Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 60/17.NW
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Der Kläger, Eigentümer des mit einem Wohnhaus mit Arztpraxis bebauten Grundstücks Flurstück Nr. ... - A-Str. ... in Neustadt/Weinstraße - wendet sich gegen Lärmimmissionen, die von dem unmittelbar östlich angrenzenden Sportplatz des L...-Gymnasiums (Flurstück Nr. …, B-Str. …) ausgehen.
- 2
Nachdem die Sportfläche mehrere Jahre brach lag, wurde ab 2009 entschieden, dort einen Allwetterplatz herzustellen, weil das Areal von der Größe her keine DIN-gerechte Sportanlage erlaubt. Im Rahmen der Planung fand am 28. Juni 2012 ein Gespräch mit dem Kläger statt, da ein „Eckbereich“ der Platzanlage unmittelbar an die gemeinsame Grundstücksgrenze stoßen sollte. Nach der insoweit angefertigten Aktennotiz vom 11. Juli 2012 (Bl. 2 der Verwaltungsakte) stimmte dabei der Kläger einer Grenzbebauung und einem neu anzulegenden Zaun generell zu. Unter dem Datum 24. Juli 2013 erklärten der Kläger und seine Ehefrau als Nachbarn ihre Zustimmung zu dem Vorhaben: „Umbau und Sanierung des Schulsportplatzes am L...-Gymnasium - hier: Errichtung eines Ballfangzaunes (ca. 5 m Höhe) auf der Grundstücksgrenze in Teilbereichen.“ Im Juli 2014 wurde die Sportanlage dann eröffnet.
- 3
Ab Oktober 2014 beanstandete der Kläger gegenüber der Stadt den von der schulischen wie außerschulischen Nutzung der Anlage ausgehenden Lärm. Insbesondere wandte er sich gegen die öffentliche Nutzung des Sportplatzes und legte die Lärmsituation im Hinblick auf die „Ballfangzaunanlage“ im Einzelnen dar. In der Folgezeit gab es mehrmals Besprechungen mit Vertretern der Beklagten, und es wurden verschiedene Maßnahmen vereinbart. U.a. erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juli 2015, der neue Platz werde komplett eingezäunt, was auch erfolgte. Der Umfang der außerschulischen Nutzung wurde in einer Platzordnung festgelegt, die am Zaun der Anlage ausgehängt ist. Dort sind u.a. Öffnungszeiten nach Schulschluss bis längstens 18.30 Uhr geregelt.
- 4
Mit Anwaltsschreiben vom 26. April 2016 beanstandete der Kläger weiterhin die Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung der Anlage. Er machte geltend, die Grenzwerte der Sportanlagenlärmschutzverordnung, die zumindest mittelbar Anwendung finde, seien einzuhalten und verlangte die Schließung des Platzes nach Unterrichtsende sowie die Entfernung der entsprechenden Beschilderung. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich zumindest außerhalb der Schulzeit um eine ruhige Wohngegend handele, in der sich Lärmemissionen aufgrund der Lage im Tal vervielfachten und zwischen den vorhandenen Gebäuden verstärkten. Insofern sei auch das Rücksichtnahmegebot aus § 15 BauNVO verletzt.
- 5
Nach weiterem Schriftverkehr hat der Kläger am 16. Januar 2017 Klage erhoben.
- 6
Er macht geltend, die Nutzung des Sportplatzes habe sich derart entwickelt, dass eine Öffnung des Sportplatzes außerhalb der Nutzungszeiten nicht länger hinnehmbar sei. Übergriffe von Jugendlichen auf sein Gelände, um dorthin verschossene Bälle zurückzuholen, hätten zugenommen. Hierdurch sei es auch zu Beschädigungen auf seinem Grundstück sowie zu Diebstählen gekommen. Auch würden immer wieder Steine auf das Grundstück geworfen, um hierdurch in den Bäumen verfangene Bälle zurückzugewinnen. All diese Störungen träten ganz überwiegend außerhalb der schulischen Nutzungszeit bzw. in unbeaufsichtigten schulischen Situationen ein. Dabei sei die Abschließbarkeit des Sportplatzes außerhalb der Öffnungszeiten durch die Beklagte nicht gewährleistet, obwohl dadurch Immissionen durch zweckwidrige Nutzung verringert werden könnten. Zu Beginn der Planungen im Jahr 2012 sei explizit besprochen worden, dass der Sportplatz abgeschlossen sein müsse, was gleichzusetzen sei mit der Vereinbarung, dass gerade kein öffentlicher Sportplatz, sondern lediglich ein Platz für den Schulsportunterricht geschaffen werde sollte.
- 7
Die durch die außerschulische Nutzung hervorgerufenen Lärmimmissionen seien wesentlich höher als der Lärm während der schulischen Nutzung. Insbesondere schieße der außerschulische Nutzerkreis immer wieder bewusst gegen den Ballfangzaun, was zum Entstehen metallischer Vibrationsgeräusche führe. Auch die gezielten Schüsse gegen die Aluminiumtore führten zu einer erheblichen Lärmbelastung, die durch zwischenzeitlich angebrachte konventionelle Tore mit Ballfangnetz erheblich habe verringert werden können. Trotzdem habe die Beklagte aus für den Kläger nicht nachvollziehbaren Gründen diese Tore wieder durch lärmintensivere Aluminiumtore ersetzt.
- 8
Die Lärmbelästigungen durch die Tore und die Ballfangzäune müssten von ihm nicht geduldet werden, weil das nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung zulässige Höchstmaß überschritten werde. Sie stellten schädliche Umwelteinwirkungen dar, gegen die dem Kläger ein Unterlassungsanspruch und außerdem Ansprüche aus dem baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme zuständen, denn sein Grundstück liege in einem allgemeinen Wohngebiet. Sein Wohngebäude sei nur 10 bis 15 m von dem Sportplatz und dem lärmintensiven Ballfangzaun und nur unwesentlich weiter von den lärmintensiven Toren entfernt. Planerische Empfehlungen zu den Abständen zwischen Sportanlagen und Wohnbebauung zur Gewährleistung der Vorgaben der Sportanlagenlärmschutzverordnung würden damit weit unterschritten. Diese Regelung sei auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, da sich der Verordnungsgeber bewusst am Leitbild einer Sportanlage orientiert habe.
- 9
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen
- 10
1. die Schließung des Sportplatzes des L... - Gymnasiums in Neustadt an der Weinstraße außerhalb des Schulsport-Unterrichts durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen,
- 11
2. die Öffnung des Sportplatzes des L... - Gymnasiums in Neustadt an der Weinstraße außerhalb der Schulsport-Unterrichtszeiten zu unterlassen,
- 12
3. geeignete Maßnahmen vorzunehmen, um die Lärmimmissionen des Sportplatzes des L... - Gymnasiums in Neustadt an der Weinstraße auf das nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung zulässige Maß zu begrenzen, insbesondere die Lärmimmissionen durch die Ballfangzäune,
- 13
4. die auf dem Sportplatz aufgestellten Vandalismus sicheren Fußball-und Basketball -Aluminiumtore durch konventionelle Tore mit Ballfangnetz auszutauschen oder entsprechend andere Maßnahmen durchzuführen, um die Lärmimmissionen durch den Beschuss der Tore auf das zulässige Maß nach der 18. BlmSchV zu verringern.
- 14
Die Beklagte beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Sie verweist darauf, der Kläger habe einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bisher nicht gestellt. Es habe im Zuge der Planung der Anlage zahlreiche Gespräche mit ihm gegeben. Um den Wünschen des Klägers nachzukommen sei das neue Sportgelände komplett eingezäunt worden und auch abschließbar. Insgesamt sei für die Nachbesserungen eine nicht unerhebliche fünfstellige Summe ausgegeben worden, um dem Kläger entgegenzukommen und seine Zustimmung zu einer außerschulischen Nutzung zu erhalten. Insoweit wird verwiesen auf ein Schreiben des Oberbürgermeisters vom 10. Juni 2016, auf das der Kläger nicht eingegangen sei. Der neue Einbau von Toren mit Metallgittern sei auch auf Wunsch der Schulleitung erfolgt, damit daran angebrachte Basketballkörbe genutzt werden könnten. Dazu legt die Beklagte eine ausführliche „Chronologie Neubau Allwetterplatz am L...-Gymnasium“ vom 13. Mai 2016 (Bl. 18 f der Gerichtsakte) vor.
- 17
Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mit Schreiben vom 12. September 2017 dargelegt, dass zwar nach wie vor die Platzordnung mit den angegebenen Nutzungszeiten aushänge, diese Regelung aber seit 2015 keine Anwendung finde. Vielmehr sei der Platz komplett verschlossen und nur der Hausmeister sowie die Sportlehrer des Gymnasiums und die Vereine hätten einen Schlüssel. Lehrer und Vereine seien darauf hingewiesen worden, den Platz außerhalb der Schulzeiten nicht zu nutzen. Dies werde eingehalten und vom Hausmeister, Herrn U. B., kontrolliert.
- 18
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2017 gewesen ist.
Entscheidungsgründe
- 19
Die Klage ist nur teilweise zulässig, im Übrigen aber unbegründet.
I.
- 20
Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf die Unterlassung von Lärmimmissionen, die mit der Nutzung der unmittelbar an sein Grundstück angrenzenden Schulsportanlage des L...-Gymnasiums verbunden sind, kann im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemacht werden, soweit von der Beklagten geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Lärmimmissionen des Sportplatzes des L...-Gymnasiums begehrt werden (Klageanträge zu 3. und 4.).
- 21
Als unzulässig erweist sich die Klage allerdings, soweit sich der Kläger gegen die Nutzung des Sportplatzes außerhalb des Schulsportunterrichts wendet (Klageanträge zu 1. und 2.). Es fehlt an dem erforderlichen Rechtschutzinteresse, denn eine außerschulische Nutzung findet ungeachtet der am Zaun der Sportanlage angebrachten Platzordnung, die u.a. Öffnungszeiten nach Schulschluss bis längstens 18.30 Uhr geregelt, derzeit nicht statt. Das Gelände ist vollständig eingezäunt, und über Schlüssel für das Zugangstor verfügen nur der Hausmeister und die Sportlehrer des Gymnasiums. Auch eine Nutzung durch Sportvereine, die in der angrenzenden Sporthalle trainieren, findet aktuell unstreitig nicht statt.
