Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 07. Nov. 2016 - 4 L 853/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2016:1107.4L853.16.NW.0A
bei uns veröffentlicht am07.11.2016

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen am 8. Juli 2016 erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners (Az. …) wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und der Beigeladene je zur Hälfte. Antragsgegner und Beigeladener tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Vollziehbarkeit des Bescheids des Antragsgegners vom 8. Juli 2016, der dem Beigeladenen den Neubau einer religiösen Versammlungsstätte (Moschee) mit Nebenanlagen auf dem Grundstück A-Straße ... (Flurstück-Nr. …) im Stadtgebiet der Antragstellerin genehmigt.

2

Der Beigeladene ist eingegliedert in den Verein Türkische Islamische Union der Anstalt für Religion (D.I.T.I.B.) e.V. mit Sitz in Köln. Dieser Dachverband ist Eigentümer der beiden benachbarten Grundstücke A-Straße ... (Flurstück-Nr. …) und A-Straße ... (Flurstück-Nr. …). Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Antragstellerin, der dort ein besonderes Wohngebiet ausweist. Für beide Grundstücke bestehen zwischen dem Dachverband und dem Beigeladenen Nutzungsverträge, wonach der Dachverband dem Beigeladenen die Grundstücke unter bestimmten Voraussetzungen unentgeltlich überlässt.

3

Auf dem Grundstück A-Straße ... (Flurstück-Nr. ...) unterhält der Beigeladene bereits seit Jahren eine Einrichtung, die vom Antragsgegner mit Bescheid vom 19. Januar 1990 als kulturelle und religiöse Versammlungsstätte genehmigt wurde. Diese Baugenehmigung weist für die Versammlungsstätte eine Nutzfläche von insgesamt 1018,37 m² zzgl. zwei Wohnungen mit 146,39 m² bzw. 54,30 m² aus. Die Einrichtung umfasst zwei Versammlungsräume mit einer Fläche von zusammen 465,58 m² (152,77 m² und 312,81 m²), die der Beigeladene als Gebetsräume nutzt, sowie Aufenthaltsräume, eine Bibliothek, ein Büro und weitere Neben- und Funktionsräume sowie 30 Stellplätze. Für dieses Grundstück erhielt der Beigeladene vom Antragsgegner außerdem unter dem 15. November 2012 eine Baugenehmigung zum Teilabriss des Bestands sowie zum Neubau einer Moschee mit Nebenanlagen. Von dieser Baugenehmigung machte der Beigeladene in der Folgezeit keinen Gebrauch.

4

Unter dem 27. Februar 2015 stellte der Beigeladene eine Bauvoranfrage zur Errichtung einer Moschee auf dem 3.424 m² großen Grundstück A-Straße ... (Flurstück-Nr. …), die die Zulässigkeit einer offenen Bauweise und die maximale Gebäudehöhe zum Gegenstand hatte. Der Antragsgegner stellte daraufhin mit Vorbescheid vom 19. Mai 2015 fest, dass das Vorhaben in offener Bauweise sowie mit einer maximalen Gebäudehöhe von 15,39 m errichtet werden darf.

5

Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 genehmigte der Antragsgegner dann dem Beigeladenen den Neubau einer religiösen Versammlungsstätte (Moschee) mit Nebenanlagen auf dem Grundstück A-Straße ..., wobei das Vorhaben eine Nutzfläche von insgesamt 2.318 m² aufweist. Davon entfallen 488,33 m² auf den als Hauptraum im Erdgeschoss vorgesehenen „Gebetsraum Männer“ und 253,18 m² auf den „Gebetsraum Frauen“ im Obergeschoss. Im Erdgeschoss mit insgesamt 853,64 m² Nutzfläche sind zudem ein Foyer (133,02 m²), ein Teehaus (92,07 m²), ein Vorstandsbüro (12,98 m²) und ein Sekretariat (16,91 m²) sowie weitere Funktions- und Nebenräume ausgewiesen. Das Obergeschoss soll aus einem weiteren Foyer (37,88 m²), einem „Aufenthaltsraum Frauen" (119,02 m²) sowie weiteren Nebenräumen bestehen. Zudem umfasst das Vorhaben ein Kellergeschoss mit einer Nutzfläche von 967,27 m². Dort sollen vier jeweils 57,91 m² große Kursräume, eine 26,72 m² große Bibliothek, ein 105,77 m² großer Fitnessraum, ein 149,05 m² großer Jugendraum, ein Haustechnikraum sowie weitere Nebenräume untergebracht werden. Entsprechend den Berechnungen im Bauantrag des Beigeladenen schreibt die Baugenehmigung die Herstellung von 26 neuen Stellplätzen vor (B095). Daneben sind die für das Grundstück Flurstück-Nr. ... geforderten 30 Stellplätze für die vorhandene genehmigte Nutzung auf Dauer bereitzustellen (B095b).

6

Unter der Überschrift „Anforderungen an die Nutzung des Gebäudes" enthält der Genehmigungsbescheid u.a. die folgenden Nebenbestimmungen:

7

B100

8

Die Stellplätze wurden in Abhängigkeit zur Hauptnutzung berechnet. Hierzu wurden die angegebenen 618 Gebetsplätze zugrunde gelegt. Eine zeitgleiche Nutzung der Gebetsräume und der sonstigen Räumlichkeiten (Jugendräume, Fitnessraum, Teehaus, Aufenthaltsraum) findet nach den Angaben des Antragstellers während der Gebetszeiten nicht statt und ist nicht zulässig.

9

B101

10

Die geplante Moschee wird nach Angaben des Antragstellers nur von Germersheimer Vereinsmitgliedern und deren Familienmitgliedern genutzt und ist somit nicht von überörtlicher Bedeutung. Dies wurde ebenfalls als Grundlage der Stellplatzberechnung angenommen. Sollte sich hier nach Aufnahme der Nutzung herausstellen, dass entgegen der Antragstellung der Nutzung eine überörtliche Bedeutung zugemessen werden kann, behält sich die Baubehörde die Nachforderung von zusätzlichen Stellplätzen vor.

11

B111

12

Das Gebäude bzw. die Anlage darf nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden.

13

Unter „Hinweise“ ist u.a. weiter ausgeführt:

14

H01

15

Die bauliche Anlage wurde nicht als Versammlungsstätte beurteilt. Nach den Angaben des Bauherrn finden in den Räumlichkeiten keine öffentlichen Veranstaltungen statt.

16

- Die Gebetsräume (407 Gebetsplätze im EG für Männer und 211 Gebetsplätze im OG für Frauen) werden nur von Germersheimer Vereinsmitgliedern und deren Familienmitgliedern zum Gebet genutzt.

