Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 14. März 2017 - 2 A 219/14

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0314.2A219.14.0A
bei uns veröffentlicht am14.03.2017

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 28.10.2014 wird hinsichtlich des Verfügungspunktes I. 1. e. aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10, der Beklagte 1/10 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen ein sog. planungsrechtliches Anpassungsverlangen des Beklagten, durch das ihr aufgegeben worden ist, ihren „Ostseepark“ in einer bestimmten, vom Beklagten in Grundzügen im Einzelnen vorgegebenen Weise zu überplanen.

2

Die Klägerin ist erst durch den Zusammenschluss der Gemeinden K. und R. im Jahre 2008 als Stadt gegründet worden. Sie hat ca. 13.600 Einwohner und ist damit zweitgrößte Stadt des Kreises P.. Nach dem Landesentwicklungsplan 2010 gehört die Klägerin zum Ordnungsraum Kiel/Verdichtungsraum Kiel und wird im zentralörtlichen System als Stadtrandkern II. Ordnung eingestuft. Im Ortsteil R. hat sich in über 40 Jahren der „Ostseepark“ entwickelt, in dem sich mittlerweile neben einigen normalen Gewerbebetrieben vorrangig großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von ca. 90.000 qm befindet. Es handelt sich hierbei um eine der größten nicht überplanten Einzelhandelsagglomerationen der Bundesrepublik Deutschland. Der Flächennutzungsplan R. aus dem Jahre 1974 stellt den Bereich des Ostseeparks überwiegend als Gewerbegebiet dar. In späteren Änderungen sind Teile des Gebiets als Sondergebiete „Einrichtungshaus“, „Einkaufszentrum“ und „Sport/Freizeit/Hotel“ dargestellt worden. Die Entfernung zwischen dem Ostseepark und der Stadtgrenze Kiels beträgt ca. 1 km. Seit vielen Jahren bemängeln die Landesplanung und Nachbargemeinden, dass dieser Einkaufspark in keinem rechten Verhältnis zur Größe und Bedeutung der Klägerin stehe und dringend einer eingrenzenden Überplanung bedürfe. Die Klägerin betreibt seit mehreren Jahren (Aufstellungsbeschluss vom 22.09.2008) für den Ostseepark ein Bauleitplanverfahren. Nach der Begründung des Entwurfs soll der Einzugsbereich des Ostseeparks ca. 400.000 Einwohner betragen. Gegenstand der Planung ist die Aufstellung der Bebauungspläne 57 A - D, „Mergenthaler Straße / Gutenbergstraße“, wobei der Bebauungsplan 57 A „Neue Mitte / Carl-Zeiss-Straße“ für ein bislang unbebautes Grundstück auf dem sog. Erdbeerberg im Ostseepark die Errichtung eines zusätzlichen, eigenständigen Einkaufszentrums mit 14.000 qm Verkaufsfläche vorsieht. Diesbezüglich hat die Kammer eine Klage des Investors auf Erteilung eines entsprechenden Bauvorbescheides mit der Begründung abgewiesen, von dem Vorhaben seien i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche benachbarter Gemeinden zu erwarten (Urt. v. 08.12.2015, - 2 A 277/13 -); ein Berufungsverfahren ist anhängig (1 LB 1/16). Die Klägerin hat die o.g. Bauleitplanung bis heute nicht zum Abschluss gebracht; eine zunächst erlassene Veränderungssperre wurde von ihr aufgehoben.

3

Noch auf der Grundlage des § 16 des Landesplanungsgesetzes vom 10.02.1996 erließ der Beklagte bereits unter dem 05.07.2013 ein sog. landesplanerisches Anpassungsverlangen, mit dem die Klägerin aufgefordert wurde, für den Ostseepark ein oder mehrere Bebauungspläne aufzustellen. Die Grundzüge der Planung wurden der Klägerin vorgegeben. Insbesondere sollte zentrenrelevanter Einzelhandel über den Bestandsschutz hinaus grundsätzlich ausgeschlossen werden. Für unbebaute Flächen sollte Einzelhandel generell ausgeschlossen werden. Nur so könnten die Ziele der Raumordnung und Landesplanung erreicht werden. Die Aufstellungsbeschlüsse sollten bis zum 31.10.2013 gefasst und bekanntgemacht und durch eine Veränderungssperre gesichert werden. Die Klägerin kam dem nicht nach, sondern blieb - mit einigen Modifikationen - bei ihren bisherigen Planungen. Der Beklagte setzte die Verfügung in der Folge nicht mit Mitteln der Kommunalaufsicht durch.

4

Rückwirkend zum 01.01.2014 trat das Gesetz zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes (LaplaG) und zur Aufhebung des Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes vom 27.01.2014 (GVOBl. Schl.-H. 2014, S.8) in Kraft. Gemäß § 18 Abs. 2 LaplaG kann die Landesplanungsbehörde verlangen, dass die Träger der Bauleitplanung ihre Flächennutzungspläne und Bebauungspläne an die Ziele der Raumordnung anpassen.

5

Auf der Grundlage dieser Gesetzesfassung erließ der Beklagte das hier streitbefangene Anpassungsverlangen vom 28.10.2014 - zugestellt am 03.11.2014 - in Gestalt eines Verwaltungsaktes mit folgendem Tenor:

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„Gemäß § 18 Abs. 2 LapIaG verlangt die Landesplanungsbehörde hiermit, dass die Stadt S. ihre Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung anpasst. Die Verpflichtung zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung ergibt sich aus § 1 Abs. 3 und 4 BauGB.

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I. Landesplanerisches Anpassungsverlangen:

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1. Für den Kernbereich des „Ostseeparks" im OT R. der Stadt S. (Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 57 in Form der Teilbebauungspläne Nr. 57 A - D) ist unter Beachtung der Ziele der Raumordnung und Berücksichtigung der Bestandssituation des „Ostseeparks" ein oder mehrere Bebauungspläne aufzustellen und in Kraft zu setzen. Bei der Aufstellung des oder der Bebauungspläne für den Kernbereich des „Ostseeparks" sind abgeleitet aus der landesplanerischen Zielsetzung folgende Maßgaben zu erfüllen:

9

a. Durch bauplanungsrechtliche Festsetzungen ist Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten grundsätzlich auszuschließen. Zur Definition von zentrenrelevantem Einzelhandel ist die „S.er Liste" gemäß vorliegendem Entwurf der planungsrechtlichen Festsetzungen der Bebauungspläne Nr. 57 A - D der Stadt S. vom 23. Mai 2014 in die Festsetzungen einzubinden, soweit dort alle relevanten Sortimentbereiche - auch der benachbarten Zentralen Orte - erfasst sind.

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b. Die Stadt kann in diesem Rahmen bestandsbezogen Ausnahmen zulassen und im Rahmen des Grundgedankens des § 1 Abs. 10 BauNVO geringfügige Arrondierungen und Erweiterungen bis zu 5% der Verkaufsfläche je Einzelhandelsbetrieb zulassen. Derartige Regelungen mit Bestandsbezug können sich nur auf die genehmigte tatsächlich und aktuell noch ausgeübte Nutzung beziehen. Bei Gebäuden mit Leerstand gilt dieses nur, soweit für die zuletzt ausgeübte Nutzung noch Bestandsschutz besteht.

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c. Darüber hinaus kann die Stadt Ausnahmen für zentrenrelevante Randsortimente von Betrieben mit nicht-zentrenrelevanten Kernsortimenten gemäß vorliegendem Entwurf der planungsrechtlichen Festsetzungen der Bebauungspläne Nr. 57 A - D der Stadt S. vom 23. Mai 2014 (max. 10% der Verkaufsfläche je Einzelhandelsbetrieb) und die untergeordneten Verkaufsflächen für einen Tankstellen-Shop zulassen.

12

d. Bei Gebäuden mit Leerstand ist, soweit für die zuletzt ausgeübte Nutzung kein Bestandsschutz mehr besteht, zentrenrelevanter Einzelhandel generell auszuschließen.

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e. Für bisher unbebaute bzw. nicht mit Einzelhandel belegte Flächen ist jeglicher Einzelhandel generell auszuschließen. Im Einzelfall können unter Beachtung der Ziele der Raumordnung flächenbegrenzt nicht-zentrenrelevante Sortimente zugelassen werden.

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f. Es bestehen keine Bedenken, wenn die Stadt insbesondere zur Beschleunigung der Verfahren von dem Instrument des § 9 Abs. 2a BauGB (Einfacher Bebauungsplan mit selbständigen Regelungen zum Einzelhandel) Gebrauch macht.

15

2. Im Rahmen der Erfüllung der vorgenannten Maßgaben ist der bestehende Flächennutzungsplan der Stadt S. für den Fall zu ändern, dass dies erforderlich sein sollte, um die gesetzliche Voraussetzung des Entwicklungsgebotes (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB) sicherzustellen.

16

3. Das Bauleitplanverfahren ist spätestens bis zum 31. Mai 2015 abzuschließen.

17

4. Ausnahmen von der am 2. Juni 2014 beschlossenen ersten Verlängerung der am 20. Juni 2012 in Kraft getretenen Veränderungssperre gem. §14 BauGB bis 9. Juni 2015 für Einzelhandelsbetriebe sind nicht zulässig, soweit dadurch die Verkaufsfläche erweitert oder die angebotenen Sortimente verändert würden.

18

Die aus landesplanerischer Sicht für erforderlich gehaltenen und in diesem Schreiben dargestellten Maßnahmen für eine Anpassung der Planinhalte des Bebauungsplans Nr. 57 in der Form der Teilbebauungspläne Nr. 57 A - D an die Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind innerhalb der in diesem Schreiben vorgegebenen Fristen zu veranlassen.“

19

In der mehrseitigen Begründung des Bescheides wurde u.a. ausgeführt, dass die Planinhalte der Bebauungspläne Nr. 57 A - D auch in der aktuellen Fassung nicht mit den Zielen der Raumordnung gemäß Ziffer 2.8 Landesentwicklungsplan 2010 vereinbar seien. Durch den Ostseepark werde die Sicherung und Weiterentwicklung der benachbarten Zentralen Orte wesentlich beeinträchtigt. Diese könnten die ihnen im Rahmen ihrer jeweiligen zentralörtlichen Funktion obliegende Versorgung der jeweils zugewiesenen Verflechtungsbereiche nur noch eingeschränkt wahrnehmen. Dies gelte sowohl in Teilen für das Oberzentrum Landeshauptstadt Kiel als auch für die Unterzentren Preetz, Schönberg und Lütjenburg sowie das Unterzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums P.. Gerade in diesen Zentralen Orten werde in erheblichem Umfang Kaufkraft in Richtung Ostseepark abgezogen bzw. bestünden größere Angebotslücken. Durch die unkontrollierte Entwicklung des Ostseeparks werde gegen Ziele der Raumordnung, nämlich das Zentralitätsgebot und das Kongruenzgebot, verstoßen. Nach Ziff. 2.8 Abs. 3 LEP 2010 sei als Ziel festgesetzt, dass großflächige Einzelhandelseinrichtungen und Dienstleistungszentren wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Zentralität nur in Zentralen Orten vorzusehen seien (Zentralitätsgebot). Nach Ziff. 2.8 Abs. 5 LEP 2010 müssten Art und Umfang solcher Einrichtungen dem Grad der zentralörtlichen Bedeutung der Standortgemeinde entsprechen; die Gesamtstruktur des Einzelhandels müsse der Bevölkerungszahl und der sortimentsspezifischen Kaufkraft im Nah- bzw. Verflechtungsbereich angemessen sein (Kongruenzgebot). Stadtrandkerne II. Ordnung seien lediglich den ländlichen Zentralen Orten entsprechende Einkaufseinrichtungen vorbehalten. Dies seien bei Orten mit mehr als 5.000 Einwohnern im Nahbereich Einzelhandelseinrichtungen und sonstige Einzelhandelsagglomerationen zur Deckung des Grundbedarfs mit bis zu 2.000 qm Verkaufsfläche je Einzelvorhaben. Die Existenz einer Einzelhandelsagglomeration mit über 88.600 qm Verkaufsfläche in einer Gemeinde mit ca. 13.500 Einwohnern stelle einen schweren Verstoß gegen das Kongruenzgebot dar. Hieraus resultiere eine Erstplanungspflicht der Klägerin. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Bescheid vom 28.10.2014, Bl. 2727 der Beiakte F, Bezug genommen.

20

Die Kammer hat in dem von der Klägerin beantragten Eilverfahren im Beschluss vom 22.09.2015 – 2 B 29/15 - ausgeführt, dass die im Bescheid vom 28.10.2014 gesetzte Frist bis zum 31.05.2015 zu kurz bemessen sei, so dass Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bescheides insgesamt bestünden. Das OVG Schleswig hat im Beschwerdeverfahren - 1 MB 26/15 - im Beschluss vom 14.07.2016 diese Auffassung der Kammer nur insoweit geteilt, als die Frist für den Abschluss des Bauleitplanverfahrens gesetzt worden ist. Die Fristsetzung begegne hingegen im Hinblick auf die in Ziffer I. 1. geforderte Beschlussfassung eines auslegungsfähigen Planentwurfs durch die Stadtvertretung der Klägerin keinen durchgreifenden Bedenken, da diese Beschlussfassung eines auslegungsfähigen Planentwurfs von der Klägerin in einer deutlich geringeren Zeit als sieben Monaten erfüllt werden könne.

21

Mit Bescheid vom 20.12.2016 hat der Beklagte deshalb den Bescheid vom 28.10.2014 wie folgt geändert:

22

„1. Ziffer I. 1. 3 wird durch folgende Bestimmung ersetzt:

23

Das Bauleitplanverfahren ist spätestens bis zum 31. Dezember 2018 abzuschließen. Die Landesplanungsbehörde kann diese Frist auf rechtzeitigen und begründeten Antrag der Stadt S. um ein Jahr sowie bei Vorliegen besonderer Umstände anschließend nochmals um bis zu ein Jahr verlängern. Die Beschlüsse über einen oder mehrere auslegungsfähige Planentwürfe gemäß §§ 2 Abs.1 und 3 Abs. 2 BauGB sind spätestens bis zum 30. Juni 2015 zu fassen.

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2. Ziffer I. 1. 4 wird durch folgende Bestimmung ersetzt:

25

Auf Basis des Beschlusses über die Aufstellung von einem oder mehreren Bebauungsplänen ist unmittelbar anschließend eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB zur Sicherung der Ziele der Raumordnung entsprechend diesem Anpassungsverlangen bis spätestens einen Monat nach dem Aufstellungsbeschluss zu beschließen.

26

Im Übrigen gilt das Anpassungsverlangen vom 28. Oktober 2014 weiter fort und erstreckt sich auf diese Änderungen.“

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Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass sich der Verfügungspunkt I. 1. 4 des Ausgangsbescheides durch die Aufhebung der am 20.06.2012 in Kraft getretenen Veränderungssperre durch die Klägerin erledigt habe. Das OVG Schleswig habe in seinem Beschluss aber ausdrücklich bestätigt, dass eine Veränderungssperre auf der Basis des Aufstellungsbeschlusses der Sicherung der Ziele der Raumordnung dienen könne. Ohne eine Veränderungssperre könnte sich der planungsrechtlich unerwünschte Zustand verfestigen.

28

Mit Schreiben/Bescheid vom 12.01.2017 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass es sich bei der Angabe „30. Juni 2015“ im Bescheid vom 20.12.2016 um einen redaktionellen Fehler handele, der hiermit dahingehend berichtigt werde, dass die Frist - wie im Ausgangsbescheid genannt - bis zum 31. Mai 2015 laufe.

29

Die Klägerin hat bereits am 25.11.2014 zunächst fristwahrend Klage gegen den Ausgangsbescheid vom 28.10.2014 erhoben. Mit Schriftsatz vom 20.01.2017 hat sie die Änderungsbescheide vom 20.12.2016 und 12.01.2017 in das Verfahren einbezogen. Nachdem Einigungsversuche scheiterten, begründet sie die Klage wie folgt:

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Gemäß § 18 Abs. 2 LaplaG könne die Landesplanungsbehörde verlangen, dass die Träger der Bauleitplanung ihre Flächennutzungspläne und Bebauungspläne an die Ziele der Raumordnung anpassten. Nach dem Tatbestand dieser Vorschrift reiche die Abweichung von Grundsätzen der Landesplanung für das Verlangen nicht aus. Bei dem von dem Beklagten angeführten Integrations-, Zentralitäts- und dem Kongruenzgebot handele es sich entgegen dessen Auffassung aber trotz ihrer entsprechenden Bezeichnung im Landesentwicklungsplan nicht um Ziele der Raumordnung. Ziele der Raumordnung seien gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Raumordnungsgesetz (ROG) verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen (§ 7 Abs. 2 ROG) textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Die ins Feld geführten Regelungen des LEP 2010 müssten daher die für die Zielqualität maßgeblichen materiellen Voraussetzungen aufweisen. Ziele der Raumordnung müssten verbindlich, d.h. im Sinne der Rechtsklarheit strikt formuliert sein. Der Adressat des Ziels müsse diesem auf der Grundlage des Inhalts und durch Auslegung entnehmen können, was er bei seinen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen als verbindliche Vorgaben der Raumordnung zu beachten habe. Landesplanerische Aussagen, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufwiesen, könnten gleichfalls ein Ziel der Raumordnung darstellen. Allerdings gelte für Ausnahmen, dass diese wie Ziele bestimmt oder zumindest bestimmbar sein müssten. Nur dann handele es sich um verbindliche Aussagen, die nach Maßgabe ihrer – beschränkten - Reichweite der planerischen Disposition nachgeordneter Planungsträger entzogen seien. Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe handele es sich bei dem festgelegten Integrationsgebot, dem Zentralitätsgebot und dem Kongruenzgebot materiell nicht um verbindliche Ziele.

31

Plansatz 2.8 Abs. 6 LEP 2010 bestimme u.a., dass großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten nur im baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiet der Standortgemeinde zulässig seien. Großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Kernsortimenten seien nur an städtebaulich integrierten Standorten im räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit den zentralen Versorgungsbereichen der Standortgemeinde zulässig. Nach Satz 3 könne hiervon eine Ausnahme gemacht werden, wenn u.a. die vorhandene Einzelhandelsstruktur weitere sortimentsspezifische Verkaufsflächenentwicklungen zulasse, die zentralörtliche Bedeutung gestärkt werde und die Ansiedlung zu keiner wesentlichen Verschlechterung der gewachsenen Funktion der zentralen Versorgungsbereiche auch der benachbarten Zentralen Orte führe. Das OVG Schleswig habe bereits in seinem Urteil vom 22.04.2010 (1 KN 19/09) zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift im LROP-TF 2004 festgestellt, dass dieser Vorschrift die erforderliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit und damit die Zielqualität nicht zukomme. Die Ausnahmeregelung definiere weder, was zentrale Versorgungsbereiche seien, noch wann eine wesentliche Verschlechterung der Funktion der Versorgungsbereiche vorliege. Das OVG Schleswig habe in seiner Entscheidung u.a. darauf abgestellt, dass die Frage, ob die Einzelhandelsstruktur weitere sortimentsspezifische Verkaufsflächenentwicklungen zulasse, nur durch eine prognostische Bewertung beantwortet werden könne, ohne dass hierfür die Kriterien vorgegeben würden. Nicht definiert sei auch die weitere Voraussetzung für die Zulassung, dass durch das Vorhaben die zentralörtliche Bedeutung gestärkt werden müsse.

32

Plansatz 2.8 Abs. 3 Satz 1 LEP 2010 bestimme, dass großflächige Einzelhandelseinrichtungen und Dienstleistungszentren wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Zentralität nur in den Zentralen Orten vorzusehen seien. Dies gelte auch für mehrere kleinere Ladeneinheiten im räumlich-funktionalen Verbund, deren Gesamtgröße die Großflächigkeit erreiche und die örtliche Versorgungsfunktion überschreite sowie die Erweiterung vorhandener Betriebe in die Großflächigkeit hinein. Zentrale Orte seien die baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiete der zentralörtlich eingestuften Gemeinden. Auch dieser Regelung fehle die erforderliche Bestimmtheit. So werde der Begriff der großflächigen Einzelhandelseinrichtung nicht näher erläutert. Auf die Definition des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO könne nicht zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift in das Planungsrecht nicht übernommen worden sei. Unter großflächige Einzelhandelseinrichtungen würden Einkaufszentren, also der Ostseepark, ohnehin nicht fallen. Auch der Begriff Dienstleistungszentrum sei nicht bestimmbar, auch die Kommentierung zur BauNVO führe hier nicht weiter. Unklar sei, welche Anforderungen an kleinere Ladeneinheiten im räumlich-funktionalen Verbund zu stellen seien. Erfordere dieser Tatbestand etwa, dass eine gemeinsame Stellplatzanlage existieren müsse, gemeinsame Außenwerbung stattfinde, oder aber reiche es hierfür schon aus, dass die Einzelhandelsbetriebe lediglich auf benachbarten Grundstücken gelegen seien? Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Erweiterung vorhandener Betriebe“ werde aus der Begründung deutlich, dass neben der Erweiterung in die Großflächigkeit hinein auch sonstige Erweiterungen erfasst werden sollen, wenn diese erhebliche seien, ohne das Merkmal der Erheblichkeit zu definieren. Zudem werde in der Begründung ausgeführt, dass im Bereich der Nahversorgungseinrichtungen Ausnahmen vom Zentralitätsgebot möglich seien, ohne die gebotene Bestimmung der Ausnahmetatbestände zu treffen.

33

Nicht hinreichend bestimmt sei auch das Begriffspaar des „Zentralen Ortes“. Zentrale Orte seien nach Ziff. 2.2 Abs. 2 LEP 2010 das „baulich zusammenhängende Siedlungsgebiet“ der zentralörtlich eingestuften Gemeinde. In den Erläuterungen heiße es diesbezüglich:

34

„Das baulich zusammenhängende Siedlungsgebiet ist für die planmäßige Siedlungsentwicklung und insbesondere für die Zuordnung von zentralen Einrichtungen und die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen von Bedeutung. Neben dem Bestand sind solche Flächen einzubeziehen, die nach der Bauleitplanung für eine Bebauung vorgesehen sind und für eine Bebauung geeignet erscheinen, soweit sie mit dem Siedlungsgebiet im Zusammenhang stehen. Das baulich zusammenhängende Siedlungsgebiet kann auch baulich angrenzende Flächen von Nachbargemeinden umfassen.“

35

Es werde deutlich, dass hier gleichsam Dasselbe durch Dasselbe definiert werde, sodass unklar bleibe, was unter dem zu Definierenden zu verstehen sei.

36

Die Unschärfe der Begriffsdefinition des „baulich zusammenhängenden Siedlungsgebietes“ sei auch im Zuge der Erarbeitung des LEP 2010 erkannt worden. Die Lösung habe man darin gesehen, dass nach Ziff. 2.2 Abs. 2 Satz 2 LEP 2010 die baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiete in den Regionalplänen festzulegen seien. Dies sei jedoch unzulässig, da bereits im LEP ein zu konkretisierender Rahmen vorgegeben werden müsse. Eine Bestimmbarkeit aufgrund einer Zusammenschau von Landesentwicklungs- und Regionalplan genüge nicht. Nicht relevant sei, dass in Schleswig-Holstein die Regionalpläne auch von der Landesplanung erstellt würden und in einer Zusammenschau eine Bestimmtheit des Begriffs gegeben sei.

37

Wie sich aus Kapitel 2.2 Abs. 1 LEP 2010 ergebe, werde in Schleswig-Holstein zwischen Zentralen Orten und Stadtrandkernen unterschieden. Eine Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in Gemeinden, die - wie die Klägerin - lediglich als Stadtrandkern I . oder II. Ordnung eingeordnet seien, sei nach dem Wortlaut des Plansatzes generell ausgeschlossen. Diese Regelung trage der verfassungsrechtlich garantierten gemeindlichen Planungshoheit aus Art. 54 Landesverfassung S.-H. nicht angemessen Rechnung. Eine derartige Regelung unterliege einem besonderen Rechtfertigungsbedürfnis. Nachvollziehbare Erwägungen für deren im Grundsatz ausnahmslose Festlegung seien jedoch nicht ersichtlich. Die Begründung im LEP reiche hierfür nicht aus. Danach seien im Bereich der Nahversorgungseinrichtungen Ausnahmen vom Zentralitätsgebot nach Maßgabe des Absatzes 2 möglich, ohne dass aber geregelt sei, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme möglich sei.

38

Zudem müsse bezweifelt werden, dass die Landesplanungsbehörde bei Aufstellung des LEP 2010 dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht das Gewicht beigemessen habe, das ihm kraft seiner verfassungsrechtlichen Verankerung zukomme. Es seien nämlich von der Gemeinde beschlossene städtebauliche Planungen nach §§ 1 Abs. 3, 8 Abs. 2 Satz 2 ROG in der Abwägung zu berücksichtigen. Außerdem müssten die Gegebenheiten und Erfordernisse der Teilräume berücksichtigt werden (Gegenstromprinzip). Die Landesplanungsbehörde stelle darauf ab, dass die Zentralen Orte durch Abzug von Einkaufseinrichtungen wesentliche Teile ihrer zentralörtlichen Ausstattung und Funktionen verlieren könnten und damit u.U. kaum noch in der Lage seien, kostenintensive sonstige Einrichtungen der Daseinsvorsorge vorzuhalten. Dabei lasse sie unberücksichtigt, dass der Ostseepark zum Zeitpunkt der Entscheidung über die landesplanerische Vorgabe bereits als seit Jahrzehnten gewachsene Einzelhandelsagglomeration bestanden habe. Sie hätte daher berücksichtigen müssen, dass die benachbarten Gemeinden in der Region und der in dieser vorhandene Einzelhandel sich bereits auf diese Einzelhandelsagglomeration im Ostseepark eingestellt hätten.

39

Zudem sei die Klägerin auch unzutreffend als Stadtrandkern II. Ordnung eingestuft worden. Der Ostseepark habe bereits damals eine Struktur aufgewiesen, die von dem Rahmen eines herkömmlichen ländlichen Zentralortes, gerade in Bezug auf den Einzelhandel, abweiche. Die Besonderheiten des Ostseeparks hätten mithin schon im Rahmen der Einordnung in das zentralörtliche System Berücksichtigung finden müssen. Der LEP 2010 sei diesbezüglich daher wegen Verstoßes gegen §§ 1 Abs. 3, 8 Abs. 2 Satz 2 ROG abwägungsfehlerhaft.

40

Auch dem im Plansatz 2.8 Abs. 5 LEP 2010 formulierten Kongruenzgebot fehle die erforderliche Zielqualität. Danach müssten Art und Umfang großflächiger Einzelhandelseinrichtungen dem Grad der zentralörtlichen Bedeutung der Standortgemeinde entsprechen; die Gesamtstruktur des Einzelhandels müsse der Bevölkerungszahl und der sortimentsspezifischen Kaufkraft im Nah- bzw. im Verflechtungsbereich angemessen sein. Danach seien für die ländlichen Zentralorte und die Stadtrandkerne II. Ordnung mit mehr als 5.000 Einwohnern nur Einzelhandelseinrichtungen mit bis zu 2.000 qm Verkaufsfläche je Einzelvorhaben zulässig.

41

Durch diese Regelungen werde in die kommunale Planungshoheit eingegriffen, ohne dass der Eingriff gerechtfertigt werde. Es liege hier ein willkürlich festgesetzter Schwellenwert vor. Das Abstellen auf Schwellenwerte, die für alle ländlichen Zentralorte gleichermaßen gelten, ohne dass regionale Besonderheiten berücksichtigt würden, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Gerade in ihrem Falle hätte die Jahrzehnte lange Existenz des Ostseeparks berücksichtigt werden müssen. So habe auch der Verfassungsgerichtshof NRW die Regelung des § 24a Abs. 1 Satz 4 LEP NRW a.F., wonach Hersteller-Direktverkaufszentren mit mehr als 5.000 qm Verkaufsfläche bauplanungsrechtlich nur in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern ausgewiesen werden dürfen, mit der Begründung für unwirksam erklärt, es seien willkürlich gewählte Schwellenwerte in Ansatz gebracht worden.

42

Daran ändere auch der Umstand nichts, dass „auf der Grundlage übergreifender Konzepte“ nach Plansatz 2.8 Abs. 5 LEP 2010 „in Abstimmung mit der Kernstadt auch höherwertige Einkaufseinrichtungen möglich“ seien. Gleiches gelte in Bezug auf die landesplanerische Vorgabe, dass in „begründeten Ausnahmefällen“ von den festgelegten Schwellenwerten abgewichen werden könne. Sofern nämlich - wie hier - Ausnahmen von der landesplanerischen Vorgabe zugelassen würden, könnten landesplanerische Vorgaben mit einer Regel-Ausnahme-Struktur die Qualität eines raumordnerischen Ziels nur dann haben, wenn die Ausnahme-Voraussetzungen hinreichend bestimmt oder bestimmbar festgelegt seien. Das sei hier aber gerade nicht der Fall. Entsprechende Erläuterungen oder Definitionen fehlten.

43

Das Kongruenzgebot sei ungeachtet dessen nur gewahrt, wenn die Gesamtstruktur des Einzelhandels der Bevölkerungszahl und der sortimentsspezifischen Kaufkraft im „Nah- beziehungsweise Verflechtungsbereich“ angemessen sei. Der Verflechtungsbereich lasse sich zwar noch anhand der Definition in Ziff. 2.2 Abs. 4 LEP 2010 und der Erläuterung zu Ziff. 2.8 LEP 2010 sowie unter Rückgriff auf die Landesverordnung zur Festlegung der Zentralen Orte und Stadtrandkerne einschließlich ihrer Nah-und Mittelbereiche sowie ihrer Zuordnung zu verschiedenen Stufen (Verordnung zum Zentralörtlichen System) vom 08.09.2009 hinreichend eindeutig bestimmen. Bedenken bestünden jedoch aufgrund der Inbezugnahme von Nahbereichen bzw. Verflechtungsbereichen. Nahbereiche stellten nach dem zentralörtlichen System des Beklagten eine Teilmenge der Verflechtungsbereiche dar. Eine weitere Teilmenge bildeten die sog. Mittelbereiche. Es stelle sich daher für die Zentralen Orte der mittel- bzw. oberzentralen Ebene die Frage, auf welche Verflechtungsbereiche zur Bewertung der landesplanerischen Zielkonformität von Vorhaben abzustellen sei.

44

Auch seien die einzelnen Verfügungspunkte der Bescheide zu bemängeln:

45

Der Verfügungspunkt I. 1. e sei zu unbestimmt. Die Anordnung sehe vor, dass im Einzelfall unter Beachtung der Ziele der Raumordnung flächenbegrenzt nicht-zentrenrelevante Sortimente zugelassen werden könnten. Dieser Anordnung könne nicht entnommen werden, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Größenordnung im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden könnten. Diese widerspreche dem Sinn und Zweck eines landesplanerischen Anpassungsverlangens.

46

Der Verfügungspunkt I. 1. aus dem Änderungsbescheid sei mangels Bestimmtheit ebenfalls rechtswidrig. Er sehe vor, dass die Beschlüsse über die Auslegung bis zum 31.05.2015 zu fassen seien. Es werde nicht deutlich, ob diese Frist der Auslegung dahingehend zugänglich sei, dass tatsächlich der 31.05.2017 gemeint sei. Falls damit die Frist aus dem Bescheid vom 28.10.2014 habe übernommen werden sollen, werde nicht deutlich, wieviel Zeit sie für die Beschlussfassung nun tatsächlich habe.

47

Zudem sei mit dem VG Schleswig davon auszugehen, dass ein derartiger Plan keine Aussicht auf Verwirklichung habe und damit rechtswidrig sei. Die geforderte Festsetzung widerspreche nämlich vollständig der bestehenden Struktur. Mit einer Aufgabe der bestehenden Nutzungen könne auch nicht gerechnet werden, weil diese bestandsgeschützt und lukrativ seien.

48

Auch der Verfügungspunkt I.2. aus dem Änderungsbescheid sei rechtswidrig, weil er unter einem Ermessensfehler in Form einer Ermessensunterschreitung leide. Der erneute Erlass einer Veränderungssperre würde zu einer Umgehung der Fristenregelung des § 17 BauGB führen, weil lediglich die bisherige Planung in Teilen geändert werde. Unter Berücksichtigung der am 19.06.2012 in Kraft getretenen ersten Veränderungssperre würde die Geltungsdauer einer weiteren Veränderungssperre bis zum Abschluss des Bauleitplanverfahrens vier Jahre mit der Folge übersteigen, dass sich die Klägerin nach § 18 BauGB schadensersatzpflichtig mache.

49

Die Klägerin beantragt,

50

den Bescheid des Beklagten vom 28.10.2014 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 20.12.2016 und 12.01.2017 aufzuheben.

51

Der Beklagte beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Er hält den Bescheid vom 28.10.2014 jedenfalls in der Fassung der Änderungsbescheide für rechtmäßig. Bestätigt sieht er seine Rechtsauffassung durch den Beschluss des OVG Schleswig vom 14.07.2016.

54

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die gemeindliche Planungshoheit gewahrt. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe sei ein überörtliches Interesse, das eine Beschränkung der Planungshoheit rechtfertigen könne. Sie sei nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt, sondern könne auch auf Ebene der Landesplanung erfolgen. Hiermit solle die Versorgung in allen Teilen des Landes entsprechend dem Bedarf in zumutbarer Entfernung auch für die nicht-mobile Bevölkerung sichergestellt werden. Gleichzeitig solle verhindert werden, dass Zentrale Orte durch Abzug von Einkaufseinrichtungen wesentliche Teile ihrer zentralörtlichen Ausstattung und Funktionen verlören und dann nicht mehr in der Lage seien, kostenintensive Einrichtungen der Daseinsvorsorge vorzuhalten. Das sei ein raumordnungsrechtlich legitimer Zweck, der eine Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit zu rechtfertigen vermöge.

55

Es begegne auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Klägerin trotz der Existenz des Ostseeparks im LEP 2010 nur als Stadtrandkern II. Ordnung eingestuft worden sei. Das zentralörtliche System in Schleswig-Holstein bestehe aus Zentralen Orten und Stadtrandkernen. Aufgrund der besonderen Situation im nahen Umland großer Zentren würden im 10 km-Umkreis von Ober- und Mittelzentren statt Zentraler Orte i.d.R. Stadtrandkerne festgelegt (§ 30 Abs.1 LaplaG). Stadtrandkerne verfügten zwar über typische zentralörtliche Versorgungseinrichtungen (z.B. Schulen), jedoch versorgten sie in einem engen räumlichen Zusammenhang nur einen räumlich begrenzten Bereich. Die umliegenden Gemeinden würden von den nahen Ober- oder Mittelzentren versorgt, die über eine deutlich bessere Ausstattung verfügten. Die Klägerin sei hier als Stadtrandkern II. Ordnung einzustufen, weil sie unmittelbar neben Kiel liege und nur ca. 13.000 Einwohner habe (§ 30 Abs. 4 LaplaG). Die Klägerin könne auch nicht wegen der Existenz des Ostseeparks anders eingestuft werden. Diese Einzelhandelsansammlung habe zu keinem Zeitpunkt den raumordnungsrechtlichen Vorstellungen entsprochen. Allein aufgrund der Jahrzehnte währenden Existenz könne sich keine „Verpflichtung“ ergeben, diese den Zielen der Raumordnung widersprechende Entwicklung zu perpetuieren. Vertrauensschutz könne die Klägerin für sich nicht in Anspruch nehmen. Zudem habe die Landesplanungsbehörde im Regionalplan für den Planungsraum (alt) III (Fortschreibung 2000) ausgeführt, dass die Entwicklung im Ostseepark nicht mehr für vertretbar angesehen werde, jedoch den Betrieben in angemessenem Umfang Entwicklungsperspektiven einzuräumen seien, um auch wirtschaftliche Belange zu berücksichtigen.

56

Sowohl dem Zentralitätsgebot als auch dem Kongruenzgebot komme die erforderliche raumordnerische Zielqualität zu. Hiervon sei auch das OVG Schleswig bereits in seinem Urteil vom 22.04.2010 (1 KN 19/09) ausgegangen. Auch das Zentrale-Orte-Prinzip bzw. der Konzentrationsgrundsatz sei als Ziel anerkannt; etwa durch Urteil des BVerwG vom 17.09.2003 (4 C 14.01).

57

Die Zielvorgaben seien auch hinreichend bestimmt. Selbst wenn einzelne Begriffe des Plansatzes der Auslegung bzw. Konkretisierung bedürften, stehe dies ihrer Bestimmtheit nicht entgegen. So habe das OVG Lüneburg ausgeführt, dass raumordnerische Festlegungen häufig nur einen Rahmen für niederstufige Planungen setzten. Jedenfalls dieser Rahmen müsse so bestimmbar sein, dass sich die Vereinbarkeit einer Konkretisierung mit diesem Rahmen gerichtlich beurteilen lasse (Urteil vom 15.03.2012 - 1 KN 152/10).

58

Das Zentralitätsgebot in Ziff. 2.8.3 LEP 2010 habe Zielqualität. Dem Bestimmtheitsgebot sei genüge getan. Der Begriff „Großflächige Einzelhandelseinrichtungen“ sei zumindest unter Berücksichtigung der Begründung hinreichend bestimmt. Von „in der Regel“ sei im Plansatz nicht die Rede. In der Begründung werde nicht lediglich darauf verwiesen, dass eine Ausnahme möglich sei. Vielmehr werde ausdrücklich dargestellt, dass dies nur im Bereich von Nahversorgungseinrichtungen unter Bezug auf Abs. 2 der Fall sei. Die Ausnahme sei daher zumindest bestimmbar. Auch der Begriff „Dienstleistungszentrum“ sei ein allgemein gebräuchlicher Begriff für einen Gebäudekomplex, in dem Dienstleistungsunternehmen untergebracht seien.

59

Der Begriff der Zentralität sei in den Zielen und Grundsätzen der Regelungen über das zentralörtliche System der Ziff. 2.2 LEP 2010 abschließend definiert und bestimmt. Auch die Zentralen Orte seien dort abschließend aufgezählt. Darüber hinaus seien die baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiete in den nachgeordneten Regionalplänen festgelegt.

60

Auch der Begriff „kleinere Ladeneinheiten in räumlich-funktionalem Verbund“ sei hinreichend bestimmt. Hiermit seien Agglomerationen mehrerer für sich genommen nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe gemeint. Es sei anerkannt, dass diese in Summe ebenso schädliche Auswirkungen haben könnten wie originär großflächige Einzelhandelsbetriebe.

61

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestünden auch keine Bedenken gegen die einzelnen Verfügungspunkte des Änderungsbescheides vom 20.12.2016 (unter Berücksichtigung der redaktionellen Änderung).

62

Einer Änderung der im Ausgangsbescheid gesetzten Frist bis zum 31.05.2015 habe es nicht bedurft. Die Frist sei vom OVG Schleswig in seinem Beschluss ausdrücklich bestätigt worden. Der Ablauf der Frist bewirke nur, dass sich die Klägerin in Verzug befinde. Die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde habe die Klägerin daher bereits mit Schreiben vom 10.02.2017 zum geplanten Erlass kommunalaufsichtlicher Maßnahmen angehört.

63

Entgegen der Auffassung der Klägerin fehle dem Verfügungspunkt auch nicht die Aussicht auf Verwirklichung. Durch die Regelungen des Anpassungsverlangens werde der Bestand an Einzelhandelseinrichtungen im Ostseepark nicht in Frage gestellt. Die offenen Verfahren, die im nicht überplanten Teilbereich des Ostseeparks nach § 34 BauGB lägen, zeigten sehr wohl, dass ein in Kraft gesetzter Bebauungsplan Rechtsgrundlage für die zukünftige Steuerung des Einzelhandels sein werde. Zudem befänden sich im Ostseepark unbebaute bzw. nicht vom Einzelhandel genutzte Flächen, die sofort von den Festsetzungen eines Bebauungsplans regelnd erfasst würden. Hinzu komme, dass gerade im Einzelhandel durch (stetig) fortschreitende Konzentration einerseits und dem wirtschaftlich bedingten Verdrängungswettbewerb andererseits Einzelhandelsflächen geschlossen würden, deren Nachnutzung dann den in Kraft gesetzten Bebauungsplanfestsetzungen unterworfen sein würden.

64

Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten Auffassung sei der Regelungsgehalt des Verfügungspunktes I. 1. e nicht unbestimmt. Durch die Ausnahmevorschrift in Satz 2 werde die Planungshoheit der Gemeinde gesichert. Die Regelung überlasse der Klägerin für den Bereich der nicht zentrenrelevanten Sortimente den sich aus dem LEP 2010 ergebenden Handlungsspielraum zur Umsetzung in den Bebauungsplanverfahren. Hinzu komme, dass die Landesplanungsbehörde als Träger öffentlicher Belange und aufgrund ihrer besonderen Stellung im Bebauungsplanverfahren nach § 11 LaplaG in das weitere Verfahren eingebunden sei. Gegen eine im Bebauungsplanverfahren vorzunehmende Konkretisierung und Verfeinerung der Vorgaben des landesplanerischen Anpassungsverlangens bestünden aufgrund dieser gesetzlichen Verfahrensbeteiligung keine Bedenken.

65

Dem Erlass der geforderten Veränderungssperre stünden ebenfalls keine Gründe entgegen. Der Klägerin sei der Erlass einer Veränderungssperre nicht auf der Basis der in Aufstellung befindlichen Bebauungspläne Nr. 57 A - D, sondern auf der Basis einer neuen Bauleitplanung mit den dafür notwendigen Beschlüssen aufgegeben worden. Die neue Bauleitplanung verfolge einen neuen konzeptionellen Ansatz, so dass auch die Möglichkeit bestehe, eine neue Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 BauGB zu erlassen, so dass die Fristen des § 17 BauGB neu zu laufen begännen.

66

Bereits mit formlosen Schreiben vom 17.11.2016 forderte der Beklagte die Klägerin auf, nach der Entscheidung des OVG Schleswig im Eilverfahren nunmehr dem für sofort vollziehbaren Bescheid vom 28.10.2014 hinsichtlich der Aufstellung des Bebauungsplans / der Bebauungspläne Folge zu leisten. Sollte die Klägerin nicht binnen zwei Monaten nach Zugang dieses Schreibens einen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans und binnen sieben Monaten einen Beschluss über auslegungsfähige Planentwürfe fassen, werde die Landrätin des Kreises P. aufgefordert, kommunalaufsichtliche Maßnahmen gegenüber der Klägerin zu ergreifen.

67

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakte, die Gerichtsakte 2 B 29/15 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

68

Die Klage ist zulässig, aber nur in dem tenorierten Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.10.2014 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 20.12.2016 und 12.01.2017 verletzt die Klägerin lediglich hinsichtlich des Verfügungspunktes I. 1. e des Ausgangsbescheides in subjektiven Rechten.

69

Soweit die Klägerin die Änderungsbescheide zum Gegenstand des bereits zuvor anhängigen Klageverfahrens gemacht hat, begegnet dies nach § 91 VwGO prozessual keinerlei Bedenken, weil der Beklagte der Änderung zugestimmt hat und die Änderung ansonsten auch sachdienlich wäre.

70

Gemäß § 18 Abs. 2 des Gesetzes zur Neufassung des Landesplanungsgesetzes und zur Aufhebung des Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes vom 27.01.2014 (LaplaG) (GVOBl. Schl.-H. S. 8) kann die Landesplanungsbehörde verlangen, dass die Träger der Bauleitplanung ihre Flächennutzungspläne und Bebauungspläne an die Ziele der Raumordnung anpassen. Allein diese Vorschrift kann Rechtsgrundlage für die hier streitbefangenen Verwaltungsakte sein, weil § 1 Abs. 4 BauGB, wonach die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind, keine Grundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes darstellt. Soweit im Bescheid vom 28.10.2014 gleichwohl neben § 18 Abs. 2 LaplaG auch wiederholt auf § 1 Abs. 4 BauGB verwiesen wird, berührt dies die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht, weil beide Vorschriften dieselben Tatbestandsvoraussetzungen haben. Das Tatbestandsmerkmal „anpassen“ setzt entgegen seinem Wortlaut nicht voraus, dass bereits ein Bebauungsplan existiert, sondern begründet auch eine Erstplanungspflicht, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Es besteht nach Sinn und Zweck der Regelung keine Veranlassung dem Merkmal „anpassen“ einen anderen Bedeutungsgehalt beizumessen als dies nach der Rechtsprechung des BVerwG für das gleichlautende Merkmal in § 1 Abs. 4 BauGB zu geschehen hat (Urteil vom 17.09.2013 - 4 C 14/01 -, E 119, 25ff.). Auch von der Klägerin wird dies nicht in Abrede gestellt.

71

Die im Gemeindegebiet der Klägerin im Laufe der Jahrzehnte entstandene Einzelhandelsagglomeration „Ostseepark“ mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche widerspricht den Zielen der Raumordnung in Schleswig-Holstein. Maßgebend sind insoweit die Festsetzungen im Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein 2010 (LEP 2010) - Bekanntmachung des Innenministeriums - Landesplanungsbehörde - vom 13.07.2010 – IV 52-502.17 - (Amtsbl. Schl.-H. S.719 ff.). Grundsätze und Ziele der Raumordnung hinsichtlich der Ansiedlung von Einzelhandel sind geregelt in Ziff. 2.8 LEP 2010.

72

Nach seinem klaren Wortlaut knüpft § 18 Abs. 2 LaplaG tatbestandlich allein an die Ziele, nicht hingegen an die Grundsätze der Landesplanung an. Für die Qualifizierung der Plan-sätze des Raumordnungsplans als Ziele der Raumordnung in Abgrenzung zu den Grund-sätzen kommt es nicht allein darauf an, wie die Planungsbehörde die Plansätze bezeichnet hat. Aus der Wortwahl „Ziel“ lassen sich nicht zwingend Zielbindungen ableiten. Derartige Angaben sind lediglich als ein Indiz zu werten, dass der Plangeber davon ausgegangen ist, eine Zielfestlegung getroffen zu haben. Ob eine raumordnerische Vorgabe die Qualität eines Ziels oder lediglich eines Grundsatzes hat, richtet sich nach dem materiellen Gehalt der Planaussage selbst. Erfüllt eine planerische Regelung nicht die inhaltlichen Voraussetzungen, die in § 3 ROG umschrieben sind, so ist sie kein Ziel der Raumordnung. Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs.1 Nr. 2 ROG in der Fassung vom 22.12.2008 sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen (§ 7 Abs. 2) textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Den Zielen kommt die Funktion zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der Grundsätze der Raumordnung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. In ihnen spiegelt sich bereits eine Abwägung zwischen den durch die Grundsätze verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen Belangen wider. Sie sind anders als die Grundsätze nicht bloß Maßstab, sondern als räumliche und sachliche Konkretisierung der Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Planungsraumes das Ergebnis landesplanerischer Abwägung. Einer weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe sind sie nicht zugänglich. Die planerischen Vorgaben, die sich ihnen entnehmen lassen, sind verbindlich. Dagegen erschöpft sich die Bedeutung von Grundsätzen der Raumordnung darin, dass sie als Direktiven für nachfolgende Abwägungsentscheidungen dienen. Gemäß § 4 Abs. 1 ROG sind daher bei raumbedeutsamen Planungen Ziele der Raumordnung zu beachten, Grundsätze hingegen nur in Abwägungs- und Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. Die raumordnerischen Ziele sind „Letztentscheidungen“ der Landesplanung, über die sich die gemeindliche Bauleitplanung nicht mehr durch eine eigene Abwägungsentscheidung hinwegsetzen darf und die ihre Rechtfertigung aus spezifisch landesplanerischen Gründen beziehen. Aus dieser „Bindungswirkung“ folgt, dass das vorgegebene Ziel hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein muss. Weist eine landesplanerische Aussage eine so geringe Dichte auf, dass sie die abschließende Abwägung noch nicht vorwegnehmen kann, ist sie auch dann, wenn sie nominell als Ziel bezeichnet wird, nicht als verbindliches raumordnerisches Ziel anzuerkennen. Dem für eine Zielfestlegung charakteristischen Erfordernis abschließender Abwägung ist genügt, wenn die Planaussage auf landesplanerischer Ebene keiner Ergänzung mehr bedarf. Dies ist indes nicht gleichbedeutend mit einem Höchstmaß an Stringenz. Der Plangeber ist nicht gehindert, seine Planaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert. Auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, können eine landesplanerische Letztentscheidung darstellen, wenn der Plangeber neben den Regel- auch die Ausnahmevorschriften mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit selbst festlegt. In einem solchen Fall handelt es sich um verbindliche Aussagen, die nach Maßgabe ihrer – beschränkten - Reichweite der planerischen Disposition nachgeordneter Planungsträger entzogen sind (BVerwG, Urteil vom 18.09.2003 - 4 CN 20/02 -, E 119, 54 ff.).

73

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Ostseepark in seiner jetzigen Ausprägung Zielen der Raumordnung widerspricht, so dass eine Erstplanungspflicht der Klägerin dem Grunde nach besteht. Nach Auffassung der Kammer ist das Gericht dabei nicht auf eine Überprüfung der beiden im Bescheid ausdrücklich abgehandelten Plansätze 2.8 Abs. 3 und 5 LEP 2010 (Zentralitätsgebot und Kongruenzgebot) beschränkt. Der Beklagte hat im Bescheid vom 28.10.2014 ausgeführt, dass die Planinhalte der Bebauungspläne Nr. 57 A - D auch in der aktuellen Fassung nicht mit den Zielen der Raumordnung gemäß Ziffer 2.8 LEP 2010 vereinbar seien. Der Beklagte war nicht gehalten, im Bescheid jedes einzelne Ziel aus Ziff. 2.8 LEP 2010 abzuhandeln, mit dem der Ostseepark nicht im Einklang steht. Er durfte sich auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit den beiden Zielen Zentralitätsgebot und Kongruenzgebot beschränken, zumal das OVG Schleswig die Zielqualität dieser beiden Plansätze in seinem Urteil vom 22.04.2010 (1 KN 19/09) nicht in Abrede gestellt hatte. Die Kammer ist deshalb aber nicht gehindert, zu prüfen, ob weitere Ziele aus Ziff. 2.8 LEP 2010 die konkrete Anordnung tragen. Nach Auffassung der Kammer kommt es auch nicht darauf an, ob alle in Ziff. 2.8 LEP 2010 als Ziel bezeichneten Plansätze materielle Zielqualität aufweisen. Zum Erlass eines Anpassungsverlangens besteht bereits dann dem Grunde nach eine Berechtigung der Landesplanungsbehörde, wenn auch nur gegen ein einschlägiges Ziel des Landesentwicklungsplans verstoßen wird. Erst bei der Ausgestaltung der Verfügung erfolgt dann die Prüfung, welche Folgerungen aus dem Verstoß zu ziehen sind. Die Entwicklung im Ostseepark und die Bauleitplanung der Klägerin verstoßen gegen eine Reihe von Plansätzen mit Zielqualität aus Ziff. 2.8 LEP 2010. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Klägerin sei doch durch die Aufstellung der Bebauungspläne Nr. 57 A - D bemüht, den Wünschen der Landesplanung und der Nachbargemeinden Rechnung zu tragen, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass diese Planungsabsichten - insbesondere die Ansiedlung eines weiteren Einkaufszentrums mit 14.000 qm Verkaufsfläche auf einer bislang unbebauten Fläche - mit den landesplanerischen Vorgaben unvereinbar sind. Hierdurch würde es vielmehr zu einer Intensivierung des missbilligten Zustandes kommen.

74

Auch die Einwendungen der Klägerin gegen die Zielqualität der entsprechend bezeichneten Plansätze im LEP 2010 überzeugen nicht.

75

Ohne Erfolg greift die Klägerin bereits das Zentrale-Orte-System in Plansatz 2.2 LEP 2010 dem Grunde nach an. Das analytische Modell der Zentralen Orte hat sich seit Jahrzehnten als normatives Konzept für die großräumliche Siedlungspolitik in der deutschen Raumplanung durchgesetzt. So ist z.B. die Siedlungsstruktur räumlich zu konzentrieren und auf ein System leistungsfähiger Orte auszurichten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG), die soziale Infrastruktur ist vorrangig in diesen Zentren zu bündeln und es sind die Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und örtlichen Zentren als Zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG). Auf diese Weise sollen die Zentren einander in einer Weise zugeordnet und in ihrer Funktion gestärkt werden, dass der Bevölkerung in zumutbarer Entfernung die Vorteile zentraler Einrichtungen zur Verfügung stehen (vgl. Einzelhandel und Planungsrecht, Baurecht und Bautechnik Band 14, Rn. 54 ff.).

76

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich hieraus kein Verstoß gegen die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden. Es entspricht der ständigen Spruchpraxis des BVerwG, dass Art. 28. Abs. 2 Satz 1 GG der Bindung der gemeindlichen Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht grundsätzlich entgegensteht. Das Grundgesetz gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung nur im Rahmen der Gesetze. Die Bauleitplanung ist der Gemeinde nicht zu beliebiger Handhabung, sondern als öffentliche Aufgabe anvertraut, die sie nach Maßgabe des Baugesetzbuches im Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu erfüllen hat. Materiell-rechtlich setzt die kommunale Planungshoheit der Landesplanung allerdings Grenzen. Wird die Planungshoheit einzelner Gemeinden eingeschränkt, so müssen überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Eingriff rechtfertigen; der Eingriff in die Planungshoheit muss gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist aber nach der Rechtsprechung des BVerwG gerade ein derartiges überörtliches Interesse, das eine Beschränkung der Planungshoheit rechtfertigen kann. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist danach nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt; sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen und mit der zentralörtlichen Gliederung verbunden werden. In diesem mehrstufigen System ist die gemeindliche Bauleitplanung der Landes- und Regionalplanung nachgeordnet; sie stellt die unterste Ebene in der Planungshierarchie dar (BVerwG, Beschluss vom 08.03.2006 - 4 B 75/05 -, zit. n. juris).

77

Es begegnet konkret auch keinen Bedenken, dass die Klägerin gemäß § 6 der Landesverordnung zur Festlegung der Zentralen Orte und Stadtrandkerne einschließlich ihrer Nah- und Mittelbereiche sowie ihre Zuordnung zu den verschiedenen Stufen (Verordnung zum Zentralörtlichen System) vom 08.09.2009 (GVOBl. 2009, 604) lediglich als Stadtrandkern II. Ordnung eingestuft worden ist. Gemäß § 30 Abs. 1 LaplaG sollen in einem Umkreis von zehn Kilometern um Mittel- und Oberzentren in der Regel keine Zentralen Orte festgelegt werden. Hier sollen Stadtrandkerne I. und II. Ordnung ausgewiesen werden, die zentrale Teilfunktionen in engem räumlichem Zusammenhang und für einen räumlich begrenzten Bereich wahrnehmen. Angesichts der unmittelbaren Nähe zu Kiel als Oberzentrum und der Einwohnerzahl der Klägerin von lediglich ca. 13.600 Einwohnern begegnet die Einstufung als Stadtrandkern II. Ordnung keinen Bedenken. Der Umstand, dass der Ostseepark bereits seit über 40 Jahren existiert, ist nach Auffassung der Kammer kein Umstand, der ein Abweichen von der Soll-Vorschrift gebietet. Die Auffassung der Klägerin, die Nachbargemeinden und der dortige Einzelhandel hätten sich im Laufe der Jahrzehnte auf den Ostseepark eingestellt, rechtfertigt nicht die Annahme eines atypischen Falles. Zunächst teilt die Kammer bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht diese Prämisse der Klägerin. Die Kammer hat in dem der Klägerin bekannten Urteil vom 8.12.2015 (2 A 277/13) zur Bauvoranfrage der Firma HBB Gewerbebau zur Errichtung eines weiteren Einkaufszentrums im Ostseepark bereits ausgeführt, dass umliegende zentrale Versorgungszentren auch durch den Ostseepark bereits vorgeschädigt sind und daher die Errichtung des von der Klägerin als Kernstück ihres Bauleitplanverfahrens vorgesehenen Einkaufszentrums den Nachbargemeinden nicht zumutbar ist. Eine raumordnerische Harmonie existiert nicht. In rechtlicher Hinsicht folgt etwas anderes entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 1 Abs. 3 ROG. Danach soll sich die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume in die Gegebenheiten des Gesamt-raums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen (Gegenstromprinzip). Aus diesem Rechtssatz folgt natürlich keine Pflicht der Planungsbehörde, die Raumordnung des Landes lokalen Fehlentwicklungen anzupassen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 ROG sind die Flächennutzungspläne und die Ergebnisse der von den Gemeinden beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planungen entsprechend § 1 Abs. 3 ROG in der Abwägung nach § 7 Abs. 2 ROG zu berücksichtigen. Dabei muss die planerische Absicht der Kommune eine gewisse Verfestigung erfahren haben, es darf sich nicht um bloße Wünsche oder Vorstellungen handeln. Auch wird man davon ausgehen müssen, dass es sich um zulässige städtebauliche Planungen handelt. So besteht die Berücksichtigungspflicht nicht bei städtebaulichen Planungen, die im Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung stehen (vgl. Goppel, in: Spannowsky, Runkel, Goppel, Raumordnungsgesetz, Kommentar, § 8 Rn. 33 ff.). Die Entwicklung des Ostseeparks steht nicht und stand nie im Einklang mit der Landesplanung. Sie ist auch bis heute nicht das Ergebnis eines von der Klägerin durchgeführten Bauleitplanverfahrens, so dass eine verfestigte Planung der Klägerin, auf die Rücksicht genommen werden könnte, bereits nicht existiert. Zudem verfolgt die Klägerin mit ihrer jetzigen, auch schon über acht Jahre währenden Planung weiterhin unerschütterlich unzulässige Ziele. Die Errichtung des zusätzlichen Einkaufszentrums würde nicht nur – wie die Kammer im Verfahren 2 A 277/13 festgestellt hat - schädliche Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB hervorrufen, sondern als planfestgestelltes Vorhaben auch gegen das interkommunale Abstimmungsgebot aus § 2 Abs. 2 BauGB verstoßen. Die Klägerin kann einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz für sich nicht in Anspruch nehmen, wenn auch der Beklagte durch seine jahrelange Untätigkeit an der ungehinderten Entwicklung des Ostseeparks nicht ganz unschuldig ist. Die Kammer folgt daher der Auffassung des Beklagten, dass sich für ihn aus dem Gegenstromprinzip keine Verpflichtung herleiten lässt, den rechtswidrigen Zustand zu perpetuieren. Der Umstand, dass die Einzelhandelsnutzung im Ostseepark auf der Grundlage rechtmäßiger Baugenehmigungen erfolgt und das Vertrauen der Eigentümer in die Fortsetzung dieser genehmigten Nutzungen schutzwürdig ist, kann daher unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei den Planungsvorgaben durch den Beklagten berücksichtigt werden.

78

Nach Ziff. 2.2 Abs. 2 LEP 2010 ist Zentraler Ort oder Stadtrandkern das baulich zusammenhängende Siedlungsgebiet der zentralörtlich eingestuften Gemeinde. Diese Regelung begegnet entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb Bedenken, weil die zusammenhängenden Siedlungsgebiete im LEP 2010 selbst nicht festgelegt sind. Wie ausgeführt umfasst das Raumplanungsrecht eine Abfolge von Planungsentscheidungen auf Bundes- und Landesebene mit fortschreitender Verdichtung auf Landes- und Regionalebene bis hin zur konkreten Festsetzung auf Gemeindeebene. Es ist daher nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden, dass nach Plansatz 2.2 Abs. 2 Satz 2 LEP 2010 die baulich zusammenhängenden Siedlungsgebiete in den Regionalplänen festzulegen sind. Dies gilt in Schleswig-Holstein umso mehr, als die Landesplanungsbehörde sowohl für die Aufstellung des Landesentwicklungsplans als auch der Regionalpläne zuständig ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Plansatz 2.2 Abs. 1 LEP 2010 entgegen der Bezeichnung als Ziel der Sache nach weder um ein Ziel noch um einen Grundsatz der Landesplanung handelt. Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben der Landesplanung, aus denen sich ergibt, welche Entwicklungen erwünscht oder unerwünscht sind. Der Plansatz 2.2 Abs. 1 LEP 2010 enthält aber keine derartigen Vorgaben. Vielmehr definiert er lediglich raumordnerisch das zentralörtliche System. Diese Definition ist Grundlage nachfolgend festgelegter landesplanerischer Ziele. Einwände gegen eine solche Regelungstechnik bestehen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2011, - 4 CN 9/10 -, BRS 78 Nr. 2). Ein Abwägungsspielraum wird den Gemeinden dadurch gerade nicht eröffnet. Eine Unbestimmtheit ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der Begründung zu diesem Plansatz. Abgesehen davon, dass die Begründung der raumordnerischen Ziele selbst keine Planaussage, sondern nur einen - wenn auch gewichtigen - Gesichtspunkt bei der gebotenen Auslegung darstellt, so dass deutlich über den Plansatz hinausgehende Aussagen unbeachtet bleiben müssen, wird hier auch nicht – wie die Klägerin meint - Dasselbe durch Dasselbe definiert. Es liegt im Wesen der Raumordnung - so insbesondere das von der Klägerin angeführte Gegenstromprinzip -, dass die Landesplanung bereits verfestigte Planungen auf Gemeindeebene in die Abwägung einzustellen hat. Hieraus ergibt sich, dass ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet i.S.d. LEP eigenständig definiert werden kann. Nicht nur die bestehende zusammenhängende Bebauung i.S.d. Bebauungszusammenhangs nach § 34 Abs. 1 BauGB, sondern auch die nach der Bauleitplanung vorgesehene Bebauung kann danach dem Siedlungsgebiet zugerechnet werden, wenn denn zwischen beiden Gebieten ein räumlicher Zusammenhang besteht.

79

Dass die Klägerin verpflichtet ist, durch die Aufstellung eines Bebauungsplans eine weitergehende Ausuferung des Ostseeparks auszuschließen, ergibt sich schon aus dem Plansatz 2.8 Abs. 12 LEP 2010. Danach sind für bestehende Einzelhandelsagglomerationen an nicht integrierten Standorten Bebauungspläne aufzustellen, um die vorhandenen regionalen Versorgungsstrukturen in integrierter Lage zu sichern und weitergehende, nicht integrierte Entwicklungen auszuschließen. Wie ausgeführt ist unerheblich, dass der Beklagte sich im Bescheid vom 28.10.2014 nicht ausdrücklich mit dieser planerischen Vorgabe detailliert auseinander gesetzt hat. Dieser Plansatz wird nicht nur als Ziel bezeichnet, sondern weist auch materiell die erforderliche Zielqualität auf. Die Planaussage ist hinreichend konkret und bestimmt. Ein Abwägungsspielraum verbleibt der Klägerin insoweit nicht. Der Ostseepark stellt keinen zentralen Versorgungsbereich, sondern einen Sonderstandort in Randlage dar, der nicht integriert ist. In städtebaulicher Hinsicht handelt es sich um einen isolierten Einzelhandelsstandort, der weitreichende und offensichtlich deutlich über das zu versorgende Gemeindegebiet hinausgehende Versorgungsfunktionen wahrnimmt. Auch das Planungskonzept der Klägerin zur „Neuen Mitte“ geht davon aus, dass durch die Ansiedlung eines Einkaufszentrums in Kombination mit einzelhandelsnahen Dienstleistungen (wie Friseure, Reinigungen, Banken, öffentliche Einrichtungen usw.) dort erst ein neuer zentraler Bereich der Stadt geschaffen werden soll (vgl. Bl. 2049 der Beiakte E). Zu diesem Ergebnis gelangte zudem schon seinerzeit die von der Firma HBB in Auftrag gegebene Wirkungsanalyse der Firma … vom 05.09.2012. Darin wird ausgeführt, dass der Ostseepark gerade mit dem Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea in einem besonderen Wettbewerbsverhältnis stehe, weil beide Einzelhandelsagglomerationen in nicht zentrenintegrierter Lage agierten und sich primär an PKW-Kundschaft wendeten (typengleicher Wettbewerb). Der Plansatz 2.8 Abs. 12 LEP 2010 begründet nicht nur die Pflicht zur Aufstellung des Bebauungsplans, sondern gibt auch die Eckpunkte des Planinhalts hinreichend konkret vor.

80

Auch das Zentralitätsgebot aus Plansatz 2.8 Abs. 3 LEP 2010 hat materielle Zielqualität. Danach sind großflächige Einzelhandelseinrichtungen und Dienstleistungszentren wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Zentralität nur in den Zentralen Orten (> 2.2) vorzusehen. Das gilt nach Satz 2 auch für mehrere kleinere Ladeneinheiten im räumlich-funktionalen Verbund, deren Gesamtgröße die Großflächigkeit erreicht und die örtliche Versorgungsfunktion überschreitet sowie die Erweiterung vorhandener Betriebe in die Großflächigkeit hinein. Die von der Klägerin gegen die Bestimmtheit der Regelung erhobenen Einwendungen überzeugen nicht. So macht sie u.a. geltend, es sei unklar, was unter einer großflächigen Einzelhandelseinrichtung zu verstehen sei, weil etwa die Definition des § 11 Abs. 3 BauNVO von der Landesplanungsbehörde nicht in den Landesentwicklungsplan übernommen worden sei. Nach Auffassung der Kammer überspannt die Klägerin damit die Anforderungen an die Bestimmbarkeit der landesplanerischen Zielvorgabe grundlegend. Das BVerwG hat ausgeführt, dass selbst bei Soll- oder Regel-Ausnahme-Vorschriften nicht erforderlich ist, dass der Plansatz eine normative Aufführung der atypischen Umstände enthält. Landesplanerische Aussagen in Form einer Soll-Vorschrift erfüllten auch dann die Merkmale eines Ziels der Raumordnung, wenn die Ausnahmetatbestände im Wege der Auslegung auf der Grundlage des Plans hinreichend bestimmt oder bestimmbar seien. Lasse sich aus den Zielvorstellungen des Plangebers und dem Normzusammenhang der Regelung im Wege der Auslegung der atypische Fall bestimmen, könne die für die Ziele der Raumordnung vorausgesetzte Letztverbindlichkeit bejaht werden. Der Umstand, dass es sich um abstrakte Kriterien handele, stehe der Bestimmbarkeit durch Auslegung nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 16.10.2010 - 4 C 8/10 -, E 138, 301-316). Die Kammer folgt daher auch nicht der Auffassung des OVG Schleswig in seinem Urteil vom 22.04.2010 (1 KN 19/09), dem Beeinträchtigungsverbot in Plansatz 7.5 Abs. 4 LROP-TF fehle die Zielqualität, weil der Plangeber den verwendeten Begriff „Versorgungszentrum“ nicht selbst definiert habe und eine Definition auch der Fachliteratur nicht zu entnehmen sei. Der Begriff des Versorgungszentrums lässt sich z.B. durch Rückgriff auf den Begriff des zentralen Versorgungsbereichs in § 2 ROG bzw. des § 34 Abs. 3 BauGB auslegen. Zutreffend i.S.d. Rechtsprechung des BVerwG hat demgegenüber das OVG Lüneburg entschieden, dass die Frage, was unter den Begriff „Einzelhandelsgroßprojekten“ i.S.d. Ziff. 2.3 Abs. 3 Satz 6 LROP II 2008 zu verstehen sei, durch Auslegung zu ermitteln sei. Unter Berücksichtigung von Wortlaut und den gegebenen Planerläuterungen gelangte der Senat zu dem Ergebnis, dass Einzelhandelsgroßprojekte neben Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandelsbetrieben auch Agglomerationen verschiedener Einzelhandelsbetriebe auch unterhalb der Schwelle zur Großflächigkeit seien, sofern sie vergleichbare Auswirkungen hätten (OVG Lüneburg, Urteil vom 10.07.2014, - 1 KN 121/11 -, BRS 82 Nr. 10). Es ist daher nicht ernstlich zweifelhaft, dass Begriffe wie „Großflächige Einzelhandelseinrichtungen“ und „Dienstleistungszentren“ auslegungsfähige und damit bestimmbare Tatbestandsmerkmale der Zielaussage darstellen. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung dergestalt, dass ein Einkaufszentrum von dem Merkmal „Großflächige Einzelhandelseinrichtungen„ nicht erfasst werde, ist mit Sinn und Zweck der Regelung selbst sowie unter Berücksichtigung der weiteren Planziele in Abs. 4 und 5 natürlich nicht ansatzweise in Einklang zu bringen. Großflächige Einzelhandelseinrichtungen können ohne weiteres auch etwa durch Rückgriff auf die Regelung in § 11 Abs. 3 BauNVO definiert werden (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22.06.2011, - 4 CN 4/10 -, zit. n. juris.). Angemerkt sei, dass selbst dann, wenn ein einzelner Begriff einmal nicht der Auslegung zugänglich wäre, die Regelung im Übrigen gleichwohl Bestand hat, wenn sie selbständig handhabbar bleibt. Unerheblich ist auch, dass in der Begründung zu diesem Plansatz ausgeführt wird, unter den großflächigen Einzelhandelseinrichtungen seien in der Regel Einzelhandelsbetriebe mit mindestens 800 qm Verkaufsfläche, Einkaufszentren und vergleichbare Einrichtungen zu verstehen. Die Klägerin meint aus dieser Begründung herleiten zu können, dass hier ein eigenständiger, aber unbestimmter Begriff des großflächigen Einzelhandelsbetriebs von der Planungsbehörde verwendet worden sei, weil die Großflächigkeit i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO erst bei einer Größe von mehr als 800 qm beginne. Wer auf eine derartige Marginalie abstellt, macht lediglich deutlich, dass er nicht gewillt ist, die Regelung sachgerecht auszulegen. Die Klägerin verkennt, dass die Begründung der Plansätze selbst nicht dem Bestimmtheitsgebot unterliegt. Der Wortlaut der Begründung darf nicht „auf die Goldwaage gelegt werden“, weil die Begründung nur ein - wenn auch wichtiges - Mittel zur Auslegung der Plansätze, auf die es allein ankommt, darstellt. Unerheblich ist daher entgegen der Auffassung der Klägerin auch, dass in der Begründung zu diesem Plansatz ausgeführt wird „Unter Bezug auf Absatz 2 sind im Bereich der Nahversorgungseinrichtungen allerdings Ausnahmen vom Zentralitätsgebot möglich“. Der Plansatz selbst enthält keinerlei Ausnahmetatbestand. Er ist auch nicht als Soll- oder Regelvorschrift formuliert. Von daher wäre dieser Begründungsteil entweder unbeachtlich oder – was näher liegt - als bloßer Hinweis auf das für Härtefälle vorgesehene Zielabweichungsverfahren zu verstehen.

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Angemerkt sei hierzu noch, dass sich aus diesem Plansatz kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie ergibt. Der gänzliche Ausschluss von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen außerhalb der Zentralen Orte wird nämlich durch Ziff. 2.8 Abs. 5 LEP 2010 dahingehend modifiziert, dass Stadtrandkernen I. und II. Ordnung den ländlichen Zentralorten entsprechende Einkaufseinrichtungen vorbehalten sind.

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Aus Sicht der Kammer kommt auch dem Plansatz 2.8 Abs. 4 LEP 2010 materielle Zielqualität zu. Danach ist bei der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen die wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestehender oder geplanter Versorgungszentren, insbesondere an integrierten Versorgungsstandorten, innerhalb der Standortgemeinde zu vermeiden. Darüber hinaus darf die Versorgungsfunktion beziehungsweise die Funktionsfähigkeit bestehender oder geplanter Versorgungszentren benachbarter Zentraler Orte nicht wesentlich beeinträchtigt werden (Beeinträchtigungsverbot). Wie bereits ausgeführt, folgt die Kammer nicht der Auffassung des OVG Schleswig (Urteil vom 22.04.2010, - 1 KN 19/09 -), dass das Beeinträchtigungsverbot in Plansatz 7.5 Abs.4 LROP-TF u.a. deshalb nicht als verbindliches raumordnerisches Ziel anzuerkennen sei, weil der Begriff Versorgungszentrum nicht eigenständig planungsrechtlich definiert worden und unzulässiger Weise auf geplante Versorgungszentren abgestellt worden sei. Auch insoweit gilt, dass es sich um auslegungsfähige und daher bestimmbare Merkmale handelt. Angesichts des Ziels der Regelung, Beeinträchtigungen anderer Versorgungszentren zu vermeiden, können mit „geplante Versorgungszentren“ nur solche verstanden werden, deren Realisierung aufgrund bestehender Bebauungspläne oder noch gültiger Baugenehmigungen tatsächlich auch zu erwarten ist. Der Begriff des Versorgungszentrums kann etwa unter Rückgriff auf den zentralen Versorgungsbereich in § 2 Abs. 3 ROG oder auf § 34 Abs. 3 BauGB definiert werden. Auch das OVG Schleswig hat in einer jüngeren Entscheidung keine Bedenken mehr an der Zielqualität des Plansatzes 6.2.2 des Landesraumordnungsplans 1998 formuliert, in dem ebenfalls auf eine wesentliche Beeinträchtigung bestehender oder geplanter Versorgungszentren abgestellt wird (OVG Schleswig, Urteil vom 18.06.2014, - 1 KN 19/13 -, zit. n. juris.). Die Entwicklung des Ostseeparks ist mit diesem Ziel auch in tatsächlicher Hinsicht nicht zu vereinbaren. Dass eine wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Versorgungszentren benachbarter Orte zu befürchten ist, hat die Kammer bereits im Verfahren 2 A 277/13 festgestellt. Dies gilt vorliegend umso mehr, als für die Vereinbarkeit des Ostseeparks mit der Landesplanung – anders als im Verfahren 2 A 277/13 - nicht nur auf das geplante Einkaufszentrum, sondern auf den gesamten Ostseepark abzustellen ist.

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Auch der Plansatz 2.8 Abs. 5 LEP 2010 (Kongruenzgebot) weist Zielqualität auf. Danach müssen Art und Umfang solcher Einrichtungen dem Grad der zentralörtlichen Bedeutung der Standortgemeinde entsprechen; die Gesamtstruktur des Einzelhandels muss der Bevölkerungszahl und der sortimentsspezifischen Kaufkraft im Nah- beziehungsweise Verflechtungsbereich angemessen sein. Dementsprechend zugelassen sind in Stadtrandkernen II. Ordnung mit mehr als 5.000 Einwohnern im Nahbereich nur Einzelhandelseinrichtungen und sonstige Einzelhandelsagglomerationen zur Deckung des Grundbedarfs mit bis zu 2.000 qm Verkaufsfläche je Einzelvorhaben. Auch das OVG Schleswig ist in seinen Entscheidungen vom 22.04.2010 und 18.06.2014 von der Zielqualität des Kongruenzgebots ausgegangen. Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 26.08.2009 (Az. 18/08, DVBl. 2009, 1305) eine landesrechtliche Norm, nach der die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren mit mehr als 5.000 qm Verkaufsfläche nur in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohner zulässig ist, wegen willkürlicher und unverhältnismäßiger Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit für unwirksam erklärt. Die beiden Regelungen sind indes nicht miteinander vergleichbar. Die Verwendung von Schwellenwerten begegnet keinen Bedenken. Gerade die Landesplanung ist ohne eine typisierende Betrachtungsweise nicht vorstellbar. Kommt es zu einem Härtefall, kann dieser hinreichend durch das Zielabweichungsverfahren (§ 13 LaplaG) berücksichtigt werden. Das BVerwG hat daher auch eine Regelung, nach der Betriebe mit mehr als 2.000 qm Geschoßfläche in der Regel nur für Mittel- und Oberzentren in Betracht kommen, als zulässiges Ziel der Raumordnung angesehen (BVerwG, Urteil vom 17.09.2003, - 4 C 14/01 -, E 119, 25-45). Die in der mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin geäußerte Kritik, es gebe keinen sachlichen Anknüpfungspunkt für die Festlegung des „Schwellenwertes 5.000 Einwohner“, ist nicht berechtigt. Allgemein wird im Rahmen der Statistik ab 5.000 Einwohnern von einer Kleinstadt gesprochen. In Schleswig-Holstein gibt es auch eine Reihe von kleineren Städten mit um die 5.000 Einwohnern. Zudem sind die Folgen, die an diese Unterscheidung geknüpft werden, gering; so beträgt die Verkaufsfläche bis 5.000 Einwohnern 1.500 qm und ab 5.000 Einwohnern 2.000 qm je Einzelvorhaben. Anhaltspunkte dafür, dass diese typisierte Differenzierung sachlich nicht vertretbar ist, sind nicht ersichtlich.

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Die Regelung ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht unbestimmt. Soweit sie z.B. rügt, es sei nicht ersichtlich, was im Plansatz 2.8 Abs. 5 S. 1 LEP 2010 unter „solcher Einrichtungen“ zu verstehen sei, ob hierunter insbesondere die in Abs. 3 erwähnten „Dienstleistungszentren“ fielen, verkennt sie auch insoweit, dass die Reichweite der einzelnen Tatbestandselemente durch Auslegung zu ermitteln ist und ermittelt werden kann. Angesichts der Bezugnahme auf den Einzelhandel im 2. Halbsatz der Regelung dürfte die Auslegung in dem Sinne erfolgen, dass Dienstleistungszentren nicht erfasst sind.

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Auch die Auffassung, es bleibe unklar, wann Art und Umfang solcher Einrichtungen dem Grad der zentralörtlichen Bedeutung „entsprechen“, überzeugt nicht. Die Landesplanungsbehörde hat diese Frage in Satz 2 des Plansatzes „Dementsprechend vorbehalten sind“ konkretisiert und im Einzelnen benannt. Danach dürfen in Stadtrandkernen II. Ordnung nur solche Einkaufseinrichtungen errichtet werden, die auch in ländlichen Zentralorten zulässig sind. In ländlichen Zentralorten mit mehr als 5.000 Einwohnern im Nahbereich sind aber nur Einzelhandelseinrichtungen und sonstige Einzelhandelsagglomerationen zur Deckung des Grundbedarfs mit bis zu 2.000 qm Verkaufsfläche je Einzelvorhaben zulässig.

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Auch die spezielle Regelung zu Stadtrandkernen II. Ordnung, dass auf der Grundlage übergreifender Konzepte in Abstimmung mit der Kernstadt auch höherwertige Einkaufseinrichtungen möglich sind, begegnet keinen Bedenken. Die Bestimmtheit ist gegeben. Die Landesplanungsbehörde kann selbst entscheiden, unter welchen Bedingungen und wie weit sie die Kommunen bei der Planung einschränken will. Die Zielqualität einer Planaussage mit Regel-Ausnahme-Charakter setzt nicht voraus, dass der Plangeber die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme greift, ausschließlich durch Vorgabe materiell-rechtlicher Kriterien regelt. Ausnahmen von einer raumordnerischen Zielfestlegung dürfen zusätzlich von der Durchführung eines Verfahrens abhängig gemacht werden, wenn die Voraussetzungen und Bindungen eines solchen Verfahrens hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar sind. Standortentscheidungen für eine nach seinen Zielvorgaben ausnahmsweise zulässige Planung muss der Plangeber nicht selbst treffen. Es ist ihm unbenommen selbst zu bestimmen, wie weit die Steuerungswirkung reichen soll, mit der von ihm geschaffene Ziele Beachtung beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 22.06.2011, - 4 CN 4/10 -). Vorliegend hat der Plangeber hinsichtlich der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen in Plansatz 2.8 LEP 2010 eine Reihe von Anforderungen gestellt. Durch die hier streitige Ausnahmeregelung überlässt er es der Kerngemeinde festzustellen und durch Erstellung eines Konzepts mit der als Stadtrandkern II .Ordnung ausgewiesenen Gemeinde sicherzustellen, dass diese Ziele und die Interessen der Kerngemeinde gewahrt werden. Durch diese Regelung wird aber der als Stadtrandkern II. Ordnung eingestuften Gemeinde gerade nicht die Möglichkeit eröffnet, sich im Wege der Abwägung über die landesplanerischen Ziele hinwegzusetzen. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hierzu vertretene Auffassung, es gehe nicht an, dass der Stadtrandkern dadurch vom Wohlwollen der Kerngemeinde abhängig sei, teilt die Kammer nicht. Der Stadtrandkern hat eben grundsätzlich zum Schutze der Kerngemeinde keinen „Anspruch“ auf höherwertige Einkaufseinrichtungen. Nur wenn die Kerngemeinde aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse die Gefahr der Beeinträchtigung nicht sieht, kann sie sich auf ein übergreifendes Ansiedlungskonzept mit dem Stadtrandkern einlassen. Dass der Stadtrandkern damit auf das Einverständnis der Kernstadt angewiesen bleibt, ist nicht zu beanstanden.

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Weitere, detailliertere Ausführungen hierzu erspart sich die Kammer, weil nach ihrer Auffassung schon die Abweichung der Planung von einem einzigen Ziel der Landesplanung dem Grunde nach den Erlass einer Verfügung nach § 18 Abs. 2 LaplaG rechtfertigt.

88

Auch die einzelnen Verfügungspunkte des angefochtenen Bescheides vom 28.10.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.12.2016 begegnen im Wesentlichen keinen Bedenken.

