Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2018:1204.5L1465.18.00
bei uns veröffentlicht am04.12.2018

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.250 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 13. August 2018 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30. April 2018, mit der der Abriss und Neubau einer Wohnanlage mit sechs Wohneinheiten und Tiefgarage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... in Neustadt/Wstr., F-Straße ..., genehmigt wurde, anzuordnen, ist nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – i.V.m. § 212a BaugesetzbuchBauGB – statthaft und auch ansonsten zulässig. Er ist jedoch in der Sache unbegründet.

2

Für die nach § 80a Abs. 3 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind die gegenläufigen Interessen der Antragsteller und des Beigeladenen für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit nachbarschützenden Vorschriften bestehen. Denn der Rechtsbehelf des Nachbarn ist nicht schon dann erfolgreich, wenn der angefochtene Verwaltungsakt gegen objektives Recht verstößt, sondern nur dann, wenn der Nachbar dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 – 4 B 167.96 –, NVwZ-RR 1998, 457; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand August 2018, § 34 Rn. 140 ff.; Spannowsky in: BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, Stand November 2018, § 34 Rn. 42). Demgegenüber ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, wenn die Baugenehmigung offensichtlich nicht gegen nachbarschützende Normen verstößt. Lässt sich auch nach intensiver Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf des Nachbarn wahrscheinlich zum Erfolg führen wird, sind die Erfolgsaussichten also offen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der der Einzelfallbezug gewahrt bleiben muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 – 4 VR 1005/04 –, NVwZ 2005, 689).

3

In Anwendung dieser Grundsätze muss hier die Interessenabwägung zu Gunsten des Beigeladenen ausfallen. Denn die dem Beigeladenen am 30. April 2018 erteilte Baugenehmigung verstößt aller Voraussicht nach nicht gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.

4

Rechtsgrundlage für die Erteilung der Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind die §§ 70 Abs. 1, 66 Landesbauordnung – LBauO –. Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen für das Vorhaben vorliegen, d.h. hier die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens.

5

Diese richtet sich nach § 34 BauGB, da das Grundstück des Beigeladenen im unbeplanten Innenbereich von Neustadt/Wstr. liegt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Wie weit der Bereich der für eine Beurteilung maßgeblichen näheren Umgebung zu ziehen ist, richtet sich jeweils nach dem Einwirkungsbereich des Vorhabens auf seine Umgebung (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 1 A 11806/16.OVG – und Beschluss vom 09. November 2018 – 8 A 10751/18.OVG –). Er reicht weiter als die unmittelbare Nachbarschaft, umfasst aber weniger als den im Zusammenhang bebauten Ortsteil, von dem die nähere Umgebung in der Regel ein Teil ist (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460).

6

1. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang monieren, das Bauvorhaben des Beigeladenen füge sich nicht in die nähere Umgebung ein, da es im Verhältnis zu den Nachbargrundstücken überdimensioniert sei, können sie damit nicht durchdringen. Es bedarf vorliegend keiner näheren Prüfung, wie weit hier die maßgebliche nähere Umgebung reicht und ob sich das Vorhaben des Beigeladenen in diese nähere Umgebung einfügt. Denn im vorliegenden Verfahren geht es, wie ausgeführt, ausschließlich um die Vereinbarkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen mit nachbarschützenden Vorschriften.

7

2. Die Antragsteller können sich auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Gebietserhaltungsanspruch berufen.

8

Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festsetzten (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder in einem „faktischen“ Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) das Recht, sich gegen Vorhaben zur Wehr zu setzen, die hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässig sind (s. ausführlich BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28/91 –, NJW 1994, 1546; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Juni 2018 – 1 A 11806/16.OVG –). Durch die (faktische) Festsetzung über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch und zwar auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer für ihn tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Abwehranspruch wird daher grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst.

9

Es ist vorliegend unstrittig, dass die in den Blick zu nehmende Umgebungsbebauung des Bauvorhabens als faktisches reines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BaunutzungsverordnungBauNVO – zu qualifizieren ist.

10

Das Bauvorhaben des Beigeladenen hat eine Wohnanlage mit sechs Wohneinheiten und einer Tiefgarage zum Gegenstand und ist damit als „Wohngebäude“ gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Wohngebäude sind bauliche Anlagen, die zum dauernden Wohnen geeignet und bestimmt sind (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 3 BauNVO Rn. 34). Der Begriff des Wohngebäudes umfasst alle Formen des dauernden Wohnens vom Einfamilienhaus im Bungalowstil bis zum vielgeschossigen Mietshaus mit den entsprechenden Wohnungen und Appartements. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gebietserhaltungsanspruch kann nur vorliegen, wenn ein mit der Gebietsart unvereinbares Bauvorhaben zugelassen würde. Dies ist hier gerade nicht der Fall.

11

3. Ferner können die Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, durch die Errichtung der Wohnanlage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... würden sie in ihrem Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets verletzt.

12

3.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 13. Mai 2002 – 4 B 86/01 –, NVwZ 2002, 1384; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –) vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht nur das Gebot der Rücksichtnahme, sondern auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets. Nach der zuletzt genannten Bestimmung sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Der Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets, der in der Literatur auch besonderer Gebietserhaltungsanspruch (s. Stühler, BauR 2011, 1576 und Möller/Knickmeier, NordÖR 2010, 138) oder Gebietsprägungserhaltungsanspruch (Decker, JA 2007, 55) genannt wird, greift dann ein, wenn ein Bauvorhaben bauplanungsrechtlich in dem entsprechenden Baugebiet entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig, also mit der Gebietsart vereinbar wäre, es aber gleichwohl generell gebietsunverträglich ist, weil es der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht (Bay. VGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 2 ZB 11.2653 –, juris). § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO geht daher davon aus, dass im Einzelfall – ausnahmsweise – „Quantität in Qualität umschlagen“ kann, mithin die Größe oder Lage einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 – 4 C 3.94 –, NVwZ 1995, 899; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –). Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist ein „Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets“ nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Den Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung „im Einklang steht“, genügt dafür nicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG –, juris).

13

3.2. Gemessen an diesen Grundsätzen vermag die Kammer vorliegend nicht festzustellen, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen der Eigenart des angenommenen faktischen reinen Wohngebiets in seinem sich aus den örtlichen Verhältnissen ergebenden besonderen Gebietscharakter widerspricht.

14

Aus der Zahl der genehmigten Wohneinheiten des Bauvorhabens folgt keine Unvereinbarkeit mit dem Gebietscharakter des faktischen reinen Wohngebiets. Vielmehr erfüllt das Vorhaben mit sechs Wohneinheiten gerade den Zweck des faktischen reinen Wohngebiets, indem es dem Wohnen, einem der zwei Hauptnutzungsarten nach § 3 Abs. 1 BauNVO, dient. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Größe der baulichen Anlagen und die Ausdehnung auf dem Baugrundstück die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen sowie aufgrund der Dimensionierung des Bauvorhabens eine neue Art der baulichen Nutzung in das reine Wohngebiet hineingetragen wird. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die beabsichtigten sechs Wohneinheiten nicht in einem einzigen großen Gebäude geplant sind, sondern in zwei Gebäuden, die durch begrünte Wegeflächen voneinander getrennt und von Grünflächen und Bepflanzung umgeben sind und dadurch den in der Umgebung vorhandenen Bebauungscharakter – wenn auch in „größerer Art und Weise“ – aufnehmen.

