichtigung gefunden habe und deshalb auf administrativer Ebene nicht mehr zu berücksichtigen sei.
119 
Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz demnach uneingeschränkt Geltung beanspruchen könne, seien insbesondere Verkehrsbeschränkungen für Diesel-Kraftfahrzeuge, welche die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen würden, nicht zulässig. Dies gelte nicht zuletzt auch deshalb, weil durch solche Verkehrsbeschränkungen auch der gesamte Wirtschaftsverkehr betroffen wäre und es zudem eine völkerrechtlich wie gemeinschaftsrechtlich bindende Verpflichtung der Bundesrepublik gebe, CO2-Emissionen abzubauen.
120 
Die von der Klägerin geforderte City-Maut sei ebenfalls unzulässig, weil es für eine solche bereits keine Rechtsgrundlage im materiellen Recht außerhalb des Bundesimmissionsschutzgesetzes gebe. Insbesondere ermögliche die Straßenverkehrsordnung (StVO) die Verhängung einer solchen City-Maut nicht. Hinzu komme, dass der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen seinem Wesen nach grundsätzlich unentgeltlich sei. Eine City-Maut stehe daher für eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes bis 2020 als Maßnahme nicht zur Verfügung und sei daher im jetzt in Bearbeitung befindlichen Luftreinhalteplan auch nicht vorgesehen. Ebenso wenig seien die von der Klägerin weiter geforderten Maßnahmen (Umrüstung der Taxiflotte, Nahverkehrsabgabe) rechtlich realisierbar (vgl. im Einzelnen S. 35 bis 50 der weiteren Klagerwiderung vom 28.02.2017).
121 
Außerdem habe das Verkehrsministerium inzwischen mit der Autoindustrie intensive Gespräche über die Möglichkeiten einer Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge geführt. Ziel dieser Nachrüstung sei es, dass tatsächliche Emissionsverhalten Fahrzeuge so zu verbessern, dass hierdurch wenigstens eine Immissionsreduzierung erzielt werden könne. Diese Gespräche hätten das erfreuliche Ergebnis gebracht, dass solche Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen der Eurostufe 5 tatsächlich möglich seien. Bei 50 % dieser Kraftfahrzeuge sei es technisch möglich, z.B. durch eine Änderung der Software der Motorsteuerung die Abgasemissionen um rund 50 % zu reduzieren. Im Falle einer tatsächlichen Nachrüstung von rund 50 % der zugelassenen Kraftfahrzeuge könne durch diese Nachrüstungen im Durchschnitt eine Reduzierung der regionalen Abgasimmissionen im Straßenverkehr 50 % bei Euro-5-Fahrzeugen bzw. 30 % bei Euro-6-Fahrzeugen gelingen. Da nach den neuesten amtlichen Zulassungszahlen davon ausgegangen werden könne, dass die Flottenerneuerung (Austausch älterer Dieselfahrzeuge durch solche mit der aktuellen Abgasnorm Euro 6) noch schneller erfolgen werde, als bislang angenommen, sei damit zu rechnen, dass dieser positive Effekt tatsächlich noch im größeren Umfang eintreten werde. Dies folge daraus, dass bereits heute (Stand 30.06.2017) 67,5 % der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge emissionsseitig die Anforderungen der künftigen Blauen Plakette erfülle.
122 
Bei diesem Ergebnis habe die Nachrüstung rechtlichen Vorrang vor Verkehrsverboten. Bereits der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange, dass die Planbehörde zur Erreichung desselben Ziels diejenige Maßnahme auswähle, die den geringeren Eingriff in die Rechtsgüter Dritter bewirke. Die Nachrüstlösung sei deshalb zwingend vorrangig zu ergreifen. Zwar gebe es rechtlich keine Handhabe, den Fahrzeughalter hoheitlich dazu zu verpflichten, sein Fahrzeug tatsächlich nachzurüsten, solange es konform mit der erteilten Typgenehmigung sei. Die Nachrüstlösung sei jedoch ein mittelbarer Weg, den Fahrzeughalter zur Nachrüstung zu motivieren, weil er für den Fall, dass er sie nicht durchführe, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem Verkehrsverbot für sein älteres Fahrzeug rechnen müsse. Die Nachrüstlösung führe deshalb auch nicht dazu, dass die Verkehrsverbote ersatzlos und vollständig aus dem Planentwurf gestrichen würden.
123 
Lediglich an der bislang vorgesehenen Maßnahme M2b könne nicht länger festgehalten werden, weil das Bundesverkehrsministerium inzwischen deutlich gemacht habe, dass es zwar streckenbezogene Verkehrsverbote neben der Plakettenregelung der 35.BImSchV im Grundsatz für rechtlich zulässig halte, nicht jedoch ein zonal wirkendes Verkehrsverbot wie die Maßnahme M2b. Insoweit genieße die Plakettenregelung der 35.BImSchV nach der Rechtsansicht des Bundesverkehrsministeriums Vorrang und habe abschließende Wirkung für zonale Verkehrsverbote. An diese Rechtsauffassung des Bundesverkehrsministeriums als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde sei der Beklagte gebunden. Diese Maßnahme werde der Planentwurf daher nicht mehr vorsehen. Hierdurch sei die generelle Strategie des Landes zur Verbesserung der Immissionssituation im Stadtgebiet von Stuttgart jedoch nicht infrage gestellt. Denn es sei nach wie vor beabsichtigt, das Verkehrsverbot im Sinne der Maßnahme M1 zu verhängen, sobald die Blaue Plakette zur Verfügung stehe und zur Vermeidung der an ansonsten drohenden unzulässigen Verlagerungseffekte in Umlandgemeinden an mindestens 80 % der Kraftfahrzeuge des Flottenbestandes vergeben werden könne. Ebenso sei weiterhin beabsichtigt, bei Ausbleiben der Blauen Plakette streckenbezogene Verkehrsverbote auf der Basis eines landesrechtlich noch zu schaffenden Verkehrszeichens zu ergreifen, sobald infolge der bis dahin erzielten Nachrüstquote und der voranschreitenden Flottendurchdringung solche streckenbezogenen Verkehrsverbote nicht mehr zu unzulässigen Verlagerungseffekten führen würden und/oder das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren bezüglich des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13.09.2016 (Az.: 3 K 7695/15 in juris; im Weiteren: Revisionsverfahren Düsseldorf) die generelle Zulässigkeit landesrechtlicher Strecken bezogenen Verkehrsverbote neben der Plakettenregelung des Bundes bestätigt habe (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017).
124 
Mit Beschluss vom 18.11.2015 wurde die Landeshauptstadt Stuttgart gemäß § 65 Abs. 1 VwGO in dem Verwaltungsstreitverfahren beigeladen, weil das Klagebegehren auch die Interessen der Landeshauptstadt Stuttgart berührt.
125 
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
126 
Dem Gericht liegen die an den verschiedenen Messstationen im Stadtgebiet Stuttgart zwischen 2004 und März 2016 ermittelten Messwerte für den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2) vor. Danach waren der seit dem 01.01.2005 geltende Jahresmittelwert für den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2) bis einschließlich 2016 an den Messstationen Am Neckartor und Hohenheimerstraße und die Anzahl der Überschreitungsstunden an der Messstation Am Neckartor in jedem Kalenderjahr des genannten Zeitraumes zum Teil um ein Vielfaches überschritten. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes:
127 
Stickstoffdioxid (NO2), Stand: bis 31. Mai 2017
1. Anzahl Überschreitungsstunden von NO2 > 200 µg/m³
Grenzwert bis 2009: 175 Std., ab 2010: 18 Std.
2. Jahresmittelwerte Grenzwert: 40 µg/m³
128 
Stundengrenzwert NO2 200 µg/m³
Anzahl Überschreitungsstunden
Jahresmittelwerte
in µg/m³
Messstation
   1  
   2   
   3   
   4   
   5   
   6   
        
