Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 01. Dez. 2017 - 4 A 1438/14
Gericht
Tenor
Der Verwaltungsakt der Beklagten zur Aufhebung der teilweisen Stundung des Schmutzwasserbeitrags gemäß Schreiben vom 30. April 2014 und ihr Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2014 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ficht einen Verwaltungsakt zur Aufhebung einer teilweisen Stundung eines Schmutzwasseranschlussbeitrags an.
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Er ist Eigentümer eines Hausgrundstücks, bestehend aus dem 2.401 m² großen Flurstück a der Flur b, Gemarkung B-Stadt. Er bewohnt das Haus und nutzt es zugleich als Bäckerei seit dem Grundstückskauf im Oktober 1998. Dies teilte der Kläger der Beklagten mit Formular-Änderungsmeldung vom 8. Januar (wohl) 1999 mit. Etwa in einem Trinkwassergebührenbescheid der Beklagten vom 12. Februar 2003 heißt es neben der Adresse des Klägers „W Bäcker“.
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Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Erhebung eines Herstellungsbeitrags zur „Schmutzwassererschließung“ vom 20. August 2007 teilte die Beklagte dem Kläger eine „reduzierte Grundstücksfläche“ von 1.600 m² gemäß Beschluss der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 „32/68/2005“ mit. Im anschließend erlassenen entsprechenden Beitragsbescheid vom 18. Juni 2009 ging sie allerdings von der gesamten Grundstücksfläche aus. Mit Schreiben vom 26. Juni 2009 hob die Beklagte deshalb diesen Bescheid auf und teilte dem Kläger mit, ausgehend von der Grundstücksfläche von 2.401 m² sei gemäß dem – nicht beigefügtem – Beschluss der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 zunächst nur der Anteil zu bezahlen, der auf die Grundstücksfläche von 1.600 m² entfalle.
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Mit dem nachfolgenden Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 22. Juli 2009 erhob die Beklagte vom Kläger im Hinblick auf dieses Grundstück einen solchen Beitrag in Höhe von 11.164,65 €. Bei der Bestimmung des Zahlungsgebots wurde darauf hingewiesen, dass laut – nicht beigefügtem – Beschluss der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 hiervon zunächst nur ein Anteil zu bezahlen sei, der auf die Grundstücksfläche von 1.600 m² entfalle. Der Teilbeitrag von 7.440 € sei zum dort angegebenen Zeitpunkt fällig. Der überschießende Teilbeitrag in Höhe von 3.724,65 € werde bis zur weiteren Bebauung der Grundstücksteilfläche, die außerhalb der im anliegenden Flurkartenauszug markierten Grundstücksteilfläche liege, zinslos gestundet. Der Grundstückseigentümer werde verpflichtet, bei Veränderung der Bebauung auf dem Grundstück dies dem Zweckverband unverzüglich anzuzeigen. Im beigefügten Flurkartenauszug ist die gestundete Fläche durch gelbe Quadrate eingezeichnet; die Fläche befindet sich im hinteren Bereich des Grundstücks. Im zur Straße gelegenen vorderen Bereich des Grundstücks befinden sich Gebäude. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Inhalts wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2010 zurück, wobei sie darin als Ermächtigungsgrundlage für den Beitragsbescheid die Beitragssatzung Schmutzwasser vom 3. März 2010 nennt. Klage dagegen hat der Kläger nicht erhoben.
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Ohne vorherige Anhörung eröffnete die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30. April 2014 ohne Rechtsbehelfsbelehrung, er habe nicht mitgeteilt, dass es sich bei dem Grundstück um ein Gewerbegrundstück handele. In diesem Fall hätte eine Kappung auf 1.600 m² gemäß dem Beschluss der Verbandsversammlung nicht erfolgen dürfen. Die Kappung bzw. die Stundung der 1.600 m² übersteigenden Fläche diene der Intention, zentral angeschlossene Grundstücke von besonders großer Größe beitragsbezogen zu „reduzieren“, um zu gewährleisten, dass bei einer verhältnismäßig geringen Bebauung für diese nicht ein Beitrag zu zahlen sei, der die im Falle einer dezentralen Erschließung eintretende Kostenbelastung in unbilliger Weise überschreite. Das klägerische Grundstück sei nicht unverhältnismäßig groß und auf ihm befinde sich auch keine geringe Bebauung. Es sei zu ca. 50 % bebaut, u. a. mit Betriebsgebäuden. Der Kläger wurde aufgefordert, den bisher gestundeten Betrag nunmehr binnen sechs Wochen zu überweisen.