15

Die beiden Objekte mit den Außenmaßen 26 x 9,37 m und 13 x 9,37 m sind zulässige Einzelhäuser im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Dem steht nicht entgegen, dass sich darin mehrere Eigentumswohnungen befinden (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16. April 2012 – 3 L 156/08 –, juris). Insgesamt hat der Gesamtbaukörper des Bauvorhabens des Beigeladenen eine Grundfläche von 356 m² und damit weniger als etwa der Gesamtbaukörper auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... (F-Straße ... und ...). Das in dem gegebenen faktischen reinen Wohngebiet allgemein zulässige Vorhaben des Beigeladenen wahrt daher noch die Zweckbestimmung des Baugebiets und führt nicht zu einer auffälligen Unverträglichkeit mit dem faktischen reinen Wohngebiet.

16

4. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt auch nicht das partiell drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthalten ist (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 – 4 C 34/85 –, BauR 1986, 542). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370).

17

4.1. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet regelmäßig aus, wenn alle durch das Gebot geschützten, möglicherweise beeinträchtigten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Regelungen (meist die Vorschriften über Abstandsflächen und Stellplätze) geschützt sind und das Vorhaben deren Anforderungen genügt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – 4 C 3/00 –, NVwZ 2001, 813; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –). Andererseits kann das Rücksichtnahmegebot, das selbständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften steht, im Hinblick auf diese Belange auch dann verletzt sein, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 – 4 B 128/98 –, NVwZ 1999, 879). Daraus folgt aber im Umkehrschluss nicht, dass bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls an.

18

4.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.

19

4.2.1. Das Bauvorhaben des Beigeladenen hält zu sämtlichen Grundstücken der Antragsteller, die im Übrigen nicht unmittelbare Nachbarn des Beigeladenen sind und somit auch keinen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 LBauO rügen können, die erforderlichen Abstandsflächen nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 LBauO ein.

20

4.2.2. Eine Rücksichtslosigkeit kann auch nicht aus der Größe und Ausdehnung des Gebäudes des Beigeladenen hergeleitet werden. Das Rücksichtnahmegebot ist nicht schon dann verletzt, wenn sich das zu beurteilende Vorhaben von der in der maßgeblichen Umgebung vorhandenen Bebauung etwa hinsichtlich der Kubatur, der absoluten Höhe oder der Massivität abhebt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Mai 2002 – 7 B 558/02 –, juris; VG Mainz, Beschluss vom 17. April 2013 – 3 L 191/13.MZ –). Hinzukommen muss vielmehr, dass von dem Vorhaben unzumutbare Auswirkungen auf ein Nachbargrundstück ausgehen oder die von einem den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitenden Vorhaben hervorgerufenen städtebaulichen Spannungen gerade auf solchen Folgen beruhen. Auswirkungen sind unzumutbar, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was der Nachbar billigerweise hinnehmen muss, überschritten wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 1 CS 08.2770 –, juris). Wann dieses Maß überschritten ist, lässt sich nicht verallgemeinern; maßgeblich sind insoweit die konkreten Umstände des Einzelfalles.

21

Eine solche das Gebot der Rücksichtnahme verletzende Situation ist mit Blick auf die Grundstücke der Antragsteller nicht festzustellen. Insbesondere geht von dem Bauvorhaben des Beigeladenen keine „erdrückende Wirkung“ auf die Grundstücke der Antragsteller aus. Eine „erdrückende Wirkung“, die dem Nachbarn nicht zumutbar ist, kann nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (s. z. B. Beschlüsse vom 27. April 2015 – 8 B 10304/15.OVG – und vom 12. Januar 2017 – 8 B 11672/16.OVG –: Von einem „Einmauerungseffekt“ auf ein Grundstück kann nur gesprochen werden, wenn ein betroffenes Grundstück an wenigstens zwei Seiten von einem dominanten Bauwerk umfasst wird), der die Kammer folgt, in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden“ Gebäudes derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, das heißt dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder einer Gefängnishofsituation hervorruft. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn dicht neben einem vorhandenen Wohnhaus ein um mehrere Geschosse höheres Gebäude errichtet würde, was hier indessen nicht der Fall ist. Von einer „erdrückenden Wirkung“ kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Antragsteller sämtlich nicht unmittelbare Nachbarn des Grundstücks Flurstück-Nr. ..., auf dem das Bauvorhaben verwirklicht werden soll, sind.

22

4.2.3. Das Bauvorhaben des Beigeladenen ist auch nicht deshalb rücksichtslos, weil nach der Behauptung der Antragsteller die verkehrstechnische Belastung der Freiheitsstraße schon jetzt enorm hoch sei und sich durch die weitere Steigerung der Anwohneranzahl die problematische Verkehrslage weiter potenziere.

23

An einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in diesem Kontext ist nur dann zu denken, wenn sich die wegemäßige Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtert (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2017 – 8 S 2101/17 –, NVwZ-RR 2018, 298; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. September 2016 – 2 B 660/16 –, juris und Urteil vom 15. Mai 2013 – 2 A 3009/11 –, BauR 2013, 1640). Auch kann eine unzureichende Stellplatzzahl eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und Parksuchverkehr betroffenen Grundstücke im Einzelfall – ausnahmsweise – im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2005 – 7 B 1823/05 –, DÖV 2006, 305).

24

Bei Anwendung dieses Maßstabs besteht kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben die Antragsteller mit Blick auf die wegemäßige Erschließungssituation in rücksichtsloser Weise beeinträchtigt. Die Freiheitsstraße ist im maßgeblichen Bereich eine gut ausgebaute, ca. 9 m breite Straße mit Gehwegen auf jeder Seite. Probleme mit der Erschließung sind nicht erkennbar. Dass die Straße den durch das Vorhaben veranlassten zusätzlichen Verkehr in irgendeiner Weise „nicht aufnehmen könnte“, ist nicht vorstellbar. Auch der mit dem Vorhaben einhergehende Zu-, Abfahrts- und Wendeverkehr wird keine unzumutbaren Umgebungsbelastungen erzeugen. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um Wohnbebauung. Wegen der generellen Zulässigkeit von Stellplätzen und Garagen selbst in reinen Wohngebieten, § 12 Abs. 2 BauNVO, müssen die Nachbarn die Emissionen, die von der im Zusammenhang mit einer wie hier zulässigen Wohnbebauung stehenden Nutzung von Stellplätzen und Garagen ausgehen, im Regelfall hinnehmen (vgl. VG München, Urteil vom 7. Dezember 2016 – M 9 K 16.3410 –, juris). Darauf, dass der Anliegerverkehr nicht zunimmt, haben die Antragsteller keinen Anspruch.

25

Auch kann hier nicht von einer Rücksichtslosigkeit in Hinblick auf eine unzureichende Stellplatzzahl des Bauvorhabens des Beigeladenen ausgegangen werden. Die genehmigten Baupläne sehen insgesamt neun Stellplätze vor, acht davon in einer Tiefgarage. Dies entspricht den Richtzahlen für die Ermittlung des Stellplatzbedarfs in Nr. 1.2. der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 24. Juli 2000 (s. Jeromin, in: Jeromin, a.a.O., § 47 Rn. 105), die für Mehrfamilienhäuser und sonstige Gebäude mit Wohnungen 1 – 1,5 Stellplätze je Wohnung vorsieht.

26

4.2.4. Mit dem weiteren Vortrag der Antragsteller, die vielen Brüche in der Abwasserkanalisation der Freiheitsstraße der letzten Jahre deuteten auf eine Überlastung hin, die Kanalisation könne daher kaum weitere Mehrbelastungen vertragen, können sie eine Rücksichtslosigkeit ebenfalls nicht begründen.

