Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.250 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 13. August 2018 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30. April 2018, mit der der Abriss und Neubau einer Wohnanlage mit sechs Wohneinheiten und Tiefgarage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... in Neustadt/Wstr., F-Straße ..., genehmigt wurde, anzuordnen, ist nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 212a Baugesetzbuch – BauGB – statthaft und auch ansonsten zulässig. Er ist jedoch in der Sache unbegründet.
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Für die nach § 80a Abs. 3 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind die gegenläufigen Interessen der Antragsteller und des Beigeladenen für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit nachbarschützenden Vorschriften bestehen. Denn der Rechtsbehelf des Nachbarn ist nicht schon dann erfolgreich, wenn der angefochtene Verwaltungsakt gegen objektives Recht verstößt, sondern nur dann, wenn der Nachbar dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 – 4 B 167.96 –, NVwZ-RR 1998, 457; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand August 2018, § 34 Rn. 140 ff.; Spannowsky in: BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, Stand November 2018, § 34 Rn. 42). Demgegenüber ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, wenn die Baugenehmigung offensichtlich nicht gegen nachbarschützende Normen verstößt. Lässt sich auch nach intensiver Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf des Nachbarn wahrscheinlich zum Erfolg führen wird, sind die Erfolgsaussichten also offen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der der Einzelfallbezug gewahrt bleiben muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 – 4 VR 1005/04 –, NVwZ 2005, 689).
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In Anwendung dieser Grundsätze muss hier die Interessenabwägung zu Gunsten des Beigeladenen ausfallen. Denn die dem Beigeladenen am 30. April 2018 erteilte Baugenehmigung verstößt aller Voraussicht nach nicht gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
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Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind die §§ 70 Abs. 1, 66 Landesbauordnung – LBauO –. Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen für das Vorhaben vorliegen, d.h. hier die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens.
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Diese richtet sich nach § 34 BauGB, da das Grundstück des Beigeladenen im unbeplanten Innenbereich von Neustadt/Wstr. liegt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Wie weit der Bereich der für eine Beurteilung maßgeblichen näheren Umgebung zu ziehen ist, richtet sich jeweils nach dem Einwirkungsbereich des Vorhabens auf seine Umgebung (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 1 A 11806/16.OVG – und Beschluss vom 09. November 2018 – 8 A 10751/18.OVG –). Er reicht weiter als die unmittelbare Nachbarschaft, umfasst aber weniger als den im Zusammenhang bebauten Ortsteil, von dem die nähere Umgebung in der Regel ein Teil ist (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460).
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1. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang monieren, das Bauvorhaben des Beigeladenen füge sich nicht in die nähere Umgebung ein, da es im Verhältnis zu den Nachbargrundstücken überdimensioniert sei, können sie damit nicht durchdringen. Es bedarf vorliegend keiner näheren Prüfung, wie weit hier die maßgebliche nähere Umgebung reicht und ob sich das Vorhaben des Beigeladenen in diese nähere Umgebung einfügt. Denn im vorliegenden Verfahren geht es, wie ausgeführt, ausschließlich um die Vereinbarkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen mit nachbarschützenden Vorschriften.
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2. Die Antragsteller können sich auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Gebietserhaltungsanspruch berufen.
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Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festsetzten (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder in einem „faktischen“ Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) das Recht, sich gegen Vorhaben zur Wehr zu setzen, die hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässig sind (s. ausführlich BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28/91 –, NJW 1994, 1546; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Juni 2018 – 1 A 11806/16.OVG –). Durch die (faktische) Festsetzung über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch und zwar auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer für ihn tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Abwehranspruch wird daher grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst.
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Es ist vorliegend unstrittig, dass die in den Blick zu nehmende Umgebungsbebauung des Bauvorhabens als faktisches reines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Baunutzungsverordnung – BauNVO – zu qualifizieren ist.
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Das Bauvorhaben des Beigeladenen hat eine Wohnanlage mit sechs Wohneinheiten und einer Tiefgarage zum Gegenstand und ist damit als „Wohngebäude“ gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Wohngebäude sind bauliche Anlagen, die zum dauernden Wohnen geeignet und bestimmt sind (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 3 BauNVO Rn. 34). Der Begriff des Wohngebäudes umfasst alle Formen des dauernden Wohnens vom Einfamilienhaus im Bungalowstil bis zum vielgeschossigen Mietshaus mit den entsprechenden Wohnungen und Appartements. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gebietserhaltungsanspruch kann nur vorliegen, wenn ein mit der Gebietsart unvereinbares Bauvorhaben zugelassen würde. Dies ist hier gerade nicht der Fall.
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3. Ferner können die Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, durch die Errichtung der Wohnanlage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... würden sie in ihrem Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets verletzt.
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3.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 13. Mai 2002 – 4 B 86/01 –, NVwZ 2002, 1384; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –) vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht nur das Gebot der Rücksichtnahme, sondern auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets. Nach der zuletzt genannten Bestimmung sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Der Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets, der in der Literatur auch besonderer Gebietserhaltungsanspruch (s. Stühler, BauR 2011, 1576 und Möller/Knickmeier, NordÖR 2010, 138) oder Gebietsprägungserhaltungsanspruch (Decker, JA 2007, 55) genannt wird, greift dann ein, wenn ein Bauvorhaben bauplanungsrechtlich in dem entsprechenden Baugebiet entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig, also mit der Gebietsart vereinbar wäre, es aber gleichwohl generell gebietsunverträglich ist, weil es der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht (Bay. VGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 2 ZB 11.2653 –, juris). § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO geht daher davon aus, dass im Einzelfall – ausnahmsweise – „Quantität in Qualität umschlagen“ kann, mithin die Größe oder Lage einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 – 4 C 3.94 –, NVwZ 1995, 899; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –). Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist ein „Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets“ nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Den Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung „im Einklang steht“, genügt dafür nicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG –, juris).
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3.2. Gemessen an diesen Grundsätzen vermag die Kammer vorliegend nicht festzustellen, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen der Eigenart des angenommenen faktischen reinen Wohngebiets in seinem sich aus den örtlichen Verhältnissen ergebenden besonderen Gebietscharakter widerspricht.
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Aus der Zahl der genehmigten Wohneinheiten des Bauvorhabens folgt keine Unvereinbarkeit mit dem Gebietscharakter des faktischen reinen Wohngebiets. Vielmehr erfüllt das Vorhaben mit sechs Wohneinheiten gerade den Zweck des faktischen reinen Wohngebiets, indem es dem Wohnen, einem der zwei Hauptnutzungsarten nach § 3 Abs. 1 BauNVO, dient. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Größe der baulichen Anlagen und die Ausdehnung auf dem Baugrundstück die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen sowie aufgrund der Dimensionierung des Bauvorhabens eine neue Art der baulichen Nutzung in das reine Wohngebiet hineingetragen wird. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die beabsichtigten sechs Wohneinheiten nicht in einem einzigen großen Gebäude geplant sind, sondern in zwei Gebäuden, die durch begrünte Wegeflächen voneinander getrennt und von Grünflächen und Bepflanzung umgeben sind und dadurch den in der Umgebung vorhandenen Bebauungscharakter – wenn auch in „größerer Art und Weise“ – aufnehmen.
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Die beiden Objekte mit den Außenmaßen 26 x 9,37 m und 13 x 9,37 m sind zulässige Einzelhäuser im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Dem steht nicht entgegen, dass sich darin mehrere Eigentumswohnungen befinden (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16. April 2012 – 3 L 156/08 –, juris). Insgesamt hat der Gesamtbaukörper des Bauvorhabens des Beigeladenen eine Grundfläche von 356 m² und damit weniger als etwa der Gesamtbaukörper auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... (F-Straße ... und ...). Das in dem gegebenen faktischen reinen Wohngebiet allgemein zulässige Vorhaben des Beigeladenen wahrt daher noch die Zweckbestimmung des Baugebiets und führt nicht zu einer auffälligen Unverträglichkeit mit dem faktischen reinen Wohngebiet.
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4. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt auch nicht das partiell drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthalten ist (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 – 4 C 34/85 –, BauR 1986, 542). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370).
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4.1. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet regelmäßig aus, wenn alle durch das Gebot geschützten, möglicherweise beeinträchtigten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Regelungen (meist die Vorschriften über Abstandsflächen und Stellplätze) geschützt sind und das Vorhaben deren Anforderungen genügt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – 4 C 3/00 –, NVwZ 2001, 813; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –). Andererseits kann das Rücksichtnahmegebot, das selbständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften steht, im Hinblick auf diese Belange auch dann verletzt sein, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 – 4 B 128/98 –, NVwZ 1999, 879). Daraus folgt aber im Umkehrschluss nicht, dass bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls an.
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4.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.
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4.2.1. Das Bauvorhaben des Beigeladenen hält zu sämtlichen Grundstücken der Antragsteller, die im Übrigen nicht unmittelbare Nachbarn des Beigeladenen sind und somit auch keinen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 LBauO rügen können, die erforderlichen Abstandsflächen nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 LBauO ein.
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4.2.2. Eine Rücksichtslosigkeit kann auch nicht aus der Größe und Ausdehnung des Gebäudes des Beigeladenen hergeleitet werden. Das Rücksichtnahmegebot ist nicht schon dann verletzt, wenn sich das zu beurteilende Vorhaben von der in der maßgeblichen Umgebung vorhandenen Bebauung etwa hinsichtlich der Kubatur, der absoluten Höhe oder der Massivität abhebt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Mai 2002 – 7 B 558/02 –, juris; VG Mainz, Beschluss vom 17. April 2013 – 3 L 191/13.MZ –). Hinzukommen muss vielmehr, dass von dem Vorhaben unzumutbare Auswirkungen auf ein Nachbargrundstück ausgehen oder die von einem den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitenden Vorhaben hervorgerufenen städtebaulichen Spannungen gerade auf solchen Folgen beruhen. Auswirkungen sind unzumutbar, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was der Nachbar billigerweise hinnehmen muss, überschritten wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 1 CS 08.2770 –, juris). Wann dieses Maß überschritten ist, lässt sich nicht verallgemeinern; maßgeblich sind insoweit die konkreten Umstände des Einzelfalles.
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Eine solche das Gebot der Rücksichtnahme verletzende Situation ist mit Blick auf die Grundstücke der Antragsteller nicht festzustellen. Insbesondere geht von dem Bauvorhaben des Beigeladenen keine „erdrückende Wirkung“ auf die Grundstücke der Antragsteller aus. Eine „erdrückende Wirkung“, die dem Nachbarn nicht zumutbar ist, kann nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (s. z. B. Beschlüsse vom 27. April 2015 – 8 B 10304/15.OVG – und vom 12. Januar 2017 – 8 B 11672/16.OVG –: Von einem „Einmauerungseffekt“ auf ein Grundstück kann nur gesprochen werden, wenn ein betroffenes Grundstück an wenigstens zwei Seiten von einem dominanten Bauwerk umfasst wird), der die Kammer folgt, in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden“ Gebäudes derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, das heißt dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder einer Gefängnishofsituation hervorruft. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn dicht neben einem vorhandenen Wohnhaus ein um mehrere Geschosse höheres Gebäude errichtet würde, was hier indessen nicht der Fall ist. Von einer „erdrückenden Wirkung“ kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Antragsteller sämtlich nicht unmittelbare Nachbarn des Grundstücks Flurstück-Nr. ..., auf dem das Bauvorhaben verwirklicht werden soll, sind.
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4.2.3. Das Bauvorhaben des Beigeladenen ist auch nicht deshalb rücksichtslos, weil nach der Behauptung der Antragsteller die verkehrstechnische Belastung der Freiheitsstraße schon jetzt enorm hoch sei und sich durch die weitere Steigerung der Anwohneranzahl die problematische Verkehrslage weiter potenziere.
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An einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in diesem Kontext ist nur dann zu denken, wenn sich die wegemäßige Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2017 – 8 S 2101/17 –, NVwZ-RR 2018, 298; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. September 2016 – 2 B 660/16 –, juris und Urteil vom 15. Mai 2013 – 2 A 3009/11 –, BauR 2013, 1640). Auch kann eine unzureichende Stellplatzzahl eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und Parksuchverkehr betroffenen Grundstücke im Einzelfall – ausnahmsweise – im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2005 – 7 B 1823/05 –, DÖV 2006, 305).
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Bei Anwendung dieses Maßstabs besteht kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben die Antragsteller mit Blick auf die wegemäßige Erschließungssituation in rücksichtsloser Weise beeinträchtigt. Die Freiheitsstraße ist im maßgeblichen Bereich eine gut ausgebaute, ca. 9 m breite Straße mit Gehwegen auf jeder Seite. Probleme mit der Erschließung sind nicht erkennbar. Dass die Straße den durch das Vorhaben veranlassten zusätzlichen Verkehr in irgendeiner Weise „nicht aufnehmen könnte“, ist nicht vorstellbar. Auch der mit dem Vorhaben einhergehende Zu-, Abfahrts- und Wendeverkehr wird keine unzumutbaren Umgebungsbelastungen erzeugen. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um Wohnbebauung. Wegen der generellen Zulässigkeit von Stellplätzen und Garagen selbst in reinen Wohngebieten, § 12 Abs. 2 BauNVO, müssen die Nachbarn die Emissionen, die von der im Zusammenhang mit einer wie hier zulässigen Wohnbebauung stehenden Nutzung von Stellplätzen und Garagen ausgehen, im Regelfall hinnehmen (vgl. VG München, Urteil vom 7. Dezember 2016 – M 9 K 16.3410 –, juris). Darauf, dass der Anliegerverkehr nicht zunimmt, haben die Antragsteller keinen Anspruch.