   7   
   8   
        
   7.   
   8.   
2004   
0
5
0
5
5
293
        
143
555
        
89
106
2005   
0
0
0
4
-
250
        
175
848
        
96
119
2006   
0
0
3
43
-
160
        
548
853
        
104
121
2007   
0
0
0
8
-
123
        
289
450
        
97
106
2008   
0
0
0
9
-
*
        
300
377
        
98
106
2009   
0
0
0
22
-
                 
629
499
        
109
112
2010   
0
0
0
6
-
                 
379
182
        
100
94
2011   
0
0
1
6
-
                 
269
76
        
97
90
2012   
0
0
*
2
-
                 
196
69
        
91
90
2013   
0
0
        
4
-
                 
21
63
        
80
89
2014   
0
0
        
0
-
                 
16
36
        
77
88
2015   
0
0
        
0
-
                 
15
61
        
77
97
2016   
0
0
        
0
-
                 
10
35
        
76
82
5/2017  
0
0
        
0
-
                 
3
2
                          
129 
*Messungen eingestellt
130 
Messstationen:
131 
1: S-Mitte, Eberhardstr.
5: S-Bad Cannstatt: Waiblinger Str.
2: S-Bad Cannstatt, Seubertstr. 
6: S-Feuerbach, Siemensstr.
3: S-Zuffenhausen, Frankenstr. 
7: S-Mitte, Hohenheimer Str.
4: S-Mitte, Arnulf-Klett-Platz
8: S-Mitte, Am Neckartor
132 
Betreiber: 1 Landeshauptstadt Stuttgart; 2 bis 8 LUBW
133 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die darin befindlichen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
134 
Dem erkennenden Gericht liegen die „Wirkungsabschätzung weiterer Maßnahmen für den Ballungsraum Stuttgart“ durch das Gutachterbüro ... GmbH vom Februar 2017 (Gesamtwirkungsgutachten; GWG) einschließlich der Dokumentation Teile 1 und 2 vom April 2017 und dessen Ergänzung vom Mai 2017 sowie der Entwurf der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart nebst Anlagen vor, die auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
135 
Das erkennende Gericht hat die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2017 erörtert. Wegen der Ergebnisse dieser Erörterung wird auf die hierzu gefertigte Sitzungsniederschrift vom 19.07.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
136 
Die Klage ist zulässig (I.) und hat auch in der Sache Erfolg (II.).
I.
137 
Die Klage ist zulässig.
138 
1. Sie ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, weil das Begehren des Klägers auf die Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart gerichtet ist und dieser Luftreinhalteplan nicht als Verwaltungsakt, sondern als „verwaltungsinterner Handlungsplan“ zu qualifizieren (so bereits VG Stuttgart, Beschl. v. 14.08.2009, - 13 K 511/09 - in juris) und seiner Rechtsnatur nach daher einer Verwaltungsvorschrift ähnlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, - 7 C 21/12 - in juris).
139 
2. Der vom Kläger gestellte Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt und genügt damit den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Denn dem Antrag ist zu entnehmen, welches konkrete Klageziel der Kläger erreichen will, nämlich die Fortschreibung/Ergänzung des Luftreinhalteplans Stuttgart um Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass die Immissionsgrenzwerte für NO2 so schnell wie möglich eingehalten werden. Zu Recht hat der Kläger den Klagantrag - im Sinne eines Bescheidungsantrages - auch auf die mit den festzulegenden Luftreinhaltemaßnahmen bezweckten Ziele (schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsgrenzwerte) beschränkt, weil § 47 BImSchG den nach Landesrecht für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen zuständigen Behörden bei der Auswahl und Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen in Luftreinhalteplänen einen planerischen Gestaltungsspielraum einräumt und es den Gerichten daher im Regelfall verwehrt ist, die zuständigen Behörde zur Festlegung konkreter Maßnahmen zu verpflichten.
140 
3. Der Kläger besitzt als ein nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannter Umweltverband die gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, denn ihm steht in dieser Funktion das Recht zu, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen (so ebenfalls bereits BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.)
II.
141 
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der seit mindestens 2010 überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart führen.
142 
Anspruchsgrundlage für das entsprechende Begehren des Klägers ist § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift hat die zuständige Behörde (hier: das Regierungspräsidium Stuttgart; im Weiteren: Planbehörde) einen Luftreinhalteplan aufzustellen, wenn die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden. Die aufgrund von § 48a Abs.1 BImSchG erlassene 39.BImSchV dient der Umsetzung der Richtlinien 2008/50/EG und 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe. Gemäß § 27 Abs. 1 der 39.BImSchV ist ein Luftreinhalteplan für ein Gebiet oder einen Ballungsraum aufzustellen, wenn der Immissionsgrenzwert für einen Schadstoff in der Luft zuzüglich einer dafür geltenden Toleranzmarge in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum überschritten wird. Dieser Luftreinhalteplan muss die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegen und den Anforderungen der Rechtsverordnung entsprechen.
143 
Nach den §§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG und 27 Abs. 2 der 39.BImSchV müssen die festgelegten Maßnahmen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Damit normiert § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz 1 der RL 2008/50/EG einezeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte, die nicht zur Disposition der Planbehörde steht. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das durch die Immissionsgrenzwerte festgelegte zumutbare Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Planbehörde bei der Aufstellung bzw. Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans und der Auswahl der geeigneten Maßnahmen ausrichten. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert demnach eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele (so BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.).
144 
Die Planbehörde hat deshalb im Rahmen eines Gesamtkonzepts, das die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zum Ziel haben muss, zunächst die zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte grundsätzlich geeigneten Maßnahmen zu ermitteln, deren Wirksamkeit (Emissionsminderungspotenzial) prognostisch zu quantifizieren und danach in einem weiteren Schritt zu prüfen und auszuwählen, welche der grundsätzlich in Betracht kommenden Maßnahmen zu ergreifen sind, um zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der verbindlichen Grenzwerte zu gelangen. Es reicht daher regelmäßig nicht aus, wenn sich die Planbehörde im Rahmen ihrer Planung mit einzelnen Maßnahmen beschäftigt und diese sogar in ihren Luftreinhalteplan aufnimmt, dabei aber offen lässt, ob und wann mit diesen Maßnahmen das Gesamtziel erreicht sein wird (ebenso VG Sigmaringen, Urt. v. 22.10.2014 - 1 K 154/12 – in juris).
145 
Bei der Auswahl der Maßnahmen ist schließlich § 47 Abs. 4 BImSchG zu beachten, wonach die Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind, die zum Überschreiten der Immissionsgrenzwerte beitragen.
146 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Planbehörde verpflichtet, den bestehenden Luftreinhalteplan Stuttgart fortzuschreiben, weil die in der 39. BImSchV vorgegebenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart bislang nicht eingehalten werden (dazu unter 1.).
147 
Mit dem vorgelegten Planentwurf der „3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplanes zur Minderung der PM10- und NO2-Belastungen“ vom Mai 2017 kommt die Planbehörde dieser Verpflichtung bislang nicht im gebotenen Umfang nach (dazu unter 2.).
148 
Es ist jedoch möglich, die überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart einzuhalten, weil eine solche Einhaltung nach den Feststellungen der Gutachter des Beklagten im Gesamtwirkungsgutachten jedenfalls durch weitergehende Verkehrsbeschränkungen tatsächlich erreichbar ist (dazu unter 3.).
149 
Solche weitergehenden Verkehrsbeschränkungen können mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts auch in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden (dazu unter 4.).
150 
Sie begegnen auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken und verstoßen insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu unter 5.).
151 
1. Die Planbehörde ist gemäß § 47 Abs. 1 BImSchG verpflichtet, den bestehenden Luftreinhalteplan Stuttgart aus dem Jahr 2005 in der Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 fortzuschreiben.
152 
Nach § 3 Abs. 1 der am 12.09.2002 in Kraft getretenen und bis zum 05.08.2010 gültigen 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (BGBl. I, S. 3626; im Weiteren: 22.BImSchV 2002), mit der u. a. die Richtlinie des Rates 80/779/EWG vom 15. Juli 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebstaub (ABl. EG Nr. L 229, S. 30) und die Richtlinie 1999/30/EG vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffdioxid, Partikel und Blei in der Luft (ABl. EG Nr. L 163, S. 41) in deutsches Recht umgesetzt wurden, war im Bundesgebiet zum Schutz der menschlichen Gesundheit bereits ab dem 01.01.2005 bis zum 31.12.2009 ein Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 200 µg/m³ (98-Prozent-Wert der Summenhäufigkeit, berechnet aus den während eines Jahres gemessenen Mittelwerten über eine Stunde oder kürzere Zeiträume) einzuhalten.
153 
Gemäß § 3 Abs. 2 und 4 der 22.BImSchV gilt seit dem 01.01.2010 ein Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 Überschreitungstagen im Kalenderjahr und ein über das Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³.
154 
Seit dem Inkrafttreten der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (im Weiteren: 39.BImSchV), welche die 22.BImSchV 2002 abgelöst hat und mit der die Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11.06.2008, S. 1), die Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. L 23 vom 26.1.2005, S. 3) sowie die Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (ABl. L 309 vom 27.11.2001, S. 22) in nationales Recht umgesetzt wurden, ergeben sich die o. g. Immissionsgrenzwertes für NO2 aus § 3 Abs. 1 und 2 der 39. BImSchV und der Anlage 11 Abschnitt B hierzu.
155 
Dieser in § 3 Abs. 2 und in Anlage 11 Abschnitt B der 39.BImSchV zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte und seit dem 01.10.2010 geltende Jahresmittelwert für NO2 von 40 µg/m³ wird nach wie vor (bis einschließlich 2016) an mehreren Messstationen in der Umweltzone Stuttgart (z. B. Arnulf-Klett-Platz, Hohenheimer Straße und Am Neckartor) nicht eingehalten. Dasselbe gilt für den in § 3 Abs. 1 und in Anlage 11 Abschnitt B der 39.BImSchV festgelegten Stundengrenzwert für NO2 in Höhe von 200 µg/m³ bei maximal 18 Überschreitungstagen im Kalenderjahr, der jedenfalls an der Messstation Am Neckartor nach wie vor nicht eingehalten wird.
156 
Dies wird durch die an den genannten Messstationen erhobenen Messwerte belegt, ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig und bedarf daher keiner vertiefenden Darlegung.
157 
2. Dieser Verpflichtung gem. § 47 Abs. 1 BImSchG ist die Planbehörde mit dem Planentwurf zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom Mai 2017 jedoch nicht nachgekommen, weil die in diesen Planentwurf aufgenommenen Vorhaben M1 bis M20 weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend sind, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
158 
Von den in M1, M2a, M2b und M2c geregelten Verkehrsverboten kann nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keines als geeignete und ausreichende Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
159 
Für das Verkehrsverbot M1 folgt dies daraus, dass dieses nach dem Willen des Plangebers nicht vor dem 01.01.2020 umgesetzt werden soll und deshalb bereits wegen dieses späten Umsetzungszeitpunktes zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte nichts beitragen kann.
160 
Für die Verkehrsverbote M2 a, M2b und M2c gilt dies deshalb, weil die Umsetzung dieser Verkehrsverbote ausnahmslos an weitere Bedingungen geknüpft ist, deren Eintritt bereits zum heutigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden kann (M2a und M2b) oder zumindest ungewiss ist (M2c). Soweit eine Umsetzung des Verkehrsverbotes M2c zum 01.01.2018 zumindest noch denkbar ist, ist dieses jedenfalls auch wegen seines geringen Wirkungsgrades offensichtlich ungeeignet im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
161 
Soweit die im Planentwurf im Einzelnen beschriebenen beabsichtigten Vorhaben zur Verbesserung der Luftqualität nicht von den Trägern öffentlicher Verwaltung (insbesondere Behörden) durch entsprechende hoheitliche Anordnungen und Entscheidungen durchgesetzt, sondern von außerhalb der Landesverwaltung stehenden Dritten realisiert werden sollen (M3 bis M6, M7 bis M10, M12 bis M15 und M17 bis M19) und die nach § 47 BImSchG zuständige Planungsbehörde nicht durch entsprechende (z. B. vertragliche) Vereinbarungen mit diesen Dritten rechtsverbindlich sichergestellt hat, dass die beabsichtigten Vorhaben auch tatsächlich durchgeführt werden, können diese Vorhaben mangels einer verbindlichen Verpflichtung der betreffenden Umsetzungsadressaten zu Umsetzung dieser Vorhaben bereits begrifflich nicht als Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG eingestuft werden.
162 
Doch selbst wenn man auch diejenigen Vorhaben, auf deren Realisierung die Planbehörde in sonstiger Weise Einfluss genommen hat und deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich realisiert werden, noch als Luftreinhaltemaßnahmen „im weitesten Sinne“ einstufen könnte, liegen deren Immissionsminderungspotenziale an den einzelnen Messstationen selbst bei großzügiger Bewertung maximal in einer Größenordnung von ca. 10 %.
163 
Soweit die im Planentwurf dargestellten Vorhaben vom Land Baden-Württemberg durchgeführt werden sollen und daher grundsätzlich als Luftreinhaltemaßnahmen eingestuft werden können (M11, M16 und M20; Erhöhung der Zahl der Zugverbindungen und Förderprogramme zur beschleunigten Flottenumstellung bei Fahrzeugen von Pflege- und Lieferdiensten; Erhöhung der Parkgebühren in den Parkhäusern des Landes), liegen die NO2-Immissionsminderungspotenziale dieser Maßnahmen selbst in dem günstigsten - aber eher unwahrscheinlichen - Fall, dass diese bis 2020 tatsächlich vollständig realisiert werden, zusammen bei unter 4 %.
164 
Damit liegt das NO2-Immissionsminderungspotenzial der Vorhaben M3 bis M20 - selbst wenn man diese alle als Luftreinhaltemaßnahmen einstufen könnte - insgesamt bei unter 15 %.
165 
Mit diesem Wirkungsgrad sind die betreffenden Vorhaben bzw. Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichend, um in Bezug auf die überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte zeitnah rechtmäßige Zustände in der Umweltzone Stuttgart herbeizuführen. Es handelt sich deshalb auch bereits aus diesem Grund um keine geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
166 
Im Einzelnen ist zu den Vorhaben M1 bis M20 Folgendes auszuführen:
2.1.
167 
M1: Ab dem 01.01.2020 gilt ein ganzjährige Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge, mit Ausnahme von Fahrzeugen der Stufe 5 gemäß der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35.BImSchV) (Blaue Plakette), vorausgesetzt, die 35.BImSchV ist bis zu diesem Zeitpunkt so verändert, dass sie mindestens eine weitere Stufe (5) der Kennzeichnungsmöglichkeit enthält.
168 
Das in der Maßnahme M1 vorgesehene ganzjährige und in der gesamten Umweltzone Stuttgart geltende Verkehrsverbot soll lediglich unter der Voraussetzung gelten, dass die 35.BImSchV bis zum vorgesehenen Zeitpunkt (01.01.2020) um eine weitere Kennzeichnungsmöglichkeit (sog. Blaue Plakette/ Schadstoffgruppe 5) mit Ottomotoren der Schadstoffklassen Euro 3 bis Euro 5 und für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Schadstoffklasse Euro 6 ergänzt wird.
169 
Darüber hinaus soll das Verkehrsverbot M1 nach dem - im bisherigen Regelungstext der Maßnahme M1 allerdings nicht zum Ausdruck kommenden - Willen der Planbehörde, den die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung jedoch nochmals ausdrücklich bestätigt haben, frühestens dann in Kraft treten, wenn tatsächlich nur noch max. 20 % des Flottenbestandes Stuttgart - gemeint sind wohl die bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge - vom Verkehrsverbot betroffen sind.
170 
Die Regelung ist nach dem Willen der Planbehörde also so zu verstehen, dass das Verkehrsverbot frühestens dann in Kraft treten soll, wenn davon nur noch max. 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind, unter keinen Umständen jedoch vor dem 01.01.2020.
171 
Da es sich bei den vorgenannten „Voraussetzungen“ (Änderung/ Ergänzung der 35.BImSchV durch die Bundesregierung und Zahl der betroffenen Kraftfahrzeuge max. 20 %) um zukünftige Ereignisse handelt, deren Eintritt bzw. Eintrittszeitpunkt ungewiss ist, kommt diesen der Rechtscharakter von „aufschiebenden Bedingungen“ zu (vgl. analog § 158 BGB bzw. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG), an deren Eintritt der Umsetzungszeitpunkt der beabsichtigten Maßnahme unmittelbar geknüpft wird.
172 
Bei einer solchen Verknüpfung einer beabsichtigten Luftreinhaltemaßnahme mit einem zukünftigen, ungewissen Ereignis kommt es bei der Beurteilung der Eignung der Maßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG deshalb entscheidend darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung gerechnet werden kann und bis zu welchem Zeitpunkt. Denn es liegt auf der Hand, dass eine Luftreinhaltemaßnahme, deren Realisierung von einem Ereignis abhängig gemacht wird, dessen Eintritt unwahrscheinlich oder in zeitlicher Hinsicht nicht absehbar ist, bereits aus diesem Grund nicht geeignet ist, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten im Sinne der gesetzgeberischen Zielsetzung des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG zu verkürzen.
173 
Hiervon ausgehend, handelt es sich bei der Maßnahme M1 bereits deshalb um keine geeignete Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, weil nach jetzigem Kenntnisstand keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die für eine Änderung der 35.BImschV und der StVO zuständigen Verordnungsgeber des Bundes - also die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (im Weiteren: BMVI) und das Bundesministerium für Umwelt, Bau, Naturschutz und Reaktorsicherheit (im Weiteren: BMUB) - die konkrete Absicht haben, die 35.BImSchV und die StVO in absehbarer Zeit um eine weitere Kennzeichnungsmöglichkeit bzw. ein Verkehrszeichen mit einer sog. Blauen Plakette (Schadstoffgruppe 5) zu ergänzen.
174 
Es liegt bislang vielmehr lediglich eine entsprechende gegenteilige Rückäußerung des BMVI vor, in welcher der vom Verkehrsministerium des Beklagten geäußerten Rechtsansicht, wonach zur Verhängung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge zur Verringerung von Feinstaub und Stickoxid in Stuttgart die Einführung einer Blauen Plakette erforderlich sei, ausdrücklich widersprochen und zum Ausdruck gebracht wird, dass die in der StVO vorgesehenen Kennzeichnungsmöglichkeiten für weitergehende Verkehrsverbote in Umweltzonen wie in Stuttgart ausreichend seien (vgl. im Einzelnen Schreiben des BMVI vom 11.03.2016, Blatt 337 der Gerichtsakte).
175 
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsansicht des BMVI ist daher gegenwärtig nicht absehbar, ob und wann die von der Planbehörde für die Umsetzung der Maßnahme M1 formulierte (Vor)Bedingung eintreten wird. Bereits aus diesem Grund kann die Maßnahme M1 zum jetzigen Zeitpunkt nicht als geeignete Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
176 
Doch selbst wenn das BMVI seine Rechtsansicht in absehbarer Zeit aufgeben und die genannten Verordnungsgeber eine Blaue Plakette einführen würden, steht die Maßnahme M1 immer noch unter dem 2. Umsetzungsvorbehalt der Planbehörde, der im Ergebnis dazu führt, dass selbst bei Vorliegen einer Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer Blauen Plakette die Maßnahme M1 erst dann – und frühestens am 01.01.2020 - in Kraft treten soll, wenn die Zahl der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge höchstens noch 20 % des Flottenbestandes Stuttgart beträgt.
177 
Die Maßnahme M1 kann deshalb auch wegen dieses 2. Umsetzungsvorbehalts nicht als geeignete Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
178 
Ob die Maßnahme M1 von ihrem Wirkungsgrad her ausreichend wäre, um die Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte sicherzustellen, kann daher an dieser Stelle offen bleiben.
2.2.
179 
M2a: Vorausgesetzt die 35.BImSchV wird noch im Jahr 2017 durch die Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer „Blauen Plakette“ erweitert, gilt ab 01.01.2018 an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verkehrsverbot für alle Fahrzeuge mit Ausnahme von Fahrzeugen mit „Blauer Plakette“ für ein Gebiet auf allen Straßenzügen innerhalb des Stuttgarter Talkessels, auf allen Streckenabschnitten in Stuttgart-Feuerbach und auf einzelnen Streckenabschnitten in Stuttgart-Zuffenhausen.
180 
Bei der Maßnahme M2a handelt es sich ebenfalls bereits deshalb offensichtlich um keine geeignete Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, weil deren Umsetzung ebenfalls an die vorherige Schaffung einer weiteren Kennzeichnungsmöglichkeit (sog. Blaue Plakette) durch die zuständigen Verordnungsgeber anknüpft, und zwar sogar noch im Jahr 2017. Letzteres kann nach den Ausführungen in Ziffer 2.1. jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Diese Maßnahme geht daher bereits aus diesem Grund ins Leere.
181 
Hinzu kommt, dass die Maßnahme auch lediglich temporäre Verkehrsverbote, nämlich nur an Tagen mit Feinstaubalarm für die Kraftfahrzeuge der genannten Eurostufen vorsieht.
182 
Nach den hierzu im Gesamtwirkungsgutachten und im Planentwurf zur 3. Fortschreibung getroffenen Feststellungen der Gutachter des Beklagten, an deren Richtigkeit die Kammer keine Zweifel hat, wird durch dieses temporäre Verkehrsverbot an Tagen mit Feinstaubalarm im Stadtgebiet Stuttgart (Stuttgarter Talkessel, Feuerbach und Teile von Zuffenhausen) die Gesamtstreckenlänge der Straßen, auf denen der zulässige NO2-Jahresmittelgrenzwert überschritten ist, voraussichtlich um lediglich ca. 17 % auf 27,4 km und im Talkessel Stuttgart um 24,2 % auf 9,6 km reduziert. Auch am Neckartor wird das lediglich temporäre Verkehrsverbot nicht zur Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes führen (vgl. im Einzelnen Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 80).
183 
Die Maßnahme M2a ist daher auch von ihrem Immissionsminderungspotenzial allein keine ausreichende Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.3.
184 
M2b: Sollte die 35.BImSchV bis zum 01.01.2018 noch nicht in der o.a. Art zur Verfügung stehen, wird ab 01.01.2018 auf einzelnen bestimmten Straßenabschnitten im Stadtgebiet von Stuttgart an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet.
185 
Zwar kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ausgeschlossen werden, dass bis zum 01.01.2018 eine Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer Blauen Plakette vorliegt (vgl. Ziffer 2.1). Die bei diesem Sachverhalt (ursprünglich) vorgesehene Umsetzung der Maßnahme zum 01.01.2018 ist jedoch von der Planbehörde (inzwischen) nicht mehr beabsichtigt, weil das BMVI die hierfür vorgesehene Beschilderung für rechtlich nicht zulässig hält und sich die Planbehörde an diese Rechtsansicht des BMVI als Rechtsaufsichtsbehörde gebunden fühlt (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017). Dies haben die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung auch nochmals ausdrücklich bestätigt.
186 
Weiter erklärten die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung, dass selbst für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren Düsseldorf die von der Planbehörde vorgesehene und vom BMVI verworfene Beschilderung der Maßnahme M2b noch vor dem 01.01.2018 für rechtlich zulässig erachte, eine Umsetzung der Maßnahme zum 01.01.2018 nicht mehr beabsichtigt sei, weil die Planbehörde inzwischen der sog. „Nachrüstlösung“ den Vorrang vor Verkehrsverboten geben wolle, wenn der Beklagte bis zum 31.12.2017 „entsprechende schriftliche Zusicherungen des BMVI und von Seiten der Automobilindustrie erhalte, dass mit einer Nachrüstung von Diesel-Kraftfahrzeugen der Eurostufe 5 immissionsseitig mindestens dieselben Wirkungen erzielt werden könnten, wie mit den im Luftreinhalteplanentwurf beschriebenen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen“.
187 
Da sowohl der Bundesverkehrsminister als auch zahlreiche Vertreter der Automobilindustrie bereits mehrfach öffentlich geäußert haben, dass sie Verkehrsverbote aus politischen und wirtschaftlichen Gründen für „den falschen Weg“ halten, kann die Abgabe der vom Beklagten verlangten Zusicherungen für den von ihm dafür in Aussicht gestellten Verzicht auf Verkehrsverbote bereits jetzt als sicher gelten.
188 
Auch aus diesem Grund kann bereits jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Maßnahme M2b tatsächlich noch umgesetzt wird.
189 
Sie bedarf daher - sowohl im Hinblick auf ihre mögliche Eignung im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG als auch im Hinblick auf die Frage ihrer Umsetzbarkeit mit den genannten Verkehrszeichen - keiner vertiefenden Betrachtung mehr.
190 
M2c: Sollte die unter M2b dargestellte Maßnahme aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ergreifbar sein, wird ab 01.01.2018 zur Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs auf im einzelnen festgelegten Streckenabschnitten der B 14 (Cannstatter Straße, Am Neckartor), der Neckarstraße, der Tal-/Wagenburg-straße und der Landhausstraße im Stuttgarter Osten an Tagen mit Feinstaub Alarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet.
191 
Die alternativ zur Maßnahme M2b vorgesehene Maßnahme M2c knüpft ihre Umsetzung zwar ebenfalls an eine aufschiebende Bedingung (keine Umsetzung der Maßnahme M2b). Diese wird jedoch eintreten, nachdem die Planbehörde von der Umsetzung der Maßnahme M2b aus den in Ziffer 2.3. genannten Gründen Abstand genommen hat bzw. nehmen wird.
192 
Allerdings haben die Beklagten-Vertreter ihre Bereitschaft, die Maßnahme M2c zum 01.01.2018 tatsächlich umzusetzen, in der mündlichen Verhandlung mit der Begründung relativiert, die Maßnahme führe möglicherweise zu unzulässigen Verlagerungsverkehren in der Umweltzone, die noch nicht abschließend geprüft seien und möglicherweise nicht ausreichend kompensiert werden könnten. Sollte dies der Fall sein, sei es der Planbehörde rechtlich nicht möglich, die Maßnahme umzusetzen.
193 
Den damit zusammenhängenden Sach- und Rechtsfragen muss im vorliegenden Klageverfahren jedoch nicht weiter nachgegangen werden, da die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt haben, dass die Maßnahme auch wegen ihres sehr geringen Wirkungsgrades nicht geeignet sei, die Überschreitung der NO2-Immissionsgrenzwerte in der Umweltzone Stuttgart tatsächlich zu reduzieren.
194 
Die Maßnahme M2c ist demnach - unabhängig davon, ob sie von der Planbehörde umgesetzt wird oder nicht - jedenfalls von ihrem Immissionsminderungspotenzial allein ebenfalls keine geeignete und ausreichende Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.4.
195 
Bei den Regelungen M3 bis M20 handelt es sich ebenfalls weder allein noch gemeinsam um geeignete bzw. ausreichende Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.4.1.
196 
In den Regelungen M3 und M4 werden lediglich künftige Absichten und Planungen der SSB AG zur Verbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV dargestellt.
197 
Die Kammer hat bereits im Vollstreckungsverfahren 13 K 511/09 ausführlich dargelegt (vgl. im Einzelnen VG Stuttgart, Beschl. v. 14.08.2009 – 13 K 511/09 – in juris), dass es sich bei einem Luftreinhalteplan um ein verwaltungsintern bindendes Handlungskonzept handelt, das Verwaltungsvorschriften ähnlich ist und dessen Vorgaben in Form eines Maßnahmenkatalogs deshalb der Umsetzung im Außenverhältnis bedürfen.
198 
Unter dem Begriff der „Maßnahme“ im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG sind in erster Linie rechtsetzende (z. B. Rechtsverordnungen; vgl. § 47 Abs. 7 BImSchG), allgemein verfügende (z. B. Verkehrsbeschränkungen nach § 40 Abs. 1 BImSchG im Wege der Allgemeinverfügung), den Einzelfall regelnde (z.B. Anordnungen nach dem BImSchG durch Verwaltungsakt) und schlicht-hoheitliche Maßnahmen und damit also Maßnahmen mit hoheitlichen Charakter zu verstehen (ebenso Landmann/Rohmer, Kommentar Umweltrecht Band III, Stand 01.01.2017, zu § 47 Rn 25).
199 
Dies folgt insbesondere auch aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG, wonach die Durchsetzung dieser „hoheitlichen Maßnahmen“ den dafür zuständigen Trägern öffentlicher Verwaltung „durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften“ obliegt, weil die für die Aufstellung der Luftreinhaltungspläne zuständigen Planbehörden hierfür keine eigene Zuständigkeit besitzen.
200 
Träger der öffentlichen Verwaltung im Sinne der Vorschrift sind die für den Gesetzesvollzug zuständigen Landesverwaltungsbehörden sowie Bundesbehörden und die Behörden selbständiger Rechtsträger, wie etwa kommunaler Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer exekutiven Kompetenzen.
201 
Auf Grund der verwaltungsinternen, rechtlichen Bindungswirkung sind die genannten Träger öffentlicher Verwaltung zur Umsetzung der festgelegten Maßnahmen verpflichtet, soweit die hierfür einschlägigen Rechtsvorschriften dies erlauben, das heißt die festgelegten Maßnahmen nach den jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschriften umsetzungsfähig sind (vgl. Bundestagsdrucksache 14/8450, Seite 14). Ein eigener Entscheidungsspielraum (Ermessen) steht den zuständigen Vollzugsbehörden dabei nicht zu.