27

Da, wie ausgeführt, das Rücksichtnahmegebot die Nachbarschaft lediglich vor unzumutbaren Einwirkungen bzw. Verschlechterungen schützt, liegt ein Verstoß bei einer vorhabenbedingten Überlastung einer Abwasserbeseitigungsanlage erst dann vor, wenn die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung für die Nachbargrundstücke für einen erheblichen Zeitraum nicht mehr gesichert ist und sie dadurch nicht mehr zweckentsprechend genutzt werden können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2017 – 8 S 2101/17 –, NVwZ-RR 2018, 298). Es ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich, dass der Kanal, in den das Abwasser eingeleitet werden soll, an die Grenze seiner Kapazität gelangt ist oder diese bereits überschritten hat. Konkrete Umstände, die auf eine Unterdimensionierung des gemeindlichen Abwasserkanals schließen lassen, haben die Antragsteller nicht vorgetragen.

28

4.2.5. Schließlich haben die Antragsteller als Nachbarn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt – auch nicht im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme – einen Anspruch darauf, dass sich die Bebauung auf einem Nachbargrundstück nicht ändert. Maßnahmen der (Nach-) Verdichtung sind hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind.

29

5. Soweit die Antragsteller darüber hinaus geltend gemacht haben, das Genehmigungsverfahren sei ohne Beteiligung der unmittelbar betroffenen Eigentümer der Nachbargrundstücke durchgeführt worden, können sie damit ebenfalls nicht gehört werden. Gemäß § 68 Abs. 2 LBauO sind Nachbarn am Genehmigungsverfahren nur zu beteiligen, wenn die Bauaufsichtsbehörde beabsichtigt, von Bestimmungen, die auch dem Schutz nachbarlicher Interessen dienen, Abweichungen zuzulassen. Dies war hier indessen nicht der Fall. Ungeachtet dessen führt ein Verstoß gegen § 68 Abs. 2 LBauO nicht zur materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung (vgl. Kerkmann, in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf, 4. Auflage 2016, § 68 Rn. 64).

30

6. Bei dem weiteren Einwand der Antragsteller, durch eine fortwährende Bodenversiegelung nehme man mehreren Tiere die Lebensräume, handelt es sich nicht um einen Gesichtspunkt, den die Antragsteller baunachbarrechtlich rügen könnten.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. der Ziffer 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baugesetzbuch - BBauG | § 30 Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 3 Reine Wohngebiete


(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden 1. Läden und nicht störende Handwerksbe

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 2 Kleinsiedlungsgebiete


(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 22 Bauweise


(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden. (2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der i

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 12 Stellplätze und Garagen


(1) Stellplätze und Garagen sind in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt. (2) In Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung die

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Dez. 2018 - 5 L 1465/18.NW zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Dez. 2016 - M 9 K 16.3410

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckba

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 26. Sept. 2016 - 2 B 660/16

bei uns veröffentlicht am 26.09.2016

Tenor Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverf

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 05. Dez. 2013 - 4 C 5/12

bei uns veröffentlicht am 05.12.2013

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für eine grenzständige Bebauung.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Apr. 2012 - 3 L 156/08

bei uns veröffentlicht am 16.04.2012

Tenor Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24.04.2008 wird für wirkungslos erklärt. Von den Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24.04.2008 wird für wirkungslos

erklärt.

Von den Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen, tragen die früheren Kläger Frau A. und Herr A. als Gesamtschuldner die bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen Kosten. Die danach entstandenen Kosten werden der (nunmehrigen) Klägerin auferlegt.

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren, den Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die benachbarte Wohnbebauung auf den Grundstücken Gr. St.6 und 7 in A-Stadt zu verpflichten, an denen Wohnungseigentum der Beigeladenen besteht.

2

Die ursprünglichen Kläger sind die früheren Eigentümer des nördlich angrenzenden Einfamilienhausgrundstücks A-Straße. Sie haben das Grundstück im Laufe des Verfahrens an die nunmehrige Klägerin verkauft, die seit 2009 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Der Kaufvertrag enthält einen Hinweis auf den hiesigen Rechtsstreit und Regelungen hierzu.

3

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 8 „Am Waldweg“ der Gemeinde A-Stadt und gehören zu einem allgemeinen Wohngebiet, für das u.a. festgesetzt ist, dass bei offener Bauweise nur Einzel- und Doppelhäuser und höchstens zwei Wohnungen je Wohngebäude zulässig sind.

4

Durch die Objekte auf den Grundstücken Gr. St.6 und 7 verläuft jeweils mittig eine vertikale Brandschutzmauer; rechts und links hiervon liegen getrennte Eingänge. Je Eingang wurde für Erd- und Obergeschoss jeweils selbständiges Wohnungseigentum gebildet; die erforderlichen wohnungseigentumsrechtlichen Abgeschlossenheitsbescheinigungen wurden erteilt; die entsprechenden Bauzeichnungen befinden sich nicht bei den Akten.

5

Den Antrag der ursprünglichen Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 09.12.2002 – 2 B 1101/02 – als unbegründet ab. Auf die Beschwerde verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 09.04.2003 – 3 M 1/03 – (BauR 2003, 1710) den Beklagten zum Erlass einer Baueinstellungsverfügung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Nachdem ein ablehnender Widerspruchsbescheid ergangen war, wurde ein erneuter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz durch die Rohbaufertigstellung überholt.

6

Die Klage der ursprünglichen Kläger hat Verwaltungsgericht Schwerin als unbegründet abgewiesen. Die Kläger könnten keine Abwehransprüche geltend machen, weil die Festsetzungen des Bebauungsplanes keine nachbarschützende Wirkung hätten.

7

Die Kläger haben mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung ihr Begehren weiter verfolgt. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung hätten die in Rede stehenden Festsetzungen des Bebauungsplanes nachbarschützenden Charakter. Es sei die Art der baulichen Nutzung betroffen, weil die Errichtung „baulicher Großformen“ ausgeschlossen werden solle und die Planbetroffenen auch hinsichtlich der Zahl der Wohnungen zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden seien. Durch eine höhere Zahl von Wohnungen werde eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet.

8

Die Beigeladenen haben mitgeteilt, in allen Haushälften befänden sich in Erd- und Obergeschoss jeweils keine gesonderten Wohnungseingangstüren, jeweils nur ein Gasanschluss und ein Hauptanschluss für Strom sowie eine Zentralheizung mit Heizkreis und nur eine Küche, wobei das Einbringen einer weiteren Küche nur nach größeren Baumaßnahmen möglich sei. Der Beklagte hat eine Vor-Ort-Kontrolle in den Objekten Gr. St.6A und 6B durchgeführt und festgestellt, dass es sich jeweils um eine einheitliche Wohnung handele. Eine Küche wurde jeweils nur im Erdgeschoss festgestellt.

9

Mit Schriftsatz vom 19.09.2011 hat der Beklagte die Übernahme des Verfahrens durch die neue Klägerin als Eigentümerin beantragt. Der Prozessbevollmächtigte der bisherigen Kläger hat mit Schriftsatz vom 24.10.2011 angezeigt, den Kläger zu 2. nicht mehr zu vertreten, und für die Klägerin zu 1. den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

10

1. Nachdem die neue Eigentümerin und der Beklagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2012 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 173 VwGO iVm § 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO für unwirksam zu erklären.