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Auch kann hier nicht von einer Rücksichtslosigkeit in Hinblick auf eine unzureichende Stellplatzzahl des Bauvorhabens des Beigeladenen ausgegangen werden. Die genehmigten Baupläne sehen insgesamt neun Stellplätze vor, acht davon in einer Tiefgarage. Dies entspricht den Richtzahlen für die Ermittlung des Stellplatzbedarfs in Nr. 1.2. der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 24. Juli 2000 (s. Jeromin, in: Jeromin, a.a.O., § 47 Rn. 105), die für Mehrfamilienhäuser und sonstige Gebäude mit Wohnungen 1 – 1,5 Stellplätze je Wohnung vorsieht.
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4.2.4. Mit dem weiteren Vortrag der Antragsteller, die vielen Brüche in der Abwasserkanalisation der Freiheitsstraße der letzten Jahre deuteten auf eine Überlastung hin, die Kanalisation könne daher kaum weitere Mehrbelastungen vertragen, können sie eine Rücksichtslosigkeit ebenfalls nicht begründen.
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Da, wie ausgeführt, das Rücksichtnahmegebot die Nachbarschaft lediglich vor unzumutbaren Einwirkungen bzw. Verschlechterungen schützt, liegt ein Verstoß bei einer vorhabenbedingten Überlastung einer Abwasserbeseitigungsanlage erst dann vor, wenn die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung für die Nachbargrundstücke für einen erheblichen Zeitraum nicht mehr gesichert ist und sie dadurch nicht mehr zweckentsprechend genutzt werden können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2017 – 8 S 2101/17 –, NVwZ-RR 2018, 298). Es ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich, dass der Kanal, in den das Abwasser eingeleitet werden soll, an die Grenze seiner Kapazität gelangt ist oder diese bereits überschritten hat. Konkrete Umstände, die auf eine Unterdimensionierung des gemeindlichen Abwasserkanals schließen lassen, haben die Antragsteller nicht vorgetragen.
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4.2.5. Schließlich haben die Antragsteller als Nachbarn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt – auch nicht im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme – einen Anspruch darauf, dass sich die Bebauung auf einem Nachbargrundstück nicht ändert. Maßnahmen der (Nach-) Verdichtung sind hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind.
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5. Soweit die Antragsteller darüber hinaus geltend gemacht haben, das Genehmigungsverfahren sei ohne Beteiligung der unmittelbar betroffenen Eigentümer der Nachbargrundstücke durchgeführt worden, können sie damit ebenfalls nicht gehört werden. Gemäß § 68 Abs. 2 LBauO sind Nachbarn am Genehmigungsverfahren nur zu beteiligen, wenn die Bauaufsichtsbehörde beabsichtigt, von Bestimmungen, die auch dem Schutz nachbarlicher Interessen dienen, Abweichungen zuzulassen. Dies war hier indessen nicht der Fall. Ungeachtet dessen führt ein Verstoß gegen § 68 Abs. 2 LBauO nicht zur materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung (vgl. Kerkmann, in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf, 4. Auflage 2016, § 68 Rn. 64).
- 30
6. Bei dem weiteren Einwand der Antragsteller, durch eine fortwährende Bodenversiegelung nehme man mehreren Tiere die Lebensräume, handelt es sich nicht um einen Gesichtspunkt, den die Antragsteller baunachbarrechtlich rügen könnten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.
(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24.04.2008 wird für wirkungslos
erklärt.
Von den Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen, tragen die früheren Kläger Frau A. und Herr A. als Gesamtschuldner die bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen Kosten. Die danach entstandenen Kosten werden der (nunmehrigen) Klägerin auferlegt.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren, den Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die benachbarte Wohnbebauung auf den Grundstücken Gr. St.6 und 7 in A-Stadt zu verpflichten, an denen Wohnungseigentum der Beigeladenen besteht.
- 2
Die ursprünglichen Kläger sind die früheren Eigentümer des nördlich angrenzenden Einfamilienhausgrundstücks A-Straße. Sie haben das Grundstück im Laufe des Verfahrens an die nunmehrige Klägerin verkauft, die seit 2009 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Der Kaufvertrag enthält einen Hinweis auf den hiesigen Rechtsstreit und Regelungen hierzu.
- 3
Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 8 „Am Waldweg“ der Gemeinde A-Stadt und gehören zu einem allgemeinen Wohngebiet, für das u.a. festgesetzt ist, dass bei offener Bauweise nur Einzel- und Doppelhäuser und höchstens zwei Wohnungen je Wohngebäude zulässig sind.
- 4
Durch die Objekte auf den Grundstücken Gr. St.6 und 7 verläuft jeweils mittig eine vertikale Brandschutzmauer; rechts und links hiervon liegen getrennte Eingänge. Je Eingang wurde für Erd- und Obergeschoss jeweils selbständiges Wohnungseigentum gebildet; die erforderlichen wohnungseigentumsrechtlichen Abgeschlossenheitsbescheinigungen wurden erteilt; die entsprechenden Bauzeichnungen befinden sich nicht bei den Akten.
- 5
Den Antrag der ursprünglichen Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 09.12.2002 – 2 B 1101/02 – als unbegründet ab. Auf die Beschwerde verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 09.04.2003 – 3 M 1/03 – (BauR 2003, 1710) den Beklagten zum Erlass einer Baueinstellungsverfügung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Nachdem ein ablehnender Widerspruchsbescheid ergangen war, wurde ein erneuter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz durch die Rohbaufertigstellung überholt.
- 6
Die Klage der ursprünglichen Kläger hat Verwaltungsgericht Schwerin als unbegründet abgewiesen. Die Kläger könnten keine Abwehransprüche geltend machen, weil die Festsetzungen des Bebauungsplanes keine nachbarschützende Wirkung hätten.
- 7
Die Kläger haben mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung ihr Begehren weiter verfolgt. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung hätten die in Rede stehenden Festsetzungen des Bebauungsplanes nachbarschützenden Charakter. Es sei die Art der baulichen Nutzung betroffen, weil die Errichtung „baulicher Großformen“ ausgeschlossen werden solle und die Planbetroffenen auch hinsichtlich der Zahl der Wohnungen zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden seien. Durch eine höhere Zahl von Wohnungen werde eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet.
- 8
Die Beigeladenen haben mitgeteilt, in allen Haushälften befänden sich in Erd- und Obergeschoss jeweils keine gesonderten Wohnungseingangstüren, jeweils nur ein Gasanschluss und ein Hauptanschluss für Strom sowie eine Zentralheizung mit Heizkreis und nur eine Küche, wobei das Einbringen einer weiteren Küche nur nach größeren Baumaßnahmen möglich sei. Der Beklagte hat eine Vor-Ort-Kontrolle in den Objekten Gr. St.6A und 6B durchgeführt und festgestellt, dass es sich jeweils um eine einheitliche Wohnung handele. Eine Küche wurde jeweils nur im Erdgeschoss festgestellt.
- 9
Mit Schriftsatz vom 19.09.2011 hat der Beklagte die Übernahme des Verfahrens durch die neue Klägerin als Eigentümerin beantragt. Der Prozessbevollmächtigte der bisherigen Kläger hat mit Schriftsatz vom 24.10.2011 angezeigt, den Kläger zu 2. nicht mehr zu vertreten, und für die Klägerin zu 1. den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
II.
- 10
1. Nachdem die neue Eigentümerin und der Beklagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2012 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 173 VwGO iVm § 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO für unwirksam zu erklären.
- 11
Die neue Eigentümerin ist nunmehr Klägerin und kann daher als Hauptbeteiligte eine entsprechende Erklärung abgeben. Allerdings hatte der erfolgte Eigentumswechsel gemäß § 173 VwGO iVm § 265 Abs. 2 ZPO auf den Prozess zunächst keinen Einfluss. Der Beklagte konnte aber gemäß § 266 Abs. 1 ZPO die Übernahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolgerin verlangen; von dieser Befugnis hat er Gebrauch gemacht. Die Vorschrift des § 266 Abs. 1 ZPO ist anwendbar auf Rechtsstreitigkeiten über Rechte für oder gegen ein Grundstück einschließlich Nachbarrechten; sie gilt auch im Verwaltungsprozess (zur Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten vgl. OVG NW v. 15.09.1980 – 11 A 2306/78, NJW 1981, 598; VGH Bad.-Württ., B. v. 23.01.1998 – 5 S 2053/97 - , NVwZ 1998, 975; zu dieser Konstellation vgl. a. BVerwG, B. v. 06.05.1992 – 4 B 139/91 -, NJW 1993, 79). Sie ist nach § 173 VwGO auch insoweit entsprechend anwendbar, als der Beklagte berechtigt ist, die Übernahme des Rechtsstreits durch den Rechtsnachfolger zu verlangen (vgl. Bay. VGH, U. v. 23.01.1998 – 8 B 93.4007 -, Juris). Soweit die entsprechende Anwendung des § 266 ZPO im Rahmen des § 173 VwGO zu Modifikationen führen mag, wenn die Behörde nicht schutzbedürftig ist, z.B. weil ein grundstücksbezogener Verwaltungsakt angefochten ist und die Verpflichtung daraus auf den Rechtsnachfolger übergegangen ist (vgl. HessVGH, B. v. 17.06.1997 – 14 TG 2674/95 -, NVwZ 1998, 1315 = Juris Rn. 21), liegt ein solcher Fall hier nicht vor .
- 12
2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.
- 13
a) Danach entspricht es der Billigkeit, die Kosten der Klägerseite aufzuerlegen, die diese voraussichtlich auch im Falle einer streitigen Entscheidung zu tragen gehabt hätte. Die Berufung wäre zurückzuweisen gewesen, weil der Klägerin weder ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nach § 80 Abs. 1 LBauO M-V noch auf Neubescheidung des entsprechenden Antrags zustand, § 113 Abs. 5 VwGO.
- 14
aa) Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt nicht vor, weil die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 8 der Gemeinde A-Stadt eingehalten werden und sonstige Anhaltspunkte für Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften nicht bestehen.
- 15
Die Festsetzung, dass nur Einzel- und Doppelhäuser zulässig sind, wird eingehalten, weil es sich bei den beiden streitigen Objekten auf den Grundstücken Gr. St.6 und 7 jeweils um Einzelhäuser im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO handelt.
- 16
Die beiden Objekte sind keine Doppelhäuser im Sinne § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Dabei handelt es sich um bauliche Anlagen, die dadurch entstehen, dass – gewissermaßen in „Modifikation“ der offenen Bauweise - zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden (BVerwG, U. v. 24.02.2000 – 4 C 12.98 -, BVerwGE 110, 355 = NVwZ 2000, 1055). Eine Grenzbebauung ist jedoch nicht erfolgt.
- 17
Die beiden Objekte sind jedoch Einzelhäuser im Sinne § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Hierfür reicht aus, dass es sich um Gesamtbaukörper von höchstens 50m Länge handelt, die die seitlichen Grenzabstände einhalten. Dabei kann jeder Baukörper aus mehreren selbständig benutzbaren baulichen Anlagen bestehen; deshalb können auch mehrere Eigentumswohnungen anstatt in einer Schichtung übereinander als „Wohnscheiben“ nebeneinander angeordnet werden. Denn die Festsetzung „Einzelhäuser“ betrifft die Bauweise und nicht die Zahl der auf einem Grundstück zulässigen Nutzungseinheiten (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 08.12.1995 – 1 L 3209/94 -, NVwZ-RR 1997, 277; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 22 Rn. 6.2. und 6.2.2). An der in dem Beschluss vom 09.04.2003 – 3 M 1/03 – (BauR 2003, 1710) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.
- 18
bb) Die Festsetzung von zwei Wohnungen als höchstzulässige Zahl je Wohngebäude wird ebenfalls eingehalten.
- 19
In den Haushälften Gr. St.6A und 6B besteht jeweils – entgegen der ursprünglichen Planung, die offenbar auch der Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen durch den Beklagten zu Grunde lag – nur eine abgeschlossene Wohnung. Ob dies ebenso auch für die Haushälften Gr. St.7A und 7B zutrifft, kann offen bleiben. Denn die Zwei-Wohnungs-Klausel schließt nicht aus, auf einem Grundstück einen Baukörper zu errichten, der aus zwei aneinander gebauten funktional selbständigen Haushälften besteht (sog. „unechtes Doppelhaus“), von denen jede wiederum zwei Wohneinheiten aufweist. Wohngebäude im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB und damit der Zwei-Wohnungs-Klausel, in dem höchstens zwei Wohnungen zulässig sind, ist nicht der Baukörper insgesamt, sondern die einzelne Haushälfte. Maßgeblich ist das Gebäude im engeren Sinne, d.h. im Sinne der funktional selbständigen Einheit. Ebenso handelt es sich bei „echten“ Doppelhäusern und Hausgruppen im Sinne der Festsetzung um mehrere Wohngebäude, d.h. die Zwei-Wohnungs-Klausel bezieht sich auf die Doppelhaushälfte bzw. das einzelne Haus (Reihenhaus) einer Hausgruppe (vgl. OVG Hamburg, B. v. 09.04.2010 – 2 Bs 49/10 -; Söfker, in: Ernst/Zinkhan/Bielenberg, BauGB, Stand: 03/11, § 9 Rn. 69).