202 
Ginge man von diesem, sich am Wortlaut des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG orientierenden, (engen) Maßnahmenbegriff im Sinne einer Handlungsanweisung (ausschließlich) an Träger öffentlicher Verwaltung aus, wären die Vorhaben M3 und M4 bereits deshalb keine Maßnahmen im Sinne des § 47 Absatz 1 BImSchG, weil deren Handlungs- bzw. Umsetzungsadressat kein Träger öffentlicher Verwaltung, sondern die SSB AG ist, die keine hoheitlichen Anordnungs- und Entscheidungsbefugnisse im Sinne des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG besitzt.
203 
Die Kammer hat jedoch bereits im Vollstreckungsverfahren 13 K 511/09 keine sachliche Notwendigkeit für eine derart enge Begriffsauslegung gesehen, da hierdurch der Handlungsspielraum der Planbehörde unnötig eingeschränkt würde und es auch im Hinblick auf die Schutzziele der gesetzlichen Regelung letztlich unerheblich ist, ob die zu deren Erreichung geeigneten Maßnahmen durch staatliche Stellen oder durch Dritte realisiert werden. Da aber die oben beschriebene, gegenüber Behörden grundsätzlich bestehende gesetzliche Bindungswirkung von Luftreinhalteplänen gegenüber außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten nicht besteht, setzt eine Einstufung von Vorhaben, deren Umsetzungsadressaten keine Träger öffentlicher Verwaltung sind, weiter voraus, dass die Planbehörde die hier fehlende rechtliche Verbindlichkeit auf andere Weise (wie z. B. durch öffentlich-rechtlichen Vertrag) herstellt, um auch in diesen Fällen sicherzustellen, dass die festgelegten Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt werden.
204 
Eine solche bindende Vereinbarung hat die Planbehörde - wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben - mit der SSB AG in Bezug auf die Regelungen M3 und M4 jedoch nicht geschlossen. Damit steht nicht nur die Durchführung der beschriebenen Ausbaumaßnahmen, sondern auch deren Zeitpunkt im Belieben der SSB AG. Bei den Vorhaben M3 und M4 handelt es sich daher selbst bei einem weiten Begriffsverständnis schon um keine Maßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG, weil für ihre Durchführung kein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 47 Abs. 6 BImSchG zuständig ist und die Planbehörde die Umsetzung dieser Maßnahmen gegenüber der SSB AG nicht rechtsverbindlich sichergestellt hat. Da damit zugleich auch kein konkreter Umsetzungszeitpunkt rechtsverbindlich festgelegt wurde, fehlt den Regelungen zudem auch die Eignung im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.4.2.
205 
Die weiteren Vorhaben M5, M8, M9, M10 und M12 sind ebenfalls keine geeigneten bzw. ausreichenden Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, da auch diese Vorhaben lediglich als unverbindliche Absichtserklärungen zurVerbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV der Landeshauptstadt Stuttgart (M5), des Verbandes Region Stuttgart (M8, M9 und M12) und der zuständigen Landkreise (M10) formuliert worden sind, deren tatsächliche Umsetzung und Umsetzungszeitpunkt von der Planbehörde - wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ebenfalls eingeräumt haben - gleichfalls nicht rechtsverbindlich gesichert wurde.
206 
In Bezug auf das Vorhaben M5 hat die Planbehörde im Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017 insoweit sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Vorhaben von der Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltungshoheit durchgeführt werden soll und deshalb unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses steht (vgl. Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 112).
207 
Weiter kommt hinzu, dass die Durchführung des Vorhabens M5 zusätzlich unter einer - inhaltlich auch noch offensichtlich zu unbestimmten - weiteren Bedingung (keine relevanten (?) Störungen oder Behinderungen des Kfz-Verkehrs) steht, deren Eintritt als ebenso ungewiss eingestuft werden muss, wie ein positiver Gemeinderatsbeschluss des Gemeinderats der Beigeladenen. Insoweit haben die Beigeladenen-Vertreter in der mündlichen Verhandlung auf Rückfrage auch bestätigt, dass es bislang keinen entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses gebe. Die entsprechenden Beschlüsse seien frühestens im Laufe des Jahres 2018 und die eventuelle Einrichtung der genannten Busspuren/Bussonderstreifen frühestens 2018/2019 zu erwarten.
208 
Im Falle der Vorhaben M9 und M12 enthalten die betreffenden Regelungen des Planentwurfs überhaupt keinen Zeithorizont und im Falle des Vorhabens M8 einen Umsetzungszeitrahmen von über 7 Jahren (bis zum 01.01.2025).
209 
Damit können diese Vorhaben nicht nur wegen ihrer Unverbindlichkeit, sondern auch wiederum in zeitlicher Hinsicht offensichtlich nicht als (geeignete) Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Absatz 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
210 
Hinzu kommt schließlich, dass für alle vorgenannten Vorhaben zur Verbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV (M3 bis M10 und M12) im Gesamtwirkungsgutachten selbst bei beschleunigter Umsetzung (Basisjahr 2020) lediglich ein offensichtlich sehr geringes NOx-Emissionsminderungspotenzial in Bezug auf den Straßenverkehr im Stadtgebiet Stuttgart zwischen 0 und maximal 2 % prognostiziert wurde (vgl. im Einzelnen Übersicht 4.10 und Bild 5.4, S. 30 und 46 des Abschlussberichts im GWG vom Februar 2017; ebenso Planentwurf der 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 110). Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass diese Vorhaben - selbst wenn sie tatsächlich umgesetzt werden (wie beispielsweise die teilweise Fertigstellung der neuen Stadtbahnlinie U 12 nach Remseck, voraussichtlich bis Dezember 2017) - lediglich ein NO2-Immissions-minderungspotenzial besitzen, das an den Messstationen, an denen die NO2-Immissionsgrenzwerte überschritten sind, kaum feststellbar ist (nach Einschätzung des zuständigen Gutachters in der mündlichen Verhandlung z. B. Am Neckartor maximal 5 µg/m³).
2.4.3.
211 
Die Maßnahme M11, die ebenfalls der Verbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV dient (Erhöhung der Zahl der Zugverbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof), kann zwar begrifflich als Luftreinhaltemaßnahme eingestuft werden, weil das Vorhaben vom Land Baden-Württemberg selbst umgesetzt werden soll und sich damit die Frage der Bindungswirkung gegenüber einem außerhalb der Landesverwaltung stehenden Umsetzungsadressaten nicht stellt.
212 
Diese Maßnahme ist jedoch bereits wegen ihres Umsetzungszeitrahmens (bis 2021) keine geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Absatz 1 Satz 3 BImSchG. Hinzu kommt deren offensichtlich geringes NOx-Emissionsminderungspotenzial, das im Gesamtwirkungsgutachten von den Gutachtern nicht gesondert beziffert werden konnte und deshalb sicherlich deutlich unter 2 % liegt (vgl. Abschlussbericht im GWG vom Februar 2017, a.a.O.), allein
2.4.4.
213 
Für die Vorhaben M13 und M14 der Landeshauptstadt Stuttgart (Ausbau des Radwegenetzes und Planung und eines Investitionsprogrammes Fußverkehr zu langfristigen Förderung und Umsetzung von Fußverkehrsmaßnahmen) gelten die Ausführungen unter Ziffer 2.4.2. zum Vorhaben M5 sowie unter Ziffer 2.4.3. entsprechend.
214 
Da die Vorhaben nach Ansicht der Planbehörde in der kommunalen Selbstverwaltungshoheit der Beigeladenen und damit auch unter einem Zustimmungsvorbehalt des Gemeinderats stehen, hat die Planbehörde die Umsetzung dieser Vorhaben mit der Beigeladenen nicht rechtsverbindlich vereinbart.
215 
Die tatsächliche Umsetzung dieser Vorhaben, die in den Regelungen M13 und M14 als bloße Absichtserklärungen formuliert worden sind, ist daher ebenso ungewiss, wie deren Umsetzungszeitpunkt.
216 
Hinzu kommt, dass diesen Vorhaben ausweislich des Gesamtwirkungsgutachtens auch kein bezifferbares eigenes NOx-Emissionsminderungs-potenzial zugeschrieben werden kann.
217 
Auch diese Vorhaben können daher offensichtlich nicht als geeignete Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
2.4.5.
218 
Für das Vorhaben M15 (Umstellung der Flottenzusammensetzung des Landesfuhrparks und des Fuhrparks der Beigeladenen auf emissionsarme/elektrische Fahrzeuge im Stadtgebiet Stuttgart) wird in der genannten Regelung kein konkreter Zeitrahmen für die Umsetzung genannt.
219 
Soweit das Vorhaben den Fuhrpark der Beigeladenen betrifft, fehlt es auch insoweit an einer konkreten Vereinbarung zwischen der Planbehörde und der Beigeladenen, mit der die tatsächliche Realisierung des Vorhabens sichergestellt wird.
220 
Das Vorhaben M16 kann dagegen aus denselben Gründen wie die Maßnahme M11 als Luftreinhaltemaßnahme eingestuft werden, nachdem ein entsprechendes Förderprogramm mit einem Finanzierungsvolumen von 25 Millionen - wie von den Beklagten-Vertretern in der mündlichen Verhandlung berichtet - vom Landtag im Mai 2017 auch tatsächlich bereits beschlossen worden ist.
221 
Auch diesen beiden Vorhaben wird aber selbst bei einer (vollständigen) Realisierung bis 2020 von den Gutachtern im Gesamtwirkungsgutachten lediglich ein NOx-Emissionsminderungspotenzial von zusammen höchstens 3 % bescheinigt (vgl. Abschlussbericht zum GWG, a.a.O.; ebenso Planentwurf 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 114). Das sich daraus ergebende Immissionsminderungspotenzial an den einzelnen Messstationen wird daher unter diesen 3 % liegen.
222 
Auch die Vorhaben M15 und M16 können daher trotz beschlossener Förderung (M16) allein nicht als geeignet und ausreichend im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
2.4.6.
223 
Bei dem in M17 beschriebenen Vorhaben (Tempo 40 km/h auf weiteren Steigungsstrecken im Stadtgebiet) würde es sich nur dann um eine Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG handeln, wenn die Planbehörde selbst diese Geschwindigkeitsbegrenzungen und die betreffenden Strecken im Planentwurf festgelegt hätte und diese Geschwindigkeitsbegrenzungen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde der Beigeladenen deshalb zwingend anzuordnen wären. Nach dem klaren Wortlaut der Regelung („Die Landeshauptstadt Stuttgart plant“) und der Begründung im Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017 (vgl. dort S. 119) will die Planbehörde das Ob und Wie solcher weiterer Geschwindigkeitsbeschränkungen jedoch ausschließlich der Beigeladenen überlassen und diese weiteren Geschwindigkeitsbegrenzungen gerade nicht selbst verbindlich vorgeben. Aus diesem Grund handelt es sich bei dem Vorhaben M17 bereits begrifflich um keine Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG.
224 
Hinzu kommt, dass diesen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf weiteren Streckungsstrecken in der Umweltzone Stuttgart von den Gutachtern praktisch kein NOx-Emissionsminderungspotenzial attestiert wird (0 % bzw. unter 0,5 %; vgl. Abschlussbericht zum GWG, a.a.O.; ebenso Planentwurf 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 117).
225 
Bei dem in M18 beschriebenen Vorhaben (Tempo 50 bzw. 60 km/h im Stadtgebiet außerhalb geschlossener Ortschaften bzw. auf mindestens vierstreifigen Straßen) soll es sich nach den Angaben der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung um eine verbindliche Handlungsanweisung an die zuständige Straßenverkehrsbehörde handeln. Diese steht jedoch wiederum unter dem Vorbehalt, dass diese Geschwindigkeitsbegrenzungen nur angeordnet werden sollen, wenn diese nicht zu spürbaren (?) Ausweichverkehren führen, was die Planbehörde der alleinigen Prüfung und Beurteilung der Straßenverkehrsbehörde überlassen will.
226 
Es kann hier offen bleiben, ob die Planbehörde im Rahmen einer Luftreinhaltemaßnahme der Vollzugsbehörde einen solchen eigenen Beurteilungsspielraum einräumen darf oder die genannte Voraussetzung für die Anordnung der beabsichtigten Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht vielmehr selbst prüfen müsste, bevor sie eine entsprechende Maßnahme festlegt. Denn jedenfalls ist der Wirkungsgrad des Vorhabens aufgrund dieses Vorbehaltes tatsächlich völlig offen und kann auch bei 0 % liegen, falls es nach der Einschätzung der Straßenverkehrsbehörde auf allen in Betracht kommenden Strecken zu Ausweichverkehren kommen würde.
227 
Hinzu kommt, dass die Planbehörde der Straßenverkehrsbehörde auch keine Vorgabe im Hinblick auf den Zeitpunkt der Umsetzung dieser Maßnahmen gemacht hat. Es ist der Straßenverkehrsbehörde damit völlig freigestellt, selbst zu entscheiden, wann sie die genannte Maßnahme prüfen und gegebenenfalls umsetzen will.
228 
Bei den Vorhaben M17 und M18 handelt es sich bereits aus diesen Gründen ebenfalls um keine geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG.
2.4.7.
229 
Das Vorhaben M19 gibt lediglich eine Absichtserklärung der Landeshauptstadt Stuttgart als Trägerin der kommunalen Selbstverwaltung wieder, ihr Gebührensystem zu „überprüfen“ und die Parkgebühren im gesamten Stadtgebiet „moderat“(?) zu erhöhen, wenn der Gemeinderat zustimmt. Zum Rechtscharakter diese Regelung gelten daher die Ausführungen unter den Ziffern 2.4.2. und 2.4.4. bis 2.4.6. entsprechend.
230 
Auch das Vorhaben M20 gibt lediglich eine Absichtserklärung des Landes Baden-Württemberg wieder, die Parkgebühren der in seinem Eigentum stehenden Parkhäuser „mit dem Ziel einer verträglichen (?) Anpassung zu überprüfen“. Mit diesem Inhalt ist die Regelung offensichtlich zu unbestimmt, um als Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG eingestuft zu werden, da sie noch nicht einmal eine verbindliche Aussage trifft, dass die genannten Parkgebühren tatsächlich erhöht werden.
231 
Hinzu kommt, dass die in Betracht gezogenen Parkgebührenerhöhungen auch von ihrem Wirkungsgrad nicht die erforderliche Eignung einer Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG besitzen, da die Gutachter diesen Vorhaben lediglich ein NOx-Emissionsminderungspotenzial im Stadtgebiet von maximal 4 % und auch dieses nur für den Fall attestieren haben, dass die Parkgebühren in den genannten Parkhäusern bis 2020 verdoppelt werden (vgl. Dokumentation zum GWG, S.28 sowie Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 121).
232 
Von einer solchen Verdoppelung der Parkgebühren kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht (mehr) ausgegangen werden, nachdem der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart in seiner Sitzung am 13.07.2017 lediglich eine Erhöhung der Parkgebühren in den städtischen Parkhäusern (M19) um 14 % bis 20 % beschlossen hat und der Regelung M20 eine konkrete Absicht des Landes, die Parkgebühren in den Parkhäusern des Landes bis 2020 zu verdoppeln, ebenfalls nicht zu entnehmen ist.
233 
Dementsprechend konnte der Gutachter des Beklagten den Wirkungsgrad beider Vorhaben in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr konkret beziffern. Dieser erklärte vielmehr, er könne nicht ausschließen, dass der Wirkungsgrad bei den genannten geringeren Gebührenerhöhungen auch nur bei „nahezu 0 %“ liege.
3.
234 
Geht man nach den obigen Ausführungen davon aus, dass die Planbehörde mit dem Planentwurf zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom Mai 2017 ihrer Verpflichtung aus § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG noch nicht nachgekommen ist, ist der vom Kläger mit seinem Klagantrag geltend gemachte Rechtsanspruch dem Grunde nach zu bejahen.
235 
Eine Verurteilung des Beklagten, der Luftreinhaltungsplan Stuttgart so fortzuschreiben, dass er den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG genügt, setzt jedoch weiter voraus, dass eine Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte durch eine oder mehrere weitere Luftreinhaltemaßnahmen auch tatsächlich möglich ist.
236 
Vorliegend kann das Ziel der Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls durch die Festlegung eines über die bereits bestehenden Verkehrsbeschränkungen hinausgehenden Verkehrsverbotes in der gesamten Umweltzone Stuttgart erreicht oder zumindest annähernd erreicht werden. Nach den Feststellungen der Gutachter im vorgelegten Gesamtwirkungsgutachten vom Februar 2017 und den dazu vorgelegten Dokumentationen Teil 1 und 2 vom April 2017 würde das von der Planbehörde im Planentwurf zur 3. Fortschreibung in M1 festgesetzte ganzjährige Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge von 20 % und wenn von diesen betroffenen Kraftfahrzeugen im Rahmen des vorgesehenen Ausnahmekonzepts weitere 20 % vom Verkehrsverbot ausgenommen würden, bezogen auf das Basisjahr 2020 zu NOx-Emissionsrückgängen von 40 % in der Umweltzone, 56 % im Talkessel und 55% an der Messstation Am Neckartor führen.
237 
In Bezug auf die NO2-Immissionen bedeutet dies eine Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen um 94,6 % auf eine Streckenlänge von lediglich noch 1,3 km in der Umweltzone Stuttgart und um 96,8 % auf eine Streckenlänge von lediglich noch 0,3 km im Talkessel Stuttgart sowie eine Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts Am Neckartor auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 01.01.2020 (vgl. Abschlussbericht zum GWG, Übersicht 4.10, S. 30; ebenso Planentwurf 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 69 und 70).
238 
Ausgehend von diesen Feststellungen ist das Verkehrsverbot demnach von seinem Wirkungsgrad her geeignet, die Überschreitung der NO2-Immissionsgrenzwerte - mit Ausnahme der Messstation Am Neckartor (42 µg/m³) - an allen (anderen) Messstationen und damit in der gesamten Umweltzone Stuttgart auf das zulässige Maß zu reduzieren. Dies hat die zuständige Gutachterin in der mündlichen Verhandlung auch nochmals ausdrücklich bestätigt.
239 
Welchen Wirkungsgrad das Verkehrsverbot bei einer Inkraftsetzung bereits ab dem 01.01.2018 - also zum Zeitpunkt des bislang geplanten Inkrafttretens der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart hätte, wurde von den Gutachtern nicht ermittelt.
240 
Da zu diesem Zeitpunkt der Flottenanteil der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge noch ca. 35 % (statt 20 % wie im Basisjahr 2020) betrage (vgl. Dokumentation zum GWG zur 3. Fortschreibung vom April 2017, Tabelle 4.2, S. 60), schätzte die zuständige Gutachterin den Wirkungsgrad des Verkehrsverbotes bezogen auf den Zeitpunkt 01.01.2018 zunächst als „tendenziell größer“ ein, relativierte diese Aussage jedoch anschließend für die Messstation Am Neckartor, für die sie nur von einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts auf ca. 48 µg/m³ (statt 42 µg/m³/Basisjahr 2020) ausgehen wollte, weil die Ausgangsbelastung im Jahr 2018 mit ca. 80 µg/m³ noch höher sei, als im Basisjahr 2020 (67 µg/m³ bzw. 72 µg/m³).
241 
Nach diesen Einlassungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass der Wirkungsgrad des Verkehrsverbotes bezogen auf das Basisjahr 2018 - wenn überhaupt - nur unwesentlich geringer ist als im Basisjahr 2020.
242 
Für diese Annahme sprechen auch die Feststellungen der Gutachter zu der - nicht in den Planentwurf übernommenen - Maßnahme M83v3 „Einfahrt in die Umweltzone Stuttgart nur mit blauer Plakette, Variante 1“ als Teil des Moduls 8/Feinstaub-Alarm Verkehr, die für das Netz ganzjährig betrachtet wurde (vgl. Dokumentation zum GWG vom April 2017, S. 130) und wonach die festgestellte Änderung der Streckenkilometer im Stadtgebiet Stuttgart mit Überschreitungen des NO2-Jahresgrenzwerte mit 91,8 % bei einer Umsetzung dieses Verkehrsverbotes M83v3 zum 01.01.2018 nur unwesentlich geringer ist, als die Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen bei dem Verkehrsverbot M1 ab dem 01.01.2020 (94,6 %; vgl. Abschlussbericht zum GWG, Übersicht 4.10, S. 30).
243 
Es kann deshalb nach den Feststellungen der Gutachter des Beklagten davon ausgegangen werden, dass das in M1 beschriebene Verkehrsverbot derzeit selbst dann die effektivste und damit am besten geeignete Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte darstellt, wenn deren Wirkungsgrad bei einer Umsetzung vor dem 01.01.2020 tatsächlich etwas geringer sein sollte, als im Falle einer Umsetzung zum 01.01.2020.
244 
Welchen Wirkungsgrad das Verkehrsverbot bei einem Inkrafttreten vor dem 01.01.2020 letztlich tatsächlich hat, kann das Gericht nicht abschließend beurteilen, weil das Gesamtwirkungsgutachten hierzu keine Feststellungen trifft. Dies kann jedoch auch offen bleiben, weil es nicht Aufgabe des Gerichts ist, sondern in die Zuständigkeit der Planbehörde fällt, den Wirkungsgrad des Verkehrsverbotes bezogen auf einen Umsetzungszeitpunkt vor dem 01.01.2020 im Rahmen des zu erstellenden Gesamtkonzeptes zur Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans noch gutachterlich klären zu lassen.
245 
Für den Fall, dass die Gutachter des Beklagten dabei zu dem Ergebnis kommen sollten, dass die Umsetzung des genannten Verkehrsverbotes zu einem solchen früheren Zeitpunkt zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte tatsächlich allein nicht ausreichend ist und sogar einen etwas geringeren Wirkungsgrad als bei einer Umsetzung zum 01.01.2020 besitzt, bedeutet dies jedoch nicht, dass das Verkehrsverbot als geeignete Maßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG ausscheidet. Die Planbehörde wäre in diesem Fall lediglich verpflichtet, entweder das Verkehrsverbot auf einen größeren Adressatenkreis auszudehnen oder im Luftreinhaltungsplan auch noch andere Maßnahmen festzulegen, um die Ziele des § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG zu erreichen, soweit dies mit den Vorhaben und Maßnahmen M3 bis M20 nicht bereits geschehen ist.
246 
Welche konkreten Maßnahmen zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte gegebenenfalls weiter in Betracht kommen, hat aber nicht das Gericht, sondern die Planbehörde im Rahmen des von ihr zu erstellenden Gesamtkonzepts zu entscheiden, da die Maßnahmen-Auswahl allein dem planerischen Gestaltungsspielraum der Planbehörde unterliegt.
247 
4. Das im vorliegenden Fall zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht kommende und im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 bereits vorgesehene Verkehrsverbot kann auch in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung (im Weiteren: StVO) ordnungsgemäß bekanntgegeben werden kann.
248 
4.1. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Umsetzung und Bekanntgabe des Verkehrsverbotes folgt unmittelbar daraus, dass durch das Verkehrsverbot in individuelle Rechte Dritter eingegriffen wird (insbesondere Handlungsfreiheit der betroffenen Verkehrsteilnehmer) und auch ausdrücklich aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG,wonach die in Luftreinhalteplänen festgelegten Maßnahmen durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung, also in der Regel von Behörden des Bundes, der Länder, der kommunalen Gebietskörperschaften oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Landmann/Rohmer, Umweltrecht Kommentar, Band III, Stand 01.01.2017 § 47 Rn 29) „nach diesem Gesetz“ (BImSchG) oder „nach anderen Rechtsvorschriften“ durchzusetzen sind.
249 
Da es sich bei dem in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbot um eine Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs handelt, ist für dessen Durchsetzung die Straßenverkehrsbehörde (hier: die Beigeladene) nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuständig (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG), wobei die zuständige Straßenverkehrsbehörde auf das Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts unabhängig davon beschränkt ist, ob in der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Rechtsgrund- oder eine bloße Rechtsfolgenverweisung zu sehen ist (ebenso BayVGH, Beschl. v. 27.02.2017 – 22 C 16.1427 –, in juris; Rn 167).
250 
Die Durchsetzung des Verkehrsverbotes setzt also voraus, dass die StVO das hierfür notwendige Instrumentarium enthält, weil die Planbehörde das Verkehrsverbot in den Planentwurf zur 3. Fortschreibung nur dann aufnehmen kann, wenn die für dessen Umsetzung und Bekanntgabe zuständige Straßenverkehrsbehörde dazu tatsächlich und rechtlich in der Lage ist.
251 
4.2. Da das zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot die gesamte Umweltzone betrifft, ist für dessen Umsetzung und Bekanntgabe in erster Linie auf die für die Ausweisung solcher Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen.
252 
§ 45 Abs. 1 Buchstabe f StVO sieht vor, dass die Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan nach § 47 Abs. 1 BImSchG festgesetzten Umweltzonen die dafür erforderlichen Verkehrsverbote in der Regel mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet (vgl. lfd. Nrn 44, 45, und 46 der Anlage 2 zur StVO; im Weiteren: Verkehrszeichen).
253 
4.3. Mit dieser Verkehrszeichen-Kombination lässt sich das im vorliegenden Fall zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot jedoch nicht anordnen, weil dieses Verkehrsverbot Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren der Eurostufen Euro 1 und 2 sowie Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Eurostufen Euro 3, 4 und 5 betrifft, also Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppe 4, die gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (im Weiteren: 35.BImSchV) mit der Grünen Plakette gekennzeichnet sind und deshalb mit dem bislang zur Verfügung stehenden Zusatzzeichen lfd. Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO (im Weiteren: Zusatzzeichen 46) von dem Verkehrsverbot innerhalb der Umweltzone Stuttgart freigestellt werden.
254 
Hieraus folgt jedoch, dass die vom zuständigen Bundesverordnungsgeber mit den genannten Verkehrszeichen bislang in der StVO geschaffenen Kennzeichnungsmöglichkeiten von Verkehrsverbotszonen zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen nicht ausreichend sind, um ein Verkehrsverbot, wie es in Städten mit Immissionsgrenzwertüberschreitungen wie in Stuttgart in Betracht zu ziehen ist, bekanntzugeben.
255 
Hierzu bedarf es zweckmäßigerweise einer weitergehenden Kennzeichnungsmöglichkeit - wie beispielsweise der vom Beklagten vorgeschlagenen „Blauen Plakette“ - und folglich einer entsprechenden Ergänzung der 35.BImSchV und des Zusatzzeichens 46 der StVO durch die jeweils zuständigen Verordnungsgeber des Bundes (35.BImSchV: Bundesregierung; StVO: BMVI und BMUB). Es besteht kein Zweifel daran, dass sowohl die Bundesregierung als auch die genannten Bundesministerien in ihrer Funktion als Verordnungsgeber durch Bundesgesetz (hier: BImSchG und StVG) nicht nur ermächtigt (vgl. Art. 80 GG), sondern auch verpflichtet sind, den für die Umsetzung und den Vollzug der Vorschriften des Luftreinhalterechts zuständigen Landesbehörden das hierfür notwendige Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, soweit dieses nicht bereits im Bundesimmissionsschutzgesetz enthalten ist (so BayVGH, Beschl. v. 27.02.2017 - 22 C 16.1427 - in juris, Rn 184).
256 
Sie haben daher die im vorliegenden Fall deutlich gewordenen Regelungsdefizite durch entsprechende Ergänzungen der StVO und der 35. BImSchV baldmöglichst zu beseitigen.
257 
Es ist derzeit nicht absehbar, ob und zu welchem Zeitpunkt die zuständigen Verordnungsgeber die bestehenden Regelungsdefizite in den genannten Verordnungen wegen des Vertragsverletzungsverfahrens, das die Europäische Kommission wegen der seit dem Jahr 2010 andauernden Nichteinhaltung der in der Richtlinie 2008/50/EG festgesetzten Immissionsgrenzwerte gegen die Bundesrepublik Deutschland durchführt, tatsächlich noch beheben werden.
258 
4.4. Durch diese bislang nicht behobenen Regelungsdefizite ist die Durchsetzung bzw. Bekanntgabe des vorliegend in Betracht kommenden Verkehrsverbotes entgegen der Rechtsansicht des Beklagten jedoch rechtlich nicht unmöglich, weil es zu dem in seiner derzeitigen Ausgestaltung hier nicht verwendbaren Zusatzzeichen 46 andere, rechtlich zulässige Möglichkeiten gibt, das Verkehrsverbot trotz „Fehlens einer Blauen Plakette“ im Einklang mit den Vorschriften der StVO ordnungsgemäß bekanntzugeben. Insoweit gilt im Einzelnen Folgendes:
259 
4.4.1. Da das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot zum Inhalt hat, innerhalb der gesamten bereits bestehenden und mit den Zeichen 270.1 und 270.2 ausgeschilderten Umweltzone Stuttgart die Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren der Eurostufen Euro 1 und 2 sowie Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Eurostufen Euro 3, 4 und 5 aus der bislang mit dem Zusatzzeichen 46 angeordneten Freistellung der Kraftfahrzeuge mit Grüner Plakette herauszunehmen und damit im Ergebnis dem mit Zeichen 270.1 angeordneten Umweltzonen-Verkehrsverbot zu unterwerfen, besteht für einen Austausch der Zeichen 270.1 und 270.2 - etwa gegen das Zeichen 251 (Lfd. Nr. 29 der Anlage 2 zur StVO) - keine sachliche Notwendigkeit. Denn das Zeichen 251 unterscheidet sich in Bezug auf die Adressaten des damit angeordneten Einfahrverbotes (Kraftwagen und mehrspurige Kraftfahrzeuge) nicht von den Adressaten der Zeichen 270.1 und 270.2 (Kraftfahrzeuge), die darüber hinaus lediglich zusätzlich das Gebiet der Verkehrsverbotszone (Umweltzone) begrenzen. Da das Verkehrsverbot auch räumlich denselben Bereich betrifft, wie das bereits bestehende Verkehrsverbot, nämlich die gesamte Umweltzone Stuttgart, bliebe auch der Aufstellungsort der Schilder derselbe.
260 
Die Zeichen 270.1 und 270.2 können daher für das vorliegend in Betracht zu ziehende (Umweltzonen-)Verkehrsverbot weiter Verwendung finden. Ob ein auf einzelne Strecken (wie z. B. beim Maßnahme M2c) oder auf ein Teilgebiet (wie z. B. bei Maßnahme M2b) räumlich begrenztes zusätzliches Verkehrsverbot innerhalb der bereits bestehenden Umweltzone in rechtlich zulässiger Weise mit dem Zeichen 251 und einem entsprechenden (individuellen) Zusatzzeichen, das den freigestellten Adressatenkreis bezeichnet, ausgeschildert werden kann, bedarf deshalb hier keiner Entscheidung.
261 