89

Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 22.09.2015 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren 2 B 29/15 aufgrund einer nur summarischen Prüfung die aufschiebende Wirkung der Klage im Wesentlichen deshalb wiederhergestellt, weil ihr die im Bescheid vom 28.10.2014 gesetzte Frist zum Abschluss des Bauleitplanverfahrens als deutlich zu kurz erschien. Diese Bedenken sind nunmehr durch den Änderungsbescheid vom 20.12.2016 ausgeräumt, der die Frist zum Abschluss des Verfahrens nicht nur bis zum 31.12.2018 verlängert, sondern der Klägerin unter bestimmten Bedingungen weitere mehrjährige Verlängerungsoptionen eröffnet. Die Frist für die Beschlüsse über auslegungsfähige Planentwürfe bis zum 31.05.2015 (die Angabe 30.06.2015 wurde durch den Bescheid vom 12.01.2017 berichtigt) wurde hingegen durch den Bescheid vom 20.12.2016 nicht geändert. Hierzu hat aber schon das OVG Schleswig in seinem Beschluss vom 14.07.2016 ausgeführt, dass diese Frist angemessen war. Diese Auffassung wird von der Kammer geteilt. Es bedurfte insoweit auch keiner neuen Fristsetzung. Der Ablauf der Frist führt lediglich dazu, dass die Klägerin sich mit diesen Beschlüssen mittlerweile in „Verzug“ befindet, so dass nunmehr kommunalaufsichtliche Maßnahmen ergriffen werden könnten. Folgerichtig hat der Beklagte deshalb die Klägerin mit formlosem Schreiben vom 17.11.2016 darauf hingewiesen, dass sie nach der Entscheidung des OVG Schleswig verpflichtet sei, die Aufstellungsbeschlüsse zu fassen. Sollte sie dies nicht binnen sieben Monaten ab Zugang des Schreibens tun, würde die Landrätin des Kreises P. aufgefordert, gegen die Klägerin mit kommunalaufsichtlichen Mitteln vorzugehen. Die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16.02.2017 gerügte Unbestimmtheit des Verfügungspunktes I. 1. des Änderungsbescheides besteht daher nicht.

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Bedenken äußerte die Kammer auch bezüglich der Rechtmäßigkeit des Verfügungspunktes I. 1. a des Ausgangsbescheides, wonach durch bauplanungsrechtliche Festsetzungen im Gebiet des Ostseeparks Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten grundsätzlich auszuschließen ist. Es sei zweifelhaft, ob die vom Beklagten geforderte Festsetzung geeignet sei, eine nachhaltige Strukturveränderung des Einkaufszentrums Ostseepark zu erzielen, weil nämlich die vorhandenen Einzelhandelsgeschäfte mit zentrenrelevanten Sortimenten bestandsgeschützt und lukrativ seien, so dass mit der Aufgabe der Nutzung nicht ohne weiteres gerechnet werden könne. Letztlich hält die Kammer an diesen Bedenken nicht fest. Anerkannt ist, dass eine Gemeinde im Rahmen der Überplanung bestehender Bebauungszusammenhänge nicht darauf beschränkt ist, die bestehenden Nutzungen festzuschreiben, sondern dass sie auch berechtigt ist, in die Zukunft gerichtete abweichende Planvorstellungen zu entwickeln, so dass bestehende Nutzungen nur noch Bestandsschutz genießen. Allerdings sind der Planungsfreiheit auch insoweit Grenzen gesetzt. Unzulässig ist ein Bebauungsplan, der auf „unabsehbare Zeit“ keine Aussicht auf Verwirklichung bietet, der also funktionslos wäre (BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999, - 4 BN 15/99 -, zit. n. juris). Diese Tatsache muss so offensichtlich sein, dass ein in die Geltung der Festsetzung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Wird geltend gemacht, eine Festsetzung sei nicht erst nachträglich funktionslos geworden, sondern bereits im Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Bebauungsplans funktionslos gewesen, so ist bei der Annahme eines Geltungsmangels Zurückhaltung zu üben. Die Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans lässt sich nicht allein mit dem Hinweis darauf in Frage stellen, dass der Planinhalt mit den tatsächlichen Verhältnissen im Plangebiet nicht (voll) übereinstimmt. Die Gemeinde kann auch bebaute Ortsteile überplanen, um diese fortzuentwickeln. Das Interesse an der Erhaltung vorhandener Verhältnisse hat zwar erhebliches Gewicht, kann jedoch überwunden werden, wenn die von der Gemeinde verfolgten Ziele der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung sowie gewichtige, gegen die Erhaltung der vorgefundenen Verhältnisse sprechende Belange dies rechtfertigen.

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Bei der Beurteilung der „Funktionslosigkeit“ kommt es nicht darauf an, ob sich die Festsetzungen des Bebauungsplans auf einzelnen Grundstücken nicht werden verwirklichen lassen. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer auf den Gesamtgeltungsbereich des Bebauungsplans bezogenen Betrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, Beschluss vom 17.02.1997, - 4 B 16/97 -, BRS 59, Nr. 55).

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Ob sich eine künftige Bauleitplanung als nicht vollzugsfähig erweist, erfordert eine vorausschauende Betrachtung. Bei der Prognose geht es um den Zeitraum, in dem die Unsicherheiten einer Plandurchführung längstens als zumutbar erscheinen und von den Planbetroffenen hinzunehmen sind. Der zugrunde zu legende Zeithorizont muss in Hinblick auf die in dem Bebauungsplan vorgesehen Festsetzungen realistisch sein. Welcher Zeitraum für die Realisierbarkeit der als Angebot konzipierten Planung als nicht mehr hinnehmbar angesehen kann, hängt von den planerischen Vorstellungen und der jeweiligen Planungssituation ab (BVerwG, Beschluss vom 26.01.2010, - 4 B 43/09 -, BRS 76, Nr. 114).

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Bei Anlegung dieser Maßstäbe lässt sich bei der gebotenen Zurückhaltung nicht feststellen, dass die geforderte Festsetzung des Ausschlusses von Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten offensichtlich auf unabsehbare Zeit die ihr zugedachte städtebauliche Gestaltungsfunktion nicht wird erfüllen können. Angesichts des verfolgten Ziels, die mit den Zielen der Raumordnung nicht in Einklang stehende Entwicklung im Ostseepark einzudämmen, und des Umstandes, dass diese (Fehl-) Entwicklung sich seit vielen Jahrzehnten verfestigt hat, kann eine Änderung der Nutzungsstruktur im Ostseepark auch nur in mehreren Jahrzehnten erwartet werden. Soweit das BVerwG in Einzelfällen gefordert hat, dass die Verwirklichung der Vorhaben binnen zehn Jahren nicht ausgeschlossen erscheinen dürfe, resultierte diese kurze Frist aus straßenrechtlichen Besonderheiten, die sich auf das vorliegende Verfahren nicht übertragen lassen (BVerwG, Urteil vom 18.03.2004, - 4 CN 4/03 -, zit. n. juris). Es ist durchaus möglich, dass sich die Nutzungsstruktur im Ostseepark in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der Festsetzung maßgebend ändern wird. Zu Recht hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es im Ostseepark eine Reihe unbebauter Grundstücke sowie Grundstücke ohne Einzelhandelsnutzung mit zentrenrelevanten Sortimenten gibt, für die die Festsetzungen der geforderten Bebauungspläne sofort und dauerhaft Wirkung entfalten würden. Weiter ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass sich im Einzelhandel eine Tendenz zu größeren Ladeneinheiten entwickelt, sodass schon aus diesem Grunde mit Geschäftsverlagerungen gerechnet werden kann. Zudem ist völlig unklar, welche Sortimente vor Ort in den nächsten Jahren/Jahrzehnten nachgefragt werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kunden immer stärker auf den Internet-/Versandhandel zurückgreifen, so dass eine deutliche Umstrukturierung der Einzelhandelslandschaft zu erwarten ist. Ohnehin unterliegt der Einzelhandel einem hohen Wettbewerbsdruck. Auch im Ostseepark hat es daher bedingt durch Umstrukturierungen zeitweise Leerstände gegeben. Bestätigt werden diese Annahmen auch durch die nachgewiesenen Nutzungsänderungs- bzw. Erweiterungsanträge für Einzelhandelsbetriebe. Diese Entwicklungen würden voraussichtlich durch einen mit den Festsetzungen des Bebauungsplans einhergehenden Attraktivitätsverlust des Ostseeparks für Investoren und Pächter noch beschleunigt und intensiviert. Durch die Aufgabe einer genehmigten Nutzung würde aber der Bestandsschutz erlöschen und die Festsetzung im Bebauungsplan Geltung erlangen. Es fehlt daher an gesicherten Erkenntnissen, die die Annahme der Funktionslosigkeit mit der gebotenen Sicherheit rechtfertigen könnten. Dem Grunde nach hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Verhandlung diese Sicht der Kammer noch bestätigt, indem er sinngemäß geltend gemacht hat, dass der dort ansässige Einzelhandel mit einer Erweiterungsmöglichkeit von lediglich 5%, wie in Verfügungspunkt I. 1. b. geregelt, nicht werde leben können.

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Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung, bei der Festlegung der zentrenrelevanten Sortimente habe ausschließlich auf die „S.er Liste“ abgestellt werden dürfen, so dass die Regelung in Satz 2 des Verfügungspunktes I. 1. a. zu weitreichend sei, vermag die Kammer nicht zu folgen. Auf diese Liste käme es nur dann an, wenn es ausschließlich um den Schutz zentraler Versorgungsbereiche im Stadtgebiet der Klägerin ginge. Hier geht es im Rahmen der Landesplanung aber gerade um die Belange der planungsrechtlich „höherwertigen“ Nachbargemeinden, so dass naturgemäß auch die dort relevanten Sortimentsbereiche zu erfassen sind.

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Die Einwendungen gegen den Verfügungspunkt I. 1. b überzeugen nicht. Richtig ist, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Planungsabsichten eine Arrondierung und Erweiterung um bis zu 10% anstrebt. Auch diese Regelung würde indes den planungsrechtlichen Missstand noch intensivieren. In der Summe könnte dies zu einer zusätzlichen Verkaufsfläche von ca. 9.000 qm führen. Durch die vom Beklagten vorgegebene Quote von 5% wird bereits zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Interesse der Grundeigentümer und Pächter eine an sich unerwünschte Erweiterung hingenommen. Die Regelung ist auch hinreichend bestimmt, weil sie der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, die näheren Voraussetzungen im Bebauungsplan nach § 1 Abs. 10 BauNVO selbst zu bestimmen, wenn sie sich denn an den Schwellenwert hält.

96

Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung ist Verfügungspunkt I. 1. c. nicht deshalb unbestimmt, weil unklar bleibt, ob die Regelung nur für Bestandsgebäude oder auch für neu errichtete Gebäude gelten soll. Die Regelung gilt für alle Nutzungen mit nicht-zentrenrelevanten Kernsortimenten und einen Tankstelle-Shop.

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Gegen die Rechtmäßigkeit des Verfügungspunktes I. 1. d. des Ausgangsbescheides bestehen keine Bedenken. Aus Sicht der Kammer wird die Nutzung der Grundstücke hierdurch nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Die Grundstückseigentümer konnten nicht darauf vertrauen, dass der Ostseepark dauerhaft nicht überplant wird und auch zukünftig neue Einzelhandelsnutzungen mit zentrenrelevanten Nutzungen zulässig sein würden. Denn die Einzelhandelsnutzung mit zentrenrelevanten Sortimenten unterliegt bereits jetzt den sich aus § 34 Abs. 3 BauGB ergebenden Restriktionen, so dass die Kammer auch die Klage auf Erteilung eines Einkaufszentrums auf dem sog. Erdbeerberg abgewiesen hat. Ohne dass es vorliegend darauf ankäme, sei allerdings darauf hingewiesen, dass auch eine mehrjährige Nutzungsunterbrechung den durch die Baugenehmigung vermittelten Bestandsschutz grundsätzlich nicht entfallen lässt (VG Schleswig, Urteil vom 30.09.2015 - 2 A 49/14 -). Zudem bedeutet nicht jeder Sortimentswechsel eines genehmigten Einzelhandelsbetriebes zugleich auch eine Funktionsänderung, durch die der Bestandsschutz erlischt.

98

Hinsichtlich des Verfügungspunktes I. 1. e. des Ausgangsbescheides hat die Kammer im Beschluss vom 22.09.2015 – 2 B 29/15 - folgendes ausgeführt:

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„Dieser Anordnung kann nicht entnommen werden, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Größenordnung Ausnahmen zugelassen werden können. Werden einer Gemeinde von der Landesplanungsbehörde die Ziele der Raumordnung mitgeteilt, kann sie ihre Anforderungen nicht unter den Vorbehalt stellen, dass die Gemeinde bei ihrer Planung die Ziele der Raumordnung beachtet. Sinn und Zweck eines landesplanerischen Anpassungsverlangens ist es gerade, der betreffenden Gemeinde zweifelsfrei deutlich zu machen, welchen Vorgaben durch die Ziele ihre zu bewältigende Bauleitplanung unterliegt“.

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Der Beklagte hat in der Beschwerdebegründung im Schriftsatz vom 23.10.2015 hiergegen eingewendet, durch die Ausnahmeregelung werde die Planungshoheit der Gemeinde gesichert. Zudem sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Ziele der Raumordnung einen hohen Abstraktionsgrad aufwiesen. Letztlich sei die Landesplanungsbehörde im Bebauungsplanverfahren gemäß § 11 LaplaG eingebunden, so dass eine Konkretisierung der Vorgaben im Planverfahren unschädlich sei.

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Diese Einwendungen überzeugen nicht. Schon das landesplanerische Anpassungsverlangen muss der Gemeinde klare, verständliche Vorgaben für die Planung machen, wenn auch der Gemeinde ein Ausgestaltungsspielraum verbleiben kann. Durch die tatbestandslose Ausnahmevorschrift wird die Ausschlussregelung in Satz 1 aber völlig konturenlos, so dass die Regelung insgesamt ihren Anordnungscharakter verliert. Der Umstand, dass die Landesplanungsbehörde nach § 11 LaplaG im Aufstellungsverfahren Beteiligungsrechte behält, kann keine Rechtfertigung für eine fehlende Bestimmtheit der Anordnung selbst darstellen. Ein Beteiligungsrecht steht dem Beklagten auch im laufenden, von der Klägerin seit Jahren betriebenen Bauleitplanverfahren zu. Das hier streitige planungsrechtliche Anpassungsverlangen geht indes weit über die Beteiligungsrechte hinaus, weil es selbst gestaltend in die Bauleitplanung eingreift. Eine anordnende, gestaltende Regelung muss aber auch einen unmissverständlichen, jedenfalls durch Auslegung zu ermittelnden Regelungsgehalt besitzen.

102

Aus Sicht der Kammer besteht auch nicht die Möglichkeit, lediglich die Ausnahmevorschrift in Satz 2 der Regelung für unwirksam zu erklären. Satz 1 und Satz 2 der Anordnung bilden einen einheitlichen Verfügungspunkt und stehen in einem untrennbaren Regelungszusammenhang. Es fehlt an irgendwie gearteten Anhaltspunkten für die Annahme, dass die Landesplanungsbehörde den Verfügungspunkt auch ohne Satz 2 erlassen hätte. Auch im Klageverfahren hat der Beklagte entsprechendes nicht geltend gemacht, sondern vielmehr die Ausnahmevorschrift verteidigt. Zudem sei darauf hingewiesen, dass sich im Falle der Wirksamkeit nur der Regelung in Satz 1 des Verfügungspunktes e. zumindest die Frage der Wahrung der Verhältnismäßigkeit stellen würde. Durch den absoluten Ausschluss von Einzelhandel auf den bisher unbebauten bzw. nicht mit Einzelhandel belegten Flächen würden gegenwärtig noch bestehende „Baurechte“ nach § 34 BauGB entwertet mit der Folge, dass möglicherweise Bauplanungsschäden nach § 42 BauGB entstünden, die die Klägerin wirtschaftlich erheblich belasten würden. Auch der Umstand, dass im angefochtenen Bescheid jegliche Ausführungen zu dieser Problematik fehlen, verbietet die Annahme, die Unwirksamkeit der Regelung in Satz 2 lasse die Wirksamkeit der Regelung in Satz 1 unberührt. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagen in der mündlichen Verhandlung ausführte, es sei das Recht des Beklagen gewesen, eine Regelung im Sinne von „bis hierher und nicht weiter“ zu treffen, kann die Kammer offen lassen, ob eine entsprechende Regelung - wie sie sich aus Satz 1 ergibt - unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begründbar gewesen wäre, weil der Beklagte eine derartige klare Regelung eben gerade nicht getroffen hat und nach der Begründung des Bescheides auch nicht ersichtlich ist, dass er eine solche treffen wollte.

103

Hinsichtlich des Verfügungspunktes I. 1. f. erhebt die Klägerin keine Einwendungen. Die Kammer kann offen lassen, ob die Voraussetzungen für eine Planung nach § 9 Abs. 2a BauGB tatsächlich vorlägen, weil die Klägerin durch die Regelung jedenfalls nicht beschwert wird.

104

Der Verfügungspunkt I. 2 des Ausgangsbescheides begegnet entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung, die Verfügung lasse zu Unrecht die Frage offen, ob ein Gewerbe- oder ein Sondergebiet ausgewiesen werden müsse, keinen Bedenken. Schon aus § 11 Abs. 3 BauNVO folgt, das Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsagglomerationen, die sich nicht nur unwesentlich auf Ziele der Landesplanung auswirken können, außer in Kerngebieten nur in Sondergebieten zulässig sind. Sollten allerdings räumliche Teilbereiche des Ostseeparks im Bauleitplanverfahren als Gewerbegebiet ausgewiesen werden, wäre der bestehende Flächennutzungsplan hierfür insoweit ausreichend. Letztlich hängt also die Frage, ob und inwieweit der bestehende Flächennutzungsplan zu ändern ist, von der konkreten Umsetzung des Anpassungsverlangens durch die Klägerin ab.

105

Auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegen die Rechtmäßigkeit des Verfügungspunktes I. 4. geltend gemachten Bedenken muss die Kammer nicht eingehen, weil dieser Verfügungspunkt mit dem Änderungsbescheid vom 20.12.2016 durch eine andere Regelung ersetzt worden ist.

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Die Bedenken der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit des Verfügungspunktes I 2. des Änderungsbescheides vom 20.12.2016 teilt die Kammer nicht. Die Verpflichtung der Klägerin zum Erlass einer Veränderungssperre ist ein in jeder Hinsicht geeignetes Mittel, um den Zielen der Raumordnung Geltung zu verschaffen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB liegen vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre sie nicht gemäß § 17 BauGB an dem geforderten Erlass der Veränderungssperre gehindert. Von dem Fall, dass eine Veränderungssperre verlängert oder erneut beschlossen wird (§ 17 Abs. 3 BauGB), ist der Erlass einer selbständigen neuen Veränderungssperre zu unterscheiden. Die neue Sperre ist eine andere als die frühere. Sie unterliegt nicht den Vorgaben des § 17 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BauGB über die Verlängerung und den erneuten Erlass von Veränderungssperren. Voraussetzung für den Erlass einer derartigen, allein auf § 14 BauGB gestützten Veränderungssperre ist, dass ihr eine neue Planungskonzeption der Gemeinde zugrunde liegt. Dafür kommt es darauf an, dass die betreffenden Sperren, die für denselben Bereich erlassen worden sind, auf verschiedenen, inhaltlich und zeitlich in keinem Zusammenhang stehenden Planaufstellungsbeschlüssen beruhen (EZB Kommentar zum BauGB, § 17 Rn. 56ff.). Nach der Rechtsprechung des BVerwG liegt diese Voraussetzung sogar dann vor, wenn die Gemeinde eine Planung fortführt, die in einem Normenkontrollverfahren wegen der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen für insgesamt unwirksam erklärt wurde. Es handele sich auch in diesen Fällen um hinreichend verschiedene Planungen. Die Bebaubarkeit der Grundstücke werde durch die Möglichkeit, in einem solchen Fall eine neue Veränderungssperre zu erlassen, nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt (BVerwG, Beschluss vom 29.03.2007, - 4 BN 11/07 -, BRS 71 Nr. 117).

107

Bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabes lässt sich feststellen, dass die Voraussetzungen für eine neue Veränderungssperre nach § 14 BauGB vorliegen. Unerheblich ist, dass die neue Planung sich auf dasselbe Plangebiet bezieht. Die neue Planung weicht von der ursprünglichen Planung der Klägerin gravierend ab. Für die neue Planung ist ein neuer Aufstellungsbeschluss erforderlich, der vom Beklagten mit der angegriffenen Verfügung auch von der Klägerin gefordert wird. Die von dem Beklagten geforderte Planung reduziert die im Ostseepark vorhandenen Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten auf den Bestandsschutz. Planungskonzeption ist letztlich, den Ostseepark hinsichtlich dieser Nutzungsart auf lange Sicht zum Wohle anderer Gemeinden „auszutrocknen“. Demgegenüber sieht die bislang von der Klägerin betriebene Planung in weiten Teilen nicht nur die planungsrechtliche „Festschreibung“ des Einzelhandels mit zentrenrelevanten Sortimenten, sondern zudem noch die erhebliche Ausweitung dieser Nutzung vor, nämlich zulässige Erweiterungen um jeweils 10% sowie die Neuerrichtung eines selbständigen Einkaufszentrums mit 14.000 qm Verkaufsfläche. Die Behauptung der Klägerin, durch die geforderte Planung würden die „Grundzüge“ der bisherigen Planung nicht berührt, so dass auch keine neue Veränderungssperre erlassen werden dürfte, vermag daher nicht zu überzeugen.

108

Letztlich leiden die angefochtenen Bescheide auch nicht an einem Ermessensfehler. Allerdings steht es nach § 18 Abs. 2 LaplaG im Ermessen der Landesplanungsbehörde, ob und in welcher Form sie ein Anpassungsverlangen erlässt. Vorliegend geht die Kammer angesichts der gravierenden Abweichungen der Nutzung im Ostseepark von den Zielen der Landesplanung davon aus, dass das Entschließungsermessen des Beklagten im Sinne einer Pflicht zum Erlass des Anpassungsverlangens auf „Null“ reduziert war. Würde man bei einer Entwicklung wie im Ostseepark nicht von der Ermächtigung des § 18 Abs.2 LaplaG Gebrauch machen, wäre nicht ersichtlich, wie man dann in anderen, nicht so gravierenden Fällen der Abweichung von den Zielen der Landesplanung noch ermessensfehlerfrei ein landesplanerisches Anpassungsverlangen erlassen könnte. Selbst wenn man dies anders sähe, würde es vorliegend ausreichen, dass sich der Beklagte im Ausgangsbescheid unter Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse mit den Einwendungen der Klägerin befasst hat. Er hat unter anderem darauf abgestellt, dass die Verkaufsfläche im Ostseepark seit 2010 erneut um mehrere 1.000 qm zugenommen habe. Zudem lägen neben der Bauvoranfrage der Firma HBB zur Errichtung eines Einkaufszentrums weitere Bauvoranfragen vor. Die Klägerin habe aber bis heute nicht auf die Bekanntgabe der landesplanerischen Ziele durch Verfügung vom 05.07.2013 reagiert. Diese Erwägungen scheinen jedenfalls zur Rechtfertigung des Einschreitens ausreichend.

109

Die Auffassung der Klägerin, eines landesplanerischen Anpassungsverlangens habe es gar nicht bedurft, weil der Gesetzgeber durch § 34 Abs. 3 BauGB ein Instrument zur Steuerung des Einzelhandels geschaffen habe, verkennt, dass durch diese Vorschrift zwar Fehlentwicklungen im unbeplanten Innenbereich begegnet werden kann, die Verpflichtung zur Überplanung eines Gebiets unter Beachtung der Ziele der Landesplanung mit seinen Wirkungen hierüber aber weit hinaus geht.

110

Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin und der betroffenen Grundstücks-eigentümer erweisen sich die einzelnen Verfügungspunkte – soweit sie von der Kammer für wirksam angesehen werden - als noch verhältnismäßig. Wie schon ausgeführt, kann die Klägerin selbst keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen, weil sie es über Jahrzehnte unterlassen hat, ihrer Planungspflicht nachzukommen und die Entwicklung des Ostseeparks zu steuern. Die Klägerin durfte sich nicht darauf zurückziehen, die Nutzungen basierten doch auf rechtmäßig erteilten Baugenehmigungen. Das BVerwG hat schon in der Mühlheim-Kärlich-Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Regelungen in §§ 34 und 35 BauGB kein vollwertiger Ersatz für einen Bebauungsplan sind; sie gelten als Planersatzvorschriften, nicht als Ersatzplanung. Weiter hat das BVerwG in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Gemeinde selbst dann nicht von der Planung absehen dürfe, wenn ihr möglicherweise Ersatzansprüche wegen Planungsschäden drohten (BVerwG, Urteil vom 17.09.2003 – 4 C 14/01 -, a.a.O.). Es kommt daher vorliegend nicht darauf an, ob mit der geforderten Planung für die Klägerin die Gefahr von Planungsschäden begründet wird, weil - selbst wenn dies der Fall wäre - dies allein die Unverhältnismäßigkeit des Verlangens nicht zu begründen vermag. Angemerkt sei hierzu allerdings, dass die Regelung, die sicherlich am ehesten geeignet gewesen wäre, Planungsschäden zu begründen, weil sie in bestehende Baurechte eingreifen würde - nämlich Verfügungspunkt I. 1. e. des Ausgangsbescheides -, von der Kammer für unwirksam erklärt worden ist und daher keine Wirkungen mehr entfaltet. Bei den übrigen Verfügungspunkten gilt, dass der Grundeigentümer nicht darauf vertrauen darf, die Gemeinde werde dauerhaft keinen Gebrauch von ihrem Planungsrecht machen. Es kann daher auch nicht darauf vertraut werden, nach Verlust des Bestandsschutzes könne am Vorhabenstandort erneut eine andersgeartete Nutzung aufgenommen werden. Insgesamt vermag die Kammer daher nicht zu erkennen, dass das planungsrechtliche Anpassungsverlangen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

111

Die Klage hat daher lediglich hinsichtlich des Verfügungspunktes I. 1. e. des Ausgangsbescheides vom 28.10.2014 Erfolg. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs.1. Satz 1 VwGO , wobei die Kammer das Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen mit 1 zu 9 bewertet.

112

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 709 ZPO.

113

Die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung.


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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. sind erstattungsfähig.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., 3., 4. und 5. sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit bis zu 15.000 qm Verkaufsfläche mit zentrenrelevanten Sortimenten auf ihrem im sog. Ostseepark in der Stadt Schwentinental gelegenen Grundstück.

2

Im Gebiet der früheren Gemeinde Raisdorf, seit 2008 Teil der Stadt Schwentinental, der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend: Schwentinental), hat sich in den letzten 40 Jahren der sog. Ostseepark entwickelt, in dem sich neben normalen Gewerbebetrieben vorrangig großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von ca. 90000 qm befindet. Es handelt sich hierbei um eine der größten nicht überplanten Einzelhandelsagglomerationen der Bundesrepublik Deutschland. Seit vielen Jahren bemängeln die Landesplanung und insbesondere die Beigeladene zu 2), die Landeshauptstadt Kiel (nachfolgend: Kiel), dass dieser Einkaufspark in keinem rechten Verhältnis zur Größe und Bedeutung von Schwentinental stehe und dringend einer eingrenzenden Überplanung bedürfe. Schwentinental betreibt seit vielen Jahren (Aufstellungsbeschluss vom 22.09.2008) ein Bauleitplanverfahren, wonach die Aufstellung der Bebauungspläne 57 A-D, "Mergenthaler Straße/Gutenbergstraße" geplant ist. Der Bebauungsplan 57 A „Neue Mitte/Carl-Zeiss- Straße" sieht für ein bislang unbebautes Grundstück auf dem sog. Erdbeerberg zusätzlich die Errichtung eines eigenständigen Einkaufszentrums mit zunächst 15.000 qm, jetzt 14.0 qm Verkaufsfläche vor. Eigentümerin dieses Grundstücks ist die Klägerin. Am 15.11.2012 beschloss Schwentinental, die Entwürfe der Teilbebauungspläne Nr. 57 A bis D öffentlich auszulegen. Von einer zur Sicherung dieser Planung erlassenen Veränderungssperre erteilte Schwentinental der Klägerin eine Ausnahme; mittlerweile wurde diese Veränderungssperre von ihr nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezüglich der hier streitigen Bauvoranfrage aufgehoben. Die Landesplanungsbehörde hat Schwentinental mittlerweile aufgegeben, Bebauungspläne für dieses Gebiet aufzustellen, wonach auch das hier streitbefangene Grundstück auf dem Erdbeerberg unbebaut bleiben soll. Einem Antrag von Schwentinental auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen dieses mit Sofortvollzug versehene Anpassungsverlangen hat die Kammer mit Beschluss vom 22.09.2015 stattgegeben; ein Beschwerdeverfahren ist beim OVG Schleswig anhängig.

3

Am 08.07.2011 stellte die Klägerin direkt beim Beklagten für dieses Grundstück eine Bauvoranfrage mit folgenden Fragestellungen:

4
1. Ist ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente von 10.000 qm bauplanungsrechtlich zulässig?
5
2. Ist ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente von 15.000 qm bauplanungsrechtlich zulässig?
6
3. Ist ein Veranstaltungssaal als Anlage für kulturelle Zwecke für ca. 500 Personen (bei 1.000 qm schlage ich 500 Personen vor), z.B. ein Bürgersaal, bauplanungsrechtlich zulässig?
7
4. Ist eine bauliche Anbindung an das benachbarte „Baltic Center" gemäß Anlage 6 bauplanungsrechtlich zulässig?
8

Der Beklagte forderte die Klägerin auf, konkrete Angaben zu den prozentualen Sortimentsanteilen für die jeweilige Vorhabengröße zu machen und auf dieser Grundlage ein Einzelhandelsgutachten einzureichen, das insbesondere auf die Frage möglicher schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB eingehen sollte.

9

Mit Schreiben vom 31.08.2011 spezifizierte die Klägerin die angestrebte Nutzung wie folgt:

10
a) 10.000 qm Verkaufsfläche
11
a. Periodischer Bedarf bis 4.500 qm
12
b. Modischer Bedarf bis 6.000 qm
13
c. Elektro/Technik bis 1.500 qm
14
d. Persönlicher Bedarf bis 1.500 qm
15
e. bis 20% der Gesamtverkaufsfläche können nicht-zentrenrelevante Sortimente umfassen
16
b) 15000 qm Verkaufsfläche
17
a. Periodischer Bedarf bis 5000 qm
18
b. Modischer Bedarf bis 7000 qm
19
c. Elektro/Technik bis 3000 qm
20
d. Persönlicher Bedarf bis 2500 qm
21
e. bis 20% der Gesamtverkaufsfläche können nicht-zentrenrelevante Sortimente umfassen.
22

Zugleich teilte die Klägerin mit, dass sie keine Notwendigkeit sehe, ein Einzelhandelsgutachten einzureichen, weil Schwentinental im Rahmen des Bauleitverfahrens im Jahre 2010 bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben habe. Die in ihrer Bauvoranfrage angegebenen Sortimentsgrößen bewegten sich deutlich unterhalb der in dem Gutachten ausgewiesenen Entwicklungsspielräume.

23

Mit Schreiben vom 17.10.2011 erläuterte die Klägerin entsprechend einer Aufforderung des Beklagten die einzelnen, oben aufgeführten Sortimentsgruppen.

24

Die Landesplanung machte mit Schreiben vom 31.10.2011 Bedenken geltend. Die geplanten Verkaufsflächen lägen deutlich über der für einen Stadtrandkern II. Ordnung gemäß Ziff. 2.8 Abs.5 LEP zulässigen Verkaufsfläche von 2.000 qm. Es sei davon auszugehen, dass das Planvorhaben zu einer weiteren Attraktivitätssteigerung des Ostseeparks beitragen werde, die wiederum mit weiteren negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche, insbesondere in benachbarten zentralen Orten, verbunden sein würde, wobei bereits jetzt deutliche Hinweise auf nicht unerhebliche Kaufkraftabflüsse in die Einzelhandelsbetriebe des Ostseeparks bestünden.

25

Nachdem Kiel ihre Beteiligung am Genehmigungsverfahren beim Beklagten beantragt hatte, beteiligte dieser die Beigeladenen am Verwaltungsverfahren. Die Beigeladenen wurden aufgefordert mitzuteilen, ob und welche konkreten schädlichen Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche sie erwarteten.

26

Mit Schreiben vom 09.02.2012 erhob die Beigeladene zu 4), die Stadt Plön (nachfolgend: Plön), Einwände gegen das Bauvorhaben. Die Analysen des im Entwurf vorliegenden Einzelhandelskonzepts der Stadt zeigten bereits heute erhebliche Beeinträchtigungen der städtebaulichen und raumordnerisch zugewiesenen zentralörtlichen Funktionen der Stadt durch das bestehende großflächige Angebot in Raisdorf. Bereits heute betrügen die Kaufkraftabflüsse aus Plön nach Schwentinental 34% der gesamten Kaufkraftabflüsse. Durch weitere großflächige und zentrenrelevante Erweiterungen der Verkaufsfläche in Schwentinental würden diese bereits signifikant bestehenden Vorschädigungen weiter verschärft und massive städtebauliche Auswirkungen insbesondere im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt der Stadt Plön seien zu erwarten. Das Einzelhandelskonzept der B... G… AG (nachfolgend: B...) sei als Planungsgrundlage von Schwentinental nicht geeignet, sondern mit Mängeln behaftet.

27

Mit Schreiben vom 16.03.2012 nahm die Beigeladene zu 5), die Stadt Lütjenburg (nachfolgend: Lütjenburg) dahingehend Stellung, dass das geplante Vorhaben weitere Kaufkraft aus Lütjenburg abziehen werde. Eine derartige Entwicklung stehe dem Ziel der Stadt entgegen, die Innenstadt weiter zu stärken und zu beleben. Derartige Projekte führten zur Zerstörung der gewachsenen Innenstädte.

28

Mit Schreiben vom 30.03.2012 erhob Kiel Einwendungen gegen das Vorhaben. Aus einer eingeholten Stellungnahme des Büros J... und K... (nachfolgend: J&K) ergebe sich, dass in mehreren Warengruppen relevante Umsatzverteilungsquoten im teils hohen zweistelligen Prozentbereich in einem oder mehreren zentralen Versorgungsbereichen im untersuchten Stadtgebiet zu erwarten seien. Die Klägerin müsse ein Sachverständigengutachten zu den städtebaulichen Auswirkungen beibringen. Aus einem beigefügten Rechtsgutachten ergebe sich zudem, dass sich das Vorhaben schon nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht einfüge.

29

Mit Schreiben vom 30.03.2012 erklärte sich die Klägerin bereit, nunmehr ein Gutachten in Auftrag zu geben. Am 27.09.2012 wurde beim Beklagten die von B... unter dem 05.09.2012 erstellte „Wirkungsanalyse, EKZ-Projekt im Ostseepark, Schwentinental" eingereicht. Dem Gutachten liegen die spezifizierten Sortimentsangaben der Klägerin aus dem Schreiben vom 31.08.2011 zugrunde. Dieser Branchenmix wurde von der Klägerin für das Gutachten wie folgt spezifiziert:

30

Periodischer Bedarf

4.300 qm

        

24,0 Mio. Umsatz, 5.581 Euro je qm p.a.

Modischer Bedarf

8.100qm

        

26,0 Mio. Umsatz, 3.210 Euro je qm p.a.

Hartwaren/Persönlicher Bedarf

2.600 qm

        

11,5 Mio. Umsatz, 4.423 Euro je qm p.a.

31

Die Wirkungsanalyse beschäftigt sich auftragsgemäß nur mit der größeren Projektvariante mit 15.000 qm Verkaufsfläche (VKF). Wo zentrale Versorgungsbereiche nicht im Rahmen kommunaler Einzelhandelskonzepte bestimmt waren, erfolgte eine eigenständige Identifikation und kleinräumige Abgrenzung. Ansonsten erfolgte ein Rückgriff auf die jeweiligen Einzelhandelskonzepte, etwa auf das „Gesamtstädtisches Einzelhandelskonzept Kiel (GEKK)" erstellt von J&K, beschlossen am 20.01.2011. Es wurden die möglichen Wirkungseffekte (Umverteilungsquoten) für alle betroffenen zentralen Versorgungsbereiche und für alle projektrelevanten Warengruppen und Sortimente ermittelt, dargestellt und bewertet. Als betroffen wurden über 20 zentrale Versorgungsbereiche identifiziert. Dabei geht das Gutachten davon aus, dass das Angebot im Ostseepark etwa 12% der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft im Einzugsgebiet bindet. Das Einzugsgebiet zähle ca. 407.000 Einwohner. Der Ostseepark übernehme faktisch eine regional sehr bedeutsame Versorgungsfunktion für den Landkreis Plön und auch für Teile der unmittelbar anliegenden Stadt Kiel. Der Ostseepark stehe in einer besonderen Wettbewerbssituation zum Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea, weil beide Einzelhandelsagglomerationen in nichtzentrenintegrierter Lage agierten und sich primär an Pkw-Kundschaft wendeten.

32

Zum zentralen Versorgungsbereich Preetz wird u.a. ausgeführt: „Einerseits verfügt der zentrale Versorgungsbereich über ein vielfältiges Einzelhandelsangebot, andererseits signalisieren Leerstände sowie die tlw. sehr kleinteilige Strukturierung eine nur bedingte Stabilität des Einzelhandels. Das Subzentrum Hufenweg ist solide und trägt zur Stabilität der zentralörtlichen Versorgung bei, steht jedoch zumindest partiell auch im Wettbewerb zum innerstädtischen Angebot. Insgesamt ist für die Preetzer Innenstadt eine reduzierte Wettbewerbsbelastbarkeit anzunehmen.“ Für diesen Versorgungsbereich wurde für den periodischen Bedarf eine Umverteilungsquote von 4,7% und für den modischen Bedarf von 8% prognostiziert.

33

Speziell zur Bedarfsgruppe modischer Bedarf wurde u.a. Folgendes ausgeführt: „Auch wenn die zentralen Versorgungsbereiche im LK Plön primär grund- bzw. unterzentrale Versorgungsfunktionen haben, trägt das dort vertretene, überwiegend kleinteilig strukturierte, modische Angebot zur Attraktivität der jeweiligen Ortskerne bei. Es sollte vor hohen Wettbewerbsintensitäten geschützt werden, zumal u. a. im nahegelegenen Preetz die vorhandene Angebotsstruktur als durchaus anfällig einzuschätzen ist. Insofern sollten die zu erwartenden Umverteilungsquoten für dieses Angebotssegment möglichst deutlich erkennbar unterhalb der generell als kritisch eingestuften 10%-Schwelle liegen. Aus diesem Grund wird empfohlen, die für Sortimente des modischen Bedarfs angestrebte Verkaufsfläche deutlich um rund 20% zu reduzieren (Reduzierung von 8.100 qm auf ca. 6.500 qm VKF). Die auf Basis dieser Verkleinerung ermittelten Umverteilungsquoten erreichen noch vertretbare max. 6 % (ZVB Preetz) und fallen bei allen anderen in der Stadt Kiel und im LK Plön untersuchten ZVBs geringer aus.“

34

Zum zentralen Versorgungsbereich Lütjenburg wird ausgeführt: „Von einer in der Tendenz unterdurchschnittlichen Auslastung des Einzelhandels im zentralen Versorgungsbereich ist auszugehen. Auch die Lütjenburger Innenstadt kann insoweit zumindest im Nonfood- Segment als eingeschränkt belastbar gelten.“ Im modischen Bereich wurde für diesen Versorgungsbereich eine Umverteilungsquote von 5,9% prognostiziert.

35

Abschließend gelangt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass im Falle der vorgeschlagenen Reduzierung der Verkaufsfläche im modischen Bereich vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien.

36

Der Beklagte forderte die Klägerin daraufhin auf, die Bauvoranfrage u.a. wegen der vorgeschlagenen Reduzierung des modischen Bedarfs bezüglich der Sortimente neu aufzuschlüsseln und mitzuteilen, ob an der Variante I und der Anbindung an das Baltic-Center festgehalten werde.

37

Mit Stellungnahme vom 06.11.2012 machte Preetz geltend, dass schon eine Umverteilungsquote von 5 bis 6% für die Preetzer Innenstadt bedenklich sei; eine Beeinträchtigung sei nicht auszuschließen. Für die Sortimente Bücher und Uhren/Schmuck/Optik/Akustik und Mode werde die 5%-Marke bereits überschritten.

38

Mit Schreiben vom 14.11.2012 „präzisierte" die Klägerin die Bauvoranfrage in Beantwortung der Anfrage des Beklagten wie folgt:

39

Für die Varianten I und II würden dieselben Sortimentsangaben gelten, wobei diese als Maximalangaben verstanden werden sollten, sodass es insgesamt immer bei den maximalen Verkaufsflächen von 10.000 qm bzw. 15.000 qm bleibe. Folgende Verkaufsflächen würden für die einzelnen Sortimente beantragt:

40

Modischer Bedarf

6.500 qm,

Periodischer Bedarf

5.900 qm,

Elektro/Technik

400 qm,

Hartwaren/persönlicher Bedarf

2.500 qm,

davon Haushaltswaren(GPK)

800 qm,

Bücher

500 qm,

Spielwaren

700 qm,

Uhren/Schmuck/Optik/Akustik

500 qm.

41

Für den Fall, dass eine Nachnutzung für den Modemarkt Adler nicht stattfinde, werde eine Obergrenze für den modischen Bedarf von 8.000 qm beantragt. Hierfür werde anliegend eine ergänzende Stellungnahme von B... vom 12.12.2012 eingereicht. Der Antrag auf bauliche Anbindung an das Baltic-Center werde zurückgenommen.

42

In der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von B... vom 12.12.2012 wird u.a. ausgeführt:

43

In der Wirkungsanalyse aus September 2012 sei die Verkaufsfläche des ehemaligen Modemarkts Adler noch berücksichtigt und deshalb nur eine Verkaufsfläche von 6.500 qm für das Sortiment modischer Bedarf als verträglich eingeschätzt worden. Es könne nunmehr aber aufgrund eines entsprechenden Nutzungsänderungsantrages davon ausgegangen werden, dass die Adler-Altfläche (bislang mit 4,7 Mio. Euro Umsatz bei ca.3.100 qm VKF für modischen Bedarf in die Wirkungsanalyse einbezogen) zukünftig als Möbelmarkt fortgeführt werde, sodass sich ein neuer verträglicher Ansiedlungsspielraum von weiteren

44
1.500 qm für das Einkaufszentrum ergebe. Der Projektumsatz modischer Bedarf belaufe sich auf insgesamt 25,5 Mio. Euro bei einer angenommenen Flächenproduktivität von 3.188 Euro/qm p.a.. Das frei gewordene Umsatzpotential werde überwiegend mit 64,5% und 3 Mio. Euro auf den Ostseepark entfallen. Die Umverteilungsquote für den zentralen Versorgungsbereich Preetz belaufe sich im Falle der Erhöhung der Verkaufsfläche auf nunmehr insgesamt 8.000 qm auf nur 6% und überschreite damit nicht die für vorbelastete Zentren für vertretbar erachtete Quote von eben 6%. Im Weiteren ergäben sich für diesen Versorgungsbereich Umverteilungsquoten von 6% für den periodischen Bedarf und das Sortiment Spielwaren.
45

Mit Schreiben vom 10.01.2013 teilte die Klägerin mit, dass nunmehr für den modischen Bedarf eine Verkaufsfläche von 8.000 qm beantragt werde. Die aufschiebende Bedingung, unter der die Bauvoranfrage mit 8.000 qm gestellt worden sei, sei mittlerweile eingetreten. Die Nutzung auf dem benachbarten Grundstück durch einen Textilfachmarkt der Kette Adler sei zum Ende des Jahres 2012 aufgegeben worden. Mittlerweile sei die Umnutzung dieser Altflächen zum Möbelmarkt genehmigt worden. Sowohl rechtlich als auch tatsächlich sei nunmehr die Nutzung der Fläche mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten gesichert.

46

Mit Schreiben vom 15.01.2013 nahm Kiel u.a. wie folgt Stellung: Die Würdigung der vorgelegten Unterlagen müsse über eine rein absatzwirtschaftliche Betrachtung der Umverteilung hinausgehen. Im Rahmen der Betrachtung der relevanten Beeinträchtigungen müsse auch die bereits vorliegende Vorschädigung aller betroffenen Versorgungsbereiche berücksichtigt werden. Da bereits seit Jahren massive Einflüsse auf die zentralen Versorgungsbereiche des Kieler Ostufers vorherrschten, sei nicht auszuschließen, dass auch in Versorgungsbereichen anderer Nachbargemeinden zum Ostseepark negative städtebauliche Auswirkungen vorherrschten, die in der Wirkungsanalyse aber keine ausreichende Berücksichtigung fänden. Zudem bestünden Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der vorgelegten Gutachten. Insofern werde zunächst verwiesen auf ein von ihr eingeholtes Gutachten von J&K. In der als Anlage eingereichten städtebaulichen Verträglichkeitsanalyse von J&K aus November 2012 wird u.a. folgendes ausgeführt:

47

Bereits in ihrem Gutachten aus dem Jahre 2010 - Einzelhandelskonzept Stadt Schwentinental - habe B... unzutreffend einen zusätzlichen Entwicklungsspielraum von bis zu 27.500 qm (Periodischer Bedarf 7.200; Modischer Bedarf 10.400; Elektro/Technik 3.400; Persönlicher Bedarf 6.500) angenommen. Die angenommenen Entwicklungsspielräume lägen deutlich über denen, die im Jahre 2007 durch die G… Geomarketing für zentren-relevante Sortimente ermittelt worden seien (modischer Bedarf nur 2.500 qm). Im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung sei bei der Umsatzherkunft der Umsatzanteil des untersuchten Raumes möglichst hoch anzusetzen, um das maximale Ausmaß der Auswirkungen abzubilden. Vorliegend sei von einem Anteil von rund 40% aller Kunden des potenziellen Vorhabens auszugehen, die ihren Wohnsitz in den untersuchten Kieler Stadtteilen hätten. Das Gutachten gelange bei mehreren Sortimentsgruppen insbesondere für die Nahversorgungszentren Elmschenhagen-Nord, Elmschenhagen-Süd, den Stadtteilzentren Wellingdorf und Gaarden-Ost zu Umverteilungsquoten von bis zu 17%. Schädliche Auswirkungen iSd § 34 Abs. 3 BauGB seien zu erwarten, wobei hinsichtlich des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost von einer gewissen Vorschädigung durch den Ostseepark auszugehen sei, weil das Zentrum bereits jetzt die ihm zugewiesene Versorgungsfunktion als Entlastungszentrum der Innenstadt am Kieler Ostufer nur sehr unzureichend erfüllen könne. Es liege eine gewisse Vorschädigung vor, die auf die ausgeprägte Wettbewerbssituation zum nahegelegenen Ostseepark zurückzuführen sei. Im Bereich des modischen Bedarfs und auch der Drogeriewaren würden bereits einzelne Betriebsaufgaben den Verlust eines wichtigen Angebotsbausteins bedeuten. Mit mehr als 60 Einzelhandelsbetrieben und rund 7.900 qm Verkaufsfläche habe das Stadtteilzentrum ursprünglich eine Versorgungsfunktion für das gesamte Kieler Ostufer und insoweit auch eine Entlastungsfunktion für die Kieler Innenstadt übernehmen sollen. Gleichwohl liege der Angebotsschwerpunkt mit rund 5.350 qm (68%) vor allem in den Warengruppen des kurzfristigen Bedarfsbereiches, während Angebote des mittelfristigen (1.670 qm, 21%) und langfristigen (875 qm, 11%) eher einen ergänzenden Charakter hätten. Zudem sei das Einzelhandelsangebot entsprechend der ausgeprägten sozialen Probleme im Stadtteil spürbar discountlastig und preisorientiert, sodass das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost heute kaum Ausstrahlungskraft über den Stadtteil hinaus aufweise. Zu berücksichtigen sei, dass Wellingdorf und Gaarden nur ca. 5 bis 6 km vom Vorhabenstandort entfernt seien. Schädliche Auswirkungen iSd § 34 Abs. 3 BauGB seien sehr wahrscheinlich.

48

Die Wirkungsanalyse von B... aus September 2012 sei mit Mängeln behaftet und ermögliche keine sachgerechte Abwägung im Rahmen der Beurteilung der städtebaulichen Auswirkungen des Planvorhabens. So seien die Verkaufsflächen und Umsätze in stark kumulierter Form ausgewiesen worden. Dieses Vorgehen determiniere die anschließende Umsatzumverteilungsberechnung und berge die Gefahr einer Nivellierung der Auswirkungen, denn eine über diese kumulierten Sammelgruppen verträgliche Umsatzumverteilung könne durchaus in den einzelnen Branchen unverträglich sein. Die Flächenproduktivitäten für den CITTI-Park seien zu hoch angesetzt. Es fehlten Angaben zum Erhebungszeitpunkt der Daten. Die Berücksichtigung der Adler-Altfläche führe zu einer nicht gerechtfertigten Minderung der Auswirkungen des Vorhabens, da durch die fiktive Erhöhung des Bestandsvolumens die prozentualen Umsatzumverteilungen reduziert würden. Der Einzugsbereich sei fehlerhaft festgelegt worden. Insbesondere aus der Zone 3 seien die erzielbaren Zuflüsse, besonders im periodischen Bedarfsbereich deutlich geringer einzustufen. Die Annahmen über die erzielbare Kaufkraftabschöpfung bezüglich des modischen Bedarfs seien mit der von B... im Jahre 2010 durchgeführten Kundenherkunftserhebung nicht vereinbar. Gerade im periodischen Bedarf müssten aufgrund der hohen Distanzempfindlichkeit die Annahmen von B... korrigiert werden. Zu Unrecht gehe B... von einer hohen Eigenschädigung des Ostseeparks aus, obwohl das Ziel der Vorhabenrealisierung gerade darin bestehe, eine Neuordnung des Gesamtstandortes im Sinne der Verdichtung und Vernetzung auch mit den umliegenden Bereichen zu erzielen. Demnach sei davon auszugehen, dass der Gesamtstandort von der Planung profitieren werde. Auch stelle B... zu stark die Konkurrenz zum CITTI-Park in den Vordergrund. Insgesamt führe dies dazu, dass die Auswirkungen in den kleineren zentralen Versorgungsbereichen in Kiel und Umland systematisch unterschätzt würden. So gehe B... für das kleinere Nebenzentrum Elmschenhagen, welches in unmittelbarer Nähe des Ostseeparks liege (6 Pkw-Minuten Fahrtzeit), mit 2,3% Umsatzverteilung sogar von einer geringeren relativen Betroffenheit aus als für den mehr als zehnmal so umsatzstarken und doppelt so weit entfernt gelegenen Angebotsort CITTI-Park. In Anbetracht der Distanz- und Größenverhältnisse stellten sich die Ergebnisse als nicht plausibel dar.

49

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013 führten J&K noch zu der ergänzenden Stellungnahme von B... Folgendes aus:

50

Die Einschätzung von B... sei fachlich nicht belastbar, weil von ihr nicht die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen abgebildet würden. Zu Unrecht gehe B... davon aus, dass die Nachnutzung der ehemals vom Modemarkt Adler genutzten Immobilie durch einen Möbelmarkt zur Entstehung zusätzlicher raumverträglicher Ansiedlungsspielräume im Umfang von 4,7 Mio. Euro führe. Zu Unrecht habe B... bereits in der Ursprungsanalyse die „Altflächen" von Adler mit entsprechendem Umsatzvolumen in die Berechnung eingestellt, wodurch es zu einer fiktiven Erhöhung des Bestandsumsatzvolumens gekommen sei, die sich wiederum auf die prozentualen Umsatzumverteilungen im Untersuchungsraum mindernd ausgewirkt habe. Diese fiktiven Umsätze der Altfläche würden nunmehr wiederum von dem prognostizierten Umsatz von 25,5 Mio. Euro bei einer Verkaufsfläche von 8.000 qm mit 4,7 Mio. Euro abgezogen. Es handele sich damit um den Abzug von fiktiven Umsätzen, die aber nicht mit der Realisierung des Vorhabens tatsächlich wegfielen. Zudem werde deutlich, dass die Ergebnisse des Ergänzungsgutachtens in keiner einheitlichen Relation zu den ursprünglichen Ergebnissen stünden. So falle etwa mit Blick auf die Zentren im Nahbereich auf, dass nur geringfügig höhere Umsatzumverteilungen gegenüber der ursprünglichen Berechnung zu erwarten seien. So falle der monetäre Entzug des ursprünglich am stärksten betroffenen Zentrums Preetz nur 2% höher aus als gemäß der ursprünglichen Wirkungsanalyse. An anderen Standorten gehe der Gutachter hingegen davon aus, dass der Umsatzentzug deutlich stärker steigen werde, etwa im SO CITTI-Park um 20%. Die bereits in der Bewertung der ursprünglichen Wirkungsanalyse vorgebrachte Kritik, dass B... für die zentralen Versorgungsbereiche im Vergleich zu den Sonderstandorten von einer deutlich unterproportionalen Betroffenheit der Vorhabenauswirkungen ausgehe, müsse vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnisse noch einmal erneuert und verschärft werden.

51

Auch hinsichtlich des periodischen Bedarfs gelte, dass infolge der kumulierenden Betrachtung sowie verschiedener nicht belastbarer Annahmen die Auswirkungen des Vorhabens in den kleineren zentralen Versorgungsbereichen im Nahbereich des Vorhabens systematisch unterschätzt würden. Eine zusätzliche Erhöhung der Verkaufsflächen auf dieser Basis sei demnach nicht als belastbar einzustufen.

52

Es bestünden auch weitere Unplausibilitäten. So sei von B... etwa in der Branche Spielwaren aktuell eine um 75% höhere Verkaufsfläche und ein analog gesteigerter Umsatz angesetzt worden. Die Erhöhung der Umsatzverteilungen liege aber je nach Standort ganz erheblich über oder unter diesem Wert. So falle ganz besonders ins Auge, dass im Hauptgeschäftszentrum der am stärksten betroffenen Stadt Preetz der Anstieg mit knapp 40% so schwach ausfalle, dass nur gerade eben der von B... selbst gesetzte verträgliche Maximalwert von 6 % Umsatzumverteilung erreicht werde. Bei einem proportionalen Anstieg von 75% läge Preetz, ausgehend von einem Wert von 4,3%, stattdessen bereits bei 7,5% Umsatzumverteilung.

53

Im Bereich periodischer Bedarf fielen vergleichbare Unplausibilitäten in den Ergebnissen auf. Bei einem Umsatzanstieg von 37% wachse die prozentuale Umsatzumverteilung für das am stärksten betroffene Zentrum Preetz nur um 28% auf genau 6%. Die Umsatzumverteilung des am stärksten betroffenen Sonderstandortes SO Plaza betrage hingegen um 50%.

54

Mit Schreiben vom 26.03.2013 teilte Plön mit, dass nach wie vor schädliche Auswirkungen auf ihren zentralen Versorgungsbereich zu erwarten seien. Die bisher vorgelegten Gutachten gingen überhaupt nicht auf die bereits bestehende Vorschädigung ein. Statt- dessen finde immer nur eine Bewertung der einzelnen Verkaufsflächen statt, die die Auswirkungen der Agglomeration völlig außer Acht ließen.

55

Mit Bescheid vom 27.05.2013 lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage mit folgender Begründung ab:

56

Das Vorhaben füge sich zwar nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB, nicht jedoch nach § 34 Abs. 3 BauGB ein. Es seien schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche benachbarter Gemeinden zu erwarten. Zu diesem Ergebnis gelangte der Beklagte vorrangig dadurch, dass er auf einen auf die einzelnen Sortimente bezogenen Verkaufsflächenvergleich abstellte. Mit der geplanten Verkaufsfläche modischer Bedarf von 8.000 qm steige dieses Sortiment im Ostseepark um 28% auf etwa 36.500 qm insgesamt, welches das 14-fache des Preetzer Gesamtbereiches ausmache. Allein der Zuwachs durch das Vorhaben belaufe sich auf das 6-fache der Verkaufsfläche in Preetz. Der Preetzer Einzugsbereich werde durch den Wirkungsrahmen des Ostseeparks voll erfasst. Das autoorientierte Kundenpotential werde wegen der sehr günstigen Anbindung über die Bundesstraße 76 und B 202 ohne jeglichen Stadtverkehr und durch das vergleichsweise übergroße Warenangebot des Ostseeparks stark angezogen. Die weitere signifikante Zunahme um das 6-fache des Preetzer Innenstadtbereiches erscheine geeignet, um die Magnetwirkung des Ostseeparks zu steigern und sehr wahrscheinlich weitere deutlich spürbare Umsatzumverteilungseffekte auszulösen. Gleiches gelte im Ergebnis auch für Lütjenburg, Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost. Die geplante Verkaufsfläche des Vorhabens von 8.000 qm für den modischen Bedarf sei um ein Vielfaches größer als die Verkaufsflächen für diese Bedarfsgruppe in den benachbarten Versorgungsbereichen, so etwa bezogen auf Wellingdorf 1.194%, Stadteilzentrum Gaarden-Ost 552%, ZVB Preetz 571%, ZVB Plön 266% und ZVB Lütjenburg 296%. Auch für den periodischen Bedarf, für Hartwaren/persönlicher Bedarf und das Sortiment Elektro/Technik gelangte der Beklagte aufgrund eines Verkaufsflächenvergleichs zu der Annahme schädlicher Auswirkungen auf die Versorgungszentren in der näheren Umgebung.

57

Ergänzend stellte der Bescheid darauf ab, dass bereits eine Vorschädigung der Umlandgemeinden durch den Ostseepark festzustellen sei. So gebe es in Lütjenburg 10 leer stehende Geschäfte in guter Lage zur Vermietung, deren Ursache nicht einer normalen Fluktuation zuzuordnen, sondern als Vorschädigung zu bewerten sei. Weitere Kaufkraftabflüsse seien daher als nicht verträglich bzw. sehr kritisch zu beurteilen. Auch B... sei zu dem Ergebnis gelangt, dass Lütjenburg nur eingeschränkt belastbar sei.

58

Auch in der Innenstadt von Preetz seien einige Leerstände festzustellen, etwa die Betriebsaufgabe des Haushaltswarengeschäfts Rickert, wobei es sich um eine relativ große und sehr zentral gelegene Ladeneinheit gehandelt habe. Schleichende Betriebsaufgaben im mittel- und langfristigen Bedarf seien daher in Preetz zu befürchten. In Plön seien einige Leerstände von kleineren Ladeneinheiten zu beobachten, welche aber eher im Rahmen einer allgemeinen Fluktuation zu sehen seien. Auffallend erscheine aber die Situation im Kleinkaufhaus am Lübschen Tor. Diesen Umstand müsse man auf den enormen Wettbewerbsdruck zurückführen, in dem sich diese weniger frequentierte Randlage befinde. Das Verkaufsflächenvolumen in den Bereichen Elektro/Technik, Bücher und Spielwaren scheine hier bereits unterdurchschnittlich vertreten zu sein. In den Zentren Wellingdorf und Gaarden bestünden zwar keine auffälligen Leerstände, jedoch sei ein nur geringes Angebot in den Bereichen modischer Bedarf, Elektro/Technik und Hartwaren/persönlicher Bedarf festzustellen.

59

Es sei insgesamt festzustellen, dass die Warengruppen des mittel- und langfristigen Bedarfs in den untersuchten zentralen Versorgungsbereichen nur schwach vertreten seien. Die große Ausstrahlungskraft des Ostseeparks in Verbindung mit der schnellen Erreichbarkeit aus dem Umland und zunehmenden Bereitschaft des autoorientierten Kunden, für dieses Marktsegment größere Entfernungen zurückzulegen, entziehe dem Umfeld die Basis für ein angemessenes Angebot in den zentralen Versorgungsbereichen.

60

Der Verkaufsflächenvergleich sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein taugliches Mittel zur Quantifizierung eines erwarteten Kaufkraftabflusses.

61

Letztlich sei zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen - wie hier - die Größenordnungen des § 11 Abs. 3 BauNVO deutlich überschritten würden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass von ihnen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB ausgingen.

62

Mit Schreiben vom 25.06.2013 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Die Voraussetzungen für die Erteilung des Bauvorbescheides lägen vor, weil schädliche Auswirkungen auf benachbarte Versorgungszentren i.S.d. § 34 Abs.3 BauGB nicht zu befürchten seien. Dies habe sie durch Vorlage von Marktgutachten von B... nachgewiesen. Die Kritik an der Methodik von B... sei nicht gerechtfertigt, vielmehr sei die angewandte Methodik erst jüngst obergerichtlich anerkannt worden. Statt sich mit diesem Marktgutachten auseinanderzusetzen, habe der Beklagte allein aufgrund eines Verkaufsflächenvergleichs mit pauschaler Begründung schädliche Auswirkungen angenommen. Aus dem bloßen Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit derjenigen in benachbarten Nahversorgungszentren ließen sich schädliche Auswirkungen nicht ableiten - erst recht nicht, wenn solche wie hier durch ein Marktgutachten auf sorgfältig ermittelter Tatsachengrundlage und unter Annahme ungünstiger Umstände (Worst-Case-Szenario) widerlegt würden. Der Bauvorbescheid sei mit rechtlich nicht tragfähiger Begründung versagt worden.

63

Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche seien zu erwarten, wenn das geplante Vorhaben die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche voraussichtlich so nachhaltig störe, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen könnten. Dafür sei aber nicht ausreichend, wenn schädliche Auswirkungen lediglich möglich erschienen. Erforderlich sei vielmehr eine unter Berücksichtigung aller Umstände hinreichend gesicherte Tatsachenbasis, mit der sich die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen lasse. Die Baugenehmigungsbehörde müsse die Erwartung schädlicher Auswirkungen positiv feststellen. Ziele der Raumordnung blieben hierbei außer Betracht. Auch auf die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 BauNVO könne -anders als der Bescheid anzunehmen scheine- im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB nicht zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift keine gesetzliche Vermutungsregel enthalte.

64

Die Prognose des Beklagten sei fehlerhaft. Der angegriffene Bescheid ermittele die ökonomischen Zusammenhänge nicht vollständig. Der Beklagte interpretiere die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2009 (4 C 2/08) falsch. Die Ergebnisse eines Marktgutachtens könnten durch weitere Kriterien ergänzt werden. Die Behörde könne im Einzelfall sogar davon absehen, ein Marktgutachten einzuholen und die städtebaulich relevanten Faktoren auf andere Art und Weise ermitteln und bewerten. Sie dürfe aber nicht ein vorliegendes Sachverständigengutachten mit der Begründung zurückweisen, es sei von vornherein und generell ungeeignet aufzuklären, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten seien, weil es mit prognostischen Unsicherheiten behaftet sei. Denn nach Ansicht des BVerwG seien Marktgutachten eine taugliche Methode, um den durch das Vorhaben bedingten voraussichtlichen Kaufkraftabfluss zu prognostizieren. Kaufkraftabflüsse seien wiederum geeignet, die städtebaulich relevanten schädlichen Auswirkungen zu konkretisieren. Dem Verkaufsflächenvergleich komme damit sicherlich kein Anwendungsvorrang vor einem Marktgutachten zu. Marktgutachten seien nach der Rechtsprechung des BVerwG als eines unter mehreren Kriterien zwingend zu berücksichtigen.

65

Der vom Beklagten angestellte Verkaufsflächenvergleich sei auch kein aussagekräftiger Faktor, weil der Einzugsbereich des Vorhabens mit 407.000 Einwohnern viel größer sei als der vom Beklagten herangezogene Versorgungsbereich. Schon wegen der Vielzahl der betroffenen Versorgungsbereiche und den vergleichsweise großen Entfernungen von teilweise über 20 km sei es dem Bescheid verwehrt, einen Verkaufsflächenvergleich in den Mittelpunkt seiner Prognose zu stellen. Der angestellte Verkaufsflächenvergleich suggeriere, das Vorhaben gehe allein zu Lasten der dort identifizierten fünf zentralen Versorgungsbereiche. Tatsächlich würde das Vorhaben seinen Umsatz aus einem Einzugsbereich generieren, der weit über die im Bescheid genannten Bereiche hinausgehe. Dieser Einzugsbereich sei im Gutachten von B... differenziert dargestellt. Das Vorhaben trete danach insbesondere in direkten Wettbewerb mit den Wettbewerbsstandorten „Innenstadt Kiel“ und dem Cluster „CITTI-Park/Plaza/Ikea“. Die insoweit voraussichtlich abgeschöpfte Kaufkraft belaste bereits nicht die im angegriffenen Bescheid genannten Versorgungsbereiche. Auch im Übrigen quantifiziere der Bescheid in keiner Weise, in welchem Umfang Kaufkraft in den identifizierten Versorgungsbereichen verloren gehen könnte.

66

B... habe eine maximale Umverteilungsquote von 6% ermittelt, in vielen Sortimenten weit weniger als die Hälfte. Schädliche Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB würden demgegenüber in der Rechtsprechung tendenziell erst ab einer Quote von mindestens 10% angenommen. Schädliche Auswirkungen könnten im Einzelfall zwar auch bereits bei einer niedrigeren Schwelle anzunehmen sein, beispielsweise bei Vorschädigungen der Versorgungsbereiche. Insoweit sei bei erheblich vorgeschädigten Versorgungsbereichen bereits ein voraussichtlicher Kaufkraftabfluss von nur 7,9 bis 8,8% im betroffenen Warenbereich als nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit angesehen worden (etwa OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 -7 A 1635/07-). Vorliegend lägen aber hinsichtlich der Städte Lütjenburg, Preetz und Plön gar keine nachweisbaren Vorschädigungen vor. Die pauschale Behauptung einzelner Leerstände genüge nicht den Anforderungen an die erforderliche hinreichend gesicherte Tatsachenbasis für die Erwartung schädlicher Auswirkungen. Leerstände seien auch Folge marktüblicher Fluktuationen. Nach dem Gutachten seien für Lütjenburg und Preetz nur marginale Umverteilungsquoten zu erwarten.

67

Mit Schreiben vom 15.10.2013 ergänzte die Klägerin ihre Widerspruchsbegründung unter Einbeziehung einer weiteren Stellungnahme von B... vom 27.09.2013, die sich mit den gutachterlichen Stellungnahmen von J&K u.a. wie folgt auseinandersetzt:

68

Das Gutachten von J&K leide methodisch an einer unzulässigen Beschränkung ihrer Analyse auf einen Teilbereich des Kieler Stadtgebiets. Für diesen Teilraum werde im Vornhinein ein Umsatzanteil des Vorhabens festgelegt, der umverteilungswirksam werde. Die voraussichtliche Umverteilung könne aber nicht der Ausgangspunkt, sondern müsse das Ergebnis der Untersuchung sein. Die von J&K ermittelten Umsatzumverteilungen erschienen nicht plausibel. So werde im Sortiment Bekleidung/Textilien angenommen, 40% der Besucher entstammten dem untersuchten Teilgebiet, bei Gütern des täglichen Bedarfs hingegen werde lediglich ein Anteil von 20% angenommen. Eine tragfähige Begründung für diese Disproportionalität werde nicht gegeben. Zu Unrecht behaupteten J&K, B... gehe von einem zu hohen Kaufkraftabfluss vom Sonderstandort CITTI-Park aus. Tatsächlich basierten diese Ansätze von B... aber auf repräsentativen Gutachten. Zu Unrecht werde B... vorgeworfen, es prognostiziere für Autokunden mit weiter Anreise zu hohe Umsätze. Es werde verkannt, dass Kundenströme nicht gleichzusetzen seien mit Kaufkraftströmen. Typischerweise stiegen bei Kunden mit längeren Anfahrtswegen auch die durchschnittlichen Einkaufsbeträge. J&K argumentierten mit einer Vorschädigung einiger Stadtteilzentren in Kiel-Ost, obwohl sich hierzu im Einzelhandelskonzept für die Stadt Kiel keine bestätigenden Befunde befänden. Problemlagen im Stadtteilzentrum Gaarden seien gleichwohl offenkundig. Ebenso offenkundig sei jedoch auch, dass diese nicht primär auf eine Wettbewerbssituation zum Ostseepark zurückzuführen, sondern in einer schwierigen sozialdemografischen Schichtung im Stadtteil selbst begründet seien, welche bereits seit Jahren zu einer deutlichen Stigmatisierung führe. Selbst wenn man aber von einer Vorschädigung ausginge, wäre dies zweitrangig, weil die projektbedingten Umsatzumverteilungen dort prognostisch gering bis mäßig ausfielen und auch einem „vorgeschädigten" Zentrum zugemutet werden könnten.

69

Aus B...-Sicht seien plausible Wirkungsanalysen nur möglich, wenn im Rahmen einer umfassenden und konsistenten Modellrechnung Umverteilungseffekte für das gesamte Einzugsgebiet ermittelt würden. Dies sei auf der Grundlage der repräsentativen Herkunftserhebung aus dem Jahre 2007 geschehen. Danach kämen aus dem von J&K definierten Teilraum nur rund 20% als Kunden des Ostseeparks. J&K ignorierten diese festgestellten Kundenströme und gingen davon aus, dass für Sortimente des mittel- bis längerfristigen Bedarfs nunmehr 40% statt der gemessenen 20% aller Kunden aus dem definierten Kieler Teilraum stammten. Die Verdoppelung eines in einer repräsentativen Stichprobe gemessenen Anteilswertes von 20% auf 40% sei methodisch abwegig. Zudem gelangten J&K auch im Bereich des täglichen Bedarfs trotz der Annahme einer 20%igen Quote mit 8,4 Mio. Euro zu einer nicht nachvollziehbaren Umverteilung von de facto 40%.

70

Zu Unrecht bemängelten J&K, dass B... die Flächenproduktivitäten für den CITTI- Park zu hoch und damit die Umsatzverluste für die von ihnen untersuchten zentralen Versorgungsbereiche zu gering angesetzt habe. In dem von der e... GmbH auf Basis von Mieterbefragungen erstellten „Shopping-Center Performance Report 2011" erreiche der CITTI-Park bundesweit den Platz 1. Insoweit zähle der CITTI-Park zu den erfolgreichsten Einkaufszentren Deutschlands. Unverständlich sei, dass J&K für den CITTI-Park nur mit einem Umsatz von 35,8 Mio. Euro rechneten, obwohl im Cima-Gutachten von 2008 von einem Umsatz von 58,5 Mio. Euro ausgegangen werde. Faktisch handele es sich bei dem CITTI-Park auch um den Hauptwettbewerbsstandort zum Ostseepark. Aufgrund seiner Lage werde der Ostseepark ganz überwiegend von Pkw-Kunden aufgesucht. Fußläufige Kundschaft sowie auch Fahrrad- und ÖPNV-Kunden seien nur marginal vertreten. Laut GEKK werde der Lebensmitteleinkauf von 30% der Kieler Bevölkerung überwiegend zu Fuß und von 15% überwiegend mit dem Fahrrad getätigt. In dieses Einkaufsverhalten könnten der Ostseepark und das Vorhaben standortbedingt nicht eingreifen. Auch im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung sei es deshalb verfehlt, wenn J&K annähmen, Nahversorgungszentren seinen von vornherein und per se stärker von Verdrängungswirkungen betroffen als die leistungsstarken und Pkw-orientierten Fachmarktsonderlagen.

71

Synergieeffekte innerhalb des Ostseeparks bestünden zwar, jedoch sei ihre Entwicklung durch die weitläufige Anlage des Ostseeparks deutlich erkennbar behindert. Die bauliche Anbindung an das Baltic-Center werde nicht mehr verfolgt. Konzeptionell solle das Projekt dazu beitragen, dass sich Einzelhandelsstrukturen in den übrigen Teilräumen des Ostseeparks auf längere Sicht ausdünnten bzw. dass sich die Einzelhandelsbetriebe in peripheren Lagen des Ostseeparks in den Bereich der „Neuen Mitte" verlagerten.

72

Zu Unrecht würden J&K die Flächenproduktivität für die Warengruppe modischer Bedarf auf 3.400 Euro/qm festsetzen. Die Festsetzung von B... mit 3.200 Euro/qm übersteige bereits die vorhandene Flächenproduktivität für diese Warengruppe im Ostseepark von 2.300 Euro beträchtlich und auch die für Kiel ermittelte gesamtstädtische Auslastung von 2.940 Euro. Ein Vergleich mit dem CITTI-Park wäre hingegen völlig unrealistisch.

73

Hinsichtlich der anders gearteten Einschätzung zur Kaufkraftbindung im Fernbereich unterschätzen J&K die existierenden Kopplungseinkäufe.

74

Hinsichtlich des modischen Bedarfs falle die Chance zur Kaufkraftbindung in der Zone 2b relativ hoch aus. Im modischen Bedarfsbereich sei die spezifische Wettbewerbskonstellation im Kieler Marktgebiet sehr bedeutsam. Das Angebot an Bekleidung/Textilien sowie Schuhe/Lederwaren sei in einem sehr hohen Maße auf die drei regionalen Einkaufsschwerpunkte Innenstadt, CITTI-Park und Ostseepark konzentriert. Diese Wettbewerbskonstellation führe generell zu hohen Kaufkraftbindungsquoten für die drei Einkaufsschwerpunkte. Das Angebot im weiteren Kieler Stadtgebiet sei dagegen bereits relativ ausgedünnt und basiere vielerorts auf Discountern (wie z.B. Kik) sowie den Rand- und Aktionssortimenten von Verbrauchermärkten und Discountern. Insbesondere in der Zone 2b (geprägt durch Nahversorgungszentren für die Grundversorgung) werde modischer Bedarf nur in einem geringen Umfang angeboten. Entsprechend fließe in einem relativ hohen Umfang diesbezügliche Kaufkraft ab, die überwiegend auf die drei genannten regionalen Einkaufsschwerpunkte orientiert sei. Vor diesem Hintergrund falle die Chance zur Kaufkraftbindung in der Zone 2b durchaus relativ hoch aus.

75

Zu Unrecht gingen demgegenüber J&K von einer Umverteilungsquote von 14% für das Angebot an Bekleidung/Textilien im Bereich des SZ Gaarden-Ost aus. Die Umverteilungsquote werde auf der Basis einer undurchsichtigen Vorgehensweise festgelegt. Die stadtteilübergreifende Einzelhandelsfunktion des SZ Gaarden-Ost werde durch eine erhebliche soziale Problematik massiv behindert. Vor Gaarden werde in den Medien als „No-Go-Area“ gewarnt. Für die stadtteilbezogene Versorgung selbst bestehe insgesamt eine durchaus angemessene Einzelhandelsausstattung, die sich an Publikum und Milieu des Stadtviertels angepasst habe. Dafür, dass die stadtteilübergreifende Versorgungsfunktion durch massive soziale Probleme nachhaltig beeinträchtigt sei, könne der Ostseepark nicht verantwortlich gemacht werden. Auch die Lösung der sozialen Problematik im Stadtteil Gaarden-Ost werde durch Einzelhandelspolitik und Eingriffe in den Wettbewerb nicht gelingen - egal ob nun im Ostseepark ein Shopping-Center entstehe oder nicht.

76

Mit Bescheid vom 25.11.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde in Ergänzung des Ausgangsbescheides ausgeführt:

77

Von dem geplanten Vorhaben seien schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche in Preetz, Plön, Lütjenburg, Wellingdorf sowie Gaarden-Ost zu erwarten.

78

Der Ausgangsbescheid setze sich schwerpunktmäßig mit einem Verkaufsflächenvergleich zwischen dem Vorhaben und verschiedenen in der Umgebung vorhandenen zentralen Versorgungsbereichen auseinander. Ergänzend werde auf die Entfernungen und etwaige

79

Vorschädigungen der zentralen Versorgungsbereiche abgestellt. Hinsichtlich der voraussichtlichen Umsatzverteilung sei das von der Klägerin vorgelegte Gutachten herangezogen worden und zugleich ausgeführt worden, warum die Ergebnisse des Gutachtens als nicht überzeugend angesehen worden seien. Die im Ausgangsbescheid vorgenommene Prüfung werde den vom BVerwG in seinem Urteil vom 11.10.2007 gestellten Anforderungen gerecht. Selbstverständlich sei das vorgelegte Gutachten einschließlich dessen Ergänzung geprüft und im Verfahren berücksichtigt worden. Es habe jedoch nicht Grundlage für eine positive Entscheidung sein können, weil die Ergebnisse des Gutachtens schlichtweg nicht als plausibel beurteilt worden seien. Die Genehmigungsbehörde sei nicht stets starr an das Ergebnis eines vorgelegten Gutachtens gebunden. Die im Gutachten verwandte auf statistische und mathematische Ermittlung abstellende Methode zur Prognose lokaler und regionalwirtschaftlicher Abläufe sei die aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht adäquate Methode, sich dem Problem der Ansiedlungsauswirkungen anzunähern. Sie sei aber nur bedingt geeignet, das mittel- und langfristige Käuferverhalten in den Untersuchungsgebieten zu prognostizieren. Bei genauerer Sicht beruhe die gesamte Prognose auf einer eher dünnen Schicht von Kennziffern über Flächenproduktivitäten und mathematisch operationalisierten Grenz- und Orientierungswerten, die alle ganz abstrakt seien. Es bleibe aber offen, ob sich daraus ein umfassendes Bild des tatsächlichen Kaufverhaltens prognostizieren lasse. Auch wenn es - wie im Gutachten angenommen - zu einer besonderen Wettbewerbssituation mit der Kieler Innenstadt und dem Cluster CITTI-Park / Plaza/ Ikea komme, führe dies nach seiner, des Beklagten, Auffassung zwangsläufig auch zu Störungen von in diesem Spannungsfeld befindlichen kleineren zentralen Versorgungsbereichen mit teils überörtlicher Funktion.

80

Der entscheidende Grund, weshalb die Ergebnisse des Gutachtens nicht hätten übernommen werden können, sei der Umstand, dass bei der Berechnung der Kaufkraftabflüsse bzw. Umsatzumverteilungen lediglich das streitgegenständliche Vorhaben betrachtet worden sei. Bei dem Ostseepark handele es sich insgesamt um ein faktisches Einkaufszentrum, sodass das Vorhaben als Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums zu charakterisieren sei. Hieraus ergebe sich, dass die Ermittlung von Kaufkraftabflüssen nicht - wie vorliegend geschehen - auf Grundlage lediglich des streitgegenständlichen Vorhabens, sondern unter Berücksichtigung der im Ostseepark bereits vorhandenen vergleichbaren Einzelhandelsflächen erfolgen müsse. Da dies nicht geschehen sei, sei die Aussagekraft des vorgelegten Gutachtens, insbesondere was dessen Ergebnis angehe, äußerst begrenzt.

81

Ein Verkaufsflächenvergleich zwischen den Verkaufsflächen des Ostseeparks einerseits und den benachbarten Versorgungszentren andererseits zeige, dass die vorhandenen Verkaufsflächen bezogen auf einzelne Sortimente um bis zu 5.448% überschritten würden. Für den nächstgelegenen Versorgungsbereich Preetz liege für den modischen Bedarf eine Überschreitung von 2.600% und für den periodischen Bedarf von über 1.000% vor. Selbstverständlich seien die festgestellten Überschreitungen in allen untersuchten Versorgungsbereichen für sich genommen nur begrenzt aussagekräftig. Aufgrund ihrer Deutlichkeit stellten sie nach diesseitigem Dafürhalten jedoch bereits ein starkes Indiz dafür dar, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben bedeutende schädliche Auswirkungen auf die genannten zentralen Versorgungsbereiche ausgingen.

82

Die im Gutachten berücksichtigten Umverteilungseffekte innerhalb des Ostseeparks dürften keine Rolle spielen, da sie für die Wirkung nach außen unerheblich seien. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Vorhaben zu einer Reduzierung von Einzelhandelsgeschäften an anderer Stelle im Ostseepark führen würde.

83

Im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände sei auch von einer Vorschädigung der untersuchten zentralen Versorgungsbereiche auszugehen. Auch das Gutachten von B... gehe auf Seite 56 davon aus, dass die Innenstädte von Preetz und Lütjenburg im regionalen Vergleich als eingeschränkt belastbar gelten.

84

Letztlich leide das Gutachten deshalb an einem schweren Mangel, weil es die Verkaufsfläche des ehemaligen Adler-Modemarkts als zulässigen Erweiterungsrahmen in Ansatz bringe. Soweit dies darauf gestützt werde, dass für das betroffene Grundstück ein Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung für einen Möbelmarkt erteilt worden sei, sei festzustellen, dass hierdurch nicht der Bestandsschutz für die zuvor ausgeübte Nutzung als Modemarkt entfallen sei. Der unterstellte dauerhafte Wegfall der an diesem Standort ehemals vorhandenen Verkaufsfläche für die Bedarfsgruppe modischer Bedarf wäre erst dann gesichert, wenn eine neue, andere Nutzung für einen nicht unerheblichen Zeitraum aufgenommen würde.