- 20
cc) Auf die Frage ob die Zwei-Wohnungs-Klausel vom Ortsgesetzgeber ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet wurde - wofür allerdings die auf das Maß der baulichen Nutzung bezogene Begründung sprechen könnte, dass einer Ausnutzung des weit gesteckten Festsetzungsrahmens mit Tendenzen zur übermäßigen Verdichtung und Baulandausnutzung entgegengewirkt werden solle (S. 11, letzter Abs. der Planbegründung) - oder ob ihr nachbarschützende Wirkung zukommt, weil sie den Gebietscharakter im Sinne einer Bebauung vorwiegend mit Familienheimen bestimmen sollte, so dass ihr auch bodenrechtliche Relevanz hinsichtlich der Art der Nutzung zukommt (zu diesen Möglichkeiten vgl. BVerwG, B. v. 09.10.1991 – 4 B 137/91 -, Juris mwN; B. v. 09.03.1993 – 4 B 38.93 -, NVwZ 1993, 1100), kommt es daher nicht an.
- 21
b) Was die Aufteilung der Kosten auf Klägerseite angeht, entspricht es billigem Ermessen, dass die früheren Kläger die bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen Kosten als Gesamtschuldner tragen und die danach entstandenen Kosten der nunmehrigen Klägerin zur Last fallen (zu dieser Kostenteilung auch im Falle streitiger Entscheidung vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 154 Rn. 43; OLG Stuttgart, B. v. 12.04.1973 – 6 U 73/72 – Juris -; anders Greger in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 91 Rn. 13 „Parteiwechsel“ sowie OLG Brandenburg, U. v. 11.03.2004 – 9 UF 123/03 -, Juris: Aufteilung der bis zum Parteiwechsel entstandenen Kosten nach Kopfteilen; noch anders Roth in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 4, 22. Aufl. 2008, § 263 Rn. 53 mwN sowie OLG Hamm, B. v. 08.08.2007 – 12 W 11/07 – u. OLG Celle, B. v. 12.11.2003 - 6 W 120/03 -, beide in Juris: Auferlegung nur der ausscheidbaren Mehrkosten an den früheren Kläger).
- 22
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. II.9.7.1 des Streitwertkataloges.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für eine grenzständige Bebauung.
- 2
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Kläger und Beigeladener sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in K.... Diese sind mit einem Doppelwohnhaus mit jeweils zwei Geschossen und einem Dachgeschoss bebaut. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 11,60 m. Die Haushälften stehen mit vier bzw. sechs Metern Abstand zur festgesetzten Baufluchtlinie. Die Haushälfte des Beigeladenen wurde 1954, die des Klägers 1971 errichtet. Die übrige Bebauung der Straße besteht auf der einen Straßenseite - abgesehen von einem freistehenden zweigeschossigen Wohngebäude - aus zwei- oder mehrgeschossigen Häusern, Doppelhäusern oder Hausgruppen, auf der anderen Straßenseite herrscht eine zwei- bis dreigeschossige Bebauung mit Doppelhäusern oder Hausgruppen vor. Außer einem Fluchtlinienplan fehlen bauplanerische Festsetzungen.
- 3
-
Der Beigeladene beabsichtigt auf seinem Grundstück die Errichtung eines 15 m hohen viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit zusätzlichem Staffelgeschoss und Flachdach. Es soll anstelle der bestehenden Haushälfte ohne Einhaltung von Grenzabständen und unter Ausnutzung der Baufluchtlinie errichtet werden. Für das Vorhaben erteilte das Bauaufsichtsamt der Beklagten den streitgegenständlichen planungsrechtlichen Vorbescheid.
- 4
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Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Vorbescheid erhobene Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den streitgegenständlichen Vorbescheid aufgehoben. Der Vorbescheid sei rechtswidrig, weil das geplante Vorhaben mit § 34 Abs. 1 BauGB unvereinbar sei. Es füge sich nach seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die in offener Bauweise gebaut sei. Das Vorhaben des Beigeladenen beseitige das bestehende Doppelhaus, ohne ein neues Doppelhaus zu schaffen. Die beiden Haushälften würden vielmehr bei Realisierung des Vorhabens den Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper erwecken. Auf diesen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB könne sich der Kläger berufen. Denn mit der Doppelhausbebauung gingen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden dürfe.
- 5
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Mit seiner vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beigeladene geltend, die Rechtsprechung zur nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <362 f.>) könne auf den unbeplanten Innenbereich nicht übertragen werden. Die maßgeblichen Fälle seien über das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 BauGB zu lösen. Danach sei die Klage abzuweisen. Auf den Kläger sei umso weniger Rücksicht zu nehmen, als dieser sein Grundstück baulich nicht vollständig ausnutze.
- 6
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Die Beklagte schließt sich dem Standpunkt des Beigeladenen an.
- 7
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der streitgegenständliche Vorbescheid ist rechtswidrig (1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2.) (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
- 9
-
1. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
- 10
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a) Das Vorhaben des Beigeladenen ist hinsichtlich seiner Bauweise planungsrechtlich an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehlt und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegt. Maßstabsbildend im Sinne dieser Vorschrift ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 48). Das Oberverwaltungsgericht hat als nähere Umgebung die beiden Seiten der R...straße in den Blick genommen (UA S. 9), die Beteiligten haben hiergegen Einwände nicht erhoben.
- 11
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b) In dieser Umgebung befindet sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Bebauung mit Doppelhäusern, Hausgruppen und wenigen Einzelhäusern, die das Oberverwaltungsgericht als offene Bauweise bezeichnet.
- 12
-
Mit diesen Bezeichnungen greift das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler auf Begriffe der Baunutzungsverordnung zurück. Denn deren Vorschriften können im unbeplanten Innenbereich als Auslegungshilfe herangezogen werden (Beschluss vom 27. Juli 2011 - BVerwG 4 B 4.11 - BRS 78 Nr. 102 Rn. 4; Urteile vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278> = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 168 S. 9 und vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 19.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 173 S. 30). Sie enthalten definitorische Grundsätze, was etwa die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen (Beschlüsse vom 7. Juli 1994 - BVerwG 4 B 131.94 - juris Rn. 3 und vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166 S. 6). Aus diesem Grund konnte das Oberverwaltungsgericht auch auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgreifen, als es die Eigenart der Umgebungsbebauung, die bestehende Bebauung auf den Grundstücken des Klägers und des Beigeladenen und das streitgegenständliche Vorhaben gewürdigt hat.
- 13
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Im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist ein Doppelhaus eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - a.a.O. S. 357 ff. = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 3 ff.; Beschluss vom 23. April 2013 - BVerwG 4 B 17.13 - BauR 2013, 1427 Rn. 5). Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - ZfBR 2012, 478, juris Rn. 9), also auch für den unbeplanten Innenbereich.
- 14
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Die knappen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Umgebungsbebauung bieten keinen Anlass für die Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Feststellung von Doppelhäusern in der näheren Umgebung einen hiervon abweichenden Begriff des Doppelhauses zugrunde gelegt. Nach den Urteilsgründen handelt es sich bei dem gegenwärtigen Gebäude des Klägers und des Beigeladenen "auch" um ein Doppelhaus (UA S. 9). Diese Formulierung setzt einen einheitlichen Begriffsinhalt voraus. Damit steht fest, dass sich in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks nur solche einseitig grenzständigen Haushälften befinden, die das begrifflich geforderte Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen und deshalb Doppelhäuser im Sinne des Senatsurteils vom 24. Februar 2000 (a.a.O.) sind. Diese mit Revisionsrügen nicht angegriffene Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO), insbesondere ist sie nicht zweifelsfrei aktenwidrig (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 70).
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c) Damit prägen solche Gebäude die nähere Umgebung, die bei bauplanerischer Festsetzung einer offenen Bauweise zulässig sind (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Dennoch bestimmt sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen hinsichtlich der Bauweise nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Vorschrift richtet sich an die planende Gemeinde (vgl. Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <154> = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 S. 97). Anders als § 34 Abs. 2 BauGB für die Art der baulichen Nutzung verweist § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich des Einfügens nach der Bauweise selbst dann nicht auf den Maßstab der Baunutzungsverordnung, wenn die nähere Umgebung der dort definierten offenen oder geschlossenen Bauweise entspricht. Den rechtlichen Maßstab bestimmt vielmehr § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach sich das Vorhaben des Beigeladenen nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung einfügen muss.
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Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts beseitigt das Vorhaben des Beigeladenen das bestehende Doppelhaus, führt aber nicht zur Entstehung eines neuen Doppelhauses. Es stützt sich für diese Würdigung auf quantitative Abweichungen, die zwei zusätzlichen Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, die unterschiedliche Höhe der Gebäudehälften und die Erweiterung im viergeschossigen Bereich sowie die zusätzliche Erweiterung im zweigeschossigen Bereich. Hinzu träten qualitative Gesichtspunkte, insbesondere die unterschiedlichen Dachformen (Satteldach auf der einen, Flachdach auf der anderen Seite). Diese Würdigung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Zwar mahnt das Urteil vom 24. Februar 2000, den Begriff des Doppelhauses nicht bauordnungsrechtlich zu überladen. In dem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude noch ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Stadtbildes verfolgt wird (BVerwGE 110, 355 <361> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 6). Dennoch hängt die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - a.a.O. Rn. 12). Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, bei Verwirklichung des Vorhabens des Beigeladenen entstände der Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper, wahrt diesen bundesrechtlichen Maßstab.
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d) Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich damit in den Rahmen der Umgebungsbebauung nicht ein. Denn seine Verwirklichung führt nicht zu einem Doppelhaus, sondern zu einer einseitig grenzständigen Bebauung, für die es in der Umgebung an Vorbildern fehlt. Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass das Vorhaben geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen (Urteile vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <386> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 53 und vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 7). Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (Urteil vom 16. September 2010 - BVerwG 4 C 7.10 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 212 Rn. 23). Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens (Urteil vom 26. Mai 1978 a.a.O.), die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. § 22 Abs. 4 BauNVO).
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2. Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht angenommen, dass dieser Rechtsverstoß Rechte des Klägers verletzt. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2013, § 22 BauNVO Rn. 50; Upmeier, Mampel, BRS-Info 4/2012, S. 19; Aschke, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 3. Aufl. 2013, § 22 BauNVO Rn. 16; Wolf, Drittschutz im Bauplanungsrecht, Band 11, 2012, S. 175 f.).
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a) Ein Drittschutz kann weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden. Die Vorschrift entfaltet selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz. Nachbarschutz vermittelt hier vielmehr die planerische Festsetzung (Urteil vom 24. Februar 2000 a.a.O. S. 362 = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 7), an der es im unbeplanten Bereich fehlt.
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b) Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Drittschutz folgt vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme.
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Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, Beschluss vom 13. November 1997 - BVerwG 4 B 195.97 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189 S. 59; Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 4 C 34.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauGB Nr. 114 S. 64). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (Urteil vom 26. September 1991 - BVerwG 4 C 5.87 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 103 S. 76
). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 52). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (Beschluss vom 11. Januar 1999 - BVerwG 4 B 128.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159 S. 3). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Urteil vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 99). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 8.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71 S. 56).
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Dies ist hier der Fall: Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, "erkauft" (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 4). Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Sie ist im beplanten und unbeplanten Bereich identisch. Dass die Rücksichtnahmepflichten im beplanten Gebiet auf einer planerischen Konzeption beruhen, führt auf keinen Unterschied. Denn im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB ergeben sich die Beschränkungen der Baufreiheit regelmäßig aus der Umgebungsbebauung und nicht aus einer planerischen Konzeption.