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Gegen dieses Schreiben legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Mai 2014 Widerspruch ein. Sein Grundstück sei zu keinem Zeitpunkt hinsichtlich seiner Bebauung oder Nutzung verändert worden. Er beantragte u. a., ihm den Kappungsbeschluss der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 zu übersenden.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2014 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die damalige Stundung rechtsfehlerhaft und irrtümlich erfolgt sei. Rechtsgrundlage für den Ausgangsbescheid sei § 130 AO. Erst bei einer Überprüfung der Grundstücksakte und anschließender Inaugenscheinnahme Mitte April 2014 sei festgestellt worden, dass es sich um ein Gewerbegrundstück handele, das zu mehr als 50 % bebaut sei. Nach alledem sei nicht ersichtlich, wie ihr Haus bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung unter Berücksichtigung der Rechte und Interessen der anderen Abgabenpflichtigen anders hätte entscheiden sollen und können.
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Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 4. Juli 2014 zugestellt.
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Mit Schreiben vom 3. Juli 2014 übersandte die Beklagte zunächst den Beschluss der Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2012, danach denjenigen vom 20. Dezember 2005.
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Der Kläger hat am 4. August 2014 Klage erhoben, mit der er vorträgt:
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Der Wortlaut des Beschlusses vom 20. Dezember 2005 enthalte im Gegensatz zum Beschluss der Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2012 keine Einschränkungen oder zusätzliche Voraussetzungen. Weder habe die Nutzung der Bebauung noch deren Größe eine Rolle gespielt.
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Er hätte zu keinem Zeitpunkt Bedenken an der Stundungsentscheidung hegen können, da die Voraussetzungen der damaligen Stundungsanweisung keinen Hinweis darauf enthielten, dass sein Grundstück aufgrund der zusätzlichen gewerblichen Nutzung nicht davon profitieren könne. Mehr als die Zusendung des zugrunde liegenden Beschlusses und die Kenntnisnahme dessen Inhalts könne von ihm nicht gefordert werden.
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Dass aktuell ein neuer Beschluss zur Stundung angewendet werde, der bereits vom Wortlaut her eine Reihe von Einschränkungen enthalte, möge dahinstehen, denn er sei nicht rückwirkend auf den Bescheid aus dem Jahre 2009 anwendbar.
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Wenn es sich bei der Stundungsaufhebung um eine Rücknahme handele, könne sie nur nach den §§ 130 ff. AO zurückgenommen werden. Dabei sei nach § 130 Abs. 3 AO die Jahresfrist zu beachten. Der Beklagten sei der Betrieb der Bäckerei auf dem Grundstück, das er im Übrigen bewohne, bereits seit 1998 bekannt.
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Die Stundungsentscheidung sei für viele Beitragsbelastete auch ein Argument gewesen, gegen die Beitragsbescheide keine „Rechtsmittel“ einzulegen. Unter anderem aus diesen Gründen sei die Kappungsgrenze beschlossen worden.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2014 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und trägt dazu unter sinngemäßem Verweis auf den Widerspruchsbescheid vor:
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Es sei auf die Grundsätze zur Nacherhebung versehentlich zu Unrecht nicht erhobener Beiträge und die Pflicht des Aufgabenträgers zu verweisen, den Beitragsanspruch im Sinne der Rechte und Interessen der Allgemeinheit auszuschöpfen. Dies gelte ungeachtet der §§ 130 ff. AO wie auch des § 172 AO, die wohl jeweils nicht anwendbar seien bzw. zumindest hier angesichts der höhergewichtigen Interessen der Allgemeinheit in der Abwägung „weggewogen“ würden.
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Eine versehentlich gewährte Stundung könne dabei keiner anderen Wertung unterliegen (und ggf. bis in alle Ewigkeit Bestand haben) als etwa eine versehentlich nicht berücksichtigte Grundstücksteilfläche oder ein zweites Geschoss.
- 24
Dies gelte umso mehr, da der stundungsrelevante Beschluss im Stundungsbescheid genannt worden sei und durch den Kläger hätte beschafft werden können. Er hätte unschwer ersehen können, dass sein Grundstück die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Schon allein aus diesem Grund sei Vertrauensschutz nicht zu gewähren. Erhöhte Fahrlässigkeitsmaßstäbe pp., wie sie die Abgabenordnung normiere, würden aus den genannten Gründen nicht gelten.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. Juli 2016 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
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Die Anfechtungsklage hat Erfolg.