11

Die neue Eigentümerin ist nunmehr Klägerin und kann daher als Hauptbeteiligte eine entsprechende Erklärung abgeben. Allerdings hatte der erfolgte Eigentumswechsel gemäß § 173 VwGO iVm § 265 Abs. 2 ZPO auf den Prozess zunächst keinen Einfluss. Der Beklagte konnte aber gemäß § 266 Abs. 1 ZPO die Übernahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolgerin verlangen; von dieser Befugnis hat er Gebrauch gemacht. Die Vorschrift des § 266 Abs. 1 ZPO ist anwendbar auf Rechtsstreitigkeiten über Rechte für oder gegen ein Grundstück einschließlich Nachbarrechten; sie gilt auch im Verwaltungsprozess (zur Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten vgl. OVG NW v. 15.09.1980 – 11 A 2306/78, NJW 1981, 598; VGH Bad.-Württ., B. v. 23.01.1998 – 5 S 2053/97 - , NVwZ 1998, 975; zu dieser Konstellation vgl. a. BVerwG, B. v. 06.05.1992 – 4 B 139/91 -, NJW 1993, 79). Sie ist nach § 173 VwGO auch insoweit entsprechend anwendbar, als der Beklagte berechtigt ist, die Übernahme des Rechtsstreits durch den Rechtsnachfolger zu verlangen (vgl. Bay. VGH, U. v. 23.01.1998 – 8 B 93.4007 -, Juris). Soweit die entsprechende Anwendung des § 266 ZPO im Rahmen des § 173 VwGO zu Modifikationen führen mag, wenn die Behörde nicht schutzbedürftig ist, z.B. weil ein grundstücksbezogener Verwaltungsakt angefochten ist und die Verpflichtung daraus auf den Rechtsnachfolger übergegangen ist (vgl. HessVGH, B. v. 17.06.1997 – 14 TG 2674/95 -, NVwZ 1998, 1315 = Juris Rn. 21), liegt ein solcher Fall hier nicht vor .

12

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

13

a) Danach entspricht es der Billigkeit, die Kosten der Klägerseite aufzuerlegen, die diese voraussichtlich auch im Falle einer streitigen Entscheidung zu tragen gehabt hätte. Die Berufung wäre zurückzuweisen gewesen, weil der Klägerin weder ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nach § 80 Abs. 1 LBauO M-V noch auf Neubescheidung des entsprechenden Antrags zustand, § 113 Abs. 5 VwGO.

14

aa) Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt nicht vor, weil die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 8 der Gemeinde A-Stadt eingehalten werden und sonstige Anhaltspunkte für Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften nicht bestehen.

15

Die Festsetzung, dass nur Einzel- und Doppelhäuser zulässig sind, wird eingehalten, weil es sich bei den beiden streitigen Objekten auf den Grundstücken Gr. St.6 und 7 jeweils um Einzelhäuser im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO handelt.

16

Die beiden Objekte sind keine Doppelhäuser im Sinne § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Dabei handelt es sich um bauliche Anlagen, die dadurch entstehen, dass – gewissermaßen in „Modifikation“ der offenen Bauweise - zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden (BVerwG, U. v. 24.02.2000 – 4 C 12.98 -, BVerwGE 110, 355 = NVwZ 2000, 1055). Eine Grenzbebauung ist jedoch nicht erfolgt.

17

Die beiden Objekte sind jedoch Einzelhäuser im Sinne § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Hierfür reicht aus, dass es sich um Gesamtbaukörper von höchstens 50m Länge handelt, die die seitlichen Grenzabstände einhalten. Dabei kann jeder Baukörper aus mehreren selbständig benutzbaren baulichen Anlagen bestehen; deshalb können auch mehrere Eigentumswohnungen anstatt in einer Schichtung übereinander als „Wohnscheiben“ nebeneinander angeordnet werden. Denn die Festsetzung „Einzelhäuser“ betrifft die Bauweise und nicht die Zahl der auf einem Grundstück zulässigen Nutzungseinheiten (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 08.12.1995 – 1 L 3209/94 -, NVwZ-RR 1997, 277; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 22 Rn. 6.2. und 6.2.2). An der in dem Beschluss vom 09.04.2003 – 3 M 1/03 – (BauR 2003, 1710) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.

18

bb) Die Festsetzung von zwei Wohnungen als höchstzulässige Zahl je Wohngebäude wird ebenfalls eingehalten.

19

In den Haushälften Gr. St.6A und 6B besteht jeweils – entgegen der ursprünglichen Planung, die offenbar auch der Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen durch den Beklagten zu Grunde lag – nur eine abgeschlossene Wohnung. Ob dies ebenso auch für die Haushälften Gr. St.7A und 7B zutrifft, kann offen bleiben. Denn die Zwei-Wohnungs-Klausel schließt nicht aus, auf einem Grundstück einen Baukörper zu errichten, der aus zwei aneinander gebauten funktional selbständigen Haushälften besteht (sog. „unechtes Doppelhaus“), von denen jede wiederum zwei Wohneinheiten aufweist. Wohngebäude im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB und damit der Zwei-Wohnungs-Klausel, in dem höchstens zwei Wohnungen zulässig sind, ist nicht der Baukörper insgesamt, sondern die einzelne Haushälfte. Maßgeblich ist das Gebäude im engeren Sinne, d.h. im Sinne der funktional selbständigen Einheit. Ebenso handelt es sich bei „echten“ Doppelhäusern und Hausgruppen im Sinne der Festsetzung um mehrere Wohngebäude, d.h. die Zwei-Wohnungs-Klausel bezieht sich auf die Doppelhaushälfte bzw. das einzelne Haus (Reihenhaus) einer Hausgruppe (vgl. OVG Hamburg, B. v. 09.04.2010 – 2 Bs 49/10 -; Söfker, in: Ernst/Zinkhan/Bielenberg, BauGB, Stand: 03/11, § 9 Rn. 69).

20

cc) Auf die Frage ob die Zwei-Wohnungs-Klausel vom Ortsgesetzgeber ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet wurde - wofür allerdings die auf das Maß der baulichen Nutzung bezogene Begründung sprechen könnte, dass einer Ausnutzung des weit gesteckten Festsetzungsrahmens mit Tendenzen zur übermäßigen Verdichtung und Baulandausnutzung entgegengewirkt werden solle (S. 11, letzter Abs. der Planbegründung) - oder ob ihr nachbarschützende Wirkung zukommt, weil sie den Gebietscharakter im Sinne einer Bebauung vorwiegend mit Familienheimen bestimmen sollte, so dass ihr auch bodenrechtliche Relevanz hinsichtlich der Art der Nutzung zukommt (zu diesen Möglichkeiten vgl. BVerwG, B. v. 09.10.1991 – 4 B 137/91 -, Juris mwN; B. v. 09.03.1993 – 4 B 38.93 -, NVwZ 1993, 1100), kommt es daher nicht an.

21

b) Was die Aufteilung der Kosten auf Klägerseite angeht, entspricht es billigem Ermessen, dass die früheren Kläger die bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen Kosten als Gesamtschuldner tragen und die danach entstandenen Kosten der nunmehrigen Klägerin zur Last fallen (zu dieser Kostenteilung auch im Falle streitiger Entscheidung vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 154 Rn. 43; OLG Stuttgart, B. v. 12.04.1973 – 6 U 73/72 – Juris -; anders Greger in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 91 Rn. 13 „Parteiwechsel“ sowie OLG Brandenburg, U. v. 11.03.2004 – 9 UF 123/03 -, Juris: Aufteilung der bis zum Parteiwechsel entstandenen Kosten nach Kopfteilen; noch anders Roth in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 4, 22. Aufl. 2008, § 263 Rn. 53 mwN sowie OLG Hamm, B. v. 08.08.2007 – 12 W 11/07 – u. OLG Celle, B. v. 12.11.2003 - 6 W 120/03 -, beide in Juris: Auferlegung nur der ausscheidbaren Mehrkosten an den früheren Kläger).