17

- Die sonstigen Räumlichkeiten sind ebenfalls nur für Germersheimer Vereinsmitglieder und deren Familienmitglieder vorgesehen. Sollten hier zu einem späteren Zeitpunkt Änderungen geplant sein, ist ein Bauantrag auf Nutzungsänderung zu stellen.

18

H02

19

Die geplanten Teeküchen und das Teehaus werden nach Angaben des Antragstellers ebenfalls nur von Mitgliedern der Gemeinschaft genutzt. Sollte zu einem späteren Zeltpunkt eine Nutzung des Teehauses für die Öffentlichkeit angestrebt werden, ist beim Amt für Gesundheit und Verbraucherschutz die öffentliche Nutzung anzuzeigen und die Lebensmittelvorschriften sind einzuhalten.

20

H07

21

Auf die Einhaltung der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) wird hingewiesen.

22

Weitergehende Regelungen zu Art, Umfang und Zeiten der Nutzung der neuen religiösen Versammlungsstätte auf dem Grundstück A-Straße … (Flurstück-Nr. …) enthält die Baugenehmigung vom Bescheid vom 8. Juli 2016 - wie auch der Bauantrag der Beigeladenen - nicht. Auch zur weiteren Nutzung des Nachbargrundstücks A-Straße ... (Flurstück-Nr. ...) verhält sich die Baugenehmigung nicht.

23

Am 11. August legte die Antragstellerin gegen die ihr am 13. Juli 2015 bekanntgemachte Baugenehmigung Widerspruch ein. Am 4. Oktober 2015 stellte sie dann beim Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen geltend macht:

24

Die angefochtene Baugenehmigung verletze schon deshalb ihre Planungshoheit, weil sich wegen Bestimmtheitsmängeln nicht beurteilen lasse, ob das genehmigte Vorhaben den planungsrechtlichen Vorgaben entspreche. So lasse sich der objektive Gegenstand des Vorhabens aufgrund des Fehlens einer Betriebsbeschreibung hinsichtlich der konkret genehmigten Nutzungen und Betriebszeiten, der Nutzungsweise und des Nutzungsumfangs nicht hinreichend klar erkennen. Die in der Genehmigung verwandte Bezeichnung „Neubau einer religiösen Versammlungsstätte (Moschee) mit Nebenanlagen“ greife zu kurz, denn in Wirklichkeit gehe es um die Erweiterung der bereits bestehenden Einrichtung des Beigeladenen zu einem einheitlich genutzten Anlagenkomplex mit einer Nutzfläche von dann insgesamt mehr als 3.500 m². Durch die Größe des Vorhabens stelle sich die Frage nach seiner Eigenschaft als zentrale religiöse Einrichtung, die im Hinblick auf den starken Besucherverkehr dem Charakter des hier ausgewiesenen besonderen Wohngebiets widerspreche. Diese Frage lasse sich in Ermangelung einer aussagekräftigen Betriebsbeschreibung aber weder in Bezug auf die Nutzung der zukünftigen Gesamtanlage noch für den Neubau alleine in der gebotenen Prüfschärfe beurteilen. Ausgehend von dem Nutzungsumfang, den die Anlage durch ihre räumlichen Voraussetzungen ermögliche, werde der Rahmen der Wohnverträglichkeit verlassen. Im Hinblick auf das Nutzungspotenzial der Anlage(n) stelle die vorliegende Baugenehmigung nicht in hinreichender Weise sicher, dass das Vorhaben die Wohnverträglichkeit und das Gebot der Rücksichtnahme und damit die planungsrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen wahre. Dies gelte auch wegen der viel zu geringen Zahl von Stellplätzen.

25

Die Antragstellerin beantragt,

26

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen am 8. Juli 2016 erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners (Az. …) anzuordnen.

27

Der Antragsgegner beantragt,

28

den Antrag abzulehnen

29

und erwidert:

30

Der Antrag sei schon unzulässig. Der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, weil sie durch die angefochtene Baugenehmigung nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Auf ihre Planungshoheit könne sie sich nicht „pauschal“ berufen. Ob die Antragstellerin ein subjektives Recht gegen die erteilte Baugenehmigung geltend machen könne, hänge vielmehr davon ab, ob der Gesetzgeber einfachgesetzlich eine solche Abwehrmöglichkeit zu ihren Gunsten vorsehe. Dies sei nicht der Fall. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB werde über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Die Vorschrift mache damit bereits für sich betrachtet deutlich, dass ein Vorhaben, welches im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liege und seinen Festsetzungen nicht widerspreche (= Fall des § 30 Abs. 1 BauGB), von Seiten der Bauaufsichtsbehörde nicht im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden sei. Subjektive Rechte der Gemeinde könnten in diesem Fall durch die Erteilung der Baugenehmigung nicht verletzt werden. Der verfassungsrechtlich geschützten Planungshoheit der Gemeinden werde in diesen Fällen vielmehr über ein anderes Instrument Rechnung getragen. § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB sehe nämlich vor, dass, sofern sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB richte, die Länder sicherstellten, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 BauGB und 15 BauGB entscheiden könne. Der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber habe diesen Schutzanspruch durch die §§ 63 ff. LBauO, vor allem aber durch § 67 Abs. 3 LBauO, mit Leben gefüllt. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des streitgegenständlichen Einzelfalls könnten mithin keine Zweifel daran bestehen, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB hier keine Anwendung finde und die Antragstellerin daher nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt sein könne. Deshalb könne sie auch einen Verstoß des Vorhabens gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 BauNVO nicht rügen.