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Der Verwaltungsakt der Beklagten vom 30. April 2014 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage der behördlichen Entscheidung zur (konkludenten) Aufhebung einer getroffenen Stundungsregelung ist die von der Beklagten erstmals im Widerspruchsbescheid genannte Vorschrift des § 130 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG M-V) sein. Die §§ 172 ff. AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V sind nur auf die Abgabenbescheide selbst - hier den Anschlussbeitragsbescheid mit seinen Festsetzungen zum Beitrag und dem Zahlungsgebot - anwendbar (vgl. etwa Urt. des Gerichts vom 16. Mai 2017 – 4 A 2568/16 SN –, S. 14 ff. des amtlichen Umdrucks m. w. N.).
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Der anwaltliche Vortrag der Beklagten im Klageverfahren ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, legt er doch nahe, dass die Beklagte nicht einmal die Abgabenordnung im Hinblick auf die vorliegende Problematik anwenden will. Dies wäre jedenfalls für die an Recht und Gesetz gebundene Beklagte grob rechtswidrig und höchst befremdlich.
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Genauer gesagt richtet sich vorliegend die Frage, ob der damalige Bescheid im Hinblick auf die teilweise Stundung des Anschlussbeitrags zurückgenommen werden kann, nach § 130 Abs. 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Es handelt sich bei der Stundung um einen Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet (sog. begünstigender Verwaltungsakt).
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Von den dortigen Alternativen, wann ein solcher begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden darf, kommt allein – so auch die Beklagte im Widerspruchsbescheid – § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V in Betracht. Danach darf ein begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wenn seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
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I. Bereits diese Voraussetzungen für die Rücknahme des (Anschlussbeitrags- und) Teilstundungsbescheids vom 22. Juli 2009 liegen nicht vor, zudem läge selbst im bejahenden Falle ein Ermessensfehler vor.
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1. Die in diesem Bescheid zugleich und wohl auf der Grundlage des § 222 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erlassene Entscheidung zur teilweisen Stundung des festgesetzten Schmutzwasseranschlussbeitrags ist nicht rechtswidrig.
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Die Beschlussvorlage zum Beschluss zur Stundung von Beiträgen bei übergroßen Grundstücken vom 20. Dezember 2005 führt zur Begründung auf, das Verwaltungsgericht habe in einem Klageverfahren im Juni 2004 die angewandte Kappungsgrenze von 1.600 m² bemängelt, da hier auf Beiträge verzichtet werde. Da in der Satzung eine Flächenbegrenzung aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, sei in Zukunft die Beitragserhebung für die gesamte beitragspflichtige Fläche erforderlich. Eine Stundung von Beiträgen sei (dagegen) rechtlich unbedenklich. Beschlossen wurde dann, dass die Verbandsversammlung die Verwaltung des Zweckverbands anweise, bei der Beitragserhebung von Grundstücken mit Einzel- und Doppelhausbebauung die Flächen, die 1.600 m² beitragspflichtige Fläche überstiegen, zu stunden. (Gemeint ist offenkundig, insoweit den festgesetzten Beitrag im Hinblick und im Umfang auf diese Flächen zu stunden.)
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Diese Voraussetzungen zur Gewährung der teilweisen Stundung des Schmutzwasseranschlussbeitrags sind im vorliegenden Fall bei der Stundungsentscheidung Mitte 2009 erfüllt gewesen. Das Grundstück des Klägers ist mit einem „Einzelhaus“ bebaut. Ein Einzelhaus ist ein freistehendes Haus in offener Bauweise, also mit seitlichem Grenzabstand, das bis 50 m lang sein darf (vgl. § 22 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Baunutzungsverordnung). Bei der damals von der Verbandsversammlung gewählten Formulierung sind dem Wortlaut nach allein Hausgruppen auf größeren Grundstücken von der Stundungsgewährung ausgeschlossen.