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Sachgesetzlichkeiten (Beschluss vom 19. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) fordern keine unterschiedliche Behandlung. Dass der Zulässigkeitsmaßstab bei § 34 Abs. 1 BauGB stets weniger scharf ist, lässt sich nicht sagen. Allerdings ist einzuräumen, dass den Nachbarn größere Hinnahmepflichten treffen, wenn die maßgebliche Umgebungsbebauung eine größere Wahlfreiheit als eine planerische Festsetzung eröffnet (vgl. Beschluss vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166). So liegt es hier nicht, weil die Umgebungsbebauung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen vergleichsweise engen Rahmen setzt. Anders als bei Festsetzungen nach den §§ 16 ff. BauNVO und § 23 BauNVO (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1995 a.a.O. S. 13) hängt es im Übrigen auch im beplanten Gebiet nicht vom Willen der Gemeinde ab, ob Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hinsichtlich der Nachbarn von Doppelhäusern dem Schutz des Nachbarn dienen. Schließlich kann für die "Doppelhaus"-Fälle eine so einheitliche Interessenlage angenommen werden, dass es jedenfalls grundsätzlich einer Betrachtung der konkreten Situation nicht bedarf. Dass hier ausnahmsweise etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Namentlich reicht der Hinweis des Beigeladenen nicht aus, dass die bestehenden Haushälften die Bebauungsmöglichkeiten derzeit nicht vollständig ausnutzen. Dies betrifft das Maß der baulichen Nutzung, berührt aber das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erfüllende Erfordernis eines Einfügens nach der Bauweise nicht.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag,
5die aufschiebende Wirkung der Klage (VG Düsseldorf 11 K 8330/15) gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Dezember 2015 zur Errichtung eines Einrichtungshauses auf dem Grundstück T.-------straße 81 (Gemarkung O. , Flur 394, Flurstücke 11,14, 17, 18 u.a.) anzuordnen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, das Vorhaben verstoße voraussichtlich nicht gegen nachbarschützende Regelungen des Bauordnungsrechts. Die Antragstellerinnen könnten sich voraussichtlich schon nicht mit Erfolg auf eine zu geringe Anzahl von Stellplätzen berufen, da die Regelung des § 51 Abs. 1 BauO NRW nicht nachbarschützend sei. Abgesehen davon sei auch nicht erkennbar, dass der Ansatz eines Mittelwerts von einem Stellplatz je 20 qm Verkaufsfläche zu hoch bemessen sei. Ein Verstoß gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 51 Abs. 7 BauO NRW liege ebenfalls nicht vor, da die Antragstellerinnen sich insoweit nicht gegen die Benutzung der Stellplatzanlage, sondern gegen die Geräuschimmissionen durch den Verkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen wendeten. Nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts seien voraussichtlich ebenfalls nicht verletzt. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteile sich nach § 30 Abs. 1 BauGB. Offensichtliche Mängel des Bebauungsplans Nr. 1202 „Einrichtungshaus E. “, auf dessen Grundlage die angegriffene Baugenehmigung erteilt worden sei, seien nicht erkennbar. Insbesondere sei das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 7 BauGB nicht verletzt. Der Rat habe die durch das Vorhaben ausgelösten Mehrverkehre und die von diesen ausgehenden Lärm- und sonstigen Belastungen erkannt und in die Abwägung eingestellt. Er habe sich dabei auf eine von der Beigeladenen in Auftrag gegebene Verkehrsuntersuchung der Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen C1. C. X. (BBW) erstellte Verkehrsuntersuchung aus März 2015 und auf eine Schalltechnische Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz B. mit Schlussbericht aus Juni 2015 gestützt. Durchgreifende Mängel der Verkehrsuntersuchung der BBW oder der Schalltechnischen Untersuchung hätten die Antragstellerinnen nicht aufgezeigt. Sei von der Wirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen, sei insbesondere hinsichtlich der beanstandeten Geräuschimmissionen kein Raum für die Anwendung des Rücksichtnahmegebots. Führe bereits die an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierte Prüfung nicht zum Erfolg des Antrages, sei auch nach einer hiervon unabhängigen allgemeinen Interessenabwägung kein abweichendes Ergebnis geboten. Zwar bestehe einerseits ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerinnen daran, in ihrer Wohnruhe und ihrer Gesundheit nicht von unzumutbaren Immissionsbelastungen durch Verkehrslärm, der von dem genehmigten Vorhaben im weiteren Sinne ausgeht, beeinträchtigt zu werden. Demgegenüber wögen allein die wirtschaftlichen Investitionen der Beigeladenen und die Bedeutung des Vorhabens für die Antragsgegnerin und die Beigeladene allein nicht schwerer. Berücksichtigt werden müsse aber auch, dass das genehmigte Einrichtungshaus kurz vor der Eröffnung stehe. Die Eignung der bereits durchgeführten Verkehrsmaßnahmen für die Abwicklung der Verkehrsmengen und die tatsächlich auftretenden Verkehrsimmissionen könnten in Kürze durch Messungen überprüft werden. Zwar seien punktuelle Messungen nicht ohne Weiteres geeignet, langfristig angesetzte Prognosewerte zu validieren. Es sei aber davon auszugehen, dass die nach Inbetriebnahme des Einrichtungshauses möglichen Messungen jedenfalls die der Abwägung zugrunde liegenden Annahmen hinsichtlich der Lärmbelastungen im Sinne von Anhaltspunkten zu bestätigen oder zu widerlegen in der Lage seien. Auf Überschreitungen der kritischen Grenzwerte könne auch nach Inbetriebnahme des Einrichtungshauses jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache unverzüglich durch lärmmindernde Auflagen reagiert und so eine unzumutbare Störung der Wohnruhe und eine Gesundheitsgefährdung vermieden werden.
7Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.
8Es kann bei der hier allein möglichen und zulässigen summarischen Prüfung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass das Vorhaben Auswirkungen hat, die zu tragen für die Antragstellerinnen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens unzumutbar wäre.
9Im jetzigen Verfahrensstadium ist weder offensichtlich, dass den Antragstellerinnen der freien Zugang zu ihren Grundstücken in einer Weise erschwert wäre, dass diese praktisch nicht mehr erreichbar wären noch, dass evidente Fehleinschätzungen hinsichtlich des Verkehrslärms, die begehrten Eilrechtsschutz derzeit erforderten, vorlägen. Insbesondere gibt es auch Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine überwiegenden Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben regelhaft zu unkalkulierbaren Verkehrssituationen wie z.B. massive Staus bis zu einer Sperrung der Autobahnausfahrt führen wird.
101. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Stellplatzbedarfs auf den fehlenden Drittschutz der Anforderung der bauordnungsrechtlichen Regelung des § 51 Abs. 1 BauO NRW hin.
11Vgl. z.B. OVG NRW, Urteil vom 11. Juli1998 - 11 A 7238/95 -, BRS 60 Nr.123 = juris Rn.8 f. sowie Johlen in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, Bauo NRW, 12. Auflage 2011, § 51 Rn. 79, alle m. w. N.
12An einen Verstoß (z.B. gegen das Gebot der Rücksichtnahme) ist im Übrigen in diesem Zusammenhang nur dann zu denken, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert.
13Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 – 2 A 3009/11 – juris Rn. 49, und Urteil vom 18.- März 2011 – 2 A 2580/09 -, juris Rn. 66, beide m. w. N.
14Abgesehen davon ergibt sich aus der Beschwerdebegründung auch nicht, dass die Antragsgegnerin bei Erteilung der Baugenehmigung den Stellplatzbedarf in einer solchen entscheidungserheblichen Weise unterschätzt hätte.
15Die Antragstellerinnen tragen vor, das Verwaltungsgericht habe bei der Stellplatzberechnung lediglich eine Verkaufsfläche von 21.746,66 qm zugrundegelegt; diese Zahl sei deutlich zu niedrig, vielmehr sei von 25.500 qm VK mit entsprechend erhöhtem Stellplatzbedarf auszugehen (458 und 459 GA). Dieses Vorbringen wirft keine durchgreifenden Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung auf.
16Für den Inhalt einer Baugenehmigung ist in erster Linie die im Bauschein selbst getroffene Regelung maßgebend. Der Bauschein bestimmt insbesondere Art und Umfang des genehmigten Vorhabens. Die mit dem Bauantrag einzureichenden Bauvorlagen haben demgegenüber allenfalls eine konkretisierende und erläuternde Funktion. Von ausdrücklichen Regelungen des Bauscheins abweichende Darstellungen und Angaben in den Bauvorlagen sind daher grundsätzlich ohne rechtliche Bedeutung und werden von der Baugenehmigung nicht erfasst, selbst wenn sie mit einem baurechtlichen Genehmigungsvermerk versehen sind.
17Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Oktober 2011 – 2 B 1049/11 -, juris Rn.81 ff. und vom 16. März 2007 – 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007,. 661 = juris Rn. 15, beide m.w.N.
18Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, dass Verwaltungsgericht eine unrichtige (Größenordnung der) Verkaufsflächenzahl angesetzt hat. Ausweislich der genehmigten und grüngestempelten Bauvorlagen zur Baugenehmigung vom 11. Dezember 2015, um die bzw. deren Nachbarrechtswidrigkeit es hier allein geht, ist eine Verkaufsfläche 21.746,66 qm genehmigt (vgl. Stellplatznachweis von T1. und K. , Register 7.3 und 7.4. =Markierung BA 5 2 B 660/16). Soweit die Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang auf den Einzelhandelserlass NRW sowie darauf verweisen, dass hier die Eingangshalle, der Ausgangsbereich, sämtliche Flure, Treppen, Treppenhäuser, Aufzüge, Drehtüren sowie die Serviceflächen usw. herausgerechnet worden seien, führt dies nicht in entscheidungserheblicher Weise dazu, dass hier eine zu geringe Verkaufsfläche in Ansatz gebracht worden wäre bzw. sich dieser Ansatz in relevanter Weise auf die verkehrs- bzw. lärmtechnischen Parameter ausgewirkt hätte.
19Davon ausgehend ist hinreichend klar, welche Verkaufsfläche des Einrichtungshauses die Baugenehmigung vom 11. Dezember 2015 maximal gestattet. Die von der Beschwerde postulierte Divergenz zwischen dem Genehmigungsbescheidsinhalt und den genehmigten Bauvorlagen besteht jedenfalls in dieser Form nicht. Unter den grüngestempelten Bauvorlagen für das Einrichtungshaus befindet sich auch eine nach aufgeschlüsselte Verkaufsflächenübersicht. Diese stimmt mit den Regelungen der Baugenehmigung zu den Verkaufsflächengrößen überein. Die mit einem Grünstempel gekennzeichnete Verkaufsflächenübersicht schreibt weiterhin vor, dass die Verteilung der einzelnen Flächen auf der Basis der Verkaufsflächendefinition des Einzelhandelserlasses NRW vom 22. September 2008 nachvollziehbar darzustellen sei. Auch dieser Vorgabe werden die genehmigten Bauvorlagen gerecht. Den einzelnen in der Verkaufsflächenübersicht aufgeführten Verkaufsflächen korrespondieren die Verkaufsflächen in den beigefügten Plänen für das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss des geplanten Einrichtungshauses.
20Die Verkaufsfläche eines Einzelhandelsbetriebs bildet generell den primären Maßstab für die städtebaulichen Wirkungen eines Einzelhandelsbetriebs. In das Verständnis des Verkaufsflächenbegriffs hat einzufließen, dass die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Auswirkungen eines Einzelhandelsbetriebs nicht nur von seiner Größe bestimmt werden, die sich in der Geschossfläche widerspiegelt, sondern dass sie - soweit es um das Merkmal der Fläche geht - eher von derjenigen Fläche beeinflusst werden, auf der Waren präsentiert und gekauft werden können. Zur Verkaufsfläche gehören damit alle Flächen eines Betriebs, die den Kunden zugänglich sind, in denen Waren angeboten werden und die mit dem Verkaufsvorgang in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen. Danach zählen Gänge, Treppen, Aufzüge, die Flächen des Windfangs und des Kassenvorraums (einschließlich des Bereichs zum Einpacken der Ware und zum Entsorgen des Verpackungsmaterials) ebenso zu der städtebaulich relevanten Verkaufsfläche wie für Kunden nicht betretbare Verkaufsstände. Keine Verkaufsfläche sind hingegen Personalräume oder reine Lagerflächen.
21Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 4 C 10.04 -, BVerwGE 124, 364 = BRS 69 Nr. 71 = juris Rn. 29 und OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 2 B 1049/11 -, a.a.O. sowie Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 2007, Rn. 37; Nr. 2.4 des Einzelhandelserlasses NRW vom 22. September 2008.
22Gemessen an diesen Maßstäben setzt die Baugenehmigung vom 11. Dezember 2015 die Verkaufsfläche des Einrichtungshauses nicht entscheidungserheblich zu niedrig an.
23So sind z.B. die als „Service-Flächen“ (insgesamt 1.445,87 qm) gekennzeichneten Bereiche voraussichtlich jedenfalls überwiegend nicht als Verkaufsflächen in diesem Sinne einzustufen. Dies gilt jedenfalls für das Kundenrestaurant im 1. Obergeschoss (740,96 qm) und die diesem zugeordnete Fläche für „Selbstbedienung“ (199, 82 qm) sowie das „T2. “ im Erdgeschoss (157,40 qm). Auch wenn diese Einrichtungen die Attraktivität des Betriebs erhöhen mögen, handelt es sich bei ihnen nicht um Flächen, auf denen Waren angeboten werden und die in einem funktionalen Zusammenhang mit dem Verkaufsvorgang stehen; dass die von der Beschwerde angeführte Nutzung des Restaurants z.B. durch LKW-Fahrer den Stellplatzbedarf des Vorhabens in entscheidungserheblicher Weise veränderte, lässt sich nicht feststellen. Derartige Flächen unter den Verkaufsflächenbegriff zu subsumieren, würde die von seinem Wortlaut gezogene äußerste Auslegungsgrenze überschreiten. Insoweit fehlt es gleichfalls an der hinreichenden funktionalen Beziehung zum Verkaufsvorgang.
24Aus den genannten Gründen können auch die Haupt- und Nebennutzflächen entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht der Verkaufsfläche zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich um Kunden- und Personaltoiletten, Büros, Schulungsräume, Werkstätten usw.
25Der Verkaufsfläche hinzuzurechnen sein könnte allerdings der als „Servicefläche“ apostrophierte und genehmigte „Kundenservice“ (347,60 qm). Hierbei könnte es sich um eine Fläche handeln, die den Kunden zugänglich sind und die mit dem Verkaufsvorgang in einem unmittelbaren räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen. Dies ggf. abzuklären, mag dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
26Selbst wenn die (materiell-rechtliche) Verkaufsfläche des Einrichtungshauses tatsächlich etwa 22.083 qm (statt 21.746,66) m² betragen sollte, wirkte sich dies indessen nicht entscheidungserheblich aus. Denn diese vergleichsweise marginale Differenz zu der explizit genehmigten Verkaufsfläche fällt nicht so stark ins Gewicht, dass die im Rahmen des vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Gesamtbetrachtung nunmehr zugunsten der Antragstellerinnen ausfallen müsste. Dies gilt um so mehr, als nicht konkret vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar ist, dass eine ggf. nur marginale Vergrößerung der Verkaufsfläche die Parameter für die Berechnung der dem Vorhaben zuzurechnenden Verkehre oder Geräuschimmissionen in entscheidungserheblicher Weise ändern würden. Im Übrigen hat die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens im März 2015 erstellte Verkehrsuntersuchung der BBW, der eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO nicht attestiert werden kann, die nach dem Bebauungsplan maximal zulässige Verkaufsfläche von 25.5000 qm zugrundegelegt.