31

Darüber hinaus sei das genehmigte Bauvorhaben aber auch in dem durch den Bebauungsplan ausgewiesenen besonderen Wohngebiet gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 5 BauNVO als Anlage für kirchliche und kulturelle Zwecke planungsrechtlich zulässig. Es sei gebietsverträglich, d.h. nach der besonderen Eigenart des Gebiets mit der Wohnbebauung vereinbar. Aufgrund der bereits jetzt existenten Vorbelastungen werde nämlich die Schutzwürdigkeit des Wohnens durch die Zulassung des genehmigten Bauvorhabens weder in qualitativer noch quantitativer Hinsicht wesentlich verändert. Dies folge nicht nur aus der schon vorhandenen verkehrsbedingte Immissionsbelastung, sondern auch im Hinblick auf die im Geltungsbereich des Bebauungsplans selbst gelegenen „sonstigen“ Anlagen im Sinne des § 4a Abs. 1 BauNVO. Insoweit werde das Gebiet maßgeblich von der seit mehr als 25 Jahren bestehenden kulturellen und religiösen Versammlungsstätte der Beigeladenen auf dem Grundstück A-Straße 4 geprägt. Durch die Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 werde sich die bisherige (Wohn-)Situation im Plangebiet mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich ändern. Durch die Nebenbestimmung B100 habe er sichergestellt, dass sich die Nutzung der Moschee auf 618 Gebetsplätze beschränke und dass eine zeitgleiche Nutzung der beiden Gebetsräume und der sonstigen Räumlichkeiten während der Gebetszeiten nicht zulässig sei. In Abhängigkeit zu dieser Nutzung habe er sodann die notwendigen Stellplätze auf mindestens 26 bestimmt. Dies sei ausreichend, denn im Bauschein werde die Anlage unter Bezug auf die Äußerungen des Beigeladenen, dass die Moschee von Germersheimer Mitgliedern und ihren Familienangehörigen genutzt werden solle, als „regionale Einrichtung" gewertet. Außerdem sei in der Nebenbestimmung B101 auch der Vorbehalt des nachträglichen Erlasses von Nebenbestimmungen geregelt, falls die Moschee auch von anderen Besuchern genutzt werden sollte. Auch die Bedenken der Antragstellerin im Hinblick auf eine zeitgleiche Nutzungsmöglichkeit der durch Bauschein vom 19. Januar 1990 genehmigten Anlage und der neu genehmigten Anlage teile er nicht. Zwar sei die Ausnutzung beider Genehmigungen möglich, da der Bauschein vom 8. Juli 2016 insoweit keine einschränkenden Regelungen enthalte. Unter Berücksichtigung der Planungen der Beigeladenen sei jedoch nicht davon auszugehen, dass es dadurch zu qualitativen und quantitativen Änderungen im Vergleich zur derzeitigen Situation kommen werde. Der angefochtene Bauschein beschränke nämlich den Nutzerkreis auf die hiesigen Mitglieder des Beigeladenen und deren Familienangehörigen, sodass eine höhere Frequentierung bzw. Ausnutzung eines der beiden Bauvorhaben zu Lasten der Frequentierung oder Ausnutzung des anderen gehe. Aus diesen Gründen handele es sich auch nicht um eine in einem Wohngebiet unzulässige „zentrale Einrichtung“.

32

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

33

den Antrag abzulehnen

34

und macht ergänzend geltend:

35

Der Antrag könne schon mit Blick auf den bestandskräftigen Vorbescheid vom 19. Mai 2015 keinen Erfolg haben, weil darin die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Bebauungsplan der Antragstellerin verbindlich festgestellt worden sei. Die Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 verstoße zudem auch nicht gegen § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. ... Ein Bestimmtheitsmangel liege nicht vor. Geplant sei der Neubau einer religiösen Versammlungsstätte (Moschee) mit Nebenanlagen und nicht die Erweiterung seiner bestehenden Einrichtung. Die Tatsache, dass er bislang hinsichtlich der Räume auf dem Gelände A-Straße ... verbindliche Erklärungen, wie z.B. einen Nutzungsänderungs- oder Abrissantrag, nicht abgegeben habe, sei allein dem Umstand geschuldet, dass er selbstverständlich bis zur Fertigstellung der neuen Moschee die alten Räume in gewohntem Maße weiter nutzen werde und seine Mitglieder erst nach Fertigstellung darüber beschließen würden, was mit den bisherigen Räumen geschehen werde. Die Festsetzungen der Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 seien insoweit eindeutig, indem dort bestimmt werde, dass die bisherige Nutzung auf dem Grundstück A-Straße ... weiterhin im genehmigten Umfang möglich sei und es ihm überlassen bleibe, was nach Fertigstellung der neuen Moschee mit der genehmigten Nutzung passiere. Eine parallele Nutzung beider Moscheen scheide aber für seine Mitglieder aus. Die neue Moschee auf dem Grundstück A-Straße ... sei als Anlage für religiöse Zwecke in dem durch Bebauungsplan ausgewiesenen besonderen Wohngebiet planungsrechtlich zulässig. Insbesondere werde sie aller Voraussicht nach nicht zu unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft führen. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass er am selben Standort bereits eine Moschee unterhalte und ein weiterer Moscheeverein ebenfalls in der unmittelbaren Nähe aktiv sei. Dass es gelegentlich zu Parkproblemen komme, lasse sich an besonderen - aber vorher bekannten Tagen - nicht vermeiden. Unzumutbare Lärmimmissionen seien ebenfalls durch den Neubau nicht zu erwarten. Es handele sich bei dem Vorhaben nicht um eine „zentrale kirchliche" Einrichtung. Der bisherige Gebetsraum werde lediglich durch den Neubau ersetzt, sonst werde sich nichts ändern. Sein Vorhaben sei daher mit dem vorhandenen Gebietscharakter vereinbar. Die Antragstellerin verkenne insoweit, dass das Baugebiet infolge der von ihm auf dem Grundstück A-Straße ... seit nahezu 30 Jahren genutzten Moschee und anderen in der unmittelbaren Nähe befindlichen Begegnungsstätten nicht unerheblich vorbelastet sei. Es mangle auch nicht an Stellplätzen. Diese seien vielmehr entsprechend der Größe der Anlage ausreichend berechnet. Das, was zu Lasten der übrigen Anwohner übrig bleibe, müssten diese als Nachbarn einer seit langem genutzten und in diesem Baugebiet auch allgemein zulässigen Moschee hinnehmen. Nichts anderes folge aus dem Umstand, dass das Nachtgebet in der Sommerzeit regelmäßig in die Nachtzeit falle. Dieses Gebet werde bisher nur von wenigen Personen wahrgenommen. Deshalb lasse bereits die damit verbundene relativ geringe Anzahl von Fahrzeugbewegungen eine erhebliche Störung der Nachtruhe nicht befürchten. Bestritten werde, dass der Moscheeneubau starken Besucherverkehr auslösen werde. Gebaut werde die Moschee durch seine Germersheimer Mitglieder, die zahlenmäßig übersichtlich seien. Auswärtige Mitglieder habe er nicht, so dass der Besucherverkehr nicht mehr oder weniger werde als derzeit üblich. Auch insoweit sei der Inhalt der Baugenehmigung mit den Auflagen, den Plänen und den dazugehörigen Anlagen eindeutig und lasse das Maß der genehmigten Nutzung klar erkennen.

II.

36

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 8. Juli 2016 anzuordnen, ist nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 212 a BauGB statthaft und auch ansonsten zulässig.