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Die weiteren Ausschlusskriterien, die die Beklagte vorliegend eingeführt hat, sind aber ohne jeden Anhalt in der damaligen Stundungsanweisung der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005. Offenbar hat sie sich bei ihrer Rücknahmeentscheidung an den neueren Stundungsvoraussetzungen orientiert, die im Beschluss der Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2012 niedergelegt sind. Dort heißt es u. a., dass die Stundungsanweisung u. a. nur gelte, wenn das Grundstück ausschließlich zu Wohnzwecken diene und maximal zwei Wohneinheiten vorhanden seien. Insofern sind wohl auch seither (!) sowohl privat als auch gewerblich – erst recht ausschließlich gewerblich – genutzte Hausgrundstücke von einer Stundung ausgenommen. Davon ist aber in der auch noch im Juli 2009 bei der Beitragsbescheidung des Klägers geltenden Stundungsanweisung nicht die Rede. Soweit die Verbandsversammlung mithin die Stundungsgewährung mehr als drei Jahre nach der hier gewährten Teilstundung von engeren Voraussetzungen abhängig macht, können diese Kriterien nicht auf früher gewährte Stundungsentscheidungen angewandt werden, die damals noch nicht galten.
- 37
Soweit die Beklagte einwenden möge, sie seien aber auch damals so „gedacht“ gewesen, ist zu entgegnen, dass für eine Anweisung - noch dazu eines mehrköpfigen Gremiums wie der Verbandsversammlung - an die Verwaltung nicht entscheidend ist, wie sie im Insgeheimen gewollt gewesen, sondern wie sie formuliert worden ist bzw. verstanden werden muss. Selbst wenn insoweit, analog zur Auslegung von Gesetzen, hier die Begründung der Beschlussvorlage oder aber eine etwaige „Aussprache“/Diskussion in der Verbandversammlung vor Beschlussfassung herangezogen wird, um den Beschluss zur Anweisung der teilweisen Beitragsstundung zu ergründen und zu verstehen, ergibt sich kein anderes Ergebnis. In der Beschlussvorlage wird zunächst sinngemäß wiedergegeben, dass das Verwaltungsgericht beanstandet hatte, dass die Beklagte in vorangegangenen Beitragsbescheiden auch bei darüber hinaus gehenden Grundstücken nur Flächen bis 1.600 m² der Beitragsfestsetzung zugrunde gelegt hatte. Dem wird nunmehr als Lösungsvorschlag präsentiert, dass eine Stundung des (vollumfänglich festgesetzten) Anschlussbeitrags, soweit er sich sinngemäß aus der Berücksichtigung auch der Flächen jenseits von 1.600 m² ergibt, rechtlich unbedenklich sei. Mit keinem Wort wird selbst dort die alleinige Anwendung der Teilstundung des Anschlussbeitrags bei über 1.600 m² großen Grundstücken auf ausschließlich als Wohnung genutzte Einzel- oder Doppelhäuser begrenzt bzw. (mindestens auch) gewerblich genutzte Hausgrundstücke von der Teilstundungsgewährung ausgenommen. Entsprechendes gilt für das Protokoll der damaligen Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 und den dortigen Wortbeiträgen.
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Ein Stundungsmerkmal einer (nur) „geringen Bebauung“, wie es im Ausgangsverwaltungsakt anklingt und auf dessen Argumentation im Widerspruchsbescheid vollumfänglich verwiesen wird, ist ebenfalls der einschlägigen Anweisung der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 nicht zu entnehmen. Dass das Grundstück des Klägers nicht zu „ca. 50 % bebaut“ bzw. – korrekt – überbaut ist, wie nunmehr auch die Beklagte einräumt, sei deshalb nur am Rande angemerkt.
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Schließlich gibt es keine Stundungsvoraussetzung einer von der Verwaltung auslegungsbedürftigen „unverhältnismäßigen“ Größe des Grundstücks, wie sie ebenfalls im Ausgangsverwaltungsakt vom 30. April 2014, auf dessen Argumentation im Widerspruchsbescheid vollumfänglich verwiesen wird, Gegenstand ist. Vielmehr wird dieser mögliche Hintergrund des Beschlusses der Verbandsversammlung in selbigem gerade konkretisiert auf Flächen über 1.600 m². Insoweit ist es der Beklagten verwehrt, stattdessen erst ab einer größeren Fläche den Anschlussbeitrag teilweise zu stunden.
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2. Selbst wenn aber von einer – hier unterstellten – Rechtswidrigkeit der damaligen Stundungsgewährung im Bescheid vom 22. Juli 2009 auszugehen sein sollte, gibt es keinen Anhalt, dass die Unrechtmäßigkeit dem begünstigten Kläger zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis ist der Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, also der Zeitpunkt seiner Bekanntgabe (vgl. statt vieler etwa Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 7. März 2013 – 11 K 62/12 –, juris Rn. 39 m. w. N.).
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Positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Stundungsentscheidung im Rahmen des Anschlussbeitragsbescheids ist bei dem Kläger weder zu diesem Zeitpunkt noch später nicht erkennbar und wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen.