4.4.2. Soweit das vorliegend in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot den Kreis der bislang mit der Grünen Plakette freigestellten Kraftfahrzeuge weiter einschränkt und hierfür das in der StVO vorhandene Zusatzzeichen 46 zu weit reichend und damit nicht verwendbar ist, gibt es rechtlich zulässige Handlungsalternativen, um die gebotenen Freistellungen vom Verkehrsverbot ordnungsgemäß bekannt zu geben.
262 
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es sich bei der Vorschrift des § 45 Abs. 1f StVO um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten handeln würde und diese deshalb so verstanden werden müsste, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Umweltzonen-Verkehrsverbotes und der Ausnahmen bzw. Freistellungen hiervon ausschließlich mit den in der StVO vorgesehenen Zeichen 270.1 bzw. 270.2 in Kombination mit dem in der lfd. Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO abgebildeten Zusatzzeichen 46 erfolgen kann.
263 
Bei sachgerechter Auslegung der genannten Vorschrift ist für diese Interpretation jedoch kein Raum. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen - und ebenso von Rechtsverordnungen - ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10, 2 Bv2 BvR 2883/10, 2 Bv2 BvR 2155/11 - in juris, Rn 66). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (BVerfG, Urt. v. 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 in juris, Rn 79). Ausgangspunkt der Auslegung ist zwar regelmäßig der Wortlaut der Vorschrift. Soweit dieser jedoch keine hinreichend deutlichen Hinweise auf den Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers gibt, kommt daneben den genannten anderen Auslegungskriterien eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu (BVerfG, Urt. v. 19.03.2013, a.a.O.).
264 
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze kann § 45 Abs. 1f StVO nicht als abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten verstanden werden. Eine solche Interpretation als abschließende Regelung ist bereits nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO nicht zwingend. Der Wortlaut dieser Regelung deutet zwar darauf hin, dass der Verordnungsgeber bei deren Einführung im Rahmen der zum 01.04.2013 in Kraft getretenen Neufassung der StVO vom 06.03.2013 (vgl. BGBl. I, S.367) möglicherweise - und wie durch den vorliegenden Sachverhalt belegt - irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die genannten Verkehrszeichen ausreichend sind, um die Ziele des § 47 Abs. 1 BImSchG - soweit hierfür Verkehrsbeschränkungen erforderlich sind - zu erreichen. Der Wortlaut der Regelung lässt auch den weiteren Schluss zu, dass der Verordnungsgeber die in § 45 Abs. 1f StVO vorgesehene Schilderkombination im Hinblick auf die notwendige Kontrollierbarkeit als die geeignetste Form der Bekanntgabe eines solchen Umweltzonen-Verkehrsverbotes angesehen hat. Vor diesem Hintergrund ist die vom Verordnungsgeber gewählte Formulierung ohne weiteres nachvollziehbar.
265 
Eine mit der Formulierung darüber hinaus verfolgte Absicht des Verordnungsgebers, mit der in § 45 Abs. 1f StVO genannten Schilderkombination zugleich die einzige zulässige Form der Bekanntgabe eines Umweltzonen-Verkehrsverbotes und der Freistellungen bzw. Ausnahmen hiervon festlegen zu wollen, ist der Formulierung dagegen nicht eindeutig zu entnehmen.
266 
Es handelt sich bei der zuletzt genannten Interpretation des Wortlautes der Vorschrift vielmehr lediglich um eine unter grammatischen Aspekten denkbare Deutungsmöglichkeit, die aber nicht zwingend ist.
267 
Lässt die Formulierung eines Vorschriftentextes solche verschiedenen Deutungsmöglichkeiten zu, ist im Rahmen der Auslegung weiter zu ermitteln, welche der möglichen Deutungen nach den weiteren Auslegungskriterien und insbesondere nach dem Sinn und Zweck der Regelung dem objektiven Willen des Gesetzgebers (hier: Verordnungsgebers) entspricht.
268 
Der Sinn und Zweck der mit der Neufassung der StVO im Jahr 2013 in die StVO aufgenommenen Regelungen und Verkehrszeichen zu Umsetzung von Verkehrsbeschränkungen aus Gründen der Luftreinhaltung bestand bei objektiver Betrachtung ausschließlich darin, den für die Umsetzung und den Vollzug der bundesgesetzlichen Vorschriften zur Luftreinhaltung zuständigen Landesbehörden das dafür notwendige Instrumentarium zur Verfügung zu stellen.
269 
Das Gericht hat daher keine Zweifel daran, dass der StVO-Verordnungsgeber mit der Aufnahme der genannten Regelungen und Verkehrszeichen in die StVO den alleinigen Zweck verfolgte, den für die Luftreinhaltung zuständigen Landesbehörden die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen und -verboten zu ermöglichen, soweit solche zur Erreichung der Ziele des § 47 BImSchG erforderlich sind. Die Tatsache, dass der Verordnungsgeber dabei möglicherweise irrtümlich davon ausgegangen ist, dass dafür ein Zusatzzeichen 46 mit Roter, Gelber oder Grüner Plakette bereits ausreichend ist, ändert hieran nichts. Denn es bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber die Befugnisse der zuständigen Landesbehörden zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen mit der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO und dem genannten Zusatzzeichen 46 absichtlich beschränken wollte, um die Verhängung weitergehender Verkehrsverbote zu verhindern. Insbesondere enthält auch die Begründung der Neufassung der StVO keinerlei Hinweise dafür, dass der Verordnungsgeber den Regelungsinhalt des § 45 Abs. 1f StVO und des Zusatzzeichens 46 in diesem abschließenden Sinne beschränken wollte (vgl. z.B. BR-Drucksache 428/12).
270 
Ein solches Vorgehen des Verordnungsgebers wäre auch offensichtlich rechtswidrig gewesen. Denn es steht außer Zweifel, dass der Verordnungsgeber durch die Verordnungsermächtigung in Art. 80 GG keine Befugnis erhält, bundesgesetzliche Zielsetzungen - wie im vorliegenden Fall die Erreichung der Ziele des § 47 BImSchG - durch Rechtsverordnung zu beschränken oder gar zu verhindern. Dies hätte der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall aber getan, wenn er mit der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO tatsächlich hätte abschließend regeln wollen, dass die zuständigen Landesbehörden weitergehende Verkehrsverbote gegen Kraftfahrzeuge mit Grüner Plakette selbst dann nicht verhängen können, wenn solche Verkehrsverbote zur Erreichung der Ziele des § 47 BImSchG geeignet und geboten sind.
271 
Gegen einen dahingehenden Willen des Verordnungsgebers sprechen darüber hinaus auch dessen Feststellungen zum Regelungsinhalt des Zeichens 270.1 in der Anlage 2 zur Neufassung der StVO 2013. Denn dort heißt es ausdrücklich, dass Ausnahmen vom Umweltzonen-Verkehrsverbot „im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung“ und damit nach dem Willen des Verordnungsgebers offensichtlich nicht ausschließlich mit der in § 45 Abs. 1f StVO genannten Schilderkombination zugelassen werden können.
272 
Die Möglichkeit, die Ausnahmen vom Umweltzonen-Verkehrsverbot statt mit dem Zusatzzeichen 46 grundsätzlich auch durch eine Allgemeinverfügung regeln zu können, hat das BMVI, das zusammen mit dem BMUB für die Neufassung der StVO zuständig war, zudem mit seinem Schreiben an den Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg vom 11.03.2016 auch nochmals ausdrücklich bestätigt. Denn in diesem Schreiben hat das BMVI die Notwendigkeit einer Änderung der Regelungen der StVO zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen zur Luftreinhaltung mit der Begründung verneint, weitergehende Verkehrsverbote gegenüber Kraftfahrzeugen mit Grüner Plakette könnten auch durch Allgemeinverfügung und gleichzeitiger Abdeckung des Zusatzzeichens 46, das in der Umweltzone Stuttgart Kraftfahrzeuge mit Grüner Plakette vom Umweltzonen-Verkehrsverbot freistellt, angeordnet werden.
273 
Zwar hat das BMVI diese Feststellungen wohl lediglich im Hinblick auf zeitlich befristete, weitergehende Verkehrsverbote getroffen. Dennoch lässt sich auch dieser schriftlichen Stellungnahme des BMVI ohne weiteres entnehmen, dass der für die StVO zuständige Verordnungsgeber selbst nicht davon ausgeht, dass Umweltzonen-Verkehrsverbote und die Ausnahmen bzw. Freistellungen hiervon ausschließlich mit der genannten Schilderkombination (Zeichen 270.1 und Zusatzzeichen 46) bekanntgegeben werden können. Nach dieser schriftlichen Stellungnahme darf das Zeichen 270.1 vielmehr auch ohne Zusatzzeichen verwendet und notwendige Ausnahmen oder Freistellungen vom Verkehrsverbot auch auf andere Weise verfügt und bekanntgegeben werden. Dieser Rechtsansicht schließt sich das Gericht an, zumal die StVO auch im Übrigen obligatorische Verbindungen von Zeichen und Zusatzzeichen nicht kennt.
274 
Bereits aus den vorgenannten Gründen kann die Vorschrift des § 45 Abs. 1f StVO nicht als abschließende Regelung verstanden werden. Eine solche Auslegung der Vorschrift ist auch deshalb abzulehnen, weil sie im Ergebnis dazu führen würde, dass die Vorschrift mit einem solchen beschränkten Regelungsinhalt gegen höherrangiges Recht verstoßen würde. Denn ein solches Verständnis des § 45 Abs. 1f StVO würde dazu führen, dass das im vorliegenden Fall zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte und damit zum Schutz der menschlichen Gesundheit in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht bekannt gegeben werden könnte. Die Regelung würde mit diesem Inhalt also nicht nur gegen die Zielsetzungen des § 47 BImSchG, sondern auch gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 3 Abs. 1 GRCH und gegen unionsrechtlich vorgegebene Umweltstandards (hier: der Richtlinie 2008/50/EG) und damit gegen (höherrangiges) Bundes-, Verfassungs- und Europarecht verstoßen.
275 
Da es jedoch sowohl angesichts der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, als auch wegen des aus Art. 3 Abs. 1 GRCH und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden staatlichen Schutzauftrages für das Leben und die Gesundheit von Menschen schlechthin ausgeschlossen ist, dass ein zur Sicherstellung dieser Zwecke gebotenes Verkehrsverbot nur deshalb unterbleibt, weil § 45 Abs. 1f StVO dessen Bekanntgabe nicht zulässt (in diesem Sinne auch BayVGH, a.a.O., Rn 184), wäre die betreffende Regelung jedenfalls auch verfassungs- und unionsrechtskonform so auszulegen, dass es sich nicht um eine abschließende Regelung handelt.
4.4.3.
276 
Geht man davon aus, das es sich bei § 45 Abs. 1f StVO um keine abschließende Regelung handelt und ein Umweltzonen-Verkehrsverbot und die Freistellungen hiervon folglich nicht ausschließlich und zwingend mit der Verkehrszeichen-Kombination 270.1 bzw. 270.2 und dem Zusatzzeichen 46 bekanntgegeben werden muss, ist die zur Durchsetzung des Verkehrsverbotes zuständige Straßenverkehrsbehörde auch befugt, auf andere, nach der StVO zulässige Formen der Bekanntgabe zurückzugreifen.
277 
Insoweit haben das BMVI und der Beklagte die in Betracht kommenden Handlungsalternativen bereits selbst aufgezeigt, nämlich zum einen die vom BMVI in seinem Schreiben an den Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg vom 11. März 2016 empfohlene Bekanntgabe der notwendigen Freistellungen vom Verkehrsverbot durch Allgemeinverfügung (dazu unter 4.4.3.1.) und zum andern die vom Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkehrsverbot M2c beabsichtigte Schaffung eines bislang in der StVO nicht geregelten Zusatzzeichens (dazu unter 4.4.3.2.).
278 
4.4.3.1. Ob es sich bei dem Vorschlag des BMVI, die notwendigen Freistellungen von dem mit Zeichen 270.1 bekanntgegebenen Umweltzonen-Verkehrsverbot durch Allgemeinverfügung anzuordnen, um eine rechtlich zulässige Handlungsalternative handelt, erscheint zumindest fraglich. Denn dieser Vorschlag steht im Widerspruch zu dem in § 45 Abs. 4 Halbsatz 1 StVO zum Ausdruck kommenden Grundsatz, wonach die in § 45 Abs. 3 StVO genannten Straßenverkehrsbehörden – und insoweit gilt für die zum Vollzug des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zuständigen Stellen nichts anderes - den Verkehr grundsätzlich nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürfen, weil - insbesondere ortsfremde - Verkehrsteilnehmer ein schutzwürdiges Interesse haben, dass ihnen die Ge- und Verbote, die sie bei der Verkehrsteilnahme zu beachten haben, ausschließlich auf diese Art und Weise zur Kenntnis gebracht werden (ebenso BayVGH, a.a.O. Rn 168; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 13.03.2008 - 3 C 18.07 - in juris). Für Verkehrsverbote und -beschränkungen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO) sieht auch § 45 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 StVO insoweit keine Ausnahme vor, sondern nur für Verkehrsverbote und -beschränkungen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO). Die Frage kann jedoch offen bleiben.
279 
4.4.3.2. Denn jedenfalls bestehen gegen die zweite in Betracht kommende Handlungsalternative keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn man § 45 Abs. 1f StVO aus den bereits dargelegten Gründen richtigerweise nicht für eine abschließende Regelung hält.
280 
Es bestehen zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass die Zusatzzeichen, bei denen es sich gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO ebenfalls um Verkehrszeichen handelt,in der StVO nicht abschließend geregelt sind und das Verkehrsministerium des Beklagten als oberste Straßenverkehrsbehörde auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) vom 26.01.2001 i. d. F. vom 22.05.2017; (vgl. BAnz AT vom 29.05.2017 B8) deshalb befugt ist, andere als die im Verkehrszeichenkatalog (VzKAT) zur StVO aufgeführten Zusatzzeichen zu genehmigen und einzuführen. Denn dort heißt es unter Randnummer 46 zu §§ 39 bis 43: „... Abweichungen von dem in diesem Verzeichnis aufgeführten Zusatzzeichen sind nicht zulässig; andere Zusatzzeichen bedürfen der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle.". Diese Befugnis ist zwischen den Beteiligten unstreitig, denn davon geht auch die Planbehörde aus (vgl. Ziffer 6.2.2.2.2 des Planentwurfs zur 3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplanes Stuttgart vom Mai 2017 zur Umsetzung des Verkehrsverbotes M2b; S. 84).
281 
Inhaltlich müsste das Zusatzzeichen als sog. Frei-Zusatzzeichen ebenso wie das Zusatzzeichen 46 - vereinfacht ausgedrückt - den Aussagegehalt der bislang nicht vorliegenden Blauen Plakette in Textform zum Ausdruck bringen. Dies lässt § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO grundsätzlich zu. Dieses Zusatzzeichen würde auch nicht unter die Einschränkung des § 39 Abs. 3 Satz 2 StVO fallen, wonach „Aufschriften“ auf Zusatzzeichen – also Zusatzzeichen, die ihren Regelungsgehalt in Textform zum Ausdruck bringen - nur zulässig sind, „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Letzteres ist hier der Fall, denn als Zusatzzeichen zu dem Zeichen 270.1 gelten für dieses insbesondere nicht die Einschränkungen in Nummer 26 der Anlage 2 zur StVO, sodass die damit zusammenhängenden Rechtsfragen hier keiner Erörterung bedürfen.
282 
Gegen ein solches Frei-Zusatzzeichen, das in Textform die vom Umweltzonen-Verkehrsverbot (Zeichen 270.1) freigestellten Kraftfahrzeuge benennt, bestehen daher keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken (ebenso BayVGH a.a.O., Rn 171).
283 
Auch in Bezug auf den hier notwendigen Textumfang, mit dem eine Freistellung vom Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge Euro 6 und ggf. für Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren ab Euro 3 geregelt werden müsste, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zwar muss nach der obergerichtlichen Rechtsprechung der objektive Aussagegehalt von Verkehrszeichen - und dies gilt auch für Kombinationen aus Zeichen und Zusatzzeichen - zum einen eindeutig sein und eine solche Beschilderung zum anderen so übersichtlich gestaltet werden können, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt ihren Bedeutungsgehalt „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ zu erfassen vermag (vgl. auch zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urt. v. 13.03.2008 – 3 C 18.07 – a.a.O., m.w.N.).
284 
Dies ist bei dem hier notwendigen Textumfang, mit dem zum Ausdruck zu bringen ist, dass Diesel-Kraftfahrzeuge „Diesel Euro 6“ und „Andere ab Euro 3“ vom Verkehrsverbot ausgenommen („Frei“) sind, auch im Vergleich mit den Textumfängen anderer im Verkehrszeichenkatalog enthaltenen und damit als zulässig erachteten Zusatzzeichen zu bejahen.
285 
Gegenüber einem solchen Frei-Zusatzzeichen zum Zeichen 270.1 dürfte die vom Kläger alternativ vorgeschlagene „Drei-Schilder-Regelung“ mit dem Zeichen 270.1, dem Zusatzzeichen 46 (Grüne Plakette) und einem zweiten Zusatzzeichen mit den Ausnahmen von der Freistellung durch das Zusatzzeichen 46 bereits deshalb nicht vorzugswürdig sein, weil diese Beschilderungsmöglichkeit die den Verkehrsteilnehmern im Zusammenhang mit Umweltzonen bereits vertraute Regelungstechnik „Verbot und Freistellung“ verkompliziert und bei dieser „Drei-Schilder-Regelung“ möglicherweise auch missverständlich bleibt, worauf sich das zweite Zusatzzeichen bezieht.
286 
Welche der vorgenannten Handlungsalternativen die hier zuständigen Behörden letztlich als vorzugswürdig erachten, muss jedoch deren Entscheidung im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 47 BImSchG und § 45 Abs. 3 Satz 1 StVO - gegebenenfalls auch in Abstimmung mit dem BMVI als oberster Straßenverkehrsbehörde - vorbehalten bleiben. Sollte das BMVI dabei rechtliche Bedenken gegen alle aufgezeigten Handlungsalternativen haben, obliegt es allein den zuständigen Verordnungsgebern, diesen rechtlichen Bedenken durch eine entsprechende Ergänzung der 35.BImSchV und des Zusatzzeichen 46 um eine weitere Plakette zur Bekanntgabe von Verkehrsverboten der vorliegenden Art Rechnung zu tragen.
5.
287 
Das im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 bereits vorgesehene Verkehrsverbot begegnet auch im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG keinen Bedenken.
288 
Das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot verstößt nicht gegen die Vorgaben des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zurEmittentenauswahl (dazu unter 5.1.) und ist auch verhältnismäßig (dazu unter 5.2.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet insbesondere auch nicht den generellen Aufschub der Umsetzung auf den vom Beklagten vorgesehenen späteren Zeitpunkt. Einem solchen Aufschub steht vielmehr das in § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG zum Ausdruck kommende Minimierungsgebot entgegen (dazu unter 5.3.).
5.1.
289 
Das im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 bereits vorgesehene Verkehrsverbot, mit dem die Einhaltung der in der Umweltzone Stuttgart überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte tatsächlich sichergestellt werden kann, verstößt nicht gegen die Vorgaben des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zurEmittentenauswahl, weil von dieser Maßnahme von allen Emittenten, die zum Überschreiten der Immissionswerte im Sinne des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG beitragen, ausschließlich der Straßenverkehr und davon wiederum nur ein bestimmter Kreis von Verkehrsteilnehmern, nämlich die Nutzer der Kraftfahrzeuge der genannten Schadstoffgruppen betroffen sind. Denn dies lässt sich in der Sache damit rechtfertigen, dass der Straßenverkehr an allen Messstationen in der Umweltzone Stuttgart sowohl lokal als auch im Bereich der Hintergrundbelastung mit Verursacheranteilen an der NO2-Immissionsbelastung zwischen 59 % und 77 % (Am Neckartor) als Hauptverursacher der NO2-Immissionsgrenzwertüberschreitungen in Erscheinung tritt (vgl. Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, Abbildungen 6 bis 9, S. 30 und 31) und die vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge zu diesen Verursachungsanteilen einen erheblichen Anteil beitragen (vgl. hierzu u.a. Dokumentation zum GWG vom April 2017, S. 73, Bild 4.12).
5.2.
290 
Das im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 vorgesehene Verkehrsverbot verletzt in der Sache auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, bei dem es sich um ein aus den Grundrechten (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip hergeleitetes allgemeines Abwägungsprinzip handelt, das bei der Auswahl in Betracht kommender Luftreinhaltemaßnahmen und der davon betroffenen Emittenten grundsätzlich zu beachten ist. Dies hat der Bundesgesetzgeber durch die ausdrückliche Erwähnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Regelung des § 47 Absatz 4 Satz 1 BImSchG auch nochmals klargestellt.
291 
Eine hoheitliche Maßnahme, die in (Grund-)Rechte Dritter eingreift, entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann, wenn sie einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und darüber hinaus geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, also angemessen ist. Diesen Anforderungen entspricht das hier in Betracht kommende Verkehrsverbot im Falle seiner Umsetzung voraussichtlich in jeder Hinsicht.
5.2.1.
292 
Als Maßnahme zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen und zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädlichen Luftschadstoffen dienen, verfolgt dieses zweifellos einen legitimen öffentlichen Zweck.
293 
5.2.2. Die Geeignetheit des Verkehrsverbotes steht ebenfalls außer Zweifel, weil mit diesem Verkehrsverbot das Ziel der Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte nach den Feststellungen der Gutachter des Beklagten im Gesamtwirkungsgutachten in der gesamten Umweltzone Stuttgart erreicht oder zumindest annähernd erreicht werden (vgl. hierzu bereits unter Ziffer 3.).
5.2.3.
294 
Es sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der Grundlage des vom Beklagten vorgelegten Gesamtwirkungsgutachtens auch keine anderen, gleichwertigen Maßnahmen ersichtlich, welche den von dem Verkehrsverbot betroffenen Adressatenkreis weniger belasten würden und dem Verkehrsverbot deshalb im Rahmen der planerischen Auswahlentscheidung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG als„milderes Mittel“ vorzuziehen wären.
5.2.3.1.
295 
Die von der Planbehörde bislang nicht als Luftreinhaltemaßnahmen in Betracht gezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen in den Regelungen M17 und M18 scheiden mit ihren NO2-Emissionsminderungs-potenzialen zwischen 0 % und maximal 5 % bereits von ihrem Wirkungsgrad als gleichwertige Maßnahmen aus und kommen daher als gleichwertige Handlungsalternative anstelle des Verkehrsverbotes nicht in Betracht.
296 
Nichts anderes gilt auch für die in Modul 6 (Schnellstraßenkonzept) des Gesamtwirkungsgutachtens bewerteten Maßnahmen M61v1 und M61v2, die „Geschwindigkeitsreduzierungen auf ausgewählten Autobahnen und Bundesstraßen auf 100 bzw. 80 km/h“ vorsehen und die von der Planbehörde bislang ebenfalls nicht als Luftreinhaltemaßnahmen vorgesehen sind. Zwar liegen deren NO2-Emissions-minderungspotenziale bei immerhin 13% bzw. 9 %. Die Beklagten-Vertreter haben hierzu in der mündlichen Verhandlung jedoch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass diese Maßnahmen die Immissionssituation in der Umweltzone Stuttgart sogar verschlechtern würden, weil sie zu Ausweichverkehren in die Umweltzone und damit sogar zu einer Verschlechterung der dortigen Luftqualität führen würden. Diese Handlungsalternative hat die Planbehörde daher zu Recht nicht in ihren Planentwurf übernommen.
5.2.3.2.
297 
Die als Handlungsalternative grundsätzlich in Betracht kommenden (ganzjährigen) Verkehrsverbote, die abwechselnd an das Kfz-Kennzeichen (gerade/ungerade) anknüpfen, wurden von der Planbehörde bereits wegen ihres zu geringen NO2-Immissionsminderungs-potenzials (Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen in der Umweltzone um weniger als 4 %; vgl. Dokumentation zum GWG vom April 2017, Bild 6.9, S. 127 sowie S. 39 und 40 des Abschlussberichts zum GWG vom Februar 2017) zu Recht nicht weiterverfolgt. Dies bedarf keiner vertiefenden Darlegungen, nachdem der Kläger der diesbezüglichen Argumentation der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen und auch das Gericht an der Richtigkeit der genannten Feststellungen der Gutachter keine Zweifel hat.
298 
5.2.3.3. Auch die weiter in Betracht gezogene City-Maut kann bei der von den Gutachtern des Beklagten im Gesamtwirkungsgutachten untersuchten Ausgestaltung (5 Euro/Einfahrt in die Umweltzone; vgl. im Einzelnen Dokumentation zum GWG vom April 2017, S. 9, Ziffer 3.2.1.2) nicht als gleich geeignete Handlungsalternative eingestuft werden, weil diese nach den Feststellungen der Gutachter lediglich zu einer geringen Reduzierung der NOx-Emissionen des Straßenverkehrs in Höhe von 7 % führen würde (vgl. Abschlussbericht zum GWG vom Februar 2017, Bild 5.4, Seite 46). Der immissionsseitige Wirkungsgrad dieser Handlungsalternative bleibt damit deutlich hinter dem Wirkungsgrad des im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 vorgesehenen Verkehrsverbotes zurück (vgl. Dokumentation zum GWG vom April 2017, Bild 6.9, S. 127; Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen in der Umweltzone durch die Maßnahme M22/City-Maut um ca. 42 % und im Talkessel um ca. 80 % gegenüber den 94,6 % in der Umweltzone durch das Verkehrsverbot).
299 
Ob die Erhebung einer solchen City-Maut zur Durchsetzung von Zielen der Luftreinhaltung überhaupt zulässig wäre und auf die §§ 47 i. V. m. 40 BImSchG gestützt werden könnte oder vielmehr einer vorherigen entsprechenden Gesetzesinitiative des Landesgesetzgebers bedürfte, kann daher ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob der Beklagte zu einer solchen Gesetzesinitiative zur Schaffung des rechtlichen Rahmens für die Einführung einer City-Maut rechtlich verpflichtet wäre.
5.2.3.4.
300 
Für die weiter alternativ in Betracht gezogene Einführung einer Nahverkehrsabgabe für das Stadtgebiet oder die Region Stuttgart gelten die Ausführungen zur „City-Maut“ entsprechend, weil auch diese Maßnahme mit einem NO2-Emissionsminderungspotenzial von lediglich 2 bis maximal 4 % (vgl. Abschlussbericht zum GWG vom Februar 2017, a.a.O.) keine gleichwertige Handlungsalternative zu dem im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 vorgesehenen Verkehrsverbot darstellt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf daher ebenfalls keiner weiteren Betrachtung.
301 
5.2.3.5. Bei der zuletzt noch in die Diskussion gebrachten „Nachrüstlösung“ für die vom Verkehrsverbot betroffenen Diesel-Kraftfahrzeuge der Stufe Euro 5 handelt es sich bereits in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich um keine im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG gleichwertige Handlungsalternative zum Verkehrsverbot. Denn insoweit hat die zuständige Gutachterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Rückfrage des Gerichts bestätigt, dass der immissionsseitige Wirkungsgrad dieser „Nachrüstlösung“ bei maximal 9 % bezogen auf das Jahr 2020 liege.
302 
Dabei ist die Gutachterin bei ihrer Berechnung davon ausgegangen, dass 50 % der Diesel-Kraftfahrzeuge der Stufe Euro 5 nachrüstbar sind, 100 % dieser Diesel-Kraftfahrzeuge bis 2020 auch tatsächlich nachgerüstet werden und jede dieser Nachrüstungen zu einer Reduzierung der realen Emissionen im Straßenverkehr um 50 % führe.
303 
Von diesen von der Gutachterin angenommenen Prämissen ist jedoch bereits die Annahme, dass im Rahmen freiwilliger Nachrüstaktionen - wie auch immer diese konkret aussehen mögen - bis 2020 alle nachrüstbaren Diesel-Kraftahrzeuge tatsächlich freiwillig nachgerüstet werden, wenig wahrscheinlich.
304 
Hinzu kommt, dass die Planbehörde eine eventuelle Bereitschaft der Betroffenen zur Umrüstung ihrer Kraftfahrzeuge mit der jetzt im Planentwurf vorgesehenen Maßnahme M1 zusätzlich konterkariert, wenn sie diesen mit dem darin genannten (frühestmöglichen) Umsetzungszeitpunkt 01.01.2020 bereits jetzt zu erkennen gibt, dass sie auch mit ihren nicht nachgerüsteten Diesel-Kraftfahrzeugen auf jeden Fall bis zum 01.01.2020 in der Umweltzone Stuttgart fahren dürfen und vorher nicht mit einem Verkehrsverbot rechnen müssen.
305 
Soweit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese „Nachrüstlösung“ möglicherweise auch nur aus Software-Updates bestehen wird, dürfte die damit zu erwartende Abgasreduzierung auch nicht bei den von der Gutachterin angenommen 50 %, sondern lediglich in einer Größenordnung von ca. 25 % bis maximal 30 % und der damit verbundene Wirkungsgrad folglich aller Voraussicht nach deutlich unter 9 % liegen.
306 
Doch selbst wenn man den von der Gutachterin ermittelten Wirkungsgrad trotz der vorgenannten erheblichen Bedenken als richtig unterstellen würde, handelt es sich bei der „Nachrüstlösung“ selbst mit diesem maximal denkbaren Wirkungsgrad von 9 % um keine gleichwertige Handlungsalternative zu dem genannten Verkehrsverbot, da dessen Wirkungsgrad um ein Vielfaches höher liegt.
307 
Davon geht auch der Beklagte aus, dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt haben, dass mit der „Nachrüstlösung“ eine Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte nicht erreicht werden kann, sondern hierfür die „Blaue Plakette“, also das in M1 beschriebene Verkehrsverbot erforderlich ist.
308 
Bei dieser Sachlage würde die Planbehörde mit einer Entscheidung für die „Nachrüstlösung“ unter gleichzeitiger Verschiebung des Verkehrsverbotes bis mindestens 01.01.2020 den bereits seit über 7,5 Jahre andauernden rechtswidrigen Zustand der erheblichen Überschreitung der Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte in der Umweltzone Stuttgart aber um mindestens weitere 2,5 Jahre verlängern, anstatt diesen rechtswidrigen Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Da der Planbehörde der zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte unzureichende Wirkungsgrad der „Nachrüstlösung“ auch bekannt ist, würde sie damit zugleich in Kenntnis der Sachlage ihren sich aus dem Minimierungsgebot des § 47 Abs. 1 BImSchG ergebenden gesetzlichen Handlungspflichten zuwiderhandeln.