37

Insbesondere ist die Antragstellerin nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Sie macht geltend, dass die Baugenehmigung den Festsetzungen ihres Bebauungsplans Nr. ... widerspricht, wodurch sie in ihrer nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Planungshoheit verletzt sein kann (vgl. Uechtritz in: BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, Stand April 2016, § 2 Rdnr. 9). Dieser Bebauungsplan enthält gemäß § 8 Abs. 1 BauGB die rechtsverbindlichen Festsetzungen der städtebaulichen Ordnung, zu deren Erlass die Antragstellerin im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts berechtigt ist. Diese planerischen Festsetzungen binden auch die Baugenehmigungsbehörde. Dementsprechend ist nach § 30 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben nur planungsrechtlich zulässig und darf damit grundsätzlich nur dann baurechtlich genehmigt werden, wenn es den Vorgaben dieses Bebauungsplans nicht widerspricht. Zudem darf die Baugenehmigungsbehörde gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans u.a. nur dann befreien, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, wobei über eine solche Befreiung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Einvernehmen mit der Gemeinde zu entscheiden ist. Deshalb kommt vorliegend eine Rechtsverletzung der Antragstellerin dadurch in Betracht, dass der Antragsgegner ein Bauvorhaben genehmigt hat, das den Festsetzungen ihres Bebauungsplans widerspricht, ohne die in diesem Fall erforderliche Befreiung zu erteilen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 6. Januar 2016 - 3 M 78/15 - und Beschluss vom 26. März 2013 - 3 M 8/13 - sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. September 1981 - 3 S 1184/81 -; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. März 2006 - 8 A 11309/05.OVG -; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 8. März 2013 - 4 K 828/12.NW - alle juris). Aus § 36 Satz 3 BauGB ergibt sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners nichts anderes, denn diese Regelung lässt die vorliegende Fallgestaltung unberührt, sondern enthält eine Bestimmung zur Unterrichtung der Gemeinden in den Fällen, in denen ein Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB nicht erforderlich istund ein Vorhaben in Übereinstimmung mit den Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans verwirklicht werden soll.

38

Der Antrag ist auch begründet, denn die im Verfahren nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht vorzunehmende Interessensabwägung gelangt zu dem Ergebnis, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 überwiegt.

39

Bei der Interessenabwägung kommt den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, also dem Widerspruch der Antragstellerin, maßgebliche Bedeutung zu. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die angefochtene Baugenehmigung Rechte der Antragstellerin verletzt und deshalb ihr Rechtsbehelf voraussichtlich zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führen wird, ist grundsätzlich kein Raum für ein überwiegendes Interesse am sofortigen Vollzug dieser Entscheidung. Verletzt die Baugenehmigung dagegen ersichtlich keine Rechte der Antragstellerin, so ist es regelmäßig interessengerecht, dass der Bauherr von der Baugenehmigung nach § 212a BauGB schon vor deren Bestandskraft Gebrauch machen darf. Lässt sich dagegen bei summarischer Prüfung nicht feststellen, ob die Verfügung einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhält, müssen die bestehenden gegenseitigen Interessen umfassend gegeneinander abgewogen werden. Dabei kommt den jeweiligen Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht zu, je stärker und irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 -, NVwZ 2005, 689).

40

Daran gemessen überwiegt vorliegend das Suspensivinteresse der Antragstellerin, denn ihr Widerspruch wird voraussichtlich zur Aufhebung der Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 führen. Diese Baugenehmigung ist nämlich fehlerbehaftet und verletzt dadurch die Antragstellerin in ihrer Planungshoheit.

41

Der Vorbescheid vom 19. Mai 2015 steht der Geltendmachung dieser Belange durch die Antragstellerin nicht entgegen. Zwar können gemäß § 72 LBauO einzelne, vom Bauherrn gestellte Fragen eines Bauvorhabens von der Baugenehmigungsbehörde vorab verbindlich verbeschieden werden. Dementsprechend kann auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens durch Bauvorbescheid mit Bindungswirkung für das weitere Genehmigungsverfahren festgestellt werden (sog. Bebauungsgenehmigung). Bei dem Bauvorbescheid vom 19. Mai 2015 handelt es sich aber nicht um eine solche Bebauungsgenehmigung. Die Bauvoranfrage der Beigeladenen vom 27. Februar 2015 hatte nämlich nicht die (gesamte) bauplanungsrechtliche Zulässigkeit zum Gegenstand, sondern thematisierte nur die Zulässigkeit einer offenen Bauweise und die zulässige Höhe von Gebäude und Minaretten. Entsprechend dieser Fragen bescheinigt der daraufhin ergangene Bauvorbescheid des Antragsgegners vom 19. Mai 2016 auch nur, dass die Moschee in offener Bauweise gebaut werden darf und das Moscheegebäude und die beiden Minarette mit einer Höhe von 15,39 m errichtet werden können.

42

Die Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 verletzt die Antragstellerin in ihrer Planungshoheit, weil das Bauvorhaben in seiner genehmigten Form gegen § 30 Abs. 1 BauGB verstößt. Die Baugenehmigung leidet nämlich an gravierenden Bestimmtheitsmängeln, wodurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben den bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Bebauungsplans Nr. ... der Antragstellerin entspricht (1.). Außerdem erweist sich die Genehmigung auch im Hinblick auf die Stellplatzregelung als gebietsunverträglich (2.).

43

1. Eine Gemeinde kann auf Grund ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Planungshoheit verlangen, dass die Baugenehmigungsbehörde die maßgeblichen Vorgaben ihrer Bebauungspläne, d.h. die Grundzüge dieser Planung, beachtet. Dabei wird die Gemeinde schon dann in ihren Rechten verletzt, wenn sich wegen Bestimmtheitsmängeln der Baugenehmigung nicht beurteilen lässt, ob das Vorhaben diesen bauplanungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Insofern gilt nichts anderes als für die Frage einer Nachbarrechtsverletzung durch eine unvollständige oder unbestimmte Baugenehmigung. Hier ist anerkannt, dass der Nachbar in seinen Rechten verletzt wird, wenn sich wegen solcher Mängel nicht beurteilen lässt, ob das Vorhaben den zum Genehmigungsmaßstab gehörenden nachbarschützenden Vorschriften entspricht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2013 - 1 A 11021/12.OVG -, NVwZ-RR 2013, 794; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 K 396/15.NW -, jeweils m.w.N.). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen nämlich so eindeutig bestimmt sein, dass nicht nur der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen, sondern auch Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Dementsprechend muss es auch der planenden Gemeinde auf Grundlage der Baugenehmigung möglich sein zu beurteilen, ob das Vorhaben ihre planungsrechtlichen Vorgaben einhält. Dabei muss eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage aus dem Bauschein selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – ersichtlich sein, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen (grüngestempelten) Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden können. Sind der Bauschein und die genehmigten Bauvorlagen insoweit so unbestimmt, dass bei der Ausführung des Bauvorhabens eine Verletzung der planungsrechtlichen Vorgaben der Gemeinde nicht auszuschließen ist, so verletzt die Baugenehmigung ihre Planungshoheit und ist auf entsprechenden Rechtsbehelf hin aufzuheben (vgl. BayVGH, Urteil vom 10. Dezember 2007 - 1 BV 04.843 -, BauR 2008, 654).