272. Es spricht auch nicht Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Baugenehmigung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht gegen Normen verstößt, die mindestens auch dem Schutz der Antragstellerinnen zu dienen bestimmt sind.
28Dabei ist dem Verwaltungsgericht dahin zuzustimmen, dass im Rahmen eines Eilverfahrens, das auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber einer Baugenehmigung gerichtet ist, grundsätzlich von der Wirksamkeit eines Bebauungsplans ausgegangen werden darf, vorbehaltlich offensichtlicher, durchgreifender Fehler, und zwar auch, soweit der Bebauungsplan mit der bauplanungsrechtlichen Ermöglichung eines Vorhabens das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorsteuert. Ein Rückgriff auf das Rücksichtnahmegebot ist nämlich ausgeschlossen, wenn und soweit der Bebauungsplan für seine Anwendung keinen Raum mehr lässt. Das ist der Fall, wenn der in Rede stehende Nutzungskonflikt bereits auf der Ebene des Bebauungsplans abgewogen worden ist. Dann ist das Rücksichtnahmegebot in der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen und von der planerischen Abwägung gleichsam aufgezehrt.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 4 C 8.12 -, BauR 2014, 210 (212/213)= juris Rn. 20 f. und OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2015 - 2 A 616/14 -, BauR 2015, 948 = juris Rn. 13, beide m. w. N.
30Derartige offensichtliche Mängel des Bebauungsplans Nr. 1202 „Einrichtungshaus E. “ lassen sich auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht feststellen. Insbesondere kann diesem nach jetzigen Verfahrensstand – also vorbehaltlich einer Prüfung im Hauptsacheverfahren - ein evidenter Abwägungsmangel nicht attestiert werden. Derzeit liegt nicht auf der Hand, dass im Zuge des genannten Bebauungsplans (drittschützende) Belange unberücksichtigt geblieben sind, die nach Lage der Dinge in die Abwägung hätten eingestellt werden müssen. Der Rat der Antragsgegnerin hat die durch das Vorhaben voraussichtlich ausgelösten Mehrverkehre und die von ihnen ausgehenden Lärm- und sonstigen Belästigungen, insbesondere zum Nachteil der Wohnbebauung entlang der T.-------straße , an der sich auch die Grundstücke der Antragstellerinnen dieses Verfahrens und des Antragstellers des Verfahrens 2 B 1456/16.NE befinden, erkannt und diese Belange in die Abwägung eingestellt (vgl. die Begründung des Bebauungsplans unter Nr. 6.11 „Erschließungsfähigkeit“ = S. 38 ff und unter Nr. 7 „Immissionsschutz“, S. 51 ff. sowie die Anlage 1b zur Vorlage VO/1440/15 für den Satzungsschluss, dort insb. S. 94 ff und 129 ff). Es kann an dieser Stelle nicht von einer offensichtlichen Fehlgewichtung der Belange ausgegangen werden, insbesondere nicht von einer solchen, welche die Befürchtung begründen würde, dass es unbeschadet des Ausbaus der Straßenverkehrswege für das streitgegenständliche Vorhaben an den Grundstücken der Antragstellerinnen zu einer diesen unzumutbaren Erschließungssituation und/oder infolge dessen zu unzumutbaren Lärmverhältnissen kommen würde. Der Rat hat seine Abwägung auf eine von der Beigeladenen in Auftrag gegebene Verkehrsuntersuchung der Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen mbH C2. C3. X. (BBW) mit Schlussbericht aus März 2015 und auf eine Schalltechnische Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz B. GmbH mit Schlussbericht aus Juni 2015 gestützt.
31Die Verkehrsuntersuchung kommt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass in der werktäglichen Nachmittagsspitzenstunde am Knotenpunkt 1 (N. /Anschlussstelle BAB 46 X1. -P. [Nord]) zusätzlich 334, am Knotenpunkt 2 (T.-------straße /N. ) zusätzlich 361, am Knotenpunkt 6 (T.-------straße /BAB 46) zusätzlich 686 und am Knotenpunkt 8 (T.-------straße /Anbindung J. ) zusätzlich 751 Kfz zu erwarten seien. In der samstäglichen Spitzenstunde am Knotenpunkt 1 mit zusätzlich 650, am Knotenpunkt 2 mit zusätzlich 703, am Knotenpunkt 6 mit zusätzlich 1345 und am Knotenpunkt 8 mit zusätzlich 1.481 Kfz zu rechnen. Nach der Verkehrsuntersuchung (dort S. 75 f.) erzeugt das Vorhaben insgesamt (Summe Ziel- und Quellverkehr) ein tägliches Verkehrsaufkommen von etwa 8.592 Kfz an einem Spitzenwerktag und von 14.822 an einem Spitzensamstag. Nach der Verkehrsuntersuchung kann dieses prognostizierte Verkaufsaufkommen bei dem seinerzeit bestehenden Ausbauzustand nicht ausreichend bewältigt werden. Daher wird ein Maßnahmenkonzept mit dem Ziel des Umbaus des relevanten Verkehrsnetzes entwickelt, bei dessen Umsetzung in Planfall das Verkehrsnetz als zur Bewältigung der zusätzlich zu erwartenden Verkehre hinreichend leistungsfähig bewertet wird.
32Bei der Ermittlung von planbedingtem Zusatzverkehrsaufkommen und damit auch des zusätzlichen Lärm geht es um eine Prognose. Prognostische Einschätzungen zukünftiger tatsächlicher Entwicklungen müssen in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet werden. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung von Prognosen ist daher die Frage, ob die der Planungsentscheidung zugrundeliegende Prognose den an sie zustellenden Anforderungen genügt, nicht aber, ob die Prognose durch die spätere Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist.
33Vgl. OVG NRW, Urteile vom 13. März 2008 – 7 D 34/07.NE -, juris Rn.95 und vom 6. Februar 2014 – 2 D 194/12.NE – juris Rn. 87 f. m. w. N.
34Dies gilt insbesondere auch dann, wenn Gutachter über ein Detail der "richtigen" Methode zur Ermittlung eines Einsatzwertes im Rechenwerk der Verkehrs- und Lärmprognose streiten. Entscheidend ist nach dem oben dargestellten rechtlichen Prüfungsmaßstab allein, ob das Vorgehen des Gutachters methodisch unzulänglich oder gar ungeeignet ist, z.B. das Verkehrsaufkommen zutreffend zu erfassen.
35Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 – 9 A 14.07 -, BRS 80 Nr. 122 = juris Rn.156 und vom 12. August 2009 – 9 A 64.07 -, juris Rn. 103 f..
36Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden eine Verkehrsprognose im Einzelnen zu erstellen ist, gibt es nicht.
37Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2013 – 9 B 30.12. -, juris Rn. 10.
38Gemessen an diesen Maßstäben zeigen die Antragstellerinnen durchgreifende Mängel der Verkehrsuntersuchung BBW aus März 2015 nicht auf:
39Die Antragstellerinnen machen hinsichtlich der Verkehrsuntersuchung der BBW u.a. geltend, die Leistungsfähigkeitsberechnung des Knotenpunkts 1 (AS P. -Nord) sei unzureichend, und bei Realisierung des Vorhabens werde es zu einem Zusammenbruch der Verkehre kommen mit der Konsequenz, dass ihre Grundstücke per Auto bzw. ÖPNV nicht oder nur eingeschränkt erreichbar sein würden. Das Verwaltungsgericht habe insoweit zu Unrecht darauf abgestellt, dass ihre Bedenken im Kern auf den von Regio D. erstellten Alternativberechnungen mit abweichendem PKW-Besetzungsgrad sowie auf Verkehrsentwicklungen im Umfeld des Vorhaben beruhten, von denen unklar sei, ob sie bei Erstellung der Untersuchung der BBW im März 2015 überhaupt berücksichtigungsfähig gewesen seien. Sie hätten aber nicht mit dem veränderten PKW-Besetzungsgrad, sondern nur „mit der veränderten Spitzenstunde auf der Grundlage der Angaben des J. in G. und der von der BBW angegebenen Tagesbelastung von 8.589 Kfz gerechnet“. Diese Einwände stellen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts schon deshalb nicht durchgreifend in Frage, weil das von den Antragstellerinnen als Vergleichsfall angeführte J. -Einrichtungshaus in G. nach ihren eigenen Angaben eine Verkaufsfläche von ca. 25.500 qm aufweist und damit nicht unerheblich größer ist als das durch die angegriffene Baugenehmigung zugelassene Vorhaben, so dass dortige Ergebnisse z.B. zur Spitzenstunde nicht ohne weiteres auf die vorliegende städtebauliche Situation übertragen werden können. Auch spricht nicht Überwiegendes dafür, dass der PKW-Besetzungsgrad in der Verkehrsuntersuchung der BBW mit 1,8 methodisch fehlerhaft angesetzt wurde, wie noch darzulegen sein wird.
40Die Antragstellerinnen machen weiter geltend, die BBW in der Verkehrsuntersuchung habe nur das unmittelbare Umfeld betrachtet, nicht aber durch Nutzungsänderungen in der Umgebung hervorgerufene Mehrverkehre wie z.B. durch die Fa. D1. bzw. Q. sowie den offenbar geplanten „Gewerbepark O. “ (460 GA). Insoweit haben die Antragstellerinnen sich aber nicht mit der (sinngemäßen) Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, bei der für die – gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB – maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (22. Juni 2015) seien diese Entwicklungen noch nicht hinreichend konkret absehbar gewesen. Im Übrigen liegt auch nicht auf der Hand, dass der Verkehr hierdurch maßgeblich beeinflusst wird, zumal die von den Antragstellerinnen genannten Unternehmen wie z.B. die Firma D1. Klebebänder, Kabel und Leitungssatzsysteme fertigt.
41Die Antragstellerinen machen weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf das im Rahmen einer Einzelhandelsverträglichkeitsanalyse entwickelte Verkehrsmodell von T1. und K. bezogen. Zum einen müsse davon ausgegangen werden, dass die BBW bei ihrem Gutachten aus 2015 dieses Modell nicht berücksichtigt habe, zumal die BBW erstmals im Mai 2016 hierauf Bezug genommen habe. Dass Angaben aus dem X2. Einzelhandelsgutachten zur Kundenherkunft verwendet worden seien, sei zwar zutreffend, allerdings sei S. zu dem Ergebnis gekommen, dass aus dem Einzelhandelsgutachten keine Quell-Zielbeziehungen abgeleitet werden könnten. Wenn aber Quell-Zielbeziehungen in einer Verkehrsuntersuchung nicht abgeleitet werden könnten, sei dies ein offensichtlicher Fehler. Das Verwaltungsgericht habe außerdem die methodischen Standards verkannt. S. habe sich hinreichend mit der Vorgehensweise von BBW im Einzelnen auseinandergesetzt. Ein Verkehrsmodell für den vorliegenden J. -Markt liege nach wie vor nicht vor. Es gehe nicht allein darum, Verkehre zu zählen, sondern die Herkunft und das Ziel der Verkehrsströme zu erfassen (460 bis 462 GA). Damit wird eine (offensichtliche) methodische Fehlerhaftigkeit ebenfalls nicht aufgezeigt. Denn BBW hat in der Verkehrsuntersuchung aus März 2015 (dort S. 33) das für X1. entwickelte Verkehrsmodell nicht zugrundegelegt, da dieses die erforderliche Genauigkeit nur für das Stadtgebiet X1. aufweise, das Vorhaben aber an der nordöstlichen Stadtgrenze gelegen sei und der Großteil der Ziel- und Quellverkehre über die BAB 46 abgewickelt werde, die –ebensowie andere Autobahnen – in dem X2. Verkehrsmodell keine ausreichend differenzierte Berücksichtigung gefunden habe (vgl. die Stellungnahme der BBW vom 14. Januar 2016, dort S. 2). Stattdessen sind anhand der vom der GMA erstellten „Auswirkungsanalyse zur Errichtung eines J. :Einrichtungshauses“ aus November 2014 (dort z.B. S. 48 f.) eine Reihe von Parametern (wie z.B. Zeit-Distanz-Beziehungen, Kaufkraftrückgewinne, Umsatzverteilungen zu Nachbarstandorten usw.) abgeleitet worden, und der Indikator „Bevölkerungsentwicklung“ ist in die Verkehrsuntersuchung eingeflossen. Warum dieser Ansatz methodisch evident fehlerhaft sein sollte, ist nicht erkennbar.