II.
- 22
In der Sache kann die Klage, soweit sie zulässig ist, jedenfalls keinen Erfolg haben.
- 23
Der Kläger hat keinen Abwehranspruch gegen die Beklagte hinsichtlich der Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung des Sportgeländes, wie er mit den Klageanträgen zu 3. und 4. begehrten Maßnahmen geltend macht.
- 24
1. Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt allein der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Mit diesem Anspruch, der aus dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hergeleitet wird, kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, die Folge eines schlicht hoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich als unzumutbar erweist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2012, 8 A 10301/12, juris, Rn 16 m.w.N.).
- 25
Maßgeblich für den Erfolg der allgemeinen Leistungsklage ist das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf die Leistung oder Unterlassung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (s. z.B. Hess. VGH Urteil vom 25. Juli 2011, 9 A 125/11, NVwZ-RR 2012, 21), hier also am 18. September 2017. Zu diesem Zeitpunkt liegen die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nicht vor, denn die mit der Nutzung der Schulsportanlage verbundenen Lärmbeeinträchtigungen erweisen sich dem Kläger gegenüber nicht als unzumutbar.
- 26
2. Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms ergibt sich aus den Anforderungen für die Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen gemäß § 22 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), denn auch öffentliche Einrichtungen erfüllen die Kriterien des Anlagenbegriffs in § 3 Abs. 5 BImSchG. Derartige Anlagen sind gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen unterbleiben (sog. Vermeidungsgebot) sowie nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden (Minimierungsgebot). Schädliche Umwelteinwirkungen sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Ob Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung und ist folglich eine Frage der Einzelfallbeurteilung. Diese richtet sich insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die Sozialadäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind (BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 2013, 7 B 38.12, juris, Rn. 10). Dabei ist im Immissionsschutzrecht allgemein anerkannt, dass es für die Frage des zumutbaren Maßes von Geräuscheinwirkungen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten ankommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2012, 8 A 10301/12, juris, Rn 27, m.w.N.).
- 27
a) Die für die von Kindern verursachten Geräusche geltende Spezialvorschrift in § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG ist hier nicht einschlägig. Danach sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Nach dieser Regelung steht Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft; Geräusche spielender Kinder sind als Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung grundsätzlich zumutbar. Dies hat zur Folge, dass Immissionsgrenz- und Richtwerte nicht herangezogen werden (§ 22 Abs. 1 a Satz 2 BImSchG). Kinder im Sinne dieser Vorschrift sind allerdings nur Kinder unter 14 Jahren (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2014,10 S 249/14, juris, Rn. 29), sodass eine Sportanlage, die wie hier durch die Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums genutzt wird, von der besonderen Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG von vornherein nicht erfasst ist.
- 28
b) Zwar gilt außerhalb des Anwendungsbereichs des § 22 Abs. 1a BImSchG der Grundsatz, dass zur Beurteilung von Lärmimmissionen technische Regelwerke heranzuziehen sind, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Die für Sportanlagen geltenden Immissionsrichtwerte der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV), die konkrete normative Vorgaben zur rechtlichen Beurteilung des Nutzungskonflikts zwischen der Sportanlage und Wohnen enthält, können im vorliegenden Verfahren jedoch nicht herangezogen werden.
- 29
aa) Nach § 2 der 18. BImSchV wird das einzuhaltende Lärmschutzniveau durch Festlegung bestimmter Immissionsrichtwerte konkretisiert, die nach § 2 Abs. 1 dieser Verordnung nicht überschritten werden sollen. Diese Richtwerte sind differenziert nach dem Gebietscharakter, nach Tages-, Nacht- und Ruhezeiten sowie nach Werk-, Sonn- und Feiertagen. Zugunsten der Sportausübung wurden die in allgemeinen Wohngebieten geltenden Richtwerte für die abendlichen Ruhezeiten sowie zusätzlich für die Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 15 Uhr erst mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung vom 1. Juli 2017 (BGBl 2017,1448) mit Wirkung vom 8. September 2017 erhöht. Diese Änderung der Rechtslage wirkt sich vorliegend allerdings auf die Beurteilung des Abwehranspruchs des Klägers nicht aus, denn als Schulsportplatz unterliegt die Anlage nicht der schematischen betriebszeitenbezogenen Beurteilung nach § 2 der 18. BImSchV. Daher kann offen bleiben, ob der sog. Allwetterplatz, eine kleinräumige Anlage, die einen Tartanboden aufweist und für verschiedene Ballspiele genutzt werden kann (Fußball, Volleyball, Basketball), den Sportanlagenbegriff der 18. BImSchV überhaupt erfüllt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003, 7 B 88/02, juris, Rn. 5; VHG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Mai 2014, juris, Rn. 32 f).
- 30
bb) Die gesamte Nutzung der umstrittenen Anlage erfolgt im Rahmen des Schulsports, der lärmschutzrechtlich privilegiert behandelt wird.
- 31
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 der 18. BImSchV soll die zuständige Behörde von einer Festsetzung von Betriebszeiten absehen, soweit der Betrieb einer Sportanlage dem Schulsport oder der Durchführung von Sportstudiengängen an Hochschulen dient. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind bei der Ermittlung der Geräuschimmissionen die dem Schulsport oder der Durchführung von Sportstudiengängen an Hochschulen zuzurechnenden Teilzeiten nach Nr. 1.3.2.3 des Anhangs außer Betracht zu lassen, wenn die Anlage der allgemeinen Sportausübung dient; die Beurteilungszeit wird dann um die dem Schulsport oder der Durchführung von Sportstudiengängen an Hochschulen tatsächlich zuzurechnenden Teilzeiten verringert (vgl. VG Minden, Urteil vom 28. Januar 2009, 9 K 1058/07, juris, Rn. 51). Diese Privilegierung des Schulsports findet ihre Rechtfertigung darin, dass Sportunterricht wegen seiner positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Schüler, die Entwicklung ihrer sportlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie im Hinblick auf die Einübung sozialen Verhaltens einen wichtigen Bestandteil des staatlichen Bildungsauftrags darstellt (vgl. Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, zu § 5 Abs. 3, S. 120 m.w.N.). Unter Schulsport ist der Sport zu verstehen, der durch eine Schule organisiert wird oder als sonstige Maßnahme des Schulbetriebs der Schule selbst zugerechnet werden kann. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um regulären Unterricht im Fach Sport handelt, um Arbeitsgemeinschaften etwa für bestimmte Sportarten oder um Angebote im Rahmen der Ganztagsbetreuung. Entscheidend für den Begriff des Schulsports ist vielmehr, ob die Nutzung im Rahmen des Schulbetriebs unter der Aufsicht einer Lehrkraft stattfindet (Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Kommentar zum Umweltrecht, Band IV, § 5 18. BImSchV Rn. 31). Zum Schulsport zählt daher nicht, wenn beispielsweise Schüler in den Unterrichtspausen oder in Freistunden auf dem Schulhof oder einer Schulsportanlage Fußball oder Basketball spielen, ohne dass dabei die Schulleitung oder die Lehrerschaft in irgendeiner Weise eingebunden ist (Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, a.a.O. § 5 18. BImSchV, Rn. 31). Eine solche Nutzung scheidet hier aber aus, denn die Anlage ist, wie der Schulleiter und der Hausmeister im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals dargelegt haben, für die Schüler nicht frei zugänglich. Der eingezäunte Platz ist verschlossen, und nur die Sportlehrkräfte verfügen über einen Schlüssel für die Schließanlage.
- 32
c) Sind somit im vorliegenden Verfahren für die Ermittlung und Bewertung der auf die Nachbarschaft einwirkenden Geräusche, die mit der Nutzung der Schulsportanlage verbunden sind, keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren oder Lärmwerte rechtlich verbindlich vorgegeben, bleiben die Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Danach kann der geltend gemachte Abwehranspruch des Klägers keinen Erfolg haben, weil die Lärmbeeinträchtigungen insgesamt betrachtet als hinnehmbar zu bewerten sind.
- 33
aa) Zunächst ist in Übereinstimmung mit beiden Beteiligten davon auszugehen, dass die nähere Umgebung der betroffenen Grundstücke als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) einzustufen ist, in dem Schulen mit Schulsportanlagen als Anlagen gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO (Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke) zulässig sind (vgl. Stock, in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 3. Aufl., zu § 4, Rn 50). Von Bedeutung ist weiter, dass die Grundstückssituation des Klägers durch das unmittelbar angrenzende Schulareal konkret vorgeprägt ist. An das öffentliche Grundstück schließt sich nach Westen ein größeres Wohngebiet an, zu dem auch das Grundstück des Klägers gehört, während nach Süden - hangaufwärts - bereits der Wald beginnt. In seinem Kernbestand handelt es sich bereits um ein gründerzeitliches Schulgebäude, an das sich westlich oberhalb der vorhandenen, mehrfach erweiterten Bebauung die Freifläche mit der Sportanlage anschließt. Dieser Bereich, der unmittelbar an den erheblich tiefer liegenden Garten des Klägers angrenzt, wurde schon langjährig für den Schulsport genutzt, wenngleich ohne eine entsprechende moderne Anlage als Sportplatz. Die sich daraus hier aus der Nachbarschaft zu einer öffentlichen Einrichtungen ergebenden Rücksichtnahmepflichten und die von den Nachbarn zu erwartende Toleranz sind jedoch nicht unbegrenzt. Auch der Betreiber einer öffentlichen Einrichtung hat - im Rahmen seiner Möglichkeiten - Rücksicht auf das berechtigte Ruhebedürfnis der Nachbarschaft zu nehmen. So soll die Nachbarschaft einer Schule nicht über das als Folge des Schulbetriebs unvermeidbare Maß hinaus beeinträchtigt werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Mai 2012, 8 A 10042/12.OVG, NVwZ 2012, 1347).
- 34
Angesichts des Umstandes, dass auf dem Schulgelände nur im Bereich der Altanlage eine Fläche zur Verfügung stand, die die Möglichkeit eröffnete, eine moderne Sportanlage zu errichten, muss hier allerdings das unmittelbare Nebeneinander von Sportanlage und Wohngrundstück an sich als unvermeidlich angesehen werden. Auch erscheint der Platz für eine sinnvolle Sportnutzung gerade eben ausreichend groß, sodass die Einhaltung eines „Sicherheitsabstandes“ zur gemeinsamen Grundstücksgrenze mit dem Kläger nicht in Betracht kommt.