85

Die Klägerin hat hiergegen am 16.12.2013 Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten begehrt, den von ihr am 05.07.2011 beantragten und mit Schreiben vom

86
14.11.2012 und 10.01.2013 präzisierten Bauvorbescheid zu erlassen. In Ergänzung und zur Vertiefung ihrer Widerspruchsbegründung führt sie aus:
87

Entgegen der Auffassung des Beklagten gingen vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB aus. Der Beklagte habe keine hinreichend gesicherte

88

Tatsachengrundlage für seine Prognose herangezogen. Er habe ökonomische Zusammenhänge, die mit dem Vorhaben in Verbindung stünden, unzureichend ermittelt. Der Beklagte berufe sich für die von ihm behauptete Erwartung schädlicher Auswirkungen im Wesentlichen auf einen Verkaufsflächenvergleich und ergänze diesen um einige - wenige - Ausführungen zur Struktur der betroffenen zentralen Versorgungsbereiche und deren Entfernung zu ihrem Vorhaben. Diese Vorgehensweise sei bei dem Vorhaben wegen des großen Einzugsbereichs, der Vielzahl möglicherweise betroffener Versorgungsbereiche und der vergleichsweise großen Entfernungen rechtlich und tatsächlich ungeeignet. Im Rahmen dieses Vergleichs „picke“ sich der Beklagte die Verkaufsflächen von lediglich fünf zentralen Versorgungsbereichen heraus und vergleiche diese mit den Verkaufsflächen des gesamten Ostseeparks. Die weiteren Verkaufsflächen im Einzugsbereich des Vorhabens würden hingegen vollständig ausgeklammert. Die städtebauliche Bewertung des Beklagten beziehe damit wesentliche Tatsachen nicht ein. Denn bei der Vielzahl der betroffenen Versorgungsbereiche unterschiedlicher Größe, weiteren Sonderstandorten, dem großen Einzugsgebiet des Ostseeparks und den vergleichsweise großen Entfernungen greife der Verkaufsflächenvergleich des Beklagten schlicht zu kurz. Wollte man einen Verkaufsflächenvergleich zur Beurteilung heranziehen, müsste man die Verkaufsflächen aller Versorgungszentren und Sonderstandorte im Einzugsbereich des Ostseeparks berücksichtigen. Dabei ergebe sich dann folgendes Bild:

89

Modischer Bedarf

Ostseepark 36.500 qm

Einzugsbereich 99.190 qm

Periodischer Bedarf

„  15.750 qm

„  153.000 qm

Hartwaren/persönlicher Bedarf

„  8.140 qm

„  36.925 qm.

90

Daraus ergebe sich, dass die Verkaufsflächen des Vorhabens addiert um die Verkaufsflächen des Ostseeparks um ein Vielfaches geringer seien als die Verkaufsflächen der Versorgungsbereiche, Sonderstandorte etc., auf die der Ostseepark einwirke. Die vom Beklagten behauptete Verkaufsflächenüberschreitung gebe es also gar nicht. Zudem sei zwar zuzugeben, dass Wechselwirkungen zwischen der Verkaufsfläche und ortsplanerischen Wirkungen bestünden, jedoch seien diese nicht monokausal. Von der Verkaufsfläche könne nicht nach einem simplen „wenn-dann-Schema“ auf das städtebauliche Erscheinungsbild in den betroffenen Versorgungsbereichen geschlossen werden.

91

Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, insbesondere das von ihm auch angeforderte, methodisch einwandfreie Gutachten von B... seiner Bewertung zugrunde zu legen. Marktgutachten seien auch nach der Rechtsprechung des BVerwG eine taugliche Methode, um den durch das Vorhaben bedingten voraussichtlichen Kaufkraftabfluss zu prognostizieren. Nach der Rechtsprechung des BVerwG könne die Bauaufsichtsbehörde sogar zur Einholung eines Marktgutachtens verpflichtet sein, wenn eine Prognose auf andere Weise nicht möglich sei, etwa bei zunehmender Entfernung zwischen Vorhaben und betroffenem Versorgungsbereich oder bei nicht eindeutigen Relationen der Verkaufsflächen. Eine differenzierte Betrachtung sei auch geboten, wenn - wie hier - von dem zur Genehmigung stehenden Betrieb Auswirkungen von möglicherweise unterschiedlicher Intensität auf mehrere zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien. Der vorliegende Sachverhalt sei weitaus komplexer als die vergleichsweise einfach gelagerten Fälle, in denen das Bundesverwaltungsgericht von der Einholung eines Gutachtens habe absehen können. Dass die von B... verwandte Methodik keinen Bedenken unterliege, sei obergerichtlich anerkannt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.05.2013 - 8 C 10859/12 -). Zudem verwundere an der Kritik des Beklagten, dass das ebenfalls von B... nach gleicher Methodik erstellte Marktgutachten für das ebenfalls im Ostseepark gelegene Baltic-Center vom Beklagten nicht beanstandet und zur Grundlage der Genehmigung gemacht worden sei. Das Gutachten sei sogar von einem „Worst-Case-Ansatz" ausgegangen, obwohl zweifelhaft sei, ob hierzu überhaupt aus Rechtsgründen Veranlassung bestehe. Letztlich basiere die Wirkungsanalyse durch eine Kaufkraftstrom-Modellrechnung auf einer gesicherten empirischen Grundlage (u.a. Kunden-Herkunftsbefragung). Es handele sich dabei um eine Weiterentwicklung des „klassischen Gravitationsmodells". Nach diesem Gutachten blieben die prognostizierten voraussichtlichen Kaufkraftabflüsse weit unterhalb der von der Rechtsprechung als Faustformel entwickelten Erheblichkeitsschwelle von 10%. Andere städtebauliche Anhaltspunkte, die die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

92

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei B... nicht gehalten gewesen, ihrer Wirkungsanalyse die gesamte „Kaufkraft des Ostseeparks" als faktischem Einkaufszentrum zugrunde zu legen. Der Beklagte vermenge zwei verschiedene Sachverhalte. Richtig sei, dass bei der Prognose schädlicher Auswirkungen eine Rolle spielen könne, ob ein Einzelhandelsbetrieb zu bereits bestehenden Betrieben hinzutrete. Wenn in einer solchen Konstellation die neu hinzutretende Verkaufsfläche zu einem Umkippen der Situation in Richtung Schädlichkeit führe, könne das zum Wegfall des Genehmigungsanspruchs für das neu beantragte Vorhaben führen. Dazu müssten aber zunächst in einem ersten Schritt die Auswirkungen des zur Genehmigung gestellten Vorhabens ermittelt werden. Ausgangspunkt für die Bewertung nach § 34 Abs. 3 BauGB sei allein das zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Das führe dazu, dass bei Erweiterung eines bestehenden Einzelhandelsbetriebes das Gesamtvorhaben in seiner veränderten Gestalt Gegenstand der Prognose von § 34 Abs. 3 BauGB sein könne. Vorliegend handele es sich aber nicht um die Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums. Bei dem Ostseepark handele es sich um ein faktisches Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO, jedoch ändere dies nichts daran, dass es nur darauf ankomme, welche Wirkungen von dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben ausgingen. In einem zweiten Schritt sei dann zu klären, ob durch die Kombination von Alt- und Neubestand die Schwelle zur Schädlichkeit überschritten werde. Das sei dann im Wesentlichen eine Frage der wirtschaftlichen Belastbarkeit der betroffenen Versorgungsbereiche. Hier könnten dann auch die Auswirkungen anderer, bereits vorhandener Einzelhandelsbetriebe berücksichtigt werden. Auch diese Belastbarkeit sei Gegenstand des Marktgutachtens. Auf der Grundlage der Bewertung der Belastbarkeit als auch der zu erwartenden Umsatzumverteilungen komme das Marktgutachten zu dem Ergebnis, dass die nur marginalen Umsatzumverteilungen keine schädlichen Auswirkungen erwarten ließen.

93

Das Marktgutachten gehe dabei zu Recht von der Annahme aus, ein Großteil des zu erwartenden Umsatzes des Vorhabens ergebe sich aus Umsatzumverteilungen innerhalb des Ostseeparks. Dabei gehe das Gutachten zwar von der Worst-Case-Annahme aus, dass die Verkaufsflächen im beantragten Einkaufszentrum durch bislang am Markt nicht ansässige Mieter besetzt würden, also zusätzliche Verkaufsflächen geschaffen würden. Es liege aber auf der Hand, dass in einer solchen Konstellation auch Umsätze von Einzelhandelsbetrieben umgelenkt würden, die bereits am Ostseepark ansässig seien. Bei Sortimenten, die im Bestand des Ostseeparks angeboten würden, sei daher mit Umsatzeinbußen bis hin zu „trading-down"-Effekten in den Randbereichen des Ostseeparks zu rechnen.

94

Nach dem Gutachten seien schädliche Auswirkungen nicht zu erwarten. Die im Gutachten prognostizierten voraussichtlichen Kaufkraftabflüsse erreichten nicht die von der Rechtsprechung als Faustformel entwickelte Erheblichkeitsschwelle von 10%. Das Vorhaben führe danach nur zu voraussichtlich äußerst geringen Umsatzumverteilungen. Es sei eine maximale Umverteilungsquote von 6%, in vielen Sortimenten weit weniger als die Hälfte zu erwarten. Selbst in vorgeschädigten Versorgungsbereichen sei nach der Rechtsprechung des OVG Münster eine Quote von 7,9% noch vertretbar. Für die Versorgungsbereiche Lütjenburg und Preetz, die auch nach dem Gutachten von B... nur als eingeschränkt wettbewerbsfähig gelten, lägen die vom Beklagten angenommenen schädlichen Auswirkungen nicht vor. Allerdings sei insoweit auch nur eine eingeschränkte Belastbarkeit, nicht hingegen ein drohender Funktionsverlust festgestellt worden. Diese eingeschränkte Belastbarkeit gehe nicht auf den Ostseepark zurück, sondern habe andere Ursachen. Das Gutachten gehe davon aus, dass selbst diesen Versorgungsbereichen der prognostizierte Umsatzverlust von teils bis zu 6 % zugemutet werden könne. Die Umverteilungsquoten bewegten sich für Lütjenburg zwischen 4,7% und 1,3% je nach Sortiment und für Preetz zwischen 5,2% (modischer Bedarf) bzw. 6% (Spielzeug) und 1%. Sie blieben damit unter den vom OVG Münster angenommen Werten.

95

Für die Versorgungsbereiche Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost würden die vom Beklagten behaupteten Vorschädigungen durch das Gutachten bereits nicht bestätigt. Es sei nicht ersichtlich, dass der weitgehende Leerstand des Kleinkaufhauses am Lübschen Tor in Plön seine Ursachen in der Existenz des Ostseeparks habe. Das geringe Angebot in Gaarden-Ost sei allein durch das sozial schwache Milieu, nicht hingegen durch den Wettbewerbsdruck des Ostseeparks verursacht.

96

Ferner müsse im Rahmen der Prognose berücksichtigt werden, dass die Stadt Schwentinental die Gesamtverkaufsflächen des Ostseeparks mit ihrer Bauleitplanung beschränken werde. Stehe der Wegfall bestimmter am Standort derzeit noch vorhandener Verkaufsflächen fest, könne und müsse das im Rahmen einer Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. So sei auch der Wegfall der Altflächen des Modemarkts Adler mit 3.100 qm modischen Bedarf berücksichtigt worden. Die Klägerin „übernehme" lediglich 1.500 qm Verkaufsfläche des ehemaligen Adler-Modemarktes. Die überschießenden 1.600 qm entfielen ersatzlos und wirkten dementsprechend nicht auf die Versorgungsbereiche der Beigeladenen.

97

Die Klägerin beantragt,

98

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2013 den von der Klägerin am 05.07.2011 beantragten und mit Schreiben vom 14.11.2012 und 10.01.2013 präzisierten Bauvorbescheid antragsgemäß zu erlassen.

99

Der Beklagte beantragt,

100

die Klage abzuweisen.

101

Die Bauvoranfrage sei zu Recht wegen zu erwartender schädlicher Auswirkungen auf mehrere benachbarte zentrale Versorgungsbereiche abgelehnt worden.

102

Es herrsche Einigkeit darüber, dass die Erwartung schädlicher Auswirkungen positiv festgestellt werden müsse. Er habe nicht nur einen Verkaufsflächenvergleich durchgeführt, sondern auch zur Tatsachenermittlung die Umschreibung und Begrenzung sowie die Verkaufsflächen der betroffenen Versorgungsbereiche aus dem Marktgutachten von B... übernommen. Lediglich die hieraus von B... gezogenen Schlussfolgerungen habe er nicht geteilt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Bauaufsichtsbehörde aber nicht verpflichtet, das Ergebnis eines vorgelegten Marktgutachtens kritiklos zu übernehmen. Das Gutachten von B... sei nicht überzeugend. Im Gutachten sei im Rahmen der durchgeführten Kaufkraftstrom-Modellrechnung die derzeitige Ist-Verteilung der Kundenströme und Umsätze für sämtliche zentralen Versorgungsbereiche und Sonderstandorte ermittelt worden. Es werde deutlich, dass B... die von dem Ostseepark bereits in seiner derzeitigen Form ausgehenden schädlichen Auswirkungen nicht hinreichend berücksichtigt habe. Die Existenz des Ostseeparks werde im Gutachten im Wesentlichen dergestalt berücksichtigt, dass ein Großteil der Umsatzerwartung des geplanten Vorhabens als Kaufkraftverteilung innerhalb des Ostseeparks verrechnet worden sei. Dies führe zu dem unlogischen Ergebnis, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben unter Berücksichtigung der übrigen Flächen des Ostseeparks eher weniger schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien als bei Ausblendung des Ostseeparks. B... hätte in diesem komplexen Fall zunächst in einem ersten Schritt bestehende Vorschädigungen durch den Ostseepark und erst in einem zweiten Schritt die durch das Vorhaben ausgelösten Kaufkraftströme ermitteln müssen. Dass bereits gegenwärtig von dem Ostseepark mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgingen, sei nach seiner Auffassung offensichtlich. Letztlich werde dies auch durch das Marktgutachten von B... bestätigt, indem dieses den zentralen Versorgungsbereichen in Preetz und Lütjenburg Vorschädigungen attestiere. Nach Auffassung von B... sei diesen vorgeschädigten Bereichen gleichwohl noch eine Umsatzumverteilung von 6% zuzumuten. Diese Auffassung werde von ihm, dem Beklagten, nicht geteilt. Eine schleichende Verschlechterung der Situation für vorgeschädigte zentrale Versorgungsbereiche durch neu hinzukommende Einzelhandelsvorhaben könne nur verhindert werden, wenn bereits die Verstärkung der schädlichen Auswirkungen zur Unzulässigkeit des Vorhabens führe. Dies könne spätestens ab einer zusätzlichen Umverteilungsquote von 1% ohne Weiteres angenommen werden. Im Versorgungszentrum Preetz sei auch nach den Feststellungen von B... mit Kaufkraftabflüssen von 6% im modischen Bedarf und 6% im Sortiment Spielwaren zu rechnen. Da bereits die Schädigung eines einzelnen Versorgungszentrums den Genehmigungsanspruch ausschließe, komme es nicht darauf an, ob - wovon er jedoch ausgehe - auch die Versorgungsbereiche Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost bereits durch den Ostseepark vorgeschädigt und nur eingeschränkt belastbar seien.

103

Nicht schlüssig sei das Gutachten, wenn davon ausgegangen werde, dass aufgrund der Attraktivitätssteigerung des Ostseeparks durch das Vorhaben Kaufkraftströme von der Kieler Innenstadt und dem Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea weg in den Ostseepark umgelenkt würden, es aber nicht hinreichend berücksichtige, dass das neu geplante Einkaufszentrum aufgrund seiner Dimension zu einer deutlichen und beabsichtigten Aufwertung des Ostseeparks führe, wodurch dessen Magnetwirkung noch verstärkt werde.

104

Zu Unrecht meine die Klägerin, nach den Entwürfen der Bebauungspläne wegfallende Verkaufsflächen dürften bei der Prognose bereits jetzt berücksichtigt werden. Derartige Nutzungen seien bestandsgeschützt und würden noch Jahrzehnte fortbestehen. Zudem sei völlig ungewiss, ob die Bebauungspläne tatsächlich wie entworfen in Kraft träten.

105

Ergänzend verweist der Beklagte auf eine weitere gutachterliche Stellungnahme von J&K vom 05.09.2014, die weitere methodische Mängel des Marktgutachtens von B... belege.

106

In dieser Stellungnahme wiederholen J&K ihre Kritik an den Gutachten von B.... Sie räumen ein, dass sie in ihrer Einleitung auf Seite 28 tatsächlich die Zahlen für den periodischen und aperiodischen Bedarf vertauscht hätten. Tatsächlich sei aber in den Berechnungen für den periodischen Bedarf ein Anteil von 40% des potenziellen Umsatzes des Bauvorhabens angenommen worden, der auf Kunden aus den untersuchten Kieler Stadtteilen zurückzuführen sei. Dieser Ansatz sei auch gerechtfertigt. Zwar sei gerade bei autokundenorientierten Standorten wie dem Ostseepark eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft der Kunden und somit ein weitläufigeres Einzugsgebiet anzunehmen, jedoch lasse mit zunehmender Entfernung die Kundenbindung immer weiter nach. Dies sei in besonderem Maße für die Güter des täglichen Lebens zutreffend: aufgrund der regelmäßigen Nachfrage nach periodischen Bedarfsgütern würden diese üblicherweise möglichst in der Nähe zum Wohnort getätigt. Insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel bestehe eine hohe Distanzempfindlichkeit beim räumlichen Einkaufsverhalten des Kunden. Vor allem die von B... zitierten Angebotsstandorte CITTI und Plaza trügen dazu bei, dass Kunden aus den westlichen und nördlichen Kieler Stadtteilen nur geringen Anlass haben dürften, die geplanten Standorte am Vorhabenstandort aufzusuchen. Ein sehr enger räumlicher Bezug zwischen Wohnstandorten und Angebotsstandort bestehe hingegen bezogen auf die östlichen Kieler Stadtteile. Aus dem für Waren der kurzfristigen Bedarfsstufe definierten Untersuchungsraum sei der Vorhabenstandort in 10 Minuten, aus Elmschenhagen beispielsweise in nur 5-6 Minuten Pkw-Fahrtzeit zu erreichen. Ein 7-Minuten-Pkw- Fahrtzeitradius umfasse neben Schwentinental selbst fast ausschließlich die Siedlungsgebiete des Kieler Ostens. Die Annahme einer 40%igen Umsatzverteilung sei daher noch als zurückhaltend einzustufen. Unzutreffend sei die Behauptung von B..., die Lebensmittelmärkte in den Kieler zentralen Versorgungsbereichen würden sich an fußläufige Kunden richten, sodass kein Wettbewerb zum Ostseepark bestehe. Auch die Bewohner dieser Stadtteile verfügten oft über Pkw und seien daher potentielle Kunden des Vorhabens. Der Annahme einer 40%igen Kaufkraftbindung stehe auch die von B... herangezogene Kundenherkunftsbefragung aus dem Jahre 2007 nicht entgegen. Diese sei mit einem Stichprobenumfang von lediglich 613 befragten Kunden und ohne jegliche Differenzierung nach Warengruppen aus fachlicher Sicht nicht belastbar und für die Prognose von Auswirkungsbereichen möglicher Umsatzumverteilungseffekte unbrauchbar. Sie, J&K, würden Marktgutachten auf der Basis von Umfragen mit 10.000 bis 15.000 Kunden durchführen.

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Mit Replik vom 18.09.2015 weist die Klägerin die von J&K erhobenen Einwände als unzutreffend zurück. Sie beruft sich dabei auf eine weitere ergänzende Stellungnahme von B... vom 09.09.2015, worin u.a. Folgendes ausgeführt wird:

108

Die Stichprobe mit 613 Befragten sei durchaus ausreichend und verwertbar. Bei einem Stichprobenumfang von 600 werde der aus dem von J&K abgegrenzten Kieler Teilraum gemessene Anteilswert von etwa 20% mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit real innerhalb eines Bereiches von 17-23% liegen. Eine Teilsplittbildung nach Bedarfsgruppen und Herkunftsbereichen könnte hingegen zu so kleinen Fallzahlen führen, dass die für diese Untergruppen gemessenen Werte auf Grund erhöhter Varianzen nicht oder nur noch mit großer Vorsicht interpretierbar wären. Hinsichtlich der nachgefragten Sortimente hätten lediglich Gesamtaussagen vorgelegen, sodass daraus keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Kunden unterschiedlicher Herkunftsbereiche hätten gezogen werden können. Hinsichtlich der Frage der ungleichen Reichweite von Sortimenten unterschiedlicher Bedarfsfristigkeiten habe man eine auf den Erfahrungswerten eigener Untersuchungen basierende Gewichtung vorgenommen.

109

Soweit J&K eine Umsatzumverteilung von 40% für den periodischen Bedarf und den untersuchten Einzugsbereich angenommen habe, lösten sie sich nicht nur von dem festgestellten Kundenanteil von 20%, sondern verdoppelten diesen sogar auf 40%. Diese Relation sei fern jeder Realität und könne von ihr aus langjähriger Tätigkeit in keinem vergleichbaren Standort auch nur ansatzweise bestätigt werden. Diese Verdoppelung funktioniere auch rechnerisch nicht. Würde man dieses Vorgehen auf alle Kunden aus dem Nahbereich des Ostseeparks übertragen, also auch mit denen aus Zone 1 (Schwentinental) sowie der Zone 2a (das ländliche Gegenstück zum Kieler Nahbereich

110

der Zone 2b), mithin das Umsatzgewicht aller Nahbereichskunden verdoppeln, würde nahezu der gesamte künftige Projektumsatz ausschließlich von Kunden des Nahbereichs mit etwa 100.000 Kunden getragen werden, ohne die weiteren 300.000 Kunden überhaupt in Ansatz zu bringen.

111

J&K ließen schlicht unberücksichtigt, dass diese Haushalte auch in der Ausgangslage bereits im Ostseepark, im CITTI-Park, bei Plaza (nunmehr Sky XXL) und in der Kieler Innenstadt und in vielen weiteren Märkten einkauften. Es werde nicht berücksichtigt, dass auch derartige Kaufkraftströme in die „Neue Mitte" verlagert würden, mithin nicht der gesamte mit Kunden aus dem Kieler Teilraum getätigte Umsatz des Planvorhabens deren wohnortnaher Versorgung entzogen würde.

112

Zudem bleibe die Kritik, dass J&K den Umsatzanteil des Planvorhabens, der mit Kunden aus dem abgegrenzten Kieler Teilraum getätigt werde, im Vorwege selbst festgelegt habe, obwohl dieser eigentlich das Untersuchungsergebnis hätte sein müssen.

113

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

114

die Klage abzuweisen.

115

Sie ist der Auffassung, dass von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche in den Kieler Ostbezirken, insbesondere Gaarden-Ost zu erwarten seien. Dies werde belegt durch die gutachterlichen Stellungnahmen von J&K. J&K hätten zwar nur die Betroffenheit der Versorgungsbereiche in den Kieler Ostbezirken untersucht, jedoch liege hierin kein methodischer Mangel, vielmehr sei es durchaus üblich, dass die Betrachtung - wie hier - auf die am stärksten betroffenen Versorgungsbereiche beschränkt werde. Gerade in Gaarden-Ost habe es in den siebziger Jahren eine blühende Einzelhandelsstruktur gegeben, die heute nicht mehr ansatzweise vorhanden sei. Das Stadtteilzentrum habe seine über den Stadtteil hinausgehende Ausstrahlungskraft verloren. Diese Entwicklung sei einhergegangen mit einer fortlaufenden Schädigung durch den Ostseepark. Die Annahme von J&K, das geplante Einkaufszentrum werde in hohem Umfange Kunden aus den Kieler Ostbezirken binden, sei auch begründet. Die Verbindung zwischen diesen Bezirken und dem Ostseepark mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei sehr gut und werde von den Menschen auch tatsächlich genutzt.

116

Die Beigeladene zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.

117

Sie ist der Auffassung, dass aus den von der Klägerin dargestellten Gründen schädliche Auswirkungen auf benachbarte zentrale Versorgungsbereiche nicht zu befürchten seien. Bereits bestehende Vorschädigungen könnten nicht festgestellt werden. Leerstände einzelner Läden, die durchaus im Rahmen der üblichen Fluktuation vorkämen, reichten für die Annahme von Vorschädigungen nicht aus. Dass in den betroffenen Versorgungsbereichen etwa Magnetbetriebe gefährdet wären, sei nicht ersichtlich. Die Verhältnisse in Gaarden resultierten nicht aus der Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark, sondern hätten ihre Ursache u.a. darin, dass die Bewohner früher einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wären, heute hingegen eine hohe Arbeitslosigkeit bestehe. Die festgestellten Umsatzumverteilungsquoten seien gering und für alle betroffenen Versorgungsbereiche unterhalb der tolerierbaren Quote von 6 %. Selbst dann, wenn man von bestehenden Vorschädigungen ausginge, die eben nicht belegt seien, könne nicht bereits jede zusätzliche Umsatzumverteilung auch im geringen einstelligen Prozentbereich zur Begründung schädlicher Auswirkungen herangezogen werden.

118

Die Beigeladene zu 4) hat keinen eigenen Antrag gestellt.

119

Sie ist der Auffassung, dass von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf ihren zentralen Versorgungsbereich zu erwarten seien. Soweit die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hätten, die Situation habe sich in den benachbarten Versorgungszentren mittlerweile verbessert, könne sie dieser Einschätzung keinesfalls zustimmen. Das Gegenteil sei der Fall: Die Lage habe sich verschlechtert. So habe sie in der Innenstadt zwischenzeitlich ein weiteres Bekleidungsgeschäft durch Betriebsaufgabe verloren und ein Buchladen habe seine Verkaufsfläche reduzieren müssen.

120

Die Beigeladenen zu 1) und 5) haben sich am Verfahren nicht aktiv beteiligt.

121

Die Beigeladene zu 3) hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, zu der Frage, ob Vorschädigungen in den zentralen Versorgungsbereichen Preetz, Lütjenburg und Gaarden-Ost vorliegen, Beweis zu erheben durch Einvernahme des präsenten Sachverständigen Gustafsson.

122

Die Kammer hat diesen Beweisantrag abgelehnt und die Ablehnung in der mündlichen Verhandlung mündlich begründet.

123

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Gutachten der Firmen B...Gesa AG und J... & K... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

124

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht der begehrte Bauvorbescheid für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit Veranstaltungssaal nicht zu; die angefochtenen Bescheide vom 27.05.2013 und 25.11.2013 halten jedenfalls im Ergebnis einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand.

125

Die Klage ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Klägerin bereits im Besitz des von ihr erstrebten Bauvorbescheides wäre. Allerdings kann auch ein Bauvorbescheid fiktiv entstehen, wenn die Bauaufsichtsbehörde nicht innerhalb der in § 69 LBO festgelegten Fristen die Bauvoranfrage bearbeitet. Gemäß § 66 Satz 3 LBO gilt § 69 Abs. 5 bis 9 LBO entsprechend. Diese Vorschrift stellt aber eine Rechtsgrundverweisung mit der Folge dar, dass auch im Vorbescheidsverfahren die Genehmigungsfiktion entsprechend § 69 Abs. 9 LBO nur eintritt, wenn es sich um ein Vorhaben handelt, dass in das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren fällt oder durch Entscheidung des Bauherrn fallen könnte. Eine Genehmigungsfiktion tritt mithin nicht ein, wenn ein Sonderbau im Sinne des § 51 LBO Gegenstand einer Bauvoranfrage ist (vgl. Domning / Möller / Bebensee, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Kommentar, § 66 Rnr. 89; OVG Schleswig, Urteil vom 19.02.2004 - 1 LB 63/03 -; BVerwG, Beschluss vom 27.05.2004 - 4 B 40.04 -). Vorliegend handelt es sich um einen Sonderbau nach § 51 Abs. 2 Nr. 3 und 6 LBO, der zwingend im Baugenehmigungsverfahren nach § 67 LBO zu bearbeiten wäre.

126

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides, weil diesem gemäß §§ 73 Abs. 1, 66 LBO öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Gegenstand der Bauvoranfrage ist allein, aber auch umfassend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens mit seinen beiden Varianten, jeweils kombiniert mit einem Veranstaltungssaal für 500 Personen.

127

Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich hier nach § 34 BauGB.

128

Ein Grundstück fällt zwar nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Daher können Außenbereichsflächen auch in solchen Gebieten liegen, die in einem größeren Rahmen von Bebauung umgeben sind. Von einem solchen „Außenbereich im Innenbereich" bzw. einer „Außenbereichsinsel im Innenbereich" spricht man schlagwortartig - allerdings ohne dass damit etwa ein eigener unbestimmter Rechtsbegriff gemeint wäre -, wenn eine ringsum von Bebauung umgebende Freifläche so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt und deshalb nicht als - nach den Kriterien des § 34 BauGB bebaubare - Baulücke erscheint (BVerwG, Beschluss vom 15.09.2005 - 4 BN 37/05 -). Die eine solche Fläche umgebende Bebauung ist dann nämlich nicht mehr in der Lage, die Planersatzfunktion von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zu erfüllen, so dass die Bebauung einer solchen Fläche ein Planungserfordernis auslöst. Dabei lässt sich nichts allgemein Gültiges darüber sagen, wie sich namentlich die Größe einer solchen unbebauten Fläche auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt. Zwar findet die Möglichkeit, eine den Zusammenhang wahrende Baulücke anzunehmen, auch in dessen Größe eine obere Grenze, jedoch lässt sich eine absolute Zahl als Grenzwert insoweit nicht angeben. Bei der Beurteilung, ob in solchen Fällen noch eine Baulücke anzunehmen ist, ist insbesondere die Struktur der vorhandenen umgebenden Bebauung maßgeblich. Eine kleinteilige Bebauung im städtischen Bereich spricht eher dafür, größere Freiflächen dem Außenbereich zuzuordnen. Eine uneinheitliche, aufgelockerte Bebauung im ländlichen Raum mit großen Freiflächen um die Häuser herum legt es daher nahe, selbst bei größeren Entfernungen eine Baulücke im Innenbereich zu bejahen. So ist in der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts u.a. im ländlichen Raum in einem von großvolumigen Baukörpern mit großzügigen Freiflächen geprägten Bereich bei einer Ausdehnung von 70 bis 80 m in der Luftlinie noch der Eindruck der Geschlossenheit bejaht worden (Urteil vom 30.05.2001 - 1 L 61/00 -). Von einer solchen Situation gehen die Beteiligten bezüglich des streitbefangenen Grundstücks zu Recht aus. Die ohne Frage sehr ausgedehnte Fläche (geschätzt 28.000 qm; nähere Angaben befinden sich im Verwaltungsvorgang nicht), auf der das Einkaufszentrum errichtet werden soll, ist nämlich durchgängig von ähnlich großen Grundstücken mit teils ebenso großvolumiger Bebauung bereits umgeben, so dass keine Zweifel daran bestehen können, dass sich die Vorhabenfläche noch als Teil des in Form des Ostseeparks bestehenden Bebauungszusammenhangs darstellt.

129

Das Vorhaben fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Dabei kann offenbleiben, ob die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB entspricht. Im Urteil vom 19.10.2000 (- 5 A 1098/99 -) ist das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem gesamten Ostseepark um ein faktisches Sondergebiet „Einkaufszentrum" i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO handelt. Aus Sicht des Kunden, worauf maßgebend abzustellen sei, stellten sich die Betriebe im Ostseepark als aufeinander bezogen, durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden dar. Schwentinental ist hingegen der Auffassung, bei dem Ostseepark handele es sich um eine Gemengelage. Hierfür spricht, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16.09.2010 (- 4 C 7/10 -) zwar offengelassen hat, ob es rechtlich zulässig wäre, faktische Sondergebiete für Einkaufszentren und den großflächigen Einzelhandel anzuerkennen, andererseits aber in dieser Entscheidung ausgeführt hat, dass im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB in der Baunutzungsverordnung „bezeichnet" nur solche Baugebiete seien, für die die Baunutzungsverordnung die Art der zulässigen Nutzung selbst regele. Sondergebiete i.S.d. § 11 BauNVO erfüllten diese Voraussetzungen nicht, weil nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO die Gemeinde die Art der zulässigen Nutzung festzusetzen habe. Auch wenn die Kammer mit der Schwentinental daher zu der Ansicht neigt, dass die nähere Umgebung als Gemengelage einzustufen ist, bedarf es einer abschließenden Entscheidung hierzu nicht, weil sich das streitgegenständliche Vorhaben seiner Art nach so oder so in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

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Das Vorhaben fügt sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB auch nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Auch der Beklagte geht im Ablehnungsbescheid vom 27.05.2013 davon aus, dass sich das Vorhaben in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche, die absolute Höhe und die Kubatur entweder in die nähere Umgebung einfüge oder aber als rahmenüberschreitendes Vorhaben nicht dazu geeignet wäre, bodenrechtlich beachtliche Spannungen auszulösen. Lediglich das von Kiel in Auftrag gegebene Rechtsgutachten der Kanzlei Baumeister durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Bischopink geht davon aus, dass sich das Vorhaben bereits nicht nach dem Maß der baulichen Nutzung bzw. der überbaubaren Grundstücksfläche einfüge. Zu dieser Einschätzung gelangt er, indem er aus Sicht der Kammer den Rahmen der näheren Umgebung viel zu eng zieht, nämlich lediglich das Straßengeviert Carl-Zeiss-Straße, Dieselstraße, Gutenbergstraße und Mergenthaler Straße als maßgebende Umgebungsbebauung heranzieht. Angesichts der gleichartigen Nutzung und Bebauung im Ostseepark sowie der Größe der benachbarten Grundstücke und Baukörper kommt diesen Straßen aber keine trennende Wirkung zu.

131

Sowohl das Warenhaus Real, das Baltic-Center als auch der Komplex Parc‘s geben den Rahmen für die überbaute Grundfläche noch vor, so dass sich Vorbilder für das Vorhaben finden.

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Das Vorhaben scheitert aber an der Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB. Danach dürfen von Vorhaben nach Abs. 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Das ist hier nach Überzeugung der Kammer der Fall.

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Zentrale Versorgungsbereiche i.S.d. Bestimmung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Bei der Beurteilung, ob ein Versorgungsbereich einen zentralen Versorgungsbereich i.S.d. Vorschrift bildet, bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung der städtebaulich relevanten Gegebenheiten. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2009 (- 4 C 2/08 -) können auch Grund- und Nahversorgungszentren zentrale Versorgungsbereiche in diesem Sinne sein. Ziel des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Erhaltung gewachsener städtebaulicher Strukturen und die Entwicklung integrierter Lagen auch im Interesse der verbrauchernahen Versorgung. Entscheidend ist, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. Dabei kann Zentralität durchaus kleinteilig sein. Ein zentraler Versorgungsbereich kann schon angenommen werden, wenn der Versorgungsbereich einen gewissen, über seine eigenen Grenzen hinausgehenden räumlichen Einzugsbereich mit städtebaulichem Gewicht hat und damit über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wirkt.

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Vorhaben i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB können alle Arten von Einzelhandelsbetrieben sein. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie bereits großflächig i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO sind. Zugrundezulegen ist das beantragte Vorhaben, d.h. das Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB. Im Falle der Erweiterung eines vorhandenen Einzelhandelsbetriebes ist die Zulässigkeit des Gesamtvorhabens zu prüfen (OVG Münster, Urteil vom 06.11.2008 - 10 A 1417/07 -). Die städtebauliche Situation wird nämlich auch durch den Betrieb, dessen Erweiterung beantragt wird, in seinem bisherigen Bestand geprägt. Der vorhandene Betrieb kann - ggf. im Zusammenwirken mit weiteren Einzelhandelsbetrieben an einem nicht integrierten Standort - bereits gegenwärtig die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs gefährden. In einem solchen Fall können selbst Erweiterungen eines Betriebes, die lediglich das vorhandene Sortiment auf größerer Fläche präsentieren sollen, zu schädlichen Auswirkungen führen. Der Markt kann sich aber auch auf die vorhandene Situation in der Weise eingestellt haben, dass sich eine geringfügige Verkaufsflächenerweiterung nicht auf die bestehende Umsatzverteilung auswirkt.

135

Schädliche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn die Funktionsfähigkeit des betroffenen zentralen Versorgungsbereichs in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört wird. Eine solche Funktionseinschränkung liegt vor, wenn der Versorgungsbereich seinen Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substantieller Weise wahrnehmen kann. Daraus ergibt sich weiter, dass Auswirkungen auf Versorgungsbereiche nicht erst dann schädlich sind, wenn sie die Schwelle der Unzumutbarkeit überschreiten, also der Verlust der städtebaulichen Funktion als zentraler Versorgungsbereich zu erwarten ist (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 1/08 -). Schutzzweck des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Vermeidung städtebaulich nachteiliger Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche. Es soll eine bestimmte städtebauliche Struktur erhalten werden, die sich durch Zentralität auszeichnet und eine diffuse Verteilung von Einrichtungen in die Fläche vermeidet. Die Unzulässigkeit von Betrieben kann nach dem Schutzzweck des § 34 Abs. 3 BauGB auch dazu beitragen, dass sich durch den dadurch bewirkten Schutz ein ggf. auch schon beeinträchtigter Versorgungsbereich positiv entwickelt und aufgewertet wird (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rnr. 85b und 86c). Eine Schädigung kann unter Umständen bereits im Falle einer Schwächung des Versorgungsbereiches vorliegen, wenn das Vorhaben auf eine „eher bereits eingeschränkte Versorgungssituation" trifft (BVerwG, Beschluss vom 11.06.2010 - 4 B 75/09 -). Nicht zu verlangen ist, dass die schädlichen Auswirkungen schon unmittelbar mit oder nach der Errichtung des zur Genehmigung anstehenden Vorhabens eintreten (Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rnr. 86k).

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Schädliche Auswirkungen können sich auch daraus ergeben, dass das geplante Vorhaben zusammen mit bereits vorhandenen Betrieben eine Beeinträchtigung des geschützten Versorgungsbereichs bewirkt, denn ein gerade noch unbedenkliches Nebeneinander eines Einzelhandelsbetriebes an einem nicht integrierten Standort in räumlicher Nähe zum Versorgungsbereich kann durch das Hinzutreten eines weiteren Vorhabens in eine städtebaulich beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereiches umschlagen. Insofern geht auch eine Einwand fehl, das Versorgungszentrum habe sich doch auf die bestehenden Einzelhandelsbetriebe eingestellt, so dass durch das streitige Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -). Eine etwaige Vorschädigung des zentralen Versorgungsbereiches ist bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Vorhabens also zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung der Kammer erst recht, wenn vorhandene, außerhalb von zentralen Versorgungsbereichen gelegene Einzelhandelsbetriebe diese schon schädigen (Urteil vom 06.12.2014 - 2 A 146/13 -, n.rk.). Eine solche Vorschädigung kann insbesondere auf bereits vorhandene großflächige Einzelhandelsbetriebe im Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs zurückzuführen sein (BVerwG, Beschluss vom 17.02.2009-4 B4/09 -).

137

Ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, ist im Rahmen einer anzustellenden Prognose festzustellen. Die Bauaufsichtsbehörde und das Verwaltungsgericht müssen dies im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufklären, so dass es im Regelfall auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast bei dieser Prognoseentscheidung nicht ankommen wird (OVG Münster, Urteil vom 13.06.2007 - 10 A 2439/06 -). Eine nur unter bestimmten Voraussetzungen widerlegbare Regel, dass bei Überschreiten einer bestimmten Verkaufsund Geschossfläche schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, stellt § 34 Abs. 3 BauGB - anders als § 11 Abs. 3 BauNVO - nicht auf. Allerdings bietet das Überschreiten der in § 11 Abs. 3 BauNVO festgelegten Großflächigkeit des Vorhabens zumindest Anlass zu kritischer Betrachtung. Ob die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 BauNVO im Rahmen der Prognose als Indiz oder sonst wertend berücksichtigt werden kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt. Im Rahmen der Prognose des § 34 Abs. 3 BauGB sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere die Verkaufsfläche des Vorhabens im Verhältnis zu „den im Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen derselben Branche", die voraussichtliche Umsatzverteilung, die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich, eine etwaige „Vorschädigung" des Versorgungsbereichs oder die Gefährdung eines „Magnetbetriebs", der maßgebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat, das Vorhandensein branchengleicher Einzelhandelsangebote an nicht integrierten Standorten im Einzugsbereich des Versorgungsbereichs und die Kundenattraktivität des geplanten Vorhabens durch standortbedingte Synergie-Effekte (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 4/07 -; Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -).

138

Bei der Entscheidung, ob von einem Vorhaben schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, sind diejenigen Auswirkungen zugrundezulegen, die typischer Weise von einem Betrieb der Art, wie er zur Genehmigung gestellt wird, an der betreffenden Stelle zu erwarten sind. Der Prognose muss eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis zugrunde liegen. Als geeignete Methode kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verkaufsflächenvergleich zwischen der Verkaufsfläche des Vorhabens und der Verkaufsfläche des betroffenen Versorgungsbereichs in Betracht, jedenfalls in einer Gesamtschau mit den maßgebenden o.g. städtebaulichen Faktoren, wobei der bloße Verkaufsflächenvergleich allein nicht überbewertet werden soll. Einem derartigen Vergleich kann auch nicht entgegengehalten werden, ökonomische Effekte spielten sich nach dem Grundsatz der systemgleichen Konkurrenz nur zwischen den Betrieben an den nicht integrierten Standorten ab (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -). Nicht zwingend erforderlich ist daher, dass ein Verkaufsflächenvergleich zwischen dem Vorhaben einerseits und der Gesamtverkaufsfläche aller im Einzugsbereich des Vorhabens gelegenen Einzelhandelsbetriebe vorgenommen wird (OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 - 7 A 1635/07 - ). Die Aussagekraft eines Verkaufsflächenvergleichs lässt bei zunehmender Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen Zentrum und bei weniger eindeutigen Relationen in Bezug auf die geplanten und die bereits vorhandenen Verkaufsflächen nach. In derartigen Konstellationen wird regelmäßig ein Rückgriff auf ein ergänzendes Marktgutachten zur Ermittlung von Kaufkraftabflüssen notwendig sein. Letztlich ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, die Methode zu bestimmen, anhand derer mögliche schädliche Auswirkungen prognostiziert werden. So wie sich beim Verkaufsflächenvergleich keine festen Prozentsätze angeben lassen, bei deren Unterschreiten stets von unschädlichen Auswirkungen auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -), erscheint auch für die Umsatzumverteilung fraglich, ob sich ein fester Prozentsatz nennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 1/08 -; ablehnend OVG Münster, Urteil vom 13.06.2007 - 10 A 2439/06 - und Urteil vom 11.12.2006 -7 A 964/05 -). Einige Obergerichte gehen allerdings bei nicht vorgeschädigten Versorgungsbereichen von einer Erheblichkeitsschwelle von 10% aus. Das OVG Münster hat im Falle einer Vorschädigung eine festgestellte Umsatzumverteilung von 7,9% bis 8,8% beim periodischen Bedarf und von 4,5% bezogen auf alle Einzelhandelsbranchen als ausreichend für die Feststellung schädlicher Auswirkungen angesehen (OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 - 7 A 1635/07 -).

139

Bei Anlegung dieser Maßstäbe lassen sich vorliegend nach Überzeugung der Kammer - auch ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder Befragung der bereits beteiligten Gutachter - im Rahmen einer Gesamtschau aller bekannten städtebaulichen Faktoren auf der Basis eines Verkaufsflächenvergleichs und der Würdigung der bereits vorliegenden Gutachten schädliche Auswirkungen des streitgegenständlichen Vorhabens jedenfalls bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost feststellen. Dies gilt sowohl für die Variante 1 als auch für die Variante 2 der streitgegenständlichen Bauvoranfrage, für die nach der Erklärung der Klägerin vom 14.11.2012 dieselben Sortimentsangaben gelten, wobei diese für den modischen Bedarf durch Erklärung vom 10.01.2013 für beide Varianten auf 8.000 qm Verkaufsfläche erhöht worden ist.

140

Entgegen der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung muss Ausgangspunkt der Überlegungen das hier streitbefangene Bauvorhaben mit seiner Verkaufsfläche von max. 15.000 qm, nicht hingegen die Verkaufsfläche des gesamten Ostseeparks sein. Der Beklagte verweist zwar zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach im Falle einer Erweiterung eines Einzelhandelsbetriebes der Betrieb in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen ist. Legt man vorliegend den Ansatz der 5. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts im Urteil vom 19.10.2000 sowie die übereinstimmende Einschätzung von Klägerin und Beklagten zugrunde, dass es sich beim Ostseepark um ein faktisches Sondergebiet Einkaufszentrum handelt, könnte das Vorhaben - obwohl selbst ein Einkaufszentrum - die „Erweiterung" des Einkaufszentrums Ostseepark darstellen mit der Folge, dass im Rahmen der Prüfung schädlicher Auswirkungen die Gesamtverkaufsfläche des Ostseeparks einschließlich der geplanten Verkaufsfläche des streitigen Vorhabens zum Ausgangspunkt der Überlegung gemacht werden könnte/müsste. Würde man diesen Ansatz vertreten, lägen die Umsatzumverteilungsquoten ersichtlich weit über der von der Klägerin immer wieder herangezogenen und in der Rechtsprechung als Faustformel entwickelten Erheblichkeitsschwelle von 10%. Allerdings lässt sich aus Sicht der Kammer nicht feststellen, dass das Vorhaben eine Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums Ostseepark darstellt. Bei der Wertung, beim Ostseepark handele es sich um ein Einkaufszentrum, hat die 5. Kammer zu Recht auch maßgeblich auf das geschlossene Auftreten nach außen abgestellt. Ob der Betreiber des streitbefangenen Vorhabens sich diesem Auftreten anschließen wird, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht gewiss und gerade eben nicht Inhalt der Voranfrage. Das Vorhaben erfüllt auch selbst alle Anforderungen an ein solches i.S.d. § 29 BauGB. Es handelt sich selbst um ein Einkaufszentrum, das auf ein organisatorisches Zusammenwirken mit dem Ostseepark nicht zwingend angewiesen ist. Von daher verbietet es sich vorliegend, von vornherein den gesamten Ostseepark als einheitliches Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB zu betrachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber Ausgangspunkt der Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB immer das Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB. Aus Sicht der Kammer führt die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage letztlich aber nicht zu anderen Ergebnissen. Auch im Falle einer Erweiterung eines Betriebes können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bestandsflächen unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Einzelhandel in den betroffenen Versorgungsbereichen hierauf schadlos eingestellt hat. Andererseits sind nach dieser Rechtsprechung auch im Falle der Neuerrichtung eines Einzelhandelsbetriebes die bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe mit in den Blick zu nehmen, nämlich hinsichtlich der Frage, ob die durch das Vorhaben betroffenen zentralen Versorgungsbereiche bereits vorgeschädigt sind. Die Frage, ob Schädigungen zu erwarten sind, lässt sich auch nicht schematisch an der von der Klägerin immer wieder herangezogenen Erheblichkeitsschwelle von 10% beantworten. Der Ostseepark ist daher mit seinen Verkaufsflächen so oder so im Rahmen der Prognose schädlicher Auswirkungen mit einzubeziehen.

141

Nach Überzeugung der Kammer stellt der vom Beklagten im Ausgangsbescheid vorgenommene Verkaufsflächenvergleich zwischen den Verkaufsflächen des streitbefangenen Vorhabens und einzelnen Versorgungsbereichen, insbesondere dem Versorgungsbereich Preetz und dem Stadtteilzentrum Gaarden-Ost, ein erhebliches und vorliegend letztlich durchschlagendes Indiz für zu befürchtende schädliche Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB dar. Der Verkaufsflächenvergleich ist insbesondere vom OVG Münster und vom Bundesverwaltungsgericht wiederholt als geeignete Methode im Rahmen der Prognose schädlicher Auswirkungen anerkannt worden, ohne dass sich dabei für den Verkaufsflächenvergleich feste Prozentsätze angeben ließen, bei dessen Unterschreiten stets von unschädlichen und bei dessen Überschreiten immer von schädlichen Auswirkungen auszugehen ist (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -). Eine Pflicht zur Einholung eines Marktgutachtens hat das Bundesverwaltungsgericht nur ausnahmsweise für die Fälle angenommen, in denen die Aussagekraft eines Verkaufsflächenvergleichs bei zunehmender Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen Zentrum und bei weniger eindeutigen Relationen in Bezug auf die geplanten und die bereits vorhandenen Verkaufsflächen nachlässt. Letztlich ist es Sache des Instanzgerichts, ob es den Verkaufsflächenvergleich in Verbindung mit allen städtebaulichen Umständen des konkreten Einzelfalls als ausreichende Tatsachengrundlage ansieht. Ein derartiger Ausnahmefall i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in dem eine Pflicht zur Einholung eines Marktgutachtens und dessen vorrangige Berücksichtigung gegenüber dem Verkaufsflächenvergleich besteht, wird hier von der Kammer nicht gesehen. Das OVG Münster sowie das Bundesverwaltungsgericht sind bereits in einem Fall, indem die Verkaufsfläche des Vorhabens bezogen auf ein Sortiment ca. 75% der Verkaufsfläche dieses Sortiments im zentralen Versorgungsbereich betrug, davon ausgegangen, dass sich hieraus wegen der Eindeutigkeit ohne weiteres die Schlussfolgerung schädlicher Auswirkungen ziehen lasse. Vorliegend bestehen aber eindeutige Relationen von mehreren 100% bezogen auf einzelne zentrenrelevante Sortimente; so etwa hinsichtlich des modischen Bedarfs von 571% bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und 552% auf das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost. Auch die Entfernungen zwischen Preetz und Gaarden-Ost sind mit ca. 9 km (10 Minuten Pkw-Fahrtzeit) bzw. ca. 6 km (8 Minuten Pkw-Fahrtzeit) nicht derart groß, dass hier trotz der extremen Deutlichkeit der Relation zwischen den Verkaufsflächen ausnahmsweise nur ein Marktgutachten Grundlage für die anzustellende Prognose sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kieler Ostbezirke, also auch Gaarden-Ost sowie Preetz neben Schwentinental selbst die dem Vorhaben nächstgelegenen Siedlungsgebiete darstellen. Der Verkaufsflächenvergleich ist entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend auch nicht deshalb ausnahmsweise ungeeignet, weil das Vorhaben über einen sehr großen Einzugsbereich mit ca. 407.000 Einwohnern und einer Vielzahl von betroffenen Versorgungsbereichen verfügt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die mit der Errichtung eines Einkaufszentrums verbundenen Umsatzumverteilungen bezogen auf einzelne Versorgungsbereiche verringern, wenn eine Vielzahl von Versorgungsbereichen betroffen ist. Aus Sicht der Kammer bedeutet dies aber vorliegend nicht, dass der Verkaufsflächenvergleich keine Aussagekraft besitzt. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse und der Nähe zum Vorhaben gerade der zentrale Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost in ganz besonderer Weise durch das Vorhaben betroffen werden. Bei Preetz ist die städtebauliche Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich in einer Entfernung bis zu 30 km um diese Stadt herum kein großes Einkaufszentrum befindet. Die Einwohner von Preetz sind ohnehin auch zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ausgerichtet auf die Landeshauptstadt Kiel. Die Verkehrsanbindung zwischen Preetz und Kiel ist u.a. durch die B 76 sehr gut. Gerade unmittelbar an dieser B 76 befindet sich der Ostseepark in Schwentinental. Die Einwohner von Preetz, die ohnehin tagsüber die Landeshauptstadt Kiel aufsuchen, können daher ohne jeglichen Zeitverlust und angesichts einer Vielzahl vorhandener Parkplätze ohne jeglichen Aufwand den Ostseepark in Kiel aufsuchen und dort ihre Einkäufe erledigen, und zwar hinsichtlich aller Bedarfsgruppen. Alternativ stehen für sie nur noch die weiter entfernte Kieler Innenstadt oder der Sonderstandort CITTI/Ikea/Plaza zur Auswahl. Angesichts der ohnehin schon bestehenden Konkurrenzsituation zum Ostseepark ist angesichts der Verkaufsflächenrelation von 571% bezogen auf die Bedarfsgruppe des modischen Bedarfs ohne weiteres der Schluss schädlicher Auswirkungen gerechtfertigt, ohne dass es überhaupt auf die Feststellungen von bereits bestehenden Vorschädigungen ankäme.

142

Diese Feststellung wird durch die vorliegenden Marktgutachten nicht entkräftet oder gar widerlegt. So gehen die vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen von J&K davon aus, dass es durch das Vorhaben zu erheblichen, deutlich über 10% liegenden Kaufkraftabflüssen in den Versorgungsbereichen der Kieler Ostbezirke und zu einer erheblichen Schädigung dieser Versorgungsbereiche kommen werde. Allerdings hat B... eine Reihe von erheblichen Einwendungen gegen die Berechnung der Kaufkraftabflüsse erhoben. So haben J&K ihrer Prognose tatsächlich Käuferströme zugrundegelegt, die von der im Jahre 2007 durchgeführten Kundenherkunftsbefragung deutlich bis hin zum Doppelten für den periodischen Bereich abweichen. Auch haben J&K lediglich einen Teilbereich des Einzugsbereichs des Vorhabens untersucht und damit die Aussagekraft ihrer Stellungnahme von vornherein eingeschränkt. Wohl zu Recht weist B... auch daraufhin, dass der Ansatz von J&K teilweise auch rechnerisch nicht zu überzeugen vermag, weil dann auch eine Verdoppelung der Kaufkraftabflüsse bzgl. des periodischen Bedarfs für den gesamten Nahbereich vorgenommen werden müsste mit der Folge, dass der gesamte diesbezügliche künftige Projektumsatz ausschließlich von Kunden des Nahbereichs mit etwa 100.000 Kunden getragen würde, ohne dass die übrigen 300.000 Kunden überhaupt Berücksichtigung fänden. Selbst aber dann, wenn man davon ausginge, dass die von J&K prognostizierten Umsatzumverteilungsquoten methodisch insoweit nicht belastbar sind, bleibt aus Sicht der Kammer doch der entscheidungserhebliche Umstand, dass J&K hinsichtlich des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost von einer Vorschädigung ausgehen. J&K haben die städtebaulich relevanten Umstände dargestellt, die die Annahme einer Vorschädigung tragen. Nach den Feststellungen von J&K ist das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost das bedeutendste Nebenzentrum im östlichen Kieler Stadtgebiet. Es soll hier in Ergänzung zur Kieler Innenstadt wichtige Versorgungsfunktionen in allen Bedarfsstufen für die Bevölkerung des Ostufers übernehmen. Gleichwohl liegt der Angebotsschwerpunkt mit rund 5.350 qm Verkaufsfläche (68%) vor allem in der Warengruppe des kurzfristigen Warenbereiches, während Angebote des mittelfristigen (1.670 qm, 21%) und langfristigen (875 qm, 11%) Bedarfsbereiches eher einen ergänzenden Charakter haben. Diese ihm eigentlich obliegende Versorgungsfunktion kann das Stadtteilzentrum nach diesen Feststellungen bereits heute nur teilweise bzw. in bestimmten Angebotssegmenten auch gar nicht erfüllen. Nach den Feststellungen von J&K ist diese Situation auch auf eine ausgeprägte Wettbewerbssituation zum nahegelegenen Standort Ostseepark (ca. 6 km) aufgrund gleichartiger Angebote zurückzuführen, so dass von einer gewissen „Vorschädigung" gesprochen werden könne. J&K gehen davon aus, dass schon einzelne Betriebsaufgaben das Angebot spürbar ausdünnen würden, was einen Funktionsverlust mit sich brächte. In seinen ergänzenden Stellungnahmen bestreitet B... zwar, dass das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost eine Vorschädigung aufweist, die durch eine Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark hervorgerufen worden ist. B... räumt aber in seiner Stellungnahme vom 27.09.2013 ein, dass Problemlagen im Stadtteilzentrum Gaarden-Ost gleichwohl offenkundig seien. Ebenso offenkundig sei jedoch auch, dass diese nicht oder nicht primär auf eine Wettbewerbssituation zum Ostseepark zurückzuführen, sondern in einer schwierigen sozialdemografischen Schichtung im Stadtteil selbst begründet seien. Die Lösung der sozialen Problematik im Stadtteil Gaarden-Ost werde durch Einzelhandelspolitik und Eingriffe in den Wettbewerb nicht gelingen - egal ob nun im Ostseepark ein Shopping-Center entstehe oder nicht. Soweit B... immer wieder betont, dass diese „Vorschädigung" des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost nicht durch die Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark bedingt sei, wird auf einen Gesichtspunkt abgestellt, dem rechtlich aus Sicht der Kammer keine Bedeutung zukommt. Abgesehen davon, dass es nicht vorstellbar ist, dass der Ostseepark mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche keinen Wettbewerbsdruck auf dieses nahegelegene Versorgungszentrum ausgeübt hat, kommt es auch überhaupt nicht darauf an, woraus die Vorschädigung resultiert. Möglich erscheint hier aus Sicht der Kammer aufgrund der Feststellungen von B... durchaus, dass auch die Ansiedlungspolitik von Kiel, nämlich die Zulassung großer Sonderstandorte, zusammen mit dem Ostseepark ursächlich für die Schädigung der eigenen zentralen Versorgungsbereiche ist. Nach Auffassung der Kammer ist aber im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB allein entscheidend, ob aufgrund einer - wodurch auch immer bedingten - Vorschädigung dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich weiterer Wettbewerb nicht mehr zugemutet werden kann, weil anderenfalls eine Funktionseinschränkung droht.

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Soweit B... zwar Vorschädigungen sieht, jedoch gleichwohl eine zusätzliche Umsatzumverteilung von max. 6% für vertretbar hält, bleibt B... hierfür jede Erklärung in den Gutachten schuldig. Ohnehin findet der von der Klägerin immer wieder betonte Ansatz, problematisch sei eine Umsatzumverteilung normalerweise erst ab einer Erheblichkeitsschwelle von 10%, im Falle einer Vorschädigung von mehr als 7,9% in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Bestätigung. Nach der Rechtsprechung der Kammer ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 BauGB, nicht erst den Verlust der Funktionsfähigkeit zu verhindern, sondern bereits zu befürchtenden Störungen der Funktionsfähigkeit vorzubeugen, dass jede „nicht nur unwesentliche" Steigerung auch solcher Störungen das Tatbestandsmerkmal des § 34 Abs. 3 BauGB erfüllt, die schon durch andere Einzelhandelsbetriebe verursacht werden. Andernfalls müsste im Falle einer bestehenden Vorschädigung durch das Zulassen einer unbegrenzten Anzahl weiterer - jeweils bei isolierter Betrachtung unbedenklicher - Erweiterungen von Verkaufsflächen hingenommen werden, dass sich die Vorschädigung der Funktionsfähigkeit der betroffenen zentralen Versorgungsbereiche bis hin zur vollständigen Funktionsunfähigkeit entwickelt (VG Schleswig, Urteil vom 06.11.2014 - 2 A 146/13 -, n. rk.). Auch die fortlaufende Zulassung von neuen Einzelhandelsbetrieben oder die Erweiterung von Einzelhandelsbetrieben mit für sich genommenen geringen Verkaufsflächen führt über die Jahre in der Summe doch zu einer erheblichen Ausweitung der Gesamtverkaufsflächen, die auf die benachbarten zentralen Versorgungsbereiche einwirken. Tatsächlich hat sich in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung des Ostseeparks mangels einer Bauleitplanung auch in diesem Sinne verselbständigt. So wird in dem medialen Sprachrohr des Ostseeparks, dem Ostseepark-Journal, in seiner Ausgabe vom 28.11.2015 zutreffend ausgeführt: „Der Ostseepark steht für eine Erfolgsgeschichte, die bereits Ende der 1960er Jahre begann. Die damalige Gemeinde Raisdorf begann, Industrie und Handwerksbetriebe anzusiedeln, um Arbeitsplätze zu schaffen. Doch spätestens mit der Eröffnung des Diva-Verbrauchermarktes - dem heutigen Real - änderte sich 1973 das Ursprungskonzept hin zu einem großen Fachmarktzentrum, das durch Vielfalt und Qualität besticht. Mode, Handwerk, Möbel, Elektronik, Automobile: Das Angebot vergrößerte sich Jahr für Jahr. Die Fahrt zum Ostseepark wurde zu einem Familienevent... Aus den ersten bescheidenen Plänen für ein Gewerbegebiet hat sich eines der größten Einkaufszentren Norddeutschlands entwickelt, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wie beliebt ist..."

144

Dass auch der zentrale Versorgungsbereich Preetz vorgeschädigt ist, ergibt sich schon aus dem Gutachten von B.... So wird im Gutachten vom 05.09.2012 ausgeführt, dass der zentrale Versorgungsbereich Preetz über ein vielfältiges Einzelhandelsangebot verfüge, andererseits aber Leerstände sowie die teilweise sehr kleinteilige Struktur eine nur bedingte Stabilität des Einzelhandels signalisierten. Das Subzentrum Hufenweg (ebenfalls Preetz) sei solide und trage zur Stabilität der zentral örtlichen Versorgung bei, stehe jedoch zumindest partiell auch im Wettbewerb zum innerstädtischen Angebot. Insgesamt sei für die Preetzer Innenstadt eine reduzierte Wettbewerbsfähigkeit anzunehmen. Da die Angebotsstruktur im Bereich modischer Bedarf in Preetz als durchaus anfällig einzustufen sei, sollte der zentrale Versorgungsbereich Preetz vor hohen Wettbewerbsintensitäten geschützt werden. Insofern sollten die zu erwartenden Umverteilungsquoten für dieses Angebotssegment deutlich erkennbar unterhalb der generell als kritisch eingestuften 10%- Schwelle liegen. Als maximal vertretbar werde eine Quote von 6% angesehen. Anders als die Klägerin vermag die Kammer diese Ausführungen von B... bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz nur als Feststellung einer deutlichen Vorschädigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu werten. B... selbst hat auch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12.11.2012 ausgeführt, dass das Sortiment modischer Bedarf als Ergebnis der Wirkungsanalyse von zunächst avisierten 8.100 qm auf 6.500 qm Verkaufsfläche eingeschränkt werden musste, um die Zentrenverträglichkeit gewährleisten zu können. Konsequenz der Feststellung dieser Vorschädigung kann aber entgegen der Auffassung von B... und der Klägerin nicht sein, dass man dem zentralen Versorgungsbereich Preetz - ohne dass dies auch nur ansatzweise begründet worden wäre - eine weitere Umsatzumverteilung von 6% zumutet.

145

Letztlich steht die von B... verfasste Wirkungsanalyse vom September 2012 mit den nachfolgenden Ergänzungen der Annahme schädlicher Auswirkungen des Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche auch aus anderen Gründen nicht entgegen. Das Gutachten leidet zunächst daran, dass die ganz maßgebende Kundenherkunftsbefragung nicht nur aus dem Jahre 2007 stammt, also die Daten zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens bereits fünf Jahre alt waren, sondern mit 613 Befragten ohne Differenzierung nach Sortimenten bei ca. 407.000 potentiellen Kunden und über 20 betroffenen zentralen Versorgungsbereichen nicht hinreichend verlässlich aussagekräftig ist, zumal auch nach B... das Konsumverhalten hinsichtlich des periodischen Bedarfs einerseits und des mittel- und längerfristigen Bedarfs andererseits grundverschieden ist. Auch die von B... in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.09.2015 hierzu gegebenen Erläuterungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Erklärung, eine Teilsplittbildung nach Bedarfsgruppen und Herkunftsbereichen sei nicht durchgeführt worden, weil dies zu so kleinen Fallzahlen hätte führen können, dass die für diese Untergruppen gemessenen Werte aufgrund erhöhter Varianzen nicht oder nur noch mit großer Vorsicht interpretierbar gewesen wären, belegt eher die Kritik von J&K, dass der Stichprobenumfang mit 613 Befragten von vornherein zu klein gewählt war. B... bestätigt in dieser Stellungnahme vom 09.09.2015 auch, dass hinsichtlich der nachgefragten Sortimente lediglich Gesamtaussagen vorgelegen hätten, so dass daraus keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Kunden unterschiedlicher Herkunftsbereiche hätte gezogen werden können. Hinsichtlich der Frage der ungleichen Reichweite von Sortimenten unterschiedlicher Bedarfsfristigkeiten habe man eine auf den Erfahrungswerten eigener Untersuchungen basierende Gewichtung vorgenommen. Es wird damit aber nicht deutlich, inwiefern B... eben die tatsächlich bestehenden städtebaulichen Besonderheiten hinsichtlich der zentralen Versorgungsbereiche Preetz und Gaarden-Ost erfasst hat. Auch dürfte das Ergebnis der Befragung von 613 Befragten bezogen auf die über 20 betroffenen Versorgungsbereiche doch eher zufällig seien. J&K haben demgegenüber darauf hingewiesen, dass sie bei der Erstellung derartiger Marktgutachten üblicherweise 10.000 bis 15.000 Kunden befragen würden. Eine einleuchtende Begründung dafür, aus welchem Grunde diese Befragung mit derartig wenig Befragten noch repräsentativ sein sollte, wird von B... nicht gegeben.

146

Nicht ausreichend berücksichtigt hat B... zudem, dass nicht nur eine Umsatzumverteilung zwischen den im Ostseepark vorhandenen Einzelhandelsgeschäften hin zum Vorhaben erfolgen wird (etwa beim modischen Bedarf 29,4%), sondern mit der Ansiedlung eines weiteren Einkaufzentrums mit bis zu 15.000 qm Verkaufsfläche eine Attraktivitätssteigerung des gesamten Ostseeparks und damit einhergehend ein zusätzlicher Kaufkraftabfluss aus dem Umland verbunden sein muss. Diese Attraktivitätssteigerung ist auch erklärtes Ziel der Errichtung des Vorhabens. B... führt hierzu in seiner Stellungnahme vom 27.09.2013 aus, das Projekt solle konzeptionell dazu beitragen, dass sich Einzelhandelsstrukturen in den übrigen Teilräumen des Ostseeparks auf längere Sicht ausdünnten bzw. das sich die Einzelhandelsbetriebe in den peripheren Lagen des Ostseeparks in den Bereich der „neuen Mitte" verlagerten. Aus diesem Grunde und wegen der weitläufigen Anlage des Ostseeparks bestünden zwar Synergieeffekte, seien aber erkennbar deutlich behindert. Hiermit bezieht sich B... auf die von Schwentinental mit der Überplanung des Ostseeparks verfolgten Ziele. Diese Gesichtspunkte haben aber im Rahmen der Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB keine Bedeutung, weil völlig ungewiss ist, ob die Bebauungspläne Nr. 57 A bis D Geltungskraft erlangen werden. Ohne diese Bebauungspläne ist jedoch im Rahmen der Prognose von einer Nachnutzung genehmigter Einzelhandelsnutzungen mit zentrenrelevanten Sortimenten auszugehen. Dem Vorhaben kann dann aber auch eine Attraktivitätssteigerung des gesamten Ostseeparks nicht abgesprochen werden.

147

Nicht nachvollziehbar ist weiter, dass B... im Gutachten vom 05.09.2012 davon ausgeht, dass bezüglich des modischen Bedarfs 43,2% gegenüber dem Einzelhandelsbestand Ostseepark umverteilt werden, bezüglich der im Ergänzungsgutachten zugrundegelegten endgültigen Aufgabe der Adler-Altflächen in dieser Branche aber davon ausgeht, dass 3 Mio. Euro von den dort bislang erzielten 4,7 Mio. Euro (also ca. 64%) zum streitigen Vorhaben „wandern". Angesichts einer angenommenen Flächenproduktivität des Vorhabens für modischen Bedarf von 3.200 Euro/qm führt eine Erhöhung der für verträglich erachteten Fläche um 1.500 qm allein in dieser Bedarfsgruppe zu einer Umsatzsteigerung von 4,8 Mio. Euro, die schwerlich bedingt sein kann durch den Wegfall der Adler-Altflächen mit einem Gesamtumsatz von 4,7 Mio. Euro. Insofern ist die von J&K geübte Kritik an der Berücksichtigung der Adler-Altflächen im Gutachten von B... berechtigt.

148

Letztlich hat bei B... die besondere Lage von Preetz nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden. Mangels nahe gelegener größerer Städte und wegen der besonders günstigen Verkehrsanbindung ist die Bevölkerung von Preetz stark in Richtung Landeshauptstadt Kiel ausgerichtet. Der Ostseepark liegt unmittelbar an der B 76 und ist für Pendler ohne jede Mühe und ohne Parkraumprobleme quasi im Vorbeifahren erreichbar. Von daher dürfte auch die für den periodischen Bedarf von den Gutachtern attestierte Distanzempfindlichkeit insoweit keine Geltung haben. Mangels einer nach Sortimenten unterteilten Kundenherkunftsbefragung konnten diese Besonderheiten auch nicht von B... hinreichend erfasst werden. Da der zentrale Versorgungsbereich Preetz sich aber schon nach dem Gutachten von B... exakt an der für kritisch befundenen Umverteilungsquote von 6% bewegt, rechtfertigen diese Gesichtspunkte bereits die Annahme schädlicher Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz.

149

Für die Kammer bestand auch keine Veranlassung, entsprechend dem Antrag Schwentintntals zu der Frage, ob Vorschädigungen in den zentralen Versorgungsbereichen Preetz, Lütjenburg und Gaarden-Ost vorliegen, Beweis zu erheben durch Einvernahme des in der mündlichen Verhandlung präsenten Sachverständigen Gustafsson. Zum einen kommt es auf diese Frage bereits deshalb nicht an, weil die Kammer die Auffassung vertritt, dass sich auch ohne bestehende Vorschädigungen einzelner zentraler Versorgungsbereiche aus dem Verkaufsflächenvergleich der Schluss ziehen lässt, dass jedenfalls die zentralen Versorgungsbereiche Preetz und Gaarden-Ost durch das Vorhaben schädliche Auswirkungen zu erwarten haben.

150

Zum anderen steht die Durchführung einer Beweisaufnahme durch die ergänzende Vernehmung eines Sachverständigen zu einem bereits abgegebenen schriftlichen Sachverständigengutachten im Ermessen des Gerichts. Die Kammer hält die vorliegenden Gutachten mit Ergänzungen von B... und J&K für hinreichend aktuell, um auch auf der Basis dieser Gutachten schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost prognostizieren und Vorschädigungen in diesen Versorgungsbereichen feststellen zu können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Unterstützung ihres Beweisantrages geltend gemacht hat, nach den Feststellungen von B... habe sich in letzter Zeit in diesen Versorgungsbereichen eine Verbesserung eingestellt, verkennt sie, dass die Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB gerade keine Momentaufnahme darstellt, sodass es auch aus Rechtsgründen nicht darauf ankäme, ob sich im Moment gerade z.B. aufgrund geringer Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung eine Verbesserung eingestellt hat. Zudem hat die Klägerin dieses Vorbringen in keiner Weise substantiiert und glaubhaft gemacht.

151

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Es entspricht hier der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO, nur die außergerichtlichen Kosten der Landeshauptstadt Kiel für erstattungsfähig zu erklären, weil nur sie sich durch Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO am Kostenrisiko beteiligt hat.

152

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

153

Die Berufung wird gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob ein Verkaufsflächenvergleich auch dann noch ein geeignetes Mittel zur Prognose schädlicher Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB darstellt, wenn eine Anzahl von mehr als 20 verschiedenen Versorgungsbereichen durch das Bauvorhaben betroffen werden. Von grundsätzlicher Bedeutung ist weiter die Frage, ob im Falle der Feststellung von Vorschädigungen von zentralen Versorgungsbereichen gleichwohl diesem Versorgungsbereich noch weitere Kaufkraftabflüsse in nennenswertem Umfange zugemutet werden dürfen.


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung. Er bildet die Grundlage für weitere, zum Vollzug dieses Gesetzbuchs erforderliche Maßnahmen.

(2) Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Ein Flächennutzungsplan ist nicht erforderlich, wenn der Bebauungsplan ausreicht, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen.

(3) Mit der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans kann gleichzeitig auch der Flächennutzungsplan aufgestellt, geändert oder ergänzt werden (Parallelverfahren). Der Bebauungsplan kann vor dem Flächennutzungsplan bekannt gemacht werden, wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt sein wird.

(4) Ein Bebauungsplan kann aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, bevor der Flächennutzungsplan aufgestellt ist, wenn dringende Gründe es erfordern und wenn der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegenstehen wird (vorzeitiger Bebauungsplan). Gilt bei Gebiets- oder Bestandsänderungen von Gemeinden oder anderen Veränderungen der Zuständigkeit für die Aufstellung von Flächennutzungsplänen ein Flächennutzungsplan fort, kann ein vorzeitiger Bebauungsplan auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan ergänzt oder geändert ist.

(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass

1.
Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen;
2.
erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.

(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 22.09.2015 teilweise geändert:

Soweit der Bescheid vom 28.10.2014 in Ziffer I 1 für den Kernbereich des "Ostseeparks" im OT Raisdorf der Stadt Schwentinental die Inkraftsetzung von einem Bebauungsplan oder mehreren Bebauungsplänen und in Ziffer I 3 den Abschluss des Bauleitplanverfahrens bis zum 31.05.2015 fordert, wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Soweit der Bescheid vom 28.10.2014 in Ziffer I 1 die Aufstellung von einem Bebauungsplan oder mehreren Bebauungsplänen fordert, wird der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragstellerin zu einem Drittel, der Antragsgegner zu zwei Dritteln.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf
 30.000,-- Euro
 festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22.09.2015 ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

2

Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nur zum Teil in Frage.

3

Vorab ist allerdings zunächst anzumerken, dass hier das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 BauGB - von der Antragstellerin erkennbar bereits im Rahmen der Bauleitplanung in 2014 bejaht und offenbar auch vom Antragsgegner so gesehen - zweifelhaft sein dürfte mit der Folge, dass aufgrund des in § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB verankerten Entwicklungsgebotes zunächst ein neuer F-Plan erforderlich sein dürfte, der den zurzeit gültigen F-Plan aus 1974 unter Berücksichtigung landesplanerischer Ziele ersetzt.

4

1. Das Interesse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem landesplanerischen Anpassungsverlangen vom 28.10.2014 nicht Folge leisten zu müssen, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der in Ziffer I 1 dieses Bescheides für den Kernbereich des "Ostseeparks" im OT Raisdorf der Stadt Schwentinental (Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 57 in Form der Teilbebauungspläne Nr. 57 A - D) unter Beachtung der Ziele der Raumordnung und Berücksichtigung der Bestandssituation des "Ostseeparks" geforderten Inkraftsetzung von einem Bebauungsplan oder mehreren Bebauungsplänen und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des in Ziffer I 3 dieses landesplanerischen Anpassungsverlangen geforderten Abschlusses des Bauleitverfahrens bis zum 31.05.2015.

5

Der Senat teilt nach summarischer Prüfung die ausführlich begründete Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das landesplanerische Anpassungsverlangen vom 28.10.2014 bereits nicht mit einer angemessenen Frist zur Befolgung durch die Antragstellerin versehen worden ist. Auf die Gründe im Beschluss des Verwaltungsgerichts (Umdruck S. 3 - 4) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Die Forderung, das Bebauungsplanverfahren bis spätestens 31.05.2015 abzuschließen, ist deutlich zu kurz, damit unverhältnismäßig und deswegen rechtswidrig.

6

Die mit der Beschwerde gegen diese Feststellung vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen keine andere Sichtweise. Richtig ist zwar, dass das Bebauungsplanverfahren schon länger läuft. Dies rechtfertigt die kurze Frist von sieben Monaten bis zum Abschluss des Bauleitplanverfahrens indessen nicht, denn es handelt sich vorliegend um eine hochkomplexe Planungssituation, die gerade auch unter Berücksichtigung landesplanerischer Zielvorgaben nicht mit einem "einfachen" Bebauungsplanverfahren vergleichbar ist. Die Beschwerde geht zudem fälschlich davon aus, dass im Anpassungsverlangen lediglich die Aufstellung eines Bebauungsplanes, d.h. ein sog. Aufstellungsbeschluss von der Antragstellerin verlangt wird. Diese Auffassung ist mit dem Wortlaut der Verfügung vom 28.10.2014 nicht vereinbar. Dort ist in Ziffer I 1 neben der Forderung, einen Bebauungsplan aufzustellen, von einem "in Kraft setzen" und in Ziffer I 3 von "bis zum 31. Mai 2015 abzuschließen" die Rede. Das ist deutlich weitergehend als die Beschlussfassung eines Planentwurfes im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB.

7

Die in der Beschwerde dargelegte Auffassung, die in Ziffer I 3 der Verfügung vom 28.10.2014 gesetzte Frist, das Bauleitplanverfahren bis spätestens zum 31. Mai 2015 "abzuschließen", sei kein wesentlicher Bestandteil des Anpassungsverlangens ist bereits unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes eines Verwaltungsaktes nicht nachvollziehbar. Noch weniger ist diese Sichtweise unter dem Gesichtspunkt, dass es im vorliegenden Verfahren gerade um den angeordneten Sofortvollzug der Verfügung u.a. in Ziffer I 3 des Anpassungsverlangens geht, nachvollziehbar. Aus diesem Grund ist die mit der Beschwerde ergänzend hierzu vorgetragene Auffassung, die in Ziffer I 3 der Verfügung vom 28.10.2014 gesetzte Frist sei kein wesentlicher Bestandteil des Anpassungsverlangens, weil die Antragstellerin es sonst in der Hand hätte, durch "Nichtstun" eine Erledigung des Anpassungsverlangens herbeizuführen, falsch. Die bereits im Beschluss des Verwaltungsgerichts (Umdruck S. 3) zutreffend zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Fristsetzung im Rahmen eines Anpassungsverlangens belegt dies deutlich. Es kommt hinzu, dass das im Anpassungsverlangen geforderte Bauleitplanverfahren erst nach der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen "gerechten Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander" abgeschlossen werden kann. Eine - im Übrigen dazu auch noch unangemessen kurze - Zeitvorgabe verträgt sich damit - jedenfalls im gegenwärtigen Verfahrensstadium - nicht, zumal die in Ziffer I 2 der angefochtenen Verfügung benannten „Maßgaben“ voraussichtlich einer - auch einzelne Bauflächen betreffenden - Abwägung bedürfen (beispielsweise zum „grundsätzlichen“ Ausschluss zentrenrelevanter (Rand-) Sortimente, zur Zulassung „bestandsbezogener“ Ausnahmen bzw. „Arrondierungen“ und zu § 9 Abs. 2 a BauGB).

8

Der weitergehende Vortrag der Beschwerde, dass die in Ziffer I 3 des Anpassungsverlangens gesetzte Frist angelehnt an § 236 Abs. 2 LVwG eine "behördliche Vorfrist" sei, deren Nichteinhaltung zu Vollzugsmaßnahmen führen könnte, ist unter zwei Gesichtspunkten fehlerhaft: Der vorliegende Fall ist schon dem Grunde nach nicht vergleichbar mit der in § 236 Abs. 2 LVwG geregelten Fristsetzung bei der Androhung von Zwangsmitteln. Im Übrigen hat die Landrätin des Kreises Plön mit Schreiben vom 13.12.2013 (Blatt C 1545 der Verwaltungsvorgänge) ausdrücklich die Durchsetzung des landesplanerischen Anpassungsverlangens mit Maßnahmen der Kommunalaufsicht abgelehnt, ohne dass es nachfolgend beispielweise zu einer an die Landrätin gerichteten Weisung des Innenministers gekommen ist.

9

2. Demgegenüber überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der in Ziffer I 1 des landesplanerischen Anpassungsverlangens vom 28.10.2014 für den Kernbereich des "Ostseeparks" im OT Raisdorf der Stadt Schwentinental (Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 57 in Form der Teilbebauungspläne Nr. 57 A - D) unter Beachtung der Ziele der Raumordnung und Berücksichtigung der Bestandssituation des "Ostseeparks" geforderten Aufstellung von einem Bebauungsplan oder mehreren Bebauungsplänen das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

10

Mit dem im landesplanerischen Anpassungsverlangen gewählten Begriff "aufzustellen" ist erkennbar die Beschlussfassung eines auslegungsfähigen Planentwurfs im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB durch die Stadtvertretung der Antragstellerin gemeint. Zur Auslegungsfähigkeit eines solchen Planentwurfs gehört, dass der Entwurf die zu berücksichtigenden Ziele der Raumordnung im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB, die keiner Abwägung durch die Stadtvertretung der Antragstellerin unterliegen (!), im Sinne des Anpassungsverlangens des Antragsgegners vom 28.10.2014 berücksichtigt. Das ist von Bedeutung, weil der Inhalt eines derartigen Aufstellungsbeschlusses eine Veränderungssperre im Sinne des § 14 BauGB zu tragen vermag, die nicht nur eine Planung der Antragstellerin sichert, sondern auch raumordnungsrechtliche Ziele der Landesplanung; insofern ist die Antragstellerin zweifelsfrei zu einem loyalen Verhalten verpflichtet, d.h. zu einer Planung, die die Ziele der Raumordnung nicht konterkariert.