44

Daran gemessen wird der Widerspruch der Antragstellerin nach derzeitigem Sach- und Streitstand voraussichtlich Erfolg haben, denn die angefochtene Baugenehmigung stellt nicht sicher, dass das genehmigte Vorhaben den bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Bebauungsplans Nr. … entspricht.

45

Dieser Bebauungsplan weist für den fraglichen Bereich ein besonderes Wohngebiet aus. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind besondere Wohngebiete überwiegend bebaute Gebiete, die aufgrund ausgeübter Wohnnutzung und vorhandener sonstiger in Absatz 2 genannter Anlagen eine besondere Eigenart aufweisen und in denen unter Berücksichtigung dieser Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickelt werden soll. Nach Satz 2 dienen besondere Wohngebiete ebenso wie allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen; sie dienen daneben aber auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sonstigen Anlagen im Sinne der Absätze 2 und 3, soweit diese Betriebe und Anlagen nach der besonderen Eigenart des Gebiets mit der Wohnnutzung vereinbar sind. Gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 5 BauNVO sind in besonderen Wohngebieten auch Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke allgemein zulässig. Darunter fällt auch eine Moschee, da als Ausfluss der staatlichen Neutralität auch die Baunutzungsverordnung weltanschaulich neutral ausgelegt werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 - 4 C 50/89 -, NJW 1992, 217). Derartige Anlagen müssen auch nicht der Gebietsversorgung dienen, vielmehr kann sich ihr Einzugsbereich auch überwiegend oder vollständig auf andere Baugebiete erstrecken. Auch diese Anlagen müssen aber gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 BauNVO nach Art und Umfang gebietsverträglich, d.h. in dem fraglichen besonderen Wohngebiet mit der Wohnnutzung vereinbar sein. Die Schutzwürdigkeit des Wohnens bestimmt sich dabei nach den konkreten Verhältnissen im jeweiligen Gebiet. Dadurch erhält der Gebietscharakter von besonderen Wohngebieten eine individuelle Prägung und eine größere Bandbreite als die übrigen Baugebietstypen der BauNVO. Es gilt m.a.W. ein eher „individualisierter" denn typisierter Maßstab der Wohnverträglichkeit für die Zulässigkeit einer Anlage nach § 4a Abs. 2 Nr. 5 BauNVO. Allgemein kann gleichwohl davon ausgegangen werden, dass religiöse oder kulturelle Anlagen in besonderen Wohngebieten unter dem Blickwinkel der Störanfälligkeit des Gebiets keine Probleme aufwerfen, wenn sie auch in reinen oder allgemeinen Wohngebieten zulässig wären. Die damit üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen haben die Grundstücksnachbarn grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 - 4 C 50/89 -, NJW 1992, 2170). Keinesfalls hinnehmbar, weil mit dem Wohnen nicht vereinbar, sind auf der anderen Seite in besonderen Wohngebieten solche Anlagen, die in Mischgebieten nicht zulässig sind (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 121. EL Mai 2016, § 4a BauNVO, Rdnrn. 41ff.). Unzulässig sind daher (auch) in besonderen Wohngebieten religiöse oder kulturelle Anlagen, deren Nutzung im Hinblick auf ihre Größe und ihren Nutzungsumfang mit unzuträglichen Belastungen für die Wohnnutzung verbunden ist, wie dies bei zentralen kirchlichen oder kulturellen Einrichtungen regelmäßig der Fall ist (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 4 BauNVO, Rdnr. 84, § 6 Rdnr. 36 und § 7 Rdnrn. 31f.; jeweils m.w.N.).

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Ausgehend von diesen rechtlichen Prämissen stellt die angefochtene Baugenehmigung nicht hinreichend sicher, dass die auf dem Grundstück A-Straße ... genehmigte religiöse Versammlungsstätte (Moschee) mit Nebenanlagen des Beigeladenen mit der Wohnnutzung in diesem besonderen Wohngebiet vereinbar ist.

47

Schon die Größe der auf der Grundlage der neuen Baugenehmigung vom Beigeladenen für seine Vereinszwecke nutzbaren Flächen wirft die Frage der Wohngebietsverträglichkeit dieser genehmigten Nutzung auf. Unzutreffend ist insoweit die Auffassung von Antragsgegner und Beigeladenem, dass es auf Grund der Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 nicht zu qualitativen und quantitativen Änderungen im Vergleich zur derzeitigen Situation kommen werde. Maßgeblich ist insoweit nämlich der der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang, nicht aber lediglich die von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibende tatsächliche Nutzung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 - 3 S 829/92 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 1 LA 255/08 -, NVwZ-RR 2010, 219; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 26. September 2016 – 3 K 514/16.NW -, juris). Dementsprechend ist vorliegend schon deshalb mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 eine stark erhöhte Nutzungsmöglichkeit für den Beigeladenen verbunden, weil die neue religiöse Versammlungsstätte auf dem Grundstück A-Straße ... eine Nutzfläche von insgesamt 2.318 m² aufweist, wovon 741,51 m² auf die beiden Gebetsräume entfallen, während bei der bisherigen kulturellen und religiösen Versammlungsstätte des Beigeladenen auf dem Nachbargrundstück A-Straße ... lediglich eine Nutzfläche von 1018,37 m², davon zwei Versammlungsräume mit einer Fläche von zusammen 465,58 m², genehmigt wurde. Hinzu kommt, dass die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 keinerlei Regelung hinsichtlich der mit Bauschein vom 19. Januar 1990 genehmigten kulturellen und religiösen Versammlungsstätte auf dem Nachbargrundstück enthält, so dass der Beigeladene baurechtlich sowohl die neue religiöse Versammlungsstätte auf dem Grundstück A-Straße ... als auch die benachbarte kulturelle und religiöse Versammlungsstätte auf dem Grundstück A-Straße ... uneingeschränkt im genehmigten Umfang für seine Zwecke (auch gemeinsam) nutzen darf. Auch insoweit sind nämlich nicht die gegenwärtige Nutzungsabsichten des Beigeladenen maßgeblich, sondern der Nutzungsumfang, den die Baugenehmigungen zulassen. Im Übrigen geht wohl auch der Beigeladene selbst von einer künftigen gemeinsamen Nutzung der neuen Moschee und der benachbarten kulturellen und religiösen Versammlungsstätte aus, denn seine Homepage enthielt dazu die folgenden Ausführungen (vgl. die beglaubigte Übersetzung auf Bl. 167 der Gerichtsakte):