- 35
Vor diesem Hintergrund sind die Einzelheiten der vom Kläger im neuen Schriftsatz vom 23. September 2017 nochmals ausführlich geschilderten Vorgeschichte der Platznutzung nicht relevant, so dass diesbezüglich auch kein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung erforderlich ist.
- 36
Für die vom Kläger konkret angeführten Beeinträchtigungen aufgrund des Abprallens der Bälle am Ballfangzaun bzw. an den Metalltoren gilt, dass diese Geräusche im Garten des Klägers, wovon sich die Kammer vor Ort überzeugen konnte, deutlich wahrnehmbar sind. Gerade weil sie sehr unregelmäßig sind und unerwartet - das Geschehen auf der Anlage ist vom erheblich tiefer gelegenen Garten aus nicht einsehbar - auftreten, kann die Geräuschkulisse als störend empfunden werden.
- 37
Dem öffentlichen Interesse daran, den Kindern und Jugendlichen im Rahmen ihres Schulalltags - auch mit Blick auf die zunehmende Funktion des Gymnasiums als Ganztagsschule - die Gelegenheit zu geben, diverse Sportarten im Freien auszuüben, ist aber ein erhebliches Gewicht beizumessen. Außerdem erscheint ein realistisches Nutzungsszenario auf der Anlage nicht über Stunden hinweg beherrscht von den störenden Sportarten Fußball und Basketball. Dass auf dem Platz überwiegend Fußball gespielt wird, ist angesichts des breiten Spektrums schulsportlicher Betätigung auszuschließen. Andere Ballspiele wie Volleyball oder auch Völkerball sind sicherlich mit weniger Ballkontakten zu Zaun oder Tor verbunden. Dabei steht außer Frage, dass die Nutzung in zeitlicher Hinsicht an den täglichen Schulbetrieb gebunden ist. Nur an einzelnen Tagen findet Sportunterricht bis 18 Uhr auf dem Platz statt. Von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung der Lärmbelastung auf dem klägerischen Grundstück ist insoweit, dass die besonders sensiblen morgendlichen und abendlichen Ruhezeiten ebenso wenig tangiert sind wie die Wochenenden. Hinzu kommt auch noch die Ferienzeit, die dem Kläger einen Ausgleich für die Lärmbelastung während des Schulbetriebs bietet. Sofern er sich im Einzelfall durch eine ungewöhnlich intensive Benutzung der Schulsportanlage in seinem Garten besonders gestört fühlt, kann er sich dem Lärm dadurch wirksam entziehen, dass er sich in seine Wohnung zurückzieht. Auch derart zumutbare Maßnahmen des Eigenschutzes sind bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Betroffenen mit zu berücksichtigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2012, 8 A 10301/12, juris Rn. 23).
- 38
Vor diesem Hintergrund kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Lärmminderungsgebots noch zu weitergehenden Maßnahmen verpflichtet wäre. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Fall missbräuchlicher Benutzung der Sportanlage - außerhalb des Schulbetriebs - eine Verantwortlichkeit der Beklagten nur anzuerkennen wäre, wenn der Fehlgebrauch bei einer wertenden Betrachtungsweise als zurechenbare Folge der Schaffung bzw. des Betriebs der Einrichtung anzusehen ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. April 2017,10 S 2264/16, juris, Rn. 7). Hiervon kann angesichts der „gefangenen“ Lage des Platzes auf dem Schulgelände sowie des Umstandes, dass die Anlage verschlossen und mit einem hohen Zaun umgeben ist, nicht die Rede sein.
- 39
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 40
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
- 41
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 60/17.NW
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 60/17.NW
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 60/17.NW zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen die Benutzung einer Seilbahn auf einem Kinderspielplatz.
- 2
Sie ist Eigentümerin des Hausgrundstücks T. Straße … in T. und bewohnt dort die im ... gelegene Wohnung. Südöstlich grenzt an das Grundstück ein im Bebauungsplan Teilgebiet „A.“ aus dem Jahr 2004 festgesetzter und im Jahr 2010 angelegter Kinderspielplatz an. Der Spielplatz mit einer Fläche von 18,5 m x 69 m enthält einen Sandkasten, eine Rutsche, eine Schaukel sowie eine ca. 30 m lange Seilbahn, die in einem Abstand von ca. 10 m zum Balkon der Wohnung der Klägerin verläuft. Die Benutzer der Seilbahn rutschen auf einem Tellersitz von einem Ende zum anderen, wobei der Seilbahnbahnwagen an den Enden des Seils gegen eine Feder schlägt.
- 3
Nachdem die Klägerin sich seit Juli 2010 erfolglos um die Verlegung der Seilbahn bzw. die Minimierung der Summgeräusche der Laufkatze sowie der Knallgeräusche an der Anschlagstelle bemüht hatte, hat sie im August 2011 Klage mit dem Ziel erhoben, die Seilbahn zu beseitigen, hilfsweise deren Nutzung zu verhindern. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, durch die Benutzung der Seilbahn werde ein unzumutbarer Lärm verursacht. Wie ihre Aufstellung für den Zeitraum von Ende Juli 2010 bis Ende März 2011 belege, werde die Seilbahn täglich genutzt. Wegen der Summ- und Knallgeräusche sei es nicht mehr möglich, sich auf dem Balkon aufzuhalten. Die Geräusche seien auch bei geschlossenem Fenster innerhalb der Wohnung hörbar. Durch den lärmbedingten Stress habe sich ihre Rheumaerkrankung verschlimmert.
- 4
Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, dass die Klägerin zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Sie habe durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) hinreichend auf die Belange der Anwohner Rücksicht genommen. Laut dem Hersteller gebe es keine weiteren technischen Möglichkeiten, um die Seilbahngeräusche zu mindern. Die Verlegung der Bahn komme wegen der Geländetopografie nicht in Betracht, würde aber auch keinen nennenswerten Effekt haben.
- 5
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Januar 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs lägen nicht vor, da die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der durch die Benutzung der Seilbahn hervorgerufenen Geräusche verpflichtet sei. Die Duldungspflicht erfasse alle von Kinderspielplätzen ausgehenden Geräusche, unabhängig davon, ob sie von den Benutzern unmittelbar oder von den Spielgeräten herrührten. Seilbahnen seien heutzutage typische Spielgeräte auf Kinderspielplätzen. Es handele sich auch um den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung. Ein solcher Platz sei innerhalb der ihn umgebenden Wohnbebauung ohne weiteres sozialadäquat. Besondere Empfindlichkeiten einzelner Anwohner führten nicht zur Einschränkung der Duldungspflicht. Einer eventuellen bestimmungswidrigen Benutzung der Seilbahn durch Jugendliche oder junge Erwachsene sei mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen.
- 6
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG lediglich die unmittelbar „durch“ die Kinder verursachten Geräusche betreffe. Die technische Ausstattung der Spielgeräte unterliege hingegen den allgemeinen Anforderungen des Immissionsschutzrechts. Die allein durch die Seilbahn ausgelösten Summ- und Knallgeräusche seien unzumutbar. Im Übrigen ermögliche das „Regelfall“-Kriterium in § 22 Abs. 1 a BImSchG die Berücksichtigung der besonderen Situation des jeweiligen Einzelfalls. Hier liege ein Sonderfall bereits deshalb vor, weil sich die Ausstattung mit einer Seilbahn auf dem relativ kleinen Spielplatz nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Wegen der fehlenden Distanz zu der benachbarten Wohnbebauung hätte auf ein solches geräuschintensives Spielgerät verzichtet werden müssen. Die Seilbahn werde nach wie vor intensiv genutzt. Die zwischenzeitlich vorgenommenen Abhilfemaßnahmen hätten keinen merkbaren Effekt erzielt. Auch sei ihr Grundstück nicht durch Straßenverkehrs- oder Gaststättenlärm vorbelastet.
- 7
Die Klägerin beantragt,
- 8
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 1. die Beklagte zu verurteilen, die entlang der Rückfront des Hausgrundstücks der Klägerin in T., T. Straße …, auf dem dort angelegten Spielplatz des Neubaugebietes „A.“ aufgestellte Seilbahn zu beseitigen,
hilfsweise,
die tatsächliche Nutzung der vorstehend bezeichneten Seilbahn nachhaltig zu verhindern, beispielsweise durch Beseitigung des Seilbahnsitzes und dessen Aufhängung/Laufkatze,
- 9
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 755,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
äußerst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Berufung zurückzuweisen.
- 12
Nach ihrer Auffassung hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Die Duldungspflicht gelte auch für die von den Spielgeräten ausgehenden Geräusche. Ein Sonderfall liege nicht vor, denn bei der Seilbahn handele es sich um ein für Kinderspielplätze typisches Spielgerät. Der Standort sei unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgewählt worden. Eine stichprobenweise Erhebung in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 2012 habe ergeben, dass der Spielplatz lediglich vereinzelt und von wenigen Kindern genutzt werde. Das Verhalten der Klägerin in der Vergangenheit gegenüber den auf dem Platz spielenden Kindern lasse vermuten, dass sie sich nicht nur gegen das Geräusch der Anlage, sondern in Wahrheit gegen den Lärm der Kinder wende. Im Übrigen sei ein Anspruch der Klägerin aber jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Seilbahn mittlerweile aufgrund eines neuerlichen Angebots der Herstellerfirma nachgerüstet worden sei. So sei ein geräuschdämpfendes Seil und ein schallgedämmter Seilbahnwagen eingebaut worden. Ferner habe man entlang des Grundstücks zur Klägerin eine schnellwachsende Hecke angepflanzt. Im Übrigen sei das Grundstück der Klägerin durch Straßenverkehrslärm und die von einer benachbarten Gaststätte ausgehenden Geräuschen vorbelastet.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Behördenakte und die Urkunde des Bebauungsplans Teilgebiet „A.“, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 14
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
- 15
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
- 16
Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt allein der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Mit diesem Anspruch, der aus dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB hergeleitet wird, kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, die Folge eines schlicht hoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich als unzumutbar erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1998 - 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197 und juris Rn. 17; OVG RP, Urteil vom 23. Januar 2010 - 8 A 10357/10.OVG -, ESOVGRP; Beschluss vom 17. März 2011 - 8 A 11279/10.OVG -). Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung einer Seilbahn, die auf dem unterhalb ihres Hausgrundstücks gelegenen Kinderspielplatz errichtet worden ist. Sie greift damit das schlicht hoheitliche Handeln der Beklagten an. Der auf die Beseitigung der Seilbahn gerichtete Hauptantrag geht allerdings über den Inhalt eines Unterlassungsanspruchs hinaus und kann schon deshalb hierin keine Rechtsgrundlage finden. Das Beseitigungsverlangen lässt sich auch nicht auf § 81 LBauO stützen, weil passivlegitimiert nach dieser Vorschrift allein die Bauaufsichtsbehörde und nicht der hier verklagte Träger der umstrittenen Anlage ist. Aber auch der hilfsweise gestellte und auf das Unterlassen des Anlagenbetriebs gerichtete Antrag ist nicht begründet, weil von der Seilbahn keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für die Klägerin ausgehen.