22

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. II.9.7.1 des Streitwertkataloges.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für eine grenzständige Bebauung.

2

Kläger und Beigeladener sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in K.... Diese sind mit einem Doppelwohnhaus mit jeweils zwei Geschossen und einem Dachgeschoss bebaut. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 11,60 m. Die Haushälften stehen mit vier bzw. sechs Metern Abstand zur festgesetzten Baufluchtlinie. Die Haushälfte des Beigeladenen wurde 1954, die des Klägers 1971 errichtet. Die übrige Bebauung der Straße besteht auf der einen Straßenseite - abgesehen von einem freistehenden zweigeschossigen Wohngebäude - aus zwei- oder mehrgeschossigen Häusern, Doppelhäusern oder Hausgruppen, auf der anderen Straßenseite herrscht eine zwei- bis dreigeschossige Bebauung mit Doppelhäusern oder Hausgruppen vor. Außer einem Fluchtlinienplan fehlen bauplanerische Festsetzungen.

3

Der Beigeladene beabsichtigt auf seinem Grundstück die Errichtung eines 15 m hohen viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit zusätzlichem Staffelgeschoss und Flachdach. Es soll anstelle der bestehenden Haushälfte ohne Einhaltung von Grenzabständen und unter Ausnutzung der Baufluchtlinie errichtet werden. Für das Vorhaben erteilte das Bauaufsichtsamt der Beklagten den streitgegenständlichen planungsrechtlichen Vorbescheid.

4

Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Vorbescheid erhobene Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den streitgegenständlichen Vorbescheid aufgehoben. Der Vorbescheid sei rechtswidrig, weil das geplante Vorhaben mit § 34 Abs. 1 BauGB unvereinbar sei. Es füge sich nach seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die in offener Bauweise gebaut sei. Das Vorhaben des Beigeladenen beseitige das bestehende Doppelhaus, ohne ein neues Doppelhaus zu schaffen. Die beiden Haushälften würden vielmehr bei Realisierung des Vorhabens den Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper erwecken. Auf diesen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB könne sich der Kläger berufen. Denn mit der Doppelhausbebauung gingen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden dürfe.

5

Mit seiner vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beigeladene geltend, die Rechtsprechung zur nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <362 f.>) könne auf den unbeplanten Innenbereich nicht übertragen werden. Die maßgeblichen Fälle seien über das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 BauGB zu lösen. Danach sei die Klage abzuweisen. Auf den Kläger sei umso weniger Rücksicht zu nehmen, als dieser sein Grundstück baulich nicht vollständig ausnutze.

6

Die Beklagte schließt sich dem Standpunkt des Beigeladenen an.

7

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der streitgegenständliche Vorbescheid ist rechtswidrig (1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2.) (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

10

a) Das Vorhaben des Beigeladenen ist hinsichtlich seiner Bauweise planungsrechtlich an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehlt und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegt. Maßstabsbildend im Sinne dieser Vorschrift ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 48). Das Oberverwaltungsgericht hat als nähere Umgebung die beiden Seiten der R...straße in den Blick genommen (UA S. 9), die Beteiligten haben hiergegen Einwände nicht erhoben.

11

b) In dieser Umgebung befindet sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Bebauung mit Doppelhäusern, Hausgruppen und wenigen Einzelhäusern, die das Oberverwaltungsgericht als offene Bauweise bezeichnet.

12

Mit diesen Bezeichnungen greift das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler auf Begriffe der Baunutzungsverordnung zurück. Denn deren Vorschriften können im unbeplanten Innenbereich als Auslegungshilfe herangezogen werden (Beschluss vom 27. Juli 2011 - BVerwG 4 B 4.11 - BRS 78 Nr. 102 Rn. 4; Urteile vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278> = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 168 S. 9 und vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 19.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 173 S. 30). Sie enthalten definitorische Grundsätze, was etwa die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen (Beschlüsse vom 7. Juli 1994 - BVerwG 4 B 131.94 - juris Rn. 3 und vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166 S. 6). Aus diesem Grund konnte das Oberverwaltungsgericht auch auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgreifen, als es die Eigenart der Umgebungsbebauung, die bestehende Bebauung auf den Grundstücken des Klägers und des Beigeladenen und das streitgegenständliche Vorhaben gewürdigt hat.

13

Im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist ein Doppelhaus eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - a.a.O. S. 357 ff. = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 3 ff.; Beschluss vom 23. April 2013 - BVerwG 4 B 17.13 - BauR 2013, 1427 Rn. 5). Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - ZfBR 2012, 478, juris Rn. 9), also auch für den unbeplanten Innenbereich.

14

Die knappen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Umgebungsbebauung bieten keinen Anlass für die Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Feststellung von Doppelhäusern in der näheren Umgebung einen hiervon abweichenden Begriff des Doppelhauses zugrunde gelegt. Nach den Urteilsgründen handelt es sich bei dem gegenwärtigen Gebäude des Klägers und des Beigeladenen "auch" um ein Doppelhaus (UA S. 9). Diese Formulierung setzt einen einheitlichen Begriffsinhalt voraus. Damit steht fest, dass sich in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks nur solche einseitig grenzständigen Haushälften befinden, die das begrifflich geforderte Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen und deshalb Doppelhäuser im Sinne des Senatsurteils vom 24. Februar 2000 (a.a.O.) sind. Diese mit Revisionsrügen nicht angegriffene Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO), insbesondere ist sie nicht zweifelsfrei aktenwidrig (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 70).

15

c) Damit prägen solche Gebäude die nähere Umgebung, die bei bauplanerischer Festsetzung einer offenen Bauweise zulässig sind (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Dennoch bestimmt sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen hinsichtlich der Bauweise nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Vorschrift richtet sich an die planende Gemeinde (vgl. Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <154> = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 S. 97). Anders als § 34 Abs. 2 BauGB für die Art der baulichen Nutzung verweist § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich des Einfügens nach der Bauweise selbst dann nicht auf den Maßstab der Baunutzungsverordnung, wenn die nähere Umgebung der dort definierten offenen oder geschlossenen Bauweise entspricht. Den rechtlichen Maßstab bestimmt vielmehr § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach sich das Vorhaben des Beigeladenen nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung einfügen muss.

16

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts beseitigt das Vorhaben des Beigeladenen das bestehende Doppelhaus, führt aber nicht zur Entstehung eines neuen Doppelhauses. Es stützt sich für diese Würdigung auf quantitative Abweichungen, die zwei zusätzlichen Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, die unterschiedliche Höhe der Gebäudehälften und die Erweiterung im viergeschossigen Bereich sowie die zusätzliche Erweiterung im zweigeschossigen Bereich. Hinzu träten qualitative Gesichtspunkte, insbesondere die unterschiedlichen Dachformen (Satteldach auf der einen, Flachdach auf der anderen Seite). Diese Würdigung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Zwar mahnt das Urteil vom 24. Februar 2000, den Begriff des Doppelhauses nicht bauordnungsrechtlich zu überladen. In dem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude noch ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Stadtbildes verfolgt wird (BVerwGE 110, 355 <361> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 6). Dennoch hängt die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - a.a.O. Rn. 12). Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, bei Verwirklichung des Vorhabens des Beigeladenen entstände der Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper, wahrt diesen bundesrechtlichen Maßstab.