11

Ob es sich bei den im Anpassungsverlangen benannten Zielen der Raumordnung tatsächlich um rechtswirksame Ziele handelt, bedarf in diesem Eilverfahren keiner weiteren Erörterung. Dem Verwaltungsgericht ist insoweit beizupflichten, dass die Prüfung dieser Frage ggf. dem weiteren Verfahren vorbehalten bleiben muss. Das der Beschlussfassung eines auslegungsfähigen Planentwurfs durch die Stadtvertretung der Antragstellerin sich anschließende Verfahren bis zur endgültigen Beschlussfassung über die Bebauungspläne bietet genügend Raum für die Prüfung, ob es sich bei Ziffer 2.8 Abs. 3 LEP und Ziffer 2.8 Abs. 5 LEP tatsächlich um abschließend abgewogene rechtswirksame Ziele der Raumordnung handelt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 2. HS. ROG).

12

Soweit das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügungspunkte in den Ziffern I 1a und I 1e geäußert hat, bedarf dies im Rahmen dieses Eilverfahrens keiner weitergehenden Ausführungen. Die dort vom Antragsgegner formulierten Maßgaben beziehen sich auf die in Ziffer I 1 des Anpassungsverlangens geforderte Inkraftsetzung von Bebauungsplänen. Sie sind im Hinblick auf die geforderte Aufstellung von Planentwürfen nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB erkennbar als "Arbeitsauftrag" zu verstehen und insoweit allerdings von Bedeutung, als sie bei einer in Aussicht zu nehmenden Veränderungssperre ein Bedürfnis zur Sicherung der gemeindlichen Planungsziele begründen, die die Landesplanung im Rahmen der Planaufstellung auch dann berücksichtigen müssen, wenn einzelne Vorgaben kein "Ziel", sondern nur ein "Grundsatz" (§ 3 Nr. 3 ROG) der Landesplanung sein sollten.

13

Die Fristsetzung in Ziffer I 3 des Anpassungsverlangens begegnet im Hinblick auf die in Ziffer I 1 geforderte Beschlussfassung eines auslegungsfähigen Planentwurfs durch die Stadtvertretung der Antragstellerin keinen durchgreifenden Bedenken, da diese Beschlussfassung eines auslegungsfähigen Planentwurfs von der Antragstellerin in einer deutlich geringeren Zeit als sieben Monate erfüllt werden kann.

14

Dass schließlich im Hinblick auf die im Anpassungsverlangen unter Ziffer I 1 geforderte Aufstellung von Planentwürfen ein besonderes öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzuges nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO besteht, unterliegt keinen durchgreifenden Zweifeln. Im Gebiet der früheren Gemeinde Raisdorf, seit 2008 Teil der Stadt Schwentinental, hat sich in den letzten 40 Jahren der sog. Ostseepark entwickelt, in dem sich neben "normalen" Gewerbebetrieben vor allem großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von ca. 90000 qm befindet. Es handelt sich hierbei um eine der größten nicht überplanten Einzelhandelsagglomerationen der Bundesrepublik Deutschland. Seit vielen Jahren bemängeln die Landesplanung und Nachbargemeinden, insbesondere die Landeshauptstadt Kiel, dass dieser "Einkaufspark" in keinem rechten Verhältnis zur Größe und Bedeutung von Schwentinental stehe und dringend einer eingrenzenden Überplanung bedürfe, um der planungsrechtlich vollkommen ungeregelten Situation im Einklang mit den Zielen der Raumordnung gerecht zu werden. Um dem künftig wirksam abzuhelfen, ist die zeitnahe Aufstellung von einem Bebauungsplan oder mehreren Bebauungsplänen mit Planungszielen, die eine Beachtung der landesplanerischen Vorgaben ("Ziele" oder evtl. "Grundsätze") beachten, erforderlich, um damit zugleich eine Grundlage für die Sicherung dieser Planungsziele durch eine Veränderungssperre zu schaffen. Die sofortige Vollziehung der in Ziffer I 1 geforderten Planaufstellung stellt zugleich sicher, dass erforderlichenfalls kommunalaufsichtliche Maßnahmen gegen die Antragstellerin erfolgen können.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

16

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

(1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1. Von der Unterrichtung und Erörterung kann abgesehen werden, wenn

1.
ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt oder
2.
die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf anderer Grundlage erfolgt sind.
An die Unterrichtung und Erörterung schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Erörterung zu einer Änderung der Planung führt.

(2) Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch für die Dauer von 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet zu veröffentlichen. Zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet nach Satz 1 sind eine oder mehrere andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte oder durch eine öffentliche Auslegung der in Satz 1 genannten Unterlagen, zur Verfügung zu stellen. Die nach § 4 Absatz 2 Beteiligten sollen von der Veröffentlichung im Internet auf elektronischem Weg benachrichtigt werden. Die Internetseite oder Internetadresse, unter der die in Satz 1 genannten Unterlagen eingesehen werden können, die Dauer der Veröffentlichungsfrist sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind vor Beginn der Veröffentlichungsfrist ortsüblich bekannt zu machen; in der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen,

1.
dass Stellungnahmen während der Dauer der Veröffentlichungsfrist abgegeben werden können,
2.
dass Stellungnahmen elektronisch übermittelt werden sollen, bei Bedarf aber auch auf anderem Weg abgegeben werden können,
3.
dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können und
4.
welche anderen leicht zu erreichenden Zugangsmöglichkeiten nach Satz 2 bestehen.
Der Inhalt der Bekanntmachung ist zusätzlich in das Internet einzustellen; die nach Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen und der Inhalt der Bekanntmachung sind über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen. Die fristgemäß abgegebenen Stellungnahmen sind zu prüfen; das Ergebnis ist mitzuteilen. Haben mehr als 50 Personen Stellungnahmen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt abgegeben, kann die Mitteilung dadurch ersetzt werden, dass diesen Personen die Einsicht in das Ergebnis ermöglicht wird; die Stelle, bei der das Ergebnis der Prüfung während der Dienststunden eingesehen werden kann, ist ortsüblich und über das Internet bekannt zu machen. Bei der Vorlage der Bauleitpläne nach § 6 oder § 10 Absatz 2 sind die nicht berücksichtigten Stellungnahmen mit einer Stellungnahme der Gemeinde beizufügen.

(3) Bei Flächennutzungsplänen ist ergänzend zu dem Hinweis nach Absatz 2 Satz 4 zweiter Halbsatz darauf hinzuweisen, dass eine Vereinigung im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes in einem Rechtsbehelfsverfahren nach § 7 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes gemäß § 7 Absatz 3 Satz 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist, die sie im Rahmen der Veröffentlichungsfrist nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.

(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass

1.
Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen;
2.
erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.

(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden.

(1) In Raumordnungsplänen sind für einen bestimmten Planungsraum und einen regelmäßig mittelfristigen Zeitraum Festlegungen als Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums, insbesondere zu den Nutzungen und Funktionen des Raums, zu treffen. Es kann festgelegt werden, dass bestimmte Nutzungen und Funktionen des Raums nur für einen bestimmten Zeitraum oder ab oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände vorgesehen sind; eine Folge- oder Zwischennutzung kann festgelegt werden. Die Festlegungen nach Satz 1 und 2 können auch in räumlichen und sachlichen Teilplänen getroffen werden. Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind als solche zu kennzeichnen.

(2) Bei der Aufstellung der Raumordnungspläne sind die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das Ergebnis der Umweltprüfung nach § 8 sowie die Stellungnahmen im Beteiligungsverfahren nach § 9 sind in der Abwägung nach Satz 1 zu berücksichtigen. Raumordnungspläne benachbarter Planungsräume sind aufeinander abzustimmen.

(3) Die Festlegungen nach Absatz 1 können auch Gebiete bezeichnen. Insbesondere können dies Gebiete sein,

1.
die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind (Vorranggebiete),
2.
die bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen vorbehalten bleiben sollen, denen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen besonderes Gewicht beizumessen ist (Vorbehaltsgebiete),
3.
in denen bestimmten raumbedeutsamen Maßnahmen oder Nutzungen, die städtebaulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind, andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Maßnahmen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete),
4.
die im Meeresbereich liegen, und in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Funktionen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete für den Meeresbereich).
Bei Vorranggebieten kann festgelegt werden, dass sie zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten nach Satz 2 Nummer 3 oder 4 haben.

(4) Die Raumordnungspläne sollen auch diejenigen Festlegungen zu raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts nach § 4 Absatz 1 Satz 2 enthalten, die zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet und zur Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich sind und die durch Ziele oder Grundsätze der Raumordnung gesichert werden können.

(5) Den Raumordnungsplänen ist eine Begründung beizufügen.

(6) Soweit ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein europäisches Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen nach den § 13 und § 17 Absatz 1 und 2 die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

(7) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Aufstellung von Raumordnungsplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(8) Raumordnungspläne nach § 13 Absatz 6 und § 17 sind mindestens alle zehn Jahre zu überprüfen.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume sind durch Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei sind

1.
unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen,
2.
Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen.

(2) Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt.

(3) Die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume soll sich in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen (Gegenstromprinzip).

(4) Raumordnung findet im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1798) auch in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone statt.

(1) Die Veränderungssperre tritt nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft. Auf die Zweijahresfrist ist der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Absatz 1 abgelaufene Zeitraum anzurechnen. Die Gemeinde kann die Frist um ein Jahr verlängern.

(2) Wenn besondere Umstände es erfordern, kann die Gemeinde die Frist bis zu einem weiteren Jahr nochmals verlängern.

(3) Die Gemeinde kann eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen.

(4) Die Veränderungssperre ist vor Fristablauf ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen, sobald die Voraussetzungen für ihren Erlass weggefallen sind.

(5) Die Veränderungssperre tritt in jedem Fall außer Kraft, sobald und soweit die Bauleitplanung rechtsverbindlich abgeschlossen ist.

(6) Mit der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets oder des städtebaulichen Entwicklungsbereichs tritt eine bestehende Veränderungssperre nach § 14 außer Kraft. Dies gilt nicht, wenn in der Sanierungssatzung die Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 ausgeschlossen ist.

(1) Dauert die Veränderungssperre länger als vier Jahre über den Zeitpunkt ihres Beginns oder der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Absatz 1 hinaus, ist den Betroffenen für dadurch entstandene Vermögensnachteile eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Die Vorschriften über die Entschädigung im Zweiten Abschnitt des Fünften Teils sowie § 121 gelten entsprechend; dabei ist der Grundstückswert zugrunde zu legen, der nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Dritten Teils zu entschädigen wäre.

(2) Zur Entschädigung ist die Gemeinde verpflichtet. Der Entschädigungsberechtigte kann Entschädigung verlangen, wenn die in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Vermögensnachteile eingetreten sind. Er kann die Fälligkeit des Anspruchs dadurch herbeiführen, dass er die Leistung der Entschädigung schriftlich bei dem Entschädigungspflichtigen beantragt. Kommt eine Einigung über die Entschädigung nicht zustande, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde. Für den Bescheid über die Festsetzung der Entschädigung gilt § 122 entsprechend.

(3) Auf das Erlöschen des Entschädigungsanspruchs findet § 44 Absatz 4 mit der Maßgabe Anwendung, dass bei einer Veränderungssperre, die die Sicherung einer Festsetzung nach § 40 Absatz 1 oder § 41 Absatz 1 zum Gegenstand hat, die Erlöschensfrist frühestens ab Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans beginnt. In der Bekanntmachung nach § 16 Absatz 2 ist auf die Vorschriften des Absatzes 2 Satz 2 und 3 hinzuweisen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Veränderungssperre wird von der Gemeinde als Satzung beschlossen.

(2) Die Gemeinde hat die Veränderungssperre ortsüblich bekannt zu machen. Sie kann auch ortsüblich bekannt machen, dass eine Veränderungssperre beschlossen worden ist; § 10 Absatz 3 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Veränderungssperre tritt nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft. Auf die Zweijahresfrist ist der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Absatz 1 abgelaufene Zeitraum anzurechnen. Die Gemeinde kann die Frist um ein Jahr verlängern.

(2) Wenn besondere Umstände es erfordern, kann die Gemeinde die Frist bis zu einem weiteren Jahr nochmals verlängern.

(3) Die Gemeinde kann eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen.

(4) Die Veränderungssperre ist vor Fristablauf ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen, sobald die Voraussetzungen für ihren Erlass weggefallen sind.

(5) Die Veränderungssperre tritt in jedem Fall außer Kraft, sobald und soweit die Bauleitplanung rechtsverbindlich abgeschlossen ist.

(6) Mit der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets oder des städtebaulichen Entwicklungsbereichs tritt eine bestehende Veränderungssperre nach § 14 außer Kraft. Dies gilt nicht, wenn in der Sanierungssatzung die Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 ausgeschlossen ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Erfordernisse der Raumordnung:Ziele der Raumordnung, Grundsätze der Raumordnung und sonstige Erfordernisse der Raumordnung;
2.
Ziele der Raumordnung:verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums;
3.
Grundsätze der Raumordnung:Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen; Grundsätze der Raumordnung können durch Gesetz oder als Festlegungen in einem Raumordnungsplan aufgestellt werden;
4.
sonstige Erfordernisse der Raumordnung:in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerische Stellungnahmen;
5.
öffentliche Stellen:Behörden des Bundes und der Länder, kommunale Gebietskörperschaften, bundesunmittelbare und die der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts;
6.
raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen:Planungen einschließlich der Raumordnungspläne, Vorhaben und sonstige Maßnahmen, durch die Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflusst wird, einschließlich des Einsatzes der hierfür vorgesehenen öffentlichen Finanzmittel;
7.
Raumordnungspläne:zusammenfassende, überörtliche und fachübergreifende Pläne nach den §§ 13 und 17.

(2) Werden die Begriffe nach Absatz 1 Nr. 1 bis 4 in anderen Bundesgesetzen verwandt, sind sie, soweit sich aus diesen Bundesgesetzen nicht etwas anderes ergibt, im Sinne von Absatz 1 auszulegen.

(1) Bei

1.
raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen,
2.
Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen anderer öffentlicher Stellen,
3.
Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privatrechts, die der Planfeststellung oder der Genehmigung mit der Rechtswirkung der Planfeststellung bedürfen,
sind Ziele der Raumordnung zu beachten sowie Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung in Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. Satz 1 Nr. 1 und 2 gilt entsprechend bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, die Personen des Privatrechts in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durchführen, wenn öffentliche Stellen an den Personen mehrheitlich beteiligt sind oder die Planungen und Maßnahmen überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Weitergehende Bindungswirkungen von Erfordernissen der Raumordnung nach Maßgabe der für diese Entscheidungen geltenden Vorschriften bleiben unberührt.

(2) Bei sonstigen Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privatrechts sind die Erfordernisse der Raumordnung nach den für diese Entscheidungen geltenden Vorschriften zu berücksichtigen.

(3) Bei Genehmigungen über die Errichtung und den Betrieb von öffentlich zugänglichen Abfallbeseitigungsanlagen von Personen des Privatrechts nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind die Ziele der Raumordnung zu beachten sowie die Grundsätze der Raumordnung und die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung zu berücksichtigen.

(1) Die Grundsätze der Raumordnung sind im Sinne der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 2 anzuwenden und durch Festlegungen in Raumordnungsplänen zu konkretisieren, soweit dies erforderlich ist.

(2) Grundsätze der Raumordnung sind insbesondere:

1.
Im Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und in seinen Teilräumen sind ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben. Dabei ist die nachhaltige Daseinsvorsorge zu sichern, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Innovation sind zu unterstützen, Entwicklungspotenziale sind zu sichern und Ressourcen nachhaltig zu schützen. Diese Aufgaben sind gleichermaßen in Ballungsräumen wie in ländlichen Räumen, in strukturschwachen wie in strukturstarken Regionen zu erfüllen. Demographischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie anderen strukturverändernden Herausforderungen ist Rechnung zu tragen, auch im Hinblick auf den Rückgang und den Zuwachs von Bevölkerung und Arbeitsplätzen; regionale Entwicklungskonzepte und Bedarfsprognosen der Landes- und Regionalplanung sind einzubeziehen. Auf einen Ausgleich räumlicher und struktureller Ungleichgewichte zwischen den Regionen ist hinzuwirken. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung sind langfristig offenzuhalten.
2.
Die prägende Vielfalt des Gesamtraums und seiner Teilräume ist zu sichern. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Städte und ländliche Räume auch künftig ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesellschaft erfüllen können. Mit dem Ziel der Stärkung und Entwicklung des Gesamtraums und seiner Teilräume ist auf Kooperationen innerhalb von Regionen und von Regionen miteinander, die in vielfältigen Formen, auch als Stadt-Land-Partnerschaften, möglich sind, hinzuwirken. Die Siedlungstätigkeit ist räumlich zu konzentrieren, sie ist vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur und auf Zentrale Orte auszurichten. Der Freiraum ist durch übergreifende Freiraum-, Siedlungs- und weitere Fachplanungen zu schützen; es ist ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem zu schaffen. Die weitere Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen ist dabei so weit wie möglich zu vermeiden; die Flächeninanspruchnahme im Freiraum ist zu begrenzen.
3.
Die Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, insbesondere die Erreichbarkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung für alle Bevölkerungsgruppen, ist zur Sicherung von Chancengerechtigkeit in den Teilräumen in angemessener Weise zu gewährleisten; dies gilt auch in dünn besiedelten Regionen. Die soziale Infrastruktur ist vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln; die Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitskriterien des Zentrale-Orte-Konzepts sind flexibel an regionalen Erfordernissen auszurichten. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und örtlichen Zentren als zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen. Dem Schutz kritischer Infrastrukturen ist Rechnung zu tragen. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität und ein integriertes Verkehrssystem zu schaffen. Auf eine gute Erreichbarkeit der Teilräume untereinander durch schnellen und reibungslosen Personen- und Güterverkehr ist hinzuwirken. Vor allem in verkehrlich hoch belasteten Räumen und Korridoren sind die Voraussetzungen zur Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße zu verbessern. Raumstrukturen sind so zu gestalten, dass die Verkehrsbelastung verringert und zusätzlicher Verkehr vermieden wird.
4.
Der Raum ist im Hinblick auf eine langfristig wettbewerbsfähige und räumlich ausgewogene Wirtschaftsstruktur und wirtschaftsnahe Infrastruktur sowie auf ein ausreichendes und vielfältiges Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu entwickeln. Regionale Wachstums- und Innovationspotenziale sind in den Teilräumen zu stärken. Insbesondere in Räumen, in denen die Lebensverhältnisse in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist (strukturschwache Räume), sind die Entwicklungsvoraussetzungen zu verbessern. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Sicherung sowie für die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen zu schaffen. Den räumlichen Erfordernissen für eine kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung einschließlich des Ausbaus von Energienetzen ist Rechnung zu tragen. Ländliche Räume sind unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen und natürlichen Entwicklungspotenziale als Lebens- und Wirtschaftsräume mit eigenständiger Bedeutung zu erhalten und zu entwickeln; dazu gehört auch die Umwelt- und Erholungsfunktion ländlicher Räume. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Land- und Forstwirtschaft in ihrer Bedeutung für die Nahrungs- und Rohstoffproduktion zu erhalten oder zu schaffen.
5.
Kulturlandschaften sind zu erhalten und zu entwickeln. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen und mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern sowie dem UNESCO-Kultur- und Naturerbe der Welt zu erhalten. Die unterschiedlichen Landschaftstypen und Nutzungen der Teilräume sind mit den Zielen eines harmonischen Nebeneinanders, der Überwindung von Strukturproblemen und zur Schaffung neuer wirtschaftlicher und kultureller Konzeptionen zu gestalten und weiterzuentwickeln. Es sind die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Land- und Forstwirtschaft ihren Beitrag dazu leisten kann, die natürlichen Lebensgrundlagen in ländlichen Räumen zu schützen sowie Natur und Landschaft zu pflegen und zu gestalten.
6.
Der Raum ist in seiner Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Böden, des Wasserhaushalts, der Tier- und Pflanzenwelt sowie des Klimas einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen zu entwickeln, zu sichern oder, soweit erforderlich, möglich und angemessen, wiederherzustellen. Bei der Gestaltung räumlicher Nutzungen sind Naturgüter sparsam und schonend in Anspruch zu nehmen; Grundwasservorkommen und die biologische Vielfalt sind zu schützen. Die erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist zu verringern, insbesondere durch quantifizierte Vorgaben zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme sowie durch die vorrangige Ausschöpfung der Potenziale für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, für die Nachverdichtung und für andere Maßnahmen zur Innenentwicklung der Städte und Gemeinden sowie zur Entwicklung vorhandener Verkehrsflächen. Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sind auszugleichen, den Erfordernissen des Biotopverbundes ist Rechnung zu tragen. Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen. Der Schutz der Allgemeinheit vor Lärm und die Reinhaltung der Luft sind sicherzustellen. Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. Dabei sind die räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für eine sparsame Energienutzung sowie für den Erhalt und die Entwicklung natürlicher Senken für klimaschädliche Stoffe und für die Einlagerung dieser Stoffe zu schaffen. Die nachhaltige Entwicklung im Meeresbereich ist unter Anwendung eines Ökosystemansatzes gemäß der Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 135) zu unterstützen.
7.
Den räumlichen Erfordernissen der Verteidigung und des Zivilschutzes ist Rechnung zu tragen.
8.
Die räumlichen Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union und im größeren europäischen Raum sowie für den Ausbau und die Gestaltung der transeuropäischen Netze sind zu gewährleisten. Raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Europäischen Union und der europäischen Staaten ist Rechnung zu tragen. Die Zusammenarbeit der Staaten und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Städte und Regionen sind zu unterstützen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. sind erstattungsfähig.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., 3., 4. und 5. sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit bis zu 15.000 qm Verkaufsfläche mit zentrenrelevanten Sortimenten auf ihrem im sog. Ostseepark in der Stadt Schwentinental gelegenen Grundstück.

2

Im Gebiet der früheren Gemeinde Raisdorf, seit 2008 Teil der Stadt Schwentinental, der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend: Schwentinental), hat sich in den letzten 40 Jahren der sog. Ostseepark entwickelt, in dem sich neben normalen Gewerbebetrieben vorrangig großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von ca. 90000 qm befindet. Es handelt sich hierbei um eine der größten nicht überplanten Einzelhandelsagglomerationen der Bundesrepublik Deutschland. Seit vielen Jahren bemängeln die Landesplanung und insbesondere die Beigeladene zu 2), die Landeshauptstadt Kiel (nachfolgend: Kiel), dass dieser Einkaufspark in keinem rechten Verhältnis zur Größe und Bedeutung von Schwentinental stehe und dringend einer eingrenzenden Überplanung bedürfe. Schwentinental betreibt seit vielen Jahren (Aufstellungsbeschluss vom 22.09.2008) ein Bauleitplanverfahren, wonach die Aufstellung der Bebauungspläne 57 A-D, "Mergenthaler Straße/Gutenbergstraße" geplant ist. Der Bebauungsplan 57 A „Neue Mitte/Carl-Zeiss- Straße" sieht für ein bislang unbebautes Grundstück auf dem sog. Erdbeerberg zusätzlich die Errichtung eines eigenständigen Einkaufszentrums mit zunächst 15.000 qm, jetzt 14.0 qm Verkaufsfläche vor. Eigentümerin dieses Grundstücks ist die Klägerin. Am 15.11.2012 beschloss Schwentinental, die Entwürfe der Teilbebauungspläne Nr. 57 A bis D öffentlich auszulegen. Von einer zur Sicherung dieser Planung erlassenen Veränderungssperre erteilte Schwentinental der Klägerin eine Ausnahme; mittlerweile wurde diese Veränderungssperre von ihr nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezüglich der hier streitigen Bauvoranfrage aufgehoben. Die Landesplanungsbehörde hat Schwentinental mittlerweile aufgegeben, Bebauungspläne für dieses Gebiet aufzustellen, wonach auch das hier streitbefangene Grundstück auf dem Erdbeerberg unbebaut bleiben soll. Einem Antrag von Schwentinental auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen dieses mit Sofortvollzug versehene Anpassungsverlangen hat die Kammer mit Beschluss vom 22.09.2015 stattgegeben; ein Beschwerdeverfahren ist beim OVG Schleswig anhängig.

3

Am 08.07.2011 stellte die Klägerin direkt beim Beklagten für dieses Grundstück eine Bauvoranfrage mit folgenden Fragestellungen:

4
1. Ist ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente von 10.000 qm bauplanungsrechtlich zulässig?
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2. Ist ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente von 15.000 qm bauplanungsrechtlich zulässig?
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3. Ist ein Veranstaltungssaal als Anlage für kulturelle Zwecke für ca. 500 Personen (bei 1.000 qm schlage ich 500 Personen vor), z.B. ein Bürgersaal, bauplanungsrechtlich zulässig?
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4. Ist eine bauliche Anbindung an das benachbarte „Baltic Center" gemäß Anlage 6 bauplanungsrechtlich zulässig?
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Der Beklagte forderte die Klägerin auf, konkrete Angaben zu den prozentualen Sortimentsanteilen für die jeweilige Vorhabengröße zu machen und auf dieser Grundlage ein Einzelhandelsgutachten einzureichen, das insbesondere auf die Frage möglicher schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB eingehen sollte.

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Mit Schreiben vom 31.08.2011 spezifizierte die Klägerin die angestrebte Nutzung wie folgt:

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a) 10.000 qm Verkaufsfläche
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a. Periodischer Bedarf bis 4.500 qm
12
b. Modischer Bedarf bis 6.000 qm
13
c. Elektro/Technik bis 1.500 qm
14
d. Persönlicher Bedarf bis 1.500 qm
15
e. bis 20% der Gesamtverkaufsfläche können nicht-zentrenrelevante Sortimente umfassen
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b) 15000 qm Verkaufsfläche
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a. Periodischer Bedarf bis 5000 qm
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b. Modischer Bedarf bis 7000 qm
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c. Elektro/Technik bis 3000 qm
20
d. Persönlicher Bedarf bis 2500 qm
21
e. bis 20% der Gesamtverkaufsfläche können nicht-zentrenrelevante Sortimente umfassen.
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Zugleich teilte die Klägerin mit, dass sie keine Notwendigkeit sehe, ein Einzelhandelsgutachten einzureichen, weil Schwentinental im Rahmen des Bauleitverfahrens im Jahre 2010 bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben habe. Die in ihrer Bauvoranfrage angegebenen Sortimentsgrößen bewegten sich deutlich unterhalb der in dem Gutachten ausgewiesenen Entwicklungsspielräume.

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Mit Schreiben vom 17.10.2011 erläuterte die Klägerin entsprechend einer Aufforderung des Beklagten die einzelnen, oben aufgeführten Sortimentsgruppen.

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Die Landesplanung machte mit Schreiben vom 31.10.2011 Bedenken geltend. Die geplanten Verkaufsflächen lägen deutlich über der für einen Stadtrandkern II. Ordnung gemäß Ziff. 2.8 Abs.5 LEP zulässigen Verkaufsfläche von 2.000 qm. Es sei davon auszugehen, dass das Planvorhaben zu einer weiteren Attraktivitätssteigerung des Ostseeparks beitragen werde, die wiederum mit weiteren negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche, insbesondere in benachbarten zentralen Orten, verbunden sein würde, wobei bereits jetzt deutliche Hinweise auf nicht unerhebliche Kaufkraftabflüsse in die Einzelhandelsbetriebe des Ostseeparks bestünden.

25

Nachdem Kiel ihre Beteiligung am Genehmigungsverfahren beim Beklagten beantragt hatte, beteiligte dieser die Beigeladenen am Verwaltungsverfahren. Die Beigeladenen wurden aufgefordert mitzuteilen, ob und welche konkreten schädlichen Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche sie erwarteten.

26

Mit Schreiben vom 09.02.2012 erhob die Beigeladene zu 4), die Stadt Plön (nachfolgend: Plön), Einwände gegen das Bauvorhaben. Die Analysen des im Entwurf vorliegenden Einzelhandelskonzepts der Stadt zeigten bereits heute erhebliche Beeinträchtigungen der städtebaulichen und raumordnerisch zugewiesenen zentralörtlichen Funktionen der Stadt durch das bestehende großflächige Angebot in Raisdorf. Bereits heute betrügen die Kaufkraftabflüsse aus Plön nach Schwentinental 34% der gesamten Kaufkraftabflüsse. Durch weitere großflächige und zentrenrelevante Erweiterungen der Verkaufsfläche in Schwentinental würden diese bereits signifikant bestehenden Vorschädigungen weiter verschärft und massive städtebauliche Auswirkungen insbesondere im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt der Stadt Plön seien zu erwarten. Das Einzelhandelskonzept der B... G… AG (nachfolgend: B...) sei als Planungsgrundlage von Schwentinental nicht geeignet, sondern mit Mängeln behaftet.

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Mit Schreiben vom 16.03.2012 nahm die Beigeladene zu 5), die Stadt Lütjenburg (nachfolgend: Lütjenburg) dahingehend Stellung, dass das geplante Vorhaben weitere Kaufkraft aus Lütjenburg abziehen werde. Eine derartige Entwicklung stehe dem Ziel der Stadt entgegen, die Innenstadt weiter zu stärken und zu beleben. Derartige Projekte führten zur Zerstörung der gewachsenen Innenstädte.

28

Mit Schreiben vom 30.03.2012 erhob Kiel Einwendungen gegen das Vorhaben. Aus einer eingeholten Stellungnahme des Büros J... und K... (nachfolgend: J&K) ergebe sich, dass in mehreren Warengruppen relevante Umsatzverteilungsquoten im teils hohen zweistelligen Prozentbereich in einem oder mehreren zentralen Versorgungsbereichen im untersuchten Stadtgebiet zu erwarten seien. Die Klägerin müsse ein Sachverständigengutachten zu den städtebaulichen Auswirkungen beibringen. Aus einem beigefügten Rechtsgutachten ergebe sich zudem, dass sich das Vorhaben schon nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht einfüge.

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Mit Schreiben vom 30.03.2012 erklärte sich die Klägerin bereit, nunmehr ein Gutachten in Auftrag zu geben. Am 27.09.2012 wurde beim Beklagten die von B... unter dem 05.09.2012 erstellte „Wirkungsanalyse, EKZ-Projekt im Ostseepark, Schwentinental" eingereicht. Dem Gutachten liegen die spezifizierten Sortimentsangaben der Klägerin aus dem Schreiben vom 31.08.2011 zugrunde. Dieser Branchenmix wurde von der Klägerin für das Gutachten wie folgt spezifiziert:

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Periodischer Bedarf

4.300 qm

        

24,0 Mio. Umsatz, 5.581 Euro je qm p.a.

Modischer Bedarf

8.100qm

        

26,0 Mio. Umsatz, 3.210 Euro je qm p.a.

Hartwaren/Persönlicher Bedarf

2.600 qm

        

11,5 Mio. Umsatz, 4.423 Euro je qm p.a.

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Die Wirkungsanalyse beschäftigt sich auftragsgemäß nur mit der größeren Projektvariante mit 15.000 qm Verkaufsfläche (VKF). Wo zentrale Versorgungsbereiche nicht im Rahmen kommunaler Einzelhandelskonzepte bestimmt waren, erfolgte eine eigenständige Identifikation und kleinräumige Abgrenzung. Ansonsten erfolgte ein Rückgriff auf die jeweiligen Einzelhandelskonzepte, etwa auf das „Gesamtstädtisches Einzelhandelskonzept Kiel (GEKK)" erstellt von J&K, beschlossen am 20.01.2011. Es wurden die möglichen Wirkungseffekte (Umverteilungsquoten) für alle betroffenen zentralen Versorgungsbereiche und für alle projektrelevanten Warengruppen und Sortimente ermittelt, dargestellt und bewertet. Als betroffen wurden über 20 zentrale Versorgungsbereiche identifiziert. Dabei geht das Gutachten davon aus, dass das Angebot im Ostseepark etwa 12% der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft im Einzugsgebiet bindet. Das Einzugsgebiet zähle ca. 407.000 Einwohner. Der Ostseepark übernehme faktisch eine regional sehr bedeutsame Versorgungsfunktion für den Landkreis Plön und auch für Teile der unmittelbar anliegenden Stadt Kiel. Der Ostseepark stehe in einer besonderen Wettbewerbssituation zum Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea, weil beide Einzelhandelsagglomerationen in nichtzentrenintegrierter Lage agierten und sich primär an Pkw-Kundschaft wendeten.

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Zum zentralen Versorgungsbereich Preetz wird u.a. ausgeführt: „Einerseits verfügt der zentrale Versorgungsbereich über ein vielfältiges Einzelhandelsangebot, andererseits signalisieren Leerstände sowie die tlw. sehr kleinteilige Strukturierung eine nur bedingte Stabilität des Einzelhandels. Das Subzentrum Hufenweg ist solide und trägt zur Stabilität der zentralörtlichen Versorgung bei, steht jedoch zumindest partiell auch im Wettbewerb zum innerstädtischen Angebot. Insgesamt ist für die Preetzer Innenstadt eine reduzierte Wettbewerbsbelastbarkeit anzunehmen.“ Für diesen Versorgungsbereich wurde für den periodischen Bedarf eine Umverteilungsquote von 4,7% und für den modischen Bedarf von 8% prognostiziert.

33

Speziell zur Bedarfsgruppe modischer Bedarf wurde u.a. Folgendes ausgeführt: „Auch wenn die zentralen Versorgungsbereiche im LK Plön primär grund- bzw. unterzentrale Versorgungsfunktionen haben, trägt das dort vertretene, überwiegend kleinteilig strukturierte, modische Angebot zur Attraktivität der jeweiligen Ortskerne bei. Es sollte vor hohen Wettbewerbsintensitäten geschützt werden, zumal u. a. im nahegelegenen Preetz die vorhandene Angebotsstruktur als durchaus anfällig einzuschätzen ist. Insofern sollten die zu erwartenden Umverteilungsquoten für dieses Angebotssegment möglichst deutlich erkennbar unterhalb der generell als kritisch eingestuften 10%-Schwelle liegen. Aus diesem Grund wird empfohlen, die für Sortimente des modischen Bedarfs angestrebte Verkaufsfläche deutlich um rund 20% zu reduzieren (Reduzierung von 8.100 qm auf ca. 6.500 qm VKF). Die auf Basis dieser Verkleinerung ermittelten Umverteilungsquoten erreichen noch vertretbare max. 6 % (ZVB Preetz) und fallen bei allen anderen in der Stadt Kiel und im LK Plön untersuchten ZVBs geringer aus.“

34

Zum zentralen Versorgungsbereich Lütjenburg wird ausgeführt: „Von einer in der Tendenz unterdurchschnittlichen Auslastung des Einzelhandels im zentralen Versorgungsbereich ist auszugehen. Auch die Lütjenburger Innenstadt kann insoweit zumindest im Nonfood- Segment als eingeschränkt belastbar gelten.“ Im modischen Bereich wurde für diesen Versorgungsbereich eine Umverteilungsquote von 5,9% prognostiziert.

35

Abschließend gelangt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass im Falle der vorgeschlagenen Reduzierung der Verkaufsfläche im modischen Bereich vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien.

36

Der Beklagte forderte die Klägerin daraufhin auf, die Bauvoranfrage u.a. wegen der vorgeschlagenen Reduzierung des modischen Bedarfs bezüglich der Sortimente neu aufzuschlüsseln und mitzuteilen, ob an der Variante I und der Anbindung an das Baltic-Center festgehalten werde.

37

Mit Stellungnahme vom 06.11.2012 machte Preetz geltend, dass schon eine Umverteilungsquote von 5 bis 6% für die Preetzer Innenstadt bedenklich sei; eine Beeinträchtigung sei nicht auszuschließen. Für die Sortimente Bücher und Uhren/Schmuck/Optik/Akustik und Mode werde die 5%-Marke bereits überschritten.

38

Mit Schreiben vom 14.11.2012 „präzisierte" die Klägerin die Bauvoranfrage in Beantwortung der Anfrage des Beklagten wie folgt:

39

Für die Varianten I und II würden dieselben Sortimentsangaben gelten, wobei diese als Maximalangaben verstanden werden sollten, sodass es insgesamt immer bei den maximalen Verkaufsflächen von 10.000 qm bzw. 15.000 qm bleibe. Folgende Verkaufsflächen würden für die einzelnen Sortimente beantragt:

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Modischer Bedarf

6.500 qm,

Periodischer Bedarf

5.900 qm,

Elektro/Technik

400 qm,

Hartwaren/persönlicher Bedarf

2.500 qm,

davon Haushaltswaren(GPK)

800 qm,

Bücher

500 qm,

Spielwaren

700 qm,

Uhren/Schmuck/Optik/Akustik

500 qm.

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Für den Fall, dass eine Nachnutzung für den Modemarkt Adler nicht stattfinde, werde eine Obergrenze für den modischen Bedarf von 8.000 qm beantragt. Hierfür werde anliegend eine ergänzende Stellungnahme von B... vom 12.12.2012 eingereicht. Der Antrag auf bauliche Anbindung an das Baltic-Center werde zurückgenommen.

42

In der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von B... vom 12.12.2012 wird u.a. ausgeführt:

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In der Wirkungsanalyse aus September 2012 sei die Verkaufsfläche des ehemaligen Modemarkts Adler noch berücksichtigt und deshalb nur eine Verkaufsfläche von 6.500 qm für das Sortiment modischer Bedarf als verträglich eingeschätzt worden. Es könne nunmehr aber aufgrund eines entsprechenden Nutzungsänderungsantrages davon ausgegangen werden, dass die Adler-Altfläche (bislang mit 4,7 Mio. Euro Umsatz bei ca.3.100 qm VKF für modischen Bedarf in die Wirkungsanalyse einbezogen) zukünftig als Möbelmarkt fortgeführt werde, sodass sich ein neuer verträglicher Ansiedlungsspielraum von weiteren

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1.500 qm für das Einkaufszentrum ergebe. Der Projektumsatz modischer Bedarf belaufe sich auf insgesamt 25,5 Mio. Euro bei einer angenommenen Flächenproduktivität von 3.188 Euro/qm p.a.. Das frei gewordene Umsatzpotential werde überwiegend mit 64,5% und 3 Mio. Euro auf den Ostseepark entfallen. Die Umverteilungsquote für den zentralen Versorgungsbereich Preetz belaufe sich im Falle der Erhöhung der Verkaufsfläche auf nunmehr insgesamt 8.000 qm auf nur 6% und überschreite damit nicht die für vorbelastete Zentren für vertretbar erachtete Quote von eben 6%. Im Weiteren ergäben sich für diesen Versorgungsbereich Umverteilungsquoten von 6% für den periodischen Bedarf und das Sortiment Spielwaren.
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Mit Schreiben vom 10.01.2013 teilte die Klägerin mit, dass nunmehr für den modischen Bedarf eine Verkaufsfläche von 8.000 qm beantragt werde. Die aufschiebende Bedingung, unter der die Bauvoranfrage mit 8.000 qm gestellt worden sei, sei mittlerweile eingetreten. Die Nutzung auf dem benachbarten Grundstück durch einen Textilfachmarkt der Kette Adler sei zum Ende des Jahres 2012 aufgegeben worden. Mittlerweile sei die Umnutzung dieser Altflächen zum Möbelmarkt genehmigt worden. Sowohl rechtlich als auch tatsächlich sei nunmehr die Nutzung der Fläche mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten gesichert.

46

Mit Schreiben vom 15.01.2013 nahm Kiel u.a. wie folgt Stellung: Die Würdigung der vorgelegten Unterlagen müsse über eine rein absatzwirtschaftliche Betrachtung der Umverteilung hinausgehen. Im Rahmen der Betrachtung der relevanten Beeinträchtigungen müsse auch die bereits vorliegende Vorschädigung aller betroffenen Versorgungsbereiche berücksichtigt werden. Da bereits seit Jahren massive Einflüsse auf die zentralen Versorgungsbereiche des Kieler Ostufers vorherrschten, sei nicht auszuschließen, dass auch in Versorgungsbereichen anderer Nachbargemeinden zum Ostseepark negative städtebauliche Auswirkungen vorherrschten, die in der Wirkungsanalyse aber keine ausreichende Berücksichtigung fänden. Zudem bestünden Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der vorgelegten Gutachten. Insofern werde zunächst verwiesen auf ein von ihr eingeholtes Gutachten von J&K. In der als Anlage eingereichten städtebaulichen Verträglichkeitsanalyse von J&K aus November 2012 wird u.a. folgendes ausgeführt:

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Bereits in ihrem Gutachten aus dem Jahre 2010 - Einzelhandelskonzept Stadt Schwentinental - habe B... unzutreffend einen zusätzlichen Entwicklungsspielraum von bis zu 27.500 qm (Periodischer Bedarf 7.200; Modischer Bedarf 10.400; Elektro/Technik 3.400; Persönlicher Bedarf 6.500) angenommen. Die angenommenen Entwicklungsspielräume lägen deutlich über denen, die im Jahre 2007 durch die G… Geomarketing für zentren-relevante Sortimente ermittelt worden seien (modischer Bedarf nur 2.500 qm). Im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung sei bei der Umsatzherkunft der Umsatzanteil des untersuchten Raumes möglichst hoch anzusetzen, um das maximale Ausmaß der Auswirkungen abzubilden. Vorliegend sei von einem Anteil von rund 40% aller Kunden des potenziellen Vorhabens auszugehen, die ihren Wohnsitz in den untersuchten Kieler Stadtteilen hätten. Das Gutachten gelange bei mehreren Sortimentsgruppen insbesondere für die Nahversorgungszentren Elmschenhagen-Nord, Elmschenhagen-Süd, den Stadtteilzentren Wellingdorf und Gaarden-Ost zu Umverteilungsquoten von bis zu 17%. Schädliche Auswirkungen iSd § 34 Abs. 3 BauGB seien zu erwarten, wobei hinsichtlich des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost von einer gewissen Vorschädigung durch den Ostseepark auszugehen sei, weil das Zentrum bereits jetzt die ihm zugewiesene Versorgungsfunktion als Entlastungszentrum der Innenstadt am Kieler Ostufer nur sehr unzureichend erfüllen könne. Es liege eine gewisse Vorschädigung vor, die auf die ausgeprägte Wettbewerbssituation zum nahegelegenen Ostseepark zurückzuführen sei. Im Bereich des modischen Bedarfs und auch der Drogeriewaren würden bereits einzelne Betriebsaufgaben den Verlust eines wichtigen Angebotsbausteins bedeuten. Mit mehr als 60 Einzelhandelsbetrieben und rund 7.900 qm Verkaufsfläche habe das Stadtteilzentrum ursprünglich eine Versorgungsfunktion für das gesamte Kieler Ostufer und insoweit auch eine Entlastungsfunktion für die Kieler Innenstadt übernehmen sollen. Gleichwohl liege der Angebotsschwerpunkt mit rund 5.350 qm (68%) vor allem in den Warengruppen des kurzfristigen Bedarfsbereiches, während Angebote des mittelfristigen (1.670 qm, 21%) und langfristigen (875 qm, 11%) eher einen ergänzenden Charakter hätten. Zudem sei das Einzelhandelsangebot entsprechend der ausgeprägten sozialen Probleme im Stadtteil spürbar discountlastig und preisorientiert, sodass das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost heute kaum Ausstrahlungskraft über den Stadtteil hinaus aufweise. Zu berücksichtigen sei, dass Wellingdorf und Gaarden nur ca. 5 bis 6 km vom Vorhabenstandort entfernt seien. Schädliche Auswirkungen iSd § 34 Abs. 3 BauGB seien sehr wahrscheinlich.

48

Die Wirkungsanalyse von B... aus September 2012 sei mit Mängeln behaftet und ermögliche keine sachgerechte Abwägung im Rahmen der Beurteilung der städtebaulichen Auswirkungen des Planvorhabens. So seien die Verkaufsflächen und Umsätze in stark kumulierter Form ausgewiesen worden. Dieses Vorgehen determiniere die anschließende Umsatzumverteilungsberechnung und berge die Gefahr einer Nivellierung der Auswirkungen, denn eine über diese kumulierten Sammelgruppen verträgliche Umsatzumverteilung könne durchaus in den einzelnen Branchen unverträglich sein. Die Flächenproduktivitäten für den CITTI-Park seien zu hoch angesetzt. Es fehlten Angaben zum Erhebungszeitpunkt der Daten. Die Berücksichtigung der Adler-Altfläche führe zu einer nicht gerechtfertigten Minderung der Auswirkungen des Vorhabens, da durch die fiktive Erhöhung des Bestandsvolumens die prozentualen Umsatzumverteilungen reduziert würden. Der Einzugsbereich sei fehlerhaft festgelegt worden. Insbesondere aus der Zone 3 seien die erzielbaren Zuflüsse, besonders im periodischen Bedarfsbereich deutlich geringer einzustufen. Die Annahmen über die erzielbare Kaufkraftabschöpfung bezüglich des modischen Bedarfs seien mit der von B... im Jahre 2010 durchgeführten Kundenherkunftserhebung nicht vereinbar. Gerade im periodischen Bedarf müssten aufgrund der hohen Distanzempfindlichkeit die Annahmen von B... korrigiert werden. Zu Unrecht gehe B... von einer hohen Eigenschädigung des Ostseeparks aus, obwohl das Ziel der Vorhabenrealisierung gerade darin bestehe, eine Neuordnung des Gesamtstandortes im Sinne der Verdichtung und Vernetzung auch mit den umliegenden Bereichen zu erzielen. Demnach sei davon auszugehen, dass der Gesamtstandort von der Planung profitieren werde. Auch stelle B... zu stark die Konkurrenz zum CITTI-Park in den Vordergrund. Insgesamt führe dies dazu, dass die Auswirkungen in den kleineren zentralen Versorgungsbereichen in Kiel und Umland systematisch unterschätzt würden. So gehe B... für das kleinere Nebenzentrum Elmschenhagen, welches in unmittelbarer Nähe des Ostseeparks liege (6 Pkw-Minuten Fahrtzeit), mit 2,3% Umsatzverteilung sogar von einer geringeren relativen Betroffenheit aus als für den mehr als zehnmal so umsatzstarken und doppelt so weit entfernt gelegenen Angebotsort CITTI-Park. In Anbetracht der Distanz- und Größenverhältnisse stellten sich die Ergebnisse als nicht plausibel dar.

49

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013 führten J&K noch zu der ergänzenden Stellungnahme von B... Folgendes aus:

50

Die Einschätzung von B... sei fachlich nicht belastbar, weil von ihr nicht die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen abgebildet würden. Zu Unrecht gehe B... davon aus, dass die Nachnutzung der ehemals vom Modemarkt Adler genutzten Immobilie durch einen Möbelmarkt zur Entstehung zusätzlicher raumverträglicher Ansiedlungsspielräume im Umfang von 4,7 Mio. Euro führe. Zu Unrecht habe B... bereits in der Ursprungsanalyse die „Altflächen" von Adler mit entsprechendem Umsatzvolumen in die Berechnung eingestellt, wodurch es zu einer fiktiven Erhöhung des Bestandsumsatzvolumens gekommen sei, die sich wiederum auf die prozentualen Umsatzumverteilungen im Untersuchungsraum mindernd ausgewirkt habe. Diese fiktiven Umsätze der Altfläche würden nunmehr wiederum von dem prognostizierten Umsatz von 25,5 Mio. Euro bei einer Verkaufsfläche von 8.000 qm mit 4,7 Mio. Euro abgezogen. Es handele sich damit um den Abzug von fiktiven Umsätzen, die aber nicht mit der Realisierung des Vorhabens tatsächlich wegfielen. Zudem werde deutlich, dass die Ergebnisse des Ergänzungsgutachtens in keiner einheitlichen Relation zu den ursprünglichen Ergebnissen stünden. So falle etwa mit Blick auf die Zentren im Nahbereich auf, dass nur geringfügig höhere Umsatzumverteilungen gegenüber der ursprünglichen Berechnung zu erwarten seien. So falle der monetäre Entzug des ursprünglich am stärksten betroffenen Zentrums Preetz nur 2% höher aus als gemäß der ursprünglichen Wirkungsanalyse. An anderen Standorten gehe der Gutachter hingegen davon aus, dass der Umsatzentzug deutlich stärker steigen werde, etwa im SO CITTI-Park um 20%. Die bereits in der Bewertung der ursprünglichen Wirkungsanalyse vorgebrachte Kritik, dass B... für die zentralen Versorgungsbereiche im Vergleich zu den Sonderstandorten von einer deutlich unterproportionalen Betroffenheit der Vorhabenauswirkungen ausgehe, müsse vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnisse noch einmal erneuert und verschärft werden.

51

Auch hinsichtlich des periodischen Bedarfs gelte, dass infolge der kumulierenden Betrachtung sowie verschiedener nicht belastbarer Annahmen die Auswirkungen des Vorhabens in den kleineren zentralen Versorgungsbereichen im Nahbereich des Vorhabens systematisch unterschätzt würden. Eine zusätzliche Erhöhung der Verkaufsflächen auf dieser Basis sei demnach nicht als belastbar einzustufen.

52

Es bestünden auch weitere Unplausibilitäten. So sei von B... etwa in der Branche Spielwaren aktuell eine um 75% höhere Verkaufsfläche und ein analog gesteigerter Umsatz angesetzt worden. Die Erhöhung der Umsatzverteilungen liege aber je nach Standort ganz erheblich über oder unter diesem Wert. So falle ganz besonders ins Auge, dass im Hauptgeschäftszentrum der am stärksten betroffenen Stadt Preetz der Anstieg mit knapp 40% so schwach ausfalle, dass nur gerade eben der von B... selbst gesetzte verträgliche Maximalwert von 6 % Umsatzumverteilung erreicht werde. Bei einem proportionalen Anstieg von 75% läge Preetz, ausgehend von einem Wert von 4,3%, stattdessen bereits bei 7,5% Umsatzumverteilung.

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Im Bereich periodischer Bedarf fielen vergleichbare Unplausibilitäten in den Ergebnissen auf. Bei einem Umsatzanstieg von 37% wachse die prozentuale Umsatzumverteilung für das am stärksten betroffene Zentrum Preetz nur um 28% auf genau 6%. Die Umsatzumverteilung des am stärksten betroffenen Sonderstandortes SO Plaza betrage hingegen um 50%.

54

Mit Schreiben vom 26.03.2013 teilte Plön mit, dass nach wie vor schädliche Auswirkungen auf ihren zentralen Versorgungsbereich zu erwarten seien. Die bisher vorgelegten Gutachten gingen überhaupt nicht auf die bereits bestehende Vorschädigung ein. Statt- dessen finde immer nur eine Bewertung der einzelnen Verkaufsflächen statt, die die Auswirkungen der Agglomeration völlig außer Acht ließen.

55

Mit Bescheid vom 27.05.2013 lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage mit folgender Begründung ab:

56

Das Vorhaben füge sich zwar nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB, nicht jedoch nach § 34 Abs. 3 BauGB ein. Es seien schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche benachbarter Gemeinden zu erwarten. Zu diesem Ergebnis gelangte der Beklagte vorrangig dadurch, dass er auf einen auf die einzelnen Sortimente bezogenen Verkaufsflächenvergleich abstellte. Mit der geplanten Verkaufsfläche modischer Bedarf von 8.000 qm steige dieses Sortiment im Ostseepark um 28% auf etwa 36.500 qm insgesamt, welches das 14-fache des Preetzer Gesamtbereiches ausmache. Allein der Zuwachs durch das Vorhaben belaufe sich auf das 6-fache der Verkaufsfläche in Preetz. Der Preetzer Einzugsbereich werde durch den Wirkungsrahmen des Ostseeparks voll erfasst. Das autoorientierte Kundenpotential werde wegen der sehr günstigen Anbindung über die Bundesstraße 76 und B 202 ohne jeglichen Stadtverkehr und durch das vergleichsweise übergroße Warenangebot des Ostseeparks stark angezogen. Die weitere signifikante Zunahme um das 6-fache des Preetzer Innenstadtbereiches erscheine geeignet, um die Magnetwirkung des Ostseeparks zu steigern und sehr wahrscheinlich weitere deutlich spürbare Umsatzumverteilungseffekte auszulösen. Gleiches gelte im Ergebnis auch für Lütjenburg, Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost. Die geplante Verkaufsfläche des Vorhabens von 8.000 qm für den modischen Bedarf sei um ein Vielfaches größer als die Verkaufsflächen für diese Bedarfsgruppe in den benachbarten Versorgungsbereichen, so etwa bezogen auf Wellingdorf 1.194%, Stadteilzentrum Gaarden-Ost 552%, ZVB Preetz 571%, ZVB Plön 266% und ZVB Lütjenburg 296%. Auch für den periodischen Bedarf, für Hartwaren/persönlicher Bedarf und das Sortiment Elektro/Technik gelangte der Beklagte aufgrund eines Verkaufsflächenvergleichs zu der Annahme schädlicher Auswirkungen auf die Versorgungszentren in der näheren Umgebung.

57

Ergänzend stellte der Bescheid darauf ab, dass bereits eine Vorschädigung der Umlandgemeinden durch den Ostseepark festzustellen sei. So gebe es in Lütjenburg 10 leer stehende Geschäfte in guter Lage zur Vermietung, deren Ursache nicht einer normalen Fluktuation zuzuordnen, sondern als Vorschädigung zu bewerten sei. Weitere Kaufkraftabflüsse seien daher als nicht verträglich bzw. sehr kritisch zu beurteilen. Auch B... sei zu dem Ergebnis gelangt, dass Lütjenburg nur eingeschränkt belastbar sei.

58

Auch in der Innenstadt von Preetz seien einige Leerstände festzustellen, etwa die Betriebsaufgabe des Haushaltswarengeschäfts Rickert, wobei es sich um eine relativ große und sehr zentral gelegene Ladeneinheit gehandelt habe. Schleichende Betriebsaufgaben im mittel- und langfristigen Bedarf seien daher in Preetz zu befürchten. In Plön seien einige Leerstände von kleineren Ladeneinheiten zu beobachten, welche aber eher im Rahmen einer allgemeinen Fluktuation zu sehen seien. Auffallend erscheine aber die Situation im Kleinkaufhaus am Lübschen Tor. Diesen Umstand müsse man auf den enormen Wettbewerbsdruck zurückführen, in dem sich diese weniger frequentierte Randlage befinde. Das Verkaufsflächenvolumen in den Bereichen Elektro/Technik, Bücher und Spielwaren scheine hier bereits unterdurchschnittlich vertreten zu sein. In den Zentren Wellingdorf und Gaarden bestünden zwar keine auffälligen Leerstände, jedoch sei ein nur geringes Angebot in den Bereichen modischer Bedarf, Elektro/Technik und Hartwaren/persönlicher Bedarf festzustellen.

59

Es sei insgesamt festzustellen, dass die Warengruppen des mittel- und langfristigen Bedarfs in den untersuchten zentralen Versorgungsbereichen nur schwach vertreten seien. Die große Ausstrahlungskraft des Ostseeparks in Verbindung mit der schnellen Erreichbarkeit aus dem Umland und zunehmenden Bereitschaft des autoorientierten Kunden, für dieses Marktsegment größere Entfernungen zurückzulegen, entziehe dem Umfeld die Basis für ein angemessenes Angebot in den zentralen Versorgungsbereichen.

60

Der Verkaufsflächenvergleich sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein taugliches Mittel zur Quantifizierung eines erwarteten Kaufkraftabflusses.

61

Letztlich sei zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen - wie hier - die Größenordnungen des § 11 Abs. 3 BauNVO deutlich überschritten würden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass von ihnen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB ausgingen.

62

Mit Schreiben vom 25.06.2013 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Die Voraussetzungen für die Erteilung des Bauvorbescheides lägen vor, weil schädliche Auswirkungen auf benachbarte Versorgungszentren i.S.d. § 34 Abs.3 BauGB nicht zu befürchten seien. Dies habe sie durch Vorlage von Marktgutachten von B... nachgewiesen. Die Kritik an der Methodik von B... sei nicht gerechtfertigt, vielmehr sei die angewandte Methodik erst jüngst obergerichtlich anerkannt worden. Statt sich mit diesem Marktgutachten auseinanderzusetzen, habe der Beklagte allein aufgrund eines Verkaufsflächenvergleichs mit pauschaler Begründung schädliche Auswirkungen angenommen. Aus dem bloßen Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit derjenigen in benachbarten Nahversorgungszentren ließen sich schädliche Auswirkungen nicht ableiten - erst recht nicht, wenn solche wie hier durch ein Marktgutachten auf sorgfältig ermittelter Tatsachengrundlage und unter Annahme ungünstiger Umstände (Worst-Case-Szenario) widerlegt würden. Der Bauvorbescheid sei mit rechtlich nicht tragfähiger Begründung versagt worden.

63

Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche seien zu erwarten, wenn das geplante Vorhaben die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche voraussichtlich so nachhaltig störe, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen könnten. Dafür sei aber nicht ausreichend, wenn schädliche Auswirkungen lediglich möglich erschienen. Erforderlich sei vielmehr eine unter Berücksichtigung aller Umstände hinreichend gesicherte Tatsachenbasis, mit der sich die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen lasse. Die Baugenehmigungsbehörde müsse die Erwartung schädlicher Auswirkungen positiv feststellen. Ziele der Raumordnung blieben hierbei außer Betracht. Auch auf die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 BauNVO könne -anders als der Bescheid anzunehmen scheine- im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB nicht zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift keine gesetzliche Vermutungsregel enthalte.

64

Die Prognose des Beklagten sei fehlerhaft. Der angegriffene Bescheid ermittele die ökonomischen Zusammenhänge nicht vollständig. Der Beklagte interpretiere die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2009 (4 C 2/08) falsch. Die Ergebnisse eines Marktgutachtens könnten durch weitere Kriterien ergänzt werden. Die Behörde könne im Einzelfall sogar davon absehen, ein Marktgutachten einzuholen und die städtebaulich relevanten Faktoren auf andere Art und Weise ermitteln und bewerten. Sie dürfe aber nicht ein vorliegendes Sachverständigengutachten mit der Begründung zurückweisen, es sei von vornherein und generell ungeeignet aufzuklären, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten seien, weil es mit prognostischen Unsicherheiten behaftet sei. Denn nach Ansicht des BVerwG seien Marktgutachten eine taugliche Methode, um den durch das Vorhaben bedingten voraussichtlichen Kaufkraftabfluss zu prognostizieren. Kaufkraftabflüsse seien wiederum geeignet, die städtebaulich relevanten schädlichen Auswirkungen zu konkretisieren. Dem Verkaufsflächenvergleich komme damit sicherlich kein Anwendungsvorrang vor einem Marktgutachten zu. Marktgutachten seien nach der Rechtsprechung des BVerwG als eines unter mehreren Kriterien zwingend zu berücksichtigen.

65

Der vom Beklagten angestellte Verkaufsflächenvergleich sei auch kein aussagekräftiger Faktor, weil der Einzugsbereich des Vorhabens mit 407.000 Einwohnern viel größer sei als der vom Beklagten herangezogene Versorgungsbereich. Schon wegen der Vielzahl der betroffenen Versorgungsbereiche und den vergleichsweise großen Entfernungen von teilweise über 20 km sei es dem Bescheid verwehrt, einen Verkaufsflächenvergleich in den Mittelpunkt seiner Prognose zu stellen. Der angestellte Verkaufsflächenvergleich suggeriere, das Vorhaben gehe allein zu Lasten der dort identifizierten fünf zentralen Versorgungsbereiche. Tatsächlich würde das Vorhaben seinen Umsatz aus einem Einzugsbereich generieren, der weit über die im Bescheid genannten Bereiche hinausgehe. Dieser Einzugsbereich sei im Gutachten von B... differenziert dargestellt. Das Vorhaben trete danach insbesondere in direkten Wettbewerb mit den Wettbewerbsstandorten „Innenstadt Kiel“ und dem Cluster „CITTI-Park/Plaza/Ikea“. Die insoweit voraussichtlich abgeschöpfte Kaufkraft belaste bereits nicht die im angegriffenen Bescheid genannten Versorgungsbereiche. Auch im Übrigen quantifiziere der Bescheid in keiner Weise, in welchem Umfang Kaufkraft in den identifizierten Versorgungsbereichen verloren gehen könnte.

66

B... habe eine maximale Umverteilungsquote von 6% ermittelt, in vielen Sortimenten weit weniger als die Hälfte. Schädliche Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB würden demgegenüber in der Rechtsprechung tendenziell erst ab einer Quote von mindestens 10% angenommen. Schädliche Auswirkungen könnten im Einzelfall zwar auch bereits bei einer niedrigeren Schwelle anzunehmen sein, beispielsweise bei Vorschädigungen der Versorgungsbereiche. Insoweit sei bei erheblich vorgeschädigten Versorgungsbereichen bereits ein voraussichtlicher Kaufkraftabfluss von nur 7,9 bis 8,8% im betroffenen Warenbereich als nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit angesehen worden (etwa OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 -7 A 1635/07-). Vorliegend lägen aber hinsichtlich der Städte Lütjenburg, Preetz und Plön gar keine nachweisbaren Vorschädigungen vor. Die pauschale Behauptung einzelner Leerstände genüge nicht den Anforderungen an die erforderliche hinreichend gesicherte Tatsachenbasis für die Erwartung schädlicher Auswirkungen. Leerstände seien auch Folge marktüblicher Fluktuationen. Nach dem Gutachten seien für Lütjenburg und Preetz nur marginale Umverteilungsquoten zu erwarten.

67

Mit Schreiben vom 15.10.2013 ergänzte die Klägerin ihre Widerspruchsbegründung unter Einbeziehung einer weiteren Stellungnahme von B... vom 27.09.2013, die sich mit den gutachterlichen Stellungnahmen von J&K u.a. wie folgt auseinandersetzt:

68

Das Gutachten von J&K leide methodisch an einer unzulässigen Beschränkung ihrer Analyse auf einen Teilbereich des Kieler Stadtgebiets. Für diesen Teilraum werde im Vornhinein ein Umsatzanteil des Vorhabens festgelegt, der umverteilungswirksam werde. Die voraussichtliche Umverteilung könne aber nicht der Ausgangspunkt, sondern müsse das Ergebnis der Untersuchung sein. Die von J&K ermittelten Umsatzumverteilungen erschienen nicht plausibel. So werde im Sortiment Bekleidung/Textilien angenommen, 40% der Besucher entstammten dem untersuchten Teilgebiet, bei Gütern des täglichen Bedarfs hingegen werde lediglich ein Anteil von 20% angenommen. Eine tragfähige Begründung für diese Disproportionalität werde nicht gegeben. Zu Unrecht behaupteten J&K, B... gehe von einem zu hohen Kaufkraftabfluss vom Sonderstandort CITTI-Park aus. Tatsächlich basierten diese Ansätze von B... aber auf repräsentativen Gutachten. Zu Unrecht werde B... vorgeworfen, es prognostiziere für Autokunden mit weiter Anreise zu hohe Umsätze. Es werde verkannt, dass Kundenströme nicht gleichzusetzen seien mit Kaufkraftströmen. Typischerweise stiegen bei Kunden mit längeren Anfahrtswegen auch die durchschnittlichen Einkaufsbeträge. J&K argumentierten mit einer Vorschädigung einiger Stadtteilzentren in Kiel-Ost, obwohl sich hierzu im Einzelhandelskonzept für die Stadt Kiel keine bestätigenden Befunde befänden. Problemlagen im Stadtteilzentrum Gaarden seien gleichwohl offenkundig. Ebenso offenkundig sei jedoch auch, dass diese nicht primär auf eine Wettbewerbssituation zum Ostseepark zurückzuführen, sondern in einer schwierigen sozialdemografischen Schichtung im Stadtteil selbst begründet seien, welche bereits seit Jahren zu einer deutlichen Stigmatisierung führe. Selbst wenn man aber von einer Vorschädigung ausginge, wäre dies zweitrangig, weil die projektbedingten Umsatzumverteilungen dort prognostisch gering bis mäßig ausfielen und auch einem „vorgeschädigten" Zentrum zugemutet werden könnten.

69

Aus B...-Sicht seien plausible Wirkungsanalysen nur möglich, wenn im Rahmen einer umfassenden und konsistenten Modellrechnung Umverteilungseffekte für das gesamte Einzugsgebiet ermittelt würden. Dies sei auf der Grundlage der repräsentativen Herkunftserhebung aus dem Jahre 2007 geschehen. Danach kämen aus dem von J&K definierten Teilraum nur rund 20% als Kunden des Ostseeparks. J&K ignorierten diese festgestellten Kundenströme und gingen davon aus, dass für Sortimente des mittel- bis längerfristigen Bedarfs nunmehr 40% statt der gemessenen 20% aller Kunden aus dem definierten Kieler Teilraum stammten. Die Verdoppelung eines in einer repräsentativen Stichprobe gemessenen Anteilswertes von 20% auf 40% sei methodisch abwegig. Zudem gelangten J&K auch im Bereich des täglichen Bedarfs trotz der Annahme einer 20%igen Quote mit 8,4 Mio. Euro zu einer nicht nachvollziehbaren Umverteilung von de facto 40%.

70

Zu Unrecht bemängelten J&K, dass B... die Flächenproduktivitäten für den CITTI- Park zu hoch und damit die Umsatzverluste für die von ihnen untersuchten zentralen Versorgungsbereiche zu gering angesetzt habe. In dem von der e... GmbH auf Basis von Mieterbefragungen erstellten „Shopping-Center Performance Report 2011" erreiche der CITTI-Park bundesweit den Platz 1. Insoweit zähle der CITTI-Park zu den erfolgreichsten Einkaufszentren Deutschlands. Unverständlich sei, dass J&K für den CITTI-Park nur mit einem Umsatz von 35,8 Mio. Euro rechneten, obwohl im Cima-Gutachten von 2008 von einem Umsatz von 58,5 Mio. Euro ausgegangen werde. Faktisch handele es sich bei dem CITTI-Park auch um den Hauptwettbewerbsstandort zum Ostseepark. Aufgrund seiner Lage werde der Ostseepark ganz überwiegend von Pkw-Kunden aufgesucht. Fußläufige Kundschaft sowie auch Fahrrad- und ÖPNV-Kunden seien nur marginal vertreten. Laut GEKK werde der Lebensmitteleinkauf von 30% der Kieler Bevölkerung überwiegend zu Fuß und von 15% überwiegend mit dem Fahrrad getätigt. In dieses Einkaufsverhalten könnten der Ostseepark und das Vorhaben standortbedingt nicht eingreifen. Auch im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung sei es deshalb verfehlt, wenn J&K annähmen, Nahversorgungszentren seinen von vornherein und per se stärker von Verdrängungswirkungen betroffen als die leistungsstarken und Pkw-orientierten Fachmarktsonderlagen.

71

Synergieeffekte innerhalb des Ostseeparks bestünden zwar, jedoch sei ihre Entwicklung durch die weitläufige Anlage des Ostseeparks deutlich erkennbar behindert. Die bauliche Anbindung an das Baltic-Center werde nicht mehr verfolgt. Konzeptionell solle das Projekt dazu beitragen, dass sich Einzelhandelsstrukturen in den übrigen Teilräumen des Ostseeparks auf längere Sicht ausdünnten bzw. dass sich die Einzelhandelsbetriebe in peripheren Lagen des Ostseeparks in den Bereich der „Neuen Mitte" verlagerten.

72

Zu Unrecht würden J&K die Flächenproduktivität für die Warengruppe modischer Bedarf auf 3.400 Euro/qm festsetzen. Die Festsetzung von B... mit 3.200 Euro/qm übersteige bereits die vorhandene Flächenproduktivität für diese Warengruppe im Ostseepark von 2.300 Euro beträchtlich und auch die für Kiel ermittelte gesamtstädtische Auslastung von 2.940 Euro. Ein Vergleich mit dem CITTI-Park wäre hingegen völlig unrealistisch.

73

Hinsichtlich der anders gearteten Einschätzung zur Kaufkraftbindung im Fernbereich unterschätzen J&K die existierenden Kopplungseinkäufe.

74

Hinsichtlich des modischen Bedarfs falle die Chance zur Kaufkraftbindung in der Zone 2b relativ hoch aus. Im modischen Bedarfsbereich sei die spezifische Wettbewerbskonstellation im Kieler Marktgebiet sehr bedeutsam. Das Angebot an Bekleidung/Textilien sowie Schuhe/Lederwaren sei in einem sehr hohen Maße auf die drei regionalen Einkaufsschwerpunkte Innenstadt, CITTI-Park und Ostseepark konzentriert. Diese Wettbewerbskonstellation führe generell zu hohen Kaufkraftbindungsquoten für die drei Einkaufsschwerpunkte. Das Angebot im weiteren Kieler Stadtgebiet sei dagegen bereits relativ ausgedünnt und basiere vielerorts auf Discountern (wie z.B. Kik) sowie den Rand- und Aktionssortimenten von Verbrauchermärkten und Discountern. Insbesondere in der Zone 2b (geprägt durch Nahversorgungszentren für die Grundversorgung) werde modischer Bedarf nur in einem geringen Umfang angeboten. Entsprechend fließe in einem relativ hohen Umfang diesbezügliche Kaufkraft ab, die überwiegend auf die drei genannten regionalen Einkaufsschwerpunkte orientiert sei. Vor diesem Hintergrund falle die Chance zur Kaufkraftbindung in der Zone 2b durchaus relativ hoch aus.

75

Zu Unrecht gingen demgegenüber J&K von einer Umverteilungsquote von 14% für das Angebot an Bekleidung/Textilien im Bereich des SZ Gaarden-Ost aus. Die Umverteilungsquote werde auf der Basis einer undurchsichtigen Vorgehensweise festgelegt. Die stadtteilübergreifende Einzelhandelsfunktion des SZ Gaarden-Ost werde durch eine erhebliche soziale Problematik massiv behindert. Vor Gaarden werde in den Medien als „No-Go-Area“ gewarnt. Für die stadtteilbezogene Versorgung selbst bestehe insgesamt eine durchaus angemessene Einzelhandelsausstattung, die sich an Publikum und Milieu des Stadtviertels angepasst habe. Dafür, dass die stadtteilübergreifende Versorgungsfunktion durch massive soziale Probleme nachhaltig beeinträchtigt sei, könne der Ostseepark nicht verantwortlich gemacht werden. Auch die Lösung der sozialen Problematik im Stadtteil Gaarden-Ost werde durch Einzelhandelspolitik und Eingriffe in den Wettbewerb nicht gelingen - egal ob nun im Ostseepark ein Shopping-Center entstehe oder nicht.

76

Mit Bescheid vom 25.11.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde in Ergänzung des Ausgangsbescheides ausgeführt:

77

Von dem geplanten Vorhaben seien schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche in Preetz, Plön, Lütjenburg, Wellingdorf sowie Gaarden-Ost zu erwarten.

78

Der Ausgangsbescheid setze sich schwerpunktmäßig mit einem Verkaufsflächenvergleich zwischen dem Vorhaben und verschiedenen in der Umgebung vorhandenen zentralen Versorgungsbereichen auseinander. Ergänzend werde auf die Entfernungen und etwaige

79

Vorschädigungen der zentralen Versorgungsbereiche abgestellt. Hinsichtlich der voraussichtlichen Umsatzverteilung sei das von der Klägerin vorgelegte Gutachten herangezogen worden und zugleich ausgeführt worden, warum die Ergebnisse des Gutachtens als nicht überzeugend angesehen worden seien. Die im Ausgangsbescheid vorgenommene Prüfung werde den vom BVerwG in seinem Urteil vom 11.10.2007 gestellten Anforderungen gerecht. Selbstverständlich sei das vorgelegte Gutachten einschließlich dessen Ergänzung geprüft und im Verfahren berücksichtigt worden. Es habe jedoch nicht Grundlage für eine positive Entscheidung sein können, weil die Ergebnisse des Gutachtens schlichtweg nicht als plausibel beurteilt worden seien. Die Genehmigungsbehörde sei nicht stets starr an das Ergebnis eines vorgelegten Gutachtens gebunden. Die im Gutachten verwandte auf statistische und mathematische Ermittlung abstellende Methode zur Prognose lokaler und regionalwirtschaftlicher Abläufe sei die aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht adäquate Methode, sich dem Problem der Ansiedlungsauswirkungen anzunähern. Sie sei aber nur bedingt geeignet, das mittel- und langfristige Käuferverhalten in den Untersuchungsgebieten zu prognostizieren. Bei genauerer Sicht beruhe die gesamte Prognose auf einer eher dünnen Schicht von Kennziffern über Flächenproduktivitäten und mathematisch operationalisierten Grenz- und Orientierungswerten, die alle ganz abstrakt seien. Es bleibe aber offen, ob sich daraus ein umfassendes Bild des tatsächlichen Kaufverhaltens prognostizieren lasse. Auch wenn es - wie im Gutachten angenommen - zu einer besonderen Wettbewerbssituation mit der Kieler Innenstadt und dem Cluster CITTI-Park / Plaza/ Ikea komme, führe dies nach seiner, des Beklagten, Auffassung zwangsläufig auch zu Störungen von in diesem Spannungsfeld befindlichen kleineren zentralen Versorgungsbereichen mit teils überörtlicher Funktion.

80

Der entscheidende Grund, weshalb die Ergebnisse des Gutachtens nicht hätten übernommen werden können, sei der Umstand, dass bei der Berechnung der Kaufkraftabflüsse bzw. Umsatzumverteilungen lediglich das streitgegenständliche Vorhaben betrachtet worden sei. Bei dem Ostseepark handele es sich insgesamt um ein faktisches Einkaufszentrum, sodass das Vorhaben als Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums zu charakterisieren sei. Hieraus ergebe sich, dass die Ermittlung von Kaufkraftabflüssen nicht - wie vorliegend geschehen - auf Grundlage lediglich des streitgegenständlichen Vorhabens, sondern unter Berücksichtigung der im Ostseepark bereits vorhandenen vergleichbaren Einzelhandelsflächen erfolgen müsse. Da dies nicht geschehen sei, sei die Aussagekraft des vorgelegten Gutachtens, insbesondere was dessen Ergebnis angehe, äußerst begrenzt.

81

Ein Verkaufsflächenvergleich zwischen den Verkaufsflächen des Ostseeparks einerseits und den benachbarten Versorgungszentren andererseits zeige, dass die vorhandenen Verkaufsflächen bezogen auf einzelne Sortimente um bis zu 5.448% überschritten würden. Für den nächstgelegenen Versorgungsbereich Preetz liege für den modischen Bedarf eine Überschreitung von 2.600% und für den periodischen Bedarf von über 1.000% vor. Selbstverständlich seien die festgestellten Überschreitungen in allen untersuchten Versorgungsbereichen für sich genommen nur begrenzt aussagekräftig. Aufgrund ihrer Deutlichkeit stellten sie nach diesseitigem Dafürhalten jedoch bereits ein starkes Indiz dafür dar, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben bedeutende schädliche Auswirkungen auf die genannten zentralen Versorgungsbereiche ausgingen.

82

Die im Gutachten berücksichtigten Umverteilungseffekte innerhalb des Ostseeparks dürften keine Rolle spielen, da sie für die Wirkung nach außen unerheblich seien. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Vorhaben zu einer Reduzierung von Einzelhandelsgeschäften an anderer Stelle im Ostseepark führen würde.

83

Im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände sei auch von einer Vorschädigung der untersuchten zentralen Versorgungsbereiche auszugehen. Auch das Gutachten von B... gehe auf Seite 56 davon aus, dass die Innenstädte von Preetz und Lütjenburg im regionalen Vergleich als eingeschränkt belastbar gelten.

84

Letztlich leide das Gutachten deshalb an einem schweren Mangel, weil es die Verkaufsfläche des ehemaligen Adler-Modemarkts als zulässigen Erweiterungsrahmen in Ansatz bringe. Soweit dies darauf gestützt werde, dass für das betroffene Grundstück ein Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung für einen Möbelmarkt erteilt worden sei, sei festzustellen, dass hierdurch nicht der Bestandsschutz für die zuvor ausgeübte Nutzung als Modemarkt entfallen sei. Der unterstellte dauerhafte Wegfall der an diesem Standort ehemals vorhandenen Verkaufsfläche für die Bedarfsgruppe modischer Bedarf wäre erst dann gesichert, wenn eine neue, andere Nutzung für einen nicht unerheblichen Zeitraum aufgenommen würde.

85

Die Klägerin hat hiergegen am 16.12.2013 Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten begehrt, den von ihr am 05.07.2011 beantragten und mit Schreiben vom

86
14.11.2012 und 10.01.2013 präzisierten Bauvorbescheid zu erlassen. In Ergänzung und zur Vertiefung ihrer Widerspruchsbegründung führt sie aus:
87

Entgegen der Auffassung des Beklagten gingen vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB aus. Der Beklagte habe keine hinreichend gesicherte

88

Tatsachengrundlage für seine Prognose herangezogen. Er habe ökonomische Zusammenhänge, die mit dem Vorhaben in Verbindung stünden, unzureichend ermittelt. Der Beklagte berufe sich für die von ihm behauptete Erwartung schädlicher Auswirkungen im Wesentlichen auf einen Verkaufsflächenvergleich und ergänze diesen um einige - wenige - Ausführungen zur Struktur der betroffenen zentralen Versorgungsbereiche und deren Entfernung zu ihrem Vorhaben. Diese Vorgehensweise sei bei dem Vorhaben wegen des großen Einzugsbereichs, der Vielzahl möglicherweise betroffener Versorgungsbereiche und der vergleichsweise großen Entfernungen rechtlich und tatsächlich ungeeignet. Im Rahmen dieses Vergleichs „picke“ sich der Beklagte die Verkaufsflächen von lediglich fünf zentralen Versorgungsbereichen heraus und vergleiche diese mit den Verkaufsflächen des gesamten Ostseeparks. Die weiteren Verkaufsflächen im Einzugsbereich des Vorhabens würden hingegen vollständig ausgeklammert. Die städtebauliche Bewertung des Beklagten beziehe damit wesentliche Tatsachen nicht ein. Denn bei der Vielzahl der betroffenen Versorgungsbereiche unterschiedlicher Größe, weiteren Sonderstandorten, dem großen Einzugsgebiet des Ostseeparks und den vergleichsweise großen Entfernungen greife der Verkaufsflächenvergleich des Beklagten schlicht zu kurz. Wollte man einen Verkaufsflächenvergleich zur Beurteilung heranziehen, müsste man die Verkaufsflächen aller Versorgungszentren und Sonderstandorte im Einzugsbereich des Ostseeparks berücksichtigen. Dabei ergebe sich dann folgendes Bild:

89

Modischer Bedarf

Ostseepark 36.500 qm

Einzugsbereich 99.190 qm

Periodischer Bedarf

„  15.750 qm

„  153.000 qm

Hartwaren/persönlicher Bedarf

„  8.140 qm

„  36.925 qm.

90

Daraus ergebe sich, dass die Verkaufsflächen des Vorhabens addiert um die Verkaufsflächen des Ostseeparks um ein Vielfaches geringer seien als die Verkaufsflächen der Versorgungsbereiche, Sonderstandorte etc., auf die der Ostseepark einwirke. Die vom Beklagten behauptete Verkaufsflächenüberschreitung gebe es also gar nicht. Zudem sei zwar zuzugeben, dass Wechselwirkungen zwischen der Verkaufsfläche und ortsplanerischen Wirkungen bestünden, jedoch seien diese nicht monokausal. Von der Verkaufsfläche könne nicht nach einem simplen „wenn-dann-Schema“ auf das städtebauliche Erscheinungsbild in den betroffenen Versorgungsbereichen geschlossen werden.