- 17
Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms ergibt sich aus § 22 BImSchG. Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; unvermeidbare Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche Geräusche, die geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Wann Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, also eine erhebliche Belästigung für die Nachbarschaft darstellen, erfordert grundsätzlich eine situationsbezogene Abwägung anhand der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 18).
- 18
Die Nutzung der Seilbahn auf dem benachbarten Kinderspielplatz stellt für die Klägerin schon deshalb keine schädlichen Umwelteinwirkungen dar, weil sie nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der hierdurch entstehenden Lärmbeeinträchtigung verpflichtet ist. Nach dieser Vorschrift sind
- 19
„Geräuscheinwirkungen, die [u.a.] von … Kinderspielplätzen … durch Kinder hervorgerufen werden, … im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“
- 20
Nach dieser Regelung steht Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft; Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 22 Abs. 1a BImSchG, BT-Drs. 17/4836, S. 4, BR-Drs. 128/11, S. 2 f.). Bereits in der bisherigen Rechtsprechung war allgemein anerkannt, dass Kinder lauter sein dürfen als andere Geräuschquellen; Kinderlärm kann sich danach auch dann in den Grenzen des sozial Üblichen und Tolerierbaren halten, wenn Grenz- oder Richtwerte lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5/88 -, NJW 1992, 1779 und juris, Rn. 18 f.; Beschluss vom 11. Februar 2003 - 7 B 88/02 -, NVWZ 2003, 751 [752]; Rojahn, ZfBR 2010, 752 [755] m.w.N.). § 22 Abs. 1 a BImSchG enthält die normative Bekräftigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (so: Hansmann, DVBl. 2011, 1400 [1401]; Fricke/Schütte, ZUR 2012, 89 [91]).
- 21
§ 22 Abs. 1a BImSchG ist Teil einer anlagenbezogenen, d.h. Rücksichtnahmepflichten des Anlagen- bzw. Einrichtungsbetreibers enthaltenden Regelung (vgl. zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 5; BR-Drs. 128/11, S. 4; Jarass, BImSchG, 9. Auflage 2012, Einleitung Rn. 39 m.w.N.). Der vorliegende Rechtsstreit betrifft diese anlagenbezogenen Pflichten der Beklagten für den von ihr eingerichteten Kinderspielplatz. Aus dem Anlagenbezug ergibt sich, dass zwischen den Geräuschen der Anlage mit ihren einzelnen Teilen und den von den Benutzern der Anlage ausgehenden Geräuschen nicht differenziert werden darf, sie vielmehr als einheitliches Anlagengeräusch zu beurteilen sind. Die Privilegierung in § 22 Abs. 1a BImSchG gilt daher sowohl für die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute, wie etwa Rufen, Schreien oder Ähnliches, als auch für die von den Spielgeräten bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung herrührenden Geräusche. Diese umfassende Duldungspflicht setzt freilich voraus, dass die Anlage dem an sie zu stellenden technischen Standard genügt. In diesem Sinne ist auch die Formulierung in den Gesetzesmaterialien zu verstehen, wonach die technische Ausstattung der Einrichtungen und auch der Spielgeräte den Anforderungen entsprechen muss (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 6; BR-Drs. 128/11, S. 6).
- 22
§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und –richtwerte technischer Regelwerke abzustellen (so bereits: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 a.a.O.). Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen „im Regelfall“ keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind. Für den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot (vgl. zum Vorstehenden insgesamt das Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 - 8 A 10042/12.OVG -, BauR 2012, 1373 und juris).
- 23
Bei der von der Klägerin beklagten Seilbahnnutzung handelt es sich um einen von § 22 Abs. 1 a Satz 1 BImSchG erfassten Regelfall. Gründe für die Annahme eines davon abweichenden Sonderfalls liegen nicht vor. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 zugrunde lag und bei dem wegen der Annahme eines Sonderfalls eine auf den Einzelfall bezogene - aber letztlich ebenfalls zu Lasten der dortigen Klägerin ausgegangene - Güterabwägung notwendig geworden war.
- 24
Nach der Gesetzesbegründung soll ein vom Regelfall abweichender Sonderfall vorliegen, „wenn besondere Umstände gegeben sind, zum Beispiel die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäuser und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen“ (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; BR-Drs. 128/11, S. 7). Diese beiden - beispielhaft und deshalb nicht abschließend zu verstehenden – Fallgruppen sind hier nicht gegeben.
- 25
Insbesondere fügt sich der etwa 1.250 m² große Spielplatz ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5.88 - (BauR 1992, 338) festgestellt hat, ist die Errichtung eines Kinderspielplatzes selbst in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung grundsätzlich zulässig. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Ausstattung des Spielplatzes durchaus dem heute Üblichen entspricht und er sich auch insofern in die ihn umgebende Wohnbebauung einfügt. Dies gilt insbesondere für die heutzutage auch auf kleineren Spielplätzen häufig anzutreffenden Seilbahnen (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 16. März 2005 - 2 A 27/04 -, juris, Rn. 31). Auch der Umfang der Inanspruchnahme des Kinderspielplatzes und damit der Seilbahn hält sich im Rahmen des Üblichen. Nach den Aufzeichnungen der Klägerin und den hierzu gegebenen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung wird der Spielplatz vorwiegend an Nachmittagen von Kindern genutzt. Vormittags wird der Spielplatz gelegentlich von einer Kindergartengruppe für eine Stunde aufgesucht. Während der Nachmittagsstunden halten sich Kinder nur vereinzelt und nicht durchgehend auf dem Spielplatz auf. Nach einer - von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen - stichprobenweisen Erhebung der Beklagten im Juni 2012 wurde an einem Freitagnachmittag um 14:00 Uhr kein und um 16:00 Uhr ein Kind angetroffen (Samstag: 14:00 Uhr: 2 Kinder, 16:00 Uhr: 2 Kinder; Sonntag: 14:00 Uhr: 4 Kinder, 16:00 Uhr: 4 Kinder).
- 26
Ein atypischer Sonderfall liegt auch nicht darin begründet, dass die Beklagte sich mit ihrer Entscheidung für die Seilbahn und mit der Wahl ihres Standorts rücksichtslos gegenüber der Klägerin verhalten hätte. Wie der Senat bereits im Urteil vom 16. Mai 2012 ausgeführt hat, enthebt die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG den Träger eines Spielplatzes nicht gänzlich seiner Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, weshalb bei der Ausstattung eines Spielplatzes mit Spielgeräten und deren Anordnung auch den berechtigten Belangen der benachbarten Anwohner Rechnung zu tragen ist (a.a.O., juris Rn. 51). Den sich hieraus ergebenden Anforderungen ist die Beklagte indes gerecht geworden. Die Seilbahn ist ein bei Kindern sehr beliebtes Spielgerät. Nach den Ausführungen des Ortsbürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entsprach deren Aufstellung einem vielfachen Wunsch der Kinder des Ortes. Eine solche Seilbahn ruft neben den von spielenden Kindern ohnehin ausgehenden Lauten auch nicht Geräusche in einem solchen Ausmaß hervor, dass sie von vorneherein nur fernab von einer Wohnbebauung errichtet werden könnte. Was die Wahl des Standortes für die Seilbahn anbelangt, haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass sich der gewählte Platz aufgrund der topografischen Verhältnisse, insbesondere des für die Seilbahn notwendigen Gefälles, als vorzugswürdig erwiesen habe. Im Übrigen hätte eine mögliche Entlastung der Klägerin zwingend zu einer stärkeren Belastung anderer Anwohner geführt, weil der Spielplatz - im Unterschied zu dem mit Urteil vom 16. Mai 2012 entschiedenen Fall - nahezu vollständig von Wohnbebauung umgeben ist. Angesichts der geringen Größe des Spielplatzes hätte die Verlagerung des Seilbahnstandorts für die Anwohner aber ohnehin nur geringe Auswirkungen gehabt. Da den schutzwürdigen Belangen der in unmittelbarer Nachbarschaft des Spielplatzes wohnenden Personen darüber hinaus durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) Rechnung getragen worden ist, stellt sich die Ausstattung des Spielplatzes und die Anordnung der Spielgeräte gegenüber der Klägerin nicht als rücksichtslos dar. Sofern sich die Klägerin durch eine ungewöhnlich intensive Benutzung der Seilbahn besonders gestört fühlt, kann sie sich dem Lärm dadurch wirksam entziehen, dass sie sich in ihre Wohnung zurückzieht. Wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, sind die Seilbahngeräusche bei geschlossenen Fenstern nämlich nur noch „minimal“ bemerkbar. Auch derart zumutbare Maßnahmen des Eigenschutzes sind bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Betroffenen mit zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, Urteil vom 18. November 2010 – 5 S 2112/09 -, BauR 2011, 1157 und juris, Rn. 36 [Lichtimmissionen]).