48

„Unser Verein verfolgt zusätzlich zu den Zielen in unserer Satzung das Ziel einer Moschee mit Kuppel und Minarette. Hierzu wird eine Projektvorbereitung durchgeführt. Der DITIB Germersheim Moschee Komplex soll in einen Mehrzweck Kunst und Kultur Komplex gewandelt werden, der türkische Familien aus Germersheim und Umgebung mit verschiedenen Veranstaltungen anzieht.“

49

Die Größe der Nutzflächen von 2.318 m² für die neue religiöse Versammlungsstätte auf dem Grundstück A-Straße ... bzw. von 3.336,37 m² zusammen mit der bisherigen kulturellen und religiösen Versammlungsstätte auf dem Nachbargrundstück A-Straße ... eröffnen nach Auffassung der Kammer dem Beigeladenen auf Grund der Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 ein Nutzungspotential, das nicht ohne weiteres mit der Wohnnutzung in dem besonderen Wohngebiet vereinbar ist. Ohne baurechtliche Beschränkungen ermöglichen nämlich Einrichtungen in dieser Größenordnung einen Nutzungsumfang, der über eine örtliche begrenzte Anlage deutlich hinausgeht und mit unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Wohnnutzung verbunden sein kann (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 1 LA 255/08 -, NVwZ-RR 2010, 219; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Januar 2008 - 3 S 2773/07 -, NVwZ-RR 2008, 600; VG Minden, Urteil vom 16. April 2015 - 9 K 3528/13 - und VG München, Urteil vom 12. Februar 2007 - M 8 K 06.3626 -; alle juris).

50

Bei einer solchen Sachlage bedarf die Baugenehmigung einer weitergehenden Konkretisierung, insbesondere auch durch die Aufnahme von Nebenbestimmungen, um sicherzustellen, dass die künftige Nutzung der Anlage mit den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen vereinbar ist. Dies ist bei der angefochtenen Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 nicht in dem rechtlich erforderlichen Umfang der Fall. Diese Baugenehmigung enthält nämlich zu dem zulässigen Nutzungsumfang der genehmigten Einrichtung nur rudimentäre und damit unzureichende Regelungen. Insbesondere fehlt es der Baugenehmigung - wie auch der Baugenehmigung vom 19. Januar 1990 für die kulturelle und religiöse Versammlungsstätte auf dem Nachbargrundstück - an einer aussagekräftigen Betriebsbeschreibung. Ohne verbindliches Nutzungskonzept lässt sich aber die Frage, ob die baurechtlich genehmigte Nutzung für religiöse und kulturelle Zwecke auf dem Anwesen des Beigeladenen wohngebietsverträglich ist, auf Grundlage der angefochtenen Baugenehmigung nicht hinreichend sicher beurteilen.

51

Der Bescheid vom 8. Juli 2016 konkretisiert die baurechtlich zulässige Nutzung weder für den Moscheeneubau noch für den entstehenden Gesamtkomplex in dem rechtlich gebotenen Maß. In Bezug auf den zulässigen Nutzungszweck beschränkt sich die Genehmigung auf die Regelung in Punkt B111 der Nebenbestimmungen, wonach das Gebäude bzw. die Anlage nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden darf, mithin als Gebetsräume, Foyers, Teeküche, Vorstandsbüro, Sekretariat, Aufenthaltsraum Frauen, Kursräume, Bibliothek, Fitnessraum, Jugendraum, Haustechnikraum und Nebenräume. Da die Bauunterlagen des Beigeladenen kein konkretes Nutzungskonzept enthalten, sind weitergehende Nutzungsbeschränkungen mit der Regelung nicht verbunden. Zum Nutzungsumfang enthält die Genehmigung unter B100 zwar zudem die Einschränkung, dass eine zeitgleiche Nutzung der Gebetsräume und der sonstigen Räumlichkeiten (Jugendräume, Fitnessraum, Teehaus, Aufenthaltsraum) nicht zulässig ist. Eine vergleichbare Regelung in Bezug auf die kulturelle und religiöse Versammlungsstätte auf dem Nachbargrundstück A-Straße 4 sieht die Baugenehmigung hingegen nicht vor, so dass baurechtlich die dortigen Versammlungs- und Aufenthaltsräume mit einer Fläche von ca. 1.000 m² zeitgleich mit der neuen Moschee vom Beigeladenen zu religiösen, aber auch kulturellen Zwecken (z.B. Hochzeitsfeiern) genutzt werden können. Diese parallel zulässige Nutzung von Räumlichkeiten mit einer Fläche von über 2.000 m² ermöglicht den Betrieb einer Einrichtung mit überörtlicher Bedeutung und ein entsprechendes Störpotential für die benachbarte Wohnnutzung.

52

Eine solche überörtliche Bedeutung hält im Übrigen auch der Antragsgegner selbst für künftig möglich, in dem er unter Punkt B101 der Genehmigung ausführt:

53

„Die geplante Moschee wird nach Angaben des Antragstellers nur von Germersheimer Vereinsmitgliedern und deren Familienmitgliedern genutzt und ist somit nicht von überörtlicher Bedeutung. Dies wurde ebenfalls als Grundlage der Stellplatzberechnung angenommen. Sollte sich hier nach Aufnahme der Nutzung herausstellen, dass entgegen der Antragstellung der Nutzung eine überörtliche Bedeutung zugemessen werden kann, behält sich die Baubehörde die Nachforderung von zusätzlichen Stellplätzen vor.“

54

Diese Ausführungen belegen, dass sich auch der Antragsgegner im Genehmigungsprozess des überörtlichen Nutzungspotenzials des Vorhabens des Beigeladenen bewusst war. Seine Konsequenz aus dieser Erkenntnis, nämlich im Falle einer überörtlichen Bedeutung zusätzliche Stellplätze nachzufordern, hält die Kammer aber für unzureichend. Das Störpotential, das mit einer solchen überörtlichen Nutzung für die Wohnnutzung regelmäßig verbunden ist, beurteilt sich nämlich keineswegs alleine nach der Zahl der Stellplätze, sondern primär nach dem zulässigen Umfang der Nutzungen, wobei insoweit neben den Nutzungsarten insbesondere der Zahl der Nutzer und den Nutzungszeiten erhebliche Bedeutung zukommen. Diesbezüglich enthält die angefochtene Baugenehmigung in Ermangelung einer aussagekräftigen Betriebsbeschreibung aber keine hinreichenden Regelungen, die Unzuträglichkeiten für die Wohnnutzung in dem besonderen Wohngebiet sicher ausschließen könnten.