91

Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, insbesondere das von ihm auch angeforderte, methodisch einwandfreie Gutachten von B... seiner Bewertung zugrunde zu legen. Marktgutachten seien auch nach der Rechtsprechung des BVerwG eine taugliche Methode, um den durch das Vorhaben bedingten voraussichtlichen Kaufkraftabfluss zu prognostizieren. Nach der Rechtsprechung des BVerwG könne die Bauaufsichtsbehörde sogar zur Einholung eines Marktgutachtens verpflichtet sein, wenn eine Prognose auf andere Weise nicht möglich sei, etwa bei zunehmender Entfernung zwischen Vorhaben und betroffenem Versorgungsbereich oder bei nicht eindeutigen Relationen der Verkaufsflächen. Eine differenzierte Betrachtung sei auch geboten, wenn - wie hier - von dem zur Genehmigung stehenden Betrieb Auswirkungen von möglicherweise unterschiedlicher Intensität auf mehrere zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien. Der vorliegende Sachverhalt sei weitaus komplexer als die vergleichsweise einfach gelagerten Fälle, in denen das Bundesverwaltungsgericht von der Einholung eines Gutachtens habe absehen können. Dass die von B... verwandte Methodik keinen Bedenken unterliege, sei obergerichtlich anerkannt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.05.2013 - 8 C 10859/12 -). Zudem verwundere an der Kritik des Beklagten, dass das ebenfalls von B... nach gleicher Methodik erstellte Marktgutachten für das ebenfalls im Ostseepark gelegene Baltic-Center vom Beklagten nicht beanstandet und zur Grundlage der Genehmigung gemacht worden sei. Das Gutachten sei sogar von einem „Worst-Case-Ansatz" ausgegangen, obwohl zweifelhaft sei, ob hierzu überhaupt aus Rechtsgründen Veranlassung bestehe. Letztlich basiere die Wirkungsanalyse durch eine Kaufkraftstrom-Modellrechnung auf einer gesicherten empirischen Grundlage (u.a. Kunden-Herkunftsbefragung). Es handele sich dabei um eine Weiterentwicklung des „klassischen Gravitationsmodells". Nach diesem Gutachten blieben die prognostizierten voraussichtlichen Kaufkraftabflüsse weit unterhalb der von der Rechtsprechung als Faustformel entwickelten Erheblichkeitsschwelle von 10%. Andere städtebauliche Anhaltspunkte, die die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

92

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei B... nicht gehalten gewesen, ihrer Wirkungsanalyse die gesamte „Kaufkraft des Ostseeparks" als faktischem Einkaufszentrum zugrunde zu legen. Der Beklagte vermenge zwei verschiedene Sachverhalte. Richtig sei, dass bei der Prognose schädlicher Auswirkungen eine Rolle spielen könne, ob ein Einzelhandelsbetrieb zu bereits bestehenden Betrieben hinzutrete. Wenn in einer solchen Konstellation die neu hinzutretende Verkaufsfläche zu einem Umkippen der Situation in Richtung Schädlichkeit führe, könne das zum Wegfall des Genehmigungsanspruchs für das neu beantragte Vorhaben führen. Dazu müssten aber zunächst in einem ersten Schritt die Auswirkungen des zur Genehmigung gestellten Vorhabens ermittelt werden. Ausgangspunkt für die Bewertung nach § 34 Abs. 3 BauGB sei allein das zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Das führe dazu, dass bei Erweiterung eines bestehenden Einzelhandelsbetriebes das Gesamtvorhaben in seiner veränderten Gestalt Gegenstand der Prognose von § 34 Abs. 3 BauGB sein könne. Vorliegend handele es sich aber nicht um die Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums. Bei dem Ostseepark handele es sich um ein faktisches Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO, jedoch ändere dies nichts daran, dass es nur darauf ankomme, welche Wirkungen von dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben ausgingen. In einem zweiten Schritt sei dann zu klären, ob durch die Kombination von Alt- und Neubestand die Schwelle zur Schädlichkeit überschritten werde. Das sei dann im Wesentlichen eine Frage der wirtschaftlichen Belastbarkeit der betroffenen Versorgungsbereiche. Hier könnten dann auch die Auswirkungen anderer, bereits vorhandener Einzelhandelsbetriebe berücksichtigt werden. Auch diese Belastbarkeit sei Gegenstand des Marktgutachtens. Auf der Grundlage der Bewertung der Belastbarkeit als auch der zu erwartenden Umsatzumverteilungen komme das Marktgutachten zu dem Ergebnis, dass die nur marginalen Umsatzumverteilungen keine schädlichen Auswirkungen erwarten ließen.

93

Das Marktgutachten gehe dabei zu Recht von der Annahme aus, ein Großteil des zu erwartenden Umsatzes des Vorhabens ergebe sich aus Umsatzumverteilungen innerhalb des Ostseeparks. Dabei gehe das Gutachten zwar von der Worst-Case-Annahme aus, dass die Verkaufsflächen im beantragten Einkaufszentrum durch bislang am Markt nicht ansässige Mieter besetzt würden, also zusätzliche Verkaufsflächen geschaffen würden. Es liege aber auf der Hand, dass in einer solchen Konstellation auch Umsätze von Einzelhandelsbetrieben umgelenkt würden, die bereits am Ostseepark ansässig seien. Bei Sortimenten, die im Bestand des Ostseeparks angeboten würden, sei daher mit Umsatzeinbußen bis hin zu „trading-down"-Effekten in den Randbereichen des Ostseeparks zu rechnen.

94

Nach dem Gutachten seien schädliche Auswirkungen nicht zu erwarten. Die im Gutachten prognostizierten voraussichtlichen Kaufkraftabflüsse erreichten nicht die von der Rechtsprechung als Faustformel entwickelte Erheblichkeitsschwelle von 10%. Das Vorhaben führe danach nur zu voraussichtlich äußerst geringen Umsatzumverteilungen. Es sei eine maximale Umverteilungsquote von 6%, in vielen Sortimenten weit weniger als die Hälfte zu erwarten. Selbst in vorgeschädigten Versorgungsbereichen sei nach der Rechtsprechung des OVG Münster eine Quote von 7,9% noch vertretbar. Für die Versorgungsbereiche Lütjenburg und Preetz, die auch nach dem Gutachten von B... nur als eingeschränkt wettbewerbsfähig gelten, lägen die vom Beklagten angenommenen schädlichen Auswirkungen nicht vor. Allerdings sei insoweit auch nur eine eingeschränkte Belastbarkeit, nicht hingegen ein drohender Funktionsverlust festgestellt worden. Diese eingeschränkte Belastbarkeit gehe nicht auf den Ostseepark zurück, sondern habe andere Ursachen. Das Gutachten gehe davon aus, dass selbst diesen Versorgungsbereichen der prognostizierte Umsatzverlust von teils bis zu 6 % zugemutet werden könne. Die Umverteilungsquoten bewegten sich für Lütjenburg zwischen 4,7% und 1,3% je nach Sortiment und für Preetz zwischen 5,2% (modischer Bedarf) bzw. 6% (Spielzeug) und 1%. Sie blieben damit unter den vom OVG Münster angenommen Werten.

95

Für die Versorgungsbereiche Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost würden die vom Beklagten behaupteten Vorschädigungen durch das Gutachten bereits nicht bestätigt. Es sei nicht ersichtlich, dass der weitgehende Leerstand des Kleinkaufhauses am Lübschen Tor in Plön seine Ursachen in der Existenz des Ostseeparks habe. Das geringe Angebot in Gaarden-Ost sei allein durch das sozial schwache Milieu, nicht hingegen durch den Wettbewerbsdruck des Ostseeparks verursacht.

96

Ferner müsse im Rahmen der Prognose berücksichtigt werden, dass die Stadt Schwentinental die Gesamtverkaufsflächen des Ostseeparks mit ihrer Bauleitplanung beschränken werde. Stehe der Wegfall bestimmter am Standort derzeit noch vorhandener Verkaufsflächen fest, könne und müsse das im Rahmen einer Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. So sei auch der Wegfall der Altflächen des Modemarkts Adler mit 3.100 qm modischen Bedarf berücksichtigt worden. Die Klägerin „übernehme" lediglich 1.500 qm Verkaufsfläche des ehemaligen Adler-Modemarktes. Die überschießenden 1.600 qm entfielen ersatzlos und wirkten dementsprechend nicht auf die Versorgungsbereiche der Beigeladenen.

97

Die Klägerin beantragt,

98

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2013 den von der Klägerin am 05.07.2011 beantragten und mit Schreiben vom 14.11.2012 und 10.01.2013 präzisierten Bauvorbescheid antragsgemäß zu erlassen.

99

Der Beklagte beantragt,

100

die Klage abzuweisen.

101

Die Bauvoranfrage sei zu Recht wegen zu erwartender schädlicher Auswirkungen auf mehrere benachbarte zentrale Versorgungsbereiche abgelehnt worden.

102

Es herrsche Einigkeit darüber, dass die Erwartung schädlicher Auswirkungen positiv festgestellt werden müsse. Er habe nicht nur einen Verkaufsflächenvergleich durchgeführt, sondern auch zur Tatsachenermittlung die Umschreibung und Begrenzung sowie die Verkaufsflächen der betroffenen Versorgungsbereiche aus dem Marktgutachten von B... übernommen. Lediglich die hieraus von B... gezogenen Schlussfolgerungen habe er nicht geteilt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Bauaufsichtsbehörde aber nicht verpflichtet, das Ergebnis eines vorgelegten Marktgutachtens kritiklos zu übernehmen. Das Gutachten von B... sei nicht überzeugend. Im Gutachten sei im Rahmen der durchgeführten Kaufkraftstrom-Modellrechnung die derzeitige Ist-Verteilung der Kundenströme und Umsätze für sämtliche zentralen Versorgungsbereiche und Sonderstandorte ermittelt worden. Es werde deutlich, dass B... die von dem Ostseepark bereits in seiner derzeitigen Form ausgehenden schädlichen Auswirkungen nicht hinreichend berücksichtigt habe. Die Existenz des Ostseeparks werde im Gutachten im Wesentlichen dergestalt berücksichtigt, dass ein Großteil der Umsatzerwartung des geplanten Vorhabens als Kaufkraftverteilung innerhalb des Ostseeparks verrechnet worden sei. Dies führe zu dem unlogischen Ergebnis, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben unter Berücksichtigung der übrigen Flächen des Ostseeparks eher weniger schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien als bei Ausblendung des Ostseeparks. B... hätte in diesem komplexen Fall zunächst in einem ersten Schritt bestehende Vorschädigungen durch den Ostseepark und erst in einem zweiten Schritt die durch das Vorhaben ausgelösten Kaufkraftströme ermitteln müssen. Dass bereits gegenwärtig von dem Ostseepark mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgingen, sei nach seiner Auffassung offensichtlich. Letztlich werde dies auch durch das Marktgutachten von B... bestätigt, indem dieses den zentralen Versorgungsbereichen in Preetz und Lütjenburg Vorschädigungen attestiere. Nach Auffassung von B... sei diesen vorgeschädigten Bereichen gleichwohl noch eine Umsatzumverteilung von 6% zuzumuten. Diese Auffassung werde von ihm, dem Beklagten, nicht geteilt. Eine schleichende Verschlechterung der Situation für vorgeschädigte zentrale Versorgungsbereiche durch neu hinzukommende Einzelhandelsvorhaben könne nur verhindert werden, wenn bereits die Verstärkung der schädlichen Auswirkungen zur Unzulässigkeit des Vorhabens führe. Dies könne spätestens ab einer zusätzlichen Umverteilungsquote von 1% ohne Weiteres angenommen werden. Im Versorgungszentrum Preetz sei auch nach den Feststellungen von B... mit Kaufkraftabflüssen von 6% im modischen Bedarf und 6% im Sortiment Spielwaren zu rechnen. Da bereits die Schädigung eines einzelnen Versorgungszentrums den Genehmigungsanspruch ausschließe, komme es nicht darauf an, ob - wovon er jedoch ausgehe - auch die Versorgungsbereiche Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost bereits durch den Ostseepark vorgeschädigt und nur eingeschränkt belastbar seien.

103

Nicht schlüssig sei das Gutachten, wenn davon ausgegangen werde, dass aufgrund der Attraktivitätssteigerung des Ostseeparks durch das Vorhaben Kaufkraftströme von der Kieler Innenstadt und dem Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea weg in den Ostseepark umgelenkt würden, es aber nicht hinreichend berücksichtige, dass das neu geplante Einkaufszentrum aufgrund seiner Dimension zu einer deutlichen und beabsichtigten Aufwertung des Ostseeparks führe, wodurch dessen Magnetwirkung noch verstärkt werde.

104

Zu Unrecht meine die Klägerin, nach den Entwürfen der Bebauungspläne wegfallende Verkaufsflächen dürften bei der Prognose bereits jetzt berücksichtigt werden. Derartige Nutzungen seien bestandsgeschützt und würden noch Jahrzehnte fortbestehen. Zudem sei völlig ungewiss, ob die Bebauungspläne tatsächlich wie entworfen in Kraft träten.

105

Ergänzend verweist der Beklagte auf eine weitere gutachterliche Stellungnahme von J&K vom 05.09.2014, die weitere methodische Mängel des Marktgutachtens von B... belege.

106

In dieser Stellungnahme wiederholen J&K ihre Kritik an den Gutachten von B.... Sie räumen ein, dass sie in ihrer Einleitung auf Seite 28 tatsächlich die Zahlen für den periodischen und aperiodischen Bedarf vertauscht hätten. Tatsächlich sei aber in den Berechnungen für den periodischen Bedarf ein Anteil von 40% des potenziellen Umsatzes des Bauvorhabens angenommen worden, der auf Kunden aus den untersuchten Kieler Stadtteilen zurückzuführen sei. Dieser Ansatz sei auch gerechtfertigt. Zwar sei gerade bei autokundenorientierten Standorten wie dem Ostseepark eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft der Kunden und somit ein weitläufigeres Einzugsgebiet anzunehmen, jedoch lasse mit zunehmender Entfernung die Kundenbindung immer weiter nach. Dies sei in besonderem Maße für die Güter des täglichen Lebens zutreffend: aufgrund der regelmäßigen Nachfrage nach periodischen Bedarfsgütern würden diese üblicherweise möglichst in der Nähe zum Wohnort getätigt. Insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel bestehe eine hohe Distanzempfindlichkeit beim räumlichen Einkaufsverhalten des Kunden. Vor allem die von B... zitierten Angebotsstandorte CITTI und Plaza trügen dazu bei, dass Kunden aus den westlichen und nördlichen Kieler Stadtteilen nur geringen Anlass haben dürften, die geplanten Standorte am Vorhabenstandort aufzusuchen. Ein sehr enger räumlicher Bezug zwischen Wohnstandorten und Angebotsstandort bestehe hingegen bezogen auf die östlichen Kieler Stadtteile. Aus dem für Waren der kurzfristigen Bedarfsstufe definierten Untersuchungsraum sei der Vorhabenstandort in 10 Minuten, aus Elmschenhagen beispielsweise in nur 5-6 Minuten Pkw-Fahrtzeit zu erreichen. Ein 7-Minuten-Pkw- Fahrtzeitradius umfasse neben Schwentinental selbst fast ausschließlich die Siedlungsgebiete des Kieler Ostens. Die Annahme einer 40%igen Umsatzverteilung sei daher noch als zurückhaltend einzustufen. Unzutreffend sei die Behauptung von B..., die Lebensmittelmärkte in den Kieler zentralen Versorgungsbereichen würden sich an fußläufige Kunden richten, sodass kein Wettbewerb zum Ostseepark bestehe. Auch die Bewohner dieser Stadtteile verfügten oft über Pkw und seien daher potentielle Kunden des Vorhabens. Der Annahme einer 40%igen Kaufkraftbindung stehe auch die von B... herangezogene Kundenherkunftsbefragung aus dem Jahre 2007 nicht entgegen. Diese sei mit einem Stichprobenumfang von lediglich 613 befragten Kunden und ohne jegliche Differenzierung nach Warengruppen aus fachlicher Sicht nicht belastbar und für die Prognose von Auswirkungsbereichen möglicher Umsatzumverteilungseffekte unbrauchbar. Sie, J&K, würden Marktgutachten auf der Basis von Umfragen mit 10.000 bis 15.000 Kunden durchführen.

107

Mit Replik vom 18.09.2015 weist die Klägerin die von J&K erhobenen Einwände als unzutreffend zurück. Sie beruft sich dabei auf eine weitere ergänzende Stellungnahme von B... vom 09.09.2015, worin u.a. Folgendes ausgeführt wird:

108

Die Stichprobe mit 613 Befragten sei durchaus ausreichend und verwertbar. Bei einem Stichprobenumfang von 600 werde der aus dem von J&K abgegrenzten Kieler Teilraum gemessene Anteilswert von etwa 20% mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit real innerhalb eines Bereiches von 17-23% liegen. Eine Teilsplittbildung nach Bedarfsgruppen und Herkunftsbereichen könnte hingegen zu so kleinen Fallzahlen führen, dass die für diese Untergruppen gemessenen Werte auf Grund erhöhter Varianzen nicht oder nur noch mit großer Vorsicht interpretierbar wären. Hinsichtlich der nachgefragten Sortimente hätten lediglich Gesamtaussagen vorgelegen, sodass daraus keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Kunden unterschiedlicher Herkunftsbereiche hätten gezogen werden können. Hinsichtlich der Frage der ungleichen Reichweite von Sortimenten unterschiedlicher Bedarfsfristigkeiten habe man eine auf den Erfahrungswerten eigener Untersuchungen basierende Gewichtung vorgenommen.

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Soweit J&K eine Umsatzumverteilung von 40% für den periodischen Bedarf und den untersuchten Einzugsbereich angenommen habe, lösten sie sich nicht nur von dem festgestellten Kundenanteil von 20%, sondern verdoppelten diesen sogar auf 40%. Diese Relation sei fern jeder Realität und könne von ihr aus langjähriger Tätigkeit in keinem vergleichbaren Standort auch nur ansatzweise bestätigt werden. Diese Verdoppelung funktioniere auch rechnerisch nicht. Würde man dieses Vorgehen auf alle Kunden aus dem Nahbereich des Ostseeparks übertragen, also auch mit denen aus Zone 1 (Schwentinental) sowie der Zone 2a (das ländliche Gegenstück zum Kieler Nahbereich

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der Zone 2b), mithin das Umsatzgewicht aller Nahbereichskunden verdoppeln, würde nahezu der gesamte künftige Projektumsatz ausschließlich von Kunden des Nahbereichs mit etwa 100.000 Kunden getragen werden, ohne die weiteren 300.000 Kunden überhaupt in Ansatz zu bringen.

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J&K ließen schlicht unberücksichtigt, dass diese Haushalte auch in der Ausgangslage bereits im Ostseepark, im CITTI-Park, bei Plaza (nunmehr Sky XXL) und in der Kieler Innenstadt und in vielen weiteren Märkten einkauften. Es werde nicht berücksichtigt, dass auch derartige Kaufkraftströme in die „Neue Mitte" verlagert würden, mithin nicht der gesamte mit Kunden aus dem Kieler Teilraum getätigte Umsatz des Planvorhabens deren wohnortnaher Versorgung entzogen würde.

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Zudem bleibe die Kritik, dass J&K den Umsatzanteil des Planvorhabens, der mit Kunden aus dem abgegrenzten Kieler Teilraum getätigt werde, im Vorwege selbst festgelegt habe, obwohl dieser eigentlich das Untersuchungsergebnis hätte sein müssen.

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Die Beigeladene zu 2) beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, dass von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche in den Kieler Ostbezirken, insbesondere Gaarden-Ost zu erwarten seien. Dies werde belegt durch die gutachterlichen Stellungnahmen von J&K. J&K hätten zwar nur die Betroffenheit der Versorgungsbereiche in den Kieler Ostbezirken untersucht, jedoch liege hierin kein methodischer Mangel, vielmehr sei es durchaus üblich, dass die Betrachtung - wie hier - auf die am stärksten betroffenen Versorgungsbereiche beschränkt werde. Gerade in Gaarden-Ost habe es in den siebziger Jahren eine blühende Einzelhandelsstruktur gegeben, die heute nicht mehr ansatzweise vorhanden sei. Das Stadtteilzentrum habe seine über den Stadtteil hinausgehende Ausstrahlungskraft verloren. Diese Entwicklung sei einhergegangen mit einer fortlaufenden Schädigung durch den Ostseepark. Die Annahme von J&K, das geplante Einkaufszentrum werde in hohem Umfange Kunden aus den Kieler Ostbezirken binden, sei auch begründet. Die Verbindung zwischen diesen Bezirken und dem Ostseepark mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei sehr gut und werde von den Menschen auch tatsächlich genutzt.

116

Die Beigeladene zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.

117

Sie ist der Auffassung, dass aus den von der Klägerin dargestellten Gründen schädliche Auswirkungen auf benachbarte zentrale Versorgungsbereiche nicht zu befürchten seien. Bereits bestehende Vorschädigungen könnten nicht festgestellt werden. Leerstände einzelner Läden, die durchaus im Rahmen der üblichen Fluktuation vorkämen, reichten für die Annahme von Vorschädigungen nicht aus. Dass in den betroffenen Versorgungsbereichen etwa Magnetbetriebe gefährdet wären, sei nicht ersichtlich. Die Verhältnisse in Gaarden resultierten nicht aus der Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark, sondern hätten ihre Ursache u.a. darin, dass die Bewohner früher einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wären, heute hingegen eine hohe Arbeitslosigkeit bestehe. Die festgestellten Umsatzumverteilungsquoten seien gering und für alle betroffenen Versorgungsbereiche unterhalb der tolerierbaren Quote von 6 %. Selbst dann, wenn man von bestehenden Vorschädigungen ausginge, die eben nicht belegt seien, könne nicht bereits jede zusätzliche Umsatzumverteilung auch im geringen einstelligen Prozentbereich zur Begründung schädlicher Auswirkungen herangezogen werden.

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Die Beigeladene zu 4) hat keinen eigenen Antrag gestellt.

119

Sie ist der Auffassung, dass von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf ihren zentralen Versorgungsbereich zu erwarten seien. Soweit die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hätten, die Situation habe sich in den benachbarten Versorgungszentren mittlerweile verbessert, könne sie dieser Einschätzung keinesfalls zustimmen. Das Gegenteil sei der Fall: Die Lage habe sich verschlechtert. So habe sie in der Innenstadt zwischenzeitlich ein weiteres Bekleidungsgeschäft durch Betriebsaufgabe verloren und ein Buchladen habe seine Verkaufsfläche reduzieren müssen.

120

Die Beigeladenen zu 1) und 5) haben sich am Verfahren nicht aktiv beteiligt.

121

Die Beigeladene zu 3) hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, zu der Frage, ob Vorschädigungen in den zentralen Versorgungsbereichen Preetz, Lütjenburg und Gaarden-Ost vorliegen, Beweis zu erheben durch Einvernahme des präsenten Sachverständigen Gustafsson.

122

Die Kammer hat diesen Beweisantrag abgelehnt und die Ablehnung in der mündlichen Verhandlung mündlich begründet.

123

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Gutachten der Firmen B...Gesa AG und J... & K... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht der begehrte Bauvorbescheid für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit Veranstaltungssaal nicht zu; die angefochtenen Bescheide vom 27.05.2013 und 25.11.2013 halten jedenfalls im Ergebnis einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand.

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Die Klage ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Klägerin bereits im Besitz des von ihr erstrebten Bauvorbescheides wäre. Allerdings kann auch ein Bauvorbescheid fiktiv entstehen, wenn die Bauaufsichtsbehörde nicht innerhalb der in § 69 LBO festgelegten Fristen die Bauvoranfrage bearbeitet. Gemäß § 66 Satz 3 LBO gilt § 69 Abs. 5 bis 9 LBO entsprechend. Diese Vorschrift stellt aber eine Rechtsgrundverweisung mit der Folge dar, dass auch im Vorbescheidsverfahren die Genehmigungsfiktion entsprechend § 69 Abs. 9 LBO nur eintritt, wenn es sich um ein Vorhaben handelt, dass in das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren fällt oder durch Entscheidung des Bauherrn fallen könnte. Eine Genehmigungsfiktion tritt mithin nicht ein, wenn ein Sonderbau im Sinne des § 51 LBO Gegenstand einer Bauvoranfrage ist (vgl. Domning / Möller / Bebensee, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Kommentar, § 66 Rnr. 89; OVG Schleswig, Urteil vom 19.02.2004 - 1 LB 63/03 -; BVerwG, Beschluss vom 27.05.2004 - 4 B 40.04 -). Vorliegend handelt es sich um einen Sonderbau nach § 51 Abs. 2 Nr. 3 und 6 LBO, der zwingend im Baugenehmigungsverfahren nach § 67 LBO zu bearbeiten wäre.

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Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides, weil diesem gemäß §§ 73 Abs. 1, 66 LBO öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Gegenstand der Bauvoranfrage ist allein, aber auch umfassend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens mit seinen beiden Varianten, jeweils kombiniert mit einem Veranstaltungssaal für 500 Personen.

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Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich hier nach § 34 BauGB.

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Ein Grundstück fällt zwar nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Daher können Außenbereichsflächen auch in solchen Gebieten liegen, die in einem größeren Rahmen von Bebauung umgeben sind. Von einem solchen „Außenbereich im Innenbereich" bzw. einer „Außenbereichsinsel im Innenbereich" spricht man schlagwortartig - allerdings ohne dass damit etwa ein eigener unbestimmter Rechtsbegriff gemeint wäre -, wenn eine ringsum von Bebauung umgebende Freifläche so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt und deshalb nicht als - nach den Kriterien des § 34 BauGB bebaubare - Baulücke erscheint (BVerwG, Beschluss vom 15.09.2005 - 4 BN 37/05 -). Die eine solche Fläche umgebende Bebauung ist dann nämlich nicht mehr in der Lage, die Planersatzfunktion von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zu erfüllen, so dass die Bebauung einer solchen Fläche ein Planungserfordernis auslöst. Dabei lässt sich nichts allgemein Gültiges darüber sagen, wie sich namentlich die Größe einer solchen unbebauten Fläche auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt. Zwar findet die Möglichkeit, eine den Zusammenhang wahrende Baulücke anzunehmen, auch in dessen Größe eine obere Grenze, jedoch lässt sich eine absolute Zahl als Grenzwert insoweit nicht angeben. Bei der Beurteilung, ob in solchen Fällen noch eine Baulücke anzunehmen ist, ist insbesondere die Struktur der vorhandenen umgebenden Bebauung maßgeblich. Eine kleinteilige Bebauung im städtischen Bereich spricht eher dafür, größere Freiflächen dem Außenbereich zuzuordnen. Eine uneinheitliche, aufgelockerte Bebauung im ländlichen Raum mit großen Freiflächen um die Häuser herum legt es daher nahe, selbst bei größeren Entfernungen eine Baulücke im Innenbereich zu bejahen. So ist in der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts u.a. im ländlichen Raum in einem von großvolumigen Baukörpern mit großzügigen Freiflächen geprägten Bereich bei einer Ausdehnung von 70 bis 80 m in der Luftlinie noch der Eindruck der Geschlossenheit bejaht worden (Urteil vom 30.05.2001 - 1 L 61/00 -). Von einer solchen Situation gehen die Beteiligten bezüglich des streitbefangenen Grundstücks zu Recht aus. Die ohne Frage sehr ausgedehnte Fläche (geschätzt 28.000 qm; nähere Angaben befinden sich im Verwaltungsvorgang nicht), auf der das Einkaufszentrum errichtet werden soll, ist nämlich durchgängig von ähnlich großen Grundstücken mit teils ebenso großvolumiger Bebauung bereits umgeben, so dass keine Zweifel daran bestehen können, dass sich die Vorhabenfläche noch als Teil des in Form des Ostseeparks bestehenden Bebauungszusammenhangs darstellt.

129

Das Vorhaben fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Dabei kann offenbleiben, ob die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB entspricht. Im Urteil vom 19.10.2000 (- 5 A 1098/99 -) ist das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem gesamten Ostseepark um ein faktisches Sondergebiet „Einkaufszentrum" i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO handelt. Aus Sicht des Kunden, worauf maßgebend abzustellen sei, stellten sich die Betriebe im Ostseepark als aufeinander bezogen, durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden dar. Schwentinental ist hingegen der Auffassung, bei dem Ostseepark handele es sich um eine Gemengelage. Hierfür spricht, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16.09.2010 (- 4 C 7/10 -) zwar offengelassen hat, ob es rechtlich zulässig wäre, faktische Sondergebiete für Einkaufszentren und den großflächigen Einzelhandel anzuerkennen, andererseits aber in dieser Entscheidung ausgeführt hat, dass im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB in der Baunutzungsverordnung „bezeichnet" nur solche Baugebiete seien, für die die Baunutzungsverordnung die Art der zulässigen Nutzung selbst regele. Sondergebiete i.S.d. § 11 BauNVO erfüllten diese Voraussetzungen nicht, weil nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO die Gemeinde die Art der zulässigen Nutzung festzusetzen habe. Auch wenn die Kammer mit der Schwentinental daher zu der Ansicht neigt, dass die nähere Umgebung als Gemengelage einzustufen ist, bedarf es einer abschließenden Entscheidung hierzu nicht, weil sich das streitgegenständliche Vorhaben seiner Art nach so oder so in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

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Das Vorhaben fügt sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB auch nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Auch der Beklagte geht im Ablehnungsbescheid vom 27.05.2013 davon aus, dass sich das Vorhaben in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche, die absolute Höhe und die Kubatur entweder in die nähere Umgebung einfüge oder aber als rahmenüberschreitendes Vorhaben nicht dazu geeignet wäre, bodenrechtlich beachtliche Spannungen auszulösen. Lediglich das von Kiel in Auftrag gegebene Rechtsgutachten der Kanzlei Baumeister durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Bischopink geht davon aus, dass sich das Vorhaben bereits nicht nach dem Maß der baulichen Nutzung bzw. der überbaubaren Grundstücksfläche einfüge. Zu dieser Einschätzung gelangt er, indem er aus Sicht der Kammer den Rahmen der näheren Umgebung viel zu eng zieht, nämlich lediglich das Straßengeviert Carl-Zeiss-Straße, Dieselstraße, Gutenbergstraße und Mergenthaler Straße als maßgebende Umgebungsbebauung heranzieht. Angesichts der gleichartigen Nutzung und Bebauung im Ostseepark sowie der Größe der benachbarten Grundstücke und Baukörper kommt diesen Straßen aber keine trennende Wirkung zu.

131

Sowohl das Warenhaus Real, das Baltic-Center als auch der Komplex Parc‘s geben den Rahmen für die überbaute Grundfläche noch vor, so dass sich Vorbilder für das Vorhaben finden.

132

Das Vorhaben scheitert aber an der Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB. Danach dürfen von Vorhaben nach Abs. 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Das ist hier nach Überzeugung der Kammer der Fall.

133

Zentrale Versorgungsbereiche i.S.d. Bestimmung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Bei der Beurteilung, ob ein Versorgungsbereich einen zentralen Versorgungsbereich i.S.d. Vorschrift bildet, bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung der städtebaulich relevanten Gegebenheiten. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2009 (- 4 C 2/08 -) können auch Grund- und Nahversorgungszentren zentrale Versorgungsbereiche in diesem Sinne sein. Ziel des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Erhaltung gewachsener städtebaulicher Strukturen und die Entwicklung integrierter Lagen auch im Interesse der verbrauchernahen Versorgung. Entscheidend ist, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. Dabei kann Zentralität durchaus kleinteilig sein. Ein zentraler Versorgungsbereich kann schon angenommen werden, wenn der Versorgungsbereich einen gewissen, über seine eigenen Grenzen hinausgehenden räumlichen Einzugsbereich mit städtebaulichem Gewicht hat und damit über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wirkt.

134

Vorhaben i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB können alle Arten von Einzelhandelsbetrieben sein. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie bereits großflächig i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO sind. Zugrundezulegen ist das beantragte Vorhaben, d.h. das Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB. Im Falle der Erweiterung eines vorhandenen Einzelhandelsbetriebes ist die Zulässigkeit des Gesamtvorhabens zu prüfen (OVG Münster, Urteil vom 06.11.2008 - 10 A 1417/07 -). Die städtebauliche Situation wird nämlich auch durch den Betrieb, dessen Erweiterung beantragt wird, in seinem bisherigen Bestand geprägt. Der vorhandene Betrieb kann - ggf. im Zusammenwirken mit weiteren Einzelhandelsbetrieben an einem nicht integrierten Standort - bereits gegenwärtig die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs gefährden. In einem solchen Fall können selbst Erweiterungen eines Betriebes, die lediglich das vorhandene Sortiment auf größerer Fläche präsentieren sollen, zu schädlichen Auswirkungen führen. Der Markt kann sich aber auch auf die vorhandene Situation in der Weise eingestellt haben, dass sich eine geringfügige Verkaufsflächenerweiterung nicht auf die bestehende Umsatzverteilung auswirkt.

135

Schädliche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn die Funktionsfähigkeit des betroffenen zentralen Versorgungsbereichs in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört wird. Eine solche Funktionseinschränkung liegt vor, wenn der Versorgungsbereich seinen Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substantieller Weise wahrnehmen kann. Daraus ergibt sich weiter, dass Auswirkungen auf Versorgungsbereiche nicht erst dann schädlich sind, wenn sie die Schwelle der Unzumutbarkeit überschreiten, also der Verlust der städtebaulichen Funktion als zentraler Versorgungsbereich zu erwarten ist (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 1/08 -). Schutzzweck des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Vermeidung städtebaulich nachteiliger Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche. Es soll eine bestimmte städtebauliche Struktur erhalten werden, die sich durch Zentralität auszeichnet und eine diffuse Verteilung von Einrichtungen in die Fläche vermeidet. Die Unzulässigkeit von Betrieben kann nach dem Schutzzweck des § 34 Abs. 3 BauGB auch dazu beitragen, dass sich durch den dadurch bewirkten Schutz ein ggf. auch schon beeinträchtigter Versorgungsbereich positiv entwickelt und aufgewertet wird (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rnr. 85b und 86c). Eine Schädigung kann unter Umständen bereits im Falle einer Schwächung des Versorgungsbereiches vorliegen, wenn das Vorhaben auf eine „eher bereits eingeschränkte Versorgungssituation" trifft (BVerwG, Beschluss vom 11.06.2010 - 4 B 75/09 -). Nicht zu verlangen ist, dass die schädlichen Auswirkungen schon unmittelbar mit oder nach der Errichtung des zur Genehmigung anstehenden Vorhabens eintreten (Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rnr. 86k).

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Schädliche Auswirkungen können sich auch daraus ergeben, dass das geplante Vorhaben zusammen mit bereits vorhandenen Betrieben eine Beeinträchtigung des geschützten Versorgungsbereichs bewirkt, denn ein gerade noch unbedenkliches Nebeneinander eines Einzelhandelsbetriebes an einem nicht integrierten Standort in räumlicher Nähe zum Versorgungsbereich kann durch das Hinzutreten eines weiteren Vorhabens in eine städtebaulich beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereiches umschlagen. Insofern geht auch eine Einwand fehl, das Versorgungszentrum habe sich doch auf die bestehenden Einzelhandelsbetriebe eingestellt, so dass durch das streitige Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -). Eine etwaige Vorschädigung des zentralen Versorgungsbereiches ist bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Vorhabens also zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung der Kammer erst recht, wenn vorhandene, außerhalb von zentralen Versorgungsbereichen gelegene Einzelhandelsbetriebe diese schon schädigen (Urteil vom 06.12.2014 - 2 A 146/13 -, n.rk.). Eine solche Vorschädigung kann insbesondere auf bereits vorhandene großflächige Einzelhandelsbetriebe im Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs zurückzuführen sein (BVerwG, Beschluss vom 17.02.2009-4 B4/09 -).

137

Ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, ist im Rahmen einer anzustellenden Prognose festzustellen. Die Bauaufsichtsbehörde und das Verwaltungsgericht müssen dies im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufklären, so dass es im Regelfall auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast bei dieser Prognoseentscheidung nicht ankommen wird (OVG Münster, Urteil vom 13.06.2007 - 10 A 2439/06 -). Eine nur unter bestimmten Voraussetzungen widerlegbare Regel, dass bei Überschreiten einer bestimmten Verkaufsund Geschossfläche schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, stellt § 34 Abs. 3 BauGB - anders als § 11 Abs. 3 BauNVO - nicht auf. Allerdings bietet das Überschreiten der in § 11 Abs. 3 BauNVO festgelegten Großflächigkeit des Vorhabens zumindest Anlass zu kritischer Betrachtung. Ob die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 BauNVO im Rahmen der Prognose als Indiz oder sonst wertend berücksichtigt werden kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt. Im Rahmen der Prognose des § 34 Abs. 3 BauGB sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere die Verkaufsfläche des Vorhabens im Verhältnis zu „den im Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen derselben Branche", die voraussichtliche Umsatzverteilung, die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich, eine etwaige „Vorschädigung" des Versorgungsbereichs oder die Gefährdung eines „Magnetbetriebs", der maßgebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat, das Vorhandensein branchengleicher Einzelhandelsangebote an nicht integrierten Standorten im Einzugsbereich des Versorgungsbereichs und die Kundenattraktivität des geplanten Vorhabens durch standortbedingte Synergie-Effekte (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 4/07 -; Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -).

138

Bei der Entscheidung, ob von einem Vorhaben schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, sind diejenigen Auswirkungen zugrundezulegen, die typischer Weise von einem Betrieb der Art, wie er zur Genehmigung gestellt wird, an der betreffenden Stelle zu erwarten sind. Der Prognose muss eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis zugrunde liegen. Als geeignete Methode kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verkaufsflächenvergleich zwischen der Verkaufsfläche des Vorhabens und der Verkaufsfläche des betroffenen Versorgungsbereichs in Betracht, jedenfalls in einer Gesamtschau mit den maßgebenden o.g. städtebaulichen Faktoren, wobei der bloße Verkaufsflächenvergleich allein nicht überbewertet werden soll. Einem derartigen Vergleich kann auch nicht entgegengehalten werden, ökonomische Effekte spielten sich nach dem Grundsatz der systemgleichen Konkurrenz nur zwischen den Betrieben an den nicht integrierten Standorten ab (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -). Nicht zwingend erforderlich ist daher, dass ein Verkaufsflächenvergleich zwischen dem Vorhaben einerseits und der Gesamtverkaufsfläche aller im Einzugsbereich des Vorhabens gelegenen Einzelhandelsbetriebe vorgenommen wird (OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 - 7 A 1635/07 - ). Die Aussagekraft eines Verkaufsflächenvergleichs lässt bei zunehmender Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen Zentrum und bei weniger eindeutigen Relationen in Bezug auf die geplanten und die bereits vorhandenen Verkaufsflächen nach. In derartigen Konstellationen wird regelmäßig ein Rückgriff auf ein ergänzendes Marktgutachten zur Ermittlung von Kaufkraftabflüssen notwendig sein. Letztlich ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, die Methode zu bestimmen, anhand derer mögliche schädliche Auswirkungen prognostiziert werden. So wie sich beim Verkaufsflächenvergleich keine festen Prozentsätze angeben lassen, bei deren Unterschreiten stets von unschädlichen Auswirkungen auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -), erscheint auch für die Umsatzumverteilung fraglich, ob sich ein fester Prozentsatz nennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 1/08 -; ablehnend OVG Münster, Urteil vom 13.06.2007 - 10 A 2439/06 - und Urteil vom 11.12.2006 -7 A 964/05 -). Einige Obergerichte gehen allerdings bei nicht vorgeschädigten Versorgungsbereichen von einer Erheblichkeitsschwelle von 10% aus. Das OVG Münster hat im Falle einer Vorschädigung eine festgestellte Umsatzumverteilung von 7,9% bis 8,8% beim periodischen Bedarf und von 4,5% bezogen auf alle Einzelhandelsbranchen als ausreichend für die Feststellung schädlicher Auswirkungen angesehen (OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 - 7 A 1635/07 -).

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Bei Anlegung dieser Maßstäbe lassen sich vorliegend nach Überzeugung der Kammer - auch ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder Befragung der bereits beteiligten Gutachter - im Rahmen einer Gesamtschau aller bekannten städtebaulichen Faktoren auf der Basis eines Verkaufsflächenvergleichs und der Würdigung der bereits vorliegenden Gutachten schädliche Auswirkungen des streitgegenständlichen Vorhabens jedenfalls bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost feststellen. Dies gilt sowohl für die Variante 1 als auch für die Variante 2 der streitgegenständlichen Bauvoranfrage, für die nach der Erklärung der Klägerin vom 14.11.2012 dieselben Sortimentsangaben gelten, wobei diese für den modischen Bedarf durch Erklärung vom 10.01.2013 für beide Varianten auf 8.000 qm Verkaufsfläche erhöht worden ist.

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Entgegen der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung muss Ausgangspunkt der Überlegungen das hier streitbefangene Bauvorhaben mit seiner Verkaufsfläche von max. 15.000 qm, nicht hingegen die Verkaufsfläche des gesamten Ostseeparks sein. Der Beklagte verweist zwar zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach im Falle einer Erweiterung eines Einzelhandelsbetriebes der Betrieb in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen ist. Legt man vorliegend den Ansatz der 5. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts im Urteil vom 19.10.2000 sowie die übereinstimmende Einschätzung von Klägerin und Beklagten zugrunde, dass es sich beim Ostseepark um ein faktisches Sondergebiet Einkaufszentrum handelt, könnte das Vorhaben - obwohl selbst ein Einkaufszentrum - die „Erweiterung" des Einkaufszentrums Ostseepark darstellen mit der Folge, dass im Rahmen der Prüfung schädlicher Auswirkungen die Gesamtverkaufsfläche des Ostseeparks einschließlich der geplanten Verkaufsfläche des streitigen Vorhabens zum Ausgangspunkt der Überlegung gemacht werden könnte/müsste. Würde man diesen Ansatz vertreten, lägen die Umsatzumverteilungsquoten ersichtlich weit über der von der Klägerin immer wieder herangezogenen und in der Rechtsprechung als Faustformel entwickelten Erheblichkeitsschwelle von 10%. Allerdings lässt sich aus Sicht der Kammer nicht feststellen, dass das Vorhaben eine Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums Ostseepark darstellt. Bei der Wertung, beim Ostseepark handele es sich um ein Einkaufszentrum, hat die 5. Kammer zu Recht auch maßgeblich auf das geschlossene Auftreten nach außen abgestellt. Ob der Betreiber des streitbefangenen Vorhabens sich diesem Auftreten anschließen wird, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht gewiss und gerade eben nicht Inhalt der Voranfrage. Das Vorhaben erfüllt auch selbst alle Anforderungen an ein solches i.S.d. § 29 BauGB. Es handelt sich selbst um ein Einkaufszentrum, das auf ein organisatorisches Zusammenwirken mit dem Ostseepark nicht zwingend angewiesen ist. Von daher verbietet es sich vorliegend, von vornherein den gesamten Ostseepark als einheitliches Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB zu betrachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber Ausgangspunkt der Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB immer das Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB. Aus Sicht der Kammer führt die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage letztlich aber nicht zu anderen Ergebnissen. Auch im Falle einer Erweiterung eines Betriebes können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bestandsflächen unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Einzelhandel in den betroffenen Versorgungsbereichen hierauf schadlos eingestellt hat. Andererseits sind nach dieser Rechtsprechung auch im Falle der Neuerrichtung eines Einzelhandelsbetriebes die bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe mit in den Blick zu nehmen, nämlich hinsichtlich der Frage, ob die durch das Vorhaben betroffenen zentralen Versorgungsbereiche bereits vorgeschädigt sind. Die Frage, ob Schädigungen zu erwarten sind, lässt sich auch nicht schematisch an der von der Klägerin immer wieder herangezogenen Erheblichkeitsschwelle von 10% beantworten. Der Ostseepark ist daher mit seinen Verkaufsflächen so oder so im Rahmen der Prognose schädlicher Auswirkungen mit einzubeziehen.

141

Nach Überzeugung der Kammer stellt der vom Beklagten im Ausgangsbescheid vorgenommene Verkaufsflächenvergleich zwischen den Verkaufsflächen des streitbefangenen Vorhabens und einzelnen Versorgungsbereichen, insbesondere dem Versorgungsbereich Preetz und dem Stadtteilzentrum Gaarden-Ost, ein erhebliches und vorliegend letztlich durchschlagendes Indiz für zu befürchtende schädliche Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB dar. Der Verkaufsflächenvergleich ist insbesondere vom OVG Münster und vom Bundesverwaltungsgericht wiederholt als geeignete Methode im Rahmen der Prognose schädlicher Auswirkungen anerkannt worden, ohne dass sich dabei für den Verkaufsflächenvergleich feste Prozentsätze angeben ließen, bei dessen Unterschreiten stets von unschädlichen und bei dessen Überschreiten immer von schädlichen Auswirkungen auszugehen ist (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -). Eine Pflicht zur Einholung eines Marktgutachtens hat das Bundesverwaltungsgericht nur ausnahmsweise für die Fälle angenommen, in denen die Aussagekraft eines Verkaufsflächenvergleichs bei zunehmender Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen Zentrum und bei weniger eindeutigen Relationen in Bezug auf die geplanten und die bereits vorhandenen Verkaufsflächen nachlässt. Letztlich ist es Sache des Instanzgerichts, ob es den Verkaufsflächenvergleich in Verbindung mit allen städtebaulichen Umständen des konkreten Einzelfalls als ausreichende Tatsachengrundlage ansieht. Ein derartiger Ausnahmefall i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in dem eine Pflicht zur Einholung eines Marktgutachtens und dessen vorrangige Berücksichtigung gegenüber dem Verkaufsflächenvergleich besteht, wird hier von der Kammer nicht gesehen. Das OVG Münster sowie das Bundesverwaltungsgericht sind bereits in einem Fall, indem die Verkaufsfläche des Vorhabens bezogen auf ein Sortiment ca. 75% der Verkaufsfläche dieses Sortiments im zentralen Versorgungsbereich betrug, davon ausgegangen, dass sich hieraus wegen der Eindeutigkeit ohne weiteres die Schlussfolgerung schädlicher Auswirkungen ziehen lasse. Vorliegend bestehen aber eindeutige Relationen von mehreren 100% bezogen auf einzelne zentrenrelevante Sortimente; so etwa hinsichtlich des modischen Bedarfs von 571% bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und 552% auf das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost. Auch die Entfernungen zwischen Preetz und Gaarden-Ost sind mit ca. 9 km (10 Minuten Pkw-Fahrtzeit) bzw. ca. 6 km (8 Minuten Pkw-Fahrtzeit) nicht derart groß, dass hier trotz der extremen Deutlichkeit der Relation zwischen den Verkaufsflächen ausnahmsweise nur ein Marktgutachten Grundlage für die anzustellende Prognose sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kieler Ostbezirke, also auch Gaarden-Ost sowie Preetz neben Schwentinental selbst die dem Vorhaben nächstgelegenen Siedlungsgebiete darstellen. Der Verkaufsflächenvergleich ist entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend auch nicht deshalb ausnahmsweise ungeeignet, weil das Vorhaben über einen sehr großen Einzugsbereich mit ca. 407.000 Einwohnern und einer Vielzahl von betroffenen Versorgungsbereichen verfügt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die mit der Errichtung eines Einkaufszentrums verbundenen Umsatzumverteilungen bezogen auf einzelne Versorgungsbereiche verringern, wenn eine Vielzahl von Versorgungsbereichen betroffen ist. Aus Sicht der Kammer bedeutet dies aber vorliegend nicht, dass der Verkaufsflächenvergleich keine Aussagekraft besitzt. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse und der Nähe zum Vorhaben gerade der zentrale Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost in ganz besonderer Weise durch das Vorhaben betroffen werden. Bei Preetz ist die städtebauliche Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich in einer Entfernung bis zu 30 km um diese Stadt herum kein großes Einkaufszentrum befindet. Die Einwohner von Preetz sind ohnehin auch zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ausgerichtet auf die Landeshauptstadt Kiel. Die Verkehrsanbindung zwischen Preetz und Kiel ist u.a. durch die B 76 sehr gut. Gerade unmittelbar an dieser B 76 befindet sich der Ostseepark in Schwentinental. Die Einwohner von Preetz, die ohnehin tagsüber die Landeshauptstadt Kiel aufsuchen, können daher ohne jeglichen Zeitverlust und angesichts einer Vielzahl vorhandener Parkplätze ohne jeglichen Aufwand den Ostseepark in Kiel aufsuchen und dort ihre Einkäufe erledigen, und zwar hinsichtlich aller Bedarfsgruppen. Alternativ stehen für sie nur noch die weiter entfernte Kieler Innenstadt oder der Sonderstandort CITTI/Ikea/Plaza zur Auswahl. Angesichts der ohnehin schon bestehenden Konkurrenzsituation zum Ostseepark ist angesichts der Verkaufsflächenrelation von 571% bezogen auf die Bedarfsgruppe des modischen Bedarfs ohne weiteres der Schluss schädlicher Auswirkungen gerechtfertigt, ohne dass es überhaupt auf die Feststellungen von bereits bestehenden Vorschädigungen ankäme.

142

Diese Feststellung wird durch die vorliegenden Marktgutachten nicht entkräftet oder gar widerlegt. So gehen die vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen von J&K davon aus, dass es durch das Vorhaben zu erheblichen, deutlich über 10% liegenden Kaufkraftabflüssen in den Versorgungsbereichen der Kieler Ostbezirke und zu einer erheblichen Schädigung dieser Versorgungsbereiche kommen werde. Allerdings hat B... eine Reihe von erheblichen Einwendungen gegen die Berechnung der Kaufkraftabflüsse erhoben. So haben J&K ihrer Prognose tatsächlich Käuferströme zugrundegelegt, die von der im Jahre 2007 durchgeführten Kundenherkunftsbefragung deutlich bis hin zum Doppelten für den periodischen Bereich abweichen. Auch haben J&K lediglich einen Teilbereich des Einzugsbereichs des Vorhabens untersucht und damit die Aussagekraft ihrer Stellungnahme von vornherein eingeschränkt. Wohl zu Recht weist B... auch daraufhin, dass der Ansatz von J&K teilweise auch rechnerisch nicht zu überzeugen vermag, weil dann auch eine Verdoppelung der Kaufkraftabflüsse bzgl. des periodischen Bedarfs für den gesamten Nahbereich vorgenommen werden müsste mit der Folge, dass der gesamte diesbezügliche künftige Projektumsatz ausschließlich von Kunden des Nahbereichs mit etwa 100.000 Kunden getragen würde, ohne dass die übrigen 300.000 Kunden überhaupt Berücksichtigung fänden. Selbst aber dann, wenn man davon ausginge, dass die von J&K prognostizierten Umsatzumverteilungsquoten methodisch insoweit nicht belastbar sind, bleibt aus Sicht der Kammer doch der entscheidungserhebliche Umstand, dass J&K hinsichtlich des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost von einer Vorschädigung ausgehen. J&K haben die städtebaulich relevanten Umstände dargestellt, die die Annahme einer Vorschädigung tragen. Nach den Feststellungen von J&K ist das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost das bedeutendste Nebenzentrum im östlichen Kieler Stadtgebiet. Es soll hier in Ergänzung zur Kieler Innenstadt wichtige Versorgungsfunktionen in allen Bedarfsstufen für die Bevölkerung des Ostufers übernehmen. Gleichwohl liegt der Angebotsschwerpunkt mit rund 5.350 qm Verkaufsfläche (68%) vor allem in der Warengruppe des kurzfristigen Warenbereiches, während Angebote des mittelfristigen (1.670 qm, 21%) und langfristigen (875 qm, 11%) Bedarfsbereiches eher einen ergänzenden Charakter haben. Diese ihm eigentlich obliegende Versorgungsfunktion kann das Stadtteilzentrum nach diesen Feststellungen bereits heute nur teilweise bzw. in bestimmten Angebotssegmenten auch gar nicht erfüllen. Nach den Feststellungen von J&K ist diese Situation auch auf eine ausgeprägte Wettbewerbssituation zum nahegelegenen Standort Ostseepark (ca. 6 km) aufgrund gleichartiger Angebote zurückzuführen, so dass von einer gewissen „Vorschädigung" gesprochen werden könne. J&K gehen davon aus, dass schon einzelne Betriebsaufgaben das Angebot spürbar ausdünnen würden, was einen Funktionsverlust mit sich brächte. In seinen ergänzenden Stellungnahmen bestreitet B... zwar, dass das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost eine Vorschädigung aufweist, die durch eine Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark hervorgerufen worden ist. B... räumt aber in seiner Stellungnahme vom 27.09.2013 ein, dass Problemlagen im Stadtteilzentrum Gaarden-Ost gleichwohl offenkundig seien. Ebenso offenkundig sei jedoch auch, dass diese nicht oder nicht primär auf eine Wettbewerbssituation zum Ostseepark zurückzuführen, sondern in einer schwierigen sozialdemografischen Schichtung im Stadtteil selbst begründet seien. Die Lösung der sozialen Problematik im Stadtteil Gaarden-Ost werde durch Einzelhandelspolitik und Eingriffe in den Wettbewerb nicht gelingen - egal ob nun im Ostseepark ein Shopping-Center entstehe oder nicht. Soweit B... immer wieder betont, dass diese „Vorschädigung" des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost nicht durch die Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark bedingt sei, wird auf einen Gesichtspunkt abgestellt, dem rechtlich aus Sicht der Kammer keine Bedeutung zukommt. Abgesehen davon, dass es nicht vorstellbar ist, dass der Ostseepark mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche keinen Wettbewerbsdruck auf dieses nahegelegene Versorgungszentrum ausgeübt hat, kommt es auch überhaupt nicht darauf an, woraus die Vorschädigung resultiert. Möglich erscheint hier aus Sicht der Kammer aufgrund der Feststellungen von B... durchaus, dass auch die Ansiedlungspolitik von Kiel, nämlich die Zulassung großer Sonderstandorte, zusammen mit dem Ostseepark ursächlich für die Schädigung der eigenen zentralen Versorgungsbereiche ist. Nach Auffassung der Kammer ist aber im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB allein entscheidend, ob aufgrund einer - wodurch auch immer bedingten - Vorschädigung dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich weiterer Wettbewerb nicht mehr zugemutet werden kann, weil anderenfalls eine Funktionseinschränkung droht.

143

Soweit B... zwar Vorschädigungen sieht, jedoch gleichwohl eine zusätzliche Umsatzumverteilung von max. 6% für vertretbar hält, bleibt B... hierfür jede Erklärung in den Gutachten schuldig. Ohnehin findet der von der Klägerin immer wieder betonte Ansatz, problematisch sei eine Umsatzumverteilung normalerweise erst ab einer Erheblichkeitsschwelle von 10%, im Falle einer Vorschädigung von mehr als 7,9% in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Bestätigung. Nach der Rechtsprechung der Kammer ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 BauGB, nicht erst den Verlust der Funktionsfähigkeit zu verhindern, sondern bereits zu befürchtenden Störungen der Funktionsfähigkeit vorzubeugen, dass jede „nicht nur unwesentliche" Steigerung auch solcher Störungen das Tatbestandsmerkmal des § 34 Abs. 3 BauGB erfüllt, die schon durch andere Einzelhandelsbetriebe verursacht werden. Andernfalls müsste im Falle einer bestehenden Vorschädigung durch das Zulassen einer unbegrenzten Anzahl weiterer - jeweils bei isolierter Betrachtung unbedenklicher - Erweiterungen von Verkaufsflächen hingenommen werden, dass sich die Vorschädigung der Funktionsfähigkeit der betroffenen zentralen Versorgungsbereiche bis hin zur vollständigen Funktionsunfähigkeit entwickelt (VG Schleswig, Urteil vom 06.11.2014 - 2 A 146/13 -, n. rk.). Auch die fortlaufende Zulassung von neuen Einzelhandelsbetrieben oder die Erweiterung von Einzelhandelsbetrieben mit für sich genommenen geringen Verkaufsflächen führt über die Jahre in der Summe doch zu einer erheblichen Ausweitung der Gesamtverkaufsflächen, die auf die benachbarten zentralen Versorgungsbereiche einwirken. Tatsächlich hat sich in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung des Ostseeparks mangels einer Bauleitplanung auch in diesem Sinne verselbständigt. So wird in dem medialen Sprachrohr des Ostseeparks, dem Ostseepark-Journal, in seiner Ausgabe vom 28.11.2015 zutreffend ausgeführt: „Der Ostseepark steht für eine Erfolgsgeschichte, die bereits Ende der 1960er Jahre begann. Die damalige Gemeinde Raisdorf begann, Industrie und Handwerksbetriebe anzusiedeln, um Arbeitsplätze zu schaffen. Doch spätestens mit der Eröffnung des Diva-Verbrauchermarktes - dem heutigen Real - änderte sich 1973 das Ursprungskonzept hin zu einem großen Fachmarktzentrum, das durch Vielfalt und Qualität besticht. Mode, Handwerk, Möbel, Elektronik, Automobile: Das Angebot vergrößerte sich Jahr für Jahr. Die Fahrt zum Ostseepark wurde zu einem Familienevent... Aus den ersten bescheidenen Plänen für ein Gewerbegebiet hat sich eines der größten Einkaufszentren Norddeutschlands entwickelt, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wie beliebt ist..."

144

Dass auch der zentrale Versorgungsbereich Preetz vorgeschädigt ist, ergibt sich schon aus dem Gutachten von B.... So wird im Gutachten vom 05.09.2012 ausgeführt, dass der zentrale Versorgungsbereich Preetz über ein vielfältiges Einzelhandelsangebot verfüge, andererseits aber Leerstände sowie die teilweise sehr kleinteilige Struktur eine nur bedingte Stabilität des Einzelhandels signalisierten. Das Subzentrum Hufenweg (ebenfalls Preetz) sei solide und trage zur Stabilität der zentral örtlichen Versorgung bei, stehe jedoch zumindest partiell auch im Wettbewerb zum innerstädtischen Angebot. Insgesamt sei für die Preetzer Innenstadt eine reduzierte Wettbewerbsfähigkeit anzunehmen. Da die Angebotsstruktur im Bereich modischer Bedarf in Preetz als durchaus anfällig einzustufen sei, sollte der zentrale Versorgungsbereich Preetz vor hohen Wettbewerbsintensitäten geschützt werden. Insofern sollten die zu erwartenden Umverteilungsquoten für dieses Angebotssegment deutlich erkennbar unterhalb der generell als kritisch eingestuften 10%- Schwelle liegen. Als maximal vertretbar werde eine Quote von 6% angesehen. Anders als die Klägerin vermag die Kammer diese Ausführungen von B... bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz nur als Feststellung einer deutlichen Vorschädigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu werten. B... selbst hat auch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12.11.2012 ausgeführt, dass das Sortiment modischer Bedarf als Ergebnis der Wirkungsanalyse von zunächst avisierten 8.100 qm auf 6.500 qm Verkaufsfläche eingeschränkt werden musste, um die Zentrenverträglichkeit gewährleisten zu können. Konsequenz der Feststellung dieser Vorschädigung kann aber entgegen der Auffassung von B... und der Klägerin nicht sein, dass man dem zentralen Versorgungsbereich Preetz - ohne dass dies auch nur ansatzweise begründet worden wäre - eine weitere Umsatzumverteilung von 6% zumutet.

145

Letztlich steht die von B... verfasste Wirkungsanalyse vom September 2012 mit den nachfolgenden Ergänzungen der Annahme schädlicher Auswirkungen des Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche auch aus anderen Gründen nicht entgegen. Das Gutachten leidet zunächst daran, dass die ganz maßgebende Kundenherkunftsbefragung nicht nur aus dem Jahre 2007 stammt, also die Daten zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens bereits fünf Jahre alt waren, sondern mit 613 Befragten ohne Differenzierung nach Sortimenten bei ca. 407.000 potentiellen Kunden und über 20 betroffenen zentralen Versorgungsbereichen nicht hinreichend verlässlich aussagekräftig ist, zumal auch nach B... das Konsumverhalten hinsichtlich des periodischen Bedarfs einerseits und des mittel- und längerfristigen Bedarfs andererseits grundverschieden ist. Auch die von B... in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.09.2015 hierzu gegebenen Erläuterungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Erklärung, eine Teilsplittbildung nach Bedarfsgruppen und Herkunftsbereichen sei nicht durchgeführt worden, weil dies zu so kleinen Fallzahlen hätte führen können, dass die für diese Untergruppen gemessenen Werte aufgrund erhöhter Varianzen nicht oder nur noch mit großer Vorsicht interpretierbar gewesen wären, belegt eher die Kritik von J&K, dass der Stichprobenumfang mit 613 Befragten von vornherein zu klein gewählt war. B... bestätigt in dieser Stellungnahme vom 09.09.2015 auch, dass hinsichtlich der nachgefragten Sortimente lediglich Gesamtaussagen vorgelegen hätten, so dass daraus keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Kunden unterschiedlicher Herkunftsbereiche hätte gezogen werden können. Hinsichtlich der Frage der ungleichen Reichweite von Sortimenten unterschiedlicher Bedarfsfristigkeiten habe man eine auf den Erfahrungswerten eigener Untersuchungen basierende Gewichtung vorgenommen. Es wird damit aber nicht deutlich, inwiefern B... eben die tatsächlich bestehenden städtebaulichen Besonderheiten hinsichtlich der zentralen Versorgungsbereiche Preetz und Gaarden-Ost erfasst hat. Auch dürfte das Ergebnis der Befragung von 613 Befragten bezogen auf die über 20 betroffenen Versorgungsbereiche doch eher zufällig seien. J&K haben demgegenüber darauf hingewiesen, dass sie bei der Erstellung derartiger Marktgutachten üblicherweise 10.000 bis 15.000 Kunden befragen würden. Eine einleuchtende Begründung dafür, aus welchem Grunde diese Befragung mit derartig wenig Befragten noch repräsentativ sein sollte, wird von B... nicht gegeben.

146

Nicht ausreichend berücksichtigt hat B... zudem, dass nicht nur eine Umsatzumverteilung zwischen den im Ostseepark vorhandenen Einzelhandelsgeschäften hin zum Vorhaben erfolgen wird (etwa beim modischen Bedarf 29,4%), sondern mit der Ansiedlung eines weiteren Einkaufzentrums mit bis zu 15.000 qm Verkaufsfläche eine Attraktivitätssteigerung des gesamten Ostseeparks und damit einhergehend ein zusätzlicher Kaufkraftabfluss aus dem Umland verbunden sein muss. Diese Attraktivitätssteigerung ist auch erklärtes Ziel der Errichtung des Vorhabens. B... führt hierzu in seiner Stellungnahme vom 27.09.2013 aus, das Projekt solle konzeptionell dazu beitragen, dass sich Einzelhandelsstrukturen in den übrigen Teilräumen des Ostseeparks auf längere Sicht ausdünnten bzw. das sich die Einzelhandelsbetriebe in den peripheren Lagen des Ostseeparks in den Bereich der „neuen Mitte" verlagerten. Aus diesem Grunde und wegen der weitläufigen Anlage des Ostseeparks bestünden zwar Synergieeffekte, seien aber erkennbar deutlich behindert. Hiermit bezieht sich B... auf die von Schwentinental mit der Überplanung des Ostseeparks verfolgten Ziele. Diese Gesichtspunkte haben aber im Rahmen der Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB keine Bedeutung, weil völlig ungewiss ist, ob die Bebauungspläne Nr. 57 A bis D Geltungskraft erlangen werden. Ohne diese Bebauungspläne ist jedoch im Rahmen der Prognose von einer Nachnutzung genehmigter Einzelhandelsnutzungen mit zentrenrelevanten Sortimenten auszugehen. Dem Vorhaben kann dann aber auch eine Attraktivitätssteigerung des gesamten Ostseeparks nicht abgesprochen werden.

147

Nicht nachvollziehbar ist weiter, dass B... im Gutachten vom 05.09.2012 davon ausgeht, dass bezüglich des modischen Bedarfs 43,2% gegenüber dem Einzelhandelsbestand Ostseepark umverteilt werden, bezüglich der im Ergänzungsgutachten zugrundegelegten endgültigen Aufgabe der Adler-Altflächen in dieser Branche aber davon ausgeht, dass 3 Mio. Euro von den dort bislang erzielten 4,7 Mio. Euro (also ca. 64%) zum streitigen Vorhaben „wandern". Angesichts einer angenommenen Flächenproduktivität des Vorhabens für modischen Bedarf von 3.200 Euro/qm führt eine Erhöhung der für verträglich erachteten Fläche um 1.500 qm allein in dieser Bedarfsgruppe zu einer Umsatzsteigerung von 4,8 Mio. Euro, die schwerlich bedingt sein kann durch den Wegfall der Adler-Altflächen mit einem Gesamtumsatz von 4,7 Mio. Euro. Insofern ist die von J&K geübte Kritik an der Berücksichtigung der Adler-Altflächen im Gutachten von B... berechtigt.

148

Letztlich hat bei B... die besondere Lage von Preetz nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden. Mangels nahe gelegener größerer Städte und wegen der besonders günstigen Verkehrsanbindung ist die Bevölkerung von Preetz stark in Richtung Landeshauptstadt Kiel ausgerichtet. Der Ostseepark liegt unmittelbar an der B 76 und ist für Pendler ohne jede Mühe und ohne Parkraumprobleme quasi im Vorbeifahren erreichbar. Von daher dürfte auch die für den periodischen Bedarf von den Gutachtern attestierte Distanzempfindlichkeit insoweit keine Geltung haben. Mangels einer nach Sortimenten unterteilten Kundenherkunftsbefragung konnten diese Besonderheiten auch nicht von B... hinreichend erfasst werden. Da der zentrale Versorgungsbereich Preetz sich aber schon nach dem Gutachten von B... exakt an der für kritisch befundenen Umverteilungsquote von 6% bewegt, rechtfertigen diese Gesichtspunkte bereits die Annahme schädlicher Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz.

149

Für die Kammer bestand auch keine Veranlassung, entsprechend dem Antrag Schwentintntals zu der Frage, ob Vorschädigungen in den zentralen Versorgungsbereichen Preetz, Lütjenburg und Gaarden-Ost vorliegen, Beweis zu erheben durch Einvernahme des in der mündlichen Verhandlung präsenten Sachverständigen Gustafsson. Zum einen kommt es auf diese Frage bereits deshalb nicht an, weil die Kammer die Auffassung vertritt, dass sich auch ohne bestehende Vorschädigungen einzelner zentraler Versorgungsbereiche aus dem Verkaufsflächenvergleich der Schluss ziehen lässt, dass jedenfalls die zentralen Versorgungsbereiche Preetz und Gaarden-Ost durch das Vorhaben schädliche Auswirkungen zu erwarten haben.

150

Zum anderen steht die Durchführung einer Beweisaufnahme durch die ergänzende Vernehmung eines Sachverständigen zu einem bereits abgegebenen schriftlichen Sachverständigengutachten im Ermessen des Gerichts. Die Kammer hält die vorliegenden Gutachten mit Ergänzungen von B... und J&K für hinreichend aktuell, um auch auf der Basis dieser Gutachten schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost prognostizieren und Vorschädigungen in diesen Versorgungsbereichen feststellen zu können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Unterstützung ihres Beweisantrages geltend gemacht hat, nach den Feststellungen von B... habe sich in letzter Zeit in diesen Versorgungsbereichen eine Verbesserung eingestellt, verkennt sie, dass die Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB gerade keine Momentaufnahme darstellt, sodass es auch aus Rechtsgründen nicht darauf ankäme, ob sich im Moment gerade z.B. aufgrund geringer Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung eine Verbesserung eingestellt hat. Zudem hat die Klägerin dieses Vorbringen in keiner Weise substantiiert und glaubhaft gemacht.

151

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Es entspricht hier der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO, nur die außergerichtlichen Kosten der Landeshauptstadt Kiel für erstattungsfähig zu erklären, weil nur sie sich durch Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO am Kostenrisiko beteiligt hat.

152

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

153

Die Berufung wird gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob ein Verkaufsflächenvergleich auch dann noch ein geeignetes Mittel zur Prognose schädlicher Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB darstellt, wenn eine Anzahl von mehr als 20 verschiedenen Versorgungsbereichen durch das Bauvorhaben betroffen werden. Von grundsätzlicher Bedeutung ist weiter die Frage, ob im Falle der Feststellung von Vorschädigungen von zentralen Versorgungsbereichen gleichwohl diesem Versorgungsbereich noch weitere Kaufkraftabflüsse in nennenswertem Umfange zugemutet werden dürfen.


(1) Der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume sind durch Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei sind

1.
unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen,
2.
Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen.

(2) Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt.

(3) Die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume soll sich in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen (Gegenstromprinzip).

(4) Raumordnung findet im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1798) auch in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone statt.

(1) Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen ist von der für den Raumordnungsplan zuständigen Stelle eine Umweltprüfung durchzuführen, in der die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen des Raumordnungsplans auf

1.
Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,
2.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
3.
Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie
4.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern
zu ermitteln und in einem Umweltbericht frühzeitig zu beschreiben und zu bewerten sind; der Umweltbericht enthält die Angaben nach der Anlage 1. Der Untersuchungsrahmen der Umweltprüfung einschließlich des erforderlichen Umfangs und Detaillierungsgrads des Umweltberichts ist festzulegen; die öffentlichen Stellen, deren umwelt- und gesundheitsbezogener Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen des Raumordnungsplans berührt werden kann, sind hierbei zu beteiligen. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Raumordnungsplans angemessenerweise verlangt werden kann.

(2) Bei geringfügigen Änderungen von Raumordnungsplänen kann von einer Umweltprüfung abgesehen werden, wenn durch eine überschlägige Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 genannten Kriterien festgestellt wurde, dass sie voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen haben werden. Diese Prüfung ist unter Beteiligung der öffentlichen Stellen, deren umwelt- und gesundheitsbezogener Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen des Raumordnungsplans berührt werden kann, durchzuführen. Sofern festgestellt wurde, dass keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind, sind die zu diesem Ergebnis führenden Erwägungen in die Begründung des Plans aufzunehmen.

(3) Die Umweltprüfung soll bei der Aufstellung eines Raumordnungsplans auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden, wenn in anderen das Plangebiet ganz oder teilweise umfassenden Plänen oder Programmen bereits eine Umweltprüfung nach Absatz 1 durchgeführt wurde. Die Umweltprüfung kann mit anderen Prüfungen zur Ermittlung oder Bewertung von Umweltauswirkungen verbunden werden.

(4) Die erheblichen Auswirkungen der Durchführung der Raumordnungspläne auf die Umwelt sind auf Grundlage der in der zusammenfassenden Erklärung nach § 10 Abs. 3 genannten Überwachungsmaßnahmen von der in den Landesplanungsgesetzen genannten Stelle, oder, sofern Landesplanungsgesetze keine Regelung treffen, von der für den Raumordnungsplan zuständigen oder der im Raumordnungsplan bezeichneten öffentlichen Stelle zu überwachen, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und um in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen unterrichten die öffentliche Stelle nach Satz 1, sofern nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen die Durchführung des Raumordnungsplans erhebliche, insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat.

(5) Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorgaben zu erlassen zur Berücksichtigung von artenschutzrechtlichen Belangen im Rahmen der Umweltprüfung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. Sofern dabei auch Fragen der Windenergie an Land berührt sind, sind die Vorgaben auch im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu erlassen.

(1) Der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume sind durch Raumordnungspläne, durch raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei sind

1.
unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen,
2.
Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen.

(2) Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt.

(3) Die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume soll sich in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen (Gegenstromprinzip).

(4) Raumordnung findet im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1798) auch in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone statt.

(1) In Raumordnungsplänen sind für einen bestimmten Planungsraum und einen regelmäßig mittelfristigen Zeitraum Festlegungen als Ziele und Grundsätze der Raumordnung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums, insbesondere zu den Nutzungen und Funktionen des Raums, zu treffen. Es kann festgelegt werden, dass bestimmte Nutzungen und Funktionen des Raums nur für einen bestimmten Zeitraum oder ab oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände vorgesehen sind; eine Folge- oder Zwischennutzung kann festgelegt werden. Die Festlegungen nach Satz 1 und 2 können auch in räumlichen und sachlichen Teilplänen getroffen werden. Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind als solche zu kennzeichnen.

(2) Bei der Aufstellung der Raumordnungspläne sind die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das Ergebnis der Umweltprüfung nach § 8 sowie die Stellungnahmen im Beteiligungsverfahren nach § 9 sind in der Abwägung nach Satz 1 zu berücksichtigen. Raumordnungspläne benachbarter Planungsräume sind aufeinander abzustimmen.

(3) Die Festlegungen nach Absatz 1 können auch Gebiete bezeichnen. Insbesondere können dies Gebiete sein,

1.
die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind (Vorranggebiete),
2.
die bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen vorbehalten bleiben sollen, denen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen besonderes Gewicht beizumessen ist (Vorbehaltsgebiete),
3.
in denen bestimmten raumbedeutsamen Maßnahmen oder Nutzungen, die städtebaulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind, andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Maßnahmen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete),
4.
die im Meeresbereich liegen, und in denen bestimmten raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen andere raumbedeutsame Belange nicht entgegenstehen, wobei diese Funktionen oder Nutzungen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen sind (Eignungsgebiete für den Meeresbereich).
Bei Vorranggebieten kann festgelegt werden, dass sie zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten nach Satz 2 Nummer 3 oder 4 haben.

(4) Die Raumordnungspläne sollen auch diejenigen Festlegungen zu raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen von öffentlichen Stellen und Personen des Privatrechts nach § 4 Absatz 1 Satz 2 enthalten, die zur Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet und zur Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich sind und die durch Ziele oder Grundsätze der Raumordnung gesichert werden können.

(5) Den Raumordnungsplänen ist eine Begründung beizufügen.

(6) Soweit ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder ein europäisches Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen nach den § 13 und § 17 Absatz 1 und 2 die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

(7) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Aufstellung von Raumordnungsplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(8) Raumordnungspläne nach § 13 Absatz 6 und § 17 sind mindestens alle zehn Jahre zu überprüfen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. sind erstattungsfähig.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., 3., 4. und 5. sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit bis zu 15.000 qm Verkaufsfläche mit zentrenrelevanten Sortimenten auf ihrem im sog. Ostseepark in der Stadt Schwentinental gelegenen Grundstück.

2

Im Gebiet der früheren Gemeinde Raisdorf, seit 2008 Teil der Stadt Schwentinental, der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend: Schwentinental), hat sich in den letzten 40 Jahren der sog. Ostseepark entwickelt, in dem sich neben normalen Gewerbebetrieben vorrangig großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von ca. 90000 qm befindet. Es handelt sich hierbei um eine der größten nicht überplanten Einzelhandelsagglomerationen der Bundesrepublik Deutschland. Seit vielen Jahren bemängeln die Landesplanung und insbesondere die Beigeladene zu 2), die Landeshauptstadt Kiel (nachfolgend: Kiel), dass dieser Einkaufspark in keinem rechten Verhältnis zur Größe und Bedeutung von Schwentinental stehe und dringend einer eingrenzenden Überplanung bedürfe. Schwentinental betreibt seit vielen Jahren (Aufstellungsbeschluss vom 22.09.2008) ein Bauleitplanverfahren, wonach die Aufstellung der Bebauungspläne 57 A-D, "Mergenthaler Straße/Gutenbergstraße" geplant ist. Der Bebauungsplan 57 A „Neue Mitte/Carl-Zeiss- Straße" sieht für ein bislang unbebautes Grundstück auf dem sog. Erdbeerberg zusätzlich die Errichtung eines eigenständigen Einkaufszentrums mit zunächst 15.000 qm, jetzt 14.0 qm Verkaufsfläche vor. Eigentümerin dieses Grundstücks ist die Klägerin. Am 15.11.2012 beschloss Schwentinental, die Entwürfe der Teilbebauungspläne Nr. 57 A bis D öffentlich auszulegen. Von einer zur Sicherung dieser Planung erlassenen Veränderungssperre erteilte Schwentinental der Klägerin eine Ausnahme; mittlerweile wurde diese Veränderungssperre von ihr nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezüglich der hier streitigen Bauvoranfrage aufgehoben. Die Landesplanungsbehörde hat Schwentinental mittlerweile aufgegeben, Bebauungspläne für dieses Gebiet aufzustellen, wonach auch das hier streitbefangene Grundstück auf dem Erdbeerberg unbebaut bleiben soll. Einem Antrag von Schwentinental auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen dieses mit Sofortvollzug versehene Anpassungsverlangen hat die Kammer mit Beschluss vom 22.09.2015 stattgegeben; ein Beschwerdeverfahren ist beim OVG Schleswig anhängig.

3

Am 08.07.2011 stellte die Klägerin direkt beim Beklagten für dieses Grundstück eine Bauvoranfrage mit folgenden Fragestellungen:

4
1. Ist ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente von 10.000 qm bauplanungsrechtlich zulässig?
5
2. Ist ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente von 15.000 qm bauplanungsrechtlich zulässig?
6
3. Ist ein Veranstaltungssaal als Anlage für kulturelle Zwecke für ca. 500 Personen (bei 1.000 qm schlage ich 500 Personen vor), z.B. ein Bürgersaal, bauplanungsrechtlich zulässig?
7
4. Ist eine bauliche Anbindung an das benachbarte „Baltic Center" gemäß Anlage 6 bauplanungsrechtlich zulässig?
8

Der Beklagte forderte die Klägerin auf, konkrete Angaben zu den prozentualen Sortimentsanteilen für die jeweilige Vorhabengröße zu machen und auf dieser Grundlage ein Einzelhandelsgutachten einzureichen, das insbesondere auf die Frage möglicher schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB eingehen sollte.

9

Mit Schreiben vom 31.08.2011 spezifizierte die Klägerin die angestrebte Nutzung wie folgt:

10
a) 10.000 qm Verkaufsfläche
11
a. Periodischer Bedarf bis 4.500 qm
12
b. Modischer Bedarf bis 6.000 qm
13
c. Elektro/Technik bis 1.500 qm
14
d. Persönlicher Bedarf bis 1.500 qm
15
e. bis 20% der Gesamtverkaufsfläche können nicht-zentrenrelevante Sortimente umfassen
16
b) 15000 qm Verkaufsfläche
17
a. Periodischer Bedarf bis 5000 qm
18
b. Modischer Bedarf bis 7000 qm
19
c. Elektro/Technik bis 3000 qm
20
d. Persönlicher Bedarf bis 2500 qm
21
e. bis 20% der Gesamtverkaufsfläche können nicht-zentrenrelevante Sortimente umfassen.
22

Zugleich teilte die Klägerin mit, dass sie keine Notwendigkeit sehe, ein Einzelhandelsgutachten einzureichen, weil Schwentinental im Rahmen des Bauleitverfahrens im Jahre 2010 bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben habe. Die in ihrer Bauvoranfrage angegebenen Sortimentsgrößen bewegten sich deutlich unterhalb der in dem Gutachten ausgewiesenen Entwicklungsspielräume.

23

Mit Schreiben vom 17.10.2011 erläuterte die Klägerin entsprechend einer Aufforderung des Beklagten die einzelnen, oben aufgeführten Sortimentsgruppen.

24

Die Landesplanung machte mit Schreiben vom 31.10.2011 Bedenken geltend. Die geplanten Verkaufsflächen lägen deutlich über der für einen Stadtrandkern II. Ordnung gemäß Ziff. 2.8 Abs.5 LEP zulässigen Verkaufsfläche von 2.000 qm. Es sei davon auszugehen, dass das Planvorhaben zu einer weiteren Attraktivitätssteigerung des Ostseeparks beitragen werde, die wiederum mit weiteren negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche, insbesondere in benachbarten zentralen Orten, verbunden sein würde, wobei bereits jetzt deutliche Hinweise auf nicht unerhebliche Kaufkraftabflüsse in die Einzelhandelsbetriebe des Ostseeparks bestünden.

25

Nachdem Kiel ihre Beteiligung am Genehmigungsverfahren beim Beklagten beantragt hatte, beteiligte dieser die Beigeladenen am Verwaltungsverfahren. Die Beigeladenen wurden aufgefordert mitzuteilen, ob und welche konkreten schädlichen Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche sie erwarteten.

26

Mit Schreiben vom 09.02.2012 erhob die Beigeladene zu 4), die Stadt Plön (nachfolgend: Plön), Einwände gegen das Bauvorhaben. Die Analysen des im Entwurf vorliegenden Einzelhandelskonzepts der Stadt zeigten bereits heute erhebliche Beeinträchtigungen der städtebaulichen und raumordnerisch zugewiesenen zentralörtlichen Funktionen der Stadt durch das bestehende großflächige Angebot in Raisdorf. Bereits heute betrügen die Kaufkraftabflüsse aus Plön nach Schwentinental 34% der gesamten Kaufkraftabflüsse. Durch weitere großflächige und zentrenrelevante Erweiterungen der Verkaufsfläche in Schwentinental würden diese bereits signifikant bestehenden Vorschädigungen weiter verschärft und massive städtebauliche Auswirkungen insbesondere im zentralen Versorgungsbereich Innenstadt der Stadt Plön seien zu erwarten. Das Einzelhandelskonzept der B... G… AG (nachfolgend: B...) sei als Planungsgrundlage von Schwentinental nicht geeignet, sondern mit Mängeln behaftet.

27

Mit Schreiben vom 16.03.2012 nahm die Beigeladene zu 5), die Stadt Lütjenburg (nachfolgend: Lütjenburg) dahingehend Stellung, dass das geplante Vorhaben weitere Kaufkraft aus Lütjenburg abziehen werde. Eine derartige Entwicklung stehe dem Ziel der Stadt entgegen, die Innenstadt weiter zu stärken und zu beleben. Derartige Projekte führten zur Zerstörung der gewachsenen Innenstädte.

28

Mit Schreiben vom 30.03.2012 erhob Kiel Einwendungen gegen das Vorhaben. Aus einer eingeholten Stellungnahme des Büros J... und K... (nachfolgend: J&K) ergebe sich, dass in mehreren Warengruppen relevante Umsatzverteilungsquoten im teils hohen zweistelligen Prozentbereich in einem oder mehreren zentralen Versorgungsbereichen im untersuchten Stadtgebiet zu erwarten seien. Die Klägerin müsse ein Sachverständigengutachten zu den städtebaulichen Auswirkungen beibringen. Aus einem beigefügten Rechtsgutachten ergebe sich zudem, dass sich das Vorhaben schon nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht einfüge.

29

Mit Schreiben vom 30.03.2012 erklärte sich die Klägerin bereit, nunmehr ein Gutachten in Auftrag zu geben. Am 27.09.2012 wurde beim Beklagten die von B... unter dem 05.09.2012 erstellte „Wirkungsanalyse, EKZ-Projekt im Ostseepark, Schwentinental" eingereicht. Dem Gutachten liegen die spezifizierten Sortimentsangaben der Klägerin aus dem Schreiben vom 31.08.2011 zugrunde. Dieser Branchenmix wurde von der Klägerin für das Gutachten wie folgt spezifiziert:

30

Periodischer Bedarf

4.300 qm

        

24,0 Mio. Umsatz, 5.581 Euro je qm p.a.