309 
Bei dieser Sachlage steht die „Nachrüstlösung“ der Planbehörde nach derzeitigem Erkenntnisstand bereits aus tatsächlichen Gründen nicht als Handlungsalternative zu dem Verkehrsverbot zur Verfügung.
310 
Hinzu kommt, dass es sich bei der „Nachrüstlösung“ auch in rechtlicher Hinsicht um keine gleichwertige Handlungsalternative handelt, für die sich die Planbehörde bzw. der Beklagte im vorliegenden Fall anstelle des Verkehrsverbotes entscheiden kann. Denn bei der genannten „Nachrüstlösung“ handelt es sich ausschließlich um freiwillige Aktivitäten von Seiten der Automobilindustrie und der betreffenden Kraftfahrzeug-Eigentümer, auf welche die Planbehörde im Rahmen der beabsichtigten Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart keinerlei verbindlichen Einfluss nehmen kann, weil die Planbehörde keine Befugnisse besitzt, eine Nachrüstung von Kraftfahrzeugen in hoheitlicher Form wie beispielsweise im Wege eines behördlichen Bescheides rechtlich verbindlich zu machen.
311 
Davon geht die Planbehörde selbst aus (vgl. Klageerwiderung vom 13.07.2017, Ziffer 2.1, S. 3). Sie beabsichtigt deshalb auch nicht, eine entsprechende Luftreinhaltemaßnahme in den Planentwurf zur 3. Fortschreibung aufzunehmen, welche die genannte „Nachrüstlösung“ zum Gegenstand hat. Die Nachrüstlösung kann daher auch in rechtlicher Hinsicht nicht als Handlungsalternative zu dem genannten Verkehrsverbot eingestuft werden, der die Planbehörde im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans den Vorzug geben könnte.
312 
5.2.4. Gegen die Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes im engeren Sinne (Angemessenheit) bestehen im Grundsatz ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
313 
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat die Planbehörde eine Abwägung der durch die beabsichtigte Luftreinhaltemaßnahme betroffenen Belange vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sind dementsprechend das Ziel des Verkehrsverbotes (Schutz der menschlichen Gesundheit der Bewohner der Umweltzone) und die nachteiligen Auswirkungen des Verkehrsverbotes für die davon betroffenen Verkehrsteilnehmer (z. B. Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit) zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Dabei gilt generell, dass das mit der Maßnahme verfolgte Ziel umso gewichtiger und dringlicher sein muss, je intensiver die Maßnahme in die Grundrechte der Betroffenen eingreift. Ergibt die vorzunehmende Interessengewichtung und -abwägung, dass die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt, ist diese auch als angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne einzustufen.
314 
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze begegnet die von der Planbehörde im Planentwurf zur 3. Fortschreibung vorgenommene Abwägung keinen rechtlichen Bedenken. Die Planbehörde hat ausweislich des vorgelegten Planentwurfs zur 3. Fortschreibung die bislang ermittelten Belange der Betroffenen gewichtet und in die Abwägung eingestellt. Dabei hat sie den Schutz der Gesundheit der betroffenen Wohnbevölkerung höher gewichtet, als die Interessen der betroffenen Verkehrsteilnehmer. Denn die Planbehörde hat im Planentwurf mit ihren Ausführungen in Ziffer 6.2.1.7 zur Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) ausdrücklich festgestellt (vgl. a.a.O., S. 76), dass
315 
„die geplante Erweiterung der Umweltzone um eine weitere Schadstoffgruppe die betroffenen Verkehrsteilnehmer nicht in unangemessener Weise belaste“ (…)
und
(…) „es zum Schutz der menschlichen Gesundheit sachgerecht erscheine, den Nutzern von weniger schadstoffarmen Fahrzeugen einen Beitrag zur Minderung dieser Schadstoffbelastung abzuverlangen“ (…) „da Stickstoffdioxid die Gesundheit schädigen könne“ (…)
316 
Dementsprechend hat der Beklagte zuvor auch bereits in seiner Klageerwiderung vom 17.02.2017 ausdrücklich außer Streit gestellt, dass
317 
„der Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der von den Immissionen Betroffenen höher zu gewichten sei, als die von dem Verkehrsverbot betroffenen Rechtsgüter des Fahrzeugführers (Eigentum und allgemeine Handlungsfreiheit)“.
318 
In Bezug auf die mit dem Verkehrsverbot verbundenen Mobilitätseinschränkungen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer hat der Beklagten-Vertreter im Klagerwiderungsschriftsatz vom 28.02.2017 ausdrücklich eingeräumt, dass
319 
„der Käufer eines Kraftfahrzeuges mit diesem Kauf weder ein geschütztes Vertrauen geschweige denn ein Recht erwirbt, mit diesem Kraftfahrzeug jederzeit überall hinfahren zu dürfen.“
320 
Diese Ausführungen und die bislang von der Planbehörde vorgenommene Abwägungsentscheidung lassen keine Abwägungsfehler erkennen. Denn es steht außer Zweifel, dass dem mit dem Verkehrsverbot zu schützenden Rechtsgut der menschlichen Gesundheit grundsätzlich ein auch verfassungsrechtlich gewährleistetes, hohes Gewicht zukommt. Ebenso unzweifelhaft ist, dass in dieses Rechtsgut durch die im Bereich der Umweltzone Stuttgart festgestellten, zum Teil ganz erheblichen und langjährigen Überschreitungen der zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgesetzten NO2-Immissionsgrenzwerte auch in erheblichem Maße eingegriffen wird. Denn es ist allgemein anerkannt, dass zu hohe Stickstoffdioxid-Konzentrationen geeignet sind, die menschliche Gesundheit erheblich zu beeinträchtigen, weil Stickoxide in der Umwelt u. a. für die Zunahme sowohl von Atemwegs- als auch von Herz- und Kreislauferkrankungen mitverantwortlich gemacht werden und für bestimmte Personengruppen (z.B. Kinder, Asthmatiker, etc.) ein zusätzliches Gesundheitsrisiko darstellen.
321 
Dem stehen keine von der Planbehörde ermittelten Belange der vom Verkehrsverbot betroffenen Verkehrsteilnehmer gegenüber, die erkennbar höher zu gewichten wären, als diese Gesundheitsinteressen der Wohnbevölkerung. Die Planbehörde hat daher den Schutz der Wohnbevölkerung in der Umweltzone Stuttgart (ca. 600.000 Einwohner) vor fortdauernden, massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen durch zu hohe Stickstoffdioxid-Konzentrationen zu Recht höher gewichtet, als die mit dem Verkehrsverbot einhergehenden Mobilitätseinschränkungen und sonstigen Nachteile für die davon betroffenen Verkehrsteilnehmer (unter Berücksichtigung der Ausnahmekonzeption ca. 80.000; im Ergebnis ebenso: BayVGH, a.a.O., Rn 154).
322 
Soweit sich das Verkehrsverbot gegenüber einzelnen Betroffenen oder Emittentengruppen aufgrund besonderer Umstände als unzumutbar erweisen kann, ist es der Planbehörde unbenommen, solchen „Härtefällen“ durch entsprechende Befreiungs- und Ausnahmetatbestände im Luftreinhalteplan (vgl. auch bereits Ausnahmekonzeption im Planentwurf zur 3. Fortschreibung sowie unten S. 94) Rechnung zu tragen (vgl. hierzu auch Nds.OVG, Urt. v. 12.05.2011 -12 LC 143/09 - in juris).
323 
Soweit der Beklagte mit den zitierten Feststellungen zur Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes zugleich seine früheren weiteren Einwände gegen die Zumutbarkeit solcher Verkehrsverbote (vgl. im Einzelnen Klageerwiderungsschriftsatz vom 31.03.2016) ausdrücklich aufgegeben hat, bedürfen diese keiner näheren Betrachtung mehr.
324 
5.3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es auch nicht, das zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot generell auf den 01.01.2020 zu verschieben. Dem steht vielmehr das Minimierungsgebot des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG entgegen, wonach die Maßnahmen eines Luftreinhalteplanes geeignet sein müssen, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
325 
Der Rechtsansicht des Beklagten, wonach ein ganzjähriges flächendeckendes Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart unverhältnismäßig sei, wenn dieses vor der „Nachrüstlösung“ bzw. bereits zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werde, zu dem die Zahl der davon betroffenen Kraftfahrzeuge noch mehr als 20 % des in Stuttgart zugelassenen Flottenbestandes betrage, ist nicht zu folgen.
5.3.1.
326 
In Bezug auf die „Nachrüstlösung“ ist die Argumentation des Beklagten bereits in der Sache nicht schlüssig. Denn danach soll der sog. „Nachrüstlösung“ ausnahmslos - also in Bezug auf alle vom Verkehrsverbot betroffenen Emittenten bzw. Emittentengruppen - der Vorzug vor dem Verkehrsverbot gegeben werden, obwohl der Beklagte selbst davon ausgeht, dass von den vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeugen lediglich „50 % der Euro 5-Diesel-Pkw“ und damit insgesamt lediglich ca. ein Drittel der vom Verkehrsverbot insgesamt betroffenen Kraftfahrzeugen überhaupt für eine Umrüstung technisch geeignet sind (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017, S. 1).
327 
Warum es der Beklagte bei dieser Sachlage aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dennoch für geboten hält, auch den Eigentümern von nicht nachrüstbaren Kraftfahrzeugen bis mindestens 01.01.2020 „eine Chance zur Nachrüstung zu geben“, anstatt wenigstens diese Kraftfahrzeuge baldmöglichst mit dem zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte erforderlichen Verkehrsverbot zu belegen, konnten die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel begründen und ist auch für das Gericht nicht nachvollziehbar.
328 
In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob der „Nachrüstlösung“ aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Verkehrsverbot der Vorrang einzuräumen ist, bereits deshalb nicht, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von der Planbehörde lediglich im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zu beachten ist.
329 
Nach dieser Regelung steht der zur Aufstellung eines Luftreinhalteplanes verpflichteten Planbehörde ausschließlich bei der Auswahl und Festlegung der zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte und dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen erforderlichen Maßnahmen ein planerischer Gestaltungsspielraum und damit ein Auswahlermessen in Bezug auf die geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen und deren Adressaten, in dessen Rahmen die Planbehörde neben den jeweiligen Verursacheranteilen der Emittenten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat.
330 
Die Ausübung dieses Auswahlermessens setzt regelmäßig voraus, dass mehrere (mindestens 2) geeignete Luftreinhaltemaßnahmen für eine Aufnahme in den Luftreinhalteplan auch tatsächlich in Betracht kommen und damit zur Auswahl stehen. An dieser Voraussetzung für die Ausübung des Auswahlermessens im Sinne des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG fehlt es jedoch hier, weil es sich nach den Feststellungen der Gutachter im Gesamtwirkungsgutachten lediglich bei dem genannten Verkehrsverbot um eine geeignete Luftreinhaltemaßnahme handelt und eine solche Luftreinhaltemaßnahme zur Umsetzung der sog. „Nachrüstlösung“ jedoch offensichtlich nicht in Betracht kommt (vgl. dazu bereits Ziffer 5.2.3.5.). Die „Nachrüstlösung“ ist damit bereits keine rechtlich gleichwertige Handlungsalternative zu dem genannten Verkehrsverbot, die diesem im Rahmen einer Auswahlentscheidung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgezogen werden könnte.
331 
Soweit die Planbehörde dieser „Nachrüstlösung“, wie sie es in der mündlichen Verhandlung umschrieben hat, dennoch „vorab eine Chance geben will“, würde sie damit zugleich gegen ihre gesetzlichen Pflichten aus § 47 Abs. 1 BImSchG verstoßen, wonach die Planbehörde bei Vorliegen einer Überschreitung der in der 39.BImSchV vorgegebenen Immissionsgrenzwerte nicht nur zwingend verpflichtet ist, einen Luftreinhalteplan aufzustellen oder fortzuschreiben („hat“; vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG), sondern wegen des in § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG normierten Minimierungsgebotes darin auch die zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte geeigneten Maßnahmen festlegen muss.
332 
Die Planbehörde ist bei der bereits vorliegenden Überschreitung der Immissionsgrenzwerte daher weder befugt, die Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart, noch die Umsetzung der darin zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte festzulegenden Luftreinhaltemaßnahmen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, um den vorherigen Ausgang freiwilliger Aktivitäten Dritter abzuwarten.
333 
Die sog. „Nachrüstlösung“ berechtigt die Planbehörde demzufolge bereits unter den vorgenannten rechtlichen Aspekten nicht, den zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte notwendigen Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verkehrsverbotes mit einem pauschalen Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
334 
Doch selbst wenn man dieser rechtlichen Argumentation nicht folgen wollte, fehlt der „Nachrüstlösung“ jedenfalls auch die notwendige tatsächliche Gleichwertigkeit zur Einhaltung des in § 47 Abs. 1 BImSchG normierten gesetzgeberischen Ziels (vgl. hierzu bereits unter Ziffer 5.2.3.5.).
335 
Aus den obigen Ausführungen folgt freilich nicht, dass künftige Nachrüstmöglichkeiten, die einen mit dem Verkehrsverbot vergleichbaren Wirkungsgrad besitzen, im Rahmen des von der Planbehörde noch zu erstellenden Handlungskonzepts zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart völlig außer Betracht zu bleiben hätten. Wie bereits dargelegt, hat die Planbehörde gemäß § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG zwar keinen Handlungsspielraum, die Fortschreibung des Luftreinhalteplans und das Verkehrsverbot wegen eventuell möglicher Nachrüstungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn die zulässigen Immissionsgrenzwerte bereits seit langer Zeit überschritten sind, wie dies in der Umweltzone Stuttgart der Fall ist. Sie hat aber die Möglichkeit, eventuelle Nachrüstmöglichkeiten bei ihrer Entscheidung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG, gegen welche Emittenten bzw. Emittentengruppen sie das Verkehrsverbot unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festgelegt, zu berücksichtigen. Denn es liegt auf der Hand, dass gerade die Nachrüstung von „jüngeren“ Diesel-Kraftfahrzeugen die Betroffenen weniger belasten kann, als die mit dem Verkehrsverbot verbundenen Nachteile.
336 
Es steht der Planbehörde daher frei, im Rahmen der Planaufstellung zu prüfen, ob bei technisch nachrüstbaren Kraftfahrzeugen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht eine Nachrüstmöglichkeit als „milderes“ Mittel eingeräumt werden muss, bevor auch für diese Kraftfahrzeuge das Verkehrsverbot gilt. Sollte durch solche Nachrüstungen beispielsweise eine Einhaltung des Euro 6-Grenzwertes von 80 mg NOx/km bei einem Teil der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge in absehbarer Zeit tatsächlich technisch möglich sein und der Bundesverordnungsgeber auch die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für den Fortbestand der Straßenverkehrszulassung für solche nachgerüsteten Kraftfahrzeuge zeitnah schaffen, besteht für die Planbehörde bei der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart im Rahmen ihres Auswahlermessens gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG grundsätzlich die Möglichkeit, solche nachrüstbaren Kraftfahrzeuge mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch entsprechende Ausnahmeregelungen im Luftreinhaltungsplan noch für einen befristeten Zeitraum vom Verkehrsverbot auszunehmen, um die entsprechenden Nachrüstungen zu ermöglichen. Die Nachrüstfristen müssten dabei allerdings so bemessen werden, dass das mit dem Verkehrsverbot verfolgte Ziel einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.
337 
Je mehr geeignete Luftreinhaltemaßnahmen die Planbehörde in ihren Planentwurf aufnimmt und je höher deren Gesamtwirkungsgrad ist, umso größer wird auch der Auswahlspielraum der Planbehörde im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG, um den Eigentümern von nachrüstbaren Kraftfahrzeugen noch die Möglichkeit einer Nachrüstung einzuräumen, um dem Verkehrsverbot zu entgehen.
338 
Gleichzeitig würde die Planbehörde mit einer solchen Einbindung der Nachrüstmöglichkeiten in den Luftreinhalteplan und deren Verknüpfung mit dem ansonsten drohenden Verkehrsverbot auf die betroffenen Kraftfahrzeug-Eigentümer auch den notwendigen Druck ausüben, um solche Nachrüstungen tatsächlich zeitnah durchzuführen.
339 
Dieser Möglichkeit, auf - zweifellos sinnvolle - Nachrüstungen hinzuwirken, begibt sich die Planbehörde, wenn sie die sog. „Nachrüstlösung“ - anstatt diese im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 47 BImSchG im Wege einer Regel-Ausnahme-Konstruktion rechtlich mit dem Verkehrsverbot zu verknüpfen - dem Verkehrsverbot nur zeitlich voranstellen und es damit vollständig dem freien Willensentschluss Dritter überlassen will, ob, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Rahmen solche Nachrüstungen stattfinden.
340 
Aus den obigen Ausführungen folgt, dass mögliche Nachrüstungen die Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes nicht in Frage stellen, sondern letztlich sicherstellen, wenn sie von der Planbehörde richtigerweise als Handlungsoption verstanden werden, die den betroffenen Kraftfahrzeug-Eigentümern durch entsprechende Ausnahmeregelungen im Luftreinhalteplan eingeräumt werden können, um das ansonsten zu beachtende Verkehrsverbot abzuwenden.
341 
5.3.2. Soweit der Beklagte seine Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes darüber hinaus an die Zahl der davon betroffenen Emittenten anknüpfen will und dabei zu dem abstrakten Ergebnis kommt, ein solches Verkehrsverbot sei unverhältnismäßig, wenn mehr als 20 % der Verkehrsteilnehmer betroffen seien, kann diesen Überlegungen ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn der Beklagte hat bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, warum das vorliegend zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte geeignete Verkehrsverbot generell und ohne Ansehung der davon konkret betroffenen Kraftfahrzeuge verhältnismäßig sein soll, wenn davon maximal 20 % der zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind und unverhältnismäßig, wenn diese „Obergrenze“ - in welcher Größenordnung auch immer (also auch schon bei 20,1 %?) - überschritten ist.
342 
Auch in der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten-Vertreter keine sachlich nachvollziehbare Begründung für diese sich an der reinen Zahl der betroffenen Adressaten der Maßnahme orientierenden Grenzziehung zwischen Verhältnismäßigkeit und Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme gegeben.
343 
Die Verhältnismäßigkeit einer Luftreinhaltemaßnahme hängt grundsätzlich nicht von der abstrakten Größe des davon betroffenen Adressatenkreises ab, sondern ausschließlich von der jeweiligen konkret-individuellen Betroffenheit der einzelnen Emittenten bzw. Emittentengruppen. Deshalb kann auch der Zeitpunkt der Umsetzung eines Verkehrsverbotes nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abstrakt vom Erreichen einer bestimmten Größe des betroffenen Adressatenkreises abhängig gemacht werden.
344 
Eine Rechtfertigung für eine derart abstrakt festgelegte „Obergrenze“ der betroffenen Adressaten/Emittenten lässt sich insbesondere nicht aus den vom Beklagten im Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017 erstmals vorgetragenen „unzulässigen Verlagerungseffekten in den Umlandgemeinden“ herleiten, die der Beklagte annimmt, wenn die Zahl der vom Verkehrsverbot betroffenen Verkehrsteilnehmer über 20 % liegt.
345 
Der Beklagte hat bislang weder diese angeblichen Ausweichverkehre noch deren negative Auswirkungen auf die Luftqualität in den betroffenen Umlandgemeinden hinreichend belegt. Die hierzu in der mündlichen Verhandlung am 19.07.2017 von den Beklagten-Vertretern vorgelegten zwei Karten vom 17.07.2017 (GWG; Vergleich der Stickstoffdioxid-Jahres-immissionen im Stadtgebiet; Fall 9 (temporär) zu Basis HB 3.3) dokumentieren ausschließlich vereinzelte und zudem überwiegend geringfügige Immissionsgrenzwert-Erhöhungen außerhalb des Umweltzonengebiets infolge eines räumlich beschränkten Verkehrsverbotes im Talkessel Stuttgart. Zu welchen unzulässigen Ausweichverkehren es durch ein flächendeckendes Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart angeblich kommen soll und in welchem Umfang, ist diesen Karten dagegen nicht zu entnehmen. Ebenso wenig hat der Beklagte bereits nachvollziehbar dargelegt, warum diese Ausweichverkehre in den Umlandgemeinden gerade dann das zulässige Maß überschreiten sollen, wenn von dem Verkehrsverbot in der Umweltzone mehr als 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen ist. Dieses unsubstantiiert gebliebene Vorbringen des Beklagten ist daher in dieser Form einer weiteren Erörterung nicht zugänglich.
346 
Es bedurfte insoweit aber auch keiner weiteren Tatsachenerhebungen durch das Gericht, denn selbst wenn es durch eine Einführung des Verkehrsverbotes zu nennenswerten Ausweichverkehren in den Umlandgemeinden kommen sollte, berechtigten diese die Planbehörde nicht dazu, die Festlegung des Verkehrsverbotes in der Umweltzone zu unterlassen oder deswegen dessen Umsetzungszeitpunkt zu verschieben. In diesem Falle wäre die Planbehörde vielmehr verpflichtet, diese Ausweichverkehre durch geeignete weitere Planmaßnahmen (wie z.B. durch eine Ausdehnung des Verkehrsverbotes auf die betroffenen Umlandgemeinden) auf ein zulässiges Maß zu reduzieren.
347 
Diese Vorgehensweise zur Unterbindung unzulässiger Ausweichverkehre ist der Planbehörde auch bekannt, denn sie ist bei der Festlegung der Maßnahme M2b den von den Gutachtern festgestellten Ausweichverkehren innerhalb der Umweltzone Stuttgart ebenfalls bereits dadurch begegnet, dass sie den Geltungsbereich des Verkehrsverbotes M2b richtigerweise auf diese Ausweichstrecken ausgedehnt hat. Mit solchen Ausweichverkehren lässt sich die vom Beklagten abstrakt festgelegte „Obergrenze“ folglich ebenfalls nicht sachlich begründen.
348 
Die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes, die allein an das Überschreiten einer abstrakt festgelegten, zahlenmäßigen „Obergrenze“ der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge bzw. Verkehrsteilnehmer anknüpft, ist auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar.
349 
Abzulehnen ist diese Rechtsansicht des Beklagten bereits deshalb, weil sie - wie schon die Überlegungen des Beklagten zum Vorrang der Nachrüstlösung - wiederum auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des § 47 BImSchG beruht. Es wurde bereits dargelegt, dass die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Aufstellung von Luftreinhaltungsplänen wie vom Gesetzgeber in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vorgesehen auf den Bereich des Auswahlermessens beschränkt ist.
350 
Zwar führt auch die Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Auswahlermessens nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG im Ergebnis letztlich zu einer konkreten Zahl der von einer Maßnahme in zumutbarer Weise betroffenen Emittenten. Diese Zahl der von der Maßnahme betroffenen Emittenten ist bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen Auswahlermessens aber lediglich das (zufällige) Resultat der Prüfung, ob sich die Maßnahme gegenüber jedem von der Maßnahme betroffenen Emittenten bzw. Emittentenkreis als verhältnismäßig erweist. Diese Zahl kann daher bei richtiger Rechtsanwendung nicht unabhängig von dieser Prüfung im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG vorab auf einen willkürlich gewählten Prozentsatz festgelegt werden.
351 
Rechtlichen Bedenken begegnet diese Vorgehensweise der Planbehörde im vorliegenden Fall außerdem deshalb, weil sie unberücksichtigt lässt, dass von dem Verkehrsverbot kein nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einheitlich zu behandelnder Adressatenkreis betroffen ist. Denn das Verkehrsverbot betrifft im Wesentlichen Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren der Eurostufen Euro 1 und 2 sowie Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Eurostufen Euro 3, 4 und 5 und damit also die Eigentümer von Kraftfahrzeugen unterschiedlicher Schadstoffklassen. Das Verkehrsverbot trifft damit - gewissermaßen am „unteren“ Ende seines Adressatenspektrums - sowohl Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren der Stufen Euro 1 und Euro 2 mit geregeltem Katalysator ab dem Baujahr 01.01.1993, ebenso Dieselmotoren der Eurostufe 3 mit Partikelfilter oder Eurostufe 4 ab dem Baujahr 01.01.2006 als auch - am „oberen“ Ende des Adressatenspektrums - die zum Teil noch erheblich jüngeren Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der seit 2009 geltenden Eurostufe 5.
352 
Es liegt damit auf der Hand, dass von dem Verkehrsverbot nach Abgasverhalten, Alter, Fahrleistung und ihrem wirtschaftlichen Wert sehr unterschiedliche Kraftfahrzeuge betroffen und damit auch die rechtlich geschützten Interessen der Betroffenen durch das Verkehrsverbot nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unterschiedlich zu beurteilen sind. Dabei ist das Verkehrsverbot für die betroffenen Adressaten regelmäßig umso zumutbarer und damit nicht unverhältnismäßig (im engeren Sinne), je höher das Alter und die Fahrleistung und je geringer der Restwert des betroffenen Kraftfahrzeuges ist.
353 
Hieraus folgt, dass die Verhältnismäßigkeit eines Verkehrsverbotes, das wie im vorliegenden Fall keinen einheitlich zu behandelnden Adressatenkreis betrifft und dessen Nachteile für die davon betroffenen einzelnen Emittenten bzw. Emittentengruppen demzufolge sehr unterschiedlich sein können, nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG für jede dieser Emittentengruppen gesondert zu prüfen und festzustellen ist und nicht durch eine von der Planbehörde rein zahlenmäßige bestimmte „Obergrenze“ ohne Ansehung der einzelnen Emittenten bzw. Emittentengruppen abstrakt vorab festgelegt werden kann.
354 
Hinzu kommt, dass die Planbehörde nicht die Absicht hat, dieses für den Umsetzungszeitpunkt des Verkehrsverbotes maßgebliche Kriterium der Größe des betroffenen Adressatenkreises uneingeschränkt, d.h. zu Gunsten aller von der Planfortschreibung betroffenen Interessengruppen anzuwenden. Denn die Beklagten-Vertreter bestätigten hierzu auf Rückfrage in der mündlichen Verhandlung, dass eine Umsetzung des Verkehrsverbotes M1 frühestens dann in Betracht komme, wenn die Zahl der davon betroffenen Kraftfahrzeuge höchstens 20 % des Flottenbestandes Stuttgart betrage. Für den Fall, dass dieser Prozentsatz durch eine schnellere Flottenerneuerung als bislang prognostiziert bereits vor dem 01.01.2020 erreicht werde, verbleibe es allerdings bei dem Umsetzungsdatum 01.01.2020, ein früheres Inkrafttreten des Verkehrsverbotes M1 sei unter keinen Umständen beabsichtigt.
355 
Diesen Einlassungen lässt sich damit entnehmen, dass der Beklagte diese Anknüpfung des Umsetzungszeitpunktes des Verkehrsverbotes an eine bestimmte Größe des betroffenen Adressatenkreises ausschließlich heranziehen will, um den Umsetzungszeitpunkt des Verkehrsverbotes „auf später“ zu verschieben. Mit dieser Zielrichtung, die Umsetzung des Verkehrsverbotes ausschließlich auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, nicht jedoch gegebenenfalls auch vorzuziehen, erweist sich das genannte Umsetzungskriterium als rechtlich unzulässig.
356 
5.3.3. Sonstige Umstände, die eine generelle Verschiebung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes auf (mindestens) 01.01.2020 aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebieten könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere sind auch keine schutzwürdigen Interessen der vom Verkehrsverbot betroffenen Verkehrsteilnehmer an einer solchen Verschiebung erkennbar, die nicht im Rahmen der Ausnahmekonzeption des Luftreinhalteplanes berücksichtigt werden können und höher zu gewichten sind, als das legitime Interesse der Bewohner der Umweltzone, vor den Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit durch die fortdauernden und erheblichen Überschreitungen der zulässigen Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich geschützt zu werden.
357 
6. Nach alledem ist der Beklagte zu verurteilen, den Luftreinhalteplan Stuttgart so fortzuschreiben, dass er den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG genügt. Dabei ist das Gericht darauf beschränkt, den Beklagten zu verpflichten, Maßnahmen zu treffen, mit denen die schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsschutzziele gewährleistet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.09.2013 - 7 C 21/12 -; vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.11.2014, - C-404/13 -; beide in juris), wie es dem Antrag des Klägers entspricht.
III.
358 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen waren aus Gründen der Billigkeit nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen eigenen Antrag gestellt und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
IV.
359 
Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ausschließlich wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da das Gericht seine Entscheidung auf der Tatsachenebene ausschließlich auf den Tatsachenvortrag des Beklagten und die von diesem vorgelegten Unterlagen gestützt hat.
360 
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 134 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen (Bundes-)Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.07.2016 - 1 B 85.16 -, in juris). Dieser Zulassungsgrund ist hier zu bejahen, weil die Rechtssache grundsätzliche Rechtsfragen der Anwendung von bundesgesetzlichen Vorschriften des Luftreinhalterechts und der Auslegung einer Rechtsverordnung des Bundes aufwirft, die über den konkreten Fall hinaus von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht geklärt sind.
361 
Beschluss vom 26. Juli 2017
362 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
30.000,00 EUR
festgesetzt (in Anlehnung an die Ziffern 1.2 und 34.4 des Streitwertkatalogs 2013).