- 27
Auch der Umstand, dass sich die Klägerin als besonders lärmempfindlich erweist, stellt keinen Sonderfall im Sinne von § 22 Abs. 1a BImSchG dar. Im Immissionsschutzrecht ist allgemein anerkannt, dass es für die Frage des zumutbaren Maßes von Geräuscheinwirkungen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 und juris, Rn. 28; VGH BW, Urteil vom 11. September 2012 - 6 S 947/12 -, juris, Rn. 25). Auch die in § 22 Abs. 1a BImSchG angeordnete Duldungspflicht gegenüber Spielplatzlärm verlangt eine solche generelle Betrachtung. Lediglich die Nähe zu besonders schutzwürdigen Anlagen (wie z.B. Krankenhäusern oder Pflegeanstalten) vermag danach eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, hingegen nicht die atypische Empfindlichkeit einzelner Personen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 7).
- 28
Ein atypischer Sonderfall liegt schließlich auch nicht deshalb vor, weil von der Seilbahn - konstruktionsbedingt oder wegen schlechter Wartung - eine außergewöhnlich hohe und vom Anlagenstandard abweichende Lärmbeeinträchtigung ausginge. Hierfür ist nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere, nachdem die Beklagte die Anlage mit einem schallgedämmten Seilbahnwagen und einem geräuschdämpfenden Seilbahnseil hat nachrüsten lassen. Nach den mitgeteilten Erfahrungen der Herstellerfirma werden hierdurch sowohl die Summ- als auch die Anschlaggeräusche merklich reduziert. Der von der Beklagten hinzugezogene Spielplatzsachkundige T... hat in seiner Stellungnahme vom 5. September 2012 bestätigt, dass diese Lärmminderungsmaßnahmen fachgerecht durchgeführt worden sind.
- 29
Sollte sich das Klagebegehren schließlich auch gegen eine missbräuchliche Benutzung der Seilbahn (durch Jugendliche oder Erwachsene und/oder nach 20:00 Uhr) wenden, sind die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht erfüllt. Denn die Beklagte träfe in einem solchen Fall nur dann eine Verantwortung, wenn sie sich die missbräuchliche Nutzung des Spielgeräts durch Dritte zurechnen lassen müsste. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Zahl der Missbräuche über unvermeidbare gelegentliche Fälle hinausginge und die örtlichen Gegebenheiten einen besonderen Anreiz zum Missbrauch geschaffen hätten (vgl. den Beschluss des Senats vom 22. August 2007 - 8 B 10784/07 -; OVG Nds, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 9 LA 113/04 -, NVwZ 2006, 1199 und juris, Rn. 11). Hier hat die Klägerin bereits nicht dargetan, dass die Seilbahn über Einzelfälle hinaus in größerem Umfang bestimmungswidrig benutzt wird.
- 30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 31
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 32
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
- 33
Beschluss
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen die Benutzung einer Seilbahn auf einem Kinderspielplatz.
- 2
Sie ist Eigentümerin des Hausgrundstücks T. Straße … in T. und bewohnt dort die im ... gelegene Wohnung. Südöstlich grenzt an das Grundstück ein im Bebauungsplan Teilgebiet „A.“ aus dem Jahr 2004 festgesetzter und im Jahr 2010 angelegter Kinderspielplatz an. Der Spielplatz mit einer Fläche von 18,5 m x 69 m enthält einen Sandkasten, eine Rutsche, eine Schaukel sowie eine ca. 30 m lange Seilbahn, die in einem Abstand von ca. 10 m zum Balkon der Wohnung der Klägerin verläuft. Die Benutzer der Seilbahn rutschen auf einem Tellersitz von einem Ende zum anderen, wobei der Seilbahnbahnwagen an den Enden des Seils gegen eine Feder schlägt.
- 3
Nachdem die Klägerin sich seit Juli 2010 erfolglos um die Verlegung der Seilbahn bzw. die Minimierung der Summgeräusche der Laufkatze sowie der Knallgeräusche an der Anschlagstelle bemüht hatte, hat sie im August 2011 Klage mit dem Ziel erhoben, die Seilbahn zu beseitigen, hilfsweise deren Nutzung zu verhindern. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, durch die Benutzung der Seilbahn werde ein unzumutbarer Lärm verursacht. Wie ihre Aufstellung für den Zeitraum von Ende Juli 2010 bis Ende März 2011 belege, werde die Seilbahn täglich genutzt. Wegen der Summ- und Knallgeräusche sei es nicht mehr möglich, sich auf dem Balkon aufzuhalten. Die Geräusche seien auch bei geschlossenem Fenster innerhalb der Wohnung hörbar. Durch den lärmbedingten Stress habe sich ihre Rheumaerkrankung verschlimmert.
- 4
Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, dass die Klägerin zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Sie habe durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) hinreichend auf die Belange der Anwohner Rücksicht genommen. Laut dem Hersteller gebe es keine weiteren technischen Möglichkeiten, um die Seilbahngeräusche zu mindern. Die Verlegung der Bahn komme wegen der Geländetopografie nicht in Betracht, würde aber auch keinen nennenswerten Effekt haben.
- 5
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Januar 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs lägen nicht vor, da die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der durch die Benutzung der Seilbahn hervorgerufenen Geräusche verpflichtet sei. Die Duldungspflicht erfasse alle von Kinderspielplätzen ausgehenden Geräusche, unabhängig davon, ob sie von den Benutzern unmittelbar oder von den Spielgeräten herrührten. Seilbahnen seien heutzutage typische Spielgeräte auf Kinderspielplätzen. Es handele sich auch um den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung. Ein solcher Platz sei innerhalb der ihn umgebenden Wohnbebauung ohne weiteres sozialadäquat. Besondere Empfindlichkeiten einzelner Anwohner führten nicht zur Einschränkung der Duldungspflicht. Einer eventuellen bestimmungswidrigen Benutzung der Seilbahn durch Jugendliche oder junge Erwachsene sei mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen.
- 6
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG lediglich die unmittelbar „durch“ die Kinder verursachten Geräusche betreffe. Die technische Ausstattung der Spielgeräte unterliege hingegen den allgemeinen Anforderungen des Immissionsschutzrechts. Die allein durch die Seilbahn ausgelösten Summ- und Knallgeräusche seien unzumutbar. Im Übrigen ermögliche das „Regelfall“-Kriterium in § 22 Abs. 1 a BImSchG die Berücksichtigung der besonderen Situation des jeweiligen Einzelfalls. Hier liege ein Sonderfall bereits deshalb vor, weil sich die Ausstattung mit einer Seilbahn auf dem relativ kleinen Spielplatz nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Wegen der fehlenden Distanz zu der benachbarten Wohnbebauung hätte auf ein solches geräuschintensives Spielgerät verzichtet werden müssen. Die Seilbahn werde nach wie vor intensiv genutzt. Die zwischenzeitlich vorgenommenen Abhilfemaßnahmen hätten keinen merkbaren Effekt erzielt. Auch sei ihr Grundstück nicht durch Straßenverkehrs- oder Gaststättenlärm vorbelastet.
- 7
Die Klägerin beantragt,
- 8
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 1. die Beklagte zu verurteilen, die entlang der Rückfront des Hausgrundstücks der Klägerin in T., T. Straße …, auf dem dort angelegten Spielplatz des Neubaugebietes „A.“ aufgestellte Seilbahn zu beseitigen,
hilfsweise,
die tatsächliche Nutzung der vorstehend bezeichneten Seilbahn nachhaltig zu verhindern, beispielsweise durch Beseitigung des Seilbahnsitzes und dessen Aufhängung/Laufkatze,
- 9
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 755,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
äußerst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Berufung zurückzuweisen.
- 12
Nach ihrer Auffassung hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Die Duldungspflicht gelte auch für die von den Spielgeräten ausgehenden Geräusche. Ein Sonderfall liege nicht vor, denn bei der Seilbahn handele es sich um ein für Kinderspielplätze typisches Spielgerät. Der Standort sei unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgewählt worden. Eine stichprobenweise Erhebung in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 2012 habe ergeben, dass der Spielplatz lediglich vereinzelt und von wenigen Kindern genutzt werde. Das Verhalten der Klägerin in der Vergangenheit gegenüber den auf dem Platz spielenden Kindern lasse vermuten, dass sie sich nicht nur gegen das Geräusch der Anlage, sondern in Wahrheit gegen den Lärm der Kinder wende. Im Übrigen sei ein Anspruch der Klägerin aber jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Seilbahn mittlerweile aufgrund eines neuerlichen Angebots der Herstellerfirma nachgerüstet worden sei. So sei ein geräuschdämpfendes Seil und ein schallgedämmter Seilbahnwagen eingebaut worden. Ferner habe man entlang des Grundstücks zur Klägerin eine schnellwachsende Hecke angepflanzt. Im Übrigen sei das Grundstück der Klägerin durch Straßenverkehrslärm und die von einer benachbarten Gaststätte ausgehenden Geräuschen vorbelastet.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Behördenakte und die Urkunde des Bebauungsplans Teilgebiet „A.“, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 14
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
- 15
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
- 16
Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt allein der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Mit diesem Anspruch, der aus dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB hergeleitet wird, kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, die Folge eines schlicht hoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich als unzumutbar erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1998 - 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197 und juris Rn. 17; OVG RP, Urteil vom 23. Januar 2010 - 8 A 10357/10.OVG -, ESOVGRP; Beschluss vom 17. März 2011 - 8 A 11279/10.OVG -). Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung einer Seilbahn, die auf dem unterhalb ihres Hausgrundstücks gelegenen Kinderspielplatz errichtet worden ist. Sie greift damit das schlicht hoheitliche Handeln der Beklagten an. Der auf die Beseitigung der Seilbahn gerichtete Hauptantrag geht allerdings über den Inhalt eines Unterlassungsanspruchs hinaus und kann schon deshalb hierin keine Rechtsgrundlage finden. Das Beseitigungsverlangen lässt sich auch nicht auf § 81 LBauO stützen, weil passivlegitimiert nach dieser Vorschrift allein die Bauaufsichtsbehörde und nicht der hier verklagte Träger der umstrittenen Anlage ist. Aber auch der hilfsweise gestellte und auf das Unterlassen des Anlagenbetriebs gerichtete Antrag ist nicht begründet, weil von der Seilbahn keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für die Klägerin ausgehen.
- 17
Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms ergibt sich aus § 22 BImSchG. Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; unvermeidbare Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche Geräusche, die geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Wann Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, also eine erhebliche Belästigung für die Nachbarschaft darstellen, erfordert grundsätzlich eine situationsbezogene Abwägung anhand der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 18).