Modischer Bedarf

8.100qm

        

26,0 Mio. Umsatz, 3.210 Euro je qm p.a.

Hartwaren/Persönlicher Bedarf

2.600 qm

        

11,5 Mio. Umsatz, 4.423 Euro je qm p.a.

31

Die Wirkungsanalyse beschäftigt sich auftragsgemäß nur mit der größeren Projektvariante mit 15.000 qm Verkaufsfläche (VKF). Wo zentrale Versorgungsbereiche nicht im Rahmen kommunaler Einzelhandelskonzepte bestimmt waren, erfolgte eine eigenständige Identifikation und kleinräumige Abgrenzung. Ansonsten erfolgte ein Rückgriff auf die jeweiligen Einzelhandelskonzepte, etwa auf das „Gesamtstädtisches Einzelhandelskonzept Kiel (GEKK)" erstellt von J&K, beschlossen am 20.01.2011. Es wurden die möglichen Wirkungseffekte (Umverteilungsquoten) für alle betroffenen zentralen Versorgungsbereiche und für alle projektrelevanten Warengruppen und Sortimente ermittelt, dargestellt und bewertet. Als betroffen wurden über 20 zentrale Versorgungsbereiche identifiziert. Dabei geht das Gutachten davon aus, dass das Angebot im Ostseepark etwa 12% der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft im Einzugsgebiet bindet. Das Einzugsgebiet zähle ca. 407.000 Einwohner. Der Ostseepark übernehme faktisch eine regional sehr bedeutsame Versorgungsfunktion für den Landkreis Plön und auch für Teile der unmittelbar anliegenden Stadt Kiel. Der Ostseepark stehe in einer besonderen Wettbewerbssituation zum Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea, weil beide Einzelhandelsagglomerationen in nichtzentrenintegrierter Lage agierten und sich primär an Pkw-Kundschaft wendeten.

32

Zum zentralen Versorgungsbereich Preetz wird u.a. ausgeführt: „Einerseits verfügt der zentrale Versorgungsbereich über ein vielfältiges Einzelhandelsangebot, andererseits signalisieren Leerstände sowie die tlw. sehr kleinteilige Strukturierung eine nur bedingte Stabilität des Einzelhandels. Das Subzentrum Hufenweg ist solide und trägt zur Stabilität der zentralörtlichen Versorgung bei, steht jedoch zumindest partiell auch im Wettbewerb zum innerstädtischen Angebot. Insgesamt ist für die Preetzer Innenstadt eine reduzierte Wettbewerbsbelastbarkeit anzunehmen.“ Für diesen Versorgungsbereich wurde für den periodischen Bedarf eine Umverteilungsquote von 4,7% und für den modischen Bedarf von 8% prognostiziert.

33

Speziell zur Bedarfsgruppe modischer Bedarf wurde u.a. Folgendes ausgeführt: „Auch wenn die zentralen Versorgungsbereiche im LK Plön primär grund- bzw. unterzentrale Versorgungsfunktionen haben, trägt das dort vertretene, überwiegend kleinteilig strukturierte, modische Angebot zur Attraktivität der jeweiligen Ortskerne bei. Es sollte vor hohen Wettbewerbsintensitäten geschützt werden, zumal u. a. im nahegelegenen Preetz die vorhandene Angebotsstruktur als durchaus anfällig einzuschätzen ist. Insofern sollten die zu erwartenden Umverteilungsquoten für dieses Angebotssegment möglichst deutlich erkennbar unterhalb der generell als kritisch eingestuften 10%-Schwelle liegen. Aus diesem Grund wird empfohlen, die für Sortimente des modischen Bedarfs angestrebte Verkaufsfläche deutlich um rund 20% zu reduzieren (Reduzierung von 8.100 qm auf ca. 6.500 qm VKF). Die auf Basis dieser Verkleinerung ermittelten Umverteilungsquoten erreichen noch vertretbare max. 6 % (ZVB Preetz) und fallen bei allen anderen in der Stadt Kiel und im LK Plön untersuchten ZVBs geringer aus.“

34

Zum zentralen Versorgungsbereich Lütjenburg wird ausgeführt: „Von einer in der Tendenz unterdurchschnittlichen Auslastung des Einzelhandels im zentralen Versorgungsbereich ist auszugehen. Auch die Lütjenburger Innenstadt kann insoweit zumindest im Nonfood- Segment als eingeschränkt belastbar gelten.“ Im modischen Bereich wurde für diesen Versorgungsbereich eine Umverteilungsquote von 5,9% prognostiziert.

35

Abschließend gelangt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass im Falle der vorgeschlagenen Reduzierung der Verkaufsfläche im modischen Bereich vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien.

36

Der Beklagte forderte die Klägerin daraufhin auf, die Bauvoranfrage u.a. wegen der vorgeschlagenen Reduzierung des modischen Bedarfs bezüglich der Sortimente neu aufzuschlüsseln und mitzuteilen, ob an der Variante I und der Anbindung an das Baltic-Center festgehalten werde.

37

Mit Stellungnahme vom 06.11.2012 machte Preetz geltend, dass schon eine Umverteilungsquote von 5 bis 6% für die Preetzer Innenstadt bedenklich sei; eine Beeinträchtigung sei nicht auszuschließen. Für die Sortimente Bücher und Uhren/Schmuck/Optik/Akustik und Mode werde die 5%-Marke bereits überschritten.

38

Mit Schreiben vom 14.11.2012 „präzisierte" die Klägerin die Bauvoranfrage in Beantwortung der Anfrage des Beklagten wie folgt:

39

Für die Varianten I und II würden dieselben Sortimentsangaben gelten, wobei diese als Maximalangaben verstanden werden sollten, sodass es insgesamt immer bei den maximalen Verkaufsflächen von 10.000 qm bzw. 15.000 qm bleibe. Folgende Verkaufsflächen würden für die einzelnen Sortimente beantragt:

40

Modischer Bedarf

6.500 qm,

Periodischer Bedarf

5.900 qm,

Elektro/Technik

400 qm,

Hartwaren/persönlicher Bedarf

2.500 qm,

davon Haushaltswaren(GPK)

800 qm,

Bücher

500 qm,

Spielwaren

700 qm,

Uhren/Schmuck/Optik/Akustik

500 qm.

41

Für den Fall, dass eine Nachnutzung für den Modemarkt Adler nicht stattfinde, werde eine Obergrenze für den modischen Bedarf von 8.000 qm beantragt. Hierfür werde anliegend eine ergänzende Stellungnahme von B... vom 12.12.2012 eingereicht. Der Antrag auf bauliche Anbindung an das Baltic-Center werde zurückgenommen.

42

In der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von B... vom 12.12.2012 wird u.a. ausgeführt:

43

In der Wirkungsanalyse aus September 2012 sei die Verkaufsfläche des ehemaligen Modemarkts Adler noch berücksichtigt und deshalb nur eine Verkaufsfläche von 6.500 qm für das Sortiment modischer Bedarf als verträglich eingeschätzt worden. Es könne nunmehr aber aufgrund eines entsprechenden Nutzungsänderungsantrages davon ausgegangen werden, dass die Adler-Altfläche (bislang mit 4,7 Mio. Euro Umsatz bei ca.3.100 qm VKF für modischen Bedarf in die Wirkungsanalyse einbezogen) zukünftig als Möbelmarkt fortgeführt werde, sodass sich ein neuer verträglicher Ansiedlungsspielraum von weiteren

44
1.500 qm für das Einkaufszentrum ergebe. Der Projektumsatz modischer Bedarf belaufe sich auf insgesamt 25,5 Mio. Euro bei einer angenommenen Flächenproduktivität von 3.188 Euro/qm p.a.. Das frei gewordene Umsatzpotential werde überwiegend mit 64,5% und 3 Mio. Euro auf den Ostseepark entfallen. Die Umverteilungsquote für den zentralen Versorgungsbereich Preetz belaufe sich im Falle der Erhöhung der Verkaufsfläche auf nunmehr insgesamt 8.000 qm auf nur 6% und überschreite damit nicht die für vorbelastete Zentren für vertretbar erachtete Quote von eben 6%. Im Weiteren ergäben sich für diesen Versorgungsbereich Umverteilungsquoten von 6% für den periodischen Bedarf und das Sortiment Spielwaren.
45

Mit Schreiben vom 10.01.2013 teilte die Klägerin mit, dass nunmehr für den modischen Bedarf eine Verkaufsfläche von 8.000 qm beantragt werde. Die aufschiebende Bedingung, unter der die Bauvoranfrage mit 8.000 qm gestellt worden sei, sei mittlerweile eingetreten. Die Nutzung auf dem benachbarten Grundstück durch einen Textilfachmarkt der Kette Adler sei zum Ende des Jahres 2012 aufgegeben worden. Mittlerweile sei die Umnutzung dieser Altflächen zum Möbelmarkt genehmigt worden. Sowohl rechtlich als auch tatsächlich sei nunmehr die Nutzung der Fläche mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten gesichert.

46

Mit Schreiben vom 15.01.2013 nahm Kiel u.a. wie folgt Stellung: Die Würdigung der vorgelegten Unterlagen müsse über eine rein absatzwirtschaftliche Betrachtung der Umverteilung hinausgehen. Im Rahmen der Betrachtung der relevanten Beeinträchtigungen müsse auch die bereits vorliegende Vorschädigung aller betroffenen Versorgungsbereiche berücksichtigt werden. Da bereits seit Jahren massive Einflüsse auf die zentralen Versorgungsbereiche des Kieler Ostufers vorherrschten, sei nicht auszuschließen, dass auch in Versorgungsbereichen anderer Nachbargemeinden zum Ostseepark negative städtebauliche Auswirkungen vorherrschten, die in der Wirkungsanalyse aber keine ausreichende Berücksichtigung fänden. Zudem bestünden Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der vorgelegten Gutachten. Insofern werde zunächst verwiesen auf ein von ihr eingeholtes Gutachten von J&K. In der als Anlage eingereichten städtebaulichen Verträglichkeitsanalyse von J&K aus November 2012 wird u.a. folgendes ausgeführt:

47

Bereits in ihrem Gutachten aus dem Jahre 2010 - Einzelhandelskonzept Stadt Schwentinental - habe B... unzutreffend einen zusätzlichen Entwicklungsspielraum von bis zu 27.500 qm (Periodischer Bedarf 7.200; Modischer Bedarf 10.400; Elektro/Technik 3.400; Persönlicher Bedarf 6.500) angenommen. Die angenommenen Entwicklungsspielräume lägen deutlich über denen, die im Jahre 2007 durch die G… Geomarketing für zentren-relevante Sortimente ermittelt worden seien (modischer Bedarf nur 2.500 qm). Im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung sei bei der Umsatzherkunft der Umsatzanteil des untersuchten Raumes möglichst hoch anzusetzen, um das maximale Ausmaß der Auswirkungen abzubilden. Vorliegend sei von einem Anteil von rund 40% aller Kunden des potenziellen Vorhabens auszugehen, die ihren Wohnsitz in den untersuchten Kieler Stadtteilen hätten. Das Gutachten gelange bei mehreren Sortimentsgruppen insbesondere für die Nahversorgungszentren Elmschenhagen-Nord, Elmschenhagen-Süd, den Stadtteilzentren Wellingdorf und Gaarden-Ost zu Umverteilungsquoten von bis zu 17%. Schädliche Auswirkungen iSd § 34 Abs. 3 BauGB seien zu erwarten, wobei hinsichtlich des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost von einer gewissen Vorschädigung durch den Ostseepark auszugehen sei, weil das Zentrum bereits jetzt die ihm zugewiesene Versorgungsfunktion als Entlastungszentrum der Innenstadt am Kieler Ostufer nur sehr unzureichend erfüllen könne. Es liege eine gewisse Vorschädigung vor, die auf die ausgeprägte Wettbewerbssituation zum nahegelegenen Ostseepark zurückzuführen sei. Im Bereich des modischen Bedarfs und auch der Drogeriewaren würden bereits einzelne Betriebsaufgaben den Verlust eines wichtigen Angebotsbausteins bedeuten. Mit mehr als 60 Einzelhandelsbetrieben und rund 7.900 qm Verkaufsfläche habe das Stadtteilzentrum ursprünglich eine Versorgungsfunktion für das gesamte Kieler Ostufer und insoweit auch eine Entlastungsfunktion für die Kieler Innenstadt übernehmen sollen. Gleichwohl liege der Angebotsschwerpunkt mit rund 5.350 qm (68%) vor allem in den Warengruppen des kurzfristigen Bedarfsbereiches, während Angebote des mittelfristigen (1.670 qm, 21%) und langfristigen (875 qm, 11%) eher einen ergänzenden Charakter hätten. Zudem sei das Einzelhandelsangebot entsprechend der ausgeprägten sozialen Probleme im Stadtteil spürbar discountlastig und preisorientiert, sodass das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost heute kaum Ausstrahlungskraft über den Stadtteil hinaus aufweise. Zu berücksichtigen sei, dass Wellingdorf und Gaarden nur ca. 5 bis 6 km vom Vorhabenstandort entfernt seien. Schädliche Auswirkungen iSd § 34 Abs. 3 BauGB seien sehr wahrscheinlich.

48

Die Wirkungsanalyse von B... aus September 2012 sei mit Mängeln behaftet und ermögliche keine sachgerechte Abwägung im Rahmen der Beurteilung der städtebaulichen Auswirkungen des Planvorhabens. So seien die Verkaufsflächen und Umsätze in stark kumulierter Form ausgewiesen worden. Dieses Vorgehen determiniere die anschließende Umsatzumverteilungsberechnung und berge die Gefahr einer Nivellierung der Auswirkungen, denn eine über diese kumulierten Sammelgruppen verträgliche Umsatzumverteilung könne durchaus in den einzelnen Branchen unverträglich sein. Die Flächenproduktivitäten für den CITTI-Park seien zu hoch angesetzt. Es fehlten Angaben zum Erhebungszeitpunkt der Daten. Die Berücksichtigung der Adler-Altfläche führe zu einer nicht gerechtfertigten Minderung der Auswirkungen des Vorhabens, da durch die fiktive Erhöhung des Bestandsvolumens die prozentualen Umsatzumverteilungen reduziert würden. Der Einzugsbereich sei fehlerhaft festgelegt worden. Insbesondere aus der Zone 3 seien die erzielbaren Zuflüsse, besonders im periodischen Bedarfsbereich deutlich geringer einzustufen. Die Annahmen über die erzielbare Kaufkraftabschöpfung bezüglich des modischen Bedarfs seien mit der von B... im Jahre 2010 durchgeführten Kundenherkunftserhebung nicht vereinbar. Gerade im periodischen Bedarf müssten aufgrund der hohen Distanzempfindlichkeit die Annahmen von B... korrigiert werden. Zu Unrecht gehe B... von einer hohen Eigenschädigung des Ostseeparks aus, obwohl das Ziel der Vorhabenrealisierung gerade darin bestehe, eine Neuordnung des Gesamtstandortes im Sinne der Verdichtung und Vernetzung auch mit den umliegenden Bereichen zu erzielen. Demnach sei davon auszugehen, dass der Gesamtstandort von der Planung profitieren werde. Auch stelle B... zu stark die Konkurrenz zum CITTI-Park in den Vordergrund. Insgesamt führe dies dazu, dass die Auswirkungen in den kleineren zentralen Versorgungsbereichen in Kiel und Umland systematisch unterschätzt würden. So gehe B... für das kleinere Nebenzentrum Elmschenhagen, welches in unmittelbarer Nähe des Ostseeparks liege (6 Pkw-Minuten Fahrtzeit), mit 2,3% Umsatzverteilung sogar von einer geringeren relativen Betroffenheit aus als für den mehr als zehnmal so umsatzstarken und doppelt so weit entfernt gelegenen Angebotsort CITTI-Park. In Anbetracht der Distanz- und Größenverhältnisse stellten sich die Ergebnisse als nicht plausibel dar.

49

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2013 führten J&K noch zu der ergänzenden Stellungnahme von B... Folgendes aus:

50

Die Einschätzung von B... sei fachlich nicht belastbar, weil von ihr nicht die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen abgebildet würden. Zu Unrecht gehe B... davon aus, dass die Nachnutzung der ehemals vom Modemarkt Adler genutzten Immobilie durch einen Möbelmarkt zur Entstehung zusätzlicher raumverträglicher Ansiedlungsspielräume im Umfang von 4,7 Mio. Euro führe. Zu Unrecht habe B... bereits in der Ursprungsanalyse die „Altflächen" von Adler mit entsprechendem Umsatzvolumen in die Berechnung eingestellt, wodurch es zu einer fiktiven Erhöhung des Bestandsumsatzvolumens gekommen sei, die sich wiederum auf die prozentualen Umsatzumverteilungen im Untersuchungsraum mindernd ausgewirkt habe. Diese fiktiven Umsätze der Altfläche würden nunmehr wiederum von dem prognostizierten Umsatz von 25,5 Mio. Euro bei einer Verkaufsfläche von 8.000 qm mit 4,7 Mio. Euro abgezogen. Es handele sich damit um den Abzug von fiktiven Umsätzen, die aber nicht mit der Realisierung des Vorhabens tatsächlich wegfielen. Zudem werde deutlich, dass die Ergebnisse des Ergänzungsgutachtens in keiner einheitlichen Relation zu den ursprünglichen Ergebnissen stünden. So falle etwa mit Blick auf die Zentren im Nahbereich auf, dass nur geringfügig höhere Umsatzumverteilungen gegenüber der ursprünglichen Berechnung zu erwarten seien. So falle der monetäre Entzug des ursprünglich am stärksten betroffenen Zentrums Preetz nur 2% höher aus als gemäß der ursprünglichen Wirkungsanalyse. An anderen Standorten gehe der Gutachter hingegen davon aus, dass der Umsatzentzug deutlich stärker steigen werde, etwa im SO CITTI-Park um 20%. Die bereits in der Bewertung der ursprünglichen Wirkungsanalyse vorgebrachte Kritik, dass B... für die zentralen Versorgungsbereiche im Vergleich zu den Sonderstandorten von einer deutlich unterproportionalen Betroffenheit der Vorhabenauswirkungen ausgehe, müsse vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnisse noch einmal erneuert und verschärft werden.

51

Auch hinsichtlich des periodischen Bedarfs gelte, dass infolge der kumulierenden Betrachtung sowie verschiedener nicht belastbarer Annahmen die Auswirkungen des Vorhabens in den kleineren zentralen Versorgungsbereichen im Nahbereich des Vorhabens systematisch unterschätzt würden. Eine zusätzliche Erhöhung der Verkaufsflächen auf dieser Basis sei demnach nicht als belastbar einzustufen.

52

Es bestünden auch weitere Unplausibilitäten. So sei von B... etwa in der Branche Spielwaren aktuell eine um 75% höhere Verkaufsfläche und ein analog gesteigerter Umsatz angesetzt worden. Die Erhöhung der Umsatzverteilungen liege aber je nach Standort ganz erheblich über oder unter diesem Wert. So falle ganz besonders ins Auge, dass im Hauptgeschäftszentrum der am stärksten betroffenen Stadt Preetz der Anstieg mit knapp 40% so schwach ausfalle, dass nur gerade eben der von B... selbst gesetzte verträgliche Maximalwert von 6 % Umsatzumverteilung erreicht werde. Bei einem proportionalen Anstieg von 75% läge Preetz, ausgehend von einem Wert von 4,3%, stattdessen bereits bei 7,5% Umsatzumverteilung.

53

Im Bereich periodischer Bedarf fielen vergleichbare Unplausibilitäten in den Ergebnissen auf. Bei einem Umsatzanstieg von 37% wachse die prozentuale Umsatzumverteilung für das am stärksten betroffene Zentrum Preetz nur um 28% auf genau 6%. Die Umsatzumverteilung des am stärksten betroffenen Sonderstandortes SO Plaza betrage hingegen um 50%.

54

Mit Schreiben vom 26.03.2013 teilte Plön mit, dass nach wie vor schädliche Auswirkungen auf ihren zentralen Versorgungsbereich zu erwarten seien. Die bisher vorgelegten Gutachten gingen überhaupt nicht auf die bereits bestehende Vorschädigung ein. Statt- dessen finde immer nur eine Bewertung der einzelnen Verkaufsflächen statt, die die Auswirkungen der Agglomeration völlig außer Acht ließen.

55

Mit Bescheid vom 27.05.2013 lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage mit folgender Begründung ab:

56

Das Vorhaben füge sich zwar nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB, nicht jedoch nach § 34 Abs. 3 BauGB ein. Es seien schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche benachbarter Gemeinden zu erwarten. Zu diesem Ergebnis gelangte der Beklagte vorrangig dadurch, dass er auf einen auf die einzelnen Sortimente bezogenen Verkaufsflächenvergleich abstellte. Mit der geplanten Verkaufsfläche modischer Bedarf von 8.000 qm steige dieses Sortiment im Ostseepark um 28% auf etwa 36.500 qm insgesamt, welches das 14-fache des Preetzer Gesamtbereiches ausmache. Allein der Zuwachs durch das Vorhaben belaufe sich auf das 6-fache der Verkaufsfläche in Preetz. Der Preetzer Einzugsbereich werde durch den Wirkungsrahmen des Ostseeparks voll erfasst. Das autoorientierte Kundenpotential werde wegen der sehr günstigen Anbindung über die Bundesstraße 76 und B 202 ohne jeglichen Stadtverkehr und durch das vergleichsweise übergroße Warenangebot des Ostseeparks stark angezogen. Die weitere signifikante Zunahme um das 6-fache des Preetzer Innenstadtbereiches erscheine geeignet, um die Magnetwirkung des Ostseeparks zu steigern und sehr wahrscheinlich weitere deutlich spürbare Umsatzumverteilungseffekte auszulösen. Gleiches gelte im Ergebnis auch für Lütjenburg, Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost. Die geplante Verkaufsfläche des Vorhabens von 8.000 qm für den modischen Bedarf sei um ein Vielfaches größer als die Verkaufsflächen für diese Bedarfsgruppe in den benachbarten Versorgungsbereichen, so etwa bezogen auf Wellingdorf 1.194%, Stadteilzentrum Gaarden-Ost 552%, ZVB Preetz 571%, ZVB Plön 266% und ZVB Lütjenburg 296%. Auch für den periodischen Bedarf, für Hartwaren/persönlicher Bedarf und das Sortiment Elektro/Technik gelangte der Beklagte aufgrund eines Verkaufsflächenvergleichs zu der Annahme schädlicher Auswirkungen auf die Versorgungszentren in der näheren Umgebung.

57

Ergänzend stellte der Bescheid darauf ab, dass bereits eine Vorschädigung der Umlandgemeinden durch den Ostseepark festzustellen sei. So gebe es in Lütjenburg 10 leer stehende Geschäfte in guter Lage zur Vermietung, deren Ursache nicht einer normalen Fluktuation zuzuordnen, sondern als Vorschädigung zu bewerten sei. Weitere Kaufkraftabflüsse seien daher als nicht verträglich bzw. sehr kritisch zu beurteilen. Auch B... sei zu dem Ergebnis gelangt, dass Lütjenburg nur eingeschränkt belastbar sei.

58

Auch in der Innenstadt von Preetz seien einige Leerstände festzustellen, etwa die Betriebsaufgabe des Haushaltswarengeschäfts Rickert, wobei es sich um eine relativ große und sehr zentral gelegene Ladeneinheit gehandelt habe. Schleichende Betriebsaufgaben im mittel- und langfristigen Bedarf seien daher in Preetz zu befürchten. In Plön seien einige Leerstände von kleineren Ladeneinheiten zu beobachten, welche aber eher im Rahmen einer allgemeinen Fluktuation zu sehen seien. Auffallend erscheine aber die Situation im Kleinkaufhaus am Lübschen Tor. Diesen Umstand müsse man auf den enormen Wettbewerbsdruck zurückführen, in dem sich diese weniger frequentierte Randlage befinde. Das Verkaufsflächenvolumen in den Bereichen Elektro/Technik, Bücher und Spielwaren scheine hier bereits unterdurchschnittlich vertreten zu sein. In den Zentren Wellingdorf und Gaarden bestünden zwar keine auffälligen Leerstände, jedoch sei ein nur geringes Angebot in den Bereichen modischer Bedarf, Elektro/Technik und Hartwaren/persönlicher Bedarf festzustellen.

59

Es sei insgesamt festzustellen, dass die Warengruppen des mittel- und langfristigen Bedarfs in den untersuchten zentralen Versorgungsbereichen nur schwach vertreten seien. Die große Ausstrahlungskraft des Ostseeparks in Verbindung mit der schnellen Erreichbarkeit aus dem Umland und zunehmenden Bereitschaft des autoorientierten Kunden, für dieses Marktsegment größere Entfernungen zurückzulegen, entziehe dem Umfeld die Basis für ein angemessenes Angebot in den zentralen Versorgungsbereichen.

60

Der Verkaufsflächenvergleich sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein taugliches Mittel zur Quantifizierung eines erwarteten Kaufkraftabflusses.

61

Letztlich sei zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen - wie hier - die Größenordnungen des § 11 Abs. 3 BauNVO deutlich überschritten würden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass von ihnen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB ausgingen.

62

Mit Schreiben vom 25.06.2013 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Die Voraussetzungen für die Erteilung des Bauvorbescheides lägen vor, weil schädliche Auswirkungen auf benachbarte Versorgungszentren i.S.d. § 34 Abs.3 BauGB nicht zu befürchten seien. Dies habe sie durch Vorlage von Marktgutachten von B... nachgewiesen. Die Kritik an der Methodik von B... sei nicht gerechtfertigt, vielmehr sei die angewandte Methodik erst jüngst obergerichtlich anerkannt worden. Statt sich mit diesem Marktgutachten auseinanderzusetzen, habe der Beklagte allein aufgrund eines Verkaufsflächenvergleichs mit pauschaler Begründung schädliche Auswirkungen angenommen. Aus dem bloßen Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit derjenigen in benachbarten Nahversorgungszentren ließen sich schädliche Auswirkungen nicht ableiten - erst recht nicht, wenn solche wie hier durch ein Marktgutachten auf sorgfältig ermittelter Tatsachengrundlage und unter Annahme ungünstiger Umstände (Worst-Case-Szenario) widerlegt würden. Der Bauvorbescheid sei mit rechtlich nicht tragfähiger Begründung versagt worden.

63

Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche seien zu erwarten, wenn das geplante Vorhaben die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche voraussichtlich so nachhaltig störe, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen könnten. Dafür sei aber nicht ausreichend, wenn schädliche Auswirkungen lediglich möglich erschienen. Erforderlich sei vielmehr eine unter Berücksichtigung aller Umstände hinreichend gesicherte Tatsachenbasis, mit der sich die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen lasse. Die Baugenehmigungsbehörde müsse die Erwartung schädlicher Auswirkungen positiv feststellen. Ziele der Raumordnung blieben hierbei außer Betracht. Auch auf die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 BauNVO könne -anders als der Bescheid anzunehmen scheine- im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB nicht zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift keine gesetzliche Vermutungsregel enthalte.

64

Die Prognose des Beklagten sei fehlerhaft. Der angegriffene Bescheid ermittele die ökonomischen Zusammenhänge nicht vollständig. Der Beklagte interpretiere die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2009 (4 C 2/08) falsch. Die Ergebnisse eines Marktgutachtens könnten durch weitere Kriterien ergänzt werden. Die Behörde könne im Einzelfall sogar davon absehen, ein Marktgutachten einzuholen und die städtebaulich relevanten Faktoren auf andere Art und Weise ermitteln und bewerten. Sie dürfe aber nicht ein vorliegendes Sachverständigengutachten mit der Begründung zurückweisen, es sei von vornherein und generell ungeeignet aufzuklären, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten seien, weil es mit prognostischen Unsicherheiten behaftet sei. Denn nach Ansicht des BVerwG seien Marktgutachten eine taugliche Methode, um den durch das Vorhaben bedingten voraussichtlichen Kaufkraftabfluss zu prognostizieren. Kaufkraftabflüsse seien wiederum geeignet, die städtebaulich relevanten schädlichen Auswirkungen zu konkretisieren. Dem Verkaufsflächenvergleich komme damit sicherlich kein Anwendungsvorrang vor einem Marktgutachten zu. Marktgutachten seien nach der Rechtsprechung des BVerwG als eines unter mehreren Kriterien zwingend zu berücksichtigen.

65

Der vom Beklagten angestellte Verkaufsflächenvergleich sei auch kein aussagekräftiger Faktor, weil der Einzugsbereich des Vorhabens mit 407.000 Einwohnern viel größer sei als der vom Beklagten herangezogene Versorgungsbereich. Schon wegen der Vielzahl der betroffenen Versorgungsbereiche und den vergleichsweise großen Entfernungen von teilweise über 20 km sei es dem Bescheid verwehrt, einen Verkaufsflächenvergleich in den Mittelpunkt seiner Prognose zu stellen. Der angestellte Verkaufsflächenvergleich suggeriere, das Vorhaben gehe allein zu Lasten der dort identifizierten fünf zentralen Versorgungsbereiche. Tatsächlich würde das Vorhaben seinen Umsatz aus einem Einzugsbereich generieren, der weit über die im Bescheid genannten Bereiche hinausgehe. Dieser Einzugsbereich sei im Gutachten von B... differenziert dargestellt. Das Vorhaben trete danach insbesondere in direkten Wettbewerb mit den Wettbewerbsstandorten „Innenstadt Kiel“ und dem Cluster „CITTI-Park/Plaza/Ikea“. Die insoweit voraussichtlich abgeschöpfte Kaufkraft belaste bereits nicht die im angegriffenen Bescheid genannten Versorgungsbereiche. Auch im Übrigen quantifiziere der Bescheid in keiner Weise, in welchem Umfang Kaufkraft in den identifizierten Versorgungsbereichen verloren gehen könnte.

66

B... habe eine maximale Umverteilungsquote von 6% ermittelt, in vielen Sortimenten weit weniger als die Hälfte. Schädliche Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB würden demgegenüber in der Rechtsprechung tendenziell erst ab einer Quote von mindestens 10% angenommen. Schädliche Auswirkungen könnten im Einzelfall zwar auch bereits bei einer niedrigeren Schwelle anzunehmen sein, beispielsweise bei Vorschädigungen der Versorgungsbereiche. Insoweit sei bei erheblich vorgeschädigten Versorgungsbereichen bereits ein voraussichtlicher Kaufkraftabfluss von nur 7,9 bis 8,8% im betroffenen Warenbereich als nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit angesehen worden (etwa OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 -7 A 1635/07-). Vorliegend lägen aber hinsichtlich der Städte Lütjenburg, Preetz und Plön gar keine nachweisbaren Vorschädigungen vor. Die pauschale Behauptung einzelner Leerstände genüge nicht den Anforderungen an die erforderliche hinreichend gesicherte Tatsachenbasis für die Erwartung schädlicher Auswirkungen. Leerstände seien auch Folge marktüblicher Fluktuationen. Nach dem Gutachten seien für Lütjenburg und Preetz nur marginale Umverteilungsquoten zu erwarten.

67

Mit Schreiben vom 15.10.2013 ergänzte die Klägerin ihre Widerspruchsbegründung unter Einbeziehung einer weiteren Stellungnahme von B... vom 27.09.2013, die sich mit den gutachterlichen Stellungnahmen von J&K u.a. wie folgt auseinandersetzt:

68

Das Gutachten von J&K leide methodisch an einer unzulässigen Beschränkung ihrer Analyse auf einen Teilbereich des Kieler Stadtgebiets. Für diesen Teilraum werde im Vornhinein ein Umsatzanteil des Vorhabens festgelegt, der umverteilungswirksam werde. Die voraussichtliche Umverteilung könne aber nicht der Ausgangspunkt, sondern müsse das Ergebnis der Untersuchung sein. Die von J&K ermittelten Umsatzumverteilungen erschienen nicht plausibel. So werde im Sortiment Bekleidung/Textilien angenommen, 40% der Besucher entstammten dem untersuchten Teilgebiet, bei Gütern des täglichen Bedarfs hingegen werde lediglich ein Anteil von 20% angenommen. Eine tragfähige Begründung für diese Disproportionalität werde nicht gegeben. Zu Unrecht behaupteten J&K, B... gehe von einem zu hohen Kaufkraftabfluss vom Sonderstandort CITTI-Park aus. Tatsächlich basierten diese Ansätze von B... aber auf repräsentativen Gutachten. Zu Unrecht werde B... vorgeworfen, es prognostiziere für Autokunden mit weiter Anreise zu hohe Umsätze. Es werde verkannt, dass Kundenströme nicht gleichzusetzen seien mit Kaufkraftströmen. Typischerweise stiegen bei Kunden mit längeren Anfahrtswegen auch die durchschnittlichen Einkaufsbeträge. J&K argumentierten mit einer Vorschädigung einiger Stadtteilzentren in Kiel-Ost, obwohl sich hierzu im Einzelhandelskonzept für die Stadt Kiel keine bestätigenden Befunde befänden. Problemlagen im Stadtteilzentrum Gaarden seien gleichwohl offenkundig. Ebenso offenkundig sei jedoch auch, dass diese nicht primär auf eine Wettbewerbssituation zum Ostseepark zurückzuführen, sondern in einer schwierigen sozialdemografischen Schichtung im Stadtteil selbst begründet seien, welche bereits seit Jahren zu einer deutlichen Stigmatisierung führe. Selbst wenn man aber von einer Vorschädigung ausginge, wäre dies zweitrangig, weil die projektbedingten Umsatzumverteilungen dort prognostisch gering bis mäßig ausfielen und auch einem „vorgeschädigten" Zentrum zugemutet werden könnten.

69

Aus B...-Sicht seien plausible Wirkungsanalysen nur möglich, wenn im Rahmen einer umfassenden und konsistenten Modellrechnung Umverteilungseffekte für das gesamte Einzugsgebiet ermittelt würden. Dies sei auf der Grundlage der repräsentativen Herkunftserhebung aus dem Jahre 2007 geschehen. Danach kämen aus dem von J&K definierten Teilraum nur rund 20% als Kunden des Ostseeparks. J&K ignorierten diese festgestellten Kundenströme und gingen davon aus, dass für Sortimente des mittel- bis längerfristigen Bedarfs nunmehr 40% statt der gemessenen 20% aller Kunden aus dem definierten Kieler Teilraum stammten. Die Verdoppelung eines in einer repräsentativen Stichprobe gemessenen Anteilswertes von 20% auf 40% sei methodisch abwegig. Zudem gelangten J&K auch im Bereich des täglichen Bedarfs trotz der Annahme einer 20%igen Quote mit 8,4 Mio. Euro zu einer nicht nachvollziehbaren Umverteilung von de facto 40%.

70

Zu Unrecht bemängelten J&K, dass B... die Flächenproduktivitäten für den CITTI- Park zu hoch und damit die Umsatzverluste für die von ihnen untersuchten zentralen Versorgungsbereiche zu gering angesetzt habe. In dem von der e... GmbH auf Basis von Mieterbefragungen erstellten „Shopping-Center Performance Report 2011" erreiche der CITTI-Park bundesweit den Platz 1. Insoweit zähle der CITTI-Park zu den erfolgreichsten Einkaufszentren Deutschlands. Unverständlich sei, dass J&K für den CITTI-Park nur mit einem Umsatz von 35,8 Mio. Euro rechneten, obwohl im Cima-Gutachten von 2008 von einem Umsatz von 58,5 Mio. Euro ausgegangen werde. Faktisch handele es sich bei dem CITTI-Park auch um den Hauptwettbewerbsstandort zum Ostseepark. Aufgrund seiner Lage werde der Ostseepark ganz überwiegend von Pkw-Kunden aufgesucht. Fußläufige Kundschaft sowie auch Fahrrad- und ÖPNV-Kunden seien nur marginal vertreten. Laut GEKK werde der Lebensmitteleinkauf von 30% der Kieler Bevölkerung überwiegend zu Fuß und von 15% überwiegend mit dem Fahrrad getätigt. In dieses Einkaufsverhalten könnten der Ostseepark und das Vorhaben standortbedingt nicht eingreifen. Auch im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung sei es deshalb verfehlt, wenn J&K annähmen, Nahversorgungszentren seinen von vornherein und per se stärker von Verdrängungswirkungen betroffen als die leistungsstarken und Pkw-orientierten Fachmarktsonderlagen.

71

Synergieeffekte innerhalb des Ostseeparks bestünden zwar, jedoch sei ihre Entwicklung durch die weitläufige Anlage des Ostseeparks deutlich erkennbar behindert. Die bauliche Anbindung an das Baltic-Center werde nicht mehr verfolgt. Konzeptionell solle das Projekt dazu beitragen, dass sich Einzelhandelsstrukturen in den übrigen Teilräumen des Ostseeparks auf längere Sicht ausdünnten bzw. dass sich die Einzelhandelsbetriebe in peripheren Lagen des Ostseeparks in den Bereich der „Neuen Mitte" verlagerten.

72

Zu Unrecht würden J&K die Flächenproduktivität für die Warengruppe modischer Bedarf auf 3.400 Euro/qm festsetzen. Die Festsetzung von B... mit 3.200 Euro/qm übersteige bereits die vorhandene Flächenproduktivität für diese Warengruppe im Ostseepark von 2.300 Euro beträchtlich und auch die für Kiel ermittelte gesamtstädtische Auslastung von 2.940 Euro. Ein Vergleich mit dem CITTI-Park wäre hingegen völlig unrealistisch.

73

Hinsichtlich der anders gearteten Einschätzung zur Kaufkraftbindung im Fernbereich unterschätzen J&K die existierenden Kopplungseinkäufe.

74

Hinsichtlich des modischen Bedarfs falle die Chance zur Kaufkraftbindung in der Zone 2b relativ hoch aus. Im modischen Bedarfsbereich sei die spezifische Wettbewerbskonstellation im Kieler Marktgebiet sehr bedeutsam. Das Angebot an Bekleidung/Textilien sowie Schuhe/Lederwaren sei in einem sehr hohen Maße auf die drei regionalen Einkaufsschwerpunkte Innenstadt, CITTI-Park und Ostseepark konzentriert. Diese Wettbewerbskonstellation führe generell zu hohen Kaufkraftbindungsquoten für die drei Einkaufsschwerpunkte. Das Angebot im weiteren Kieler Stadtgebiet sei dagegen bereits relativ ausgedünnt und basiere vielerorts auf Discountern (wie z.B. Kik) sowie den Rand- und Aktionssortimenten von Verbrauchermärkten und Discountern. Insbesondere in der Zone 2b (geprägt durch Nahversorgungszentren für die Grundversorgung) werde modischer Bedarf nur in einem geringen Umfang angeboten. Entsprechend fließe in einem relativ hohen Umfang diesbezügliche Kaufkraft ab, die überwiegend auf die drei genannten regionalen Einkaufsschwerpunkte orientiert sei. Vor diesem Hintergrund falle die Chance zur Kaufkraftbindung in der Zone 2b durchaus relativ hoch aus.

75

Zu Unrecht gingen demgegenüber J&K von einer Umverteilungsquote von 14% für das Angebot an Bekleidung/Textilien im Bereich des SZ Gaarden-Ost aus. Die Umverteilungsquote werde auf der Basis einer undurchsichtigen Vorgehensweise festgelegt. Die stadtteilübergreifende Einzelhandelsfunktion des SZ Gaarden-Ost werde durch eine erhebliche soziale Problematik massiv behindert. Vor Gaarden werde in den Medien als „No-Go-Area“ gewarnt. Für die stadtteilbezogene Versorgung selbst bestehe insgesamt eine durchaus angemessene Einzelhandelsausstattung, die sich an Publikum und Milieu des Stadtviertels angepasst habe. Dafür, dass die stadtteilübergreifende Versorgungsfunktion durch massive soziale Probleme nachhaltig beeinträchtigt sei, könne der Ostseepark nicht verantwortlich gemacht werden. Auch die Lösung der sozialen Problematik im Stadtteil Gaarden-Ost werde durch Einzelhandelspolitik und Eingriffe in den Wettbewerb nicht gelingen - egal ob nun im Ostseepark ein Shopping-Center entstehe oder nicht.

76

Mit Bescheid vom 25.11.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde in Ergänzung des Ausgangsbescheides ausgeführt:

77

Von dem geplanten Vorhaben seien schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche in Preetz, Plön, Lütjenburg, Wellingdorf sowie Gaarden-Ost zu erwarten.

78

Der Ausgangsbescheid setze sich schwerpunktmäßig mit einem Verkaufsflächenvergleich zwischen dem Vorhaben und verschiedenen in der Umgebung vorhandenen zentralen Versorgungsbereichen auseinander. Ergänzend werde auf die Entfernungen und etwaige

79

Vorschädigungen der zentralen Versorgungsbereiche abgestellt. Hinsichtlich der voraussichtlichen Umsatzverteilung sei das von der Klägerin vorgelegte Gutachten herangezogen worden und zugleich ausgeführt worden, warum die Ergebnisse des Gutachtens als nicht überzeugend angesehen worden seien. Die im Ausgangsbescheid vorgenommene Prüfung werde den vom BVerwG in seinem Urteil vom 11.10.2007 gestellten Anforderungen gerecht. Selbstverständlich sei das vorgelegte Gutachten einschließlich dessen Ergänzung geprüft und im Verfahren berücksichtigt worden. Es habe jedoch nicht Grundlage für eine positive Entscheidung sein können, weil die Ergebnisse des Gutachtens schlichtweg nicht als plausibel beurteilt worden seien. Die Genehmigungsbehörde sei nicht stets starr an das Ergebnis eines vorgelegten Gutachtens gebunden. Die im Gutachten verwandte auf statistische und mathematische Ermittlung abstellende Methode zur Prognose lokaler und regionalwirtschaftlicher Abläufe sei die aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht adäquate Methode, sich dem Problem der Ansiedlungsauswirkungen anzunähern. Sie sei aber nur bedingt geeignet, das mittel- und langfristige Käuferverhalten in den Untersuchungsgebieten zu prognostizieren. Bei genauerer Sicht beruhe die gesamte Prognose auf einer eher dünnen Schicht von Kennziffern über Flächenproduktivitäten und mathematisch operationalisierten Grenz- und Orientierungswerten, die alle ganz abstrakt seien. Es bleibe aber offen, ob sich daraus ein umfassendes Bild des tatsächlichen Kaufverhaltens prognostizieren lasse. Auch wenn es - wie im Gutachten angenommen - zu einer besonderen Wettbewerbssituation mit der Kieler Innenstadt und dem Cluster CITTI-Park / Plaza/ Ikea komme, führe dies nach seiner, des Beklagten, Auffassung zwangsläufig auch zu Störungen von in diesem Spannungsfeld befindlichen kleineren zentralen Versorgungsbereichen mit teils überörtlicher Funktion.

80

Der entscheidende Grund, weshalb die Ergebnisse des Gutachtens nicht hätten übernommen werden können, sei der Umstand, dass bei der Berechnung der Kaufkraftabflüsse bzw. Umsatzumverteilungen lediglich das streitgegenständliche Vorhaben betrachtet worden sei. Bei dem Ostseepark handele es sich insgesamt um ein faktisches Einkaufszentrum, sodass das Vorhaben als Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums zu charakterisieren sei. Hieraus ergebe sich, dass die Ermittlung von Kaufkraftabflüssen nicht - wie vorliegend geschehen - auf Grundlage lediglich des streitgegenständlichen Vorhabens, sondern unter Berücksichtigung der im Ostseepark bereits vorhandenen vergleichbaren Einzelhandelsflächen erfolgen müsse. Da dies nicht geschehen sei, sei die Aussagekraft des vorgelegten Gutachtens, insbesondere was dessen Ergebnis angehe, äußerst begrenzt.

81

Ein Verkaufsflächenvergleich zwischen den Verkaufsflächen des Ostseeparks einerseits und den benachbarten Versorgungszentren andererseits zeige, dass die vorhandenen Verkaufsflächen bezogen auf einzelne Sortimente um bis zu 5.448% überschritten würden. Für den nächstgelegenen Versorgungsbereich Preetz liege für den modischen Bedarf eine Überschreitung von 2.600% und für den periodischen Bedarf von über 1.000% vor. Selbstverständlich seien die festgestellten Überschreitungen in allen untersuchten Versorgungsbereichen für sich genommen nur begrenzt aussagekräftig. Aufgrund ihrer Deutlichkeit stellten sie nach diesseitigem Dafürhalten jedoch bereits ein starkes Indiz dafür dar, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben bedeutende schädliche Auswirkungen auf die genannten zentralen Versorgungsbereiche ausgingen.

82

Die im Gutachten berücksichtigten Umverteilungseffekte innerhalb des Ostseeparks dürften keine Rolle spielen, da sie für die Wirkung nach außen unerheblich seien. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Vorhaben zu einer Reduzierung von Einzelhandelsgeschäften an anderer Stelle im Ostseepark führen würde.

83

Im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände sei auch von einer Vorschädigung der untersuchten zentralen Versorgungsbereiche auszugehen. Auch das Gutachten von B... gehe auf Seite 56 davon aus, dass die Innenstädte von Preetz und Lütjenburg im regionalen Vergleich als eingeschränkt belastbar gelten.

84

Letztlich leide das Gutachten deshalb an einem schweren Mangel, weil es die Verkaufsfläche des ehemaligen Adler-Modemarkts als zulässigen Erweiterungsrahmen in Ansatz bringe. Soweit dies darauf gestützt werde, dass für das betroffene Grundstück ein Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung für einen Möbelmarkt erteilt worden sei, sei festzustellen, dass hierdurch nicht der Bestandsschutz für die zuvor ausgeübte Nutzung als Modemarkt entfallen sei. Der unterstellte dauerhafte Wegfall der an diesem Standort ehemals vorhandenen Verkaufsfläche für die Bedarfsgruppe modischer Bedarf wäre erst dann gesichert, wenn eine neue, andere Nutzung für einen nicht unerheblichen Zeitraum aufgenommen würde.

85

Die Klägerin hat hiergegen am 16.12.2013 Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten begehrt, den von ihr am 05.07.2011 beantragten und mit Schreiben vom

86
14.11.2012 und 10.01.2013 präzisierten Bauvorbescheid zu erlassen. In Ergänzung und zur Vertiefung ihrer Widerspruchsbegründung führt sie aus:
87

Entgegen der Auffassung des Beklagten gingen vom Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen i.S.v. § 34 Abs. 3 BauGB aus. Der Beklagte habe keine hinreichend gesicherte

88

Tatsachengrundlage für seine Prognose herangezogen. Er habe ökonomische Zusammenhänge, die mit dem Vorhaben in Verbindung stünden, unzureichend ermittelt. Der Beklagte berufe sich für die von ihm behauptete Erwartung schädlicher Auswirkungen im Wesentlichen auf einen Verkaufsflächenvergleich und ergänze diesen um einige - wenige - Ausführungen zur Struktur der betroffenen zentralen Versorgungsbereiche und deren Entfernung zu ihrem Vorhaben. Diese Vorgehensweise sei bei dem Vorhaben wegen des großen Einzugsbereichs, der Vielzahl möglicherweise betroffener Versorgungsbereiche und der vergleichsweise großen Entfernungen rechtlich und tatsächlich ungeeignet. Im Rahmen dieses Vergleichs „picke“ sich der Beklagte die Verkaufsflächen von lediglich fünf zentralen Versorgungsbereichen heraus und vergleiche diese mit den Verkaufsflächen des gesamten Ostseeparks. Die weiteren Verkaufsflächen im Einzugsbereich des Vorhabens würden hingegen vollständig ausgeklammert. Die städtebauliche Bewertung des Beklagten beziehe damit wesentliche Tatsachen nicht ein. Denn bei der Vielzahl der betroffenen Versorgungsbereiche unterschiedlicher Größe, weiteren Sonderstandorten, dem großen Einzugsgebiet des Ostseeparks und den vergleichsweise großen Entfernungen greife der Verkaufsflächenvergleich des Beklagten schlicht zu kurz. Wollte man einen Verkaufsflächenvergleich zur Beurteilung heranziehen, müsste man die Verkaufsflächen aller Versorgungszentren und Sonderstandorte im Einzugsbereich des Ostseeparks berücksichtigen. Dabei ergebe sich dann folgendes Bild:

89

Modischer Bedarf

Ostseepark 36.500 qm

Einzugsbereich 99.190 qm

Periodischer Bedarf

„  15.750 qm

„  153.000 qm

Hartwaren/persönlicher Bedarf

„  8.140 qm

„  36.925 qm.

90

Daraus ergebe sich, dass die Verkaufsflächen des Vorhabens addiert um die Verkaufsflächen des Ostseeparks um ein Vielfaches geringer seien als die Verkaufsflächen der Versorgungsbereiche, Sonderstandorte etc., auf die der Ostseepark einwirke. Die vom Beklagten behauptete Verkaufsflächenüberschreitung gebe es also gar nicht. Zudem sei zwar zuzugeben, dass Wechselwirkungen zwischen der Verkaufsfläche und ortsplanerischen Wirkungen bestünden, jedoch seien diese nicht monokausal. Von der Verkaufsfläche könne nicht nach einem simplen „wenn-dann-Schema“ auf das städtebauliche Erscheinungsbild in den betroffenen Versorgungsbereichen geschlossen werden.

91

Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, insbesondere das von ihm auch angeforderte, methodisch einwandfreie Gutachten von B... seiner Bewertung zugrunde zu legen. Marktgutachten seien auch nach der Rechtsprechung des BVerwG eine taugliche Methode, um den durch das Vorhaben bedingten voraussichtlichen Kaufkraftabfluss zu prognostizieren. Nach der Rechtsprechung des BVerwG könne die Bauaufsichtsbehörde sogar zur Einholung eines Marktgutachtens verpflichtet sein, wenn eine Prognose auf andere Weise nicht möglich sei, etwa bei zunehmender Entfernung zwischen Vorhaben und betroffenem Versorgungsbereich oder bei nicht eindeutigen Relationen der Verkaufsflächen. Eine differenzierte Betrachtung sei auch geboten, wenn - wie hier - von dem zur Genehmigung stehenden Betrieb Auswirkungen von möglicherweise unterschiedlicher Intensität auf mehrere zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien. Der vorliegende Sachverhalt sei weitaus komplexer als die vergleichsweise einfach gelagerten Fälle, in denen das Bundesverwaltungsgericht von der Einholung eines Gutachtens habe absehen können. Dass die von B... verwandte Methodik keinen Bedenken unterliege, sei obergerichtlich anerkannt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.05.2013 - 8 C 10859/12 -). Zudem verwundere an der Kritik des Beklagten, dass das ebenfalls von B... nach gleicher Methodik erstellte Marktgutachten für das ebenfalls im Ostseepark gelegene Baltic-Center vom Beklagten nicht beanstandet und zur Grundlage der Genehmigung gemacht worden sei. Das Gutachten sei sogar von einem „Worst-Case-Ansatz" ausgegangen, obwohl zweifelhaft sei, ob hierzu überhaupt aus Rechtsgründen Veranlassung bestehe. Letztlich basiere die Wirkungsanalyse durch eine Kaufkraftstrom-Modellrechnung auf einer gesicherten empirischen Grundlage (u.a. Kunden-Herkunftsbefragung). Es handele sich dabei um eine Weiterentwicklung des „klassischen Gravitationsmodells". Nach diesem Gutachten blieben die prognostizierten voraussichtlichen Kaufkraftabflüsse weit unterhalb der von der Rechtsprechung als Faustformel entwickelten Erheblichkeitsschwelle von 10%. Andere städtebauliche Anhaltspunkte, die die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

92

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei B... nicht gehalten gewesen, ihrer Wirkungsanalyse die gesamte „Kaufkraft des Ostseeparks" als faktischem Einkaufszentrum zugrunde zu legen. Der Beklagte vermenge zwei verschiedene Sachverhalte. Richtig sei, dass bei der Prognose schädlicher Auswirkungen eine Rolle spielen könne, ob ein Einzelhandelsbetrieb zu bereits bestehenden Betrieben hinzutrete. Wenn in einer solchen Konstellation die neu hinzutretende Verkaufsfläche zu einem Umkippen der Situation in Richtung Schädlichkeit führe, könne das zum Wegfall des Genehmigungsanspruchs für das neu beantragte Vorhaben führen. Dazu müssten aber zunächst in einem ersten Schritt die Auswirkungen des zur Genehmigung gestellten Vorhabens ermittelt werden. Ausgangspunkt für die Bewertung nach § 34 Abs. 3 BauGB sei allein das zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Das führe dazu, dass bei Erweiterung eines bestehenden Einzelhandelsbetriebes das Gesamtvorhaben in seiner veränderten Gestalt Gegenstand der Prognose von § 34 Abs. 3 BauGB sein könne. Vorliegend handele es sich aber nicht um die Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums. Bei dem Ostseepark handele es sich um ein faktisches Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO, jedoch ändere dies nichts daran, dass es nur darauf ankomme, welche Wirkungen von dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben ausgingen. In einem zweiten Schritt sei dann zu klären, ob durch die Kombination von Alt- und Neubestand die Schwelle zur Schädlichkeit überschritten werde. Das sei dann im Wesentlichen eine Frage der wirtschaftlichen Belastbarkeit der betroffenen Versorgungsbereiche. Hier könnten dann auch die Auswirkungen anderer, bereits vorhandener Einzelhandelsbetriebe berücksichtigt werden. Auch diese Belastbarkeit sei Gegenstand des Marktgutachtens. Auf der Grundlage der Bewertung der Belastbarkeit als auch der zu erwartenden Umsatzumverteilungen komme das Marktgutachten zu dem Ergebnis, dass die nur marginalen Umsatzumverteilungen keine schädlichen Auswirkungen erwarten ließen.

93

Das Marktgutachten gehe dabei zu Recht von der Annahme aus, ein Großteil des zu erwartenden Umsatzes des Vorhabens ergebe sich aus Umsatzumverteilungen innerhalb des Ostseeparks. Dabei gehe das Gutachten zwar von der Worst-Case-Annahme aus, dass die Verkaufsflächen im beantragten Einkaufszentrum durch bislang am Markt nicht ansässige Mieter besetzt würden, also zusätzliche Verkaufsflächen geschaffen würden. Es liege aber auf der Hand, dass in einer solchen Konstellation auch Umsätze von Einzelhandelsbetrieben umgelenkt würden, die bereits am Ostseepark ansässig seien. Bei Sortimenten, die im Bestand des Ostseeparks angeboten würden, sei daher mit Umsatzeinbußen bis hin zu „trading-down"-Effekten in den Randbereichen des Ostseeparks zu rechnen.

94

Nach dem Gutachten seien schädliche Auswirkungen nicht zu erwarten. Die im Gutachten prognostizierten voraussichtlichen Kaufkraftabflüsse erreichten nicht die von der Rechtsprechung als Faustformel entwickelte Erheblichkeitsschwelle von 10%. Das Vorhaben führe danach nur zu voraussichtlich äußerst geringen Umsatzumverteilungen. Es sei eine maximale Umverteilungsquote von 6%, in vielen Sortimenten weit weniger als die Hälfte zu erwarten. Selbst in vorgeschädigten Versorgungsbereichen sei nach der Rechtsprechung des OVG Münster eine Quote von 7,9% noch vertretbar. Für die Versorgungsbereiche Lütjenburg und Preetz, die auch nach dem Gutachten von B... nur als eingeschränkt wettbewerbsfähig gelten, lägen die vom Beklagten angenommenen schädlichen Auswirkungen nicht vor. Allerdings sei insoweit auch nur eine eingeschränkte Belastbarkeit, nicht hingegen ein drohender Funktionsverlust festgestellt worden. Diese eingeschränkte Belastbarkeit gehe nicht auf den Ostseepark zurück, sondern habe andere Ursachen. Das Gutachten gehe davon aus, dass selbst diesen Versorgungsbereichen der prognostizierte Umsatzverlust von teils bis zu 6 % zugemutet werden könne. Die Umverteilungsquoten bewegten sich für Lütjenburg zwischen 4,7% und 1,3% je nach Sortiment und für Preetz zwischen 5,2% (modischer Bedarf) bzw. 6% (Spielzeug) und 1%. Sie blieben damit unter den vom OVG Münster angenommen Werten.

95

Für die Versorgungsbereiche Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost würden die vom Beklagten behaupteten Vorschädigungen durch das Gutachten bereits nicht bestätigt. Es sei nicht ersichtlich, dass der weitgehende Leerstand des Kleinkaufhauses am Lübschen Tor in Plön seine Ursachen in der Existenz des Ostseeparks habe. Das geringe Angebot in Gaarden-Ost sei allein durch das sozial schwache Milieu, nicht hingegen durch den Wettbewerbsdruck des Ostseeparks verursacht.

96

Ferner müsse im Rahmen der Prognose berücksichtigt werden, dass die Stadt Schwentinental die Gesamtverkaufsflächen des Ostseeparks mit ihrer Bauleitplanung beschränken werde. Stehe der Wegfall bestimmter am Standort derzeit noch vorhandener Verkaufsflächen fest, könne und müsse das im Rahmen einer Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. So sei auch der Wegfall der Altflächen des Modemarkts Adler mit 3.100 qm modischen Bedarf berücksichtigt worden. Die Klägerin „übernehme" lediglich 1.500 qm Verkaufsfläche des ehemaligen Adler-Modemarktes. Die überschießenden 1.600 qm entfielen ersatzlos und wirkten dementsprechend nicht auf die Versorgungsbereiche der Beigeladenen.

97

Die Klägerin beantragt,

98

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2013 den von der Klägerin am 05.07.2011 beantragten und mit Schreiben vom 14.11.2012 und 10.01.2013 präzisierten Bauvorbescheid antragsgemäß zu erlassen.

99

Der Beklagte beantragt,

100

die Klage abzuweisen.

101

Die Bauvoranfrage sei zu Recht wegen zu erwartender schädlicher Auswirkungen auf mehrere benachbarte zentrale Versorgungsbereiche abgelehnt worden.

102

Es herrsche Einigkeit darüber, dass die Erwartung schädlicher Auswirkungen positiv festgestellt werden müsse. Er habe nicht nur einen Verkaufsflächenvergleich durchgeführt, sondern auch zur Tatsachenermittlung die Umschreibung und Begrenzung sowie die Verkaufsflächen der betroffenen Versorgungsbereiche aus dem Marktgutachten von B... übernommen. Lediglich die hieraus von B... gezogenen Schlussfolgerungen habe er nicht geteilt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Bauaufsichtsbehörde aber nicht verpflichtet, das Ergebnis eines vorgelegten Marktgutachtens kritiklos zu übernehmen. Das Gutachten von B... sei nicht überzeugend. Im Gutachten sei im Rahmen der durchgeführten Kaufkraftstrom-Modellrechnung die derzeitige Ist-Verteilung der Kundenströme und Umsätze für sämtliche zentralen Versorgungsbereiche und Sonderstandorte ermittelt worden. Es werde deutlich, dass B... die von dem Ostseepark bereits in seiner derzeitigen Form ausgehenden schädlichen Auswirkungen nicht hinreichend berücksichtigt habe. Die Existenz des Ostseeparks werde im Gutachten im Wesentlichen dergestalt berücksichtigt, dass ein Großteil der Umsatzerwartung des geplanten Vorhabens als Kaufkraftverteilung innerhalb des Ostseeparks verrechnet worden sei. Dies führe zu dem unlogischen Ergebnis, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben unter Berücksichtigung der übrigen Flächen des Ostseeparks eher weniger schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien als bei Ausblendung des Ostseeparks. B... hätte in diesem komplexen Fall zunächst in einem ersten Schritt bestehende Vorschädigungen durch den Ostseepark und erst in einem zweiten Schritt die durch das Vorhaben ausgelösten Kaufkraftströme ermitteln müssen. Dass bereits gegenwärtig von dem Ostseepark mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgingen, sei nach seiner Auffassung offensichtlich. Letztlich werde dies auch durch das Marktgutachten von B... bestätigt, indem dieses den zentralen Versorgungsbereichen in Preetz und Lütjenburg Vorschädigungen attestiere. Nach Auffassung von B... sei diesen vorgeschädigten Bereichen gleichwohl noch eine Umsatzumverteilung von 6% zuzumuten. Diese Auffassung werde von ihm, dem Beklagten, nicht geteilt. Eine schleichende Verschlechterung der Situation für vorgeschädigte zentrale Versorgungsbereiche durch neu hinzukommende Einzelhandelsvorhaben könne nur verhindert werden, wenn bereits die Verstärkung der schädlichen Auswirkungen zur Unzulässigkeit des Vorhabens führe. Dies könne spätestens ab einer zusätzlichen Umverteilungsquote von 1% ohne Weiteres angenommen werden. Im Versorgungszentrum Preetz sei auch nach den Feststellungen von B... mit Kaufkraftabflüssen von 6% im modischen Bedarf und 6% im Sortiment Spielwaren zu rechnen. Da bereits die Schädigung eines einzelnen Versorgungszentrums den Genehmigungsanspruch ausschließe, komme es nicht darauf an, ob - wovon er jedoch ausgehe - auch die Versorgungsbereiche Plön, Wellingdorf und Gaarden-Ost bereits durch den Ostseepark vorgeschädigt und nur eingeschränkt belastbar seien.

103

Nicht schlüssig sei das Gutachten, wenn davon ausgegangen werde, dass aufgrund der Attraktivitätssteigerung des Ostseeparks durch das Vorhaben Kaufkraftströme von der Kieler Innenstadt und dem Cluster CITTI-Park/Plaza/Ikea weg in den Ostseepark umgelenkt würden, es aber nicht hinreichend berücksichtige, dass das neu geplante Einkaufszentrum aufgrund seiner Dimension zu einer deutlichen und beabsichtigten Aufwertung des Ostseeparks führe, wodurch dessen Magnetwirkung noch verstärkt werde.

104

Zu Unrecht meine die Klägerin, nach den Entwürfen der Bebauungspläne wegfallende Verkaufsflächen dürften bei der Prognose bereits jetzt berücksichtigt werden. Derartige Nutzungen seien bestandsgeschützt und würden noch Jahrzehnte fortbestehen. Zudem sei völlig ungewiss, ob die Bebauungspläne tatsächlich wie entworfen in Kraft träten.

105

Ergänzend verweist der Beklagte auf eine weitere gutachterliche Stellungnahme von J&K vom 05.09.2014, die weitere methodische Mängel des Marktgutachtens von B... belege.

106

In dieser Stellungnahme wiederholen J&K ihre Kritik an den Gutachten von B.... Sie räumen ein, dass sie in ihrer Einleitung auf Seite 28 tatsächlich die Zahlen für den periodischen und aperiodischen Bedarf vertauscht hätten. Tatsächlich sei aber in den Berechnungen für den periodischen Bedarf ein Anteil von 40% des potenziellen Umsatzes des Bauvorhabens angenommen worden, der auf Kunden aus den untersuchten Kieler Stadtteilen zurückzuführen sei. Dieser Ansatz sei auch gerechtfertigt. Zwar sei gerade bei autokundenorientierten Standorten wie dem Ostseepark eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft der Kunden und somit ein weitläufigeres Einzugsgebiet anzunehmen, jedoch lasse mit zunehmender Entfernung die Kundenbindung immer weiter nach. Dies sei in besonderem Maße für die Güter des täglichen Lebens zutreffend: aufgrund der regelmäßigen Nachfrage nach periodischen Bedarfsgütern würden diese üblicherweise möglichst in der Nähe zum Wohnort getätigt. Insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel bestehe eine hohe Distanzempfindlichkeit beim räumlichen Einkaufsverhalten des Kunden. Vor allem die von B... zitierten Angebotsstandorte CITTI und Plaza trügen dazu bei, dass Kunden aus den westlichen und nördlichen Kieler Stadtteilen nur geringen Anlass haben dürften, die geplanten Standorte am Vorhabenstandort aufzusuchen. Ein sehr enger räumlicher Bezug zwischen Wohnstandorten und Angebotsstandort bestehe hingegen bezogen auf die östlichen Kieler Stadtteile. Aus dem für Waren der kurzfristigen Bedarfsstufe definierten Untersuchungsraum sei der Vorhabenstandort in 10 Minuten, aus Elmschenhagen beispielsweise in nur 5-6 Minuten Pkw-Fahrtzeit zu erreichen. Ein 7-Minuten-Pkw- Fahrtzeitradius umfasse neben Schwentinental selbst fast ausschließlich die Siedlungsgebiete des Kieler Ostens. Die Annahme einer 40%igen Umsatzverteilung sei daher noch als zurückhaltend einzustufen. Unzutreffend sei die Behauptung von B..., die Lebensmittelmärkte in den Kieler zentralen Versorgungsbereichen würden sich an fußläufige Kunden richten, sodass kein Wettbewerb zum Ostseepark bestehe. Auch die Bewohner dieser Stadtteile verfügten oft über Pkw und seien daher potentielle Kunden des Vorhabens. Der Annahme einer 40%igen Kaufkraftbindung stehe auch die von B... herangezogene Kundenherkunftsbefragung aus dem Jahre 2007 nicht entgegen. Diese sei mit einem Stichprobenumfang von lediglich 613 befragten Kunden und ohne jegliche Differenzierung nach Warengruppen aus fachlicher Sicht nicht belastbar und für die Prognose von Auswirkungsbereichen möglicher Umsatzumverteilungseffekte unbrauchbar. Sie, J&K, würden Marktgutachten auf der Basis von Umfragen mit 10.000 bis 15.000 Kunden durchführen.

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Mit Replik vom 18.09.2015 weist die Klägerin die von J&K erhobenen Einwände als unzutreffend zurück. Sie beruft sich dabei auf eine weitere ergänzende Stellungnahme von B... vom 09.09.2015, worin u.a. Folgendes ausgeführt wird:

108

Die Stichprobe mit 613 Befragten sei durchaus ausreichend und verwertbar. Bei einem Stichprobenumfang von 600 werde der aus dem von J&K abgegrenzten Kieler Teilraum gemessene Anteilswert von etwa 20% mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit real innerhalb eines Bereiches von 17-23% liegen. Eine Teilsplittbildung nach Bedarfsgruppen und Herkunftsbereichen könnte hingegen zu so kleinen Fallzahlen führen, dass die für diese Untergruppen gemessenen Werte auf Grund erhöhter Varianzen nicht oder nur noch mit großer Vorsicht interpretierbar wären. Hinsichtlich der nachgefragten Sortimente hätten lediglich Gesamtaussagen vorgelegen, sodass daraus keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Kunden unterschiedlicher Herkunftsbereiche hätten gezogen werden können. Hinsichtlich der Frage der ungleichen Reichweite von Sortimenten unterschiedlicher Bedarfsfristigkeiten habe man eine auf den Erfahrungswerten eigener Untersuchungen basierende Gewichtung vorgenommen.

109

Soweit J&K eine Umsatzumverteilung von 40% für den periodischen Bedarf und den untersuchten Einzugsbereich angenommen habe, lösten sie sich nicht nur von dem festgestellten Kundenanteil von 20%, sondern verdoppelten diesen sogar auf 40%. Diese Relation sei fern jeder Realität und könne von ihr aus langjähriger Tätigkeit in keinem vergleichbaren Standort auch nur ansatzweise bestätigt werden. Diese Verdoppelung funktioniere auch rechnerisch nicht. Würde man dieses Vorgehen auf alle Kunden aus dem Nahbereich des Ostseeparks übertragen, also auch mit denen aus Zone 1 (Schwentinental) sowie der Zone 2a (das ländliche Gegenstück zum Kieler Nahbereich

110

der Zone 2b), mithin das Umsatzgewicht aller Nahbereichskunden verdoppeln, würde nahezu der gesamte künftige Projektumsatz ausschließlich von Kunden des Nahbereichs mit etwa 100.000 Kunden getragen werden, ohne die weiteren 300.000 Kunden überhaupt in Ansatz zu bringen.

111

J&K ließen schlicht unberücksichtigt, dass diese Haushalte auch in der Ausgangslage bereits im Ostseepark, im CITTI-Park, bei Plaza (nunmehr Sky XXL) und in der Kieler Innenstadt und in vielen weiteren Märkten einkauften. Es werde nicht berücksichtigt, dass auch derartige Kaufkraftströme in die „Neue Mitte" verlagert würden, mithin nicht der gesamte mit Kunden aus dem Kieler Teilraum getätigte Umsatz des Planvorhabens deren wohnortnaher Versorgung entzogen würde.

112

Zudem bleibe die Kritik, dass J&K den Umsatzanteil des Planvorhabens, der mit Kunden aus dem abgegrenzten Kieler Teilraum getätigt werde, im Vorwege selbst festgelegt habe, obwohl dieser eigentlich das Untersuchungsergebnis hätte sein müssen.

113

Die Beigeladene zu 2) beantragt,

114

die Klage abzuweisen.

115

Sie ist der Auffassung, dass von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche in den Kieler Ostbezirken, insbesondere Gaarden-Ost zu erwarten seien. Dies werde belegt durch die gutachterlichen Stellungnahmen von J&K. J&K hätten zwar nur die Betroffenheit der Versorgungsbereiche in den Kieler Ostbezirken untersucht, jedoch liege hierin kein methodischer Mangel, vielmehr sei es durchaus üblich, dass die Betrachtung - wie hier - auf die am stärksten betroffenen Versorgungsbereiche beschränkt werde. Gerade in Gaarden-Ost habe es in den siebziger Jahren eine blühende Einzelhandelsstruktur gegeben, die heute nicht mehr ansatzweise vorhanden sei. Das Stadtteilzentrum habe seine über den Stadtteil hinausgehende Ausstrahlungskraft verloren. Diese Entwicklung sei einhergegangen mit einer fortlaufenden Schädigung durch den Ostseepark. Die Annahme von J&K, das geplante Einkaufszentrum werde in hohem Umfange Kunden aus den Kieler Ostbezirken binden, sei auch begründet. Die Verbindung zwischen diesen Bezirken und dem Ostseepark mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei sehr gut und werde von den Menschen auch tatsächlich genutzt.

116

Die Beigeladene zu 3) hat keinen eigenen Antrag gestellt.

117

Sie ist der Auffassung, dass aus den von der Klägerin dargestellten Gründen schädliche Auswirkungen auf benachbarte zentrale Versorgungsbereiche nicht zu befürchten seien. Bereits bestehende Vorschädigungen könnten nicht festgestellt werden. Leerstände einzelner Läden, die durchaus im Rahmen der üblichen Fluktuation vorkämen, reichten für die Annahme von Vorschädigungen nicht aus. Dass in den betroffenen Versorgungsbereichen etwa Magnetbetriebe gefährdet wären, sei nicht ersichtlich. Die Verhältnisse in Gaarden resultierten nicht aus der Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark, sondern hätten ihre Ursache u.a. darin, dass die Bewohner früher einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wären, heute hingegen eine hohe Arbeitslosigkeit bestehe. Die festgestellten Umsatzumverteilungsquoten seien gering und für alle betroffenen Versorgungsbereiche unterhalb der tolerierbaren Quote von 6 %. Selbst dann, wenn man von bestehenden Vorschädigungen ausginge, die eben nicht belegt seien, könne nicht bereits jede zusätzliche Umsatzumverteilung auch im geringen einstelligen Prozentbereich zur Begründung schädlicher Auswirkungen herangezogen werden.

118

Die Beigeladene zu 4) hat keinen eigenen Antrag gestellt.

119

Sie ist der Auffassung, dass von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf ihren zentralen Versorgungsbereich zu erwarten seien. Soweit die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hätten, die Situation habe sich in den benachbarten Versorgungszentren mittlerweile verbessert, könne sie dieser Einschätzung keinesfalls zustimmen. Das Gegenteil sei der Fall: Die Lage habe sich verschlechtert. So habe sie in der Innenstadt zwischenzeitlich ein weiteres Bekleidungsgeschäft durch Betriebsaufgabe verloren und ein Buchladen habe seine Verkaufsfläche reduzieren müssen.

120

Die Beigeladenen zu 1) und 5) haben sich am Verfahren nicht aktiv beteiligt.

121

Die Beigeladene zu 3) hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, zu der Frage, ob Vorschädigungen in den zentralen Versorgungsbereichen Preetz, Lütjenburg und Gaarden-Ost vorliegen, Beweis zu erheben durch Einvernahme des präsenten Sachverständigen Gustafsson.

122

Die Kammer hat diesen Beweisantrag abgelehnt und die Ablehnung in der mündlichen Verhandlung mündlich begründet.

123

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Gutachten der Firmen B...Gesa AG und J... & K... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht der begehrte Bauvorbescheid für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit Veranstaltungssaal nicht zu; die angefochtenen Bescheide vom 27.05.2013 und 25.11.2013 halten jedenfalls im Ergebnis einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand.

125

Die Klage ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Klägerin bereits im Besitz des von ihr erstrebten Bauvorbescheides wäre. Allerdings kann auch ein Bauvorbescheid fiktiv entstehen, wenn die Bauaufsichtsbehörde nicht innerhalb der in § 69 LBO festgelegten Fristen die Bauvoranfrage bearbeitet. Gemäß § 66 Satz 3 LBO gilt § 69 Abs. 5 bis 9 LBO entsprechend. Diese Vorschrift stellt aber eine Rechtsgrundverweisung mit der Folge dar, dass auch im Vorbescheidsverfahren die Genehmigungsfiktion entsprechend § 69 Abs. 9 LBO nur eintritt, wenn es sich um ein Vorhaben handelt, dass in das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren fällt oder durch Entscheidung des Bauherrn fallen könnte. Eine Genehmigungsfiktion tritt mithin nicht ein, wenn ein Sonderbau im Sinne des § 51 LBO Gegenstand einer Bauvoranfrage ist (vgl. Domning / Möller / Bebensee, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Kommentar, § 66 Rnr. 89; OVG Schleswig, Urteil vom 19.02.2004 - 1 LB 63/03 -; BVerwG, Beschluss vom 27.05.2004 - 4 B 40.04 -). Vorliegend handelt es sich um einen Sonderbau nach § 51 Abs. 2 Nr. 3 und 6 LBO, der zwingend im Baugenehmigungsverfahren nach § 67 LBO zu bearbeiten wäre.

126

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheides, weil diesem gemäß §§ 73 Abs. 1, 66 LBO öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Gegenstand der Bauvoranfrage ist allein, aber auch umfassend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens mit seinen beiden Varianten, jeweils kombiniert mit einem Veranstaltungssaal für 500 Personen.

127

Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich hier nach § 34 BauGB.

128

Ein Grundstück fällt zwar nicht bereits deshalb unter § 34 Abs. 1 BauGB, weil es von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Daher können Außenbereichsflächen auch in solchen Gebieten liegen, die in einem größeren Rahmen von Bebauung umgeben sind. Von einem solchen „Außenbereich im Innenbereich" bzw. einer „Außenbereichsinsel im Innenbereich" spricht man schlagwortartig - allerdings ohne dass damit etwa ein eigener unbestimmter Rechtsbegriff gemeint wäre -, wenn eine ringsum von Bebauung umgebende Freifläche so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt und deshalb nicht als - nach den Kriterien des § 34 BauGB bebaubare - Baulücke erscheint (BVerwG, Beschluss vom 15.09.2005 - 4 BN 37/05 -). Die eine solche Fläche umgebende Bebauung ist dann nämlich nicht mehr in der Lage, die Planersatzfunktion von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zu erfüllen, so dass die Bebauung einer solchen Fläche ein Planungserfordernis auslöst. Dabei lässt sich nichts allgemein Gültiges darüber sagen, wie sich namentlich die Größe einer solchen unbebauten Fläche auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt. Zwar findet die Möglichkeit, eine den Zusammenhang wahrende Baulücke anzunehmen, auch in dessen Größe eine obere Grenze, jedoch lässt sich eine absolute Zahl als Grenzwert insoweit nicht angeben. Bei der Beurteilung, ob in solchen Fällen noch eine Baulücke anzunehmen ist, ist insbesondere die Struktur der vorhandenen umgebenden Bebauung maßgeblich. Eine kleinteilige Bebauung im städtischen Bereich spricht eher dafür, größere Freiflächen dem Außenbereich zuzuordnen. Eine uneinheitliche, aufgelockerte Bebauung im ländlichen Raum mit großen Freiflächen um die Häuser herum legt es daher nahe, selbst bei größeren Entfernungen eine Baulücke im Innenbereich zu bejahen. So ist in der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts u.a. im ländlichen Raum in einem von großvolumigen Baukörpern mit großzügigen Freiflächen geprägten Bereich bei einer Ausdehnung von 70 bis 80 m in der Luftlinie noch der Eindruck der Geschlossenheit bejaht worden (Urteil vom 30.05.2001 - 1 L 61/00 -). Von einer solchen Situation gehen die Beteiligten bezüglich des streitbefangenen Grundstücks zu Recht aus. Die ohne Frage sehr ausgedehnte Fläche (geschätzt 28.000 qm; nähere Angaben befinden sich im Verwaltungsvorgang nicht), auf der das Einkaufszentrum errichtet werden soll, ist nämlich durchgängig von ähnlich großen Grundstücken mit teils ebenso großvolumiger Bebauung bereits umgeben, so dass keine Zweifel daran bestehen können, dass sich die Vorhabenfläche noch als Teil des in Form des Ostseeparks bestehenden Bebauungszusammenhangs darstellt.

129

Das Vorhaben fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Dabei kann offenbleiben, ob die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB entspricht. Im Urteil vom 19.10.2000 (- 5 A 1098/99 -) ist das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem gesamten Ostseepark um ein faktisches Sondergebiet „Einkaufszentrum" i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO handelt. Aus Sicht des Kunden, worauf maßgebend abzustellen sei, stellten sich die Betriebe im Ostseepark als aufeinander bezogen, durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden dar. Schwentinental ist hingegen der Auffassung, bei dem Ostseepark handele es sich um eine Gemengelage. Hierfür spricht, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16.09.2010 (- 4 C 7/10 -) zwar offengelassen hat, ob es rechtlich zulässig wäre, faktische Sondergebiete für Einkaufszentren und den großflächigen Einzelhandel anzuerkennen, andererseits aber in dieser Entscheidung ausgeführt hat, dass im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB in der Baunutzungsverordnung „bezeichnet" nur solche Baugebiete seien, für die die Baunutzungsverordnung die Art der zulässigen Nutzung selbst regele. Sondergebiete i.S.d. § 11 BauNVO erfüllten diese Voraussetzungen nicht, weil nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO die Gemeinde die Art der zulässigen Nutzung festzusetzen habe. Auch wenn die Kammer mit der Schwentinental daher zu der Ansicht neigt, dass die nähere Umgebung als Gemengelage einzustufen ist, bedarf es einer abschließenden Entscheidung hierzu nicht, weil sich das streitgegenständliche Vorhaben seiner Art nach so oder so in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

130

Das Vorhaben fügt sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB auch nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Auch der Beklagte geht im Ablehnungsbescheid vom 27.05.2013 davon aus, dass sich das Vorhaben in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche, die absolute Höhe und die Kubatur entweder in die nähere Umgebung einfüge oder aber als rahmenüberschreitendes Vorhaben nicht dazu geeignet wäre, bodenrechtlich beachtliche Spannungen auszulösen. Lediglich das von Kiel in Auftrag gegebene Rechtsgutachten der Kanzlei Baumeister durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Bischopink geht davon aus, dass sich das Vorhaben bereits nicht nach dem Maß der baulichen Nutzung bzw. der überbaubaren Grundstücksfläche einfüge. Zu dieser Einschätzung gelangt er, indem er aus Sicht der Kammer den Rahmen der näheren Umgebung viel zu eng zieht, nämlich lediglich das Straßengeviert Carl-Zeiss-Straße, Dieselstraße, Gutenbergstraße und Mergenthaler Straße als maßgebende Umgebungsbebauung heranzieht. Angesichts der gleichartigen Nutzung und Bebauung im Ostseepark sowie der Größe der benachbarten Grundstücke und Baukörper kommt diesen Straßen aber keine trennende Wirkung zu.

131

Sowohl das Warenhaus Real, das Baltic-Center als auch der Komplex Parc‘s geben den Rahmen für die überbaute Grundfläche noch vor, so dass sich Vorbilder für das Vorhaben finden.

132

Das Vorhaben scheitert aber an der Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB. Danach dürfen von Vorhaben nach Abs. 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Das ist hier nach Überzeugung der Kammer der Fall.

133

Zentrale Versorgungsbereiche i.S.d. Bestimmung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Bei der Beurteilung, ob ein Versorgungsbereich einen zentralen Versorgungsbereich i.S.d. Vorschrift bildet, bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung der städtebaulich relevanten Gegebenheiten. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2009 (- 4 C 2/08 -) können auch Grund- und Nahversorgungszentren zentrale Versorgungsbereiche in diesem Sinne sein. Ziel des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Erhaltung gewachsener städtebaulicher Strukturen und die Entwicklung integrierter Lagen auch im Interesse der verbrauchernahen Versorgung. Entscheidend ist, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. Dabei kann Zentralität durchaus kleinteilig sein. Ein zentraler Versorgungsbereich kann schon angenommen werden, wenn der Versorgungsbereich einen gewissen, über seine eigenen Grenzen hinausgehenden räumlichen Einzugsbereich mit städtebaulichem Gewicht hat und damit über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wirkt.