Gründe

 
136 
Die Klage ist zulässig (I.) und hat auch in der Sache Erfolg (II.).
I.
137 
Die Klage ist zulässig.
138 
1. Sie ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, weil das Begehren des Klägers auf die Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart gerichtet ist und dieser Luftreinhalteplan nicht als Verwaltungsakt, sondern als „verwaltungsinterner Handlungsplan“ zu qualifizieren (so bereits VG Stuttgart, Beschl. v. 14.08.2009, - 13 K 511/09 - in juris) und seiner Rechtsnatur nach daher einer Verwaltungsvorschrift ähnlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, - 7 C 21/12 - in juris).
139 
2. Der vom Kläger gestellte Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt und genügt damit den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Denn dem Antrag ist zu entnehmen, welches konkrete Klageziel der Kläger erreichen will, nämlich die Fortschreibung/Ergänzung des Luftreinhalteplans Stuttgart um Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass die Immissionsgrenzwerte für NO2 so schnell wie möglich eingehalten werden. Zu Recht hat der Kläger den Klagantrag - im Sinne eines Bescheidungsantrages - auch auf die mit den festzulegenden Luftreinhaltemaßnahmen bezweckten Ziele (schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsgrenzwerte) beschränkt, weil § 47 BImSchG den nach Landesrecht für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen zuständigen Behörden bei der Auswahl und Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen in Luftreinhalteplänen einen planerischen Gestaltungsspielraum einräumt und es den Gerichten daher im Regelfall verwehrt ist, die zuständigen Behörde zur Festlegung konkreter Maßnahmen zu verpflichten.
140 
3. Der Kläger besitzt als ein nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannter Umweltverband die gem. § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, denn ihm steht in dieser Funktion das Recht zu, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen (so ebenfalls bereits BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.)
II.
141 
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der seit mindestens 2010 überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart führen.
142 
Anspruchsgrundlage für das entsprechende Begehren des Klägers ist § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift hat die zuständige Behörde (hier: das Regierungspräsidium Stuttgart; im Weiteren: Planbehörde) einen Luftreinhalteplan aufzustellen, wenn die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden. Die aufgrund von § 48a Abs.1 BImSchG erlassene 39.BImSchV dient der Umsetzung der Richtlinien 2008/50/EG und 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe. Gemäß § 27 Abs. 1 der 39.BImSchV ist ein Luftreinhalteplan für ein Gebiet oder einen Ballungsraum aufzustellen, wenn der Immissionsgrenzwert für einen Schadstoff in der Luft zuzüglich einer dafür geltenden Toleranzmarge in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum überschritten wird. Dieser Luftreinhalteplan muss die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegen und den Anforderungen der Rechtsverordnung entsprechen.
143 
Nach den §§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG und 27 Abs. 2 der 39.BImSchV müssen die festgelegten Maßnahmen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Damit normiert § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz 1 der RL 2008/50/EG einezeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte, die nicht zur Disposition der Planbehörde steht. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das durch die Immissionsgrenzwerte festgelegte zumutbare Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Planbehörde bei der Aufstellung bzw. Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans und der Auswahl der geeigneten Maßnahmen ausrichten. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert demnach eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele (so BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.).
144 
Die Planbehörde hat deshalb im Rahmen eines Gesamtkonzepts, das die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zum Ziel haben muss, zunächst die zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte grundsätzlich geeigneten Maßnahmen zu ermitteln, deren Wirksamkeit (Emissionsminderungspotenzial) prognostisch zu quantifizieren und danach in einem weiteren Schritt zu prüfen und auszuwählen, welche der grundsätzlich in Betracht kommenden Maßnahmen zu ergreifen sind, um zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der verbindlichen Grenzwerte zu gelangen. Es reicht daher regelmäßig nicht aus, wenn sich die Planbehörde im Rahmen ihrer Planung mit einzelnen Maßnahmen beschäftigt und diese sogar in ihren Luftreinhalteplan aufnimmt, dabei aber offen lässt, ob und wann mit diesen Maßnahmen das Gesamtziel erreicht sein wird (ebenso VG Sigmaringen, Urt. v. 22.10.2014 - 1 K 154/12 – in juris).
145 
Bei der Auswahl der Maßnahmen ist schließlich § 47 Abs. 4 BImSchG zu beachten, wonach die Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind, die zum Überschreiten der Immissionsgrenzwerte beitragen.
146 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Planbehörde verpflichtet, den bestehenden Luftreinhalteplan Stuttgart fortzuschreiben, weil die in der 39. BImSchV vorgegebenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart bislang nicht eingehalten werden (dazu unter 1.).
147 
Mit dem vorgelegten Planentwurf der „3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplanes zur Minderung der PM10- und NO2-Belastungen“ vom Mai 2017 kommt die Planbehörde dieser Verpflichtung bislang nicht im gebotenen Umfang nach (dazu unter 2.).
148 
Es ist jedoch möglich, die überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart einzuhalten, weil eine solche Einhaltung nach den Feststellungen der Gutachter des Beklagten im Gesamtwirkungsgutachten jedenfalls durch weitergehende Verkehrsbeschränkungen tatsächlich erreichbar ist (dazu unter 3.).
149 
Solche weitergehenden Verkehrsbeschränkungen können mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts auch in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden (dazu unter 4.).
150 
Sie begegnen auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken und verstoßen insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu unter 5.).
151 
1. Die Planbehörde ist gemäß § 47 Abs. 1 BImSchG verpflichtet, den bestehenden Luftreinhalteplan Stuttgart aus dem Jahr 2005 in der Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 fortzuschreiben.
152 
Nach § 3 Abs. 1 der am 12.09.2002 in Kraft getretenen und bis zum 05.08.2010 gültigen 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (BGBl. I, S. 3626; im Weiteren: 22.BImSchV 2002), mit der u. a. die Richtlinie des Rates 80/779/EWG vom 15. Juli 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebstaub (ABl. EG Nr. L 229, S. 30) und die Richtlinie 1999/30/EG vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffdioxid, Partikel und Blei in der Luft (ABl. EG Nr. L 163, S. 41) in deutsches Recht umgesetzt wurden, war im Bundesgebiet zum Schutz der menschlichen Gesundheit bereits ab dem 01.01.2005 bis zum 31.12.2009 ein Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 200 µg/m³ (98-Prozent-Wert der Summenhäufigkeit, berechnet aus den während eines Jahres gemessenen Mittelwerten über eine Stunde oder kürzere Zeiträume) einzuhalten.
153 
Gemäß § 3 Abs. 2 und 4 der 22.BImSchV gilt seit dem 01.01.2010 ein Stundengrenzwert für NO2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 Überschreitungstagen im Kalenderjahr und ein über das Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³.
154 
Seit dem Inkrafttreten der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (im Weiteren: 39.BImSchV), welche die 22.BImSchV 2002 abgelöst hat und mit der die Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11.06.2008, S. 1), die Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. L 23 vom 26.1.2005, S. 3) sowie die Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (ABl. L 309 vom 27.11.2001, S. 22) in nationales Recht umgesetzt wurden, ergeben sich die o. g. Immissionsgrenzwertes für NO2 aus § 3 Abs. 1 und 2 der 39. BImSchV und der Anlage 11 Abschnitt B hierzu.
155 
Dieser in § 3 Abs. 2 und in Anlage 11 Abschnitt B der 39.BImSchV zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte und seit dem 01.10.2010 geltende Jahresmittelwert für NO2 von 40 µg/m³ wird nach wie vor (bis einschließlich 2016) an mehreren Messstationen in der Umweltzone Stuttgart (z. B. Arnulf-Klett-Platz, Hohenheimer Straße und Am Neckartor) nicht eingehalten. Dasselbe gilt für den in § 3 Abs. 1 und in Anlage 11 Abschnitt B der 39.BImSchV festgelegten Stundengrenzwert für NO2 in Höhe von 200 µg/m³ bei maximal 18 Überschreitungstagen im Kalenderjahr, der jedenfalls an der Messstation Am Neckartor nach wie vor nicht eingehalten wird.
156 
Dies wird durch die an den genannten Messstationen erhobenen Messwerte belegt, ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig und bedarf daher keiner vertiefenden Darlegung.
157 
2. Dieser Verpflichtung gem. § 47 Abs. 1 BImSchG ist die Planbehörde mit dem Planentwurf zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom Mai 2017 jedoch nicht nachgekommen, weil die in diesen Planentwurf aufgenommenen Vorhaben M1 bis M20 weder allein noch gemeinsam geeignet und ausreichend sind, die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen NO2-Immissionsgrenzwerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt sicherzustellen.
158 
Von den in M1, M2a, M2b und M2c geregelten Verkehrsverboten kann nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keines als geeignete und ausreichende Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
159 
Für das Verkehrsverbot M1 folgt dies daraus, dass dieses nach dem Willen des Plangebers nicht vor dem 01.01.2020 umgesetzt werden soll und deshalb bereits wegen dieses späten Umsetzungszeitpunktes zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte nichts beitragen kann.
160 
Für die Verkehrsverbote M2 a, M2b und M2c gilt dies deshalb, weil die Umsetzung dieser Verkehrsverbote ausnahmslos an weitere Bedingungen geknüpft ist, deren Eintritt bereits zum heutigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden kann (M2a und M2b) oder zumindest ungewiss ist (M2c). Soweit eine Umsetzung des Verkehrsverbotes M2c zum 01.01.2018 zumindest noch denkbar ist, ist dieses jedenfalls auch wegen seines geringen Wirkungsgrades offensichtlich ungeeignet im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
161 
Soweit die im Planentwurf im Einzelnen beschriebenen beabsichtigten Vorhaben zur Verbesserung der Luftqualität nicht von den Trägern öffentlicher Verwaltung (insbesondere Behörden) durch entsprechende hoheitliche Anordnungen und Entscheidungen durchgesetzt, sondern von außerhalb der Landesverwaltung stehenden Dritten realisiert werden sollen (M3 bis M6, M7 bis M10, M12 bis M15 und M17 bis M19) und die nach § 47 BImSchG zuständige Planungsbehörde nicht durch entsprechende (z. B. vertragliche) Vereinbarungen mit diesen Dritten rechtsverbindlich sichergestellt hat, dass die beabsichtigten Vorhaben auch tatsächlich durchgeführt werden, können diese Vorhaben mangels einer verbindlichen Verpflichtung der betreffenden Umsetzungsadressaten zu Umsetzung dieser Vorhaben bereits begrifflich nicht als Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG eingestuft werden.
162 
Doch selbst wenn man auch diejenigen Vorhaben, auf deren Realisierung die Planbehörde in sonstiger Weise Einfluss genommen hat und deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich realisiert werden, noch als Luftreinhaltemaßnahmen „im weitesten Sinne“ einstufen könnte, liegen deren Immissionsminderungspotenziale an den einzelnen Messstationen selbst bei großzügiger Bewertung maximal in einer Größenordnung von ca. 10 %.
163 
Soweit die im Planentwurf dargestellten Vorhaben vom Land Baden-Württemberg durchgeführt werden sollen und daher grundsätzlich als Luftreinhaltemaßnahmen eingestuft werden können (M11, M16 und M20; Erhöhung der Zahl der Zugverbindungen und Förderprogramme zur beschleunigten Flottenumstellung bei Fahrzeugen von Pflege- und Lieferdiensten; Erhöhung der Parkgebühren in den Parkhäusern des Landes), liegen die NO2-Immissionsminderungspotenziale dieser Maßnahmen selbst in dem günstigsten - aber eher unwahrscheinlichen - Fall, dass diese bis 2020 tatsächlich vollständig realisiert werden, zusammen bei unter 4 %.
164 
Damit liegt das NO2-Immissionsminderungspotenzial der Vorhaben M3 bis M20 - selbst wenn man diese alle als Luftreinhaltemaßnahmen einstufen könnte - insgesamt bei unter 15 %.
165 
Mit diesem Wirkungsgrad sind die betreffenden Vorhaben bzw. Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichend, um in Bezug auf die überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte zeitnah rechtmäßige Zustände in der Umweltzone Stuttgart herbeizuführen. Es handelt sich deshalb auch bereits aus diesem Grund um keine geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
166 
Im Einzelnen ist zu den Vorhaben M1 bis M20 Folgendes auszuführen:
2.1.
167 
M1: Ab dem 01.01.2020 gilt ein ganzjährige Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge, mit Ausnahme von Fahrzeugen der Stufe 5 gemäß der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35.BImSchV) (Blaue Plakette), vorausgesetzt, die 35.BImSchV ist bis zu diesem Zeitpunkt so verändert, dass sie mindestens eine weitere Stufe (5) der Kennzeichnungsmöglichkeit enthält.
168 
Das in der Maßnahme M1 vorgesehene ganzjährige und in der gesamten Umweltzone Stuttgart geltende Verkehrsverbot soll lediglich unter der Voraussetzung gelten, dass die 35.BImSchV bis zum vorgesehenen Zeitpunkt (01.01.2020) um eine weitere Kennzeichnungsmöglichkeit (sog. Blaue Plakette/ Schadstoffgruppe 5) mit Ottomotoren der Schadstoffklassen Euro 3 bis Euro 5 und für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Schadstoffklasse Euro 6 ergänzt wird.
169 
Darüber hinaus soll das Verkehrsverbot M1 nach dem - im bisherigen Regelungstext der Maßnahme M1 allerdings nicht zum Ausdruck kommenden - Willen der Planbehörde, den die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung jedoch nochmals ausdrücklich bestätigt haben, frühestens dann in Kraft treten, wenn tatsächlich nur noch max. 20 % des Flottenbestandes Stuttgart - gemeint sind wohl die bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge - vom Verkehrsverbot betroffen sind.
170 
Die Regelung ist nach dem Willen der Planbehörde also so zu verstehen, dass das Verkehrsverbot frühestens dann in Kraft treten soll, wenn davon nur noch max. 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind, unter keinen Umständen jedoch vor dem 01.01.2020.
171 
Da es sich bei den vorgenannten „Voraussetzungen“ (Änderung/ Ergänzung der 35.BImSchV durch die Bundesregierung und Zahl der betroffenen Kraftfahrzeuge max. 20 %) um zukünftige Ereignisse handelt, deren Eintritt bzw. Eintrittszeitpunkt ungewiss ist, kommt diesen der Rechtscharakter von „aufschiebenden Bedingungen“ zu (vgl. analog § 158 BGB bzw. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG), an deren Eintritt der Umsetzungszeitpunkt der beabsichtigten Maßnahme unmittelbar geknüpft wird.
172 
Bei einer solchen Verknüpfung einer beabsichtigten Luftreinhaltemaßnahme mit einem zukünftigen, ungewissen Ereignis kommt es bei der Beurteilung der Eignung der Maßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG deshalb entscheidend darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung gerechnet werden kann und bis zu welchem Zeitpunkt. Denn es liegt auf der Hand, dass eine Luftreinhaltemaßnahme, deren Realisierung von einem Ereignis abhängig gemacht wird, dessen Eintritt unwahrscheinlich oder in zeitlicher Hinsicht nicht absehbar ist, bereits aus diesem Grund nicht geeignet ist, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten im Sinne der gesetzgeberischen Zielsetzung des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG zu verkürzen.
173 
Hiervon ausgehend, handelt es sich bei der Maßnahme M1 bereits deshalb um keine geeignete Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, weil nach jetzigem Kenntnisstand keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die für eine Änderung der 35.BImschV und der StVO zuständigen Verordnungsgeber des Bundes - also die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (im Weiteren: BMVI) und das Bundesministerium für Umwelt, Bau, Naturschutz und Reaktorsicherheit (im Weiteren: BMUB) - die konkrete Absicht haben, die 35.BImSchV und die StVO in absehbarer Zeit um eine weitere Kennzeichnungsmöglichkeit bzw. ein Verkehrszeichen mit einer sog. Blauen Plakette (Schadstoffgruppe 5) zu ergänzen.
174 
Es liegt bislang vielmehr lediglich eine entsprechende gegenteilige Rückäußerung des BMVI vor, in welcher der vom Verkehrsministerium des Beklagten geäußerten Rechtsansicht, wonach zur Verhängung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge zur Verringerung von Feinstaub und Stickoxid in Stuttgart die Einführung einer Blauen Plakette erforderlich sei, ausdrücklich widersprochen und zum Ausdruck gebracht wird, dass die in der StVO vorgesehenen Kennzeichnungsmöglichkeiten für weitergehende Verkehrsverbote in Umweltzonen wie in Stuttgart ausreichend seien (vgl. im Einzelnen Schreiben des BMVI vom 11.03.2016, Blatt 337 der Gerichtsakte).
175 
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsansicht des BMVI ist daher gegenwärtig nicht absehbar, ob und wann die von der Planbehörde für die Umsetzung der Maßnahme M1 formulierte (Vor)Bedingung eintreten wird. Bereits aus diesem Grund kann die Maßnahme M1 zum jetzigen Zeitpunkt nicht als geeignete Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
176 
Doch selbst wenn das BMVI seine Rechtsansicht in absehbarer Zeit aufgeben und die genannten Verordnungsgeber eine Blaue Plakette einführen würden, steht die Maßnahme M1 immer noch unter dem 2. Umsetzungsvorbehalt der Planbehörde, der im Ergebnis dazu führt, dass selbst bei Vorliegen einer Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer Blauen Plakette die Maßnahme M1 erst dann – und frühestens am 01.01.2020 - in Kraft treten soll, wenn die Zahl der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge höchstens noch 20 % des Flottenbestandes Stuttgart beträgt.
177 
Die Maßnahme M1 kann deshalb auch wegen dieses 2. Umsetzungsvorbehalts nicht als geeignete Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
178 
Ob die Maßnahme M1 von ihrem Wirkungsgrad her ausreichend wäre, um die Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte sicherzustellen, kann daher an dieser Stelle offen bleiben.
2.2.
179 
M2a: Vorausgesetzt die 35.BImSchV wird noch im Jahr 2017 durch die Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer „Blauen Plakette“ erweitert, gilt ab 01.01.2018 an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verkehrsverbot für alle Fahrzeuge mit Ausnahme von Fahrzeugen mit „Blauer Plakette“ für ein Gebiet auf allen Straßenzügen innerhalb des Stuttgarter Talkessels, auf allen Streckenabschnitten in Stuttgart-Feuerbach und auf einzelnen Streckenabschnitten in Stuttgart-Zuffenhausen.
180 
Bei der Maßnahme M2a handelt es sich ebenfalls bereits deshalb offensichtlich um keine geeignete Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, weil deren Umsetzung ebenfalls an die vorherige Schaffung einer weiteren Kennzeichnungsmöglichkeit (sog. Blaue Plakette) durch die zuständigen Verordnungsgeber anknüpft, und zwar sogar noch im Jahr 2017. Letzteres kann nach den Ausführungen in Ziffer 2.1. jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Diese Maßnahme geht daher bereits aus diesem Grund ins Leere.
181 
Hinzu kommt, dass die Maßnahme auch lediglich temporäre Verkehrsverbote, nämlich nur an Tagen mit Feinstaubalarm für die Kraftfahrzeuge der genannten Eurostufen vorsieht.
182 
Nach den hierzu im Gesamtwirkungsgutachten und im Planentwurf zur 3. Fortschreibung getroffenen Feststellungen der Gutachter des Beklagten, an deren Richtigkeit die Kammer keine Zweifel hat, wird durch dieses temporäre Verkehrsverbot an Tagen mit Feinstaubalarm im Stadtgebiet Stuttgart (Stuttgarter Talkessel, Feuerbach und Teile von Zuffenhausen) die Gesamtstreckenlänge der Straßen, auf denen der zulässige NO2-Jahresmittelgrenzwert überschritten ist, voraussichtlich um lediglich ca. 17 % auf 27,4 km und im Talkessel Stuttgart um 24,2 % auf 9,6 km reduziert. Auch am Neckartor wird das lediglich temporäre Verkehrsverbot nicht zur Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes führen (vgl. im Einzelnen Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 80).
183 
Die Maßnahme M2a ist daher auch von ihrem Immissionsminderungspotenzial allein keine ausreichende Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.3.
184 
M2b: Sollte die 35.BImSchV bis zum 01.01.2018 noch nicht in der o.a. Art zur Verfügung stehen, wird ab 01.01.2018 auf einzelnen bestimmten Straßenabschnitten im Stadtgebiet von Stuttgart an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet.
185 
Zwar kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ausgeschlossen werden, dass bis zum 01.01.2018 eine Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer Blauen Plakette vorliegt (vgl. Ziffer 2.1). Die bei diesem Sachverhalt (ursprünglich) vorgesehene Umsetzung der Maßnahme zum 01.01.2018 ist jedoch von der Planbehörde (inzwischen) nicht mehr beabsichtigt, weil das BMVI die hierfür vorgesehene Beschilderung für rechtlich nicht zulässig hält und sich die Planbehörde an diese Rechtsansicht des BMVI als Rechtsaufsichtsbehörde gebunden fühlt (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017). Dies haben die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung auch nochmals ausdrücklich bestätigt.
186 
Weiter erklärten die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung, dass selbst für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren Düsseldorf die von der Planbehörde vorgesehene und vom BMVI verworfene Beschilderung der Maßnahme M2b noch vor dem 01.01.2018 für rechtlich zulässig erachte, eine Umsetzung der Maßnahme zum 01.01.2018 nicht mehr beabsichtigt sei, weil die Planbehörde inzwischen der sog. „Nachrüstlösung“ den Vorrang vor Verkehrsverboten geben wolle, wenn der Beklagte bis zum 31.12.2017 „entsprechende schriftliche Zusicherungen des BMVI und von Seiten der Automobilindustrie erhalte, dass mit einer Nachrüstung von Diesel-Kraftfahrzeugen der Eurostufe 5 immissionsseitig mindestens dieselben Wirkungen erzielt werden könnten, wie mit den im Luftreinhalteplanentwurf beschriebenen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen“.
187 
Da sowohl der Bundesverkehrsminister als auch zahlreiche Vertreter der Automobilindustrie bereits mehrfach öffentlich geäußert haben, dass sie Verkehrsverbote aus politischen und wirtschaftlichen Gründen für „den falschen Weg“ halten, kann die Abgabe der vom Beklagten verlangten Zusicherungen für den von ihm dafür in Aussicht gestellten Verzicht auf Verkehrsverbote bereits jetzt als sicher gelten.
188 
Auch aus diesem Grund kann bereits jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Maßnahme M2b tatsächlich noch umgesetzt wird.
189 
Sie bedarf daher - sowohl im Hinblick auf ihre mögliche Eignung im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG als auch im Hinblick auf die Frage ihrer Umsetzbarkeit mit den genannten Verkehrszeichen - keiner vertiefenden Betrachtung mehr.
190 
M2c: Sollte die unter M2b dargestellte Maßnahme aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ergreifbar sein, wird ab 01.01.2018 zur Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs auf im einzelnen festgelegten Streckenabschnitten der B 14 (Cannstatter Straße, Am Neckartor), der Neckarstraße, der Tal-/Wagenburg-straße und der Landhausstraße im Stuttgarter Osten an Tagen mit Feinstaub Alarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet.
191 
Die alternativ zur Maßnahme M2b vorgesehene Maßnahme M2c knüpft ihre Umsetzung zwar ebenfalls an eine aufschiebende Bedingung (keine Umsetzung der Maßnahme M2b). Diese wird jedoch eintreten, nachdem die Planbehörde von der Umsetzung der Maßnahme M2b aus den in Ziffer 2.3. genannten Gründen Abstand genommen hat bzw. nehmen wird.
192 
Allerdings haben die Beklagten-Vertreter ihre Bereitschaft, die Maßnahme M2c zum 01.01.2018 tatsächlich umzusetzen, in der mündlichen Verhandlung mit der Begründung relativiert, die Maßnahme führe möglicherweise zu unzulässigen Verlagerungsverkehren in der Umweltzone, die noch nicht abschließend geprüft seien und möglicherweise nicht ausreichend kompensiert werden könnten. Sollte dies der Fall sein, sei es der Planbehörde rechtlich nicht möglich, die Maßnahme umzusetzen.
193 
Den damit zusammenhängenden Sach- und Rechtsfragen muss im vorliegenden Klageverfahren jedoch nicht weiter nachgegangen werden, da die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt haben, dass die Maßnahme auch wegen ihres sehr geringen Wirkungsgrades nicht geeignet sei, die Überschreitung der NO2-Immissionsgrenzwerte in der Umweltzone Stuttgart tatsächlich zu reduzieren.
194 
Die Maßnahme M2c ist demnach - unabhängig davon, ob sie von der Planbehörde umgesetzt wird oder nicht - jedenfalls von ihrem Immissionsminderungspotenzial allein ebenfalls keine geeignete und ausreichende Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.4.
195 
Bei den Regelungen M3 bis M20 handelt es sich ebenfalls weder allein noch gemeinsam um geeignete bzw. ausreichende Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.4.1.
196 
In den Regelungen M3 und M4 werden lediglich künftige Absichten und Planungen der SSB AG zur Verbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV dargestellt.
197 
Die Kammer hat bereits im Vollstreckungsverfahren 13 K 511/09 ausführlich dargelegt (vgl. im Einzelnen VG Stuttgart, Beschl. v. 14.08.2009 – 13 K 511/09 – in juris), dass es sich bei einem Luftreinhalteplan um ein verwaltungsintern bindendes Handlungskonzept handelt, das Verwaltungsvorschriften ähnlich ist und dessen Vorgaben in Form eines Maßnahmenkatalogs deshalb der Umsetzung im Außenverhältnis bedürfen.
198 
Unter dem Begriff der „Maßnahme“ im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG sind in erster Linie rechtsetzende (z. B. Rechtsverordnungen; vgl. § 47 Abs. 7 BImSchG), allgemein verfügende (z. B. Verkehrsbeschränkungen nach § 40 Abs. 1 BImSchG im Wege der Allgemeinverfügung), den Einzelfall regelnde (z.B. Anordnungen nach dem BImSchG durch Verwaltungsakt) und schlicht-hoheitliche Maßnahmen und damit also Maßnahmen mit hoheitlichen Charakter zu verstehen (ebenso Landmann/Rohmer, Kommentar Umweltrecht Band III, Stand 01.01.2017, zu § 47 Rn 25).
199 
Dies folgt insbesondere auch aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG, wonach die Durchsetzung dieser „hoheitlichen Maßnahmen“ den dafür zuständigen Trägern öffentlicher Verwaltung „durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften“ obliegt, weil die für die Aufstellung der Luftreinhaltungspläne zuständigen Planbehörden hierfür keine eigene Zuständigkeit besitzen.
200 
Träger der öffentlichen Verwaltung im Sinne der Vorschrift sind die für den Gesetzesvollzug zuständigen Landesverwaltungsbehörden sowie Bundesbehörden und die Behörden selbständiger Rechtsträger, wie etwa kommunaler Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer exekutiven Kompetenzen.
201 
Auf Grund der verwaltungsinternen, rechtlichen Bindungswirkung sind die genannten Träger öffentlicher Verwaltung zur Umsetzung der festgelegten Maßnahmen verpflichtet, soweit die hierfür einschlägigen Rechtsvorschriften dies erlauben, das heißt die festgelegten Maßnahmen nach den jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschriften umsetzungsfähig sind (vgl. Bundestagsdrucksache 14/8450, Seite 14). Ein eigener Entscheidungsspielraum (Ermessen) steht den zuständigen Vollzugsbehörden dabei nicht zu.
202 
Ginge man von diesem, sich am Wortlaut des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG orientierenden, (engen) Maßnahmenbegriff im Sinne einer Handlungsanweisung (ausschließlich) an Träger öffentlicher Verwaltung aus, wären die Vorhaben M3 und M4 bereits deshalb keine Maßnahmen im Sinne des § 47 Absatz 1 BImSchG, weil deren Handlungs- bzw. Umsetzungsadressat kein Träger öffentlicher Verwaltung, sondern die SSB AG ist, die keine hoheitlichen Anordnungs- und Entscheidungsbefugnisse im Sinne des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG besitzt.
203 
Die Kammer hat jedoch bereits im Vollstreckungsverfahren 13 K 511/09 keine sachliche Notwendigkeit für eine derart enge Begriffsauslegung gesehen, da hierdurch der Handlungsspielraum der Planbehörde unnötig eingeschränkt würde und es auch im Hinblick auf die Schutzziele der gesetzlichen Regelung letztlich unerheblich ist, ob die zu deren Erreichung geeigneten Maßnahmen durch staatliche Stellen oder durch Dritte realisiert werden. Da aber die oben beschriebene, gegenüber Behörden grundsätzlich bestehende gesetzliche Bindungswirkung von Luftreinhalteplänen gegenüber außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten nicht besteht, setzt eine Einstufung von Vorhaben, deren Umsetzungsadressaten keine Träger öffentlicher Verwaltung sind, weiter voraus, dass die Planbehörde die hier fehlende rechtliche Verbindlichkeit auf andere Weise (wie z. B. durch öffentlich-rechtlichen Vertrag) herstellt, um auch in diesen Fällen sicherzustellen, dass die festgelegten Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt werden.
204 
Eine solche bindende Vereinbarung hat die Planbehörde - wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben - mit der SSB AG in Bezug auf die Regelungen M3 und M4 jedoch nicht geschlossen. Damit steht nicht nur die Durchführung der beschriebenen Ausbaumaßnahmen, sondern auch deren Zeitpunkt im Belieben der SSB AG. Bei den Vorhaben M3 und M4 handelt es sich daher selbst bei einem weiten Begriffsverständnis schon um keine Maßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG, weil für ihre Durchführung kein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 47 Abs. 6 BImSchG zuständig ist und die Planbehörde die Umsetzung dieser Maßnahmen gegenüber der SSB AG nicht rechtsverbindlich sichergestellt hat. Da damit zugleich auch kein konkreter Umsetzungszeitpunkt rechtsverbindlich festgelegt wurde, fehlt den Regelungen zudem auch die Eignung im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
2.4.2.
205 
Die weiteren Vorhaben M5, M8, M9, M10 und M12 sind ebenfalls keine geeigneten bzw. ausreichenden Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, da auch diese Vorhaben lediglich als unverbindliche Absichtserklärungen zurVerbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV der Landeshauptstadt Stuttgart (M5), des Verbandes Region Stuttgart (M8, M9 und M12) und der zuständigen Landkreise (M10) formuliert worden sind, deren tatsächliche Umsetzung und Umsetzungszeitpunkt von der Planbehörde - wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ebenfalls eingeräumt haben - gleichfalls nicht rechtsverbindlich gesichert wurde.
206 
In Bezug auf das Vorhaben M5 hat die Planbehörde im Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017 insoweit sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Vorhaben von der Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltungshoheit durchgeführt werden soll und deshalb unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses steht (vgl. Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 112).
207 
Weiter kommt hinzu, dass die Durchführung des Vorhabens M5 zusätzlich unter einer - inhaltlich auch noch offensichtlich zu unbestimmten - weiteren Bedingung (keine relevanten (?) Störungen oder Behinderungen des Kfz-Verkehrs) steht, deren Eintritt als ebenso ungewiss eingestuft werden muss, wie ein positiver Gemeinderatsbeschluss des Gemeinderats der Beigeladenen. Insoweit haben die Beigeladenen-Vertreter in der mündlichen Verhandlung auf Rückfrage auch bestätigt, dass es bislang keinen entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses gebe. Die entsprechenden Beschlüsse seien frühestens im Laufe des Jahres 2018 und die eventuelle Einrichtung der genannten Busspuren/Bussonderstreifen frühestens 2018/2019 zu erwarten.
208 
Im Falle der Vorhaben M9 und M12 enthalten die betreffenden Regelungen des Planentwurfs überhaupt keinen Zeithorizont und im Falle des Vorhabens M8 einen Umsetzungszeitrahmen von über 7 Jahren (bis zum 01.01.2025).
209 
Damit können diese Vorhaben nicht nur wegen ihrer Unverbindlichkeit, sondern auch wiederum in zeitlicher Hinsicht offensichtlich nicht als (geeignete) Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Absatz 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
210 
Hinzu kommt schließlich, dass für alle vorgenannten Vorhaben zur Verbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV (M3 bis M10 und M12) im Gesamtwirkungsgutachten selbst bei beschleunigter Umsetzung (Basisjahr 2020) lediglich ein offensichtlich sehr geringes NOx-Emissionsminderungspotenzial in Bezug auf den Straßenverkehr im Stadtgebiet Stuttgart zwischen 0 und maximal 2 % prognostiziert wurde (vgl. im Einzelnen Übersicht 4.10 und Bild 5.4, S. 30 und 46 des Abschlussberichts im GWG vom Februar 2017; ebenso Planentwurf der 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 110). Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass diese Vorhaben - selbst wenn sie tatsächlich umgesetzt werden (wie beispielsweise die teilweise Fertigstellung der neuen Stadtbahnlinie U 12 nach Remseck, voraussichtlich bis Dezember 2017) - lediglich ein NO2-Immissions-minderungspotenzial besitzen, das an den Messstationen, an denen die NO2-Immissionsgrenzwerte überschritten sind, kaum feststellbar ist (nach Einschätzung des zuständigen Gutachters in der mündlichen Verhandlung z. B. Am Neckartor maximal 5 µg/m³).
2.4.3.
211 
Die Maßnahme M11, die ebenfalls der Verbesserung des Angebots und der Infrastruktur im Bereich des ÖPNV dient (Erhöhung der Zahl der Zugverbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof), kann zwar begrifflich als Luftreinhaltemaßnahme eingestuft werden, weil das Vorhaben vom Land Baden-Württemberg selbst umgesetzt werden soll und sich damit die Frage der Bindungswirkung gegenüber einem außerhalb der Landesverwaltung stehenden Umsetzungsadressaten nicht stellt.
212 
Diese Maßnahme ist jedoch bereits wegen ihres Umsetzungszeitrahmens (bis 2021) keine geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 47 Absatz 1 Satz 3 BImSchG. Hinzu kommt deren offensichtlich geringes NOx-Emissionsminderungspotenzial, das im Gesamtwirkungsgutachten von den Gutachtern nicht gesondert beziffert werden konnte und deshalb sicherlich deutlich unter 2 % liegt (vgl. Abschlussbericht im GWG vom Februar 2017, a.a.O.), allein
2.4.4.
213 
Für die Vorhaben M13 und M14 der Landeshauptstadt Stuttgart (Ausbau des Radwegenetzes und Planung und eines Investitionsprogrammes Fußverkehr zu langfristigen Förderung und Umsetzung von Fußverkehrsmaßnahmen) gelten die Ausführungen unter Ziffer 2.4.2. zum Vorhaben M5 sowie unter Ziffer 2.4.3. entsprechend.
214 
Da die Vorhaben nach Ansicht der Planbehörde in der kommunalen Selbstverwaltungshoheit der Beigeladenen und damit auch unter einem Zustimmungsvorbehalt des Gemeinderats stehen, hat die Planbehörde die Umsetzung dieser Vorhaben mit der Beigeladenen nicht rechtsverbindlich vereinbart.
215 
Die tatsächliche Umsetzung dieser Vorhaben, die in den Regelungen M13 und M14 als bloße Absichtserklärungen formuliert worden sind, ist daher ebenso ungewiss, wie deren Umsetzungszeitpunkt.
216 
Hinzu kommt, dass diesen Vorhaben ausweislich des Gesamtwirkungsgutachtens auch kein bezifferbares eigenes NOx-Emissionsminderungs-potenzial zugeschrieben werden kann.
217 
Auch diese Vorhaben können daher offensichtlich nicht als geeignete Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
2.4.5.
218 
Für das Vorhaben M15 (Umstellung der Flottenzusammensetzung des Landesfuhrparks und des Fuhrparks der Beigeladenen auf emissionsarme/elektrische Fahrzeuge im Stadtgebiet Stuttgart) wird in der genannten Regelung kein konkreter Zeitrahmen für die Umsetzung genannt.
219 
Soweit das Vorhaben den Fuhrpark der Beigeladenen betrifft, fehlt es auch insoweit an einer konkreten Vereinbarung zwischen der Planbehörde und der Beigeladenen, mit der die tatsächliche Realisierung des Vorhabens sichergestellt wird.
220 
Das Vorhaben M16 kann dagegen aus denselben Gründen wie die Maßnahme M11 als Luftreinhaltemaßnahme eingestuft werden, nachdem ein entsprechendes Förderprogramm mit einem Finanzierungsvolumen von 25 Millionen - wie von den Beklagten-Vertretern in der mündlichen Verhandlung berichtet - vom Landtag im Mai 2017 auch tatsächlich bereits beschlossen worden ist.
221 
Auch diesen beiden Vorhaben wird aber selbst bei einer (vollständigen) Realisierung bis 2020 von den Gutachtern im Gesamtwirkungsgutachten lediglich ein NOx-Emissionsminderungspotenzial von zusammen höchstens 3 % bescheinigt (vgl. Abschlussbericht zum GWG, a.a.O.; ebenso Planentwurf 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 114). Das sich daraus ergebende Immissionsminderungspotenzial an den einzelnen Messstationen wird daher unter diesen 3 % liegen.
222 
Auch die Vorhaben M15 und M16 können daher trotz beschlossener Förderung (M16) allein nicht als geeignet und ausreichend im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG eingestuft werden.
2.4.6.
223 
Bei dem in M17 beschriebenen Vorhaben (Tempo 40 km/h auf weiteren Steigungsstrecken im Stadtgebiet) würde es sich nur dann um eine Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG handeln, wenn die Planbehörde selbst diese Geschwindigkeitsbegrenzungen und die betreffenden Strecken im Planentwurf festgelegt hätte und diese Geschwindigkeitsbegrenzungen von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde der Beigeladenen deshalb zwingend anzuordnen wären. Nach dem klaren Wortlaut der Regelung („Die Landeshauptstadt Stuttgart plant“) und der Begründung im Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017 (vgl. dort S. 119) will die Planbehörde das Ob und Wie solcher weiterer Geschwindigkeitsbeschränkungen jedoch ausschließlich der Beigeladenen überlassen und diese weiteren Geschwindigkeitsbegrenzungen gerade nicht selbst verbindlich vorgeben. Aus diesem Grund handelt es sich bei dem Vorhaben M17 bereits begrifflich um keine Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG.
224 
Hinzu kommt, dass diesen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf weiteren Streckungsstrecken in der Umweltzone Stuttgart von den Gutachtern praktisch kein NOx-Emissionsminderungspotenzial attestiert wird (0 % bzw. unter 0,5 %; vgl. Abschlussbericht zum GWG, a.a.O.; ebenso Planentwurf 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 117).
225 
Bei dem in M18 beschriebenen Vorhaben (Tempo 50 bzw. 60 km/h im Stadtgebiet außerhalb geschlossener Ortschaften bzw. auf mindestens vierstreifigen Straßen) soll es sich nach den Angaben der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung um eine verbindliche Handlungsanweisung an die zuständige Straßenverkehrsbehörde handeln. Diese steht jedoch wiederum unter dem Vorbehalt, dass diese Geschwindigkeitsbegrenzungen nur angeordnet werden sollen, wenn diese nicht zu spürbaren (?) Ausweichverkehren führen, was die Planbehörde der alleinigen Prüfung und Beurteilung der Straßenverkehrsbehörde überlassen will.