- 18
Die Nutzung der Seilbahn auf dem benachbarten Kinderspielplatz stellt für die Klägerin schon deshalb keine schädlichen Umwelteinwirkungen dar, weil sie nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der hierdurch entstehenden Lärmbeeinträchtigung verpflichtet ist. Nach dieser Vorschrift sind
- 19
„Geräuscheinwirkungen, die [u.a.] von … Kinderspielplätzen … durch Kinder hervorgerufen werden, … im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“
- 20
Nach dieser Regelung steht Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft; Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 22 Abs. 1a BImSchG, BT-Drs. 17/4836, S. 4, BR-Drs. 128/11, S. 2 f.). Bereits in der bisherigen Rechtsprechung war allgemein anerkannt, dass Kinder lauter sein dürfen als andere Geräuschquellen; Kinderlärm kann sich danach auch dann in den Grenzen des sozial Üblichen und Tolerierbaren halten, wenn Grenz- oder Richtwerte lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5/88 -, NJW 1992, 1779 und juris, Rn. 18 f.; Beschluss vom 11. Februar 2003 - 7 B 88/02 -, NVWZ 2003, 751 [752]; Rojahn, ZfBR 2010, 752 [755] m.w.N.). § 22 Abs. 1 a BImSchG enthält die normative Bekräftigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (so: Hansmann, DVBl. 2011, 1400 [1401]; Fricke/Schütte, ZUR 2012, 89 [91]).
- 21
§ 22 Abs. 1a BImSchG ist Teil einer anlagenbezogenen, d.h. Rücksichtnahmepflichten des Anlagen- bzw. Einrichtungsbetreibers enthaltenden Regelung (vgl. zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 5; BR-Drs. 128/11, S. 4; Jarass, BImSchG, 9. Auflage 2012, Einleitung Rn. 39 m.w.N.). Der vorliegende Rechtsstreit betrifft diese anlagenbezogenen Pflichten der Beklagten für den von ihr eingerichteten Kinderspielplatz. Aus dem Anlagenbezug ergibt sich, dass zwischen den Geräuschen der Anlage mit ihren einzelnen Teilen und den von den Benutzern der Anlage ausgehenden Geräuschen nicht differenziert werden darf, sie vielmehr als einheitliches Anlagengeräusch zu beurteilen sind. Die Privilegierung in § 22 Abs. 1a BImSchG gilt daher sowohl für die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute, wie etwa Rufen, Schreien oder Ähnliches, als auch für die von den Spielgeräten bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung herrührenden Geräusche. Diese umfassende Duldungspflicht setzt freilich voraus, dass die Anlage dem an sie zu stellenden technischen Standard genügt. In diesem Sinne ist auch die Formulierung in den Gesetzesmaterialien zu verstehen, wonach die technische Ausstattung der Einrichtungen und auch der Spielgeräte den Anforderungen entsprechen muss (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 6; BR-Drs. 128/11, S. 6).
- 22
§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und –richtwerte technischer Regelwerke abzustellen (so bereits: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 a.a.O.). Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen „im Regelfall“ keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind. Für den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot (vgl. zum Vorstehenden insgesamt das Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 - 8 A 10042/12.OVG -, BauR 2012, 1373 und juris).
- 23
Bei der von der Klägerin beklagten Seilbahnnutzung handelt es sich um einen von § 22 Abs. 1 a Satz 1 BImSchG erfassten Regelfall. Gründe für die Annahme eines davon abweichenden Sonderfalls liegen nicht vor. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 zugrunde lag und bei dem wegen der Annahme eines Sonderfalls eine auf den Einzelfall bezogene - aber letztlich ebenfalls zu Lasten der dortigen Klägerin ausgegangene - Güterabwägung notwendig geworden war.
- 24
Nach der Gesetzesbegründung soll ein vom Regelfall abweichender Sonderfall vorliegen, „wenn besondere Umstände gegeben sind, zum Beispiel die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäuser und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen“ (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; BR-Drs. 128/11, S. 7). Diese beiden - beispielhaft und deshalb nicht abschließend zu verstehenden – Fallgruppen sind hier nicht gegeben.
- 25
Insbesondere fügt sich der etwa 1.250 m² große Spielplatz ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5.88 - (BauR 1992, 338) festgestellt hat, ist die Errichtung eines Kinderspielplatzes selbst in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung grundsätzlich zulässig. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Ausstattung des Spielplatzes durchaus dem heute Üblichen entspricht und er sich auch insofern in die ihn umgebende Wohnbebauung einfügt. Dies gilt insbesondere für die heutzutage auch auf kleineren Spielplätzen häufig anzutreffenden Seilbahnen (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 16. März 2005 - 2 A 27/04 -, juris, Rn. 31). Auch der Umfang der Inanspruchnahme des Kinderspielplatzes und damit der Seilbahn hält sich im Rahmen des Üblichen. Nach den Aufzeichnungen der Klägerin und den hierzu gegebenen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung wird der Spielplatz vorwiegend an Nachmittagen von Kindern genutzt. Vormittags wird der Spielplatz gelegentlich von einer Kindergartengruppe für eine Stunde aufgesucht. Während der Nachmittagsstunden halten sich Kinder nur vereinzelt und nicht durchgehend auf dem Spielplatz auf. Nach einer - von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen - stichprobenweisen Erhebung der Beklagten im Juni 2012 wurde an einem Freitagnachmittag um 14:00 Uhr kein und um 16:00 Uhr ein Kind angetroffen (Samstag: 14:00 Uhr: 2 Kinder, 16:00 Uhr: 2 Kinder; Sonntag: 14:00 Uhr: 4 Kinder, 16:00 Uhr: 4 Kinder).
- 26
Ein atypischer Sonderfall liegt auch nicht darin begründet, dass die Beklagte sich mit ihrer Entscheidung für die Seilbahn und mit der Wahl ihres Standorts rücksichtslos gegenüber der Klägerin verhalten hätte. Wie der Senat bereits im Urteil vom 16. Mai 2012 ausgeführt hat, enthebt die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG den Träger eines Spielplatzes nicht gänzlich seiner Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, weshalb bei der Ausstattung eines Spielplatzes mit Spielgeräten und deren Anordnung auch den berechtigten Belangen der benachbarten Anwohner Rechnung zu tragen ist (a.a.O., juris Rn. 51). Den sich hieraus ergebenden Anforderungen ist die Beklagte indes gerecht geworden. Die Seilbahn ist ein bei Kindern sehr beliebtes Spielgerät. Nach den Ausführungen des Ortsbürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entsprach deren Aufstellung einem vielfachen Wunsch der Kinder des Ortes. Eine solche Seilbahn ruft neben den von spielenden Kindern ohnehin ausgehenden Lauten auch nicht Geräusche in einem solchen Ausmaß hervor, dass sie von vorneherein nur fernab von einer Wohnbebauung errichtet werden könnte. Was die Wahl des Standortes für die Seilbahn anbelangt, haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass sich der gewählte Platz aufgrund der topografischen Verhältnisse, insbesondere des für die Seilbahn notwendigen Gefälles, als vorzugswürdig erwiesen habe. Im Übrigen hätte eine mögliche Entlastung der Klägerin zwingend zu einer stärkeren Belastung anderer Anwohner geführt, weil der Spielplatz - im Unterschied zu dem mit Urteil vom 16. Mai 2012 entschiedenen Fall - nahezu vollständig von Wohnbebauung umgeben ist. Angesichts der geringen Größe des Spielplatzes hätte die Verlagerung des Seilbahnstandorts für die Anwohner aber ohnehin nur geringe Auswirkungen gehabt. Da den schutzwürdigen Belangen der in unmittelbarer Nachbarschaft des Spielplatzes wohnenden Personen darüber hinaus durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) Rechnung getragen worden ist, stellt sich die Ausstattung des Spielplatzes und die Anordnung der Spielgeräte gegenüber der Klägerin nicht als rücksichtslos dar. Sofern sich die Klägerin durch eine ungewöhnlich intensive Benutzung der Seilbahn besonders gestört fühlt, kann sie sich dem Lärm dadurch wirksam entziehen, dass sie sich in ihre Wohnung zurückzieht. Wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, sind die Seilbahngeräusche bei geschlossenen Fenstern nämlich nur noch „minimal“ bemerkbar. Auch derart zumutbare Maßnahmen des Eigenschutzes sind bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Betroffenen mit zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, Urteil vom 18. November 2010 – 5 S 2112/09 -, BauR 2011, 1157 und juris, Rn. 36 [Lichtimmissionen]).
- 27
Auch der Umstand, dass sich die Klägerin als besonders lärmempfindlich erweist, stellt keinen Sonderfall im Sinne von § 22 Abs. 1a BImSchG dar. Im Immissionsschutzrecht ist allgemein anerkannt, dass es für die Frage des zumutbaren Maßes von Geräuscheinwirkungen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 und juris, Rn. 28; VGH BW, Urteil vom 11. September 2012 - 6 S 947/12 -, juris, Rn. 25). Auch die in § 22 Abs. 1a BImSchG angeordnete Duldungspflicht gegenüber Spielplatzlärm verlangt eine solche generelle Betrachtung. Lediglich die Nähe zu besonders schutzwürdigen Anlagen (wie z.B. Krankenhäusern oder Pflegeanstalten) vermag danach eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, hingegen nicht die atypische Empfindlichkeit einzelner Personen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 7).
- 28
Ein atypischer Sonderfall liegt schließlich auch nicht deshalb vor, weil von der Seilbahn - konstruktionsbedingt oder wegen schlechter Wartung - eine außergewöhnlich hohe und vom Anlagenstandard abweichende Lärmbeeinträchtigung ausginge. Hierfür ist nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere, nachdem die Beklagte die Anlage mit einem schallgedämmten Seilbahnwagen und einem geräuschdämpfenden Seilbahnseil hat nachrüsten lassen. Nach den mitgeteilten Erfahrungen der Herstellerfirma werden hierdurch sowohl die Summ- als auch die Anschlaggeräusche merklich reduziert. Der von der Beklagten hinzugezogene Spielplatzsachkundige T... hat in seiner Stellungnahme vom 5. September 2012 bestätigt, dass diese Lärmminderungsmaßnahmen fachgerecht durchgeführt worden sind.