17

d) Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich damit in den Rahmen der Umgebungsbebauung nicht ein. Denn seine Verwirklichung führt nicht zu einem Doppelhaus, sondern zu einer einseitig grenzständigen Bebauung, für die es in der Umgebung an Vorbildern fehlt. Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass das Vorhaben geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen (Urteile vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <386> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 53 und vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 7). Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (Urteil vom 16. September 2010 - BVerwG 4 C 7.10 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 212 Rn. 23). Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens (Urteil vom 26. Mai 1978 a.a.O.), die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. § 22 Abs. 4 BauNVO).

18

2. Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht angenommen, dass dieser Rechtsverstoß Rechte des Klägers verletzt. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2013, § 22 BauNVO Rn. 50; Upmeier, Mampel, BRS-Info 4/2012, S. 19; Aschke, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 3. Aufl. 2013, § 22 BauNVO Rn. 16; Wolf, Drittschutz im Bauplanungsrecht, Band 11, 2012, S. 175 f.).

19

a) Ein Drittschutz kann weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden. Die Vorschrift entfaltet selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz. Nachbarschutz vermittelt hier vielmehr die planerische Festsetzung (Urteil vom 24. Februar 2000 a.a.O. S. 362 = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 7), an der es im unbeplanten Bereich fehlt.

20

b) Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Drittschutz folgt vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme.

21

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, Beschluss vom 13. November 1997 - BVerwG 4 B 195.97 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189 S. 59; Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 4 C 34.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauGB Nr. 114 S. 64). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (Urteil vom 26. September 1991 - BVerwG 4 C 5.87 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 103 S. 76 ). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 52). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (Beschluss vom 11. Januar 1999 - BVerwG 4 B 128.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159 S. 3). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Urteil vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 99). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 8.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71 S. 56).

22

Dies ist hier der Fall: Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, "erkauft" (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 4). Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Sie ist im beplanten und unbeplanten Bereich identisch. Dass die Rücksichtnahmepflichten im beplanten Gebiet auf einer planerischen Konzeption beruhen, führt auf keinen Unterschied. Denn im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB ergeben sich die Beschränkungen der Baufreiheit regelmäßig aus der Umgebungsbebauung und nicht aus einer planerischen Konzeption.

23

Sachgesetzlichkeiten (Beschluss vom 19. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) fordern keine unterschiedliche Behandlung. Dass der Zulässigkeitsmaßstab bei § 34 Abs. 1 BauGB stets weniger scharf ist, lässt sich nicht sagen. Allerdings ist einzuräumen, dass den Nachbarn größere Hinnahmepflichten treffen, wenn die maßgebliche Umgebungsbebauung eine größere Wahlfreiheit als eine planerische Festsetzung eröffnet (vgl. Beschluss vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166). So liegt es hier nicht, weil die Umgebungsbebauung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen vergleichsweise engen Rahmen setzt. Anders als bei Festsetzungen nach den §§ 16 ff. BauNVO und § 23 BauNVO (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1995 a.a.O. S. 13) hängt es im Übrigen auch im beplanten Gebiet nicht vom Willen der Gemeinde ab, ob Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hinsichtlich der Nachbarn von Doppelhäusern dem Schutz des Nachbarn dienen. Schließlich kann für die "Doppelhaus"-Fälle eine so einheitliche Interessenlage angenommen werden, dass es jedenfalls grundsätzlich einer Betrachtung der konkreten Situation nicht bedarf. Dass hier ausnahmsweise etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Namentlich reicht der Hinweis des Beigeladenen nicht aus, dass die bestehenden Haushälften die Bebauungsmöglichkeiten derzeit nicht vollständig ausnutzen. Dies betrifft das Maß der baulichen Nutzung, berührt aber das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erfüllende Erfordernis eines Einfügens nach der Bauweise nicht.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000,- Euro festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84

(1) Stellplätze und Garagen sind in allen Baugebieten zulässig, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt.

(2) In Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, sind Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig.

(3) Unzulässig sind

1.
Stellplätze und Garagen für Lastkraftwagen und Kraftomnibusse sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge in reinen Wohngebieten,
2.
Stellplätze und Garagen für Kraftfahrzeuge mit einem Eigengewicht über 3,5 Tonnen sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge in Kleinsiedlungsgebieten und allgemeinen Wohngebieten.

(4) Im Bebauungsplan kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen nur Stellplätze oder Garagen und zugehörige Nebeneinrichtungen (Garagengeschosse) zulässig sind. Eine Festsetzung nach Satz 1 kann auch für Geschosse unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden. Bei Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 sind Stellplätze und Garagen auf dem Grundstück nur in den festgesetzten Geschossen zulässig, soweit der Bebauungsplan nichts anderes bestimmt.

(5) Im Bebauungsplan kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in Teilen von Geschossen nur Stellplätze und Garagen zulässig sind. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass in Baugebieten oder bestimmten Teilen von Baugebieten Stellplätze und Garagen unzulässig oder nur in beschränktem Umfang zulässig sind, soweit landesrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.

(7) Die landesrechtlichen Vorschriften über die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen sowie die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen und Garagen außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Bereiche bleiben bei Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 6 unberührt.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine ursprünglich der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung zur Errichtung zweier Mehrfamilienhäuser.

Das Vorhabensgrundstück und das Grundstück des Klägers liegen innerhalb der bebauten Ortslage der Beigeladenen zu 2). Ein Bebauungsplan existiert nicht. Das Vorhaben soll auf FlNr. 151 der Gemarkung Steingriff verwirklicht werden. Mit Bescheid des Landratsamtes N.-S. (im Folgenden: Landratsamt) vom 29. Juni 2016 wurde eine Baugenehmigung für die Errichtung einer aus zwei Mehrfamilienhäusern - Haus A und Haus B - bestehenden Wohnanlage mit zehn Wohneinheiten und 20 Stellplätzen erteilt. Die geplanten Gebäude sollen eine Wandhöhe von 6,25 m und eine Firsthöhe von 9,79 m haben. Auf die genehmigten Bauvorlagen wird Bezug genommen. Das momentan auf dem Baugrundstück befindliche Bestandsgebäude soll abgerissen werden. Zur Begründung lässt sich dem Genehmigungsbescheid entnehmen, dass als nähere Umgebung i.S.d. § 34 BauGB die Bebauung beidseits des Wiesenweges herangezogen worden sei, u.a. das Gebäude auf FlNr. 156/2. Dieses sei auch nicht als „Fremdkörper“ anzusehen, da kein signifikanter Widerspruch zu der ansonsten vorhandenen Bebauung bestehe. Danach füge sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung ein, da sowohl die geplante Wandhöhe als auch die Zahl der Vollgeschosse in der Umgebung bereits vorhanden seien. Die das Maß der baulichen Nutzung betreffenden Vorschriften seien zudem grundsätzlich nicht drittschützend. Die Erschließung über den W. Weg sei ausreichend.

Der Kläger ist Eigentümer des westlich bzw. leicht nordwestlich vom Vorhabensgrundstücks gelegenen Grundstücks FlNr. 152, Gemarkung Steingriff. Dieses Grundstück ist bebaut mit einem Gebäude, das über E + D verfügt und nach seinen Angaben eine Firsthöhe von 5,50 m aufweist. Es liegt direkt an dem nordöstlich des Wiesenwegs angrenzenden Gehsteig. In der unmittelbaren Umgebung befinden sich u.a. Gebäude mit einer Traufhöhe von mindestens 4 m und E + 1 + Kniestock (auf FlNr. 146, Gemarkung Steingriff, Hausnr. 5a) und mit einer Firsthöhe von 11,67 m, einer Wandhöhe von 6,285 m und E + 1 + D (FlNr. 156/2, Gemarkung Steingriff). Der von der Beigeladenen zu 3) hinzugezogene Architekt gab an, dass auch das Gebäude auf FlNr. 146 Gemarkung Steingriff, das er entworfen habe, ein ausgebautes Dachgeschoss habe.