226 
Es kann hier offen bleiben, ob die Planbehörde im Rahmen einer Luftreinhaltemaßnahme der Vollzugsbehörde einen solchen eigenen Beurteilungsspielraum einräumen darf oder die genannte Voraussetzung für die Anordnung der beabsichtigten Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht vielmehr selbst prüfen müsste, bevor sie eine entsprechende Maßnahme festlegt. Denn jedenfalls ist der Wirkungsgrad des Vorhabens aufgrund dieses Vorbehaltes tatsächlich völlig offen und kann auch bei 0 % liegen, falls es nach der Einschätzung der Straßenverkehrsbehörde auf allen in Betracht kommenden Strecken zu Ausweichverkehren kommen würde.
227 
Hinzu kommt, dass die Planbehörde der Straßenverkehrsbehörde auch keine Vorgabe im Hinblick auf den Zeitpunkt der Umsetzung dieser Maßnahmen gemacht hat. Es ist der Straßenverkehrsbehörde damit völlig freigestellt, selbst zu entscheiden, wann sie die genannte Maßnahme prüfen und gegebenenfalls umsetzen will.
228 
Bei den Vorhaben M17 und M18 handelt es sich bereits aus diesen Gründen ebenfalls um keine geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG.
2.4.7.
229 
Das Vorhaben M19 gibt lediglich eine Absichtserklärung der Landeshauptstadt Stuttgart als Trägerin der kommunalen Selbstverwaltung wieder, ihr Gebührensystem zu „überprüfen“ und die Parkgebühren im gesamten Stadtgebiet „moderat“(?) zu erhöhen, wenn der Gemeinderat zustimmt. Zum Rechtscharakter diese Regelung gelten daher die Ausführungen unter den Ziffern 2.4.2. und 2.4.4. bis 2.4.6. entsprechend.
230 
Auch das Vorhaben M20 gibt lediglich eine Absichtserklärung des Landes Baden-Württemberg wieder, die Parkgebühren der in seinem Eigentum stehenden Parkhäuser „mit dem Ziel einer verträglichen (?) Anpassung zu überprüfen“. Mit diesem Inhalt ist die Regelung offensichtlich zu unbestimmt, um als Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG eingestuft zu werden, da sie noch nicht einmal eine verbindliche Aussage trifft, dass die genannten Parkgebühren tatsächlich erhöht werden.
231 
Hinzu kommt, dass die in Betracht gezogenen Parkgebührenerhöhungen auch von ihrem Wirkungsgrad nicht die erforderliche Eignung einer Luftreinhaltemaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG besitzen, da die Gutachter diesen Vorhaben lediglich ein NOx-Emissionsminderungspotenzial im Stadtgebiet von maximal 4 % und auch dieses nur für den Fall attestieren haben, dass die Parkgebühren in den genannten Parkhäusern bis 2020 verdoppelt werden (vgl. Dokumentation zum GWG, S.28 sowie Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 121).
232 
Von einer solchen Verdoppelung der Parkgebühren kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht (mehr) ausgegangen werden, nachdem der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart in seiner Sitzung am 13.07.2017 lediglich eine Erhöhung der Parkgebühren in den städtischen Parkhäusern (M19) um 14 % bis 20 % beschlossen hat und der Regelung M20 eine konkrete Absicht des Landes, die Parkgebühren in den Parkhäusern des Landes bis 2020 zu verdoppeln, ebenfalls nicht zu entnehmen ist.
233 
Dementsprechend konnte der Gutachter des Beklagten den Wirkungsgrad beider Vorhaben in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr konkret beziffern. Dieser erklärte vielmehr, er könne nicht ausschließen, dass der Wirkungsgrad bei den genannten geringeren Gebührenerhöhungen auch nur bei „nahezu 0 %“ liege.
3.
234 
Geht man nach den obigen Ausführungen davon aus, dass die Planbehörde mit dem Planentwurf zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom Mai 2017 ihrer Verpflichtung aus § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG noch nicht nachgekommen ist, ist der vom Kläger mit seinem Klagantrag geltend gemachte Rechtsanspruch dem Grunde nach zu bejahen.
235 
Eine Verurteilung des Beklagten, der Luftreinhaltungsplan Stuttgart so fortzuschreiben, dass er den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG genügt, setzt jedoch weiter voraus, dass eine Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte durch eine oder mehrere weitere Luftreinhaltemaßnahmen auch tatsächlich möglich ist.
236 
Vorliegend kann das Ziel der Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls durch die Festlegung eines über die bereits bestehenden Verkehrsbeschränkungen hinausgehenden Verkehrsverbotes in der gesamten Umweltzone Stuttgart erreicht oder zumindest annähernd erreicht werden. Nach den Feststellungen der Gutachter im vorgelegten Gesamtwirkungsgutachten vom Februar 2017 und den dazu vorgelegten Dokumentationen Teil 1 und 2 vom April 2017 würde das von der Planbehörde im Planentwurf zur 3. Fortschreibung in M1 festgesetzte ganzjährige Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge von 20 % und wenn von diesen betroffenen Kraftfahrzeugen im Rahmen des vorgesehenen Ausnahmekonzepts weitere 20 % vom Verkehrsverbot ausgenommen würden, bezogen auf das Basisjahr 2020 zu NOx-Emissionsrückgängen von 40 % in der Umweltzone, 56 % im Talkessel und 55% an der Messstation Am Neckartor führen.
237 
In Bezug auf die NO2-Immissionen bedeutet dies eine Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen um 94,6 % auf eine Streckenlänge von lediglich noch 1,3 km in der Umweltzone Stuttgart und um 96,8 % auf eine Streckenlänge von lediglich noch 0,3 km im Talkessel Stuttgart sowie eine Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts Am Neckartor auf 42 µg/m³ bei einer Umsetzung der Maßnahme ab 01.01.2020 (vgl. Abschlussbericht zum GWG, Übersicht 4.10, S. 30; ebenso Planentwurf 3. Fortschreibung vom Mai 2017, S. 69 und 70).
238 
Ausgehend von diesen Feststellungen ist das Verkehrsverbot demnach von seinem Wirkungsgrad her geeignet, die Überschreitung der NO2-Immissionsgrenzwerte - mit Ausnahme der Messstation Am Neckartor (42 µg/m³) - an allen (anderen) Messstationen und damit in der gesamten Umweltzone Stuttgart auf das zulässige Maß zu reduzieren. Dies hat die zuständige Gutachterin in der mündlichen Verhandlung auch nochmals ausdrücklich bestätigt.
239 
Welchen Wirkungsgrad das Verkehrsverbot bei einer Inkraftsetzung bereits ab dem 01.01.2018 - also zum Zeitpunkt des bislang geplanten Inkrafttretens der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart hätte, wurde von den Gutachtern nicht ermittelt.
240 
Da zu diesem Zeitpunkt der Flottenanteil der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge noch ca. 35 % (statt 20 % wie im Basisjahr 2020) betrage (vgl. Dokumentation zum GWG zur 3. Fortschreibung vom April 2017, Tabelle 4.2, S. 60), schätzte die zuständige Gutachterin den Wirkungsgrad des Verkehrsverbotes bezogen auf den Zeitpunkt 01.01.2018 zunächst als „tendenziell größer“ ein, relativierte diese Aussage jedoch anschließend für die Messstation Am Neckartor, für die sie nur von einer Reduzierung des NO2-Jahresmittelwerts auf ca. 48 µg/m³ (statt 42 µg/m³/Basisjahr 2020) ausgehen wollte, weil die Ausgangsbelastung im Jahr 2018 mit ca. 80 µg/m³ noch höher sei, als im Basisjahr 2020 (67 µg/m³ bzw. 72 µg/m³).
241 
Nach diesen Einlassungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass der Wirkungsgrad des Verkehrsverbotes bezogen auf das Basisjahr 2018 - wenn überhaupt - nur unwesentlich geringer ist als im Basisjahr 2020.
242 
Für diese Annahme sprechen auch die Feststellungen der Gutachter zu der - nicht in den Planentwurf übernommenen - Maßnahme M83v3 „Einfahrt in die Umweltzone Stuttgart nur mit blauer Plakette, Variante 1“ als Teil des Moduls 8/Feinstaub-Alarm Verkehr, die für das Netz ganzjährig betrachtet wurde (vgl. Dokumentation zum GWG vom April 2017, S. 130) und wonach die festgestellte Änderung der Streckenkilometer im Stadtgebiet Stuttgart mit Überschreitungen des NO2-Jahresgrenzwerte mit 91,8 % bei einer Umsetzung dieses Verkehrsverbotes M83v3 zum 01.01.2018 nur unwesentlich geringer ist, als die Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen bei dem Verkehrsverbot M1 ab dem 01.01.2020 (94,6 %; vgl. Abschlussbericht zum GWG, Übersicht 4.10, S. 30).
243 
Es kann deshalb nach den Feststellungen der Gutachter des Beklagten davon ausgegangen werden, dass das in M1 beschriebene Verkehrsverbot derzeit selbst dann die effektivste und damit am besten geeignete Luftreinhaltemaßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte darstellt, wenn deren Wirkungsgrad bei einer Umsetzung vor dem 01.01.2020 tatsächlich etwas geringer sein sollte, als im Falle einer Umsetzung zum 01.01.2020.
244 
Welchen Wirkungsgrad das Verkehrsverbot bei einem Inkrafttreten vor dem 01.01.2020 letztlich tatsächlich hat, kann das Gericht nicht abschließend beurteilen, weil das Gesamtwirkungsgutachten hierzu keine Feststellungen trifft. Dies kann jedoch auch offen bleiben, weil es nicht Aufgabe des Gerichts ist, sondern in die Zuständigkeit der Planbehörde fällt, den Wirkungsgrad des Verkehrsverbotes bezogen auf einen Umsetzungszeitpunkt vor dem 01.01.2020 im Rahmen des zu erstellenden Gesamtkonzeptes zur Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans noch gutachterlich klären zu lassen.
245 
Für den Fall, dass die Gutachter des Beklagten dabei zu dem Ergebnis kommen sollten, dass die Umsetzung des genannten Verkehrsverbotes zu einem solchen früheren Zeitpunkt zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte tatsächlich allein nicht ausreichend ist und sogar einen etwas geringeren Wirkungsgrad als bei einer Umsetzung zum 01.01.2020 besitzt, bedeutet dies jedoch nicht, dass das Verkehrsverbot als geeignete Maßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG ausscheidet. Die Planbehörde wäre in diesem Fall lediglich verpflichtet, entweder das Verkehrsverbot auf einen größeren Adressatenkreis auszudehnen oder im Luftreinhaltungsplan auch noch andere Maßnahmen festzulegen, um die Ziele des § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG zu erreichen, soweit dies mit den Vorhaben und Maßnahmen M3 bis M20 nicht bereits geschehen ist.
246 
Welche konkreten Maßnahmen zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte gegebenenfalls weiter in Betracht kommen, hat aber nicht das Gericht, sondern die Planbehörde im Rahmen des von ihr zu erstellenden Gesamtkonzepts zu entscheiden, da die Maßnahmen-Auswahl allein dem planerischen Gestaltungsspielraum der Planbehörde unterliegt.
247 
4. Das im vorliegenden Fall zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht kommende und im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 bereits vorgesehene Verkehrsverbot kann auch in rechtlich zulässiger Weise durchgesetzt werden, weil es mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung (im Weiteren: StVO) ordnungsgemäß bekanntgegeben werden kann.
248 
4.1. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Umsetzung und Bekanntgabe des Verkehrsverbotes folgt unmittelbar daraus, dass durch das Verkehrsverbot in individuelle Rechte Dritter eingegriffen wird (insbesondere Handlungsfreiheit der betroffenen Verkehrsteilnehmer) und auch ausdrücklich aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG,wonach die in Luftreinhalteplänen festgelegten Maßnahmen durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung, also in der Regel von Behörden des Bundes, der Länder, der kommunalen Gebietskörperschaften oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Landmann/Rohmer, Umweltrecht Kommentar, Band III, Stand 01.01.2017 § 47 Rn 29) „nach diesem Gesetz“ (BImSchG) oder „nach anderen Rechtsvorschriften“ durchzusetzen sind.
249 
Da es sich bei dem in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbot um eine Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs handelt, ist für dessen Durchsetzung die Straßenverkehrsbehörde (hier: die Beigeladene) nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuständig (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG), wobei die zuständige Straßenverkehrsbehörde auf das Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts unabhängig davon beschränkt ist, ob in der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Rechtsgrund- oder eine bloße Rechtsfolgenverweisung zu sehen ist (ebenso BayVGH, Beschl. v. 27.02.2017 – 22 C 16.1427 –, in juris; Rn 167).
250 
Die Durchsetzung des Verkehrsverbotes setzt also voraus, dass die StVO das hierfür notwendige Instrumentarium enthält, weil die Planbehörde das Verkehrsverbot in den Planentwurf zur 3. Fortschreibung nur dann aufnehmen kann, wenn die für dessen Umsetzung und Bekanntgabe zuständige Straßenverkehrsbehörde dazu tatsächlich und rechtlich in der Lage ist.
251 
4.2. Da das zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot die gesamte Umweltzone betrifft, ist für dessen Umsetzung und Bekanntgabe in erster Linie auf die für die Ausweisung solcher Umweltzonen in der StVO vorgesehenen Verkehrszeichen zurückzugreifen.
252 
§ 45 Abs. 1 Buchstabe f StVO sieht vor, dass die Straßenverkehrsbehörde zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan nach § 47 Abs. 1 BImSchG festgesetzten Umweltzonen die dafür erforderlichen Verkehrsverbote in der Regel mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen anordnet (vgl. lfd. Nrn 44, 45, und 46 der Anlage 2 zur StVO; im Weiteren: Verkehrszeichen).
253 
4.3. Mit dieser Verkehrszeichen-Kombination lässt sich das im vorliegenden Fall zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot jedoch nicht anordnen, weil dieses Verkehrsverbot Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren der Eurostufen Euro 1 und 2 sowie Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Eurostufen Euro 3, 4 und 5 betrifft, also Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppe 4, die gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (im Weiteren: 35.BImSchV) mit der Grünen Plakette gekennzeichnet sind und deshalb mit dem bislang zur Verfügung stehenden Zusatzzeichen lfd. Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO (im Weiteren: Zusatzzeichen 46) von dem Verkehrsverbot innerhalb der Umweltzone Stuttgart freigestellt werden.
254 
Hieraus folgt jedoch, dass die vom zuständigen Bundesverordnungsgeber mit den genannten Verkehrszeichen bislang in der StVO geschaffenen Kennzeichnungsmöglichkeiten von Verkehrsverbotszonen zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen nicht ausreichend sind, um ein Verkehrsverbot, wie es in Städten mit Immissionsgrenzwertüberschreitungen wie in Stuttgart in Betracht zu ziehen ist, bekanntzugeben.
255 
Hierzu bedarf es zweckmäßigerweise einer weitergehenden Kennzeichnungsmöglichkeit - wie beispielsweise der vom Beklagten vorgeschlagenen „Blauen Plakette“ - und folglich einer entsprechenden Ergänzung der 35.BImSchV und des Zusatzzeichens 46 der StVO durch die jeweils zuständigen Verordnungsgeber des Bundes (35.BImSchV: Bundesregierung; StVO: BMVI und BMUB). Es besteht kein Zweifel daran, dass sowohl die Bundesregierung als auch die genannten Bundesministerien in ihrer Funktion als Verordnungsgeber durch Bundesgesetz (hier: BImSchG und StVG) nicht nur ermächtigt (vgl. Art. 80 GG), sondern auch verpflichtet sind, den für die Umsetzung und den Vollzug der Vorschriften des Luftreinhalterechts zuständigen Landesbehörden das hierfür notwendige Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, soweit dieses nicht bereits im Bundesimmissionsschutzgesetz enthalten ist (so BayVGH, Beschl. v. 27.02.2017 - 22 C 16.1427 - in juris, Rn 184).
256 
Sie haben daher die im vorliegenden Fall deutlich gewordenen Regelungsdefizite durch entsprechende Ergänzungen der StVO und der 35. BImSchV baldmöglichst zu beseitigen.
257 
Es ist derzeit nicht absehbar, ob und zu welchem Zeitpunkt die zuständigen Verordnungsgeber die bestehenden Regelungsdefizite in den genannten Verordnungen wegen des Vertragsverletzungsverfahrens, das die Europäische Kommission wegen der seit dem Jahr 2010 andauernden Nichteinhaltung der in der Richtlinie 2008/50/EG festgesetzten Immissionsgrenzwerte gegen die Bundesrepublik Deutschland durchführt, tatsächlich noch beheben werden.
258 
4.4. Durch diese bislang nicht behobenen Regelungsdefizite ist die Durchsetzung bzw. Bekanntgabe des vorliegend in Betracht kommenden Verkehrsverbotes entgegen der Rechtsansicht des Beklagten jedoch rechtlich nicht unmöglich, weil es zu dem in seiner derzeitigen Ausgestaltung hier nicht verwendbaren Zusatzzeichen 46 andere, rechtlich zulässige Möglichkeiten gibt, das Verkehrsverbot trotz „Fehlens einer Blauen Plakette“ im Einklang mit den Vorschriften der StVO ordnungsgemäß bekanntzugeben. Insoweit gilt im Einzelnen Folgendes:
259 
4.4.1. Da das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot zum Inhalt hat, innerhalb der gesamten bereits bestehenden und mit den Zeichen 270.1 und 270.2 ausgeschilderten Umweltzone Stuttgart die Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren der Eurostufen Euro 1 und 2 sowie Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Eurostufen Euro 3, 4 und 5 aus der bislang mit dem Zusatzzeichen 46 angeordneten Freistellung der Kraftfahrzeuge mit Grüner Plakette herauszunehmen und damit im Ergebnis dem mit Zeichen 270.1 angeordneten Umweltzonen-Verkehrsverbot zu unterwerfen, besteht für einen Austausch der Zeichen 270.1 und 270.2 - etwa gegen das Zeichen 251 (Lfd. Nr. 29 der Anlage 2 zur StVO) - keine sachliche Notwendigkeit. Denn das Zeichen 251 unterscheidet sich in Bezug auf die Adressaten des damit angeordneten Einfahrverbotes (Kraftwagen und mehrspurige Kraftfahrzeuge) nicht von den Adressaten der Zeichen 270.1 und 270.2 (Kraftfahrzeuge), die darüber hinaus lediglich zusätzlich das Gebiet der Verkehrsverbotszone (Umweltzone) begrenzen. Da das Verkehrsverbot auch räumlich denselben Bereich betrifft, wie das bereits bestehende Verkehrsverbot, nämlich die gesamte Umweltzone Stuttgart, bliebe auch der Aufstellungsort der Schilder derselbe.
260 
Die Zeichen 270.1 und 270.2 können daher für das vorliegend in Betracht zu ziehende (Umweltzonen-)Verkehrsverbot weiter Verwendung finden. Ob ein auf einzelne Strecken (wie z. B. beim Maßnahme M2c) oder auf ein Teilgebiet (wie z. B. bei Maßnahme M2b) räumlich begrenztes zusätzliches Verkehrsverbot innerhalb der bereits bestehenden Umweltzone in rechtlich zulässiger Weise mit dem Zeichen 251 und einem entsprechenden (individuellen) Zusatzzeichen, das den freigestellten Adressatenkreis bezeichnet, ausgeschildert werden kann, bedarf deshalb hier keiner Entscheidung.
261 
4.4.2. Soweit das vorliegend in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot den Kreis der bislang mit der Grünen Plakette freigestellten Kraftfahrzeuge weiter einschränkt und hierfür das in der StVO vorhandene Zusatzzeichen 46 zu weit reichend und damit nicht verwendbar ist, gibt es rechtlich zulässige Handlungsalternativen, um die gebotenen Freistellungen vom Verkehrsverbot ordnungsgemäß bekannt zu geben.
262 
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es sich bei der Vorschrift des § 45 Abs. 1f StVO um eine abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten handeln würde und diese deshalb so verstanden werden müsste, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Umweltzonen-Verkehrsverbotes und der Ausnahmen bzw. Freistellungen hiervon ausschließlich mit den in der StVO vorgesehenen Zeichen 270.1 bzw. 270.2 in Kombination mit dem in der lfd. Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO abgebildeten Zusatzzeichen 46 erfolgen kann.
263 
Bei sachgerechter Auslegung der genannten Vorschrift ist für diese Interpretation jedoch kein Raum. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen - und ebenso von Rechtsverordnungen - ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10, 2 Bv2 BvR 2883/10, 2 Bv2 BvR 2155/11 - in juris, Rn 66). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (BVerfG, Urt. v. 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 in juris, Rn 79). Ausgangspunkt der Auslegung ist zwar regelmäßig der Wortlaut der Vorschrift. Soweit dieser jedoch keine hinreichend deutlichen Hinweise auf den Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers gibt, kommt daneben den genannten anderen Auslegungskriterien eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu (BVerfG, Urt. v. 19.03.2013, a.a.O.).
264 
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze kann § 45 Abs. 1f StVO nicht als abschließende Regelung für die Bekanntgabe von Umweltzonen-Verkehrsverboten verstanden werden. Eine solche Interpretation als abschließende Regelung ist bereits nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 1f StVO nicht zwingend. Der Wortlaut dieser Regelung deutet zwar darauf hin, dass der Verordnungsgeber bei deren Einführung im Rahmen der zum 01.04.2013 in Kraft getretenen Neufassung der StVO vom 06.03.2013 (vgl. BGBl. I, S.367) möglicherweise - und wie durch den vorliegenden Sachverhalt belegt - irrtümlich davon ausgegangen ist, dass die genannten Verkehrszeichen ausreichend sind, um die Ziele des § 47 Abs. 1 BImSchG - soweit hierfür Verkehrsbeschränkungen erforderlich sind - zu erreichen. Der Wortlaut der Regelung lässt auch den weiteren Schluss zu, dass der Verordnungsgeber die in § 45 Abs. 1f StVO vorgesehene Schilderkombination im Hinblick auf die notwendige Kontrollierbarkeit als die geeignetste Form der Bekanntgabe eines solchen Umweltzonen-Verkehrsverbotes angesehen hat. Vor diesem Hintergrund ist die vom Verordnungsgeber gewählte Formulierung ohne weiteres nachvollziehbar.
265 
Eine mit der Formulierung darüber hinaus verfolgte Absicht des Verordnungsgebers, mit der in § 45 Abs. 1f StVO genannten Schilderkombination zugleich die einzige zulässige Form der Bekanntgabe eines Umweltzonen-Verkehrsverbotes und der Freistellungen bzw. Ausnahmen hiervon festlegen zu wollen, ist der Formulierung dagegen nicht eindeutig zu entnehmen.
266 
Es handelt sich bei der zuletzt genannten Interpretation des Wortlautes der Vorschrift vielmehr lediglich um eine unter grammatischen Aspekten denkbare Deutungsmöglichkeit, die aber nicht zwingend ist.
267 
Lässt die Formulierung eines Vorschriftentextes solche verschiedenen Deutungsmöglichkeiten zu, ist im Rahmen der Auslegung weiter zu ermitteln, welche der möglichen Deutungen nach den weiteren Auslegungskriterien und insbesondere nach dem Sinn und Zweck der Regelung dem objektiven Willen des Gesetzgebers (hier: Verordnungsgebers) entspricht.
268 
Der Sinn und Zweck der mit der Neufassung der StVO im Jahr 2013 in die StVO aufgenommenen Regelungen und Verkehrszeichen zu Umsetzung von Verkehrsbeschränkungen aus Gründen der Luftreinhaltung bestand bei objektiver Betrachtung ausschließlich darin, den für die Umsetzung und den Vollzug der bundesgesetzlichen Vorschriften zur Luftreinhaltung zuständigen Landesbehörden das dafür notwendige Instrumentarium zur Verfügung zu stellen.
269 
Das Gericht hat daher keine Zweifel daran, dass der StVO-Verordnungsgeber mit der Aufnahme der genannten Regelungen und Verkehrszeichen in die StVO den alleinigen Zweck verfolgte, den für die Luftreinhaltung zuständigen Landesbehörden die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen und -verboten zu ermöglichen, soweit solche zur Erreichung der Ziele des § 47 BImSchG erforderlich sind. Die Tatsache, dass der Verordnungsgeber dabei möglicherweise irrtümlich davon ausgegangen ist, dass dafür ein Zusatzzeichen 46 mit Roter, Gelber oder Grüner Plakette bereits ausreichend ist, ändert hieran nichts. Denn es bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber die Befugnisse der zuständigen Landesbehörden zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen mit der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO und dem genannten Zusatzzeichen 46 absichtlich beschränken wollte, um die Verhängung weitergehender Verkehrsverbote zu verhindern. Insbesondere enthält auch die Begründung der Neufassung der StVO keinerlei Hinweise dafür, dass der Verordnungsgeber den Regelungsinhalt des § 45 Abs. 1f StVO und des Zusatzzeichens 46 in diesem abschließenden Sinne beschränken wollte (vgl. z.B. BR-Drucksache 428/12).
270 
Ein solches Vorgehen des Verordnungsgebers wäre auch offensichtlich rechtswidrig gewesen. Denn es steht außer Zweifel, dass der Verordnungsgeber durch die Verordnungsermächtigung in Art. 80 GG keine Befugnis erhält, bundesgesetzliche Zielsetzungen - wie im vorliegenden Fall die Erreichung der Ziele des § 47 BImSchG - durch Rechtsverordnung zu beschränken oder gar zu verhindern. Dies hätte der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall aber getan, wenn er mit der Regelung des § 45 Abs. 1f StVO tatsächlich hätte abschließend regeln wollen, dass die zuständigen Landesbehörden weitergehende Verkehrsverbote gegen Kraftfahrzeuge mit Grüner Plakette selbst dann nicht verhängen können, wenn solche Verkehrsverbote zur Erreichung der Ziele des § 47 BImSchG geeignet und geboten sind.
271 
Gegen einen dahingehenden Willen des Verordnungsgebers sprechen darüber hinaus auch dessen Feststellungen zum Regelungsinhalt des Zeichens 270.1 in der Anlage 2 zur Neufassung der StVO 2013. Denn dort heißt es ausdrücklich, dass Ausnahmen vom Umweltzonen-Verkehrsverbot „im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung“ und damit nach dem Willen des Verordnungsgebers offensichtlich nicht ausschließlich mit der in § 45 Abs. 1f StVO genannten Schilderkombination zugelassen werden können.
272 
Die Möglichkeit, die Ausnahmen vom Umweltzonen-Verkehrsverbot statt mit dem Zusatzzeichen 46 grundsätzlich auch durch eine Allgemeinverfügung regeln zu können, hat das BMVI, das zusammen mit dem BMUB für die Neufassung der StVO zuständig war, zudem mit seinem Schreiben an den Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg vom 11.03.2016 auch nochmals ausdrücklich bestätigt. Denn in diesem Schreiben hat das BMVI die Notwendigkeit einer Änderung der Regelungen der StVO zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen zur Luftreinhaltung mit der Begründung verneint, weitergehende Verkehrsverbote gegenüber Kraftfahrzeugen mit Grüner Plakette könnten auch durch Allgemeinverfügung und gleichzeitiger Abdeckung des Zusatzzeichens 46, das in der Umweltzone Stuttgart Kraftfahrzeuge mit Grüner Plakette vom Umweltzonen-Verkehrsverbot freistellt, angeordnet werden.
273 
Zwar hat das BMVI diese Feststellungen wohl lediglich im Hinblick auf zeitlich befristete, weitergehende Verkehrsverbote getroffen. Dennoch lässt sich auch dieser schriftlichen Stellungnahme des BMVI ohne weiteres entnehmen, dass der für die StVO zuständige Verordnungsgeber selbst nicht davon ausgeht, dass Umweltzonen-Verkehrsverbote und die Ausnahmen bzw. Freistellungen hiervon ausschließlich mit der genannten Schilderkombination (Zeichen 270.1 und Zusatzzeichen 46) bekanntgegeben werden können. Nach dieser schriftlichen Stellungnahme darf das Zeichen 270.1 vielmehr auch ohne Zusatzzeichen verwendet und notwendige Ausnahmen oder Freistellungen vom Verkehrsverbot auch auf andere Weise verfügt und bekanntgegeben werden. Dieser Rechtsansicht schließt sich das Gericht an, zumal die StVO auch im Übrigen obligatorische Verbindungen von Zeichen und Zusatzzeichen nicht kennt.
274 
Bereits aus den vorgenannten Gründen kann die Vorschrift des § 45 Abs. 1f StVO nicht als abschließende Regelung verstanden werden. Eine solche Auslegung der Vorschrift ist auch deshalb abzulehnen, weil sie im Ergebnis dazu führen würde, dass die Vorschrift mit einem solchen beschränkten Regelungsinhalt gegen höherrangiges Recht verstoßen würde. Denn ein solches Verständnis des § 45 Abs. 1f StVO würde dazu führen, dass das im vorliegenden Fall zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte und damit zum Schutz der menschlichen Gesundheit in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot nicht bekannt gegeben werden könnte. Die Regelung würde mit diesem Inhalt also nicht nur gegen die Zielsetzungen des § 47 BImSchG, sondern auch gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 3 Abs. 1 GRCH und gegen unionsrechtlich vorgegebene Umweltstandards (hier: der Richtlinie 2008/50/EG) und damit gegen (höherrangiges) Bundes-, Verfassungs- und Europarecht verstoßen.
275 
Da es jedoch sowohl angesichts der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, als auch wegen des aus Art. 3 Abs. 1 GRCH und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden staatlichen Schutzauftrages für das Leben und die Gesundheit von Menschen schlechthin ausgeschlossen ist, dass ein zur Sicherstellung dieser Zwecke gebotenes Verkehrsverbot nur deshalb unterbleibt, weil § 45 Abs. 1f StVO dessen Bekanntgabe nicht zulässt (in diesem Sinne auch BayVGH, a.a.O., Rn 184), wäre die betreffende Regelung jedenfalls auch verfassungs- und unionsrechtskonform so auszulegen, dass es sich nicht um eine abschließende Regelung handelt.
4.4.3.
276 
Geht man davon aus, das es sich bei § 45 Abs. 1f StVO um keine abschließende Regelung handelt und ein Umweltzonen-Verkehrsverbot und die Freistellungen hiervon folglich nicht ausschließlich und zwingend mit der Verkehrszeichen-Kombination 270.1 bzw. 270.2 und dem Zusatzzeichen 46 bekanntgegeben werden muss, ist die zur Durchsetzung des Verkehrsverbotes zuständige Straßenverkehrsbehörde auch befugt, auf andere, nach der StVO zulässige Formen der Bekanntgabe zurückzugreifen.
277 
Insoweit haben das BMVI und der Beklagte die in Betracht kommenden Handlungsalternativen bereits selbst aufgezeigt, nämlich zum einen die vom BMVI in seinem Schreiben an den Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg vom 11. März 2016 empfohlene Bekanntgabe der notwendigen Freistellungen vom Verkehrsverbot durch Allgemeinverfügung (dazu unter 4.4.3.1.) und zum andern die vom Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkehrsverbot M2c beabsichtigte Schaffung eines bislang in der StVO nicht geregelten Zusatzzeichens (dazu unter 4.4.3.2.).
278 
4.4.3.1. Ob es sich bei dem Vorschlag des BMVI, die notwendigen Freistellungen von dem mit Zeichen 270.1 bekanntgegebenen Umweltzonen-Verkehrsverbot durch Allgemeinverfügung anzuordnen, um eine rechtlich zulässige Handlungsalternative handelt, erscheint zumindest fraglich. Denn dieser Vorschlag steht im Widerspruch zu dem in § 45 Abs. 4 Halbsatz 1 StVO zum Ausdruck kommenden Grundsatz, wonach die in § 45 Abs. 3 StVO genannten Straßenverkehrsbehörden – und insoweit gilt für die zum Vollzug des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zuständigen Stellen nichts anderes - den Verkehr grundsätzlich nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürfen, weil - insbesondere ortsfremde - Verkehrsteilnehmer ein schutzwürdiges Interesse haben, dass ihnen die Ge- und Verbote, die sie bei der Verkehrsteilnahme zu beachten haben, ausschließlich auf diese Art und Weise zur Kenntnis gebracht werden (ebenso BayVGH, a.a.O. Rn 168; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 13.03.2008 - 3 C 18.07 - in juris). Für Verkehrsverbote und -beschränkungen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO) sieht auch § 45 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 StVO insoweit keine Ausnahme vor, sondern nur für Verkehrsverbote und -beschränkungen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO). Die Frage kann jedoch offen bleiben.
279 
4.4.3.2. Denn jedenfalls bestehen gegen die zweite in Betracht kommende Handlungsalternative keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn man § 45 Abs. 1f StVO aus den bereits dargelegten Gründen richtigerweise nicht für eine abschließende Regelung hält.
280 
Es bestehen zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass die Zusatzzeichen, bei denen es sich gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO ebenfalls um Verkehrszeichen handelt,in der StVO nicht abschließend geregelt sind und das Verkehrsministerium des Beklagten als oberste Straßenverkehrsbehörde auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) vom 26.01.2001 i. d. F. vom 22.05.2017; (vgl. BAnz AT vom 29.05.2017 B8) deshalb befugt ist, andere als die im Verkehrszeichenkatalog (VzKAT) zur StVO aufgeführten Zusatzzeichen zu genehmigen und einzuführen. Denn dort heißt es unter Randnummer 46 zu §§ 39 bis 43: „... Abweichungen von dem in diesem Verzeichnis aufgeführten Zusatzzeichen sind nicht zulässig; andere Zusatzzeichen bedürfen der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle.". Diese Befugnis ist zwischen den Beteiligten unstreitig, denn davon geht auch die Planbehörde aus (vgl. Ziffer 6.2.2.2.2 des Planentwurfs zur 3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplanes Stuttgart vom Mai 2017 zur Umsetzung des Verkehrsverbotes M2b; S. 84).
281 
Inhaltlich müsste das Zusatzzeichen als sog. Frei-Zusatzzeichen ebenso wie das Zusatzzeichen 46 - vereinfacht ausgedrückt - den Aussagegehalt der bislang nicht vorliegenden Blauen Plakette in Textform zum Ausdruck bringen. Dies lässt § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO grundsätzlich zu. Dieses Zusatzzeichen würde auch nicht unter die Einschränkung des § 39 Abs. 3 Satz 2 StVO fallen, wonach „Aufschriften“ auf Zusatzzeichen – also Zusatzzeichen, die ihren Regelungsgehalt in Textform zum Ausdruck bringen - nur zulässig sind, „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Letzteres ist hier der Fall, denn als Zusatzzeichen zu dem Zeichen 270.1 gelten für dieses insbesondere nicht die Einschränkungen in Nummer 26 der Anlage 2 zur StVO, sodass die damit zusammenhängenden Rechtsfragen hier keiner Erörterung bedürfen.
282 
Gegen ein solches Frei-Zusatzzeichen, das in Textform die vom Umweltzonen-Verkehrsverbot (Zeichen 270.1) freigestellten Kraftfahrzeuge benennt, bestehen daher keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken (ebenso BayVGH a.a.O., Rn 171).
283 
Auch in Bezug auf den hier notwendigen Textumfang, mit dem eine Freistellung vom Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge Euro 6 und ggf. für Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren ab Euro 3 geregelt werden müsste, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zwar muss nach der obergerichtlichen Rechtsprechung der objektive Aussagegehalt von Verkehrszeichen - und dies gilt auch für Kombinationen aus Zeichen und Zusatzzeichen - zum einen eindeutig sein und eine solche Beschilderung zum anderen so übersichtlich gestaltet werden können, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt ihren Bedeutungsgehalt „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ zu erfassen vermag (vgl. auch zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urt. v. 13.03.2008 – 3 C 18.07 – a.a.O., m.w.N.).
284 
Dies ist bei dem hier notwendigen Textumfang, mit dem zum Ausdruck zu bringen ist, dass Diesel-Kraftfahrzeuge „Diesel Euro 6“ und „Andere ab Euro 3“ vom Verkehrsverbot ausgenommen („Frei“) sind, auch im Vergleich mit den Textumfängen anderer im Verkehrszeichenkatalog enthaltenen und damit als zulässig erachteten Zusatzzeichen zu bejahen.
285 
Gegenüber einem solchen Frei-Zusatzzeichen zum Zeichen 270.1 dürfte die vom Kläger alternativ vorgeschlagene „Drei-Schilder-Regelung“ mit dem Zeichen 270.1, dem Zusatzzeichen 46 (Grüne Plakette) und einem zweiten Zusatzzeichen mit den Ausnahmen von der Freistellung durch das Zusatzzeichen 46 bereits deshalb nicht vorzugswürdig sein, weil diese Beschilderungsmöglichkeit die den Verkehrsteilnehmern im Zusammenhang mit Umweltzonen bereits vertraute Regelungstechnik „Verbot und Freistellung“ verkompliziert und bei dieser „Drei-Schilder-Regelung“ möglicherweise auch missverständlich bleibt, worauf sich das zweite Zusatzzeichen bezieht.
286 
Welche der vorgenannten Handlungsalternativen die hier zuständigen Behörden letztlich als vorzugswürdig erachten, muss jedoch deren Entscheidung im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 47 BImSchG und § 45 Abs. 3 Satz 1 StVO - gegebenenfalls auch in Abstimmung mit dem BMVI als oberster Straßenverkehrsbehörde - vorbehalten bleiben. Sollte das BMVI dabei rechtliche Bedenken gegen alle aufgezeigten Handlungsalternativen haben, obliegt es allein den zuständigen Verordnungsgebern, diesen rechtlichen Bedenken durch eine entsprechende Ergänzung der 35.BImSchV und des Zusatzzeichen 46 um eine weitere Plakette zur Bekanntgabe von Verkehrsverboten der vorliegenden Art Rechnung zu tragen.
5.
287 
Das im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 bereits vorgesehene Verkehrsverbot begegnet auch im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG keinen Bedenken.
288 
Das in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot verstößt nicht gegen die Vorgaben des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zurEmittentenauswahl (dazu unter 5.1.) und ist auch verhältnismäßig (dazu unter 5.2.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet insbesondere auch nicht den generellen Aufschub der Umsetzung auf den vom Beklagten vorgesehenen späteren Zeitpunkt. Einem solchen Aufschub steht vielmehr das in § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG zum Ausdruck kommende Minimierungsgebot entgegen (dazu unter 5.3.).
5.1.
289 
Das im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 bereits vorgesehene Verkehrsverbot, mit dem die Einhaltung der in der Umweltzone Stuttgart überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte tatsächlich sichergestellt werden kann, verstößt nicht gegen die Vorgaben des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zurEmittentenauswahl, weil von dieser Maßnahme von allen Emittenten, die zum Überschreiten der Immissionswerte im Sinne des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG beitragen, ausschließlich der Straßenverkehr und davon wiederum nur ein bestimmter Kreis von Verkehrsteilnehmern, nämlich die Nutzer der Kraftfahrzeuge der genannten Schadstoffgruppen betroffen sind. Denn dies lässt sich in der Sache damit rechtfertigen, dass der Straßenverkehr an allen Messstationen in der Umweltzone Stuttgart sowohl lokal als auch im Bereich der Hintergrundbelastung mit Verursacheranteilen an der NO2-Immissionsbelastung zwischen 59 % und 77 % (Am Neckartor) als Hauptverursacher der NO2-Immissionsgrenzwertüberschreitungen in Erscheinung tritt (vgl. Planentwurf zur 3. Fortschreibung vom Mai 2017, Abbildungen 6 bis 9, S. 30 und 31) und die vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge zu diesen Verursachungsanteilen einen erheblichen Anteil beitragen (vgl. hierzu u.a. Dokumentation zum GWG vom April 2017, S. 73, Bild 4.12).
5.2.
290 
Das im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 vorgesehene Verkehrsverbot verletzt in der Sache auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, bei dem es sich um ein aus den Grundrechten (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip hergeleitetes allgemeines Abwägungsprinzip handelt, das bei der Auswahl in Betracht kommender Luftreinhaltemaßnahmen und der davon betroffenen Emittenten grundsätzlich zu beachten ist. Dies hat der Bundesgesetzgeber durch die ausdrückliche Erwähnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Regelung des § 47 Absatz 4 Satz 1 BImSchG auch nochmals klargestellt.
291 