- 29
Sollte sich das Klagebegehren schließlich auch gegen eine missbräuchliche Benutzung der Seilbahn (durch Jugendliche oder Erwachsene und/oder nach 20:00 Uhr) wenden, sind die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht erfüllt. Denn die Beklagte träfe in einem solchen Fall nur dann eine Verantwortung, wenn sie sich die missbräuchliche Nutzung des Spielgeräts durch Dritte zurechnen lassen müsste. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Zahl der Missbräuche über unvermeidbare gelegentliche Fälle hinausginge und die örtlichen Gegebenheiten einen besonderen Anreiz zum Missbrauch geschaffen hätten (vgl. den Beschluss des Senats vom 22. August 2007 - 8 B 10784/07 -; OVG Nds, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 9 LA 113/04 -, NVwZ 2006, 1199 und juris, Rn. 11). Hier hat die Klägerin bereits nicht dargetan, dass die Seilbahn über Einzelfälle hinaus in größerem Umfang bestimmungswidrig benutzt wird.
- 30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 31
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 32
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
- 33
Beschluss
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. November 2009 - 8 K 1604/08 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
Entscheidungsgründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, - 2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und - 3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen die Benutzung einer Seilbahn auf einem Kinderspielplatz.
- 2
Sie ist Eigentümerin des Hausgrundstücks T. Straße … in T. und bewohnt dort die im ... gelegene Wohnung. Südöstlich grenzt an das Grundstück ein im Bebauungsplan Teilgebiet „A.“ aus dem Jahr 2004 festgesetzter und im Jahr 2010 angelegter Kinderspielplatz an. Der Spielplatz mit einer Fläche von 18,5 m x 69 m enthält einen Sandkasten, eine Rutsche, eine Schaukel sowie eine ca. 30 m lange Seilbahn, die in einem Abstand von ca. 10 m zum Balkon der Wohnung der Klägerin verläuft. Die Benutzer der Seilbahn rutschen auf einem Tellersitz von einem Ende zum anderen, wobei der Seilbahnbahnwagen an den Enden des Seils gegen eine Feder schlägt.
- 3
Nachdem die Klägerin sich seit Juli 2010 erfolglos um die Verlegung der Seilbahn bzw. die Minimierung der Summgeräusche der Laufkatze sowie der Knallgeräusche an der Anschlagstelle bemüht hatte, hat sie im August 2011 Klage mit dem Ziel erhoben, die Seilbahn zu beseitigen, hilfsweise deren Nutzung zu verhindern. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, durch die Benutzung der Seilbahn werde ein unzumutbarer Lärm verursacht. Wie ihre Aufstellung für den Zeitraum von Ende Juli 2010 bis Ende März 2011 belege, werde die Seilbahn täglich genutzt. Wegen der Summ- und Knallgeräusche sei es nicht mehr möglich, sich auf dem Balkon aufzuhalten. Die Geräusche seien auch bei geschlossenem Fenster innerhalb der Wohnung hörbar. Durch den lärmbedingten Stress habe sich ihre Rheumaerkrankung verschlimmert.
- 4
Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, dass die Klägerin zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Sie habe durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) hinreichend auf die Belange der Anwohner Rücksicht genommen. Laut dem Hersteller gebe es keine weiteren technischen Möglichkeiten, um die Seilbahngeräusche zu mindern. Die Verlegung der Bahn komme wegen der Geländetopografie nicht in Betracht, würde aber auch keinen nennenswerten Effekt haben.
- 5
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Januar 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs lägen nicht vor, da die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der durch die Benutzung der Seilbahn hervorgerufenen Geräusche verpflichtet sei. Die Duldungspflicht erfasse alle von Kinderspielplätzen ausgehenden Geräusche, unabhängig davon, ob sie von den Benutzern unmittelbar oder von den Spielgeräten herrührten. Seilbahnen seien heutzutage typische Spielgeräte auf Kinderspielplätzen. Es handele sich auch um den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung. Ein solcher Platz sei innerhalb der ihn umgebenden Wohnbebauung ohne weiteres sozialadäquat. Besondere Empfindlichkeiten einzelner Anwohner führten nicht zur Einschränkung der Duldungspflicht. Einer eventuellen bestimmungswidrigen Benutzung der Seilbahn durch Jugendliche oder junge Erwachsene sei mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen.
- 6
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG lediglich die unmittelbar „durch“ die Kinder verursachten Geräusche betreffe. Die technische Ausstattung der Spielgeräte unterliege hingegen den allgemeinen Anforderungen des Immissionsschutzrechts. Die allein durch die Seilbahn ausgelösten Summ- und Knallgeräusche seien unzumutbar. Im Übrigen ermögliche das „Regelfall“-Kriterium in § 22 Abs. 1 a BImSchG die Berücksichtigung der besonderen Situation des jeweiligen Einzelfalls. Hier liege ein Sonderfall bereits deshalb vor, weil sich die Ausstattung mit einer Seilbahn auf dem relativ kleinen Spielplatz nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Wegen der fehlenden Distanz zu der benachbarten Wohnbebauung hätte auf ein solches geräuschintensives Spielgerät verzichtet werden müssen. Die Seilbahn werde nach wie vor intensiv genutzt. Die zwischenzeitlich vorgenommenen Abhilfemaßnahmen hätten keinen merkbaren Effekt erzielt. Auch sei ihr Grundstück nicht durch Straßenverkehrs- oder Gaststättenlärm vorbelastet.
- 7
Die Klägerin beantragt,
- 8
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 1. die Beklagte zu verurteilen, die entlang der Rückfront des Hausgrundstücks der Klägerin in T., T. Straße …, auf dem dort angelegten Spielplatz des Neubaugebietes „A.“ aufgestellte Seilbahn zu beseitigen,
hilfsweise,
die tatsächliche Nutzung der vorstehend bezeichneten Seilbahn nachhaltig zu verhindern, beispielsweise durch Beseitigung des Seilbahnsitzes und dessen Aufhängung/Laufkatze,
- 9
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 755,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
äußerst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
- 10
Die Beklagte beantragt,
- 11
die Berufung zurückzuweisen.
- 12
Nach ihrer Auffassung hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Die Duldungspflicht gelte auch für die von den Spielgeräten ausgehenden Geräusche. Ein Sonderfall liege nicht vor, denn bei der Seilbahn handele es sich um ein für Kinderspielplätze typisches Spielgerät. Der Standort sei unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgewählt worden. Eine stichprobenweise Erhebung in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 2012 habe ergeben, dass der Spielplatz lediglich vereinzelt und von wenigen Kindern genutzt werde. Das Verhalten der Klägerin in der Vergangenheit gegenüber den auf dem Platz spielenden Kindern lasse vermuten, dass sie sich nicht nur gegen das Geräusch der Anlage, sondern in Wahrheit gegen den Lärm der Kinder wende. Im Übrigen sei ein Anspruch der Klägerin aber jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Seilbahn mittlerweile aufgrund eines neuerlichen Angebots der Herstellerfirma nachgerüstet worden sei. So sei ein geräuschdämpfendes Seil und ein schallgedämmter Seilbahnwagen eingebaut worden. Ferner habe man entlang des Grundstücks zur Klägerin eine schnellwachsende Hecke angepflanzt. Im Übrigen sei das Grundstück der Klägerin durch Straßenverkehrslärm und die von einer benachbarten Gaststätte ausgehenden Geräuschen vorbelastet.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Behördenakte und die Urkunde des Bebauungsplans Teilgebiet „A.“, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 14
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
- 15
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
- 16
Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt allein der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Mit diesem Anspruch, der aus dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB hergeleitet wird, kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, die Folge eines schlicht hoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich als unzumutbar erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1998 - 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197 und juris Rn. 17; OVG RP, Urteil vom 23. Januar 2010 - 8 A 10357/10.OVG -, ESOVGRP; Beschluss vom 17. März 2011 - 8 A 11279/10.OVG -). Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung einer Seilbahn, die auf dem unterhalb ihres Hausgrundstücks gelegenen Kinderspielplatz errichtet worden ist. Sie greift damit das schlicht hoheitliche Handeln der Beklagten an. Der auf die Beseitigung der Seilbahn gerichtete Hauptantrag geht allerdings über den Inhalt eines Unterlassungsanspruchs hinaus und kann schon deshalb hierin keine Rechtsgrundlage finden. Das Beseitigungsverlangen lässt sich auch nicht auf § 81 LBauO stützen, weil passivlegitimiert nach dieser Vorschrift allein die Bauaufsichtsbehörde und nicht der hier verklagte Träger der umstrittenen Anlage ist. Aber auch der hilfsweise gestellte und auf das Unterlassen des Anlagenbetriebs gerichtete Antrag ist nicht begründet, weil von der Seilbahn keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für die Klägerin ausgehen.
- 17
Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms ergibt sich aus § 22 BImSchG. Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; unvermeidbare Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche Geräusche, die geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Wann Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, also eine erhebliche Belästigung für die Nachbarschaft darstellen, erfordert grundsätzlich eine situationsbezogene Abwägung anhand der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 18).
- 18
Die Nutzung der Seilbahn auf dem benachbarten Kinderspielplatz stellt für die Klägerin schon deshalb keine schädlichen Umwelteinwirkungen dar, weil sie nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der hierdurch entstehenden Lärmbeeinträchtigung verpflichtet ist. Nach dieser Vorschrift sind
- 19
„Geräuscheinwirkungen, die [u.a.] von … Kinderspielplätzen … durch Kinder hervorgerufen werden, … im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“
- 20
Nach dieser Regelung steht Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft; Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 22 Abs. 1a BImSchG, BT-Drs. 17/4836, S. 4, BR-Drs. 128/11, S. 2 f.). Bereits in der bisherigen Rechtsprechung war allgemein anerkannt, dass Kinder lauter sein dürfen als andere Geräuschquellen; Kinderlärm kann sich danach auch dann in den Grenzen des sozial Üblichen und Tolerierbaren halten, wenn Grenz- oder Richtwerte lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5/88 -, NJW 1992, 1779 und juris, Rn. 18 f.; Beschluss vom 11. Februar 2003 - 7 B 88/02 -, NVWZ 2003, 751 [752]; Rojahn, ZfBR 2010, 752 [755] m.w.N.). § 22 Abs. 1 a BImSchG enthält die normative Bekräftigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (so: Hansmann, DVBl. 2011, 1400 [1401]; Fricke/Schütte, ZUR 2012, 89 [91]).