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Aber selbst Anhaltspunkte für eine grobe Fahrlässigkeit der Rechtswidrigkeit der Stundungsentscheidung beim Kläger liegen nicht vor. Die Formulierungen im Widerspruchsbescheid – der Ausgangsverwaltungsakt ist insoweit untauglich – deuten ohnehin darauf hin, dass die Beklagte dem Kläger nur einfache Fahrlässigkeit vorwirft. Darauf weist auch die Klagerwiderung im Schriftsatz vom 29. August 2014 hin, wo die Beklagte am Ende ihrer Ausführungen meint, dass „erhöhte Fahrlässigkeitsmaßstäbe pp., wie sie die AO normiert, ... aus den o. g. Gründen nicht (gelten).“
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Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Abgabenpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt (vgl. statt vieler Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 10. November 2004 – 11 K 1855/02 –, juris Rn. 26 m. w. N.)
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Davon kann beim Kläger, der im Übrigen vom Beruf auch kein Jurist, sondern ein Bäcker(meister?) ist, nicht die Rede sein.
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Der damalige Beschluss der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 wird zwar seit der Anhörung bis zum Erlass des fraglichen Beitragsbescheids vom 22. Juli 2009 von der Beklagten mehrfach erwähnt, aber weder wörtlich noch sinngemäß wiedergegeben oder als Anlage beigefügt. Vielmehr wird für einen verständigen Empfänger nicht nur in diesem Bescheid der Eindruck erweckt, dass es für die Teilbeitragsstundung überhaupt keine Voraussetzungen außer einer über 1.600 m² großen Grundstücksfläche gibt. Bereits zuvor findet sich im Schreiben der Beklagten vom 26. Juni 2009 die auch im Beitragsbescheid gewählte Formulierung, dass gemäß diesem Beschluss der Verbandsversammlung „von“ der anrechenbaren Grundstücksfläche von 2.401 m² „zunächst nur der Anteil zu bezahlen (ist), der auf die Grundstücksfläche von 1.600 m² entfällt.“
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Der Beitragsbescheid vom 22. Juli 2009 enthält dann im Weiteren so etwas wie Widerrufsbedingungen, wenn sinngemäß nämlich eine zukünftige weitere Bebauung der Grundstücksteilfläche, die im beigefügten Flurkartenauszug markiert ist, erfolgt. Gleiches gilt ausdrücklich im Falle eines Insolvenzverfahrens bzw. einer Zwangsversteigerung des Grundstücks, wobei dort sogar der gesamte Beitrag sofort fällig sein soll.
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Bei einer derart unzureichenden Bescheidung – soweit die Beklagte nämlich weitere Stundungsvoraussetzungen bzw. entsprechende Einschränkungen einführen wollte – einschließlich des zuvor geführten Schriftverkehrs es dann dem Kläger anzulasten, dass er sich nach dem Inhalt des Beschlusses der Verbandsversammlung hätte erkundigen müssen, ist nicht angängig und begründet im Falle seiner Untätigkeit wohl nicht einmal einfache, zumindest aber nicht grobe Fahrlässigkeit der Rechtswidrigkeit der Teilbeitragsstundung. Ihn trifft keine Obliegenheit, sich vor der Stundungsentscheidung über den Inhalt dieses ihm jedenfalls von der Beklagten als günstig suggerierten Beschlusses der Verbandsversammlung zu erkundigen, namentlich um selbst(kritisch) zu hinterfragen, ob er dem Anwendungsbereich dieser Vergünstigung denn auch tatsächlich unterfällt. Die Beklagte legt nicht dar und für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, woher solche (für grobe Fahrlässigkeit wohl auch sehr großen) Zweifel dem Kläger hätten kommen sollen. Irgendein Anlass, ihn argwöhnen zu lassen, dass auch er an dieser von der Beklagten dargestellten Begünstigung partizipieren darf, war für ihn nicht gegeben.
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Und selbst wenn dem Kläger damals der Beschluss der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2005 vor Erlass des Anschlussbeitrags- und Teilstundungsbescheids zur Kenntnis gebracht worden wäre, hätte er nicht erkennen können, dass die ihm gewährte Stundungsentscheidung nicht rechtens ist, weil er auf seinem Hausgrundstück auch ein Gewerbe betreibt. Insoweit kann auf das oben Ausgeführte verwiesen werden. Wenn nicht einmal das Gericht dies erkennt, kann dies erst recht nicht Anlass für den Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit bei dem Kläger sein.