134

Vorhaben i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB können alle Arten von Einzelhandelsbetrieben sein. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie bereits großflächig i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO sind. Zugrundezulegen ist das beantragte Vorhaben, d.h. das Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB. Im Falle der Erweiterung eines vorhandenen Einzelhandelsbetriebes ist die Zulässigkeit des Gesamtvorhabens zu prüfen (OVG Münster, Urteil vom 06.11.2008 - 10 A 1417/07 -). Die städtebauliche Situation wird nämlich auch durch den Betrieb, dessen Erweiterung beantragt wird, in seinem bisherigen Bestand geprägt. Der vorhandene Betrieb kann - ggf. im Zusammenwirken mit weiteren Einzelhandelsbetrieben an einem nicht integrierten Standort - bereits gegenwärtig die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs gefährden. In einem solchen Fall können selbst Erweiterungen eines Betriebes, die lediglich das vorhandene Sortiment auf größerer Fläche präsentieren sollen, zu schädlichen Auswirkungen führen. Der Markt kann sich aber auch auf die vorhandene Situation in der Weise eingestellt haben, dass sich eine geringfügige Verkaufsflächenerweiterung nicht auf die bestehende Umsatzverteilung auswirkt.

135

Schädliche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn die Funktionsfähigkeit des betroffenen zentralen Versorgungsbereichs in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört wird. Eine solche Funktionseinschränkung liegt vor, wenn der Versorgungsbereich seinen Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substantieller Weise wahrnehmen kann. Daraus ergibt sich weiter, dass Auswirkungen auf Versorgungsbereiche nicht erst dann schädlich sind, wenn sie die Schwelle der Unzumutbarkeit überschreiten, also der Verlust der städtebaulichen Funktion als zentraler Versorgungsbereich zu erwarten ist (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 1/08 -). Schutzzweck des § 34 Abs. 3 BauGB ist die Vermeidung städtebaulich nachteiliger Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche. Es soll eine bestimmte städtebauliche Struktur erhalten werden, die sich durch Zentralität auszeichnet und eine diffuse Verteilung von Einrichtungen in die Fläche vermeidet. Die Unzulässigkeit von Betrieben kann nach dem Schutzzweck des § 34 Abs. 3 BauGB auch dazu beitragen, dass sich durch den dadurch bewirkten Schutz ein ggf. auch schon beeinträchtigter Versorgungsbereich positiv entwickelt und aufgewertet wird (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rnr. 85b und 86c). Eine Schädigung kann unter Umständen bereits im Falle einer Schwächung des Versorgungsbereiches vorliegen, wenn das Vorhaben auf eine „eher bereits eingeschränkte Versorgungssituation" trifft (BVerwG, Beschluss vom 11.06.2010 - 4 B 75/09 -). Nicht zu verlangen ist, dass die schädlichen Auswirkungen schon unmittelbar mit oder nach der Errichtung des zur Genehmigung anstehenden Vorhabens eintreten (Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34 Rnr. 86k).

136

Schädliche Auswirkungen können sich auch daraus ergeben, dass das geplante Vorhaben zusammen mit bereits vorhandenen Betrieben eine Beeinträchtigung des geschützten Versorgungsbereichs bewirkt, denn ein gerade noch unbedenkliches Nebeneinander eines Einzelhandelsbetriebes an einem nicht integrierten Standort in räumlicher Nähe zum Versorgungsbereich kann durch das Hinzutreten eines weiteren Vorhabens in eine städtebaulich beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereiches umschlagen. Insofern geht auch eine Einwand fehl, das Versorgungszentrum habe sich doch auf die bestehenden Einzelhandelsbetriebe eingestellt, so dass durch das streitige Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten seien (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -). Eine etwaige Vorschädigung des zentralen Versorgungsbereiches ist bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Vorhabens also zu berücksichtigen. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung der Kammer erst recht, wenn vorhandene, außerhalb von zentralen Versorgungsbereichen gelegene Einzelhandelsbetriebe diese schon schädigen (Urteil vom 06.12.2014 - 2 A 146/13 -, n.rk.). Eine solche Vorschädigung kann insbesondere auf bereits vorhandene großflächige Einzelhandelsbetriebe im Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs zurückzuführen sein (BVerwG, Beschluss vom 17.02.2009-4 B4/09 -).

137

Ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, ist im Rahmen einer anzustellenden Prognose festzustellen. Die Bauaufsichtsbehörde und das Verwaltungsgericht müssen dies im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufklären, so dass es im Regelfall auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast bei dieser Prognoseentscheidung nicht ankommen wird (OVG Münster, Urteil vom 13.06.2007 - 10 A 2439/06 -). Eine nur unter bestimmten Voraussetzungen widerlegbare Regel, dass bei Überschreiten einer bestimmten Verkaufsund Geschossfläche schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, stellt § 34 Abs. 3 BauGB - anders als § 11 Abs. 3 BauNVO - nicht auf. Allerdings bietet das Überschreiten der in § 11 Abs. 3 BauNVO festgelegten Großflächigkeit des Vorhabens zumindest Anlass zu kritischer Betrachtung. Ob die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 BauNVO im Rahmen der Prognose als Indiz oder sonst wertend berücksichtigt werden kann, ist in der Rechtsprechung nicht geklärt. Im Rahmen der Prognose des § 34 Abs. 3 BauGB sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere die Verkaufsfläche des Vorhabens im Verhältnis zu „den im Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen derselben Branche", die voraussichtliche Umsatzverteilung, die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich, eine etwaige „Vorschädigung" des Versorgungsbereichs oder die Gefährdung eines „Magnetbetriebs", der maßgebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat, das Vorhandensein branchengleicher Einzelhandelsangebote an nicht integrierten Standorten im Einzugsbereich des Versorgungsbereichs und die Kundenattraktivität des geplanten Vorhabens durch standortbedingte Synergie-Effekte (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 4/07 -; Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -).

138

Bei der Entscheidung, ob von einem Vorhaben schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, sind diejenigen Auswirkungen zugrundezulegen, die typischer Weise von einem Betrieb der Art, wie er zur Genehmigung gestellt wird, an der betreffenden Stelle zu erwarten sind. Der Prognose muss eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis zugrunde liegen. Als geeignete Methode kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verkaufsflächenvergleich zwischen der Verkaufsfläche des Vorhabens und der Verkaufsfläche des betroffenen Versorgungsbereichs in Betracht, jedenfalls in einer Gesamtschau mit den maßgebenden o.g. städtebaulichen Faktoren, wobei der bloße Verkaufsflächenvergleich allein nicht überbewertet werden soll. Einem derartigen Vergleich kann auch nicht entgegengehalten werden, ökonomische Effekte spielten sich nach dem Grundsatz der systemgleichen Konkurrenz nur zwischen den Betrieben an den nicht integrierten Standorten ab (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -). Nicht zwingend erforderlich ist daher, dass ein Verkaufsflächenvergleich zwischen dem Vorhaben einerseits und der Gesamtverkaufsfläche aller im Einzugsbereich des Vorhabens gelegenen Einzelhandelsbetriebe vorgenommen wird (OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 - 7 A 1635/07 - ). Die Aussagekraft eines Verkaufsflächenvergleichs lässt bei zunehmender Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen Zentrum und bei weniger eindeutigen Relationen in Bezug auf die geplanten und die bereits vorhandenen Verkaufsflächen nach. In derartigen Konstellationen wird regelmäßig ein Rückgriff auf ein ergänzendes Marktgutachten zur Ermittlung von Kaufkraftabflüssen notwendig sein. Letztlich ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, die Methode zu bestimmen, anhand derer mögliche schädliche Auswirkungen prognostiziert werden. So wie sich beim Verkaufsflächenvergleich keine festen Prozentsätze angeben lassen, bei deren Unterschreiten stets von unschädlichen Auswirkungen auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -), erscheint auch für die Umsatzumverteilung fraglich, ob sich ein fester Prozentsatz nennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 1/08 -; ablehnend OVG Münster, Urteil vom 13.06.2007 - 10 A 2439/06 - und Urteil vom 11.12.2006 -7 A 964/05 -). Einige Obergerichte gehen allerdings bei nicht vorgeschädigten Versorgungsbereichen von einer Erheblichkeitsschwelle von 10% aus. Das OVG Münster hat im Falle einer Vorschädigung eine festgestellte Umsatzumverteilung von 7,9% bis 8,8% beim periodischen Bedarf und von 4,5% bezogen auf alle Einzelhandelsbranchen als ausreichend für die Feststellung schädlicher Auswirkungen angesehen (OVG Münster, Urteil vom 01.02.2010 - 7 A 1635/07 -).

139

Bei Anlegung dieser Maßstäbe lassen sich vorliegend nach Überzeugung der Kammer - auch ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens oder Befragung der bereits beteiligten Gutachter - im Rahmen einer Gesamtschau aller bekannten städtebaulichen Faktoren auf der Basis eines Verkaufsflächenvergleichs und der Würdigung der bereits vorliegenden Gutachten schädliche Auswirkungen des streitgegenständlichen Vorhabens jedenfalls bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost feststellen. Dies gilt sowohl für die Variante 1 als auch für die Variante 2 der streitgegenständlichen Bauvoranfrage, für die nach der Erklärung der Klägerin vom 14.11.2012 dieselben Sortimentsangaben gelten, wobei diese für den modischen Bedarf durch Erklärung vom 10.01.2013 für beide Varianten auf 8.000 qm Verkaufsfläche erhöht worden ist.

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Entgegen der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung muss Ausgangspunkt der Überlegungen das hier streitbefangene Bauvorhaben mit seiner Verkaufsfläche von max. 15.000 qm, nicht hingegen die Verkaufsfläche des gesamten Ostseeparks sein. Der Beklagte verweist zwar zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach im Falle einer Erweiterung eines Einzelhandelsbetriebes der Betrieb in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen ist. Legt man vorliegend den Ansatz der 5. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts im Urteil vom 19.10.2000 sowie die übereinstimmende Einschätzung von Klägerin und Beklagten zugrunde, dass es sich beim Ostseepark um ein faktisches Sondergebiet Einkaufszentrum handelt, könnte das Vorhaben - obwohl selbst ein Einkaufszentrum - die „Erweiterung" des Einkaufszentrums Ostseepark darstellen mit der Folge, dass im Rahmen der Prüfung schädlicher Auswirkungen die Gesamtverkaufsfläche des Ostseeparks einschließlich der geplanten Verkaufsfläche des streitigen Vorhabens zum Ausgangspunkt der Überlegung gemacht werden könnte/müsste. Würde man diesen Ansatz vertreten, lägen die Umsatzumverteilungsquoten ersichtlich weit über der von der Klägerin immer wieder herangezogenen und in der Rechtsprechung als Faustformel entwickelten Erheblichkeitsschwelle von 10%. Allerdings lässt sich aus Sicht der Kammer nicht feststellen, dass das Vorhaben eine Erweiterung eines bestehenden Einkaufszentrums Ostseepark darstellt. Bei der Wertung, beim Ostseepark handele es sich um ein Einkaufszentrum, hat die 5. Kammer zu Recht auch maßgeblich auf das geschlossene Auftreten nach außen abgestellt. Ob der Betreiber des streitbefangenen Vorhabens sich diesem Auftreten anschließen wird, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht gewiss und gerade eben nicht Inhalt der Voranfrage. Das Vorhaben erfüllt auch selbst alle Anforderungen an ein solches i.S.d. § 29 BauGB. Es handelt sich selbst um ein Einkaufszentrum, das auf ein organisatorisches Zusammenwirken mit dem Ostseepark nicht zwingend angewiesen ist. Von daher verbietet es sich vorliegend, von vornherein den gesamten Ostseepark als einheitliches Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB zu betrachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber Ausgangspunkt der Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB immer das Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB. Aus Sicht der Kammer führt die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage letztlich aber nicht zu anderen Ergebnissen. Auch im Falle einer Erweiterung eines Betriebes können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bestandsflächen unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Einzelhandel in den betroffenen Versorgungsbereichen hierauf schadlos eingestellt hat. Andererseits sind nach dieser Rechtsprechung auch im Falle der Neuerrichtung eines Einzelhandelsbetriebes die bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe mit in den Blick zu nehmen, nämlich hinsichtlich der Frage, ob die durch das Vorhaben betroffenen zentralen Versorgungsbereiche bereits vorgeschädigt sind. Die Frage, ob Schädigungen zu erwarten sind, lässt sich auch nicht schematisch an der von der Klägerin immer wieder herangezogenen Erheblichkeitsschwelle von 10% beantworten. Der Ostseepark ist daher mit seinen Verkaufsflächen so oder so im Rahmen der Prognose schädlicher Auswirkungen mit einzubeziehen.

141

Nach Überzeugung der Kammer stellt der vom Beklagten im Ausgangsbescheid vorgenommene Verkaufsflächenvergleich zwischen den Verkaufsflächen des streitbefangenen Vorhabens und einzelnen Versorgungsbereichen, insbesondere dem Versorgungsbereich Preetz und dem Stadtteilzentrum Gaarden-Ost, ein erhebliches und vorliegend letztlich durchschlagendes Indiz für zu befürchtende schädliche Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB dar. Der Verkaufsflächenvergleich ist insbesondere vom OVG Münster und vom Bundesverwaltungsgericht wiederholt als geeignete Methode im Rahmen der Prognose schädlicher Auswirkungen anerkannt worden, ohne dass sich dabei für den Verkaufsflächenvergleich feste Prozentsätze angeben ließen, bei dessen Unterschreiten stets von unschädlichen und bei dessen Überschreiten immer von schädlichen Auswirkungen auszugehen ist (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -). Eine Pflicht zur Einholung eines Marktgutachtens hat das Bundesverwaltungsgericht nur ausnahmsweise für die Fälle angenommen, in denen die Aussagekraft eines Verkaufsflächenvergleichs bei zunehmender Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen Zentrum und bei weniger eindeutigen Relationen in Bezug auf die geplanten und die bereits vorhandenen Verkaufsflächen nachlässt. Letztlich ist es Sache des Instanzgerichts, ob es den Verkaufsflächenvergleich in Verbindung mit allen städtebaulichen Umständen des konkreten Einzelfalls als ausreichende Tatsachengrundlage ansieht. Ein derartiger Ausnahmefall i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in dem eine Pflicht zur Einholung eines Marktgutachtens und dessen vorrangige Berücksichtigung gegenüber dem Verkaufsflächenvergleich besteht, wird hier von der Kammer nicht gesehen. Das OVG Münster sowie das Bundesverwaltungsgericht sind bereits in einem Fall, indem die Verkaufsfläche des Vorhabens bezogen auf ein Sortiment ca. 75% der Verkaufsfläche dieses Sortiments im zentralen Versorgungsbereich betrug, davon ausgegangen, dass sich hieraus wegen der Eindeutigkeit ohne weiteres die Schlussfolgerung schädlicher Auswirkungen ziehen lasse. Vorliegend bestehen aber eindeutige Relationen von mehreren 100% bezogen auf einzelne zentrenrelevante Sortimente; so etwa hinsichtlich des modischen Bedarfs von 571% bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und 552% auf das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost. Auch die Entfernungen zwischen Preetz und Gaarden-Ost sind mit ca. 9 km (10 Minuten Pkw-Fahrtzeit) bzw. ca. 6 km (8 Minuten Pkw-Fahrtzeit) nicht derart groß, dass hier trotz der extremen Deutlichkeit der Relation zwischen den Verkaufsflächen ausnahmsweise nur ein Marktgutachten Grundlage für die anzustellende Prognose sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kieler Ostbezirke, also auch Gaarden-Ost sowie Preetz neben Schwentinental selbst die dem Vorhaben nächstgelegenen Siedlungsgebiete darstellen. Der Verkaufsflächenvergleich ist entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend auch nicht deshalb ausnahmsweise ungeeignet, weil das Vorhaben über einen sehr großen Einzugsbereich mit ca. 407.000 Einwohnern und einer Vielzahl von betroffenen Versorgungsbereichen verfügt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die mit der Errichtung eines Einkaufszentrums verbundenen Umsatzumverteilungen bezogen auf einzelne Versorgungsbereiche verringern, wenn eine Vielzahl von Versorgungsbereichen betroffen ist. Aus Sicht der Kammer bedeutet dies aber vorliegend nicht, dass der Verkaufsflächenvergleich keine Aussagekraft besitzt. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse und der Nähe zum Vorhaben gerade der zentrale Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost in ganz besonderer Weise durch das Vorhaben betroffen werden. Bei Preetz ist die städtebauliche Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich in einer Entfernung bis zu 30 km um diese Stadt herum kein großes Einkaufszentrum befindet. Die Einwohner von Preetz sind ohnehin auch zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ausgerichtet auf die Landeshauptstadt Kiel. Die Verkehrsanbindung zwischen Preetz und Kiel ist u.a. durch die B 76 sehr gut. Gerade unmittelbar an dieser B 76 befindet sich der Ostseepark in Schwentinental. Die Einwohner von Preetz, die ohnehin tagsüber die Landeshauptstadt Kiel aufsuchen, können daher ohne jeglichen Zeitverlust und angesichts einer Vielzahl vorhandener Parkplätze ohne jeglichen Aufwand den Ostseepark in Kiel aufsuchen und dort ihre Einkäufe erledigen, und zwar hinsichtlich aller Bedarfsgruppen. Alternativ stehen für sie nur noch die weiter entfernte Kieler Innenstadt oder der Sonderstandort CITTI/Ikea/Plaza zur Auswahl. Angesichts der ohnehin schon bestehenden Konkurrenzsituation zum Ostseepark ist angesichts der Verkaufsflächenrelation von 571% bezogen auf die Bedarfsgruppe des modischen Bedarfs ohne weiteres der Schluss schädlicher Auswirkungen gerechtfertigt, ohne dass es überhaupt auf die Feststellungen von bereits bestehenden Vorschädigungen ankäme.

142

Diese Feststellung wird durch die vorliegenden Marktgutachten nicht entkräftet oder gar widerlegt. So gehen die vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen von J&K davon aus, dass es durch das Vorhaben zu erheblichen, deutlich über 10% liegenden Kaufkraftabflüssen in den Versorgungsbereichen der Kieler Ostbezirke und zu einer erheblichen Schädigung dieser Versorgungsbereiche kommen werde. Allerdings hat B... eine Reihe von erheblichen Einwendungen gegen die Berechnung der Kaufkraftabflüsse erhoben. So haben J&K ihrer Prognose tatsächlich Käuferströme zugrundegelegt, die von der im Jahre 2007 durchgeführten Kundenherkunftsbefragung deutlich bis hin zum Doppelten für den periodischen Bereich abweichen. Auch haben J&K lediglich einen Teilbereich des Einzugsbereichs des Vorhabens untersucht und damit die Aussagekraft ihrer Stellungnahme von vornherein eingeschränkt. Wohl zu Recht weist B... auch daraufhin, dass der Ansatz von J&K teilweise auch rechnerisch nicht zu überzeugen vermag, weil dann auch eine Verdoppelung der Kaufkraftabflüsse bzgl. des periodischen Bedarfs für den gesamten Nahbereich vorgenommen werden müsste mit der Folge, dass der gesamte diesbezügliche künftige Projektumsatz ausschließlich von Kunden des Nahbereichs mit etwa 100.000 Kunden getragen würde, ohne dass die übrigen 300.000 Kunden überhaupt Berücksichtigung fänden. Selbst aber dann, wenn man davon ausginge, dass die von J&K prognostizierten Umsatzumverteilungsquoten methodisch insoweit nicht belastbar sind, bleibt aus Sicht der Kammer doch der entscheidungserhebliche Umstand, dass J&K hinsichtlich des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost von einer Vorschädigung ausgehen. J&K haben die städtebaulich relevanten Umstände dargestellt, die die Annahme einer Vorschädigung tragen. Nach den Feststellungen von J&K ist das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost das bedeutendste Nebenzentrum im östlichen Kieler Stadtgebiet. Es soll hier in Ergänzung zur Kieler Innenstadt wichtige Versorgungsfunktionen in allen Bedarfsstufen für die Bevölkerung des Ostufers übernehmen. Gleichwohl liegt der Angebotsschwerpunkt mit rund 5.350 qm Verkaufsfläche (68%) vor allem in der Warengruppe des kurzfristigen Warenbereiches, während Angebote des mittelfristigen (1.670 qm, 21%) und langfristigen (875 qm, 11%) Bedarfsbereiches eher einen ergänzenden Charakter haben. Diese ihm eigentlich obliegende Versorgungsfunktion kann das Stadtteilzentrum nach diesen Feststellungen bereits heute nur teilweise bzw. in bestimmten Angebotssegmenten auch gar nicht erfüllen. Nach den Feststellungen von J&K ist diese Situation auch auf eine ausgeprägte Wettbewerbssituation zum nahegelegenen Standort Ostseepark (ca. 6 km) aufgrund gleichartiger Angebote zurückzuführen, so dass von einer gewissen „Vorschädigung" gesprochen werden könne. J&K gehen davon aus, dass schon einzelne Betriebsaufgaben das Angebot spürbar ausdünnen würden, was einen Funktionsverlust mit sich brächte. In seinen ergänzenden Stellungnahmen bestreitet B... zwar, dass das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost eine Vorschädigung aufweist, die durch eine Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark hervorgerufen worden ist. B... räumt aber in seiner Stellungnahme vom 27.09.2013 ein, dass Problemlagen im Stadtteilzentrum Gaarden-Ost gleichwohl offenkundig seien. Ebenso offenkundig sei jedoch auch, dass diese nicht oder nicht primär auf eine Wettbewerbssituation zum Ostseepark zurückzuführen, sondern in einer schwierigen sozialdemografischen Schichtung im Stadtteil selbst begründet seien. Die Lösung der sozialen Problematik im Stadtteil Gaarden-Ost werde durch Einzelhandelspolitik und Eingriffe in den Wettbewerb nicht gelingen - egal ob nun im Ostseepark ein Shopping-Center entstehe oder nicht. Soweit B... immer wieder betont, dass diese „Vorschädigung" des Stadtteilzentrums Gaarden-Ost nicht durch die Wettbewerbssituation mit dem Ostseepark bedingt sei, wird auf einen Gesichtspunkt abgestellt, dem rechtlich aus Sicht der Kammer keine Bedeutung zukommt. Abgesehen davon, dass es nicht vorstellbar ist, dass der Ostseepark mit ca. 90.000 qm Verkaufsfläche keinen Wettbewerbsdruck auf dieses nahegelegene Versorgungszentrum ausgeübt hat, kommt es auch überhaupt nicht darauf an, woraus die Vorschädigung resultiert. Möglich erscheint hier aus Sicht der Kammer aufgrund der Feststellungen von B... durchaus, dass auch die Ansiedlungspolitik von Kiel, nämlich die Zulassung großer Sonderstandorte, zusammen mit dem Ostseepark ursächlich für die Schädigung der eigenen zentralen Versorgungsbereiche ist. Nach Auffassung der Kammer ist aber im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB allein entscheidend, ob aufgrund einer - wodurch auch immer bedingten - Vorschädigung dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich weiterer Wettbewerb nicht mehr zugemutet werden kann, weil anderenfalls eine Funktionseinschränkung droht.

143

Soweit B... zwar Vorschädigungen sieht, jedoch gleichwohl eine zusätzliche Umsatzumverteilung von max. 6% für vertretbar hält, bleibt B... hierfür jede Erklärung in den Gutachten schuldig. Ohnehin findet der von der Klägerin immer wieder betonte Ansatz, problematisch sei eine Umsatzumverteilung normalerweise erst ab einer Erheblichkeitsschwelle von 10%, im Falle einer Vorschädigung von mehr als 7,9% in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Bestätigung. Nach der Rechtsprechung der Kammer ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 BauGB, nicht erst den Verlust der Funktionsfähigkeit zu verhindern, sondern bereits zu befürchtenden Störungen der Funktionsfähigkeit vorzubeugen, dass jede „nicht nur unwesentliche" Steigerung auch solcher Störungen das Tatbestandsmerkmal des § 34 Abs. 3 BauGB erfüllt, die schon durch andere Einzelhandelsbetriebe verursacht werden. Andernfalls müsste im Falle einer bestehenden Vorschädigung durch das Zulassen einer unbegrenzten Anzahl weiterer - jeweils bei isolierter Betrachtung unbedenklicher - Erweiterungen von Verkaufsflächen hingenommen werden, dass sich die Vorschädigung der Funktionsfähigkeit der betroffenen zentralen Versorgungsbereiche bis hin zur vollständigen Funktionsunfähigkeit entwickelt (VG Schleswig, Urteil vom 06.11.2014 - 2 A 146/13 -, n. rk.). Auch die fortlaufende Zulassung von neuen Einzelhandelsbetrieben oder die Erweiterung von Einzelhandelsbetrieben mit für sich genommenen geringen Verkaufsflächen führt über die Jahre in der Summe doch zu einer erheblichen Ausweitung der Gesamtverkaufsflächen, die auf die benachbarten zentralen Versorgungsbereiche einwirken. Tatsächlich hat sich in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung des Ostseeparks mangels einer Bauleitplanung auch in diesem Sinne verselbständigt. So wird in dem medialen Sprachrohr des Ostseeparks, dem Ostseepark-Journal, in seiner Ausgabe vom 28.11.2015 zutreffend ausgeführt: „Der Ostseepark steht für eine Erfolgsgeschichte, die bereits Ende der 1960er Jahre begann. Die damalige Gemeinde Raisdorf begann, Industrie und Handwerksbetriebe anzusiedeln, um Arbeitsplätze zu schaffen. Doch spätestens mit der Eröffnung des Diva-Verbrauchermarktes - dem heutigen Real - änderte sich 1973 das Ursprungskonzept hin zu einem großen Fachmarktzentrum, das durch Vielfalt und Qualität besticht. Mode, Handwerk, Möbel, Elektronik, Automobile: Das Angebot vergrößerte sich Jahr für Jahr. Die Fahrt zum Ostseepark wurde zu einem Familienevent... Aus den ersten bescheidenen Plänen für ein Gewerbegebiet hat sich eines der größten Einkaufszentren Norddeutschlands entwickelt, das weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wie beliebt ist..."

144

Dass auch der zentrale Versorgungsbereich Preetz vorgeschädigt ist, ergibt sich schon aus dem Gutachten von B.... So wird im Gutachten vom 05.09.2012 ausgeführt, dass der zentrale Versorgungsbereich Preetz über ein vielfältiges Einzelhandelsangebot verfüge, andererseits aber Leerstände sowie die teilweise sehr kleinteilige Struktur eine nur bedingte Stabilität des Einzelhandels signalisierten. Das Subzentrum Hufenweg (ebenfalls Preetz) sei solide und trage zur Stabilität der zentral örtlichen Versorgung bei, stehe jedoch zumindest partiell auch im Wettbewerb zum innerstädtischen Angebot. Insgesamt sei für die Preetzer Innenstadt eine reduzierte Wettbewerbsfähigkeit anzunehmen. Da die Angebotsstruktur im Bereich modischer Bedarf in Preetz als durchaus anfällig einzustufen sei, sollte der zentrale Versorgungsbereich Preetz vor hohen Wettbewerbsintensitäten geschützt werden. Insofern sollten die zu erwartenden Umverteilungsquoten für dieses Angebotssegment deutlich erkennbar unterhalb der generell als kritisch eingestuften 10%- Schwelle liegen. Als maximal vertretbar werde eine Quote von 6% angesehen. Anders als die Klägerin vermag die Kammer diese Ausführungen von B... bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz nur als Feststellung einer deutlichen Vorschädigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu werten. B... selbst hat auch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12.11.2012 ausgeführt, dass das Sortiment modischer Bedarf als Ergebnis der Wirkungsanalyse von zunächst avisierten 8.100 qm auf 6.500 qm Verkaufsfläche eingeschränkt werden musste, um die Zentrenverträglichkeit gewährleisten zu können. Konsequenz der Feststellung dieser Vorschädigung kann aber entgegen der Auffassung von B... und der Klägerin nicht sein, dass man dem zentralen Versorgungsbereich Preetz - ohne dass dies auch nur ansatzweise begründet worden wäre - eine weitere Umsatzumverteilung von 6% zumutet.

145

Letztlich steht die von B... verfasste Wirkungsanalyse vom September 2012 mit den nachfolgenden Ergänzungen der Annahme schädlicher Auswirkungen des Vorhabens auf zentrale Versorgungsbereiche auch aus anderen Gründen nicht entgegen. Das Gutachten leidet zunächst daran, dass die ganz maßgebende Kundenherkunftsbefragung nicht nur aus dem Jahre 2007 stammt, also die Daten zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens bereits fünf Jahre alt waren, sondern mit 613 Befragten ohne Differenzierung nach Sortimenten bei ca. 407.000 potentiellen Kunden und über 20 betroffenen zentralen Versorgungsbereichen nicht hinreichend verlässlich aussagekräftig ist, zumal auch nach B... das Konsumverhalten hinsichtlich des periodischen Bedarfs einerseits und des mittel- und längerfristigen Bedarfs andererseits grundverschieden ist. Auch die von B... in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.09.2015 hierzu gegebenen Erläuterungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Erklärung, eine Teilsplittbildung nach Bedarfsgruppen und Herkunftsbereichen sei nicht durchgeführt worden, weil dies zu so kleinen Fallzahlen hätte führen können, dass die für diese Untergruppen gemessenen Werte aufgrund erhöhter Varianzen nicht oder nur noch mit großer Vorsicht interpretierbar gewesen wären, belegt eher die Kritik von J&K, dass der Stichprobenumfang mit 613 Befragten von vornherein zu klein gewählt war. B... bestätigt in dieser Stellungnahme vom 09.09.2015 auch, dass hinsichtlich der nachgefragten Sortimente lediglich Gesamtaussagen vorgelegen hätten, so dass daraus keine Rückschlüsse auf das Verhalten von Kunden unterschiedlicher Herkunftsbereiche hätte gezogen werden können. Hinsichtlich der Frage der ungleichen Reichweite von Sortimenten unterschiedlicher Bedarfsfristigkeiten habe man eine auf den Erfahrungswerten eigener Untersuchungen basierende Gewichtung vorgenommen. Es wird damit aber nicht deutlich, inwiefern B... eben die tatsächlich bestehenden städtebaulichen Besonderheiten hinsichtlich der zentralen Versorgungsbereiche Preetz und Gaarden-Ost erfasst hat. Auch dürfte das Ergebnis der Befragung von 613 Befragten bezogen auf die über 20 betroffenen Versorgungsbereiche doch eher zufällig seien. J&K haben demgegenüber darauf hingewiesen, dass sie bei der Erstellung derartiger Marktgutachten üblicherweise 10.000 bis 15.000 Kunden befragen würden. Eine einleuchtende Begründung dafür, aus welchem Grunde diese Befragung mit derartig wenig Befragten noch repräsentativ sein sollte, wird von B... nicht gegeben.

146

Nicht ausreichend berücksichtigt hat B... zudem, dass nicht nur eine Umsatzumverteilung zwischen den im Ostseepark vorhandenen Einzelhandelsgeschäften hin zum Vorhaben erfolgen wird (etwa beim modischen Bedarf 29,4%), sondern mit der Ansiedlung eines weiteren Einkaufzentrums mit bis zu 15.000 qm Verkaufsfläche eine Attraktivitätssteigerung des gesamten Ostseeparks und damit einhergehend ein zusätzlicher Kaufkraftabfluss aus dem Umland verbunden sein muss. Diese Attraktivitätssteigerung ist auch erklärtes Ziel der Errichtung des Vorhabens. B... führt hierzu in seiner Stellungnahme vom 27.09.2013 aus, das Projekt solle konzeptionell dazu beitragen, dass sich Einzelhandelsstrukturen in den übrigen Teilräumen des Ostseeparks auf längere Sicht ausdünnten bzw. das sich die Einzelhandelsbetriebe in den peripheren Lagen des Ostseeparks in den Bereich der „neuen Mitte" verlagerten. Aus diesem Grunde und wegen der weitläufigen Anlage des Ostseeparks bestünden zwar Synergieeffekte, seien aber erkennbar deutlich behindert. Hiermit bezieht sich B... auf die von Schwentinental mit der Überplanung des Ostseeparks verfolgten Ziele. Diese Gesichtspunkte haben aber im Rahmen der Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB keine Bedeutung, weil völlig ungewiss ist, ob die Bebauungspläne Nr. 57 A bis D Geltungskraft erlangen werden. Ohne diese Bebauungspläne ist jedoch im Rahmen der Prognose von einer Nachnutzung genehmigter Einzelhandelsnutzungen mit zentrenrelevanten Sortimenten auszugehen. Dem Vorhaben kann dann aber auch eine Attraktivitätssteigerung des gesamten Ostseeparks nicht abgesprochen werden.

147

Nicht nachvollziehbar ist weiter, dass B... im Gutachten vom 05.09.2012 davon ausgeht, dass bezüglich des modischen Bedarfs 43,2% gegenüber dem Einzelhandelsbestand Ostseepark umverteilt werden, bezüglich der im Ergänzungsgutachten zugrundegelegten endgültigen Aufgabe der Adler-Altflächen in dieser Branche aber davon ausgeht, dass 3 Mio. Euro von den dort bislang erzielten 4,7 Mio. Euro (also ca. 64%) zum streitigen Vorhaben „wandern". Angesichts einer angenommenen Flächenproduktivität des Vorhabens für modischen Bedarf von 3.200 Euro/qm führt eine Erhöhung der für verträglich erachteten Fläche um 1.500 qm allein in dieser Bedarfsgruppe zu einer Umsatzsteigerung von 4,8 Mio. Euro, die schwerlich bedingt sein kann durch den Wegfall der Adler-Altflächen mit einem Gesamtumsatz von 4,7 Mio. Euro. Insofern ist die von J&K geübte Kritik an der Berücksichtigung der Adler-Altflächen im Gutachten von B... berechtigt.

148

Letztlich hat bei B... die besondere Lage von Preetz nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden. Mangels nahe gelegener größerer Städte und wegen der besonders günstigen Verkehrsanbindung ist die Bevölkerung von Preetz stark in Richtung Landeshauptstadt Kiel ausgerichtet. Der Ostseepark liegt unmittelbar an der B 76 und ist für Pendler ohne jede Mühe und ohne Parkraumprobleme quasi im Vorbeifahren erreichbar. Von daher dürfte auch die für den periodischen Bedarf von den Gutachtern attestierte Distanzempfindlichkeit insoweit keine Geltung haben. Mangels einer nach Sortimenten unterteilten Kundenherkunftsbefragung konnten diese Besonderheiten auch nicht von B... hinreichend erfasst werden. Da der zentrale Versorgungsbereich Preetz sich aber schon nach dem Gutachten von B... exakt an der für kritisch befundenen Umverteilungsquote von 6% bewegt, rechtfertigen diese Gesichtspunkte bereits die Annahme schädlicher Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz.

149

Für die Kammer bestand auch keine Veranlassung, entsprechend dem Antrag Schwentintntals zu der Frage, ob Vorschädigungen in den zentralen Versorgungsbereichen Preetz, Lütjenburg und Gaarden-Ost vorliegen, Beweis zu erheben durch Einvernahme des in der mündlichen Verhandlung präsenten Sachverständigen Gustafsson. Zum einen kommt es auf diese Frage bereits deshalb nicht an, weil die Kammer die Auffassung vertritt, dass sich auch ohne bestehende Vorschädigungen einzelner zentraler Versorgungsbereiche aus dem Verkaufsflächenvergleich der Schluss ziehen lässt, dass jedenfalls die zentralen Versorgungsbereiche Preetz und Gaarden-Ost durch das Vorhaben schädliche Auswirkungen zu erwarten haben.

150

Zum anderen steht die Durchführung einer Beweisaufnahme durch die ergänzende Vernehmung eines Sachverständigen zu einem bereits abgegebenen schriftlichen Sachverständigengutachten im Ermessen des Gerichts. Die Kammer hält die vorliegenden Gutachten mit Ergänzungen von B... und J&K für hinreichend aktuell, um auch auf der Basis dieser Gutachten schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich Preetz und das Stadtteilzentrum Gaarden-Ost prognostizieren und Vorschädigungen in diesen Versorgungsbereichen feststellen zu können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Unterstützung ihres Beweisantrages geltend gemacht hat, nach den Feststellungen von B... habe sich in letzter Zeit in diesen Versorgungsbereichen eine Verbesserung eingestellt, verkennt sie, dass die Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB gerade keine Momentaufnahme darstellt, sodass es auch aus Rechtsgründen nicht darauf ankäme, ob sich im Moment gerade z.B. aufgrund geringer Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung eine Verbesserung eingestellt hat. Zudem hat die Klägerin dieses Vorbringen in keiner Weise substantiiert und glaubhaft gemacht.

151

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Es entspricht hier der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO, nur die außergerichtlichen Kosten der Landeshauptstadt Kiel für erstattungsfähig zu erklären, weil nur sie sich durch Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO am Kostenrisiko beteiligt hat.

152

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

153

Die Berufung wird gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob ein Verkaufsflächenvergleich auch dann noch ein geeignetes Mittel zur Prognose schädlicher Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB darstellt, wenn eine Anzahl von mehr als 20 verschiedenen Versorgungsbereichen durch das Bauvorhaben betroffen werden. Von grundsätzlicher Bedeutung ist weiter die Frage, ob im Falle der Feststellung von Vorschädigungen von zentralen Versorgungsbereichen gleichwohl diesem Versorgungsbereich noch weitere Kaufkraftabflüsse in nennenswertem Umfange zugemutet werden dürfen.


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist der Bebauungsplan "Offenau Süd-Erweiterung" vom 6. März 2007. Der Bebauungsplan setzt in der Mitte und im Norden des Plangebiets ein (eingeschränktes) Gewerbegebiet fest. Es umfasst eine überbaubare Fläche von insgesamt ca. 6 500 qm im südlichen und von knapp 600 qm im nördlichen Teil. Zulässig sind Gewerbebetriebe aller Art, sofern sie das Wohnen nicht wesentlich stören. Die Antragstellerin, eine Stadt mit ca. 19 000 Einwohnern, ist als Unterzentrum eingestuft. Die Antragsgegnerin, eine Gemeinde mit ca. 2 700 Einwohnern, hat keine zentralörtliche Funktion.

2

Auf den fristgerechten Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat der Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan mit Urteil vom 21. September 2010 für unwirksam erklärt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

Der Bebauungsplan verstoße gegen die - jeweils wirksamen - Ziele der Raumordnung in den Plansätzen 2.4.3.2.2 i.V.m. 2.4.3.2.5 des Regionalplans Heilbronn-Franken 2020 (im Folgenden: ROP H-F 2020) bzw. gegen die Plansätze 3.3.7 und 3.3.7.1 des Landesentwicklungsplans 2002 (im Folgenden: LEP 2002). Er verletze das Konzentrationsgebot und das Kongruenzgebot, die nicht nur der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten Grenzen setzten, sondern auch auf Agglomerationssachverhalte Anwendung fänden. Plansatz 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 mit dem Wortlaut

Mehrere selbstständige, je für sich nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe sind bei einer räumlichen Konzentration als Agglomeration anzusehen und damit als großflächiger Einzelhandelsbetrieb bzw. als Einkaufszentrum zu behandeln, sofern raumordnerische Wirkungen wie bei einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb bzw. Einkaufszentrum zu erwarten sind;

habe mittelbar Außenwirkung, indem er die Ge- und Verbote der Plansätze 2.4.3.2.2 bis 2.4.3.2.4 ROP H-F 2020 auf Agglomerationssachverhalte für anwendbar erkläre. Für die Agglomerationsregelung in 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 bestehe ein raumordnungsrechtlich wichtiges Bedürfnis. Es sei anerkannt, dass sich die Konzentration auch von einer Mehrzahl für sich nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe je nach Lage und Sortimentsstruktur häufig nicht von den Auswirkungen unterschieden, die von einem oder mehreren "echten" großflächigen Einzelhandelsbetrieben ausgingen. Derartige Auswirkungen seien mit dem städtebaulichen Instrument der Vorhabensteuerung über § 11 Abs. 3 BauNVO nicht umfassend zu verhindern. Die Auswirkungen einer Agglomeration seien nicht wegen fehlender Umsetzungsfähigkeit unwirksam. Mit den verfügbaren städtebaulichen Planungsinstrumenten ließen sich Verstöße sowohl gegen das Konzentrationsgebot wie gegen das Kongruenzgebot durch eine Anhäufung mehrerer nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe wenn nicht ganz verhindern, so doch in einem Maße minimieren, dass das Planungsergebnis noch im Einklang mit den genannten Raumordnungszielen stehe. Der Bebauungsplan werde jedenfalls im Gewerbegebiet den Planzielen des Regionalplans nicht gerecht. Mit der uneingeschränkten Bandbreite von Einzelhandelsnutzungen und einer möglichen Gesamtverkaufsfläche von nahezu 3 000 qm erfülle der Bebauungsplan die Voraussetzungen einer Agglomeration i.S.d. Plansatzes 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020. Von den zulässigen Betrieben in ihrer Häufung könnten je nach Sortimentsart und -umfang erhebliche raumordnerische Wirkungen ausgehen, die denen eines oder mehrerer großflächiger Einzelhandelsbetriebe im Gewerbegebiet gleichkämen. Solche regional bedeutsamen Einzelhandelsgroßprojekte seien nur in zentralen Orten zulässig. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme seien eindeutig nicht erfüllt.

3

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Agglomerationsregelung in Plansatz 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 lasse sich mit den Mitteln der Bauleitplanung nicht umsetzen; alle Versuche der Umsetzung führten zu Einschränkungen, die über die Zielvorgaben hinausgingen. Ohne vorgeschaltete Einzelhandelsfachplanung könne eine Gemeinde keinen Einzelhandel in den typisierten Baugebietskategorien zulassen. Ihr werde die Möglichkeit genommen, einen Bebauungsplan in der Form eines Angebotsbebauungsplans aufzustellen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Antragsgegnerin ist unbegründet. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass der Bebauungsplan unwirksam ist, weil die Antragsgegnerin die Agglomerationsregelung in 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020, die in Verbindung mit den in 2.4.3.2.2 bis 2.4.3.2.4 ROP H-F 2020 bzw. 3.3.7 und 3.3.7.1 LEP 2002 festgelegten Vorgaben (Konzentrations- und Kongruenzgebot) ein verbindliches Ziel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG darstellt, nicht beachtet und damit gegen die Anpassungspflicht gemäß § 1 Abs. 4 BauGB verstoßen hat.

5

Ziele der Raumordnung sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Sie müssen hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar und rechtmäßig sein, um eine Anpassungspflicht der Gemeinde nach § 1 Abs. 4 BauGB auslösen zu können (Urteile vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <40>, vom 18. September 2003 - BVerwG 4 CN 20.02 - BVerwGE 119, 54 <58>, vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301 Rn. 8 und vom 22. Juni 2011 - BVerwG 4 CN 4.10 - juris Rn. 26; Beschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329). Neben der Voraussetzung, dass Ziele von einer landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sein müssen, gehört zur materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit nach Bundesrecht, dass sie verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen sind. Eine Zielfestlegung, die in der Bauleitplanung nicht umsetzungsfähig ist, schränkt die gemeindliche Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 GG in unzulässiger Weise ein. Diese Anforderungen hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Prüfung zugrunde gelegt und ohne Verstoß gegen Bundesrecht festgestellt, dass die Agglomerationsregelung in der Ausgestaltung, die der Plangeber in Plansatz 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 gewählt und die als Ergebnis landesrechtlicher Auslegung der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, rechtmäßig, insbesondere auch umsetzungsfähig ist.

6

1. Plansatz 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020, der bestimmt, dass mehrere selbstständige nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe bei räumlicher Konzentration und raumordnerischen Wirkungen wie bei einem (regionalbedeutsamen) großflächigen Einzelhandelsbetrieb bzw. Einkaufszentrum als Agglomeration anzusehen sind, enthält selbst kein Ziel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, sondern definiert lediglich raumordnerisch den Begriff der Agglomeration als einen Unterfall der Einzelhandelsgroßprojekte, mit der Folge, dass die - nach Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs wirksamen - Zielfestlegungen in 2.4.3.2.2 bis 2.4.3.2.4 ROP H-F 2020 (Konzentrations- und Kongruenzgebot) auch auf Agglomerationssachverhalte anzuwenden sind. Einwände gegen eine solche Regelungstechnik bestehen nicht. Ebenso wenig bestehen bundesrechtliche Bedenken gegen die auf Landesrecht beruhende und daher für die revisionsgerichtliche Beurteilung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindende Auslegung, dass das für Einzelhandelsgroßprojekte geltende Konzentrationsgebot in 3.3.7 LEP 2002 und 2.4.3.2.2 Abs. 1 und 2 ROP H-F 2020 und das Kongruenzgebot in 3.3.7.1 LEP 2002 (vgl. dazu Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.O.) und 2.4.3.2.2 Abs. 3 ROP H-F 2020 verbindliche Ziele der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG darstellen.

7

2. Die Agglomerationsregelung in 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 ist rechtmäßig. Sie hat zur Folge, dass die Gemeinde die im Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg 2002 und Regionalplan Heilbronn-Franken 2020 für Einzelhandelsgroßprojekte festgelegten Zielbindungen auch im Fall raumbedeutsamer Einzelhandelsansiedlungen gemäß § 1 Abs. 4 BauGB zu beachten hat.

8

2.1 Bundesrechtliche Bedenken gegen die Bestimmtheit der in 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 festgelegten Agglomerationsregelung, zu der sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich verhalten hat und deren Auslegung auf irrevisiblem Landesrecht beruht, bestehen nicht.

9

2.2 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Agglomerationsregelung von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 LplG gedeckt ist, betrifft irrevisibles Landesrecht und ist für die revisionsgerichtliche Beurteilung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindend.

10

2.3 Die Agglomerationsregelung erweist sich nicht als kompetenzwidrig. Das Recht der Raumordnung dient der übergeordneten, überörtlichen, überfachlichen und zusammenfassenden Planung und Ordnung des Raumes. Die Raumordnung hat im Interesse der räumlichen Gesamtentwicklung alle auftretenden Nutzungsansprüche an den Raum und alle raumbedeutsamen Belange zu koordinieren und in diesem Zusammenhang u.a. verbindliche Vorgaben für nachgeordnete Planungsstufen zu schaffen (Urteil vom 17. September 2003 a.a.O. S. 38 f.). Raumplanerische Vorgaben sind zulässig, wenn die Regelung - wie hier - der Steuerung raumbedeutsamer Auswirkungen von Planungen oder Maßnahmen dient. Das Kriterium der Raumbedeutsamkeit eröffnet und begrenzt zugleich die raumplanerische Regelungsbefugnis. In diesem Rahmen ist der Raumordnung auch eine betriebsübergreifende funktionale Betrachtungsweise erlaubt. Dass der für das Bodenrecht zuständige Gesetzgeber in § 11 Abs. 3 BauNVO eine städtebauliche Reglung getroffen hat, die auf großflächige Einzelhandelsbetriebe beschränkt ist, steht einer Regelung von Einzelhandelsagglomerationen im Wege der Landesplanung nicht entgegen. Städtebauliche Vorgaben liegen auf einer anderen Ebene; sie betreffen Grund und Boden. Die Raumordnung in Gestalt der Landes- und Regionalplanung ist dieser Ebene vorgelagert. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt. Sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen und - in unterschiedlicher Gestalt - mit der zentralörtlichen Gliederung verbunden werden (Urteil vom 17. September 2003 a.a.O. S. 41).

11

2.4 Die Agglomerationsregelung entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

12

Die formal vom Landesplanungsgesetz gedeckte Einschränkung der gemäß Art. 28 Abs. 2 GG geschützten gemeindlichen Planungshoheit ist materiell gerechtfertigt, wenn sie der Wahrung überörtlicher Interessen von höherem Gewicht dient. Der Eingriff in die Planungshoheit muss gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein (Urteil vom 15. Mai 2003 - BVerwG 4 CN 9.01 - BVerwGE 118, 181 <185>, Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 4 B 75.05 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 124 Rn. 16).

13

2.4.1 Die mit der Agglomerationsregelung bewirkte Beachtung der Zielfestlegungen in 2.4.3.2.2 bis 2.4.3.2.4 ROP H-F 2020 im Fall von raumbedeutsamen Einzelhandelsagglomerationen beruht auf einem überörtlichen Interesse, das eine Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit rechtfertigt. Raumordnerische Vorgaben für raumbedeutsame Einzelhandelsagglomerationen zielen auf die Sicherstellung des im Raumordnungsgesetz niedergelegten Systems leistungsfähiger Zentraler Orte. Einzelhandel ist an den Standorten zu sichern, die in das zentralörtliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind (Urteil vom 16. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 18). Nicht nur Einzelhandelsgroßprojekte in der Form des großflächigen Einzelhandelsbetriebs oder Einkaufszentrums, sondern auch Agglomerationen von mehreren nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben können besondere raumstrukturelle, die zentralörtliche Gliederung gefährdende Auswirkungen haben und damit ein Beeinträchtigungspotential aufweisen, das es rechtfertigt, sie einem raumordnungsrechtlichen Sonderregime zu unterwerfen. Die regelhafte räumliche Zuordnung nicht nur des großflächigen Einzelhandels, sondern auch von raumbedeutsamen (hier: regionalbedeutsamen) Einzelhandelsagglomerationen nach dem zentralörtlichen Gliederungssystem soll eine raumverträgliche Entwicklung des Einzelhandels nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Gemeinden insgesamt gewährleisten. Das ist ein raumordnungsrechtlich legitimer Zweck.

14

2.4.2 Der Geeignetheit der Regelung steht nicht entgegen, dass - wie der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat - Konstellationen, in denen es um die Beurteilung nur eines nicht großflächigen Einzelhandelsbetriebs geht, nicht von der Regelung erfasst sind. Es mag sein, dass - wie die Antragsgegnerin geltend macht - bei Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit, die (rechnerisch) eine Ansiedlung mehrerer Einzelhandelsbetriebe ermöglicht, die Agglomerationsregelung zu Einschränkungen führt, die im Fall nur eines nicht großflächigen Einzelhandelsbetriebs nicht greifen. Ein Regelungswiderspruch, der die Konsistenz der vom Plangeber gewählten Ausgestaltung in Frage stellen könnte, ist damit nicht aufgezeigt. Der Plangeber darf sich - wie der Gesetzgeber - einer Typisierung bedienen und muss nicht jede denkbare Fallkonstellation in seine Regelung aufnehmen. Mit ihren Beispielen zeigt die Antragsgegnerin vor allem im Hinblick darauf, dass insoweit andere rechtliche Einschränkungen (vgl. § 2 Abs. 2 BauGB) greifen, keine ungleiche Behandlung auf, die nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar wäre.

15

2.4.3 Der Senat stimmt dem Verwaltungsgerichtshof auch darin zu, dass sich mit den verfügbaren städtebaulichen Planungsinstrumenten Verstöße sowohl gegen das Konzentrationsgebot als auch gegen das Kongruenzgebot durch eine Anhäufung mehrerer nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe wenn nicht ganz verhindern, so doch in einem Maße minimieren lassen, dass das Planungsergebnis noch im Einklang mit den genannten Raumordnungszielen steht.

16

Welche Festsetzungen notwendig sind, um der Agglomerationsregelung Rechnung zu tragen, hängt von den konkreten Umständen im jeweiligen Einzelfall ab. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann die Gemeinde Einzelhandel entweder generell gemäß § 1 Abs. 5 BauGB oder bestimmte sortimentsbezogene Einzelhandelstypen gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO ausschließen; in noch nicht überschaubaren Grenzsituationen hat sie die Möglichkeit, Einzelhandel gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO für ausnahmsweise zulässig zu erklären. Der Gemeinde stehen aber auch wirksame Festsetzungsmöglichkeiten für den Fall zur Verfügung, dass eine Agglomeration bestimmter Sortimente nicht gänzlich, sondern erst ab einer bestimmten Verkaufsfläche gegen die verbindlichen Zielvorgaben für Einzelhandelsgroßprojekte verstoßen würde. Es gibt vielfältige horizontale und vertikale Kombinationsmöglichkeiten, mit denen sich neben dem Standort, d.h. der für die Frage der räumlichen Konzentration maßgeblichen Nähe bzw. Entfernung von Baugrundstücken zu vorhandenen Einzelhandelsbetrieben, mittelbar auch die raumordnungsrechtlich maximal verträgliche Betriebsgröße eines Vorhabens bestimmen lässt. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, kann ein Baugebiet insbesondere nach der Art der baulichen Nutzung räumlich nach unterschiedlichen Arten/Unterarten des Einzelhandels gegliedert werden (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und § 1 Abs. 9 BauNVO). Hinzu tritt die Möglichkeit der vertikalen Gliederung mit geschoss- und anlagenteilbezogenen Differenzierungen gemäß § 1 Abs. 7 und 8 BauNVO, mit der sich neben der räumlichen Verteilung die Anzahl der für eine Einzelhandelsnutzung zur Verfügung stehenden Grundstücke begrenzen lässt. Darüber hinaus kann mittelbar durch Festlegung der überbaubaren Flächen in Kombination mit der Festsetzung des Maßes der Nutzung auch die Größe der Einzelhandelsbetriebe gesteuert werden.

17

Dass sich mit diesem Instrumentarium gesamt- oder sortimentsbezogene Verkaufsflächenobergrenzen nicht quadratmeterscharf festsetzen lassen, stellt die Umsetzbarkeit der Agglomerationsregelung nicht in Frage. Es genügt, dass sich mit dem Festsetzungsinstrumentarium die jeweiligen raumordnungsrechtlich noch verträglichen maximalen Betriebsgrößen und damit die Verkaufsflächen jedenfalls annäherungsweise in der Größenordnung bestimmen lassen, die unterhalb des seinerseits durch Schwellen- und Grenzwerte bestimmbaren Begriffs "wesentlich" liegen. Denn Einzelhandelsagglomerationen mit den Wirkungen nach 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 sind nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs erst dann mit dem Zentrale-Orte-Prinzip und dem Kongruenzgebot nicht mehr vereinbar, wenn ihre Verkaufsfläche den zentralörtlichen Verflechtungsbereich "wesentlich" überschreitet (2.4.3.2.2 Abs. 3 Satz 1 ROP H-F 2020 i.V.m. 3.3.7.1 Satz 1 LEP 2002), und Einzelhandelsgroßprojekte zur Grundversorgung in Kleinzentren und nicht-zentralen Gemeinden sind nur dann unzulässig, wenn der Absatz "wesentlich" über den jeweiligen Verflechtungsbereich hinausgeht (2.4.3.2.2 Abs. 2 ROP H-F 2020).

18

Sofern durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt (Urteil vom 24. März 2010 - BVerwG 4 CN 3.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 24), hat die Gemeinde überdies die Möglichkeit, ein Sondergebiet für einen einzigen großflächigen Einzelhandelsbetrieb festzusetzen und den Betrieb dann - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend dargelegt hat - in einem zweiten Schritt nach Bedarf entsprechend den raumordnerischen Anforderungen nach Sortimenten und (Sortiments-)Verkaufsflächen zu untergliedern und/oder zu begrenzen (Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16, 18; Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 BN 63.09 - BauR 2010, 430 Rn. 2). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dieser Umsetzungsmöglichkeit nicht entgegen, dass eine solche Festsetzung zugleich den (vollständigen oder teilweisen) Ausschluss von Einzelhandel in anderen Baugebieten voraussetzt. Entscheidend ist, dass der Gemeinde durch die Agglomerationsregelung nicht die Möglichkeit genommen werden darf, in dem noch zulässigen Umfang je nach den örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall Einzelhandel zuzulassen.

19

2.4.4 Die in Plansatz 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 angeordnete Gleichsetzung von Einzelhandelsagglomerationen mit Einzelhandelsgroßprojekten stellt auch eine angemessene Regelung dar.

20

Unter Geltung der Agglomerationsregelung kann eine Gemeinde zwar nicht unbesehen ein Baugebiet, in dem Einzelhandel allgemein zulässig ist, als unbeschränktes Baugebiet ausweisen. Das ist - wie bereits dargelegt - gerechtfertigt, weil sich die Auswirkungen einer räumlichen Konzentration von mehreren nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben je nach Lage und Sortimentsstruktur häufig nicht von den Auswirkungen unterscheiden, die von großflächigen Einzelhandelsbetrieben ausgehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, hat die Agglomerationsregelung handgreifliche Konfliktsituationen mit zentralörtlich höher eingestuften Nachbargemeinden im Blick und zielt auf die "kritischen Auswüchse" des Einzelhandels. Die in eine solche Konfliktlage "hineinplanende" Gemeinde steht in der Pflicht, sich auf ihre Stellung im hierarchischen System des raumordnerischen Zentrale-Orte-Prinzips zu besinnen. Eine Gemeinde kann in der Regel auch ohne großen Aufwand erkennen, ob ein geplantes bauleitplanerisches "Angebot" zur Ansiedlung von Einzelhandel aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zu Konflikten führen kann, die der Überprüfung im Wege einer gutachterlichen Verträglichkeitsanalyse bedürfen. Zu Recht weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die Gemeinden bereits auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 BauGB gehalten sind, die Auswirkungen ihrer Planung mit Blick auf die Bandbreite der zulässigen Einzelhandelsnutzungen daraufhin zu untersuchen, ob sich mehr als geringfügige nachteilige Auswirkungen (insbesondere) auf die raumordnungsrechtliche Zentrenfunktion der Nachbargemeinde ergeben können. Es ist nicht zu erkennen, dass von einer Gemeinde mit Erhebungen, die durch die Agglomerationsregelung veranlasst sind, etwas verlangt wird, was von Aufwand und Umfang wesentlich von bereits bestehenden Ermittlungspflichten abweicht.

21

3. Dass die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtshofs im Streitfall, wonach der Bebauungsplan mit einer uneingeschränkten Bandbreite von Einzelhandelsnutzungen und einer möglichen Gesamtverkaufsfläche von nahezu 3 000 qm die Voraussetzungen einer Agglomeration i.S.d. Plansatzes 2.4.3.2.5 ROP H-F 2020 erfüllt, bundesrechtlichen Anforderungen nicht genügt, ist nicht zu erkennen und wird von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Die Grundsätze der Raumordnung sind im Sinne der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 2 anzuwenden und durch Festlegungen in Raumordnungsplänen zu konkretisieren, soweit dies erforderlich ist.

(2) Grundsätze der Raumordnung sind insbesondere:

1.
Im Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und in seinen Teilräumen sind ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben. Dabei ist die nachhaltige Daseinsvorsorge zu sichern, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Innovation sind zu unterstützen, Entwicklungspotenziale sind zu sichern und Ressourcen nachhaltig zu schützen. Diese Aufgaben sind gleichermaßen in Ballungsräumen wie in ländlichen Räumen, in strukturschwachen wie in strukturstarken Regionen zu erfüllen. Demographischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie anderen strukturverändernden Herausforderungen ist Rechnung zu tragen, auch im Hinblick auf den Rückgang und den Zuwachs von Bevölkerung und Arbeitsplätzen; regionale Entwicklungskonzepte und Bedarfsprognosen der Landes- und Regionalplanung sind einzubeziehen. Auf einen Ausgleich räumlicher und struktureller Ungleichgewichte zwischen den Regionen ist hinzuwirken. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung sind langfristig offenzuhalten.
2.
Die prägende Vielfalt des Gesamtraums und seiner Teilräume ist zu sichern. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Städte und ländliche Räume auch künftig ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesellschaft erfüllen können. Mit dem Ziel der Stärkung und Entwicklung des Gesamtraums und seiner Teilräume ist auf Kooperationen innerhalb von Regionen und von Regionen miteinander, die in vielfältigen Formen, auch als Stadt-Land-Partnerschaften, möglich sind, hinzuwirken. Die Siedlungstätigkeit ist räumlich zu konzentrieren, sie ist vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur und auf Zentrale Orte auszurichten. Der Freiraum ist durch übergreifende Freiraum-, Siedlungs- und weitere Fachplanungen zu schützen; es ist ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem zu schaffen. Die weitere Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen ist dabei so weit wie möglich zu vermeiden; die Flächeninanspruchnahme im Freiraum ist zu begrenzen.
3.
Die Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, insbesondere die Erreichbarkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung für alle Bevölkerungsgruppen, ist zur Sicherung von Chancengerechtigkeit in den Teilräumen in angemessener Weise zu gewährleisten; dies gilt auch in dünn besiedelten Regionen. Die soziale Infrastruktur ist vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln; die Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitskriterien des Zentrale-Orte-Konzepts sind flexibel an regionalen Erfordernissen auszurichten. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und örtlichen Zentren als zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen. Dem Schutz kritischer Infrastrukturen ist Rechnung zu tragen. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität und ein integriertes Verkehrssystem zu schaffen. Auf eine gute Erreichbarkeit der Teilräume untereinander durch schnellen und reibungslosen Personen- und Güterverkehr ist hinzuwirken. Vor allem in verkehrlich hoch belasteten Räumen und Korridoren sind die Voraussetzungen zur Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße zu verbessern. Raumstrukturen sind so zu gestalten, dass die Verkehrsbelastung verringert und zusätzlicher Verkehr vermieden wird.
4.
Der Raum ist im Hinblick auf eine langfristig wettbewerbsfähige und räumlich ausgewogene Wirtschaftsstruktur und wirtschaftsnahe Infrastruktur sowie auf ein ausreichendes und vielfältiges Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu entwickeln. Regionale Wachstums- und Innovationspotenziale sind in den Teilräumen zu stärken. Insbesondere in Räumen, in denen die Lebensverhältnisse in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist (strukturschwache Räume), sind die Entwicklungsvoraussetzungen zu verbessern. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Sicherung sowie für die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen zu schaffen. Den räumlichen Erfordernissen für eine kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung einschließlich des Ausbaus von Energienetzen ist Rechnung zu tragen. Ländliche Räume sind unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen und natürlichen Entwicklungspotenziale als Lebens- und Wirtschaftsräume mit eigenständiger Bedeutung zu erhalten und zu entwickeln; dazu gehört auch die Umwelt- und Erholungsfunktion ländlicher Räume. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Land- und Forstwirtschaft in ihrer Bedeutung für die Nahrungs- und Rohstoffproduktion zu erhalten oder zu schaffen.
5.
Kulturlandschaften sind zu erhalten und zu entwickeln. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen und mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern sowie dem UNESCO-Kultur- und Naturerbe der Welt zu erhalten. Die unterschiedlichen Landschaftstypen und Nutzungen der Teilräume sind mit den Zielen eines harmonischen Nebeneinanders, der Überwindung von Strukturproblemen und zur Schaffung neuer wirtschaftlicher und kultureller Konzeptionen zu gestalten und weiterzuentwickeln. Es sind die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Land- und Forstwirtschaft ihren Beitrag dazu leisten kann, die natürlichen Lebensgrundlagen in ländlichen Räumen zu schützen sowie Natur und Landschaft zu pflegen und zu gestalten.
6.
Der Raum ist in seiner Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Böden, des Wasserhaushalts, der Tier- und Pflanzenwelt sowie des Klimas einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen zu entwickeln, zu sichern oder, soweit erforderlich, möglich und angemessen, wiederherzustellen. Bei der Gestaltung räumlicher Nutzungen sind Naturgüter sparsam und schonend in Anspruch zu nehmen; Grundwasservorkommen und die biologische Vielfalt sind zu schützen. Die erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist zu verringern, insbesondere durch quantifizierte Vorgaben zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme sowie durch die vorrangige Ausschöpfung der Potenziale für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, für die Nachverdichtung und für andere Maßnahmen zur Innenentwicklung der Städte und Gemeinden sowie zur Entwicklung vorhandener Verkehrsflächen. Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sind auszugleichen, den Erfordernissen des Biotopverbundes ist Rechnung zu tragen. Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen. Der Schutz der Allgemeinheit vor Lärm und die Reinhaltung der Luft sind sicherzustellen. Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. Dabei sind die räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für eine sparsame Energienutzung sowie für den Erhalt und die Entwicklung natürlicher Senken für klimaschädliche Stoffe und für die Einlagerung dieser Stoffe zu schaffen. Die nachhaltige Entwicklung im Meeresbereich ist unter Anwendung eines Ökosystemansatzes gemäß der Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 135) zu unterstützen.
7.
Den räumlichen Erfordernissen der Verteidigung und des Zivilschutzes ist Rechnung zu tragen.
8.
Die räumlichen Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union und im größeren europäischen Raum sowie für den Ausbau und die Gestaltung der transeuropäischen Netze sind zu gewährleisten. Raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Europäischen Union und der europäischen Staaten ist Rechnung zu tragen. Die Zusammenarbeit der Staaten und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Städte und Regionen sind zu unterstützen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist der Bebauungsplan Nr. 11 (Einkaufszentrum "Grünhufer Bogen") der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2006 in der Fassung der 1. Änderung vom 22. April 2009.

2

Das Plangebiet liegt an der südöstlichen Grenze zum Stadtgebiet der Beigeladenen zu 2, der Hansestadt Stralsund, die nach dem Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (LEP 2005) ein Oberzentrum ist. Die Antragsgegnerin ist kein zentraler Ort im Sinne des Landesraumentwicklungsprogramms. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans befindet sich das von der Beigeladenen zu 1 betriebene Einkaufszentrum "Strelapark", das nach Erlass eines Vorhaben- und Erschließungsplans aus dem Jahr 1993 (VEP 1993) auf der Grundlage einer Baugenehmigung errichtet wurde. Die Baugenehmigung enthält die Nebenbestimmung, dass im Einkaufszentrum eine maximale Verkaufsfläche von 17 000 qm, davon 12 000 qm mit innenstadtrelevanter Auswirkung zulässig sei. Die Verkaufsfläche für innenstadtrelevante Sortimente wurde zu einem späteren Zeitpunkt auf knapp 17 000 qm erweitert, ohne dass dafür entsprechende Genehmigungen erteilt wurden.

3

Im September 1995 beschloss die Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 11. Die Beigeladene zu 2 lehnte die Planung wegen einer befürchteten negativen Auswirkung auf die Entwicklung ihrer Innenstadt ab. Auch der Antragsteller, das für die Landesplanung zuständige Ministerium, trat der Planung aus Sicht der Raumordnungsbehörde entgegen. Im Juni 2006 wurde der Bebauungsplan beschlossen. Er setzt u.a. das Sondergebiet SO1 A, in dem das vorhandene Einkaufszentrum der Beigeladenen zu 1 liegt, und das Sondergebiet SO1 B fest. Im SO1 B ist eine Gesamtverkaufsfläche von maximal 8 000 qm, davon maximal 5 500 qm mit innenstadtrelevantem Sortiment zulässig. Die Festsetzung von 17 000 qm unbeschränkter Verkaufsfläche im Sondergebiet SO1 A soll der tatsächlich genehmigten Nutzung nach Aufgabe des Baumarktes innerhalb des Strelaparks Rechnung tragen.

4

Mit der am 21. April 2009 beschlossenen 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 11, der bestimmte Verkaufsflächenbegrenzungen auf der Grundlage eines von der Beigeladenen zu 2 eingeholten Gutachtens festsetzt, wird der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 11 an keiner Stelle geändert und im Übrigen unterschritten.

5

Sowohl gegen den Bebauungsplan Nr. 11 als auch gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gestellt.

6

Mit Urteil vom 29. März 2010 hat das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan Nr. 11 in der Fassung der 1. Änderung für unwirksam erklärt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Der Antragsteller sei als Behörde antragsbefugt. Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben, weil der Antragsteller nicht selbst über die Norm verfügen könne. Zwar dürfte der Antragsteller die Rechtsmacht gehabt haben, im Planaufstellungsverfahren eine Untersagungsverfügung nach § 16 Abs. 1 LPlG zu erlassen, die auch gesetzlich sofort vollziehbar gewesen wäre. Das Unterlassen einer solchen Maßnahme bedeute, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles etwas anderes ergäben, aber nicht den Verzicht auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gerichtlichen Normenkontrolle. Es bestünden auch keine einfacheren Möglichkeiten, das begehrte Ziel zu erreichen. Eine Untersagungsverfügung sei gerichtlich angreifbar, so dass auch bei ihrem Erlass eine gerichtliche Auseinandersetzung zu erwarten gewesen wäre, wenn auch unter umgekehrter Rollenverteilung. Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers sei auch nicht deswegen entfallen, weil der Bebauungsplan zwischenzeitlich vollständig verwirklicht worden sei oder die auf der Grundlage des Bebauungsplans erteilten unanfechtbaren Baugenehmigungen verhinderten, dass der Antragsteller seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Normenkontrollantrag verbessern könne. Die von dem angegriffenen Bebauungsplan ermöglichte Errichtung eines weiteren Einkaufszentrums sei noch nicht genehmigt worden, so dass gerade der Antragsteller, der die Vereinbarkeit des Bebauungsplans in diesem Punkt mit einem Ziel der Raumordnung bestreite, durch die erstrebte Unwirksamkeitserklärung seine Rechtsposition verbessern könne. Entsprechendes gelte für die Festsetzung der unbeschränkten Verkaufsfläche für das bestehende Einkaufszentrum.

8

Der Normenkontrollantrag sei begründet. Es handele sich nicht um rechtlich getrennte, selbstständige Bebauungspläne, die jeder für sich bestehen sollten, wenn einer der beiden Pläne scheitere. Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 11 habe den ursprünglichen Bebauungsplan in der Weise geändert, dass er in seiner ursprünglichen Fassung insgesamt nicht mehr bestehe, sondern durch die 1. Änderung eine neue Fassung erhalten habe.

9

Der Bebauungsplan sei rechtswidrig, weil er gegen § 1 Abs. 4 BauGB verstoße. Plansatz Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 sei ein Ziel der Raumordnung und gebe verbindlich vor, dass Einzelhandelsgroßprojekte nur in zentralen Orten zulässig seien. Der Zielcharakter werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, den Verbindlichkeitsanspruch seiner Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert habe. Die Ausnahme in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 mit dem Wortlaut:

Im Einzelfall können Einzelhandelsgroßprojekte in den Randbereichen der Stadt-Umland-Räume (siehe hierzu Kapitel 3.1.2) dann angesiedelt werden, wenn die Ansiedlungsgemeinde mit der Kernstadt intensive funktionale Verflechtungen aufweist, verkehrlich mit Öffentlichem Personennahverkehr gut erreichbar ist und die Entwicklung der Einzelhandelsfunktion der Kernstadt nicht beeinträchtigt. Standortentscheidungen für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in Stadt-Umland-Räumen sind auf der Basis interkommunaler Abstimmungen - (regionale Einzelhandelsentwicklungskonzepte) zu treffen;

sei jedenfalls trotz der offensichtlichen sprachlichen Ungenauigkeiten hinreichend bestimmbar. Die Voraussetzungen in Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 seien der Auslegung zugänglich und damit nicht unbestimmt. Bei Standortentscheidungen für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen werde in Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 eine weitere Voraussetzung aufgestellt, nämlich die Notwendigkeit eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts. Der Begriff der Standortentscheidung sei nicht auf Neuansiedlungen beschränkt. Die Standortentscheidung sei "auf der Basis interkommunaler Abstimmungen - (regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept)" zu treffen. Der Begriff der interkommunalen Abstimmung sei spezifisch raumordnerisch zu verstehen. Die Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts sei nicht ausdrücklich geregelt, doch liege es nahe, auf das in Nr. 3.1.2 (6) Satz 1 LEP 2005 vorgesehene Verfahren zurückzugreifen. Sofern eine interkommunale Abstimmung nicht zustande komme, könne sie durch die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens herbeigeführt werden.

12

Die Planung erfülle die Voraussetzungen, die für eine Ausnahme nach Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 erforderlich seien, nur teilweise. Die Festsetzung eines Einkaufszentrums mit einer Verkaufsfläche von 8 000 qm neben einem bereits vorhandenen Einkaufszentrum sei unabhängig davon, ob es sich bei dem festgesetzten Einkaufszentrum um eine Neuansiedlung oder eine Erweiterung handelt, eine Standortentscheidung im Sinne der Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005. Hinzu komme, dass die Planung für das vorhandene Einkaufszentrum erstmalig eine unbeschränkte Verkaufsfläche von 17 000 qm festsetze. Damit werde die unbeschränkte Verkaufsfläche gegenüber dem VEP 1993 - dessen Gültigkeit unterstellt - und gegenüber der bestandskräftigen Baugenehmigung um 5 000 qm erweitert. Dass diese unbeschränkte Verkaufsfläche bereits faktisch existiere, sei für die rechtliche Betrachtung ohne Bedeutung. Das bei einer Standortentscheidung dieses Ausmaßes erforderliche regionale Einzelhandelsentwicklungskonzept oder eine andere Form der interkommunalen Abstimmung lägen nicht vor. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ausnahmsweise kein regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept erforderlich sei. Daher bleibe es raumordnerisch beim Ziel aus Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005, wonach Einzelhandelsgroßprojekte nur in zentralen Orten, zu denen die Antragsgegnerin nicht gehöre, zulässig seien. Die Planung widerspreche diesem Ziel. Der Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB erfasse den Bebauungsplan in Gänze. Eine nur teilweise Unwirksamkeit komme nicht in Betracht.

13

Die Beigeladene zu 1 und die Antragsgegnerin haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie machen geltend, der Normenkontrollantrag des Antragstellers sei unzulässig. Unabhängig davon stehe Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 der Planung nicht entgegen. Der Planaussage komme keine Zielqualität zu, weil die Regelung in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 nicht hinreichend bestimmt sei und der Normgeber die Regelung in Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 ohne die Ausnahme in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 nicht erlassen hätte.

Entscheidungsgründe

14

Die Revisionen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1 sind unbegründet. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag des Antragstellers für zulässig erachtet. Das Oberverwaltungsgericht durfte auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgehen, dass das in Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 enthaltene Konzentrationsgebot ein verbindliches Ziel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG darstellt, das gemäß § 1 Abs. 4 BauGB der streitgegenständlichen Bauleitplanung entgegensteht, weil die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 nicht vorliegen.

15

1. Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist zulässig.

16

1.1 Die Antragsbefugnis des Antragstellers, der nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts als Behörde gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes beteiligtenfähig i.S.d. § 61 Nr. 3 VwGO ist, ist gegeben.

17

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist jede Behörde antragsbefugt. Sie muss lediglich geltend machen, dass sie die beanstandete Norm anzuwenden hat oder durch den Vollzug der Norm in ihrem Tätigkeitsbereich "betroffen" wird, d.h. die Norm bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beachten hat (Beschluss vom 11. August 1989 - BVerwG 4 NB 23.89 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 41). Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat der Antragsteller den angefochtenen Bebauungsplan bei der Anwendung und Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms in seiner Eigenschaft als oberste Landesplanungsbehörde sowie bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als oberste Bauaufsichtsbehörde zu beachten.

18

1.2 Ebenfalls ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht das in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als ungeschriebene Sachentscheidungsvoraussetzung vorausgesetzte Rechtsschutzinteresse bejaht. Das Rechtsschutzbedürfnis einer Behörde ist immer dann gegeben, wenn sie nur mit der Ausführung der von ihr beanstandeten Norm befasst ist, ohne selbst über die Norm verfügen - insbesondere sie aufheben oder ändern - zu können (Beschluss vom 15. März 1989 - BVerwG 4 NB 10.88 - BVerwGE 81, 307 <310>).

19

Dem Antragsteller fehlt die Verfügungsbefugnis über den als Satzung erlassenen Bebauungsplan. Eine gemeindliche Satzung kann der Antragsteller nicht aufheben oder ändern. Der Antragsteller hätte die Antragsgegnerin zwar durch Erlass einer Untersagungsverfügung gemäß § 16 Abs. 1 LPlG am Erlass der Satzung hindern können. Ist das Rechtssetzungsverfahren aber abgeschlossen und der Rechtssatz entstanden, kann nur noch der Rechtssatz selbst rückgängig gemacht oder aufgehoben werden. Der durch Normgebung gesetzte Rechtsschein ist durch einen Gegenakt der Normsetzung zu beseitigen (Urteile vom 21. November 1986 - BVerwG 4 C 22.83 - BVerwGE 75, 142 <144> und BVerwG 4 C 60.84 - Buchholz 406.11 § 11 BBauG Nr. 2). Für die höhere Verwaltungsbehörde steht hierfür das Normenkontrollverfahren zur Verfügung (Beschluss vom 26. Juni 1998 - BVerwG 4 BN 29.97 - SächsVBl 1998, 236).

20

1.3 Der Antragsteller hat sich auch nicht in einen nach Treu und Glauben nicht hinnehmbaren Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten gesetzt und von seinem Antragsrecht in rechtsmissbräuchlicher und unzulässiger Weise Gebrauch gemacht.

21

Dass der Antragsteller es unterlassen hat, die Antragsgegnerin durch Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 16 Abs. 1 LPlG am Erlass der Satzung zu hindern, nimmt ihm nicht das Recht, einen seiner Auffassung nach rechtswidrig beschlossenen Bebauungsplan mit der Normenkontrolle anzugreifen. Die Ausübung der Eingriffsbefugnisse nach § 16 LPlG ist in das Ermessen des Antragstellers gestellt. Der Verzicht auf Maßnahmen nach § 16 LPlG kann unterschiedliche Gründe haben. Hat der Antragsteller als oberste Landesplanungsbehörde seine Rechtsauffassung - wie hier - unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, kann der Verzicht auf den hoheitlichen Eingriff der Untersagung, gerade auch mit Blick auf die Eingriffsintensität einer solchen Maßnahme, von der berechtigten Erwartung geleitet sein, der Planungsträger werde Einsicht zeigen und aufgrund eigener Entscheidung den Beanstandungen Rechnung tragen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin dient die Vorschrift nicht ihrem Schutz; die oberste Landesplanungsbehörde ist nicht verpflichtet, eine Gemeinde vor dem Erlass eines raumordnungswidrigen Bebauungsplans durch den Erlass einer Untersagungsverfügung zu bewahren. § 16 LPlG eröffnet lediglich die Möglichkeit, im Wege einer Untersagungsverfügung gegen einen Planungsträger vorzugehen, und stellt die für einen solchen Eingriff notwendige Ermächtigungsgrundlage dar. Der Antragsteller kann, muss aber nicht tätig werden. Er kann sich daher - wie auch hier - darauf beschränken, seine raumordnungsrechtlichen Einwände im Planaufstellungsverfahren vorzutragen.

22

Der Verzicht auf Erlass einer Untersagungsverfügung konnte für die Antragsgegnerin auch nicht Anlass sein anzunehmen, der Antragsteller halte ihre Planung für rechtmäßig. Der Antragsteller hat auch sonst keinen widersprüchlichen Eindruck vermittelt. Im Gegenteil: Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat er bis zum Abschluss des Verfahrens unmissverständlich an seiner Auffassung festgehalten, dass die Planung gegen ein Ziel der Raumordnung verstoße. Der schriftsätzlich vorgetragene Einwand der Beigeladenen zu 1, mit der landesplanerischen Stellungnahme vom 30. Mai 2005 habe der Antragsteller den Eindruck erweckt, dass im Fall einer gutachterlich festgestellten "Verträglichkeit" die Vereinbarkeit der Planung mit Zielen der Raumordnung attestiert worden wäre, beruht auf einer Sachverhaltswürdigung, die im Widerspruch zu den genannten Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts steht.

23

1.4 Ob das Rechtsschutzbedürfnis im Falle des Normenkontrollantrags einer Behörde zudem - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - die Prüfung veranlasst, ob der Bebauungsplan zwischenzeitlich vollständig verwirklicht worden ist oder die auf der Grundlage des Bebauungsplans erteilten unanfechtbaren Baugenehmigungen verhindern, dass der Antragsteller seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Normenkontrollantrag verbessern kann (vgl. dazu Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85), erscheint im Hinblick auf die die Rechtsprechung des Senats tragende Erwägung, dass das Normenkontrollverfahren jedenfalls, soweit es auf Antrag einer natürlichen oder juristischen Person eingeleitet wird, kein rein objektives Prüfungsverfahren ist, sondern - insbesondere bei Bebauungsplänen - auch Elemente des Individualrechtsschutzes aufweist (Beschluss vom 28. August 1987 a.a.O. S. 91), fraglich. Das bedarf indes keiner Vertiefung, weil nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Erreichung wesentlicher Planungsziele noch aussteht.

24

2. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Bebauungsplan unwirksam ist, weil er mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ausnahme nach Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 gegen das in Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 als verbindliches Ziel festgelegte Konzentrationsgebot und damit gegen § 1 Abs. 4 BauGB verstößt. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass bei einer Standortentscheidung i.S.d. Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 zwingend ein über den Stadt-Umland-Raum hinausgehendes, von den betroffenen Gemeinden auf der Basis interkommunaler Abstimmungen erstelltes regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept vorliegen muss, das eine Ausnahme von der Zielfestlegung rechtfertigt, steht nicht im Widerspruch zu den bundesrechtlichen Anforderungen an die Zielqualität einer Planaussage.