- 21
§ 22 Abs. 1a BImSchG ist Teil einer anlagenbezogenen, d.h. Rücksichtnahmepflichten des Anlagen- bzw. Einrichtungsbetreibers enthaltenden Regelung (vgl. zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 5; BR-Drs. 128/11, S. 4; Jarass, BImSchG, 9. Auflage 2012, Einleitung Rn. 39 m.w.N.). Der vorliegende Rechtsstreit betrifft diese anlagenbezogenen Pflichten der Beklagten für den von ihr eingerichteten Kinderspielplatz. Aus dem Anlagenbezug ergibt sich, dass zwischen den Geräuschen der Anlage mit ihren einzelnen Teilen und den von den Benutzern der Anlage ausgehenden Geräuschen nicht differenziert werden darf, sie vielmehr als einheitliches Anlagengeräusch zu beurteilen sind. Die Privilegierung in § 22 Abs. 1a BImSchG gilt daher sowohl für die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute, wie etwa Rufen, Schreien oder Ähnliches, als auch für die von den Spielgeräten bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung herrührenden Geräusche. Diese umfassende Duldungspflicht setzt freilich voraus, dass die Anlage dem an sie zu stellenden technischen Standard genügt. In diesem Sinne ist auch die Formulierung in den Gesetzesmaterialien zu verstehen, wonach die technische Ausstattung der Einrichtungen und auch der Spielgeräte den Anforderungen entsprechen muss (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 6; BR-Drs. 128/11, S. 6).
- 22
§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und –richtwerte technischer Regelwerke abzustellen (so bereits: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 a.a.O.). Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen „im Regelfall“ keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind. Für den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot (vgl. zum Vorstehenden insgesamt das Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 - 8 A 10042/12.OVG -, BauR 2012, 1373 und juris).
- 23
Bei der von der Klägerin beklagten Seilbahnnutzung handelt es sich um einen von § 22 Abs. 1 a Satz 1 BImSchG erfassten Regelfall. Gründe für die Annahme eines davon abweichenden Sonderfalls liegen nicht vor. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 zugrunde lag und bei dem wegen der Annahme eines Sonderfalls eine auf den Einzelfall bezogene - aber letztlich ebenfalls zu Lasten der dortigen Klägerin ausgegangene - Güterabwägung notwendig geworden war.
- 24
Nach der Gesetzesbegründung soll ein vom Regelfall abweichender Sonderfall vorliegen, „wenn besondere Umstände gegeben sind, zum Beispiel die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäuser und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen“ (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; BR-Drs. 128/11, S. 7). Diese beiden - beispielhaft und deshalb nicht abschließend zu verstehenden – Fallgruppen sind hier nicht gegeben.
- 25
Insbesondere fügt sich der etwa 1.250 m² große Spielplatz ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5.88 - (BauR 1992, 338) festgestellt hat, ist die Errichtung eines Kinderspielplatzes selbst in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung grundsätzlich zulässig. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Ausstattung des Spielplatzes durchaus dem heute Üblichen entspricht und er sich auch insofern in die ihn umgebende Wohnbebauung einfügt. Dies gilt insbesondere für die heutzutage auch auf kleineren Spielplätzen häufig anzutreffenden Seilbahnen (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 16. März 2005 - 2 A 27/04 -, juris, Rn. 31). Auch der Umfang der Inanspruchnahme des Kinderspielplatzes und damit der Seilbahn hält sich im Rahmen des Üblichen. Nach den Aufzeichnungen der Klägerin und den hierzu gegebenen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung wird der Spielplatz vorwiegend an Nachmittagen von Kindern genutzt. Vormittags wird der Spielplatz gelegentlich von einer Kindergartengruppe für eine Stunde aufgesucht. Während der Nachmittagsstunden halten sich Kinder nur vereinzelt und nicht durchgehend auf dem Spielplatz auf. Nach einer - von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen - stichprobenweisen Erhebung der Beklagten im Juni 2012 wurde an einem Freitagnachmittag um 14:00 Uhr kein und um 16:00 Uhr ein Kind angetroffen (Samstag: 14:00 Uhr: 2 Kinder, 16:00 Uhr: 2 Kinder; Sonntag: 14:00 Uhr: 4 Kinder, 16:00 Uhr: 4 Kinder).
- 26
Ein atypischer Sonderfall liegt auch nicht darin begründet, dass die Beklagte sich mit ihrer Entscheidung für die Seilbahn und mit der Wahl ihres Standorts rücksichtslos gegenüber der Klägerin verhalten hätte. Wie der Senat bereits im Urteil vom 16. Mai 2012 ausgeführt hat, enthebt die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG den Träger eines Spielplatzes nicht gänzlich seiner Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, weshalb bei der Ausstattung eines Spielplatzes mit Spielgeräten und deren Anordnung auch den berechtigten Belangen der benachbarten Anwohner Rechnung zu tragen ist (a.a.O., juris Rn. 51). Den sich hieraus ergebenden Anforderungen ist die Beklagte indes gerecht geworden. Die Seilbahn ist ein bei Kindern sehr beliebtes Spielgerät. Nach den Ausführungen des Ortsbürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entsprach deren Aufstellung einem vielfachen Wunsch der Kinder des Ortes. Eine solche Seilbahn ruft neben den von spielenden Kindern ohnehin ausgehenden Lauten auch nicht Geräusche in einem solchen Ausmaß hervor, dass sie von vorneherein nur fernab von einer Wohnbebauung errichtet werden könnte. Was die Wahl des Standortes für die Seilbahn anbelangt, haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass sich der gewählte Platz aufgrund der topografischen Verhältnisse, insbesondere des für die Seilbahn notwendigen Gefälles, als vorzugswürdig erwiesen habe. Im Übrigen hätte eine mögliche Entlastung der Klägerin zwingend zu einer stärkeren Belastung anderer Anwohner geführt, weil der Spielplatz - im Unterschied zu dem mit Urteil vom 16. Mai 2012 entschiedenen Fall - nahezu vollständig von Wohnbebauung umgeben ist. Angesichts der geringen Größe des Spielplatzes hätte die Verlagerung des Seilbahnstandorts für die Anwohner aber ohnehin nur geringe Auswirkungen gehabt. Da den schutzwürdigen Belangen der in unmittelbarer Nachbarschaft des Spielplatzes wohnenden Personen darüber hinaus durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) Rechnung getragen worden ist, stellt sich die Ausstattung des Spielplatzes und die Anordnung der Spielgeräte gegenüber der Klägerin nicht als rücksichtslos dar. Sofern sich die Klägerin durch eine ungewöhnlich intensive Benutzung der Seilbahn besonders gestört fühlt, kann sie sich dem Lärm dadurch wirksam entziehen, dass sie sich in ihre Wohnung zurückzieht. Wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, sind die Seilbahngeräusche bei geschlossenen Fenstern nämlich nur noch „minimal“ bemerkbar. Auch derart zumutbare Maßnahmen des Eigenschutzes sind bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Betroffenen mit zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, Urteil vom 18. November 2010 – 5 S 2112/09 -, BauR 2011, 1157 und juris, Rn. 36 [Lichtimmissionen]).
- 27
Auch der Umstand, dass sich die Klägerin als besonders lärmempfindlich erweist, stellt keinen Sonderfall im Sinne von § 22 Abs. 1a BImSchG dar. Im Immissionsschutzrecht ist allgemein anerkannt, dass es für die Frage des zumutbaren Maßes von Geräuscheinwirkungen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 und juris, Rn. 28; VGH BW, Urteil vom 11. September 2012 - 6 S 947/12 -, juris, Rn. 25). Auch die in § 22 Abs. 1a BImSchG angeordnete Duldungspflicht gegenüber Spielplatzlärm verlangt eine solche generelle Betrachtung. Lediglich die Nähe zu besonders schutzwürdigen Anlagen (wie z.B. Krankenhäusern oder Pflegeanstalten) vermag danach eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, hingegen nicht die atypische Empfindlichkeit einzelner Personen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 7).
- 28
Ein atypischer Sonderfall liegt schließlich auch nicht deshalb vor, weil von der Seilbahn - konstruktionsbedingt oder wegen schlechter Wartung - eine außergewöhnlich hohe und vom Anlagenstandard abweichende Lärmbeeinträchtigung ausginge. Hierfür ist nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere, nachdem die Beklagte die Anlage mit einem schallgedämmten Seilbahnwagen und einem geräuschdämpfenden Seilbahnseil hat nachrüsten lassen. Nach den mitgeteilten Erfahrungen der Herstellerfirma werden hierdurch sowohl die Summ- als auch die Anschlaggeräusche merklich reduziert. Der von der Beklagten hinzugezogene Spielplatzsachkundige T... hat in seiner Stellungnahme vom 5. September 2012 bestätigt, dass diese Lärmminderungsmaßnahmen fachgerecht durchgeführt worden sind.
- 29
Sollte sich das Klagebegehren schließlich auch gegen eine missbräuchliche Benutzung der Seilbahn (durch Jugendliche oder Erwachsene und/oder nach 20:00 Uhr) wenden, sind die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht erfüllt. Denn die Beklagte träfe in einem solchen Fall nur dann eine Verantwortung, wenn sie sich die missbräuchliche Nutzung des Spielgeräts durch Dritte zurechnen lassen müsste. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Zahl der Missbräuche über unvermeidbare gelegentliche Fälle hinausginge und die örtlichen Gegebenheiten einen besonderen Anreiz zum Missbrauch geschaffen hätten (vgl. den Beschluss des Senats vom 22. August 2007 - 8 B 10784/07 -; OVG Nds, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 9 LA 113/04 -, NVwZ 2006, 1199 und juris, Rn. 11). Hier hat die Klägerin bereits nicht dargetan, dass die Seilbahn über Einzelfälle hinaus in größerem Umfang bestimmungswidrig benutzt wird.
- 30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 31
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 32
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
- 33
Beschluss
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23. September 2016 - 4 K 2152/14 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
|
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.