Eine hoheitliche Maßnahme, die in (Grund-)Rechte Dritter eingreift, entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann, wenn sie einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und darüber hinaus geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, also angemessen ist. Diesen Anforderungen entspricht das hier in Betracht kommende Verkehrsverbot im Falle seiner Umsetzung voraussichtlich in jeder Hinsicht.
5.2.1.
292 
Als Maßnahme zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen und zur Einhaltung von Immissionsgrenzwerten, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädlichen Luftschadstoffen dienen, verfolgt dieses zweifellos einen legitimen öffentlichen Zweck.
293 
5.2.2. Die Geeignetheit des Verkehrsverbotes steht ebenfalls außer Zweifel, weil mit diesem Verkehrsverbot das Ziel der Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte nach den Feststellungen der Gutachter des Beklagten im Gesamtwirkungsgutachten in der gesamten Umweltzone Stuttgart erreicht oder zumindest annähernd erreicht werden (vgl. hierzu bereits unter Ziffer 3.).
5.2.3.
294 
Es sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der Grundlage des vom Beklagten vorgelegten Gesamtwirkungsgutachtens auch keine anderen, gleichwertigen Maßnahmen ersichtlich, welche den von dem Verkehrsverbot betroffenen Adressatenkreis weniger belasten würden und dem Verkehrsverbot deshalb im Rahmen der planerischen Auswahlentscheidung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG als„milderes Mittel“ vorzuziehen wären.
5.2.3.1.
295 
Die von der Planbehörde bislang nicht als Luftreinhaltemaßnahmen in Betracht gezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen in den Regelungen M17 und M18 scheiden mit ihren NO2-Emissionsminderungs-potenzialen zwischen 0 % und maximal 5 % bereits von ihrem Wirkungsgrad als gleichwertige Maßnahmen aus und kommen daher als gleichwertige Handlungsalternative anstelle des Verkehrsverbotes nicht in Betracht.
296 
Nichts anderes gilt auch für die in Modul 6 (Schnellstraßenkonzept) des Gesamtwirkungsgutachtens bewerteten Maßnahmen M61v1 und M61v2, die „Geschwindigkeitsreduzierungen auf ausgewählten Autobahnen und Bundesstraßen auf 100 bzw. 80 km/h“ vorsehen und die von der Planbehörde bislang ebenfalls nicht als Luftreinhaltemaßnahmen vorgesehen sind. Zwar liegen deren NO2-Emissions-minderungspotenziale bei immerhin 13% bzw. 9 %. Die Beklagten-Vertreter haben hierzu in der mündlichen Verhandlung jedoch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass diese Maßnahmen die Immissionssituation in der Umweltzone Stuttgart sogar verschlechtern würden, weil sie zu Ausweichverkehren in die Umweltzone und damit sogar zu einer Verschlechterung der dortigen Luftqualität führen würden. Diese Handlungsalternative hat die Planbehörde daher zu Recht nicht in ihren Planentwurf übernommen.
5.2.3.2.
297 
Die als Handlungsalternative grundsätzlich in Betracht kommenden (ganzjährigen) Verkehrsverbote, die abwechselnd an das Kfz-Kennzeichen (gerade/ungerade) anknüpfen, wurden von der Planbehörde bereits wegen ihres zu geringen NO2-Immissionsminderungs-potenzials (Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen in der Umweltzone um weniger als 4 %; vgl. Dokumentation zum GWG vom April 2017, Bild 6.9, S. 127 sowie S. 39 und 40 des Abschlussberichts zum GWG vom Februar 2017) zu Recht nicht weiterverfolgt. Dies bedarf keiner vertiefenden Darlegungen, nachdem der Kläger der diesbezüglichen Argumentation der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen und auch das Gericht an der Richtigkeit der genannten Feststellungen der Gutachter keine Zweifel hat.
298 
5.2.3.3. Auch die weiter in Betracht gezogene City-Maut kann bei der von den Gutachtern des Beklagten im Gesamtwirkungsgutachten untersuchten Ausgestaltung (5 Euro/Einfahrt in die Umweltzone; vgl. im Einzelnen Dokumentation zum GWG vom April 2017, S. 9, Ziffer 3.2.1.2) nicht als gleich geeignete Handlungsalternative eingestuft werden, weil diese nach den Feststellungen der Gutachter lediglich zu einer geringen Reduzierung der NOx-Emissionen des Straßenverkehrs in Höhe von 7 % führen würde (vgl. Abschlussbericht zum GWG vom Februar 2017, Bild 5.4, Seite 46). Der immissionsseitige Wirkungsgrad dieser Handlungsalternative bleibt damit deutlich hinter dem Wirkungsgrad des im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 vorgesehenen Verkehrsverbotes zurück (vgl. Dokumentation zum GWG vom April 2017, Bild 6.9, S. 127; Reduzierung der Streckenlängen mit Grenzwertüberschreitungen in der Umweltzone durch die Maßnahme M22/City-Maut um ca. 42 % und im Talkessel um ca. 80 % gegenüber den 94,6 % in der Umweltzone durch das Verkehrsverbot).
299 
Ob die Erhebung einer solchen City-Maut zur Durchsetzung von Zielen der Luftreinhaltung überhaupt zulässig wäre und auf die §§ 47 i. V. m. 40 BImSchG gestützt werden könnte oder vielmehr einer vorherigen entsprechenden Gesetzesinitiative des Landesgesetzgebers bedürfte, kann daher ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob der Beklagte zu einer solchen Gesetzesinitiative zur Schaffung des rechtlichen Rahmens für die Einführung einer City-Maut rechtlich verpflichtet wäre.
5.2.3.4.
300 
Für die weiter alternativ in Betracht gezogene Einführung einer Nahverkehrsabgabe für das Stadtgebiet oder die Region Stuttgart gelten die Ausführungen zur „City-Maut“ entsprechend, weil auch diese Maßnahme mit einem NO2-Emissionsminderungspotenzial von lediglich 2 bis maximal 4 % (vgl. Abschlussbericht zum GWG vom Februar 2017, a.a.O.) keine gleichwertige Handlungsalternative zu dem im Planentwurf zur 3. Fortschreibung als Maßnahme M1 vorgesehenen Verkehrsverbot darstellt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf daher ebenfalls keiner weiteren Betrachtung.
301 
5.2.3.5. Bei der zuletzt noch in die Diskussion gebrachten „Nachrüstlösung“ für die vom Verkehrsverbot betroffenen Diesel-Kraftfahrzeuge der Stufe Euro 5 handelt es sich bereits in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich um keine im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG gleichwertige Handlungsalternative zum Verkehrsverbot. Denn insoweit hat die zuständige Gutachterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Rückfrage des Gerichts bestätigt, dass der immissionsseitige Wirkungsgrad dieser „Nachrüstlösung“ bei maximal 9 % bezogen auf das Jahr 2020 liege.
302 
Dabei ist die Gutachterin bei ihrer Berechnung davon ausgegangen, dass 50 % der Diesel-Kraftfahrzeuge der Stufe Euro 5 nachrüstbar sind, 100 % dieser Diesel-Kraftfahrzeuge bis 2020 auch tatsächlich nachgerüstet werden und jede dieser Nachrüstungen zu einer Reduzierung der realen Emissionen im Straßenverkehr um 50 % führe.
303 
Von diesen von der Gutachterin angenommenen Prämissen ist jedoch bereits die Annahme, dass im Rahmen freiwilliger Nachrüstaktionen - wie auch immer diese konkret aussehen mögen - bis 2020 alle nachrüstbaren Diesel-Kraftahrzeuge tatsächlich freiwillig nachgerüstet werden, wenig wahrscheinlich.
304 
Hinzu kommt, dass die Planbehörde eine eventuelle Bereitschaft der Betroffenen zur Umrüstung ihrer Kraftfahrzeuge mit der jetzt im Planentwurf vorgesehenen Maßnahme M1 zusätzlich konterkariert, wenn sie diesen mit dem darin genannten (frühestmöglichen) Umsetzungszeitpunkt 01.01.2020 bereits jetzt zu erkennen gibt, dass sie auch mit ihren nicht nachgerüsteten Diesel-Kraftfahrzeugen auf jeden Fall bis zum 01.01.2020 in der Umweltzone Stuttgart fahren dürfen und vorher nicht mit einem Verkehrsverbot rechnen müssen.
305 
Soweit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese „Nachrüstlösung“ möglicherweise auch nur aus Software-Updates bestehen wird, dürfte die damit zu erwartende Abgasreduzierung auch nicht bei den von der Gutachterin angenommen 50 %, sondern lediglich in einer Größenordnung von ca. 25 % bis maximal 30 % und der damit verbundene Wirkungsgrad folglich aller Voraussicht nach deutlich unter 9 % liegen.
306 
Doch selbst wenn man den von der Gutachterin ermittelten Wirkungsgrad trotz der vorgenannten erheblichen Bedenken als richtig unterstellen würde, handelt es sich bei der „Nachrüstlösung“ selbst mit diesem maximal denkbaren Wirkungsgrad von 9 % um keine gleichwertige Handlungsalternative zu dem genannten Verkehrsverbot, da dessen Wirkungsgrad um ein Vielfaches höher liegt.
307 
Davon geht auch der Beklagte aus, dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt haben, dass mit der „Nachrüstlösung“ eine Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte nicht erreicht werden kann, sondern hierfür die „Blaue Plakette“, also das in M1 beschriebene Verkehrsverbot erforderlich ist.
308 
Bei dieser Sachlage würde die Planbehörde mit einer Entscheidung für die „Nachrüstlösung“ unter gleichzeitiger Verschiebung des Verkehrsverbotes bis mindestens 01.01.2020 den bereits seit über 7,5 Jahre andauernden rechtswidrigen Zustand der erheblichen Überschreitung der Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte in der Umweltzone Stuttgart aber um mindestens weitere 2,5 Jahre verlängern, anstatt diesen rechtswidrigen Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Da der Planbehörde der zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte unzureichende Wirkungsgrad der „Nachrüstlösung“ auch bekannt ist, würde sie damit zugleich in Kenntnis der Sachlage ihren sich aus dem Minimierungsgebot des § 47 Abs. 1 BImSchG ergebenden gesetzlichen Handlungspflichten zuwiderhandeln.
309 
Bei dieser Sachlage steht die „Nachrüstlösung“ der Planbehörde nach derzeitigem Erkenntnisstand bereits aus tatsächlichen Gründen nicht als Handlungsalternative zu dem Verkehrsverbot zur Verfügung.
310 
Hinzu kommt, dass es sich bei der „Nachrüstlösung“ auch in rechtlicher Hinsicht um keine gleichwertige Handlungsalternative handelt, für die sich die Planbehörde bzw. der Beklagte im vorliegenden Fall anstelle des Verkehrsverbotes entscheiden kann. Denn bei der genannten „Nachrüstlösung“ handelt es sich ausschließlich um freiwillige Aktivitäten von Seiten der Automobilindustrie und der betreffenden Kraftfahrzeug-Eigentümer, auf welche die Planbehörde im Rahmen der beabsichtigten Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart keinerlei verbindlichen Einfluss nehmen kann, weil die Planbehörde keine Befugnisse besitzt, eine Nachrüstung von Kraftfahrzeugen in hoheitlicher Form wie beispielsweise im Wege eines behördlichen Bescheides rechtlich verbindlich zu machen.
311 
Davon geht die Planbehörde selbst aus (vgl. Klageerwiderung vom 13.07.2017, Ziffer 2.1, S. 3). Sie beabsichtigt deshalb auch nicht, eine entsprechende Luftreinhaltemaßnahme in den Planentwurf zur 3. Fortschreibung aufzunehmen, welche die genannte „Nachrüstlösung“ zum Gegenstand hat. Die Nachrüstlösung kann daher auch in rechtlicher Hinsicht nicht als Handlungsalternative zu dem genannten Verkehrsverbot eingestuft werden, der die Planbehörde im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans den Vorzug geben könnte.
312 
5.2.4. Gegen die Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes im engeren Sinne (Angemessenheit) bestehen im Grundsatz ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
313 
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat die Planbehörde eine Abwägung der durch die beabsichtigte Luftreinhaltemaßnahme betroffenen Belange vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sind dementsprechend das Ziel des Verkehrsverbotes (Schutz der menschlichen Gesundheit der Bewohner der Umweltzone) und die nachteiligen Auswirkungen des Verkehrsverbotes für die davon betroffenen Verkehrsteilnehmer (z. B. Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit) zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Dabei gilt generell, dass das mit der Maßnahme verfolgte Ziel umso gewichtiger und dringlicher sein muss, je intensiver die Maßnahme in die Grundrechte der Betroffenen eingreift. Ergibt die vorzunehmende Interessengewichtung und -abwägung, dass die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt, ist diese auch als angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne einzustufen.
314 
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze begegnet die von der Planbehörde im Planentwurf zur 3. Fortschreibung vorgenommene Abwägung keinen rechtlichen Bedenken. Die Planbehörde hat ausweislich des vorgelegten Planentwurfs zur 3. Fortschreibung die bislang ermittelten Belange der Betroffenen gewichtet und in die Abwägung eingestellt. Dabei hat sie den Schutz der Gesundheit der betroffenen Wohnbevölkerung höher gewichtet, als die Interessen der betroffenen Verkehrsteilnehmer. Denn die Planbehörde hat im Planentwurf mit ihren Ausführungen in Ziffer 6.2.1.7 zur Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) ausdrücklich festgestellt (vgl. a.a.O., S. 76), dass
315 
„die geplante Erweiterung der Umweltzone um eine weitere Schadstoffgruppe die betroffenen Verkehrsteilnehmer nicht in unangemessener Weise belaste“ (…)
und
(…) „es zum Schutz der menschlichen Gesundheit sachgerecht erscheine, den Nutzern von weniger schadstoffarmen Fahrzeugen einen Beitrag zur Minderung dieser Schadstoffbelastung abzuverlangen“ (…) „da Stickstoffdioxid die Gesundheit schädigen könne“ (…)
316 
Dementsprechend hat der Beklagte zuvor auch bereits in seiner Klageerwiderung vom 17.02.2017 ausdrücklich außer Streit gestellt, dass
317 
„der Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der von den Immissionen Betroffenen höher zu gewichten sei, als die von dem Verkehrsverbot betroffenen Rechtsgüter des Fahrzeugführers (Eigentum und allgemeine Handlungsfreiheit)“.
318 
In Bezug auf die mit dem Verkehrsverbot verbundenen Mobilitätseinschränkungen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer hat der Beklagten-Vertreter im Klagerwiderungsschriftsatz vom 28.02.2017 ausdrücklich eingeräumt, dass
319 
„der Käufer eines Kraftfahrzeuges mit diesem Kauf weder ein geschütztes Vertrauen geschweige denn ein Recht erwirbt, mit diesem Kraftfahrzeug jederzeit überall hinfahren zu dürfen.“
320 
Diese Ausführungen und die bislang von der Planbehörde vorgenommene Abwägungsentscheidung lassen keine Abwägungsfehler erkennen. Denn es steht außer Zweifel, dass dem mit dem Verkehrsverbot zu schützenden Rechtsgut der menschlichen Gesundheit grundsätzlich ein auch verfassungsrechtlich gewährleistetes, hohes Gewicht zukommt. Ebenso unzweifelhaft ist, dass in dieses Rechtsgut durch die im Bereich der Umweltzone Stuttgart festgestellten, zum Teil ganz erheblichen und langjährigen Überschreitungen der zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgesetzten NO2-Immissionsgrenzwerte auch in erheblichem Maße eingegriffen wird. Denn es ist allgemein anerkannt, dass zu hohe Stickstoffdioxid-Konzentrationen geeignet sind, die menschliche Gesundheit erheblich zu beeinträchtigen, weil Stickoxide in der Umwelt u. a. für die Zunahme sowohl von Atemwegs- als auch von Herz- und Kreislauferkrankungen mitverantwortlich gemacht werden und für bestimmte Personengruppen (z.B. Kinder, Asthmatiker, etc.) ein zusätzliches Gesundheitsrisiko darstellen.
321 
Dem stehen keine von der Planbehörde ermittelten Belange der vom Verkehrsverbot betroffenen Verkehrsteilnehmer gegenüber, die erkennbar höher zu gewichten wären, als diese Gesundheitsinteressen der Wohnbevölkerung. Die Planbehörde hat daher den Schutz der Wohnbevölkerung in der Umweltzone Stuttgart (ca. 600.000 Einwohner) vor fortdauernden, massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen durch zu hohe Stickstoffdioxid-Konzentrationen zu Recht höher gewichtet, als die mit dem Verkehrsverbot einhergehenden Mobilitätseinschränkungen und sonstigen Nachteile für die davon betroffenen Verkehrsteilnehmer (unter Berücksichtigung der Ausnahmekonzeption ca. 80.000; im Ergebnis ebenso: BayVGH, a.a.O., Rn 154).
322 
Soweit sich das Verkehrsverbot gegenüber einzelnen Betroffenen oder Emittentengruppen aufgrund besonderer Umstände als unzumutbar erweisen kann, ist es der Planbehörde unbenommen, solchen „Härtefällen“ durch entsprechende Befreiungs- und Ausnahmetatbestände im Luftreinhalteplan (vgl. auch bereits Ausnahmekonzeption im Planentwurf zur 3. Fortschreibung sowie unten S. 94) Rechnung zu tragen (vgl. hierzu auch Nds.OVG, Urt. v. 12.05.2011 -12 LC 143/09 - in juris).
323 
Soweit der Beklagte mit den zitierten Feststellungen zur Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes zugleich seine früheren weiteren Einwände gegen die Zumutbarkeit solcher Verkehrsverbote (vgl. im Einzelnen Klageerwiderungsschriftsatz vom 31.03.2016) ausdrücklich aufgegeben hat, bedürfen diese keiner näheren Betrachtung mehr.
324 
5.3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es auch nicht, das zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte in Betracht zu ziehende Verkehrsverbot generell auf den 01.01.2020 zu verschieben. Dem steht vielmehr das Minimierungsgebot des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG entgegen, wonach die Maßnahmen eines Luftreinhalteplanes geeignet sein müssen, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.
325 
Der Rechtsansicht des Beklagten, wonach ein ganzjähriges flächendeckendes Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart unverhältnismäßig sei, wenn dieses vor der „Nachrüstlösung“ bzw. bereits zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werde, zu dem die Zahl der davon betroffenen Kraftfahrzeuge noch mehr als 20 % des in Stuttgart zugelassenen Flottenbestandes betrage, ist nicht zu folgen.
5.3.1.
326 
In Bezug auf die „Nachrüstlösung“ ist die Argumentation des Beklagten bereits in der Sache nicht schlüssig. Denn danach soll der sog. „Nachrüstlösung“ ausnahmslos - also in Bezug auf alle vom Verkehrsverbot betroffenen Emittenten bzw. Emittentengruppen - der Vorzug vor dem Verkehrsverbot gegeben werden, obwohl der Beklagte selbst davon ausgeht, dass von den vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeugen lediglich „50 % der Euro 5-Diesel-Pkw“ und damit insgesamt lediglich ca. ein Drittel der vom Verkehrsverbot insgesamt betroffenen Kraftfahrzeugen überhaupt für eine Umrüstung technisch geeignet sind (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017, S. 1).
327 
Warum es der Beklagte bei dieser Sachlage aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dennoch für geboten hält, auch den Eigentümern von nicht nachrüstbaren Kraftfahrzeugen bis mindestens 01.01.2020 „eine Chance zur Nachrüstung zu geben“, anstatt wenigstens diese Kraftfahrzeuge baldmöglichst mit dem zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte erforderlichen Verkehrsverbot zu belegen, konnten die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel begründen und ist auch für das Gericht nicht nachvollziehbar.
328 
In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob der „Nachrüstlösung“ aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Verkehrsverbot der Vorrang einzuräumen ist, bereits deshalb nicht, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von der Planbehörde lediglich im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zu beachten ist.
329 
Nach dieser Regelung steht der zur Aufstellung eines Luftreinhalteplanes verpflichteten Planbehörde ausschließlich bei der Auswahl und Festlegung der zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte und dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen erforderlichen Maßnahmen ein planerischer Gestaltungsspielraum und damit ein Auswahlermessen in Bezug auf die geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen und deren Adressaten, in dessen Rahmen die Planbehörde neben den jeweiligen Verursacheranteilen der Emittenten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat.
330 
Die Ausübung dieses Auswahlermessens setzt regelmäßig voraus, dass mehrere (mindestens 2) geeignete Luftreinhaltemaßnahmen für eine Aufnahme in den Luftreinhalteplan auch tatsächlich in Betracht kommen und damit zur Auswahl stehen. An dieser Voraussetzung für die Ausübung des Auswahlermessens im Sinne des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG fehlt es jedoch hier, weil es sich nach den Feststellungen der Gutachter im Gesamtwirkungsgutachten lediglich bei dem genannten Verkehrsverbot um eine geeignete Luftreinhaltemaßnahme handelt und eine solche Luftreinhaltemaßnahme zur Umsetzung der sog. „Nachrüstlösung“ jedoch offensichtlich nicht in Betracht kommt (vgl. dazu bereits Ziffer 5.2.3.5.). Die „Nachrüstlösung“ ist damit bereits keine rechtlich gleichwertige Handlungsalternative zu dem genannten Verkehrsverbot, die diesem im Rahmen einer Auswahlentscheidung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgezogen werden könnte.
331 
Soweit die Planbehörde dieser „Nachrüstlösung“, wie sie es in der mündlichen Verhandlung umschrieben hat, dennoch „vorab eine Chance geben will“, würde sie damit zugleich gegen ihre gesetzlichen Pflichten aus § 47 Abs. 1 BImSchG verstoßen, wonach die Planbehörde bei Vorliegen einer Überschreitung der in der 39.BImSchV vorgegebenen Immissionsgrenzwerte nicht nur zwingend verpflichtet ist, einen Luftreinhalteplan aufzustellen oder fortzuschreiben („hat“; vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG), sondern wegen des in § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG normierten Minimierungsgebotes darin auch die zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte geeigneten Maßnahmen festlegen muss.
332 
Die Planbehörde ist bei der bereits vorliegenden Überschreitung der Immissionsgrenzwerte daher weder befugt, die Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart, noch die Umsetzung der darin zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte festzulegenden Luftreinhaltemaßnahmen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, um den vorherigen Ausgang freiwilliger Aktivitäten Dritter abzuwarten.
333 
Die sog. „Nachrüstlösung“ berechtigt die Planbehörde demzufolge bereits unter den vorgenannten rechtlichen Aspekten nicht, den zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte notwendigen Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verkehrsverbotes mit einem pauschalen Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
334 
Doch selbst wenn man dieser rechtlichen Argumentation nicht folgen wollte, fehlt der „Nachrüstlösung“ jedenfalls auch die notwendige tatsächliche Gleichwertigkeit zur Einhaltung des in § 47 Abs. 1 BImSchG normierten gesetzgeberischen Ziels (vgl. hierzu bereits unter Ziffer 5.2.3.5.).
335 
Aus den obigen Ausführungen folgt freilich nicht, dass künftige Nachrüstmöglichkeiten, die einen mit dem Verkehrsverbot vergleichbaren Wirkungsgrad besitzen, im Rahmen des von der Planbehörde noch zu erstellenden Handlungskonzepts zur 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart völlig außer Betracht zu bleiben hätten. Wie bereits dargelegt, hat die Planbehörde gemäß § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG zwar keinen Handlungsspielraum, die Fortschreibung des Luftreinhalteplans und das Verkehrsverbot wegen eventuell möglicher Nachrüstungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, wenn die zulässigen Immissionsgrenzwerte bereits seit langer Zeit überschritten sind, wie dies in der Umweltzone Stuttgart der Fall ist. Sie hat aber die Möglichkeit, eventuelle Nachrüstmöglichkeiten bei ihrer Entscheidung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG, gegen welche Emittenten bzw. Emittentengruppen sie das Verkehrsverbot unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festgelegt, zu berücksichtigen. Denn es liegt auf der Hand, dass gerade die Nachrüstung von „jüngeren“ Diesel-Kraftfahrzeugen die Betroffenen weniger belasten kann, als die mit dem Verkehrsverbot verbundenen Nachteile.
336 
Es steht der Planbehörde daher frei, im Rahmen der Planaufstellung zu prüfen, ob bei technisch nachrüstbaren Kraftfahrzeugen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht eine Nachrüstmöglichkeit als „milderes“ Mittel eingeräumt werden muss, bevor auch für diese Kraftfahrzeuge das Verkehrsverbot gilt. Sollte durch solche Nachrüstungen beispielsweise eine Einhaltung des Euro 6-Grenzwertes von 80 mg NOx/km bei einem Teil der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge in absehbarer Zeit tatsächlich technisch möglich sein und der Bundesverordnungsgeber auch die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für den Fortbestand der Straßenverkehrszulassung für solche nachgerüsteten Kraftfahrzeuge zeitnah schaffen, besteht für die Planbehörde bei der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart im Rahmen ihres Auswahlermessens gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG grundsätzlich die Möglichkeit, solche nachrüstbaren Kraftfahrzeuge mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch entsprechende Ausnahmeregelungen im Luftreinhaltungsplan noch für einen befristeten Zeitraum vom Verkehrsverbot auszunehmen, um die entsprechenden Nachrüstungen zu ermöglichen. Die Nachrüstfristen müssten dabei allerdings so bemessen werden, dass das mit dem Verkehrsverbot verfolgte Ziel einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.
337 
Je mehr geeignete Luftreinhaltemaßnahmen die Planbehörde in ihren Planentwurf aufnimmt und je höher deren Gesamtwirkungsgrad ist, umso größer wird auch der Auswahlspielraum der Planbehörde im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG, um den Eigentümern von nachrüstbaren Kraftfahrzeugen noch die Möglichkeit einer Nachrüstung einzuräumen, um dem Verkehrsverbot zu entgehen.
338 
Gleichzeitig würde die Planbehörde mit einer solchen Einbindung der Nachrüstmöglichkeiten in den Luftreinhalteplan und deren Verknüpfung mit dem ansonsten drohenden Verkehrsverbot auf die betroffenen Kraftfahrzeug-Eigentümer auch den notwendigen Druck ausüben, um solche Nachrüstungen tatsächlich zeitnah durchzuführen.
339 
Dieser Möglichkeit, auf - zweifellos sinnvolle - Nachrüstungen hinzuwirken, begibt sich die Planbehörde, wenn sie die sog. „Nachrüstlösung“ - anstatt diese im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 47 BImSchG im Wege einer Regel-Ausnahme-Konstruktion rechtlich mit dem Verkehrsverbot zu verknüpfen - dem Verkehrsverbot nur zeitlich voranstellen und es damit vollständig dem freien Willensentschluss Dritter überlassen will, ob, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Rahmen solche Nachrüstungen stattfinden.
340 
Aus den obigen Ausführungen folgt, dass mögliche Nachrüstungen die Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes nicht in Frage stellen, sondern letztlich sicherstellen, wenn sie von der Planbehörde richtigerweise als Handlungsoption verstanden werden, die den betroffenen Kraftfahrzeug-Eigentümern durch entsprechende Ausnahmeregelungen im Luftreinhalteplan eingeräumt werden können, um das ansonsten zu beachtende Verkehrsverbot abzuwenden.
341 
5.3.2. Soweit der Beklagte seine Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes darüber hinaus an die Zahl der davon betroffenen Emittenten anknüpfen will und dabei zu dem abstrakten Ergebnis kommt, ein solches Verkehrsverbot sei unverhältnismäßig, wenn mehr als 20 % der Verkehrsteilnehmer betroffen seien, kann diesen Überlegungen ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn der Beklagte hat bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, warum das vorliegend zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte geeignete Verkehrsverbot generell und ohne Ansehung der davon konkret betroffenen Kraftfahrzeuge verhältnismäßig sein soll, wenn davon maximal 20 % der zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen sind und unverhältnismäßig, wenn diese „Obergrenze“ - in welcher Größenordnung auch immer (also auch schon bei 20,1 %?) - überschritten ist.
342 
Auch in der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten-Vertreter keine sachlich nachvollziehbare Begründung für diese sich an der reinen Zahl der betroffenen Adressaten der Maßnahme orientierenden Grenzziehung zwischen Verhältnismäßigkeit und Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme gegeben.
343 
Die Verhältnismäßigkeit einer Luftreinhaltemaßnahme hängt grundsätzlich nicht von der abstrakten Größe des davon betroffenen Adressatenkreises ab, sondern ausschließlich von der jeweiligen konkret-individuellen Betroffenheit der einzelnen Emittenten bzw. Emittentengruppen. Deshalb kann auch der Zeitpunkt der Umsetzung eines Verkehrsverbotes nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abstrakt vom Erreichen einer bestimmten Größe des betroffenen Adressatenkreises abhängig gemacht werden.
344 
Eine Rechtfertigung für eine derart abstrakt festgelegte „Obergrenze“ der betroffenen Adressaten/Emittenten lässt sich insbesondere nicht aus den vom Beklagten im Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017 erstmals vorgetragenen „unzulässigen Verlagerungseffekten in den Umlandgemeinden“ herleiten, die der Beklagte annimmt, wenn die Zahl der vom Verkehrsverbot betroffenen Verkehrsteilnehmer über 20 % liegt.
345 
Der Beklagte hat bislang weder diese angeblichen Ausweichverkehre noch deren negative Auswirkungen auf die Luftqualität in den betroffenen Umlandgemeinden hinreichend belegt. Die hierzu in der mündlichen Verhandlung am 19.07.2017 von den Beklagten-Vertretern vorgelegten zwei Karten vom 17.07.2017 (GWG; Vergleich der Stickstoffdioxid-Jahres-immissionen im Stadtgebiet; Fall 9 (temporär) zu Basis HB 3.3) dokumentieren ausschließlich vereinzelte und zudem überwiegend geringfügige Immissionsgrenzwert-Erhöhungen außerhalb des Umweltzonengebiets infolge eines räumlich beschränkten Verkehrsverbotes im Talkessel Stuttgart. Zu welchen unzulässigen Ausweichverkehren es durch ein flächendeckendes Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart angeblich kommen soll und in welchem Umfang, ist diesen Karten dagegen nicht zu entnehmen. Ebenso wenig hat der Beklagte bereits nachvollziehbar dargelegt, warum diese Ausweichverkehre in den Umlandgemeinden gerade dann das zulässige Maß überschreiten sollen, wenn von dem Verkehrsverbot in der Umweltzone mehr als 20 % des Flottenbestandes der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge betroffen ist. Dieses unsubstantiiert gebliebene Vorbringen des Beklagten ist daher in dieser Form einer weiteren Erörterung nicht zugänglich.
346 
Es bedurfte insoweit aber auch keiner weiteren Tatsachenerhebungen durch das Gericht, denn selbst wenn es durch eine Einführung des Verkehrsverbotes zu nennenswerten Ausweichverkehren in den Umlandgemeinden kommen sollte, berechtigten diese die Planbehörde nicht dazu, die Festlegung des Verkehrsverbotes in der Umweltzone zu unterlassen oder deswegen dessen Umsetzungszeitpunkt zu verschieben. In diesem Falle wäre die Planbehörde vielmehr verpflichtet, diese Ausweichverkehre durch geeignete weitere Planmaßnahmen (wie z.B. durch eine Ausdehnung des Verkehrsverbotes auf die betroffenen Umlandgemeinden) auf ein zulässiges Maß zu reduzieren.
347 
Diese Vorgehensweise zur Unterbindung unzulässiger Ausweichverkehre ist der Planbehörde auch bekannt, denn sie ist bei der Festlegung der Maßnahme M2b den von den Gutachtern festgestellten Ausweichverkehren innerhalb der Umweltzone Stuttgart ebenfalls bereits dadurch begegnet, dass sie den Geltungsbereich des Verkehrsverbotes M2b richtigerweise auf diese Ausweichstrecken ausgedehnt hat. Mit solchen Ausweichverkehren lässt sich die vom Beklagten abstrakt festgelegte „Obergrenze“ folglich ebenfalls nicht sachlich begründen.
348 
Die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit des Verkehrsverbotes, die allein an das Überschreiten einer abstrakt festgelegten, zahlenmäßigen „Obergrenze“ der vom Verkehrsverbot betroffenen Kraftfahrzeuge bzw. Verkehrsteilnehmer anknüpft, ist auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar.
349 
Abzulehnen ist diese Rechtsansicht des Beklagten bereits deshalb, weil sie - wie schon die Überlegungen des Beklagten zum Vorrang der Nachrüstlösung - wiederum auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des § 47 BImSchG beruht. Es wurde bereits dargelegt, dass die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Aufstellung von Luftreinhaltungsplänen wie vom Gesetzgeber in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ausdrücklich vorgesehen auf den Bereich des Auswahlermessens beschränkt ist.
350 
Zwar führt auch die Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Auswahlermessens nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG im Ergebnis letztlich zu einer konkreten Zahl der von einer Maßnahme in zumutbarer Weise betroffenen Emittenten. Diese Zahl der von der Maßnahme betroffenen Emittenten ist bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen Auswahlermessens aber lediglich das (zufällige) Resultat der Prüfung, ob sich die Maßnahme gegenüber jedem von der Maßnahme betroffenen Emittenten bzw. Emittentenkreis als verhältnismäßig erweist. Diese Zahl kann daher bei richtiger Rechtsanwendung nicht unabhängig von dieser Prüfung im Rahmen des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG vorab auf einen willkürlich gewählten Prozentsatz festgelegt werden.
351 
Rechtlichen Bedenken begegnet diese Vorgehensweise der Planbehörde im vorliegenden Fall außerdem deshalb, weil sie unberücksichtigt lässt, dass von dem Verkehrsverbot kein nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einheitlich zu behandelnder Adressatenkreis betroffen ist. Denn das Verkehrsverbot betrifft im Wesentlichen Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren der Eurostufen Euro 1 und 2 sowie Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der Eurostufen Euro 3, 4 und 5 und damit also die Eigentümer von Kraftfahrzeugen unterschiedlicher Schadstoffklassen. Das Verkehrsverbot trifft damit - gewissermaßen am „unteren“ Ende seines Adressatenspektrums - sowohl Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren der Stufen Euro 1 und Euro 2 mit geregeltem Katalysator ab dem Baujahr 01.01.1993, ebenso Dieselmotoren der Eurostufe 3 mit Partikelfilter oder Eurostufe 4 ab dem Baujahr 01.01.2006 als auch - am „oberen“ Ende des Adressatenspektrums - die zum Teil noch erheblich jüngeren Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren der seit 2009 geltenden Eurostufe 5.
352 
Es liegt damit auf der Hand, dass von dem Verkehrsverbot nach Abgasverhalten, Alter, Fahrleistung und ihrem wirtschaftlichen Wert sehr unterschiedliche Kraftfahrzeuge betroffen und damit auch die rechtlich geschützten Interessen der Betroffenen durch das Verkehrsverbot nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unterschiedlich zu beurteilen sind. Dabei ist das Verkehrsverbot für die betroffenen Adressaten regelmäßig umso zumutbarer und damit nicht unverhältnismäßig (im engeren Sinne), je höher das Alter und die Fahrleistung und je geringer der Restwert des betroffenen Kraftfahrzeuges ist.
353 
Hieraus folgt, dass die Verhältnismäßigkeit eines Verkehrsverbotes, das wie im vorliegenden Fall keinen einheitlich zu behandelnden Adressatenkreis betrifft und dessen Nachteile für die davon betroffenen einzelnen Emittenten bzw. Emittentengruppen demzufolge sehr unterschiedlich sein können, nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG für jede dieser Emittentengruppen gesondert zu prüfen und festzustellen ist und nicht durch eine von der Planbehörde rein zahlenmäßige bestimmte „Obergrenze“ ohne Ansehung der einzelnen Emittenten bzw. Emittentengruppen abstrakt vorab festgelegt werden kann.
354 
Hinzu kommt, dass die Planbehörde nicht die Absicht hat, dieses für den Umsetzungszeitpunkt des Verkehrsverbotes maßgebliche Kriterium der Größe des betroffenen Adressatenkreises uneingeschränkt, d.h. zu Gunsten aller von der Planfortschreibung betroffenen Interessengruppen anzuwenden. Denn die Beklagten-Vertreter bestätigten hierzu auf Rückfrage in der mündlichen Verhandlung, dass eine Umsetzung des Verkehrsverbotes M1 frühestens dann in Betracht komme, wenn die Zahl der davon betroffenen Kraftfahrzeuge höchstens 20 % des Flottenbestandes Stuttgart betrage. Für den Fall, dass dieser Prozentsatz durch eine schnellere Flottenerneuerung als bislang prognostiziert bereits vor dem 01.01.2020 erreicht werde, verbleibe es allerdings bei dem Umsetzungsdatum 01.01.2020, ein früheres Inkrafttreten des Verkehrsverbotes M1 sei unter keinen Umständen beabsichtigt.
355 
Diesen Einlassungen lässt sich damit entnehmen, dass der Beklagte diese Anknüpfung des Umsetzungszeitpunktes des Verkehrsverbotes an eine bestimmte Größe des betroffenen Adressatenkreises ausschließlich heranziehen will, um den Umsetzungszeitpunkt des Verkehrsverbotes „auf später“ zu verschieben. Mit dieser Zielrichtung, die Umsetzung des Verkehrsverbotes ausschließlich auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, nicht jedoch gegebenenfalls auch vorzuziehen, erweist sich das genannte Umsetzungskriterium als rechtlich unzulässig.
356 
5.3.3. Sonstige Umstände, die eine generelle Verschiebung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbotes auf (mindestens) 01.01.2020 aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebieten könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere sind auch keine schutzwürdigen Interessen der vom Verkehrsverbot betroffenen Verkehrsteilnehmer an einer solchen Verschiebung erkennbar, die nicht im Rahmen der Ausnahmekonzeption des Luftreinhalteplanes berücksichtigt werden können und höher zu gewichten sind, als das legitime Interesse der Bewohner der Umweltzone, vor den Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit durch die fortdauernden und erheblichen Überschreitungen der zulässigen Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich geschützt zu werden.
357 
6. Nach alledem ist der Beklagte zu verurteilen, den Luftreinhalteplan Stuttgart so fortzuschreiben, dass er den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG genügt. Dabei ist das Gericht darauf beschränkt, den Beklagten zu verpflichten, Maßnahmen zu treffen, mit denen die schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsschutzziele gewährleistet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.09.2013 - 7 C 21/12 -; vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.11.2014, - C-404/13 -; beide in juris), wie es dem Antrag des Klägers entspricht.
III.
358 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen waren aus Gründen der Billigkeit nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen eigenen Antrag gestellt und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
IV.
359 
Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ausschließlich wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da das Gericht seine Entscheidung auf der Tatsachenebene ausschließlich auf den Tatsachenvortrag des Beklagten und die von diesem vorgelegten Unterlagen gestützt hat.
360 
Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 134 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen (Bundes-)Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.07.2016 - 1 B 85.16 -, in juris). Dieser Zulassungsgrund ist hier zu bejahen, weil die Rechtssache grundsätzliche Rechtsfragen der Anwendung von bundesgesetzlichen Vorschriften des Luftreinhalterechts und der Auslegung einer Rechtsverordnung des Bundes aufwirft, die über den konkreten Fall hinaus von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht geklärt sind.
361 
Beschluss vom 26. Juli 2017
362 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
30.000,00 EUR
festgesetzt (in Anlehnung an die Ziffern 1.2 und 34.4 des Streitwertkatalogs 2013).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.