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3. Schließlich wäre selbst bei tatbestandlicher Erfüllung der Rücknahmevoraussetzungen im Hinblick auf die Teilstundung des Anschlussbeitrags das Ermessen der Beklagten rechtsfehlerhaft ausgeübt.
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Der Ausgangsverwaltungsakt lässt schon nicht einmal ansatzweise erkennen, dass der Beklagten bewusst war, dass ihr bei ihrer Entscheidung Ermessen zusteht. Entscheidend ist allerdings insoweit die Gestalt, die dieser Verwaltungsakt durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Darin wird allerdings dazu allein Folgendes ausgeführt:
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„…Nach alledem ist nicht ersichtlich, wie unser Haus bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung unter Berücksichtigung der Rechte und Interessen der anderen Abgabenpflichtigen anders hätte entscheiden sollen und können …“
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Die Beklagte hat insoweit zwar zutreffend bemerkt, dass ihr bei der Frage der Rücknahme der Teilstundung ein Ermessen zusteht, meint aber mit dieser Aussage offenbar, hier liege eine Ermessensreduzierung auf null vor, hier könne also nicht anders entschieden werden, als die Teilstundung zurückzunehmen (vgl. dazu etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 128 ff.).
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Warum die Beklagte zu dieser Auffassung gelangt, hat sie weder dort noch – soweit rechtlich zulässig – im gerichtlichen Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. § 114 Satz 2 VwGO) ausführt. Das Gericht jedenfalls teilt diese Rechtsmeinung nicht und wertet diese Äußerung der Beklagten als Ausdruck ihres (fortdauernden) Ermessenausfalls bzw. ihres Ermessensnichtgebrauchs. Ein Fall des sog. intendierten Ermessens, wo die „Entscheidungsrichtung“ in der Norm oder den einschlägigen Rechtsgrundsätzen gleichsam vorgegeben und deshalb auch die Darlegung der Ermessenserwägungen grundsätzlich obsolet ist (vgl. dazu Wolff, a. a. O., Rn. 143 ff.), liegt bei der vorliegenden rechtlichen Konstellation nicht vor.
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So wäre etwa im Rahmen der Ermessensüberlegungen er- und abwägenswert gewesen, ob die Rücknahme der - hier unterstellten – rücknahmefähigen Teilstundungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 22. Juli 2009 nicht deshalb zu unterbleiben hat, weil sie maßgeblichen Einfluss auf die Frage gehabt haben könnte, ob sich ein Anschlussbeitragspflichtiger gegen seine Heranziehung juristisch zur Wehr setzt. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger (trotz der teilweisen Beitragsstundung) zwar gegen den Anschlussbeitragsbescheid Widerspruch eingelegt hatte, nach Erlass des seinen Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 7. September 2010 aber keine Anfechtungsklage erhoben hat. Eine solche Würdigung im Rahmen der Ermessenausübung wäre auch deshalb angebracht, weil die Beklagte sich insoweit kurzerhand und ohnehin weitere Ausführungen dazu auf eine neue Rechtsgrundlage für diesen Bescheid berufen hatte, nämlich die Beitragssatzung vom 3. März 2010 statt der zuvor (vermeintlich) geltenden vom 7. Mai 2009.
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II. Auch eine - soweit zulässige - Auslegung bzw. Umdeutung des angefochtenen Verwaltungsakts als Widerruf eines rechtmäßigen Bescheids nach § 131 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V führt zu keinem anderen Ergebnis. Jedenfalls bliebe auch ein solcher Bescheid mindestens aus den vorgenannten Gründen ermessensfehlerhaft. Darüber hinaus müsste sich die Behörde wohl auch bei dieser Aufhebungsrechtsgrundlage zusätzlich Gedanken über einen (weitergehenden) Vertrauensschutz des Klägers machen, wenn sie nunmehr die verschärften Maßstäbe der neuen Teilbeitragsstundungsanweisung der Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2012 auch auf Altfälle anzuwenden gedenkt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Annotations
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,
- 1.
wenn er Verbrauchsteuern betrifft, - 2.
wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft, - a)
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft, - b)
soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - c)
soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - d)
soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch für einen Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ganz oder teilweise abgelehnt wird.
(3) Anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht entsprochen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. § 367 Abs. 2b Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn
- 1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, - 2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist, - 3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, - 4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.
(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Steueransprüche gegen den Steuerschuldner können nicht gestundet werden, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat. Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist
- 1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, - 2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist, - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat, - 3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.
(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.