42Ohne Erfolg verweisen die Antragstellerinnen darauf, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Verkehrsuntersuchung der BBW kein zureichender Prognosehorizont zugrundeliege (462 GA). Insoweit ist zum einen festzuhalten, dass die Verkehrsuntersuchung von BBW aus März 2015 auf S. 59 bei der „Bewertung der zukünftigen Verkehrsqualität im Netzzusammenhang“ einen Prognosehorizont von 2025 angibt. Zu Beginn der „Prognose des Verkehrsaufkommens“ führt BBW (dort S. 33) aus, die Abschätzung der bei einer Verkehrsprognose neben der lokalen auch relevanten allgemeinen verkehrlichen Entwicklung erfolgte hier mangels eines Verkehrsmodells anhand des Indikators „Bevölkerungsentwicklung“. Insoweit sei anhand der Bevölkerungsprognose des Landesbetriebs IT NRW zwischen 2011 und 2030 in X1. mit einem Bevölkerungsrückgang von 8% und damit einhergehend mit einem entsprechenden Rückgang des Verkehrsaufkommens zu rechnen. BBW ist trotz dieses Ansatzes zur Bevölkerungsentwicklung vorliegend für den Prognose-Nullfall von einem „gleichbleibend hohen Verkehrsaufkommen“ ausgegangen (a.a.O. S. 33). Dass dieser Ansatz methodisch offensichtlich fehlerhaft wäre, liegt nicht auf der Hand, und dies ist auch den Stellungnahmen der Regio D. z.B. der aus März 2016 (dort S. 36) nicht zu entnehmen, die von einem leichten Bevölkerungszuwachs von 0, 6 % ausgeht. BBW hat denn auch – unbeschadet der ggf. in einem Hauptsacheverfahren noch zu erläuternden Diskrepanz zwischen dem Prognosehorizont (2025 einerseits, 2030 andererseits) - in einer Stellungnahme vom 14. Januar 2016 (dort S. 5/6) ausgeführt, die von Regio D. angeführte Quelle gehe für die besonders verkehrsrelevanten Bevölkerungsbestandteile (Altersgruppe 19 bis 80 Jahre) von einer Abnahme von 2 % aus, während die leichte Gesamtbevölkerungszunahme aus der für das Verkehrsaufkommen nur marginal bedeutsamen Altersgruppe der über 80jährigen (Zunahme um 44,9 %) resultiere. Mit diesen differenzierten Angaben setzt sich Regio D. entweder nicht – weder in der „Abschließenden Stellungnahme zu den Planunterlagen [des hier in Rede stehenden Bebauungsplans]“ aus März 2016 (dort S. 36) noch in der im vorliegenden Beschwerdeverfahren aus Mai 2016 (dort S. 5) – oder aber nur pauschal – wie z.B. in der Stellungnahme vom Februar 2016 (dort S. 14) - auseinander, wenn darauf hingewiesen wird, dass das Mobilitätsverhalten der Gruppe der 19 bis 80jährigen zu berücksichtigen sei. Genau das hat BBW in der Stellungnahme vom 14. Januar 2016 gemacht (dort S. 5/6)
43Die Antragstellerinnen rügen weiter, auch hinsichtlich der Erhebungstage nach der EVE 2012 habe das VG einseitig die Argumente der Gegenseite aufgegriffen und nicht berücksichtigt, dass es in einer Situation wie der vorliegenden angezeigt gewesen wäre, nicht nur Montag/Dienstag bis Donnerstag, sondern auch den Freitag zu berücksichtigen, zumal z.B. am J. G. am Freitag 19,2 % höhere Kundenzahlen festgestellt worden seien (463 GA). Die Angaben der BBW seien daher weit von einer worst-case-Abschätzung entfernt. Dies rechtfertigt die Annahme einer evident fehlerhaften Wahl der Erhebungstage bei Erstellung der BBW-Untersuchung nicht ohne weiteres. Dass die EVE 2012 regelhaft davon ausgehen, dass die Erhebungstage Dienstag bis Donnerstag üblich sind, wird von den Antragstellerinnen nicht in Abrede gestellt. Das Vorgehen der Verkehrsuntersuchung der BBW entspricht insoweit im Übrigen auch dem Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehranlagen (HBS) und zwar sowohl in der Fassung aus 2001 als auch der des Jahres 2015. Dort wird eine Erhebung an einem „normalen“ Werktag (Dienstag bis Donnerstag) (HBS 2001: S. 2-12, HBS 2015: S2-8) und zwar zwischen Ende März bis Ende Oktober empfohlen. Die von Regio D. herangezogenen Werte für einen Freitag wurden im November (2009) und damit gerade außerhalb des für die Zählung nach der HBS 2001/2015 vorgesehenen Zeitraumes ermittelt und beziehen sich im Übrigen auf einen J. -Markt in G. , dessen Verkaufsfläche nach Angaben der Antragstellerinnen bei 25.500 qm und damit nicht unerheblich über derjenigen des hier genehmigten liegt. Abgesehen davon, ist auch nicht konkret belegt, warum gerade es am Freitag (nachmittags) zur Spitzenbelastung kommen soll; hierzu hätte Veranlassung bestanden, nachdem BBW seine Annahme unter dem 14. Januar 2016 plausibilisiert hatte (dort S. 7) ; dies ist aber in der Stellungnahme von Regio D. aus Februar 2016 lediglich pauschal erfolgt (dort S. 17). Von daher ist es vorliegenden auch nicht zu beanstanden, dass die der Untersuchung der BBW aus März 2015 (dort S. 20) zugrundeliegenden Zählungen hier am Donnerstag, den 15. Mai 2014 und am Samstag, den 14. Juni 2014 erfolgt sind.
44Die Antragstellerinnen meinen, der PKW-Besetzungsgrad sei unzureichend ermittelt worden. Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Veröffentlichung der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV) sei 10 Jahre alt, und die fachliche Praxis habe gezeigt, dass gerade die Kennwerte regelmäßig der Aktualisierung bedürften. Deshalb sei es folgerichtig, dass in Fachkreisen anerkannte Programm Ver_C4. des Dr. C5. einzusetzen. Die entsprechenden Quellen seien entgegen der Annahme des VG auch benannt worden. Das Ver_C4. nenne einen PKW-Besetzungsgrad von 1,5 bis 1,8 PKW; daher sei es zulässig gewesen, mit 1,5 zu rechnen, um einen worst case im Sinne der oberen Grenze der entstehenden Belastung abzubilden (463/464 GA). Damit wird indessen die methodische Vertretbarkeit der von BBW angesetzten Parameter nicht durchgreifend in Frage gestellt, zumal die Hinweise zur Schätzung des Verkehrsaufkommens von Gebietstypen“ der FGSV aus dem Jahre 2006 ebenfalls fachlich allgemein anerkannt und - wie die Beigeladene mit Schriftsatz vom 16. März 2016 8dort S. 4) vorgetragen hat, ohne dass die Antragstellerinnen dem insoweit konkret entgegengetreten wären – bislang auch nicht durch aktuellere Publikationen der FGSV ersetzt worden sind. Insoweit setzt sich die Beschwerdebegründung auch nicht damit auseinander, dass BBW in der genannten Stellungnahme vom 14. Januar 2016 (dort S. 6) ausdrücklich auf das Programm Ver_C4. eingeht. Danach habe S. dessen Tabelle 3.3.8 herangezogen, die für J. -Möbelmärkte eine Spannbreite von 1,5 bis 1,8 ausweise. Der Wert von 1.5 stamme dabei aus einem Gutachten des Ingenieurbüros IGS zu einem geplanten J. -Markt in L. ; hierbei handele es sich um eine nicht durch Zählungen abgesicherte Prognose. BBW habe hingegen eine andere Tabelle – nämlich 3.5-11 - des Programms Ver_C4. herangezogen, die eine Veröffentlichung der FGSV entstamme; dort werde für Möbelmärkte ein PKW-Besetzungsgrad von mindestens 1,8 angegeben. Von daher habe BBW mit 1,8 diesen Worst-Case-Wert zugrundegelegt. Auch in der Stellungnahme vom Februar 2016 wird im Kern lediglich kritisiert, dass die Veröffentlichung der FGSV bereits aus dem Jahre 2006 stamme. Dies reicht nach Maßgabe der o.g. Grundsätze nicht aus, das Vorgehen der BBW methodisch durchgreifend in Frage zu stellen. Dies gilt umso mehr, als BBW in der Stellungnahme vom 14. Januar 2016 (dort S. 6) unter Bezugnahme auf die Verkehrsuntersuchung aus März 2015 (dort S. 36) erläutert, dass der Mitnahmeeffekt bei der Verkehrsprognose nicht in Ansatz gebracht worden sei. BBW hat hierzu erläutert, als „Mitnahmeeffekt“ bezeichne man das Aufsuchen von Nutzungen und Erledigen von Aktivitäten unterwegs, d.h. im Idealfall gleichsam „auf dem Weg“ zu einem anderen Ziel, ohne dass zusätzliche Wege entstünden. Nutzungen an Standorten erzeigten keine zusätzlichen Wege, wenn Aktivitäten gleichsam „auf dem Weg“ zu einer anderen Hauptaktivität erledigt würden. Solche Mitnahmeeffekte würden bei allen Verkehrsmitteln auftreten und könnten zu einer Reduzierung des Neuverkehrs um 5 % bis 35 % führen. Da dieser Mitnahmeeffekt nicht berücksichtigt worden sei, lägen die Daten der Vekehrsprognose auf der sicheren Seite. Auch vor diesem Hintergrund erscheint das Vorgehen der BBW jedenfalls vertretbar. Dass Regio D. einen anderen methodischen Ansatz bevorzugt, steht der Vertretbarkeit der im Planverfahren zugrundegelegten Verkehrsuntersuchung von BBW nicht entgegen.
45Die Antragstellerinnen tragen weiter vor, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts hätten sie dargelegt, warum die Annahme von 50 % Zielverkehr in der Planfall-Spitzenstunde unrealistisch sei. Sie hätten die entsprechende Annahme in der BBW (März 2015, S. 35) ausführlich kommentiert. In den Hauptzulaufzeiten eines J. -Marktes seien deutlich höhere Anteile des Zielverkehrs als des Quellverkehrs zu erwarten, weil in der Nachmittagsspitze (16-17 h) das J. -Einkaufszentrum angefahren werde und die Anfahrt erst deutlich je nach Verweildauer später (18-19 h) erfolge. Nach den Angaben in Ver_C4. sei davon auszugehen, dass in den Spitzenstunden-Bereichen von 16.bis 17 h der Zielverkehr Mo-Fr 10,15 % und der Quellverkehr 9,54 % betrage, und der Zeit von 17 bis 18 h 10,6 bzw. 10.37 %, so dass der Zielverkehrsanteil in den Spitzenstunden jeweils höher als 50 % liege. Außerdem könne an Freitagen die Belastung um bis zu 19% höher liegen (464 GA). Damit werden im Wesentlichen die Einwände wiederholt, die Regio D. bereits in seiner Stellungnahme von Mai 2016 (dort S. 8 = 405 GA) erhoben hatte und die dem Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung vorlagen. Die Beschwerdebegründung geht auch nicht darauf ein, dass ausweislich der Verkehrsuntersuchung der BBW aus März 2015 (dort S. 35) der Zielverkehrsanteil zu den Spitzenstunden höher als 50 % liegt: So beträgt der Anteil des Zielverkehrs zur werktäglichen Spitzenstunde 8,90 % des Tagesverkehrs (Quellverkehr: 8,58 %) und zur samstäglichen Spitzenstunde 10,50 (Quellverkehr: 9,35%). Hierauf hat BBW in der Stellungnahme vom 14. Januar 2016 (dort S.10) auch noch einmal hingewiesen. Im Übrigen ist auch nicht ohne weitere – und hier fehlende – Erläuterung erkennbar, dass und in welcher Weise diese eher marginalen Abweichungen im Verhältnis von Ziel- und Quellverkehr sich in nachbarrechtsrelevanter Weise durchgreifend auswirken sollten.
46Die Antragstellerinnen meinen, die Begründung des Verwaltungsgerichts für die starken Abweichungen der LKW-Belastung zwischen dem KVP N. und der A 46 sei nicht geeignet, die diesbezüglich gravierenden Unterschiede zu erklären. Insoweit wird fast wörtlich die mit der Beschwerde eingereichte Stellungnahme der Regio D. von Juni 2016 zitiert (465 GA); an einer substantiellen Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts fehlt es insoweit, und im Übrigen ist auch nicht erkennbar, inwieweit sich die von den Antragstellerinnen angeführten starken Abweichungen der LKW-Belastungen an dem KVP N. in Richtung A 46 sich auf ihre weit entfernt gelegenen Grundstücke konkret nachbarlich auswirken sollten.
47Die Antragstellerinnen meinen, hinsichtlich des KP 2 KVP (Kreisverkehrsplatz) N. sei es entgegen der Kritik des Verwaltungsgerichts nach den Erhebungen vor Ort ein realistisches Szenario, dass bei gleichzeitigem Auftauchen eines Sattelschleppers und eines PKW es zu einem Rückstau in den KP 2 komme (465 GA). Damit wird ebenfalls nicht dargetan, dass die der angegriffenen Baugenehmigung zugrundeliegenden Annahmen offensichtlich fehlerhaft wären. Dies gilt insbesondere für die Annahme, es sei nicht erkennbar, dass regelmäßig Verkehr mit Sattelzügen über den F. Weg zu erwarten sei bzw. der Anlieferverkehr für das Einrichtungshaus nicht regelmäßig über den F. Weg abgewickelt werden kann und wird, wie dies im Übrigen auch in Nr. 6.2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans vorgesehen ist.
48Auch hinsichtlich des KP3 T.-------straße /F1. Weg reiche bereits ein Lastzug oder Sattelzug sowie 1 PKW aus, den vorhandenen Stauraum zu überlasten. Es sei wenig plausibel, die Anlieferungen vollständig über den F1. Weg abzuwickeln, zumal der Straßenquerschnitt dort nicht ausreichend sei, um LKW-Begegnungsverkehr zu ermöglichen (465 GA). Insoweit spricht nicht Überwiegendes dafür, dass Beschwerdebegründung ein realistisches Szenario entwirft, zumal die Baugenehmigung lediglich die Anlieferung durch 16 LKW täglich zulässt. [Abgesehen davon, wirkte sich nicht jede – kurzzeitig bleibende – Überlastung einer Verkehrsanlage, die auf ein bestimmtes Vorhaben zurückzuführen wäre, insoweit schädlich aus. Nur wenn ein Vorhaben zu einer solchen Belastung der das Grundstück erschließenden Straße führte, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht nur ausnahmsweise in Spitzenzeiten ohne zusätzliche Erschließungsmaßnahmen, wie eine Verbreiterung der Straße oder die Schaffung von Erschließungsspuren, nicht mehr gewährleistet wäre fehlte es an der gesicherten Erschließung.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 – 4 C 15.84 -, BRS 46 Nr. 62 = juris Rn 34 sowie OVG NRW, Urteil vom 20. August 1996 – 10 A 2628/91 -, juris Rn. 59 f.
50Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, inwieweit durch den von den Antragstellerinnen in den Raum gestellten Betriebsablauf, nachbarliche Abwehrrechte der Antragstellerinnen konkret verletzt sein könnten.
51Die Antragstellerinnen tragen ferner vor, beim KP 5 T.-------straße /I. Straße seien die notwendigen Grenzzeitlücken in den Hauptstrom von 6,6 s für das Linkseinbiegen von der Nebenstraße nicht gegeben. Hinzukomme, dass auch die Folgezeitlücke von 3.4 s noch gegeben sei müsse. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wenn das Verwaltungsgericht hier weiteren Aufklärungsbedarf sehe, denn die genannten Folgezeitlücken seien nicht ausreichend, um die erhebliche Anzahl der Linksabbieger in Fahrtrichtung Norden zum KVP N. (KP 2) aufzunehmen. Dies habe auch BBW erkannt und daher die Leistungsfähigkeit für diesen Knotenpunkt nicht berechnet. Da die Einbeziehung von KP 5 in den Knoten 6 an der AS A 46 zu weiteren Einbußen der Leistungsfähigkeit geführt hätten, sei dies offensichtlich bewusst unterlassen worden (465 GA). Das Verwaltungsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass 39 LKW in die T.-------straße nach Norden einbiegen würden (dort S. 15); hierbei handele es aber ausweislich einer Zählung vom 22. Februar 2016 um 39 PKW vom Parkplatz von D2. , die dann nach Norden zu AS P. Nord gelangen wollten und daher die I. Straße nutzten, um künftig den KP 6 zu umfahren, was der direkteste Weg sei. Auch die vom VG als Alternative genannte Wittener Straße führe auf die T.-------straße und damit zu Mehrverkehren (466 GA). Ein durchgreifender offensichtlicher methodischer Fehler der BBW kann daraus nicht ohne weiteres abgeleitet werden. Denn in der Verkehrsuntersuchung von März 2015 (dort S. 66 und 679 wird sowohl dem Knotenpunkten 5 (T.-------straße /I. Straße) als auch dem Knotenpunkt 6 (T.-------straße /BAB 46 Abschlussstelle [Süd]) – und zwar auch unter Berücksichtigung einer Pulk- bzw. Rückstaubildung der benachbarten Knotenpunkte - jeweils eine befriedigende Verkehrsqualität (QSV C) attestiert, so dass noch Reservekapazitäten bestehen.
52Die Antragstellerinnen tragen ferner vor, die kombinierten Geh- und Radwege im Bereich des Kreisverkehrs widersprächen der ERA, für Fußgänger und Radfahrer würden entgegen dem verbindlichen Erlass vom 10.Juni 2011 keine verkehrssicheren Anlagen entwickelt (466 GA). Insoeweit hat aber bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass dies für sich genommen ein im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 11. Dezember 2015 kein rechtlich relevanter Aspekt ist
53Unter Berücksichtigung des oben genannten eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes lässt sich dem Vorbringen der Antragsstellerinnen auch nicht entnehmen, dass diese bei Umsetzung der angefochtenen Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt der Lärmbetroffenheit bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbare Belastungen hinzunehmen hätten.
54Die im Wesentlichen auf den Eingangsdaten der Verkehrsuntersuchung der BBW aus März 2015 aufbauende schalltechnische Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz B. aus Juni 2015, die dem Bebauungsplan zugrundeliegt, lässt ebenso wie die Verkehrsuntersuchung für die Grundstücke der Antragstellerinnen keinen kritischen vorhabenbedingten Immissionen in Form von Gewerbelärm hervortreten.
55Insoweit liegt eine evidente Fehlerhaftigkeit des Bebauungsplans ebenfalls nicht auf der Hand, ohne dass damit einer abschließenden Bewertung im Hauptsacheverfahren vorgegriffen werden soll
56Die schalltechnische Untersuchung vom Juni 2015 ist dabei von der Vorstellung getragen, dass der Verkehr auf der öffentlichen Straße, auch soweit er durch das Vorhaben generiert wird, nicht zu den Geräuschen gehört, die aus genehmigungsrechtlicher Perspektive in erster Linie relevant sind, weil die Voraussetzungen der Nr. 7.4. TA Lärm nicht vorliegen, sondern dass es sich letztlich um Verkehrsverhältnisse handle, die im Zusammenhang mit der Entwicklungsmaßnahme zu sehen sind. Dabei setzt der Bebauungsplan auf eine Konfliktlösung nach Maßgabe der §§ 41 und 42 BImSchG und verweist Betroffene, soweit die Voraussetzungen nicht gegeben sind, darauf, ggf. eine Überprüfung des Straßenbaulastträgers zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zu erreichen. Dies kann auch vorliegend als ein grundsätzlich tragfähiger Ansatz angesehen werden.
57Vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 17. April 2008 – 7 D 110/07.NE -, juris Rn. 130 ff und vom 13. Dezember 2007 – 7 D 122/06.NE -, juris Rn. 84 ff.,
58Insoweit wird auch nicht unberücksichtigt bleiben können, dass sich die Veränderungen unter Zugrundelegung der schalltechnischen Untersuchung, die insoweit wohl eine Saldierung der Umbaumaßnahme mit dem Neuverkehr vorgenommen hat (vgl. Unterlage 4.3 der schalltechnischen Untersuchung von Juni 2015 sowie S. 10 bzw. 12 der Stellungahme des Planungsbüros B. vom 8. Januar 2016), voraussichtlich im rein rechnerischen Bereich bewegen werden. Dies gilt insbesondere Gebäude der Antragstellerin zu 1. (T.-------straße 70), dessen Belastung die Beschwerde besonders hervorhebt. Hier geht es nach den Feststellungen des Gutachters um maximal 0,3 dB (A) im Erdgeschoss des Gebäudes auf der nordwestlichen Seite bei einer Gesamtausgangsbelastung von gerundet 68 dB (A) tagsüber; für den Immissionspunkt am Gebäude T.-------straße 82, der als Anhalt für die Belastung des sich allerdings erst ca. 10 m weiter südlich anschließenden Gebäudes der Antragstellerin zu 2. T.-------straße 84 herangezogen werden kann geht es um gerundete Tageswerte 69 bzw. 70 dB (A) bzw. 62/63 dB (A) nachts. Für die im Rahmen der Vorbelastung für T.-------straße 70 einschließlich der prognostizierten Lärmauswirkungen der A 46 mit 71 dB (A) ausgewiesenen Fenster steht eine Erhöhung um 0,2 bzw. 0,1 in Rede und für den Immissionsort im Erdgeschoss bei der Saldierung eine Reduzierung von 0,1. Auch für das – nach dem Vorbringen der Antragstellerin zu 1. im u.a. von ihr betriebenen Verfahren 2 B 1456/15.NE in ihrem Eigentum stehende - Grundstück T.-------straße 68 bewegen sich die Veränderungen in einer entsprechenden Größenordnung, wenn auch bei höherer Ausgangsbelastung wegen seiner Lage direkt gegenüber dem Knotenpunkt 6 (T.-------straße /Anschluss BAB 46). Die Annahme der schalltechnischen Untersuchung, die Voraussetzungen der Nr. 7.4 TA Lärm seien nicht erfüllt, erweist sich daher – vorbehaltlich einer etwaigen Prüfung im gegen die Baugenehmigung gerichteten Hauptsacheverfahren – als im Ausgangspunkt tragfähig.
59Ob die Vorstellungen, welche Eigentümer Entschädigung nach §§ 41, 42 BImschG beanspruchen können bzw. Aussicht auf eine Überprüfung von Maßnahmen der Lärmsanierung haben, in allen Details zutreffen, bedarf hier keiner Vertiefung. Von einer offensichtlichen Fehleinschätzung, die zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen würde, ist jedenfalls im vorliegenden Verfahren unter Zugrundelegung des genannten Überprüfungsmaßstabes nicht auszugehen. Die von den Antragstellerinnen angeführten Schwellenwerte gehen zurück auf die Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes – VLÄrmSchR 1997 –, die allerdings allein die Überprüfung der Sanierung von Straßen in der Baulast des Bundes betreffen. Diese bilden aber ohnehin – ebenso wie von den Antragstellerinnen [allerdings wohl eher im Zusammenhang mit der Verkehrsuntersuchung] in den Raum gestellte offenbar auf das nationale Lärmschutzpaket II zurückgehende Absenkung der Werte um 3 dB (A) [die im Übrigen auch bei Anwendbarkeit im Landesrecht von der Bereitstellung der entsprechenden Haushaltsmittel abhängt] - nicht die Grenze, nach der nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine Schutzpflicht des Staates begründet wäre. Die Erwägungen der Antragstellerinnen lassen insbesondere unberücksichtigt, dass sich bei Erreichen selbst der Werte der Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm – Lärmschutz-Richtlinie-StV – vom 23. November 2007 in Wohngebieten von 70 dB (A) tagsüber und 60 dB (A() nachts, um die es hier für die Antragstellerinnen angesichts der Gegebenheiten in der Örtlichkeit offensichtlich nicht gehen kann, etwa bei der Frage, ob verkehrslenkende Maßnahmen nach § 45 StVO ergriffen werden sollen oder Maßnahmen der Lärmsanierung durchgeführt werden, eine Ermessensreduzierung nicht zwangsläufig gegeben ist. Die Behörde darf insoweit von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen absehen, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint. Bei erheblichen Missständen müssen die entgegenstehenden Interessen von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese eine Maßnahme unterbleiben soll.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 – 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 15 sowie OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 2 B 1353/12.NE -, juris Rn. 34 m. w. N.
61Nach Nr.7.4 TA Lärm, auf die dem Bebauungsplan zugrundeliegende schalltechnische Untersuchung aus Juni 2015 vertretbar abstellt, sollen Geräusche des An- und Abfahrverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von den Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nr. 6.1 c) bis f) durch Maßnahmen organisatorischer Art so weit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag und die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB (A) erhöhen, keine Vermischung mit den übrigen Verkehr erfolgt und die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV erstmals oder weitergehend überschritten werden. Die Verweisung auf die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV bedeutet dabei nicht, dass die dort normativ festgelegten Lärmgrenzwerte der bauleitplanerischen Abwägung hinsichtlich der Berücksichtigung eines prognostizierten anlagenbezogenen Zu- und Abfahrverkehrs strikte rechtliche Grenzen setzt. Welche Lärmbelästigungen unterhalb der Grenze zu Gesundheitsgefahren zugemutet werden darf, richtet sich auch bei einer Orientierung an Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm, die insoweit nur als Orientierungshilfe dient, nach den Umständen des Einzelfalls. Von den in der 16. BImSchV festgelegten Immissionswerten darf in einer Bebauungsplanung, die nicht den Neubau oder die wesentliche Erweiterung einer Straße zum Inhalt hat, abgewichen werden. Das gilt auch für die planerische Ausweisung eines Sondergebiets für den großflächigen Einzelhandel.
62Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2007 – 4 BN 41.07 -, BRS 71 Nr. 6= juris Rn. 7.
63Mit Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm wurde für die Berücksichtigung von Verkehrslärm einen klare, nicht auf Ergänzung angelegte Regelung geschaffen, die die Gerichte bindet und eine in der Rechtsprechung vor Erlass der TA Lärm 1998 vorgenommene weitergehende Zurechnung ausschließt.
64Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2013 – 4 B 23.12 -, BRS 81 Nr. 91 = juris Rn. 5.
65Die Beschwerdebegründung zeigt keine bei bereits summarischer Prüfung offen zu Tage tretenden Mängel der dem Bebauungsplans zugrundeliegenden schalltechnischen Untersuchung von Juni 2015 auf.
66Die schalltechnische Untersuchung kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis (dort S. 38 ff.), dass ein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen nach den Maßgaben der 16. BImschV nur an nicht im Eigentum der Antragstellerinnen des vorliegenden Verfahrens oder des Antragstellers des Verfahrens 2 B 1465/15.NE stehenden Gebäuden (nämlich T.-------straße 62, N. 274 und 277 sowie T3. 2) besteht. Hinsichtlich des Gewerbelärms gelangt die Schalltechnische Untersuchung zu dem Ergebnis (dort S. 43), dass lediglich am F2. Weg 5 aufgrund der nächtlichen Warenanlieferung des genehmigten Einrichtungshauses eine Überschreitung der jeweiligen Immissionsrichtwerte zu erwarten und eine Lärmschutzwand vorzusehen sei. In Bezug auf den vorhabenbezogenen Verkehrslärm sei nicht mit einer spürbaren Erhöhung der Emissionspegel zu rechnen (dort S. 44); die maßgeblichen Schwellenwerte von 70 dB (A) tagsüber und 60 dB (A) nachts für allgemeine Wohngebiete bzw. von 72 dB (A) tagsüber und 62 dB (A) nachts für Gebäude im Außenbereich bzw. im Mischgebiet würden nicht überschritten. Für die Grundstücke der Antragstellerin zu 1. (T.-------straße 70 bzw. 68) gelangt die genannte Untersuchung im Kern zu dem oben wiedergegebenen Ergebnis, so dass von einer spürbaren Verschlechterung der Lärmsituation für die dort befindlichen Gebäude nicht ausgegangen werden kann.