55

So gibt die gegenwärtige Genehmigungslage dem Beigeladenen keine verbindlichen Höchstgrenzen für die Zahl der Gebäudenutzer vor. Eine solche verbindliche Begrenzung gibt es weder für die neue Moschee auf dem Grundstück A-Straße ... noch für die kulturelle und religiöse Versammlungsstätte auf dem Nachbargrundstück A-Straße .... Die Baugenehmigung vom 8. Juli 2016 führt zwar unter Nebenbestimmung B100 aus, dass die Stellplätze in Abhängigkeit zur Hauptnutzung berechnet und hierzu die (vom Beigeladenen) angegebenen 618 Gebetsplätze zugrunde gelegt wurden. Im Gegensatz zur Genehmigung vom 15. November 2012 (vgl. dort B404) hat der Antragsgegner aber - wie auch aus Nebenbestimmung B101 folgt - für die neuen Gebetsräume keine maximale Nutzerzahl verbindlich festgelegt. Eine solche verbindliche Begrenzung der Nutzer fehlt zudem nicht nur für die weiteren Räumlichkeiten der neuen Moschee, sondern auch für die benachbarte kulturelle und religiöse Versammlungsstätte, die nach den eigenen Angaben des Beigeladenen eine Kapazität von 1200 Gemeindemitgliedern aufweist, die bei den Abendgebeten im Ramadan und bei den religiösen Feiertagsgebeten sogar überschritten wurde (vgl. beglaubigte Übersetzung auf Bl. 166, 167 und 198 der Gerichtsakte). Die maximale Kapazität der wesentlich größeren neuen Gebetsräume dürfte daher über diese Zahl noch hinausgehen (vgl. dazu VG München, Urteil vom 12. Februar 2007, a.a.O.). Die gegenwärtige Genehmigungslage lässt daher mangels einer einschränkenden Betriebsbeschreibung einen Nutzerkreis der religiösen und kulturellen Einrichtung des Beigeladenen zu, der 618 Personen weit übersteigt.

56

Zudem fehlt neben der zahlenmäßigen auch jegliche zeitliche Beschränkung dieser Nutzungsmöglichkeiten. Dies ist nicht nur bedenklich, weil mit kulturellen Veranstaltungen (wie z.B. Hochzeitsfeiern) ein Störpotential für die Wohnnutzung besonders in der Nachtzeit einhergeht. Ein solches Störpotential besteht vielmehr auch durch die religiöse Nutzung, denn über etliche Monate des Jahres, nämlich beim Morgengebet zwischen dem 10. Februar und dem 10. Oktober und beim Nachtgebet zwischen dem 17. April und dem 27. August, liegen Gebetszeiten in der stärkeren Schutz genießende Ruhezeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr (vgl. die Gebetszeiten in Germersheim, Bl. 110 bis 118 der Gerichtsakten). Zwar hat der Beigeladene in seiner Antragsschrift erklärt, diese Gebete würden bisher nur von wenigen Personen wahrgenommen. In seinem Tätigkeitsbericht für die Jahre 2011 bis 2013 (vgl. Bl. 259 der Gerichtsakten) hat er insoweit für das Morgengebet eine Teilnehmerzahl von 8 bis 30 Männern und für das Nachtgebet von 10 bis 50 Männern benannt. Am Nachtgebet im Fastenmonat Ramadan nehmen danach aber deutlich mehr Gläubige, nämlich 50 bis 200 Männer und ebenso viele Frauen, teil. Auch hier ist aber nicht auf die gegenwärtige tatsächliche Nutzung, sondern auf die durch die genehmigten Räumlichkeiten eröffneten Nutzungsmöglichkeiten abzustellen. Deshalb hätte es auch insoweit einer klarstellenden Betriebsbeschreibung in der angefochtenen Baugenehmigung bedurft, um im Hinblick auf die Größe der Räumlichkeiten sicherzustellen, dass deren Nutzung zur Nachtzeit mit der Wohnnutzung in dem besonderen Wohngebiet vereinbar ist (vgl. auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 7. Dezember 2009, a.a.O.).

57

2. Darüber hinaus erweist sich im Hinblick auf die oben dargelegten Bestimmtheitsmängel der Baugenehmigung auch die Stellplatzregelung als unzureichend und dadurch als wohngebietsunverträglich. Dabei hat die Kammer schon durchgreifende Zweifel, ob die Berechnungsweise, die den in der Baugenehmigung geforderten 26 neuen Stellplätzen zugrunde liegt, den rechtlichen Anforderungen genügt. Der Antragsgegner hat sich dabei an Ziffer 4.3 der Richtzahlen für die Ermittlung des Stellplatzbedarfs des Ministeriums der Finanzen (MinBl. 2000, 231) orientiert, die für Gemeindekirchen einen Bedarf von einem Stellplatz je 20 bis 30 Sitzplätzen vorsieht, und im Wege der Mittelung aus den vom Beigeladenen angegebenen 618 Gebetsplätzen einen Bedarf von 26 Stellplätzen errechnet. Es erscheint sehr fraglich, ob diese Vorgehensweise dem tatsächlichen Stellplatzbedarf bei einer Nutzung der Moschee durch 618 Personen auch nur annähernd gerecht wird. So hat zum Beispiel das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 19. November 2012 (Az. 25 K 5958/11) bei der Stellplatzberechnung für ein islamisches Kulturzentrum, dem keine überörtliche Bedeutung zukam, angenommen, dass 30 Prozent der Besucher einen PKW nutzen und die durchschnittliche Fahrzeugbesetzung bei 2,5 Personen liegt. Wendet man diese nach Auffassung der Kammer realitätsnahe Annahme (vgl. auch VG München, Urteil vom 9. Juni 2005 - M 11 K 04.5113 - und VG Ansbach, Urteil vom 25. Juni 2013 - AN 9 K 12.01400 -) auf den vorliegenden Fall an, ergäbe sich bei einer Besucherzahl von 618 ein Stellplatzbedarf von 74 (618 x 0,3 : 2,5) statt der geforderten 26. Schon dies lässt beim Betrieb der Moschee wohnunverträgliche Beeinträchtigungen befürchten. Hinzu kommt aber, dass die angefochtene Baugenehmigung - wie bereits oben ausgeführt - die Zahl der Besucher der Moschee gar nicht verbindlich auf 618 Personen begrenzt und daher eine größere Besucherzahl rechtlich zulässig und im Übrigen auf Grund der bisherigen Erkenntnisse bei bestimmten Gelegenheiten auch zu erwarten ist. Deshalb sind 26 neue Stellplätze keinesfalls ausreichend, um eine dem Wohngebiet unzumutbare Parksituation zu vermeiden.

58

Nach alledem war dem Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO stattzugeben. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

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(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass 1. Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgefüh

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(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Ist ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst, kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass

1.
Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen;
2.
erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen.

(2) Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.

(3) Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt.

(4) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Veränderungssperre nicht anzuwenden.