25

2.1 Plansatz Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 bestimmt, dass Einzelhandelsgroßprojekte i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO - mit Ausnahme von (7) - nur in zentralen Orten, bei einer Geschossfläche von mehr als 5 000 qm nur in Ober- und Mittelzentren zulässig sind. Nach Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 können im Einzelfall Einzelhandelsgroßprojekte in den Randbereichen der Stadt-Umland-Räume dann angesiedelt werden, wenn die Ansiedlungsgemeinde mit der Kernstadt intensive funktionale Verflechtungen aufweist, verkehrlich gut mit öffentlichem Nahverkehr erreichbar ist und die Entwicklung der Einzelhandelsfunktion der Kernstadt nicht beeinträchtigt (Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005). Bei Standortentscheidungen für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in Stadt-Umland-Räumen wird nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts gemäß Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 eine weitere Voraussetzung aufgestellt, nämlich die Notwendigkeit eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts auf der Basis interkommunaler Abstimmungen. Diese Regelung versteht das Oberverwaltungsgericht als Ziel der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, das einer Regel-Ausnahme-Struktur folge. Die Ausnahmen von der Regel habe der Plangeber selbst in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 formuliert.

26

2.2 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die Merkmale einer "verbindlichen Vorgabe" oder einer "landesplanerischen Letztentscheidung" bzw. einer "abschließenden landesplanerischen Abwägung" erfüllen können, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen der Ausnahme mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens Bestimmbarkeit selbst festlegt (Urteile vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <40>, vom 18. September 2003 - BVerwG 4 CN 20.02 - BVerwGE 119, 54 <58>, vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 4 C 8.10 - DVBl 2011, 491 Rn. 8 und vom 20. November 2003 - BVerwG 4 CN 6.03 - BVerwGE 119, 217 <222 f.>). Macht der Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch, den Verbindlichkeitsanspruch seiner Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert, wird damit nicht ohne weiteres die abschließende Abwägung auf eine andere Stelle verlagert. Es ist ihm grundsätzlich unbenommen, selbst zu bestimmen, wie weit die Steuerungswirkung reichen soll, mit der von ihm geschaffene Ziele Beachtung beanspruchen.

27

Ausnahmen von einer für die Gemeinden gemäß § 1 Abs. 4 BauGB verbindlichen raumordnerischen Zielfestlegung dürfen zusätzlich von der Durchführung eines Verfahrens abhängig gemacht werden, wenn die Voraussetzungen und Bindungen eines solchen Verfahrens hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar sind. Die Zielqualität einer Planaussage mit Regel-Ausnahme-Struktur setzt nicht voraus, dass der Plangeber die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme greift, ausschließlich durch Vorgabe materiell-rechtlicher Kriterien regelt. Auch landesplanerische Aussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass der Plangeber die Ausnahme von der grundsätzlich geltenden Regel auch von dem Verfahren einer raumordnerischen interkommunalen Abstimmung abhängig macht, können die Merkmale eines Ziels der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erfüllen. Standortentscheidungen für eine nach seinen Zielvorgaben ausnahmsweise zulässige Planung muss der Plangeber nicht selbst treffen. Das Erfordernis der landesplanerischen Letztentscheidung schließt eine Konkretisierung der Ausnahme im Einzelfall (hier: ausnahmsweise zulässige Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte) in einem spezifisch raumordnerischen Verfahren durch die betroffenen Gemeinden nicht aus. Macht der Plangeber eine Ausnahme von der Zielbindung von der Durchführung eines besonderen Verfahrens abhängig, müssen die Anforderungen an das Verfahren aber gewährleisten, dass der nachgeordnete Planungsträger als Adressat der Zielbindung die abschließenden landesplanerischen Abwägungen nicht in Frage stellen kann. Diesen Anforderungen wird Plansatz Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 gerecht.

28

2.3 Nach dem für die revisionsgerichtliche Beurteilung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Begriffsverständnis des Oberverwaltungsgerichts stellt die angegriffene Bauleitplanung eine "Standortentscheidung" i.S.d. Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 dar, weil der Begriff jede Entscheidung über eine großflächige Einzelhandelseinrichtung, sei es eine Ansiedlung (Neuansiedlung oder Erweiterung) oder Umnutzung, umfasst. Ob der Begriff - wie die Revisionsführer geltend machen - einer anderen Auslegung zugänglich wäre, ist keine Frage der bundesrechtlichen Bestimmtheit der Zielfestlegung. Mit dem vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Inhalt ist der Begriff hinreichend klar bestimmt. Ebenfalls bestimmt ist auch der Begriff "großflächige Einzelhandelseinrichtungen" in Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005, der nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts ein Synonym für den in Nr. 4.3.2 (1) Satz 1 LEP 2005 und Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 verwendeten Begriff "Einzelhandelsgroßprojekte" ist, der über die Verweisung auf § 11 Abs. 3 BauNVO in Nr. 4.3.2 (1) Satz 1 LEP 2005 näher bestimmt wird. Dass die Antragsgegnerin zum Stadt-Umland-Raum der Beigeladenen zu 2 gehört, wird vom Oberverwaltungsgericht nicht thematisiert, ergibt sich aber aus den in Abbildung 5 zu Nr. 3.1.2 LEP 2005 genannten Kriterien und die dann anknüpfende Aufzählung der Gemeinden in Anhang Teil 1 Abbildung 22 zu Nr. 3.1.2 LEP 2005.

29

Der Plangeber hat zwar nicht ausdrücklich bestimmt, welches Verfahren für die Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts i.S.d. Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 zu beachten ist. Auf der Grundlage der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts zum Begriff "interkommunale Abstimmungen - (regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept)" lassen sich jedoch die Anforderungen an das Verfahren im Hinblick auf Ablauf und Organisation des Verfahrens sowie den Kreis der zu beteiligenden Gemeinden hinreichend klar bestimmen.

30

Wer an dem Verfahren zu beteiligen ist, ergibt sich aus dem Merkmal "regional". Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, sollen durch das spezifisch raumordnerische Verfahren der interkommunalen Abstimmung die raumbedeutsamen und überörtlichen Auswirkungen einer Standortentscheidung durch die davon betroffenen Kommunen aufgegriffen und bewältigt werden. Der Kreis der zu beteiligenden Gemeinden erschließt sich damit über deren Betroffenheit, sei es als Standortgemeinde, sei es als Gemeinde, die nachteilige Auswirkungen der Planung befürchtet. Der Plangeber knüpft an die Erkenntnis an, dass Einzelhandelsgroßprojekte "Fernwirkungen" haben, die nicht nur städtebaulich, sondern auch raumordnerisch zu nachteiligen Auswirkungen führen können. Die spezifisch raumordnerische "Betroffenheit" spiegelt sich im räumlichen Zuschnitt des regionalen Teilraums, der nicht deckungsgleich sein muss mit den in Nr. 3.1.2 (2) LEP 2005 festgelegten Stadt-Umland-Räumen, sondern - wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - auch darüber hinausgehen kann. Ähnlich wie bei der Bestimmung, wer benachbarte Gemeinde i.S.d. § 2 Abs. 2 BauGB ist (Beschluss vom 22. Dezember 2009 - BVerwG 4 B 25.09 - BRS 74 Nr. 9 S. 71), kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen der Gemeinden, sondern auf die Reichweite der raumordnungsrechtlich nachteiligen Auswirkungen der geplanten Standorte an. Die räumliche "Betroffenheit" bestimmt sich nach den regional bedeutsamen Auswirkungen auf die vom Einzugsbereich des (jeweiligen) Vorhabens erfassten Gemeinden. Das reicht zur Bestimmbarkeit des Teilnehmerkreises aus.

31

Zur Bestimmbarkeit der verfahrensmäßig-formellen Anforderungen an Ablauf und Organisation des Verfahrens genügt es, dass der Plangeber im Landesraumentwicklungsprogramm ein Verfahren der interkommunalen Abstimmung vorsieht. Darauf hebt auch das Oberverwaltungsgericht ab, wenn es ausführt, es liege nahe, für die Erstellung des regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts auf das Verfahren in Nr. 3.1.2 (6) LEP 2005 zurückzugreifen. Plansatz Nr. 3.1.2 LEP 2005 enthält Regelungen zum Verfahren der interkommunalen Abstimmung, die sich auf Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 übertragen lassen. Gründe, die dagegen sprechen könnten, die verfahrensrechtlichen Regelungen des Nr. 3.1.2 LEP 2005 auf die Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts zu übertragen, sind nicht zu erkennen. Da Organisation und Moderation des Verfahrens gemäß Nr. 3.1.2 (6) Satz 1 LEP 2005 von der zuständigen unteren Landesplanungsbehörde übernommen werden, ist auch gewährleistet, dass das Verfahren den spezifisch raumordnerischen Anforderungen gerecht wird. Durch Einbeziehung aller "betroffenen" Gemeinden wird zugleich verhindert, dass das Ergebnis der Abstimmung, das eine Einigung voraussetzt, auf Durchsetzung einseitiger Interessen beruht. Dass der Plangeber - wie die Revisionsführer in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben - darauf verzichtet hat, im Einzelnen Regelungen nach Art einer Geschäftsordnung aufzustellen, etwa zur Einleitung des Verfahrens oder zu den formellen Abstimmungsmodalitäten der Entscheidungsfindung, ist unschädlich. Die Befürchtung der Antragsgegnerin, sie sei nicht in der Lage, das Verfahren zur Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts zu initiieren, so dass ihr der Weg über eine Ausnahme verwehrt sei, ist unbegründet, weil nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts eine interkommunale Abstimmung nach Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 auch "anderweitig", nämlich durch die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens herbeigeführt werden kann. Damit ist gewährleistet, dass eine gemeindliche Planung jedenfalls nicht daran scheitern kann, dass - aus welchen Gründen auch immer - (noch) kein regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept vorliegt.

32

Materiell-rechtlich muss jede Ausnahme vom Konzentrationsgebot zudem die in Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 genannten Voraussetzungen - die räumlichen Aspekte der funktionalen Verflechtung und die gute Erreichbarkeit mit öffentlichem Personennahverkehr sowie das Beeinträchtigungsverbot - beachten. Das ergibt sich daraus, dass Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts lediglich eine weitere, nämlich verfahrensrechtliche Voraussetzung aufstellt, die zu den Voraussetzungen nach Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 hinzutritt. Damit wird das Verfahren der interkommunalen Abstimmung zugleich inhaltlich gebunden. Im Rahmen dieser Vorgaben verbleibt den Beteiligten der interkommunalen Abstimmung bei der Erstellung des regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts zwar ein gewisser planerischer Spielraum, der jeder Standortplanung eignet. Das Verfahren eröffnet aber den Gemeinden keinen eigenen Abwägungsspielraum der die abschließenden landesplanerischen Abwägungen in Frage stellt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG auf 60 000,00 € festgesetzt.

G r ü n d e :

Gemäß § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers, hier des Antragstellers, für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Sie kann nicht losgelöst von der Bedeutung der Sache bestimmt werden, die für den Regelfall im Streitwertkatalog konkretisiert wird (vgl. auch Beschluss vom 26. Januar 2010 - BVerwG 4 B 43.09 - juris Rn. 16). Für eine Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan werden im Streitwertkatalog nach Nr. 9.8.2 für die Nachbargemeinde 60 000 € und nach Nr. 9.8.1 für die Privatperson 7 500 bis 60 000 € als Streitwert angesetzt. An diesem Wert hat sich auch die Bestimmung des Streitwerts nach der Bedeutung der Sache für den Antragsteller zu orientieren.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Die Grundsätze der Raumordnung sind im Sinne der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 2 anzuwenden und durch Festlegungen in Raumordnungsplänen zu konkretisieren, soweit dies erforderlich ist.

(2) Grundsätze der Raumordnung sind insbesondere:

1.
Im Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und in seinen Teilräumen sind ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben. Dabei ist die nachhaltige Daseinsvorsorge zu sichern, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Innovation sind zu unterstützen, Entwicklungspotenziale sind zu sichern und Ressourcen nachhaltig zu schützen. Diese Aufgaben sind gleichermaßen in Ballungsräumen wie in ländlichen Räumen, in strukturschwachen wie in strukturstarken Regionen zu erfüllen. Demographischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie anderen strukturverändernden Herausforderungen ist Rechnung zu tragen, auch im Hinblick auf den Rückgang und den Zuwachs von Bevölkerung und Arbeitsplätzen; regionale Entwicklungskonzepte und Bedarfsprognosen der Landes- und Regionalplanung sind einzubeziehen. Auf einen Ausgleich räumlicher und struktureller Ungleichgewichte zwischen den Regionen ist hinzuwirken. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung sind langfristig offenzuhalten.
2.
Die prägende Vielfalt des Gesamtraums und seiner Teilräume ist zu sichern. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Städte und ländliche Räume auch künftig ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesellschaft erfüllen können. Mit dem Ziel der Stärkung und Entwicklung des Gesamtraums und seiner Teilräume ist auf Kooperationen innerhalb von Regionen und von Regionen miteinander, die in vielfältigen Formen, auch als Stadt-Land-Partnerschaften, möglich sind, hinzuwirken. Die Siedlungstätigkeit ist räumlich zu konzentrieren, sie ist vorrangig auf vorhandene Siedlungen mit ausreichender Infrastruktur und auf Zentrale Orte auszurichten. Der Freiraum ist durch übergreifende Freiraum-, Siedlungs- und weitere Fachplanungen zu schützen; es ist ein großräumig übergreifendes, ökologisch wirksames Freiraumverbundsystem zu schaffen. Die weitere Zerschneidung der freien Landschaft und von Waldflächen ist dabei so weit wie möglich zu vermeiden; die Flächeninanspruchnahme im Freiraum ist zu begrenzen.
3.
Die Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, insbesondere die Erreichbarkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung für alle Bevölkerungsgruppen, ist zur Sicherung von Chancengerechtigkeit in den Teilräumen in angemessener Weise zu gewährleisten; dies gilt auch in dünn besiedelten Regionen. Die soziale Infrastruktur ist vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln; die Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitskriterien des Zentrale-Orte-Konzepts sind flexibel an regionalen Erfordernissen auszurichten. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und örtlichen Zentren als zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen. Dem Schutz kritischer Infrastrukturen ist Rechnung zu tragen. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität und ein integriertes Verkehrssystem zu schaffen. Auf eine gute Erreichbarkeit der Teilräume untereinander durch schnellen und reibungslosen Personen- und Güterverkehr ist hinzuwirken. Vor allem in verkehrlich hoch belasteten Räumen und Korridoren sind die Voraussetzungen zur Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße zu verbessern. Raumstrukturen sind so zu gestalten, dass die Verkehrsbelastung verringert und zusätzlicher Verkehr vermieden wird.
4.
Der Raum ist im Hinblick auf eine langfristig wettbewerbsfähige und räumlich ausgewogene Wirtschaftsstruktur und wirtschaftsnahe Infrastruktur sowie auf ein ausreichendes und vielfältiges Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu entwickeln. Regionale Wachstums- und Innovationspotenziale sind in den Teilräumen zu stärken. Insbesondere in Räumen, in denen die Lebensverhältnisse in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist (strukturschwache Räume), sind die Entwicklungsvoraussetzungen zu verbessern. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Sicherung sowie für die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen zu schaffen. Den räumlichen Erfordernissen für eine kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung einschließlich des Ausbaus von Energienetzen ist Rechnung zu tragen. Ländliche Räume sind unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen und natürlichen Entwicklungspotenziale als Lebens- und Wirtschaftsräume mit eigenständiger Bedeutung zu erhalten und zu entwickeln; dazu gehört auch die Umwelt- und Erholungsfunktion ländlicher Räume. Es sind die räumlichen Voraussetzungen für die Land- und Forstwirtschaft in ihrer Bedeutung für die Nahrungs- und Rohstoffproduktion zu erhalten oder zu schaffen.
5.
Kulturlandschaften sind zu erhalten und zu entwickeln. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen und mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern sowie dem UNESCO-Kultur- und Naturerbe der Welt zu erhalten. Die unterschiedlichen Landschaftstypen und Nutzungen der Teilräume sind mit den Zielen eines harmonischen Nebeneinanders, der Überwindung von Strukturproblemen und zur Schaffung neuer wirtschaftlicher und kultureller Konzeptionen zu gestalten und weiterzuentwickeln. Es sind die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Land- und Forstwirtschaft ihren Beitrag dazu leisten kann, die natürlichen Lebensgrundlagen in ländlichen Räumen zu schützen sowie Natur und Landschaft zu pflegen und zu gestalten.
6.
Der Raum ist in seiner Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Böden, des Wasserhaushalts, der Tier- und Pflanzenwelt sowie des Klimas einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen zu entwickeln, zu sichern oder, soweit erforderlich, möglich und angemessen, wiederherzustellen. Bei der Gestaltung räumlicher Nutzungen sind Naturgüter sparsam und schonend in Anspruch zu nehmen; Grundwasservorkommen und die biologische Vielfalt sind zu schützen. Die erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist zu verringern, insbesondere durch quantifizierte Vorgaben zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme sowie durch die vorrangige Ausschöpfung der Potenziale für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, für die Nachverdichtung und für andere Maßnahmen zur Innenentwicklung der Städte und Gemeinden sowie zur Entwicklung vorhandener Verkehrsflächen. Beeinträchtigungen des Naturhaushalts sind auszugleichen, den Erfordernissen des Biotopverbundes ist Rechnung zu tragen. Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen. Der Schutz der Allgemeinheit vor Lärm und die Reinhaltung der Luft sind sicherzustellen. Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. Dabei sind die räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für eine sparsame Energienutzung sowie für den Erhalt und die Entwicklung natürlicher Senken für klimaschädliche Stoffe und für die Einlagerung dieser Stoffe zu schaffen. Die nachhaltige Entwicklung im Meeresbereich ist unter Anwendung eines Ökosystemansatzes gemäß der Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 135) zu unterstützen.
7.
Den räumlichen Erfordernissen der Verteidigung und des Zivilschutzes ist Rechnung zu tragen.
8.
Die räumlichen Voraussetzungen für den Zusammenhalt der Europäischen Union und im größeren europäischen Raum sowie für den Ausbau und die Gestaltung der transeuropäischen Netze sind zu gewährleisten. Raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Europäischen Union und der europäischen Staaten ist Rechnung zu tragen. Die Zusammenarbeit der Staaten und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Städte und Regionen sind zu unterstützen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Der Bebauungsplan Nr. 1 der Gemeinde … wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsgegnerin wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 1 der Antragsgegnerin.

2

Der angefochtene Bebauungsplan sieht als Art der Nutzung „Gewerbegebiet“ vor. Der Ursprungsbebauungsplan wurde im Jahre 1963 als Satzung beschlossen und anschließend in Kraft gesetzt. 1967 wurde das Plangebiet durch die 1. Änderung des Bebauungsplans erweitert. Die Bebauung und Nutzung des Gebietes entwickelten sich über die folgenden Jahrzehnte plangemäß. Anlässlich eines Rechtsstreits über die Erteilung einer Baugenehmigung für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb stellte sich heraus, dass der Bebauungsplan wegen fehlerhafter Ausfertigung und Bekanntmachung unwirksam war. Darauf bestätigte die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 27. Juni 2001 die damaligen Satzungsbeschlüsse. Eine erneute Abwägung fand nicht statt. Der Bebauungsplan wurde ausgefertigt und anschließend rückwirkend zum 24. September 1965 bzw. zum 07. Juni 1967 (1. Änderung) in Kraft gesetzt. In der Folgezeit wurden im Plangebiet einige großflächige Einzelhandelsbetriebe genehmigt und errichtet. Die dagegen erhobenen Widersprüche und Klagen der Antragstellerin blieben letztlich erfolglos.

3

Die Antragstellerin hat am 21. Februar 2003 einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 1 der Antragsgegnerin gestellt. Der Senat hat bereits im Jahr 2004 über den Rechtsstreit mündlich verhandelt. Im Anschluss an die damalige mündliche Verhandlung ist das Verfahren ausgesetzt worden. Der Antragsgegnerin sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, den streitigen Bebauungsplan an die aktuelle Raumplanung anzupassen. Dies ist nicht geschehen. Der alte Bebauungsplan ist nach wie vor in Kraft. Die Antragstellerin hat deshalb beantragt, das Verfahren fortzuführen. Sie macht jetzt geltend: Es sei bereits zweifelhaft, ob die erneuten Bekanntmachungen im Jahr 2001 wirksam erfolgt seien. Diese Zweifel ergäben sich daraus, dass das Datum der Abnahme der Bekanntmachungen nicht an allen Bekanntmachungstafeln unterschrieben und gesiegelt worden sei. Der Bebauungsplan sei jedenfalls auch deshalb unwirksam, weil ein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB vorliege. Der Bebauungsplan habe bereits im Zeitpunkt seines rückwirkenden Erlasses sowohl gegen den Regionalplan für den Planungsraum I als auch gegen den Landesraumordnungsplan 1998 verstoßen. Im Regionalplan I sei die Antragstellerin gemäß Nr. 5.1 (1) als Mittelzentrum ausgewiesen worden. Die Antragsgegnerin habe aber keinerlei zentralörtliche Funktionen erfüllt. Ihr seien auch nicht nach Nr. 5.2 besondere Funktionen als nicht zentralem Ort zugewiesen worden, jedenfalls keine, die im Zusammenhang mit der Ansiedlung von Einzelhandel stünden. Die in dem Bebauungsplan zulässige Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben habe deshalb bereits im Zeitpunkt der erneuten Bekanntmachung im Jahr 2001 gegen die Ziele der Raumordnung verstoßen. Er hätte deshalb nicht nachträglich in Kraft gesetzt werden dürfen. Der Bebauungsplan unterliege im Übrigen auch weiterhin einer Anpassungspflicht gemäß § 1 Abs. 4 BauGB.

4

Die Antragstellerin beantragt,

5

den Bebauungsplan Nr. 1 der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

7

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

8

Der Normenkontrollantrag sei unzulässig, denn die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Das von ihr gerügte Anpassungsgebot begründe keine Rechte der Antragstellerin. Es diene allein den Ländern, die Ziele der Raumordnung durchzusetzen.

9

Der Normenkontrollantrag sei auch unbegründet. Die Rüge der fehlerhaften Bekanntmachung sei präkludiert. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Bekanntmachung zutreffend darauf hingewiesen, dass Verfahrens- und Formfehler binnen eines Jahres gerügt werden müssten. Die erstmals im Jahr 2013 erhobenen materiellen Rügen, die einen Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB beträfen, seien ebenfalls präkludiert bzw. verwirkt. Es liege auch sachlich kein Verstoß gegen das Anpassungsgebot vor. Insoweit sei nämlich der Zeitpunkt der erstmaligen Abwägung - hier der 23. Juli 1963 - maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt habe es weder den Regionalplan I noch den Landesraumordnungsplan 1998 gegeben. Die Raumordnungsgesetze sähen keine Anpassungspflicht vor. Der Regierungsentwurf zum ROG 1998 habe zwar eine solche Regelung beinhaltet, diese sei aber aufgrund von Bedenken der kommunalen Spitzenverbände nicht in das Raumordnungsgesetz eingefügt worden. Da es insofern an einer bundesrechtlichen Regelung fehle, seien die landesrechtlichen Vorschriften maßgeblich, hier also § 16 Landesplanungsgesetz. In dieser Vorschrift sei - anders, als zum Beispiel in Art. 30 des bayerischen Landesplanungsgesetzes - eine Anpassungspflicht nicht vorgesehen. Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2007 - 4 BN 8.07 - berufen, denn dieser Beschluss betreffe ein Urteil des OVG Koblenz. § 23 Abs. 1 Landesplanungsgesetz Rheinland-Pfalz sehe aber eine Anpassungspflicht hinsichtlich bestehender Bauleitpläne vor, die es in Schleswig-Holstein gebe. Selbst wenn eine solche Anpassungspflicht bestünde, könnte die Antragstellerin sich nicht darauf berufen, denn das Anpassungsgebot verfolge landesplanerische und raumordnerische Zielsetzungen.

10

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- akte sowie die Planungsvorgänge der Antragsgegnerin (Beiakten A - C) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO antragsbefugt. Ihre Antragsbefugnis folgt aus dem Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) und aus § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB, der ausdrücklich das Recht der Gemeinden festschreibt, sich auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche zu berufen (vgl. dazu Gierke in Brügelmann, BauGB, Kommentar, Loseblatt, Stand Okt. 2013, § 1 Rn. 449). Dies macht die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Mittelzentrum geltend.

12

2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

13

Es kann dahingestellt bleiben, ob die erneute Bekanntmachung im Jahr 2001 wirksam erfolgt ist. Der Bebauungsplan ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil er gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB verstößt.

14

Der Bebauungsplan Nr. 1 durfte im Jahr 2001 nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden, weil er gegen die bereits zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Ziele der Raumordnung verstieß. Durch die rückwirkende Inkraftsetzung wurde als Art der Nutzung ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO 1962, nach der Einzelhandel unbeschränkt zulässig ist, festgesetzt. Dies verstieß gegen die Ziele der Raumordnung, die im Landesraumordnungsplan 1998 wie folgt formuliert waren.

15

„Einkaufseinrichtungen - entweder größeren Umfangs oder solche im räumlichen Verbund sowie die Erweiterung vorhandener Betriebe in die Großflächigkeit hinein - und Dienstleistungszentren sollen wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Zentralität nur in den zentralen Orten vorgesehen oder diesen so zugeordnet werden, dass eine wesentliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestehender oder geplanter Versorgungszentren vermieden wird. Geeignete zugeordnete Standorte sind insbesondere die Stadtrandkerne und Gemeinden mit einer ergänzenden überörtlichen Versorgungsfunktion (vgl. Ziff. 6.2.2).

16

Insoweit müssen Art und Umfang solcher Einrichtungen dem Grad der zentralörtlichen Bedeutung der Standortgemeinde entsprechen und die Gesamtstruktur des Einzelhandels der Bevölkerungszahl des Verflechtungsbereiches angemessen sein. Danach kommen für Einkaufseinrichtungen mit über 3.000 qm Verkaufsfläche nur Oberzentren und zentrale Orte der mittelzentralen Ebene in Betracht. Für Einrichtungen in einer Größenordnung bis 3.000 qm Verkaufsfläche können auch Unterzentren in Frage kommen. Sonstige Standorte sind in der Regel für Einkaufseinrichtungen von über 800 qm Verkaufsfläche nicht geeignet.“

17

Die mit dem Bebauungsplan ermöglichte Zulassung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen war mit diesen Zielen nicht vereinbar. Die Antragsgegnerin ist nämlich kein zentraler Ort und verfügt auch sonst über keinerlei zentralörtliche Funktion. Dass der Verstoß im Zeitpunkt der Abwägung (1963) noch nicht vorlag, ist unerheblich. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB gilt nur für die Abwägung, nicht aber für sonstige gesetzliche Voraussetzungen der Planung, insbesondere auch nicht für § 1 Abs. 4 BauGB. Diese Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans vorliegen (BVerwG, Beschl. v. 14.05.2007 - 4 BN 8.07 - NVwZ 2007, 953 - Juris Rn. 5). Der Bebauungsplan hätte deshalb im Jahr 2001 nicht mehr bekannt gemacht werden dürfen. Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass diese Grundsätze in Schleswig-Holstein nicht anwendbar seien, weil das Schleswig-Holsteinische Landesrecht keine Anpassungspflicht vorsehe, ist nicht richtig. Die Anpassungspflicht folgt nicht aus dem Landesrecht, sondern unmittelbar aus § 1 Abs. 4 BauGB. Auch der oben genannte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich nur auf diese Regelung und nicht auf landesrechtliche Vorschriften des Raumordnungsrechts. Die Berufung der Antragstellerin auf die Anpassungspflicht gemäß § 1 Abs. 4 BauGB ist auch nicht präkludiert. Der Präklusion unterliegen nur die in § 215 Abs. 1 BauGB genannten Fehler. Dazu gehören Verstöße gegen § 1 Abs. 4 BauGB nicht. Auch eine Verwirkung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Antragsgegnerin kein Vertrauen in den Bestand ihres Bebauungsplans bilden konnte. Bei Inkraftsetzung des Bebauungsplans mussten ihr die Ziele der Raumordnung und die rechtliche Problematik ihres Verhaltens bekannt gewesen sein. Im Übrigen hat die Antragstellerin die mit dem Verstoß gegen die Ziele der Raumordnung zusammenhängenden tatsächlichen Probleme bereits frühzeitig in der mit Schriftsatz vom 03. Juli 2003 erfolgten Begründung des Normenkontrollantrages und in verschiedenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem Grunde nach thematisiert (vgl. Verfahren vor dem Senat 1 M 12/02; 1 LA 4/03; 1 LA 5/03).

18

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan Nr. 1 auch fortlaufend gegen die aktuelle Landesplanung verstößt (vgl. Landesentwicklungsplan 2010, S. 53 f.), die die Ziele des Landesraumordnungsplans 1998 in Bezug auf den Einzelhandel sinngemäß fortschreibt. Wenn der Bebauungsplan nicht bereits aus den oben genannten Gründen unwirksam wäre, wäre die Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 4 BauGB verpflichtet, ihren Bebauungsplan diesen Zielen anzupassen (vgl. hierzu und zu den rechtlichen Konsequenzen der fehlenden Anpassung BVerwG, Beschl. v. 08.03.2006 - 4 BN 56.05 -BRS 70 Nr. 3 - Juris Rn. 7).

19

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

20

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


Tatbestand

1

Gegenstand der Normenkontrolle ist der Bebauungsplan Nr. 11 (Einkaufszentrum "Grünhufer Bogen") der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2006 in der Fassung der 1. Änderung vom 22. April 2009.

2

Das Plangebiet liegt an der südöstlichen Grenze zum Stadtgebiet der Beigeladenen zu 2, der Hansestadt Stralsund, die nach dem Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (LEP 2005) ein Oberzentrum ist. Die Antragsgegnerin ist kein zentraler Ort im Sinne des Landesraumentwicklungsprogramms. Im Geltungsbereich des Bebauungsplans befindet sich das von der Beigeladenen zu 1 betriebene Einkaufszentrum "Strelapark", das nach Erlass eines Vorhaben- und Erschließungsplans aus dem Jahr 1993 (VEP 1993) auf der Grundlage einer Baugenehmigung errichtet wurde. Die Baugenehmigung enthält die Nebenbestimmung, dass im Einkaufszentrum eine maximale Verkaufsfläche von 17 000 qm, davon 12 000 qm mit innenstadtrelevanter Auswirkung zulässig sei. Die Verkaufsfläche für innenstadtrelevante Sortimente wurde zu einem späteren Zeitpunkt auf knapp 17 000 qm erweitert, ohne dass dafür entsprechende Genehmigungen erteilt wurden.

3

Im September 1995 beschloss die Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 11. Die Beigeladene zu 2 lehnte die Planung wegen einer befürchteten negativen Auswirkung auf die Entwicklung ihrer Innenstadt ab. Auch der Antragsteller, das für die Landesplanung zuständige Ministerium, trat der Planung aus Sicht der Raumordnungsbehörde entgegen. Im Juni 2006 wurde der Bebauungsplan beschlossen. Er setzt u.a. das Sondergebiet SO1 A, in dem das vorhandene Einkaufszentrum der Beigeladenen zu 1 liegt, und das Sondergebiet SO1 B fest. Im SO1 B ist eine Gesamtverkaufsfläche von maximal 8 000 qm, davon maximal 5 500 qm mit innenstadtrelevantem Sortiment zulässig. Die Festsetzung von 17 000 qm unbeschränkter Verkaufsfläche im Sondergebiet SO1 A soll der tatsächlich genehmigten Nutzung nach Aufgabe des Baumarktes innerhalb des Strelaparks Rechnung tragen.

4

Mit der am 21. April 2009 beschlossenen 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 11, der bestimmte Verkaufsflächenbegrenzungen auf der Grundlage eines von der Beigeladenen zu 2 eingeholten Gutachtens festsetzt, wird der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 11 an keiner Stelle geändert und im Übrigen unterschritten.

5

Sowohl gegen den Bebauungsplan Nr. 11 als auch gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gestellt.

6

Mit Urteil vom 29. März 2010 hat das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan Nr. 11 in der Fassung der 1. Änderung für unwirksam erklärt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Der Antragsteller sei als Behörde antragsbefugt. Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben, weil der Antragsteller nicht selbst über die Norm verfügen könne. Zwar dürfte der Antragsteller die Rechtsmacht gehabt haben, im Planaufstellungsverfahren eine Untersagungsverfügung nach § 16 Abs. 1 LPlG zu erlassen, die auch gesetzlich sofort vollziehbar gewesen wäre. Das Unterlassen einer solchen Maßnahme bedeute, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles etwas anderes ergäben, aber nicht den Verzicht auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gerichtlichen Normenkontrolle. Es bestünden auch keine einfacheren Möglichkeiten, das begehrte Ziel zu erreichen. Eine Untersagungsverfügung sei gerichtlich angreifbar, so dass auch bei ihrem Erlass eine gerichtliche Auseinandersetzung zu erwarten gewesen wäre, wenn auch unter umgekehrter Rollenverteilung. Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers sei auch nicht deswegen entfallen, weil der Bebauungsplan zwischenzeitlich vollständig verwirklicht worden sei oder die auf der Grundlage des Bebauungsplans erteilten unanfechtbaren Baugenehmigungen verhinderten, dass der Antragsteller seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Normenkontrollantrag verbessern könne. Die von dem angegriffenen Bebauungsplan ermöglichte Errichtung eines weiteren Einkaufszentrums sei noch nicht genehmigt worden, so dass gerade der Antragsteller, der die Vereinbarkeit des Bebauungsplans in diesem Punkt mit einem Ziel der Raumordnung bestreite, durch die erstrebte Unwirksamkeitserklärung seine Rechtsposition verbessern könne. Entsprechendes gelte für die Festsetzung der unbeschränkten Verkaufsfläche für das bestehende Einkaufszentrum.

8

Der Normenkontrollantrag sei begründet. Es handele sich nicht um rechtlich getrennte, selbstständige Bebauungspläne, die jeder für sich bestehen sollten, wenn einer der beiden Pläne scheitere. Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 11 habe den ursprünglichen Bebauungsplan in der Weise geändert, dass er in seiner ursprünglichen Fassung insgesamt nicht mehr bestehe, sondern durch die 1. Änderung eine neue Fassung erhalten habe.

9

Der Bebauungsplan sei rechtswidrig, weil er gegen § 1 Abs. 4 BauGB verstoße. Plansatz Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 sei ein Ziel der Raumordnung und gebe verbindlich vor, dass Einzelhandelsgroßprojekte nur in zentralen Orten zulässig seien. Der Zielcharakter werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, den Verbindlichkeitsanspruch seiner Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert habe. Die Ausnahme in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 mit dem Wortlaut:

Im Einzelfall können Einzelhandelsgroßprojekte in den Randbereichen der Stadt-Umland-Räume (siehe hierzu Kapitel 3.1.2) dann angesiedelt werden, wenn die Ansiedlungsgemeinde mit der Kernstadt intensive funktionale Verflechtungen aufweist, verkehrlich mit Öffentlichem Personennahverkehr gut erreichbar ist und die Entwicklung der Einzelhandelsfunktion der Kernstadt nicht beeinträchtigt. Standortentscheidungen für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in Stadt-Umland-Räumen sind auf der Basis interkommunaler Abstimmungen - (regionale Einzelhandelsentwicklungskonzepte) zu treffen;

sei jedenfalls trotz der offensichtlichen sprachlichen Ungenauigkeiten hinreichend bestimmbar. Die Voraussetzungen in Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 seien der Auslegung zugänglich und damit nicht unbestimmt. Bei Standortentscheidungen für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen werde in Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 eine weitere Voraussetzung aufgestellt, nämlich die Notwendigkeit eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts. Der Begriff der Standortentscheidung sei nicht auf Neuansiedlungen beschränkt. Die Standortentscheidung sei "auf der Basis interkommunaler Abstimmungen - (regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept)" zu treffen. Der Begriff der interkommunalen Abstimmung sei spezifisch raumordnerisch zu verstehen. Die Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts sei nicht ausdrücklich geregelt, doch liege es nahe, auf das in Nr. 3.1.2 (6) Satz 1 LEP 2005 vorgesehene Verfahren zurückzugreifen. Sofern eine interkommunale Abstimmung nicht zustande komme, könne sie durch die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens herbeigeführt werden.

12

Die Planung erfülle die Voraussetzungen, die für eine Ausnahme nach Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 erforderlich seien, nur teilweise. Die Festsetzung eines Einkaufszentrums mit einer Verkaufsfläche von 8 000 qm neben einem bereits vorhandenen Einkaufszentrum sei unabhängig davon, ob es sich bei dem festgesetzten Einkaufszentrum um eine Neuansiedlung oder eine Erweiterung handelt, eine Standortentscheidung im Sinne der Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005. Hinzu komme, dass die Planung für das vorhandene Einkaufszentrum erstmalig eine unbeschränkte Verkaufsfläche von 17 000 qm festsetze. Damit werde die unbeschränkte Verkaufsfläche gegenüber dem VEP 1993 - dessen Gültigkeit unterstellt - und gegenüber der bestandskräftigen Baugenehmigung um 5 000 qm erweitert. Dass diese unbeschränkte Verkaufsfläche bereits faktisch existiere, sei für die rechtliche Betrachtung ohne Bedeutung. Das bei einer Standortentscheidung dieses Ausmaßes erforderliche regionale Einzelhandelsentwicklungskonzept oder eine andere Form der interkommunalen Abstimmung lägen nicht vor. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ausnahmsweise kein regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept erforderlich sei. Daher bleibe es raumordnerisch beim Ziel aus Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005, wonach Einzelhandelsgroßprojekte nur in zentralen Orten, zu denen die Antragsgegnerin nicht gehöre, zulässig seien. Die Planung widerspreche diesem Ziel. Der Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB erfasse den Bebauungsplan in Gänze. Eine nur teilweise Unwirksamkeit komme nicht in Betracht.

13

Die Beigeladene zu 1 und die Antragsgegnerin haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie machen geltend, der Normenkontrollantrag des Antragstellers sei unzulässig. Unabhängig davon stehe Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 der Planung nicht entgegen. Der Planaussage komme keine Zielqualität zu, weil die Regelung in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 nicht hinreichend bestimmt sei und der Normgeber die Regelung in Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 ohne die Ausnahme in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 nicht erlassen hätte.

Entscheidungsgründe

14

Die Revisionen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1 sind unbegründet. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag des Antragstellers für zulässig erachtet. Das Oberverwaltungsgericht durfte auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgehen, dass das in Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 enthaltene Konzentrationsgebot ein verbindliches Ziel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG darstellt, das gemäß § 1 Abs. 4 BauGB der streitgegenständlichen Bauleitplanung entgegensteht, weil die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 nicht vorliegen.

15

1. Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist zulässig.

16

1.1 Die Antragsbefugnis des Antragstellers, der nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts als Behörde gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes beteiligtenfähig i.S.d. § 61 Nr. 3 VwGO ist, ist gegeben.

17

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist jede Behörde antragsbefugt. Sie muss lediglich geltend machen, dass sie die beanstandete Norm anzuwenden hat oder durch den Vollzug der Norm in ihrem Tätigkeitsbereich "betroffen" wird, d.h. die Norm bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beachten hat (Beschluss vom 11. August 1989 - BVerwG 4 NB 23.89 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 41). Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, hat der Antragsteller den angefochtenen Bebauungsplan bei der Anwendung und Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms in seiner Eigenschaft als oberste Landesplanungsbehörde sowie bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als oberste Bauaufsichtsbehörde zu beachten.

18

1.2 Ebenfalls ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht das in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als ungeschriebene Sachentscheidungsvoraussetzung vorausgesetzte Rechtsschutzinteresse bejaht. Das Rechtsschutzbedürfnis einer Behörde ist immer dann gegeben, wenn sie nur mit der Ausführung der von ihr beanstandeten Norm befasst ist, ohne selbst über die Norm verfügen - insbesondere sie aufheben oder ändern - zu können (Beschluss vom 15. März 1989 - BVerwG 4 NB 10.88 - BVerwGE 81, 307 <310>).

19

Dem Antragsteller fehlt die Verfügungsbefugnis über den als Satzung erlassenen Bebauungsplan. Eine gemeindliche Satzung kann der Antragsteller nicht aufheben oder ändern. Der Antragsteller hätte die Antragsgegnerin zwar durch Erlass einer Untersagungsverfügung gemäß § 16 Abs. 1 LPlG am Erlass der Satzung hindern können. Ist das Rechtssetzungsverfahren aber abgeschlossen und der Rechtssatz entstanden, kann nur noch der Rechtssatz selbst rückgängig gemacht oder aufgehoben werden. Der durch Normgebung gesetzte Rechtsschein ist durch einen Gegenakt der Normsetzung zu beseitigen (Urteile vom 21. November 1986 - BVerwG 4 C 22.83 - BVerwGE 75, 142 <144> und BVerwG 4 C 60.84 - Buchholz 406.11 § 11 BBauG Nr. 2). Für die höhere Verwaltungsbehörde steht hierfür das Normenkontrollverfahren zur Verfügung (Beschluss vom 26. Juni 1998 - BVerwG 4 BN 29.97 - SächsVBl 1998, 236).

20

1.3 Der Antragsteller hat sich auch nicht in einen nach Treu und Glauben nicht hinnehmbaren Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten gesetzt und von seinem Antragsrecht in rechtsmissbräuchlicher und unzulässiger Weise Gebrauch gemacht.

21

Dass der Antragsteller es unterlassen hat, die Antragsgegnerin durch Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 16 Abs. 1 LPlG am Erlass der Satzung zu hindern, nimmt ihm nicht das Recht, einen seiner Auffassung nach rechtswidrig beschlossenen Bebauungsplan mit der Normenkontrolle anzugreifen. Die Ausübung der Eingriffsbefugnisse nach § 16 LPlG ist in das Ermessen des Antragstellers gestellt. Der Verzicht auf Maßnahmen nach § 16 LPlG kann unterschiedliche Gründe haben. Hat der Antragsteller als oberste Landesplanungsbehörde seine Rechtsauffassung - wie hier - unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, kann der Verzicht auf den hoheitlichen Eingriff der Untersagung, gerade auch mit Blick auf die Eingriffsintensität einer solchen Maßnahme, von der berechtigten Erwartung geleitet sein, der Planungsträger werde Einsicht zeigen und aufgrund eigener Entscheidung den Beanstandungen Rechnung tragen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin dient die Vorschrift nicht ihrem Schutz; die oberste Landesplanungsbehörde ist nicht verpflichtet, eine Gemeinde vor dem Erlass eines raumordnungswidrigen Bebauungsplans durch den Erlass einer Untersagungsverfügung zu bewahren. § 16 LPlG eröffnet lediglich die Möglichkeit, im Wege einer Untersagungsverfügung gegen einen Planungsträger vorzugehen, und stellt die für einen solchen Eingriff notwendige Ermächtigungsgrundlage dar. Der Antragsteller kann, muss aber nicht tätig werden. Er kann sich daher - wie auch hier - darauf beschränken, seine raumordnungsrechtlichen Einwände im Planaufstellungsverfahren vorzutragen.

22

Der Verzicht auf Erlass einer Untersagungsverfügung konnte für die Antragsgegnerin auch nicht Anlass sein anzunehmen, der Antragsteller halte ihre Planung für rechtmäßig. Der Antragsteller hat auch sonst keinen widersprüchlichen Eindruck vermittelt. Im Gegenteil: Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat er bis zum Abschluss des Verfahrens unmissverständlich an seiner Auffassung festgehalten, dass die Planung gegen ein Ziel der Raumordnung verstoße. Der schriftsätzlich vorgetragene Einwand der Beigeladenen zu 1, mit der landesplanerischen Stellungnahme vom 30. Mai 2005 habe der Antragsteller den Eindruck erweckt, dass im Fall einer gutachterlich festgestellten "Verträglichkeit" die Vereinbarkeit der Planung mit Zielen der Raumordnung attestiert worden wäre, beruht auf einer Sachverhaltswürdigung, die im Widerspruch zu den genannten Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts steht.

23

1.4 Ob das Rechtsschutzbedürfnis im Falle des Normenkontrollantrags einer Behörde zudem - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - die Prüfung veranlasst, ob der Bebauungsplan zwischenzeitlich vollständig verwirklicht worden ist oder die auf der Grundlage des Bebauungsplans erteilten unanfechtbaren Baugenehmigungen verhindern, dass der Antragsteller seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Normenkontrollantrag verbessern kann (vgl. dazu Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85), erscheint im Hinblick auf die die Rechtsprechung des Senats tragende Erwägung, dass das Normenkontrollverfahren jedenfalls, soweit es auf Antrag einer natürlichen oder juristischen Person eingeleitet wird, kein rein objektives Prüfungsverfahren ist, sondern - insbesondere bei Bebauungsplänen - auch Elemente des Individualrechtsschutzes aufweist (Beschluss vom 28. August 1987 a.a.O. S. 91), fraglich. Das bedarf indes keiner Vertiefung, weil nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Erreichung wesentlicher Planungsziele noch aussteht.

24

2. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Bebauungsplan unwirksam ist, weil er mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ausnahme nach Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 gegen das in Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 als verbindliches Ziel festgelegte Konzentrationsgebot und damit gegen § 1 Abs. 4 BauGB verstößt. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass bei einer Standortentscheidung i.S.d. Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 zwingend ein über den Stadt-Umland-Raum hinausgehendes, von den betroffenen Gemeinden auf der Basis interkommunaler Abstimmungen erstelltes regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept vorliegen muss, das eine Ausnahme von der Zielfestlegung rechtfertigt, steht nicht im Widerspruch zu den bundesrechtlichen Anforderungen an die Zielqualität einer Planaussage.

25

2.1 Plansatz Nr. 4.3.2 (1) LEP 2005 bestimmt, dass Einzelhandelsgroßprojekte i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO - mit Ausnahme von (7) - nur in zentralen Orten, bei einer Geschossfläche von mehr als 5 000 qm nur in Ober- und Mittelzentren zulässig sind. Nach Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 können im Einzelfall Einzelhandelsgroßprojekte in den Randbereichen der Stadt-Umland-Räume dann angesiedelt werden, wenn die Ansiedlungsgemeinde mit der Kernstadt intensive funktionale Verflechtungen aufweist, verkehrlich gut mit öffentlichem Nahverkehr erreichbar ist und die Entwicklung der Einzelhandelsfunktion der Kernstadt nicht beeinträchtigt (Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005). Bei Standortentscheidungen für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in Stadt-Umland-Räumen wird nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts gemäß Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 eine weitere Voraussetzung aufgestellt, nämlich die Notwendigkeit eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts auf der Basis interkommunaler Abstimmungen. Diese Regelung versteht das Oberverwaltungsgericht als Ziel der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, das einer Regel-Ausnahme-Struktur folge. Die Ausnahmen von der Regel habe der Plangeber selbst in Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 formuliert.

26

2.2 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die Merkmale einer "verbindlichen Vorgabe" oder einer "landesplanerischen Letztentscheidung" bzw. einer "abschließenden landesplanerischen Abwägung" erfüllen können, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen der Ausnahme mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens Bestimmbarkeit selbst festlegt (Urteile vom 17. September 2003 - BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <40>, vom 18. September 2003 - BVerwG 4 CN 20.02 - BVerwGE 119, 54 <58>, vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 4 C 8.10 - DVBl 2011, 491 Rn. 8 und vom 20. November 2003 - BVerwG 4 CN 6.03 - BVerwGE 119, 217 <222 f.>). Macht der Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch, den Verbindlichkeitsanspruch seiner Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert, wird damit nicht ohne weiteres die abschließende Abwägung auf eine andere Stelle verlagert. Es ist ihm grundsätzlich unbenommen, selbst zu bestimmen, wie weit die Steuerungswirkung reichen soll, mit der von ihm geschaffene Ziele Beachtung beanspruchen.

27

Ausnahmen von einer für die Gemeinden gemäß § 1 Abs. 4 BauGB verbindlichen raumordnerischen Zielfestlegung dürfen zusätzlich von der Durchführung eines Verfahrens abhängig gemacht werden, wenn die Voraussetzungen und Bindungen eines solchen Verfahrens hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar sind. Die Zielqualität einer Planaussage mit Regel-Ausnahme-Struktur setzt nicht voraus, dass der Plangeber die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme greift, ausschließlich durch Vorgabe materiell-rechtlicher Kriterien regelt. Auch landesplanerische Aussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass der Plangeber die Ausnahme von der grundsätzlich geltenden Regel auch von dem Verfahren einer raumordnerischen interkommunalen Abstimmung abhängig macht, können die Merkmale eines Ziels der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erfüllen. Standortentscheidungen für eine nach seinen Zielvorgaben ausnahmsweise zulässige Planung muss der Plangeber nicht selbst treffen. Das Erfordernis der landesplanerischen Letztentscheidung schließt eine Konkretisierung der Ausnahme im Einzelfall (hier: ausnahmsweise zulässige Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte) in einem spezifisch raumordnerischen Verfahren durch die betroffenen Gemeinden nicht aus. Macht der Plangeber eine Ausnahme von der Zielbindung von der Durchführung eines besonderen Verfahrens abhängig, müssen die Anforderungen an das Verfahren aber gewährleisten, dass der nachgeordnete Planungsträger als Adressat der Zielbindung die abschließenden landesplanerischen Abwägungen nicht in Frage stellen kann. Diesen Anforderungen wird Plansatz Nr. 4.3.2 (7) LEP 2005 gerecht.

28

2.3 Nach dem für die revisionsgerichtliche Beurteilung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindenden Begriffsverständnis des Oberverwaltungsgerichts stellt die angegriffene Bauleitplanung eine "Standortentscheidung" i.S.d. Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 dar, weil der Begriff jede Entscheidung über eine großflächige Einzelhandelseinrichtung, sei es eine Ansiedlung (Neuansiedlung oder Erweiterung) oder Umnutzung, umfasst. Ob der Begriff - wie die Revisionsführer geltend machen - einer anderen Auslegung zugänglich wäre, ist keine Frage der bundesrechtlichen Bestimmtheit der Zielfestlegung. Mit dem vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Inhalt ist der Begriff hinreichend klar bestimmt. Ebenfalls bestimmt ist auch der Begriff "großflächige Einzelhandelseinrichtungen" in Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005, der nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts ein Synonym für den in Nr. 4.3.2 (1) Satz 1 LEP 2005 und Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 verwendeten Begriff "Einzelhandelsgroßprojekte" ist, der über die Verweisung auf § 11 Abs. 3 BauNVO in Nr. 4.3.2 (1) Satz 1 LEP 2005 näher bestimmt wird. Dass die Antragsgegnerin zum Stadt-Umland-Raum der Beigeladenen zu 2 gehört, wird vom Oberverwaltungsgericht nicht thematisiert, ergibt sich aber aus den in Abbildung 5 zu Nr. 3.1.2 LEP 2005 genannten Kriterien und die dann anknüpfende Aufzählung der Gemeinden in Anhang Teil 1 Abbildung 22 zu Nr. 3.1.2 LEP 2005.

29

Der Plangeber hat zwar nicht ausdrücklich bestimmt, welches Verfahren für die Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts i.S.d. Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 zu beachten ist. Auf der Grundlage der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts zum Begriff "interkommunale Abstimmungen - (regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept)" lassen sich jedoch die Anforderungen an das Verfahren im Hinblick auf Ablauf und Organisation des Verfahrens sowie den Kreis der zu beteiligenden Gemeinden hinreichend klar bestimmen.

30

Wer an dem Verfahren zu beteiligen ist, ergibt sich aus dem Merkmal "regional". Wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat, sollen durch das spezifisch raumordnerische Verfahren der interkommunalen Abstimmung die raumbedeutsamen und überörtlichen Auswirkungen einer Standortentscheidung durch die davon betroffenen Kommunen aufgegriffen und bewältigt werden. Der Kreis der zu beteiligenden Gemeinden erschließt sich damit über deren Betroffenheit, sei es als Standortgemeinde, sei es als Gemeinde, die nachteilige Auswirkungen der Planung befürchtet. Der Plangeber knüpft an die Erkenntnis an, dass Einzelhandelsgroßprojekte "Fernwirkungen" haben, die nicht nur städtebaulich, sondern auch raumordnerisch zu nachteiligen Auswirkungen führen können. Die spezifisch raumordnerische "Betroffenheit" spiegelt sich im räumlichen Zuschnitt des regionalen Teilraums, der nicht deckungsgleich sein muss mit den in Nr. 3.1.2 (2) LEP 2005 festgelegten Stadt-Umland-Räumen, sondern - wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - auch darüber hinausgehen kann. Ähnlich wie bei der Bestimmung, wer benachbarte Gemeinde i.S.d. § 2 Abs. 2 BauGB ist (Beschluss vom 22. Dezember 2009 - BVerwG 4 B 25.09 - BRS 74 Nr. 9 S. 71), kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen der Gemeinden, sondern auf die Reichweite der raumordnungsrechtlich nachteiligen Auswirkungen der geplanten Standorte an. Die räumliche "Betroffenheit" bestimmt sich nach den regional bedeutsamen Auswirkungen auf die vom Einzugsbereich des (jeweiligen) Vorhabens erfassten Gemeinden. Das reicht zur Bestimmbarkeit des Teilnehmerkreises aus.

31

Zur Bestimmbarkeit der verfahrensmäßig-formellen Anforderungen an Ablauf und Organisation des Verfahrens genügt es, dass der Plangeber im Landesraumentwicklungsprogramm ein Verfahren der interkommunalen Abstimmung vorsieht. Darauf hebt auch das Oberverwaltungsgericht ab, wenn es ausführt, es liege nahe, für die Erstellung des regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts auf das Verfahren in Nr. 3.1.2 (6) LEP 2005 zurückzugreifen. Plansatz Nr. 3.1.2 LEP 2005 enthält Regelungen zum Verfahren der interkommunalen Abstimmung, die sich auf Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 übertragen lassen. Gründe, die dagegen sprechen könnten, die verfahrensrechtlichen Regelungen des Nr. 3.1.2 LEP 2005 auf die Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts zu übertragen, sind nicht zu erkennen. Da Organisation und Moderation des Verfahrens gemäß Nr. 3.1.2 (6) Satz 1 LEP 2005 von der zuständigen unteren Landesplanungsbehörde übernommen werden, ist auch gewährleistet, dass das Verfahren den spezifisch raumordnerischen Anforderungen gerecht wird. Durch Einbeziehung aller "betroffenen" Gemeinden wird zugleich verhindert, dass das Ergebnis der Abstimmung, das eine Einigung voraussetzt, auf Durchsetzung einseitiger Interessen beruht. Dass der Plangeber - wie die Revisionsführer in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben - darauf verzichtet hat, im Einzelnen Regelungen nach Art einer Geschäftsordnung aufzustellen, etwa zur Einleitung des Verfahrens oder zu den formellen Abstimmungsmodalitäten der Entscheidungsfindung, ist unschädlich. Die Befürchtung der Antragsgegnerin, sie sei nicht in der Lage, das Verfahren zur Erstellung eines regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts zu initiieren, so dass ihr der Weg über eine Ausnahme verwehrt sei, ist unbegründet, weil nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts eine interkommunale Abstimmung nach Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 auch "anderweitig", nämlich durch die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens herbeigeführt werden kann. Damit ist gewährleistet, dass eine gemeindliche Planung jedenfalls nicht daran scheitern kann, dass - aus welchen Gründen auch immer - (noch) kein regionales Einzelhandelsentwicklungskonzept vorliegt.

32

Materiell-rechtlich muss jede Ausnahme vom Konzentrationsgebot zudem die in Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 genannten Voraussetzungen - die räumlichen Aspekte der funktionalen Verflechtung und die gute Erreichbarkeit mit öffentlichem Personennahverkehr sowie das Beeinträchtigungsverbot - beachten. Das ergibt sich daraus, dass Nr. 4.3.2 (7) Satz 2 LEP 2005 nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts lediglich eine weitere, nämlich verfahrensrechtliche Voraussetzung aufstellt, die zu den Voraussetzungen nach Nr. 4.3.2 (7) Satz 1 LEP 2005 hinzutritt. Damit wird das Verfahren der interkommunalen Abstimmung zugleich inhaltlich gebunden. Im Rahmen dieser Vorgaben verbleibt den Beteiligten der interkommunalen Abstimmung bei der Erstellung des regionalen Einzelhandelsentwicklungskonzepts zwar ein gewisser planerischer Spielraum, der jeder Standortplanung eignet. Das Verfahren eröffnet aber den Gemeinden keinen eigenen Abwägungsspielraum der die abschließenden landesplanerischen Abwägungen in Frage stellt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG auf 60 000,00 € festgesetzt.

G r ü n d e :

Gemäß § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers, hier des Antragstellers, für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Sie kann nicht losgelöst von der Bedeutung der Sache bestimmt werden, die für den Regelfall im Streitwertkatalog konkretisiert wird (vgl. auch Beschluss vom 26. Januar 2010 - BVerwG 4 B 43.09 - juris Rn. 16). Für eine Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan werden im Streitwertkatalog nach Nr. 9.8.2 für die Nachbargemeinde 60 000 € und nach Nr. 9.8.1 für die Privatperson 7 500 bis 60 000 € als Streitwert angesetzt. An diesem Wert hat sich auch die Bestimmung des Streitwerts nach der Bedeutung der Sache für den Antragsteller zu orientieren.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte hinsichtlich Teilflächen eines Grundstücks, das zu einem ehemaligen Güterbahnhof gehört. 1999 beschloss die Beklagte mit der Begründung, dass die im Rahmen der Umnutzung frei werdenden Bahnflächen von städtebaulicher und stadtentwicklungspolitischer Bedeutung seien, die Aufstellung eines Bebauungsplans, der u.a. die Freihaltung eines Korridors für ein Sondergebiet "Logistik-Zentrum" und ein Sondergebiet "Containerbahnhof" vorsieht, um den ehemaligen Güterbahnhof als Verknüpfungspunkt zwischen Straße und Schiene langfristig zu sichern (UA S. 15 f.). 2001 beschloss die Beklagte die hier streitige Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Das Bahngelände ist bislang nicht von der zuständigen Fachplanungsbehörde freigestellt worden. Die Klägerin zu 1 hat sich in dem den Vorkaufsfall auslösenden Kaufvertrag gegenüber der Klägerin zu 2 aber verpflichtet, einen Antrag auf "Entwidmung" zu stellen. Das Berufungsgericht hat die Vorkaufssatzung und die hierauf gestützte Ausübung des Vorkaufsrechts für rechtmäßig erachtet und die hiergegen gerichteten Klagen der Klägerinnen abgewiesen.

2

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerinnen bleibt ohne Erfolg.

3

Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.

4

1. Die zum Verhältnis der eisenbahnrechtlichen Fachplanung zur kommunalen Bauleitplanung aufgeworfenen Fragen (Beschwerdebegründung S. 7 - 15) zielen - wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird - auf Klärung der Frage, "ob eine Gemeinde auch befugt ist, die Sicherungsmittel (der Bauleitplanung) zur Absicherung einer Fachplanung paradoxerweise auch dann einzusetzen, wenn die zuständige Fachplanungsbehörde eine Fläche von der fachplanungsrechtlichen Zweckbindung freistellt, ... während die Gemeinde die Fläche nichtsdestotrotz weiterhin ... auf unbestimmte Zeit für den fachplanerischen Zweck reservieren möchte" (Beschwerdebegründung S. 13). Mit dieser Prämisse dürfte die Fragestellung nicht den Feststellungen des Berufungsgerichts entsprechen.

5

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die gemäß § 23 AEG zuständige Fachplanungsbehörde, das Eisenbahnbundesamt, die Flächen bislang nicht von der fachplanungsrechtlichen Zweckbindung freigestellt. Planerische Festsetzungen, die der bestehenden Zweckbestimmung einer Fläche als Bahnanlage nicht zuwiderlaufen, sind zulässig (Urteil vom 16. Dezember 1988 - BVerwG 4 C 48.86 - BVerwGE 81, 111, 116). Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, dienen die mit der Vorkaufssatzung gesicherten Planungsabsichten der Beklagten gerade Bahnzwecken. Das sieht auch die Beschwerde. Geklärt wissen will sie letztlich nur die Frage, ob eine Gemeinde vorausschauend für den Fall der fachplanerischen Freistellung Mittel der Bauleitplanung einsetzen darf, um sicherzustellen, dass die Flächen auch nach der Freistellung von der fachplanerischen Bindung weiterhin nur im Rahmen eben dieser fachplanerischen Zweckbindung genutzt werden dürfen, die die zuständige Fachplanungsbehörde gerade beseitigt habe (Beschwerdebegründung S. 10). Die Beschwerde meint, die Gemeinde setze hier ihre Einschätzung des fachplanerischen Flächenbedarfs an die Stelle der Einschätzung der für die Freistellung nach § 23 AEG zuständigen Fachplanungsbehörde (Beschwerdebegründung S. 13). Mit dieser Zielrichtung knüpft die Beschwerde an die Annahme des Berufungsgerichts an, dass sich die Beklagte in einer gewissen planerischen "Zwickmühle" befinde und nur eine Freihalteplanung betreiben könne. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts, das meint, die Beklagte müsse es befürworten, dass die Deutsche Bahn AG die Flächen freigebe, damit ein anderes Eisenbahnunternehmen überhaupt ergänzend aktiv werden könne, und das von einer Aufhebung der bahnrechtlichen "Widmung" ausgeht, die sich nur auf die bundesbahnrechtliche Freistellung beziehe (UA S. 17), mit § 23 AEG in Einklang steht, kann dabei dahingestellt bleiben. Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um die Frage nach der Zulässigkeit einer kommunalen "Freihalteplanung" die - nach Freistellung gemäß § 23 AEG - auf Ergänzung durch eine (erneute) eisenbahnrechtliche Planung angelegt ist, zu beantworten. Die Frage lässt sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres mit dem Berufungsgericht bejahen.

6

Das Fachplanungsprivileg i.S.d. § 38 BauGB hindert die Gemeinde nicht daran, gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB eine gemeindliche "Verkehrspolitik" zu betreiben, die auf eine Verknüpfung der Transporte auf der Straße und der Schiene zielt. In der Rechtsprechung des Senats ist - für den Bereich der Straßenplanung - geklärt, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der Selbstverwaltung das Festsetzungsinstrumentarium des § 9 BauGB für eine eigene "Verkehrspolitik" zu nutzen (Urteile vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248, 251; vom 7. Juni 2001 - BVerwG 4 CN 1.01 - BVerwGE 114, 301, 306; Beschluss vom 22. April 1997 - BVerwG 4 BN 1.97 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 91; vgl. auch VGH Kassel, Urteil vom 15. Dezember 2003 - 9 N 639.02 - juris Rn. 58). Besteht ein städtebauliches Erfordernis für die Aufstellung eines Bebauungsplans, sind die Gemeinden nicht gehindert, durch geeignete Festsetzungen einer künftigen Fachplanung Raum zu verschaffen. Planerische Vorstellungen, die an vorhandene städtische - straßenseitige - Verkehrsinfrastruktur anknüpfen und darauf zielen, in künftiger Zusammenarbeit mit einem Eisenbahnunternehmen einen zentralen Verkehrsknotenpunkt für Straße und Schiene zu entwickeln, sind Ausdruck kommunaler "Verkehrspolitik" (vgl. auch Urteil vom 8. März 2006 - BVerwG 9 A 29.05 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 14 - juris Rn. 18). Eine bauleitplanerische Freihaltung bestimmter Flächen von baulicher Nutzung für künftige verkehrliche Zwecke stellt keine dem Fachplanungsvorbehalt unterfallende Planung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn gemäß § 18 AEG dar. Denn die Gemeinde setzt mit der Freihaltung nicht mit konstitutiver Wirkung eine Fläche als Bahnanlage fest. Soweit es um die mit der Freihaltung bezweckte künftige schienenseitige Nutzung zu Bahnbetriebszwecken geht, bleibt es bei dem Fachplanungsvorbehalt: Es obliegt allein dem Eisenbahnbundesamt als der zuständigen Fachplanungsbehörde über die Zulässigkeit einer Nutzung der Flächen zu Bahnbetriebszwecken zu entscheiden. Auch wenn das Eisenbahnbundesamt nach Durchführung des Verfahrens gemäß § 23 Abs. 2 AEG die Freistellung erklärt, etwa weil es sich durch die landesplanerischen Vorgaben nicht gebunden fühlt (vgl. dazu aber Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 195), folgt daraus nicht, dass eine Nutzung der Flächen zu Bahnbetriebszwecken zu einem späteren Zeitpunkt unzulässig wäre. Denn die Klägerin zu 1 hat - wie auch das Berufungsgericht angemerkt hat (UA S. 15) - keine Monopolstellung (mehr). Wenn sich ein anderes Eisenbahnunternehmen findet, ist allein nach eisenbahnrechtlichen Vorschriften über eine "Wiederaufnahme" der Bahnnutzung zu entscheiden. Der in § 38 BauGB normierte Fachplanungsvorbehalt setzt eine positive fachplanerische Entscheidung voraus. Die für eine Freistellung gemäß § 23 Abs. 1 AEG notwendige Feststellung, dass kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist, schließt einen Antrag nach § 18 AEG zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus. Die gemeindliche Planung greift der fachplanerischen Einschätzung damit nicht vor, sondern schafft lediglich durch die mit den (Sicherungs-)Mitteln der Bauleitplanung bewirkte Freihaltung der aus ihrer Sicht städtebaulich geeigneten Flächen die Voraussetzungen dafür, dass ein künftiger Vorhabenträger die gebotene eisenbahnrechtliche Prüfung durchführen lassen kann (vgl. auch Urteil vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - BVerwGE 72, 172 <173> - juris Rn. 29). Davon zu unterscheiden ist die von der Beschwerde ebenfalls mit Grundsatzrügen aufgegriffene Frage (siehe dazu unter 3.), ob die gemeindliche Planung unter dem Gesichtspunkt der Realisierbarkeit den Grundsätzen der Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB genügt.

7

2. Die Frage zum Verhältnis fachplanerischer zu allgemein bauplanerischer Flächensicherung (Beschwerdebegründung S. 15 - 17) ist nicht entscheidungserheblich, weil es nicht um eine Sicherung im Zusammenhang mit einem förmlich eingeleiteten eisenbahnrechtlichen Verfahren geht. Wie sich der Beschwerdebegründung entnehmen lässt, zielt auch diese Frage auf die Zulässigkeit einer kommunalen Freihalteplanung, die auf Ergänzung durch eine künftige fachplanerische Entscheidung angelegt ist. Dazu kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.

8

3. Die Grundsatzrügen, mit denen die Beschwerde geklärt wissen will, welche Anforderungen an die Realisierbarkeit der Planung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu stellen sind (Beschwerdebegründung S. 18 - 22), rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Auch diese Fragen lassen sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres beantworten.

9

§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB bietet der Gemeinde schon in einem Stadium, das der Verfestigung der Planung weit vorausgeht, die Gelegenheit, Grundstücke zu erwerben. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, durch eine an städtebaulichen Interessen orientierte Bodenvorratspolitik die Sicherung einer langfristig geordneten Planung und Entwicklung zu ermöglichen. Es genügt, dass die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht. Dieser Begriff ist weit zu verstehen. Darunter fallen alle Maßnahmen, die der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen, vorausgesetzt, sie weisen einen städtebaulichen Bezug auf. Zu solchen Maßnahmen gehört auch die Aufstellung eines Bebauungsplans. Voraussetzung für den Erlass einer Satzung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB sind förmlich konkretisierte Planungsabsichten aber nicht (Beschluss vom 14. April 1994 - BVerwG 4 B 70.94 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 2 - juris Rn. 5; Beschluss vom 8. September 2009 - BVerwG 4 BN 38.09 - BauR 2010, 81).

10

Die Vorverlegung der Zugriffsmöglichkeit mit dem Sicherungsmittel des Vorkaufsrechts lässt sich indes nur in den Fällen rechtfertigen, in denen sie sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt aus städtebaulichen Gründen als notwendig erweist. Das setzt voraus, dass die Vorkaufssatzung objektiv geeignet ist, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB beizutragen (Beschluss vom 15. Februar 2000 - BVerwG 4 B 10.00 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 4 - juris Rn. 11). Daran fehlt es, wenn absehbar ist, dass die - im vorliegenden Fall mit dem Aufstellungsbeschluss aus dem Jahr 1999 konkretisierte - gemeindliche Planung, zu deren Sicherung die Vorkaufssatzung erlassen wurde, an § 1 Abs. 3 BauGB oder an anderen unüberwindbaren Planungshindernissen scheitern wird. Ob sich eine künftige Bauleitplanung als nicht vollzugsfähig erweist, erfordert eine vorausschauende Betrachtung. Bei dieser Prognose geht es um den Zeitraum, in dem die Unsicherheiten einer Plandurchführung längstens als zumutbar erscheinen und von den Planbetroffenen hinzunehmen sind. Der zugrunde zu legende Zeithorizont muss im Hinblick auf die in dem Bebauungsplan vorgesehenen Festsetzungen realistisch sein. Welcher Zeitraum für die Realisierbarkeit der als Angebot konzipierten Planung als nicht mehr i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB hinnehmbar angesehen werden kann, hängt von den planerischen Vorstellungen und der jeweiligen Planungssituation ab. Für den Fall eines planfeststellungsersetzenden Bebauungsplans hat der Senat entschieden, dass ein Planungshindernis gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorliegt, wenn sich absehen lässt, dass die Verwirklichung des Vorhabens innerhalb eines Zeitraums von etwa zehn Jahren nach In-Kraft-Treten des Plans ausgeschlossen sein wird (Urteil vom 18. März 2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239 <241>; Beschluss vom 14. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 21.07 - juris Rn. 4). Das sieht auch die Beschwerde.

11

Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um festzustellen, dass sich die zur zeitlichen Realisierbarkeit entwickelten Grundsätze (1. Unterfrage) auf den Fall einer Freihalteplanung der vorliegenden Art übertragen lassen. Unabhängig davon, inwieweit der Fall der planfeststellungsersetzenden Straßenplanung mit einer Freihalteplanung vergleichbar ist, die auf Ergänzung durch eine eisenbahnrechtliche Fachplanung angewiesen ist, lässt sich aus der Rechtsprechung des Senats jedenfalls ableiten, dass die fachplanerischen Fristen einen brauchbaren Anknüpfungspunkt für die bauleitplanerische Erforderlichkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bilden und auch im Fall einer Freihalteplanung jedenfalls kein kürzerer Zeitraum als der fachplanerisch normierte Zeitraum im Hinblick auf die Rechtswirkungen der Planfeststellung und -genehmigung gemäß § 18c Nr. 1 AEG gelten kann. Der Unterschied zwischen der Bebauungsplanung als Angebotsplanung und der Planfeststellung als Objektplanung schlägt auch hier nicht zu Buche.

12

Ebenso lässt sich die weitere Unterfrage, ab welchem Zeitpunkt die Frist zu laufen beginnt (2. Unterfrage), die der Beurteilung zugrunde zu legen ist, ob die Planung auch verwirklicht werden wird, ohne Weiteres im Sinne des Berufungsgerichts beantworten. Ein Planungshindernis i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB liegt vor, wenn der Umsetzung der Planung unüberwindliche tatsächliche oder rechtliche Hindernisse auf unabsehbare Zeit entgegen stehen. Ob solche Hindernisse bestehen, hat der Plangeber beim Satzungsbeschluss (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) mit Blick auf den gewollten Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bebauungsplans zu beurteilen. Denn § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB soll verhindern, dass ein Norminhalt in Kraft tritt, der bereits im Zeitpunkt der Bekanntmachung funktionslos ist, weil die Festsetzungen auf Dauer nicht realisiert werden können. Würde - wie es der Beschwerde vorzuschweben scheint - bei der Prüfung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB auf den Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses oder des Beschlusses über die Vorkaufssatzung abgestellt, würde faktisch ein Planungszwang begründet und die Wirkung einer Vorkaufssatzung zeitlich begrenzt, obwohl der Erlass einer solchen Satzung keine förmliche Planung voraussetzt. Die Vorkaufssatzung als Mittel der Bodenvorratspolitik unterliegt jedoch - anders als das Sicherungsmittel der Veränderungssperre - keiner zeitlichen Grenze. Schutzlos ist der betroffene Grundeigentümer nicht gestellt, wie § 28 Abs. 3 Satz 7 BauGB zeigt, der einen Nachzahlungsanspruch des Verkäufers begründet, wenn die Gemeinde das Grundstück nicht innerhalb einer angemessenen Frist dem mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgten Zweck zuführt.

13

Mit der dritten Unterfrage greift die Beschwerde lediglich ihre bereits unter 1. behandelten Einwände erneut auf. Soweit die Beschwerde geltend macht, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts habe zur Konsequenz, dass das Sicherungsmittel der Vorkaufssatzung für unbegrenzte Zeit genutzt werden könne, ohne dass jemals die Realisierung der angestrebten zu sichernden Planung überprüft werden müsse, nämlich wenn eine Planfeststellung unterbleibe (Beschwerdebegründung S. 20), berücksichtigt sie nicht, dass sich die Frage, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen mit der Realisierung einer planerischen Festsetzung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist, nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt (Beschluss vom 14. Juni 2007 - BVerwG 4 BN 21.07 - juris Rn. 5). Auf diese Umstände stellt das Berufungsgericht ab mit der Feststellung, es spreche vieles dafür, dass sich in dem Prognosezeitraum die Rahmenbedingungen für den Güterverkehr auf der Straße verschlechtern und demgemäß die Attraktivität des Schienenverkehrs steigen werde und es danach auf der Hand liege und nicht als planerischer Missgriff bezeichnet werden könne, dass die Beklagte eine Verknüpfung beider Verkehre, die landesplanerisch bei ihr vorgesehen ist, dort planen dürfe, wo für eine entsprechende Infrastruktur noch Raum sei (UA S. 19). Damit bejaht das Berufungsgericht die Erforderlichkeit der Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und bringt zum Ausdruck, dass sich das Planungsziel - auch soweit es um die fachplanungsrechtlichen Voraussetzungen geht - verwirklichen lasse. Dass die Beschwerde diese Einschätzung nicht teilt, führt nicht auf den behaupteten Klärungsbedarf.

14

4. Mit den Fragen zu den Gemeinwohlanforderungen an die Ausübung eines Vorkaufsrecht (Beschwerdebegründung S. 22 - 25) will die Beschwerde das "Verhältnis zwischen gemeindlicher und fachbehördlicher Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer (Wieder-)Aufnahme der fachplanerischen privilegierten und grundsätzlich dem Allgemeinwohl dienenden Nutzung" geklärt wissen (Beschwerdebegründung S. 25). Ein Klärungsbedarf wird damit nicht aufgezeigt.

15

Wie die Beschwerde selbst erkennt, kann auch eine Freihalteplanung grundsätzlich dem Allgemeinwohl dienen. Mit der Frage, "ob die Gemeinde trotz der abweichenden Einschätzung der Fachplanungsbehörde eine Bodennutzung für absehbar möglich erachten und so verfahren darf" (Beschwerdebegründung S. 24), wiederholt sie nur ihren Einwand, dass sich das Planungsziel nicht verwirklichen lasse. Dazu kann auf die Ausführungen unter 3. verwiesen werden. Der Sache nach beschränkt sich die Rüge auf schlichte Kritik an der die konkreten Umstände des Einzelfalls würdigenden Auffassung des Berufungsgerichts, das unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden zu der Einschätzung gelangt ist, dass eine erfolgreiche Reaktivierung der schienenseitigen Nutzung gelingen könne (UA S. 21).

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat macht von seiner Befugnis Gebrauch, den vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Die Erwägung des Berufungsgerichts, der Streitwert sei gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf den Auffangwert festzusetzen, weil die Beklagte als Berufungsführerin nur öffentliche Interessen vertrete, ist unrichtig. Sie lässt sich insbesondere nicht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG stützen, wonach sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt. Der Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich das Interesse des Rechtsmittelklägers von dem der übrigen Beteiligten, insbesondere dem Interesse eines Beigeladenen, unterscheiden kann; für diesen Fall bestimmt § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG, dass der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens durch den Streitwert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges beschränkt wird. Im Regelfall, insbesondere wenn der Beklagte das Rechtsmittel führt, ist aber der Streitwert des ersten Rechtszuges mit dem des Rechtsmittelzuges identisch, soweit der Streitgegenstand unverändert geblieben ist (Beschluss vom 9. November 1988 - BVerwG 4 B 185.88 - NVwZ-RR 1989, 280). Das ist hier der Fall. Der Senat folgt den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, dass die Bedeutung der Sache sich nicht in direkter Anwendung des Streitwertkatalogs (Nr. 9.6.1 für die Klägerin zu 2 als Käuferin und Nr. 9.6.2 für die Klägerin zu 1 als Verkäuferin) auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises in Höhe von 65 124,66 € (einschließlich 16 % Mehrwertsteuer) bestimmen lässt, sondern dass es einer Schätzung des annähernd reellen Kaufpreises bedarf und zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen nicht zu differenzieren ist. Wie im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2007 ausgeführt, erscheint ein Streitwert in Höhe von 375 000 € je Klägerin der Bedeutung der Sache angemessen.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder geändert und tritt dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks ein, kann der Eigentümer nach Maßgabe der folgenden Absätze eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

(2) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks innerhalb einer Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert, bemisst sich die Entschädigung nach dem Unterschied zwischen dem Wert des Grundstücks auf Grund der zulässigen Nutzung und seinem Wert, der sich infolge der Aufhebung oder Änderung ergibt.

(3) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist aufgehoben oder geändert, kann der Eigentümer nur eine Entschädigung für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung verlangen, insbesondere wenn infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder die sonstigen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks, die sich aus der verwirklichten Nutzung ergeben, unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden. Die Höhe der Entschädigung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Grundstückswerts bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Wert des Grundstücks auf Grund der ausgeübten Nutzung und seinem Wert, der sich infolge der in Satz 1 bezeichneten Beschränkungen ergibt.

(4) Entschädigungen für Eingriffe in ausgeübte Nutzungen bleiben unberührt.

(5) Abweichend von Absatz 3 bemisst sich die Entschädigung nach Absatz 2, wenn der Eigentümer an der Verwirklichung eines der zulässigen Nutzung entsprechenden Vorhabens vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist durch eine Veränderungssperre oder eine befristete Zurückstellung seines Vorhabens gehindert worden ist und er das Vorhaben infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung des Grundstücks nicht mehr verwirklichen kann.

(6) Ist vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist eine Baugenehmigung oder über die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ein Vorbescheid nach Bauaufsichtsrecht erteilt worden und kann der Eigentümer das Vorhaben infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung des Grundstücks nach Ablauf der Frist nicht mehr verwirklichen oder ist die Verwirklichung dadurch für ihn wirtschaftlich unzumutbar geworden, kann der Eigentümer in Höhe des Unterschieds zwischen dem Wert des Grundstücks unter Zugrundelegung der nach der Genehmigung vorgesehenen Nutzung und dem Wert des Grundstücks, der sich infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung ergibt, Entschädigung verlangen.

(7) Ist vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids nach Bauaufsichtsrecht, der die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zum Gegenstand hat, rechtswidrig abgelehnt worden und kann nach dem Ergebnis eines Rechtsmittelverfahrens die Genehmigung oder der Vorbescheid mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden, weil die im Zeitpunkt der Antragstellung zulässige Nutzung aufgehoben oder geändert worden ist, bemisst sich die Entschädigung nach Absatz 6. Entsprechend findet Absatz 6 auch Anwendung, wenn über einen den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden und zu genehmigenden Bauantrag oder einen Vorbescheid nach Bauaufsichtsrecht, der die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zum Gegenstand hat, innerhalb der in Absatz 2 bezeichneten Frist nicht entschieden wurde, obwohl der Antrag so rechtzeitig gestellt wurde, dass eine Genehmigung innerhalb der Frist hätte erteilt werden können.

(8) In den Fällen der Absätze 5 bis 7 besteht der Anspruch auf Entschädigung nicht, wenn der Eigentümer nicht bereit oder nicht in der Lage war, das beabsichtigte Vorhaben zu verwirklichen. Der Eigentümer hat die Tatsachen darzulegen, die seine Bereitschaft und Möglichkeiten, das Vorhaben zu verwirklichen, aufzeigen.

(9) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben, besteht auch der Übernahmeanspruch nach § 40 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1.

(10) Die Gemeinde hat dem Eigentümer auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob ein sich aus Absatz 2 ergebender vermögensrechtlicher Schutz der zulässigen Nutzung für sein Grundstück besteht und wann dieser durch Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist endet.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.

(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.

(3)

1.
Einkaufszentren,
2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,
3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nummer 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1 200 m2überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass

1.
Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen;
2.
erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.

(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden.

(1) Die Veränderungssperre tritt nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft. Auf die Zweijahresfrist ist der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Absatz 1 abgelaufene Zeitraum anzurechnen. Die Gemeinde kann die Frist um ein Jahr verlängern.

(2) Wenn besondere Umstände es erfordern, kann die Gemeinde die Frist bis zu einem weiteren Jahr nochmals verlängern.

(3) Die Gemeinde kann eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen.

(4) Die Veränderungssperre ist vor Fristablauf ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen, sobald die Voraussetzungen für ihren Erlass weggefallen sind.

(5) Die Veränderungssperre tritt in jedem Fall außer Kraft, sobald und soweit die Bauleitplanung rechtsverbindlich abgeschlossen ist.

(6) Mit der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets oder des städtebaulichen Entwicklungsbereichs tritt eine bestehende Veränderungssperre nach § 14 außer Kraft. Dies gilt nicht, wenn in der Sanierungssatzung die Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 ausgeschlossen ist.

(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass

1.
Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen;
2.
erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.

(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.