67Das Gebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 2. (T.-------straße 84) ist nicht in Bezug genommen worden, wohl aber das ca. 10 m weiter nördlich befindliche Gebäude T.-------straße 82 mit den oben genannten Werten. Diese Werte werden als solche von den Antragstellerinnen nicht in Frage gestellt; hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. ist aufgrund ihrer im Vergleich zum Gebäude T.-------straße 82 etwa 10 m größeren Entfernung davon auszugehen, dass die Werte für ihr Gebäude eher niedriger liegen werden.
68Aufbauend auf der schalltechnischen Untersuchung B. ist nicht erkennbar, dass der Rat der Antragsgegnerin in Bezug auf den vorhabenbezogenen Mehrverkehr und die von ihm ausgehenden Lärmimmissionen Belange nicht in Abwägung eingestellt bzw. offensichtlich fehlgewichtet hat, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen.
69Die Beschwerdebegründung tritt der Annahme der schalltechnischen Untersuchung, hinsichtlich des Ziel- und Quellverkehrs auf der T.-------straße seien die Voraussetzungen der Nr. 7.4 TA Lärm nicht erfüllt, als solche auch nicht entgegen, sondern rügt die fehlerhafte Abwägung der Lärmschutzbelange bei der Aufstellung des Bebauungsplans. Eine Erhöhung um 3 dB (A) unter Einbeziehung der erfolgten Maßnahmen zum Ausbau der Straße lässt sich allerdings aus den genannten Gründen auch unter Einbeziehung der Beschwerdeeinwände nicht feststellen Dass die Antragstellerin zu 1. in dem u.a. von ihr geführten Verfahren 2 D 1456/15.NE zu der Frage, ob eine wesentliche Änderung i.S.d. 16. BImSchV vorliegt, ausgeführt hat, wenn man den Zusatzverkehr um bloße 0,3 erhöhe, komme man unter Einbeziehung der Rundungsregel auf 3 dB (A) und damit zur Annahme einer wesentlichen Änderung, ändert hieran nichts, zumal sich das Planungsbüro B. hierzu in seiner Stellungnahme vom 8. Januar 2016 (dort S. 11) verhalten hat. Dass eine Sonderprüfung nach TA Lärm erforderlich wäre, trägt die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß m§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht vor.
70Vgl. zum Erfordernis einer Sonderfallprüfung auch OVG NRW, Urteil vom 6. Februar 2014 – 2 D 104/12.NE -, juris Rn.100 ff.
71Die Antragstellerinnen kritisieren hinsichtlich der schalltechnischen Untersuchung, der angesetzte Prognosezeitraum sei mit 2025 angesichts des Mindestprognosehorizonts von 10 Jahren zu kurz, so dass ein Prognosehorizont bis 2030 angezeigt gewesen sei, wie er in der Bevölkerungsentwicklungsprognose zugrundegelegt worden. Diese Ausführungen zielen im Kern auf den Prognosehorizont. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen zur Verkehrsuntersuchung verwiesen werden.
72Die Antragstellerinnen meinen weiter, es sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch erkennbar gewesen, dass mit höheren Verkehrsmengen gerechnet werden müsse. Die Berechnungen von S. beruhten auf den J. -Daten von G. mit der dortigen Spitzenstunde und berücksichtigten lediglich bekannte Nutzungsveränderungen und die dadurch zu erwartenden Verkehrszunahmen der Firmen D1. und Q. . Dieses Vorbringen vermag im vorliegenden allein gegen die Baugenehmigung gerichteten Verfahren schon deshalb nicht zu überzeugen, weil das J. -Einrichtungshaus in G. nach Angaben der Antragstellerinnen mit einer Verkaufsfläche von 25.500 qm und damit aus den o.g. Gründen mehr als nur unerheblich größer ist als das hier in Rede stehende und die dortige (freitägliche) Spitzenstunde nicht ohne weiteres auf den hier genehmigten J. -Markt übertragen werden kann. Außerdem hat sich die schalltechnische Untersuchung aus Juni 2015 (dort S. 19 f.) die Vorbelastung u.a. durch die genannten Firmen in Rechnung gestellt.
73Die Antragstellerinnen meinen, die Bestimmung der Kennwerte für die schalltechnische Untersuchung sei unzureichend, denn BBW habe nur den Schwerverkehr größer als 3,5 t erfasst und die nicht die LKW-Größe größer als 2,8 t. Bei Zugrundelegung des Umrechnungsfaktors für die LKW ab 2,8 t sei mit um 1 dB (A) erhöhten Emissionspegeln zu rechnen. Die Lärmkennwerte seien nicht sachgerecht ermittelt worden (467 f. GA). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Tonnenbegrenzung sei nicht maßgeblich und es komme nur auf die Höchstgeschwindigkeit an, sei unzutreffend. Die Mangelhaftigkeit der Verkehrsuntersuchung sei wegen der fehlenden Anteile für LKW größer als 2.8 t eindeutig belegt (468 und 469 GA). Eine evidente Fehlerhaftigkeit der – auf den Ergebnissen der BBW beruhenden - schalltechnischen Untersuchung wird damit nicht dargelegt. Zum einen hat die schalltechnische Untersuchung aus Juni 2015 (dort S. 13) LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t in Rechnung gestellt (vgl. auch S. 6 der Stellungnahme des Planungsbüros B. vom 8. Januar 2016, S. 13). Zum anderen wird das von den Antragstellerinnen der Sache nach wohl angesprochene Problem, aus dem Schwerverkehrsanteil ab 3,5 t das Teilsegment des LKW-Anteils von 2,8 bis 3.5 t zu bilden, mangels bindender rechtlicher Vorgaben durch Regelwerke in der Praxis unterschiedlich gehandhabt, ohne dass dies – bei Zugrundelegung des oben genannten rechtlichen Maßstabes zur Prüfung von Prognoseentscheidungen -, zu beanstanden wäre.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 – 9 A 14.07 -, juris Rn.157 bis 159.
75Dass der Ansatz der der Planung zugrundeliegenden Gutachten insoweit methodisch unzulänglich oder ungeeignet wäre, lässt sich nicht feststellen. So wird z.B. in Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV auf die RLS-90 (Richtlinien für Lärmschutz an Straßen) Bezug genommen. Der RLS-90 stellt aber – soweit sie von LKW- bzw- LKW-Anteilen spricht – auf das zulässige Gesamtgewicht ab, wie bereits die Definition des „maßgebenden LKW-Anteils P“ (dort unter 2.0) verdeutlicht und sich im Übrigen auch aus Nr. 4.4.1.1.1 ergibt. Nach der zuletzt genannten Regelung legt die Gleichung für den Mittelungspegel den maßgebenden LKW-Anteil P für Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2.8 t zugrunde. Allerdings gilt diese Gleichung für den Mittelungspegel u.a. für die Randbedingung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, wobei von 100 km/H abweichende zulässige Höchstgeschwindigkeiten nach 4.4.1.1.2 berücksichtigt werden, und zwar als VLKW als „zulässige Höchstgeschwindigkeit für Lkw [ohne Gewichtsbegrenzung], jedoch mindestens 30 km/h und höchstens 80 km/h“. Für die von der Antragsgegnerin vertretene Lesart, bei der Berechnung von LKW seien 80 km/h zugrundezulegen und eine Einordnung als LKW sei generell erst ab 3,.5 t geboten, so dass eine gesonderte Berücksichtigung von LKW über 2,8 t nicht angezeigt sei, könnte sprechen, dass der Verordnungsgeber mit der Änderung des § 3 Abs. 3 StVO durch Änderungsverordnung vom 7. August 1997 dem Umstand Rechnung tragen wollte, dass „die technische Entwicklung es … [heute] gestattet, auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,.5 t mit dem PKW gleich zu behandeln“,
76vgl. hierzu Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage 1999, § 3 StVO Rn.10c; vgl. zur Abgrenzung zwischen PKW und LKW allgemein auch Kreusch in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2014, § 30 StVO Rn.11,
77und ob dies ohne weiteres auf die Berechnung nach der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV übertragen werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ist der insoweit vom schalltechnischen Gutachten gewählte Ansatz nicht offensichtlich fehlerhaft – auch wenn dieser Frage im Hauptsacheverfahren ggf. noch einmal nachzugegangen werden kann -, und im Übrigen ergibt sich aus dem Vortrag auch nicht konkret, dass gerade an den Gebäuden der Antragstellerinnen (T.-------straße 70 und 82) die maßgeblichen Lärmwerte überschritten würden. Insoweit spricht manches dafür, dass insoweit die Werte selbst bei der von REGIO D. in den Raum gestellten Erhöhung von 1 dB (A) nicht überschritten werden (vgl. z.B. die der schalltechnischen Untersuchung beigefügte Rasterlärmkarte 2025, Markierung BA1)]. Im Übrigen setzt sich die Beschwerdebegründung an dieser Stelle auch nicht hinreichend mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auf S. 18 des angefochtenen Beschlusses auseinander.
78Die Antragstellerinnen tragen vor, das Verwaltungsgericht habe die Absenkung der Lärmsanierungswerte um 3 dB (A) im Straßenbauplan 2010 nicht berücksichtigt. Nunmehr seien nicht mehr die 60/70 dB (A) Grenzwerte, sondern 57/67 dB (A) Grenzwerte für Wohngebiete zugrundezulegen. Dieser Vortrag begründet jedenfalls deshalb keinen durchgreifenden Mangel der schalltechnischen Untersuchung, weil die Grundstücke der Antragstellerinnen nicht innerhalb eines Wohngebietes, sondern innerhalb eines Mischgebietes befinden. Im Übrigen gilt auch insoweit das eingangs der Ausführungen zur schalltechnischen Untersuchung gesagte.
79Ist aus den genannten Gründen mangels offenkundiger Mängel bis auf weiteres von der Wirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen, ist auch für die Anwendung des Rücksichtnahmegebots zugunsten der Antragstellerinnen vorliegend kein Raum. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses (dort S. 22 f.) Bezug genommen.
80Lassen sich im jetzigen Verfahrensstadium keine durchgreifenden nachbarrechtlich relevanten Mängel der angegriffenen Baugenehmigung ausmachen, kann im Rahmen einer weiteren (allgemeinen) Interessenabwägung auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragstellerinnen bei Ausnutzung der Baugenehmigung keinen im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu prüfenden irreversiblen Nachteil in subjektiv-öffentlichen Rechtspositionen erleiden werden. [Anhand der Beschwerdebegründung lassen sich offensichtliche Mängel der verkehrs- oder schalltechnischen Untersuchungen nicht feststellen, auch wenn insoweit ggf. im Hauptsacheverfahren den aufgeworfenen Fragen noch einmal nachgegangen werden kann.] Denn die Nachteile, auf die die Antragstellerinnen sich im Kern berufen, resultieren nicht aus der Errichtung des genehmigten Einrichtungshauses als solchem, sondern aus dessen Betrieb. Die damit im Focus der Antragsbegründung stehenden Nachteile für die Antragstellerinnen sind aber schon deshalb nicht irreversibel, weil hierauf selbst bei einem Erfolg der Antragstellerinnen im Hauptsacheverfahren selbst nach Fertigstellung des Gebäudes immer noch z.B. mit einer Nutzungsuntersagung oder mit ergänzenden z.B. verkehrlichen Maßnahmen reagiert werden könnte.
81Dem aus den genannten Gründen als rechtlich jedenfalls nicht höher anzusetzenden Interesse der Antragstellerinnen steht das Interesse der Antragsgegnerin und insbesondere der Beigeladenen gegenüber, von der kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a BauGB vollziehbaren Baugenehmigung zeitnah Gebrauch machen zu können. Das diesbezügliche wirtschaftliche Risiko hat die Beigeladene zu tragen.
82Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, den Antragstellerinnen auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
83Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs.1, 53 Abs. 2 GKG.
84Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Stellplätze und Garagen sind in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt.
(2) In Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, sind Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig.
(3) Unzulässig sind
- 1.
Stellplätze und Garagen für Lastkraftwagen und Kraftomnibusse sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge in reinen Wohngebieten, - 2.
Stellplätze und Garagen für Kraftfahrzeuge mit einem Eigengewicht über 3,5 Tonnen sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge in Kleinsiedlungsgebieten und allgemeinen Wohngebieten.
(4) Im Bebauungsplan kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen nur Stellplätze oder Garagen und zugehörige Nebeneinrichtungen (Garagengeschosse) zulässig sind. Eine Festsetzung nach Satz 1 kann auch für Geschosse unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden. Bei Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 sind Stellplätze und Garagen auf dem Grundstück nur in den festgesetzten Geschossen zulässig, soweit der Bebauungsplan nichts anderes bestimmt.
(5) Im Bebauungsplan kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in Teilen von Geschossen nur Stellplätze und Garagen zulässig sind. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass in Baugebieten oder bestimmten Teilen von Baugebieten Stellplätze und Garagen unzulässig oder nur in beschränktem Umfang zulässig sind, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.
(7) Die landesrechtlichen Vorschriften über die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen sowie die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Bereiche bleiben bei Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 6 unberührt.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
die Baugenehmigung vom
Gründe
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.