Der Kläger ließ mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 1. August 2016 Klage gegen den Bescheid erheben. Er beantragt,

die Baugenehmigung vom 29. Juni 2016 aufzuheben.

Mit Beschluss vom 3. August 2016 wurde zunächst die damalige Bauherrin zum Verfahren beigeladen (= Beigeladene zu 1)).

Das Landratsamt teilte mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 unter Beifügung mehrerer Anlagen, u.a. eines Grundbuchauszugs und der Anzeige des Bauherrenwechsels mit, dass beim Vorhabensgrundstück ein Eigentümerwechsel stattgefunden habe, worauf mit Beschluss vom 21. Oktober 2016 die neue Bauherrin als Beigeladene zu 3) beigeladen wurde.

Der Kläger ließ die Klage mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. November 2016 begründen. Das Gebäude W. Weg 6 auf dem Grundstück Fl.Nr. 156/2 mit drei Vollgeschossen sei vor wenigen Jahren offensichtlich rechtswidrig genehmigt worden. Unter Bezugnahme auf diesen Fremdkörper sei die streitgegenständliche Baugenehmigung erteilt worden. Vor Erteilung der Baugenehmigung habe der Kläger dem Landratsamt ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten eines Sachverständigen zum Nachweis der Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens mangels ausreichender Erschließung übermittelt. Es sei eine Überlastung der vorhandenen Erschließungsanlagen zu befürchten. Das zusätzliche Verkehrsaufkommen von ca. 20 PKW führe zu der Überlastung und damit einhergehenden Lärmbelästigungen für die Nachbarn. Die Baugenehmigung verletze den Kläger auch aus weiteren Gründen in seinen Rechten. Sie stehe in Widerspruch zu Art. 6 BayBO, da die Balkone im Ober- und im Dachgeschoss auf der West- bzw. Nordwestseite des Vorhabens die Abstandsflächen zum Kläger hin nicht einhielten. Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben nur teilweise nach § 34 BauGB, im Übrigen (Richtung Nordosten) nach § 35 BauGB zu beurteilen, weswegen die Genehmigung rechtswidrig sei. Außerdem füge es sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Bebauung auf Fl.Nr. 156/2 müsse als Fremdkörper außer Betracht bleiben. Das Bauvorhaben sei außerdem rücksichtslos. Die massive Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung stelle sich hier ausnahmsweise als rücksichtslos dar. Insbesondere die mit der zum klägerischen Grundstück hin ausgerichteten Bebauung verbundene Einsehbarkeit sei für die nähere Umgebung, die einer dörflichen Charakteristik entspreche, völlig untypisch und rücksichtslos. Der Beklagte gehe zu Unrecht von einem innerstädtischen Bereich aus. Der Kläger verfüge über Dachfenster, die von den Balkonen des Vorhabens aus eingesehen werden könnten, so dass ein direkter Blick in Wohnräume, besonders auch das Schlafzimmer des Klägers, möglich sei. Das bedeute eine erhebliche Beeinträchtigung des nachbarlichen Wohnfriedens. Die dichte Bebauung auf der Ostseite führe auch dazu, dass der Lichteinfall auf das klägerische Grundstück beeinträchtigt werde. Dem Kläger gegenüber sei auch rücksichtslos, dass die Balkone sowie die in den Obergeschossen gelegenen Kinderzimmerfenster unmittelbar vor dem Kamin auf dem Dachfirst des klägerischen Wohnhauses angesiedelt seien. Es sei nämlich zu befürchten, dass künftige Bewohner gegen den Kläger Unterlassungsansprüche geltend machten, die diesen an der ordnungsgemäßen Beheizung seines Wohnhauses hinderten. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 legte das Landratsamt die Akten vor und beantragte

Klageabweisung.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abstandsflächen eingehalten seien. Die Balkone blieben gemäß Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht. Das Baugrundstück liege vollständig im baurechtlichen Innenbereich. Das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Gebäude auf Fl.Nr. 156/2 sei kein Fremdkörper bzw. „Ausreißer“. Abweichungen von der Geschossigkeit der Umgebungsbebauung seien in diesem Stadtteil nicht unüblich. Auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liege nicht vor. Es fehle bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen dem Vorhaben und dem Gebäude auf dem klägerischen Grundstück. Letzteres weise eine Wandhöhe von ca. 3,50 m und eine Firsthöhe von ca. 8 m auf. Der Abstand zum südlichen Fünffamilienhaus betrage ca. 12 m, der zum nördlich gelegenen ca. 25 m. Diese Abstände seien in der Umgebung durchaus üblich, zum Teil weise die Umgebungsbebauung auch geringere Abstände auf. Die Erschließung über den W. Weg sei gesichert.

Das Gericht erhob am 7. Dezember 2016 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch die Einnahme eines Augenscheins und führte im Anschluss daran die mündliche Verhandlung durch. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift Bezug genommen. Die Beteiligten stellten am Ende der mündlichen Verhandlung die bereits schriftsätzlich angekündigten Anträge; die Beigeladenen stellten keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten in diesem sowie im parallelen Verfahren der Klage des südöstlich an das Vorhaben angrenzenden Nachbarn (M 9 K 16.3315) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Zu berücksichtigen ist, dass Nachbarn - wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt - eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (BVerwG, U.v. 25.2.1977 - 4 C 22/75 - BVerwGE 52, 122 = BayVBl 1977, 639).

Vorliegend verletzt die angefochtene Baugenehmigung den Kläger nicht in seinen Rechten, weder hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften (nachfolgend unter 1.) noch in Bezug auf das Einfügen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (nachfolgend unter 2.) noch ist die Baugenehmigung im Übrigen für den Kläger rücksichtslos (nachfolgend unter 3.).

1. Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen Art. 6 BayBO. Abgesehen davon, dass die Abstandsflächenvorschriften wegen des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens, Art. 59 Satz 1 BayBO, nicht geprüft und somit von der Regelungswirkung der angefochtenen Baugenehmigung gar nicht erfasst werden, werden sie vom Vorhaben nach den maßgeblichen genehmigten Plänen eingehalten. Das gilt auch für die Balkone, die die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO erfüllen und deswegen bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben. Das hat der Klägerbevollmächtigte, dem im Vorfeld noch andere Bauvorlagen vorlagen, zu Beginn des Augenscheins bei der gemeinsamen Einsichtnahme in die genehmigten Bauvorlagen auch bestätigt.

2. Sollte sich das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in den aus der näheren Umgebung ableitbaren Rahmen einfügen, würde das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn das Maß der baulichen Nutzung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB entfaltet „für sich gesehen“ keine nachbarschützende Wirkung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 25.01.2013 - 15 ZB 13.68 - juris Rn. 4 m.w.N.; Jäde/Dirnberger, BauGB, 8. Auflage 2017, § 29 Rdnr. 65 m.w.N.), weil das Einfügen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung grundsätzlich nur der städtebaulichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz des Nachbarn dient. Das bedeutet, dass allein der Umstand, dass das Maß der Nutzung des Vorhabens nicht der Eigenart der näheren Umgebung entspricht, aus sich heraus keine Verletzung von nachbarlichen Rechten ergibt. Vielmehr gewährt § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB Nachbarschutz nur im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme (BVerwG, U.v. 4.7.1980 - IV C 101/77 - NJW 1981, 139 = BayVBl 1981, 119; B.v. 19.10.1995 - 4 B 215.95 - BRS 57, 219 = NVwZ 1996, 888). Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich in einer Gesamtschau als den Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage des Einzelfalles zuzumuten ist, beurteilt werden (grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - 4 C 22/75 - BVerwGE 52, 122 = BayVBl 1977, 639). Bezogen speziell auf das Maß der baulichen Nutzung ist eine Bebauung jedenfalls dann rücksichtslos, wenn sie eine „erdrückende“ Wirkung auslöst. Eine solche geht vom Vorhaben nicht aus. Es hält, so wie es genehmigt ist, komplett die landesrechtlich verlangten Abstandsflächen ein, was sich aus den genehmigten Bauvorlagen ergibt. Das genügt für sich genommen zwar nicht in jedem Fall, um das Gebot der Rücksichtnahme zu erfüllen, es spricht jedoch regelmäßig indiziell dafür, dass eine „erdrückende Wirkung“ oder „unzumutbare Verschattung“ nicht eintritt (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879 = BRS 62 Nr. 102; BayVGH, B.v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9 - juris Rn. 32; B.v. 15.9.2008 - 15 CS 08.2123 - juris Rn. 5). Für ein Abweichen von der beschriebenen Regelwirkung ist weder etwas ersichtlich noch Ausreichendes vorgebracht. Der Kläger verweist besonders auf die von dem Vorhaben ausgehende Möglichkeit der Einsichtnahme in sein Grundstück. Das öffentliche Baurecht vermittelt jedoch keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart, des Nutzungsmaßes, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 - 4 B 72.89 - NVwZ 1989, 1060; B.v. 3.1.1983 - 4 B 224.82 - BRS 40 Nr. 192; BayVGH, B.v. 30.4.2009 - 15 CS 09.730 - juris Rn. 14: Die Möglichkeit der Einsichtnahme in das Nachbargrundstück ist kein Kriterium des Einfügens). Die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften bewirkt, dass dem Interesse, unmittelbare Einblicke zu begrenzen, bereits hinreichend Rechnung getragen ist (BayVGH, Beschl.v. 20.7.2010 - 15 CS 10.1151 - juris Rn. 19). Durch ein Bauvorhaben neu geschaffene Einblicksmöglichkeiten in das Nachbargrundstück können im Einzelfall nur unter besonders gravierenden Umständen als Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme angesehen werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die vom Kläger konkret vorgetragenen Befürchtungen gehen nicht über das sozial Übliche hinaus. Darüber hinaus sind in einem Gebiet, das überwiegend dem Wohnen dient, Einblicksmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück grundsätzlich hinzunehmen. Es ist dem betroffenen Nachbarn zuzumuten, unerwünschte Einblicke durch eigene Mittel abzuwehren, sei es durch Sichtschutz im Haus oder im Zufahrtsbereich.

Unabhängig davon fügt sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht nur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung - unabhängig davon, ob man die Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet, § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO, oder als faktisches Dorfgebiet, § 5 BauNVO, einordnet, ist das Vorhaben jeweils allgemein zulässig - sondern auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ein. Angesichts der Bebauung auf den Grundstücken FlNr. 156/2 und FlNr. 146, jeweils Gemarkung Steingriff, überschreitet es nicht den Rahmen des Vorhandenen. Das Gebäude auf Fl.Nr. 156/2 kann nicht deswegen als „Ausreißer“ behandelt werden, weil es nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten vor Jahren „rechtswidrig genehmigt“ worden wäre. Abgesehen davon, dass die entsprechende Baugenehmigung offenbar mittlerweile bestandskräftig ist, kommt es im hiesigen Zusammenhang ohnehin nur darauf an, dass dieses Gebäude tatsächlich vorhanden ist. Ob es ausnahmsweise einen Fremdkörper darstellt, bemisst sich nicht nach der Genehmigungsfrage, sondern danach, ob es nach seiner Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfällt (grundsätzlich: BVerwG, U.v. 15.2.1990 - 4 C 23.86 -BVerwGE 84, 322 = NVwZ 1990, 755; B.v. 16.6.2009 - 4 B 50.08 - juris Rn. 6). Dass das bei einem Gebäude mit einem Geschoss mehr als andere in der Umgebung vorhandene Gebäude nicht der Fall ist, liegt auf der Hand.

Ebenso wenig eine Rolle spielt die Frage, ob das Vorhaben, d.h. beide Gebäude, nun komplett nach § 34 BauGB oder zu einem (kleinen) Teil nach § 35 BauGB zu beurteilen wären. Denn unabhängig davon, dass die Beurteilung auf der Grundlage von § 34 BauGB richtig ist, vermittelt die Wahl des richtigen bodenrechtlichen Bereichs keinen Nachbarschutz.

3. Auch im Übrigen liegt unter Berücksichtigung der von der Klägerseite geltend gemachten Einwände ein Verstoß gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, hergeleitet entweder aus § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO, nicht vor.

Mit dem Vortrag, es seien Probleme mit der verkehrsmäßigen Erschließung zu erwarten, § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB a.E., bezieht sich der Kläger auf einen nicht nachbarschützenden Aspekt (BayVGH, B.v. 1.3.2016 - 1 ZB 15.1560 - juris Rn. 9). Im Übrigen hat der Augenschein die diesbezüglichen Aussagen des Beklagten bestätigt. Der W. Weg ist eine gut ausgebaute, ca. 6 m breite Straße mit Gehwegen auf jeder Seite. Probleme mit der Erschließung sind nicht erkennbar. Dass die Straße den durch das Vorhaben veranlassten zusätzlichen Verkehr in irgendeiner Weise „nicht aufnehmen könnte“, ist nicht vorstellbar. Auch der mit dem Vorhaben einhergehende Zu-, Abfahrts- und Wendeverkehr wird keine unzumutbaren Umgebungsbelastungen erzeugen. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um Wohnbebauung. Wegen der generellen Zulässigkeit von Stellplätzen und Garagen selbst in reinen Wohngebieten, § 12 Abs. 2 BauNVO, müssen die Nachbarn die Emissionen, die von der im Zusammenhang mit einer wie hier zulässigen Wohnbebauung stehenden Nutzung von Stellplätzen und Garagen ausgehen, im Regelfall hinnehmen (BayVGH, B.v. 10.1.2005 - 2 CS 04.3304 - juris Rn. 2). Die Zufahrt zum Vorhabensgrundstück ist nach den genehmigten Bauvorlagen noch dazu auf der vom Kläger abgewandten Seite. Darauf, dass der Anliegerverkehr nicht zunimmt, hat der Kläger keinen Anspruch.

Der Umstand, dass der Kläger befürchtet, dass künftige Bewohner gegen ihn Unterlassungsansprüche wegen seines Kamins geltend machen, ändert nichts am Ergebnis. Abgesehen davon, dass dieser Umstand in öffentlich-rechtlicher Hinsicht nichts mit der erteilten Baugenehmigung zu tun hat, kann der Kläger nicht ernsthaft gegen die angefochtene Baugenehmigung ins Feld führen, dass die Gefahr besteht, dass Nachbarn gegen ihn berechtigte zivilrechtliche Unterlassungsansprüche erheben und er deswegen gegebenenfalls seine Heizung nicht mehr betreiben kann.

Schließlich hat ein Nachbar unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt - auch nicht im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme - einen Anspruch darauf, dass sich die Bebauung auf seinem Nachbargrundstück nicht ändert. Maßnahmen der (Nach-) Verdichtung, auch in ländlich geprägten Bereichen, sind hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO und § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weshalb es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.