(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Besondere Wohngebiete sind überwiegend bebaute Gebiete, die aufgrund ausgeübter Wohnnutzung und vorhandener sonstiger in Absatz 2 genannter Anlagen eine besondere Eigenart aufweisen und in denen unter Berücksichtigung dieser Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickelt werden soll. Besondere Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen; sie dienen auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sonstigen Anlagen im Sinne der Absätze 2 und 3, soweit diese Betriebe und Anlagen nach der besonderen Eigenart des Gebiets mit der Wohnnutzung vereinbar sind.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Läden, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Schank- und Speisewirtschaften,
3.
sonstige Gewerbebetriebe,
4.
Geschäfts- und Bürogebäude,
5.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Anlagen für zentrale Einrichtungen der Verwaltung,
2.
Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind,
3.
Tankstellen.

(4) Für besondere Wohngebiete oder Teile solcher Gebiete kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung. Er bildet die Grundlage für weitere, zum Vollzug dieses Gesetzbuchs erforderliche Maßnahmen.

(2) Bebauungspläne sind aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Ein Flächennutzungsplan ist nicht erforderlich, wenn der Bebauungsplan ausreicht, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen.

(3) Mit der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans kann gleichzeitig auch der Flächennutzungsplan aufgestellt, geändert oder ergänzt werden (Parallelverfahren). Der Bebauungsplan kann vor dem Flächennutzungsplan bekannt gemacht werden, wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt sein wird.

(4) Ein Bebauungsplan kann aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, bevor der Flächennutzungsplan aufgestellt ist, wenn dringende Gründe es erfordern und wenn der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegenstehen wird (vorzeitiger Bebauungsplan). Gilt bei Gebiets- oder Bestandsänderungen von Gemeinden oder anderen Veränderungen der Zuständigkeit für die Aufstellung von Flächennutzungsplänen ein Flächennutzungsplan fort, kann ein vorzeitiger Bebauungsplan auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan ergänzt oder geändert ist.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

Tenor

Auf die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. Februar 2015 geändert.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und einer nachfolgenden Klage gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. November 2014 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, eine amtsangehörige Gemeinde, wendet sich gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners, die der Beigeladenen zur Errichtung eines Lagerbehälters für Gärreste erteilt worden ist.

2

Die Beigeladene stellte am 24.07.2014 den Bauantrag nach § 64 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern – LBauO M-V – zur Errichtung eines Lagerbehälters für Gärreste auf dem Flurstück G1 Gemarkung Demen. In der Erläuterung des Bauantrags führte sie aus, der Behälter solle nicht am Standort der Biogasanlage in der Ortslage K. errichtet werden, da dort eine geringe Akzeptanz hierfür bestehe und außerdem gestiegene wasserrechtliche Anforderungen zu erfüllen seien. Das geplante Vorhaben widerspreche nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4 der Gemeinde Demen – der Antragstellerin –, da sie im Bereich des Industriegebietes GI 3 errichtet werden solle. Zwar sei dort die Errichtung von Biogasanlagen ausgeschlossen, hierunter falle aber ein Gärrestlagerbehälter nicht.

3

Der Antragsgegner bat die Antragstellerin – über das Amt Crivitz – um Bearbeitung des Antrags, da es sich um ein Vorhaben nach § 62 LBauO M-V handele. Mit Schreiben vom 22.08.2014 teilte das Amt dem Antragsgegner mit, dass ein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle.

4

Mit Schreiben vom 12.08.2014, dem Amt übermittelt am 12.09.2014, bat der Antragsgegner das Amt um die „Herstellung des Einvernehmens“. Das Vorhaben beurteile sich nach § 30 BaugesetzbuchBauGB –. Die nähere Umgebung entspreche einem GI–Gebiet nach BauNVO.

5

Bereits mit Schreiben vom 11.09.2014, bei dem Antragsgegner eingegangen am 17.09.2014, erklärte die Antragstellerin, das Einvernehmen werde versagt. Die Errichtung eines Gärrestbehälters verstoße gegen die Festsetzung, dass „gewerblich genutzte Biogasanlagen“ in dem Baugebiet unzulässig seien. In dem Bauantrag werde ausdrücklich auf die Biogasanlage in K. Bezug genommen.

6

Der Antragsgegner kündigte der Beigeladenen zunächst mit Schreiben vom 01.11.2014 die Ablehnung des Bauantrags an, da das Vorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar sei.

7

Mit weiterem Schreiben vom 13.11.2014 teilte der Antragsgegner dem Amt Crivitz mit, die nochmalige Prüfung habe ergeben, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich, weil mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4 der Antragstellerin vereinbar, genehmigungsfähig sei.

8

Mit Bescheid vom 26.11.2014 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung unter der aufschiebenden Bedingung, dass vor Baubeginn eine Erklärung des Tragwerkplanes zum Kriterienkatalog nach Anlage 2 der Bauvorlagenverordnung Mecklenburg-Vorpommern – BauVorlVO M-V – vorgelegt werde. Werde der Kriterienkatalog nicht erfüllt, sei der Standsicherheitsnachweis zur Prüfung und Bestätigung vorzulegen. Die Baugenehmigung wurde der Beigeladenen am 26.11.2014 bekanntgegeben. Sie zeigte den Baubeginn am 01.12.2014 an.

9

Mit Schreiben vom 01.12.2014 hatte sich die Antragstellerin bereits gegen die Genehmigung gewandt.

10

Sie verwies auf den Aufstellungsbeschluss zur ersten Änderung des Bebauungsplan Nr. 4 vom 14.10.2014 und die am gleichen Tag von der Gemeindevertretung der Antragstellerin beschlossene Veränderungssperre, die in der Zeit vom 17.11.2014 bis 02.12.2014 im Bekanntmachungskasten ausgehängt worden war.

11

Die Antragstellerin legte gegen die Baugenehmigung mit Schreiben vom 19.12.2014, als Fax eingegangen bei dem Antragsgegner am 19.12.2014, Widerspruch ein.

12

Am 23.12.2014 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

13

Das Verwaltungsgericht Schwerin hat dem Antrag durch Beschluss vom 06.02.2015 stattgegeben. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner und der Beigeladenen jeweils am 17.02.2015 zugestellt.

14

Die Beigeladene hat am 18.02.2015, der Antragsgegner am 25.02.2015 Beschwerde eingelegt. Die Beigeladene hat ihre Beschwerde in ihrem Beschwerdeschriftsatz begründet, der Antragsgegner mit am 05.03.2015 eingegangenen Schriftsatz.

II.

15

Die zulässigen Beschwerden sind nach Maßgabe des eingeschränkten Prüfungsprogramms gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die angefochtene Baugenehmigung angeordnet, weil sich nach der summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der Rechtsbehelf der Antragstellerin keinen Erfolg haben wird. Die Baugenehmigung verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

Der Antragstellerin steht kein subjektives Recht zur Seite, das durch die Baugenehmigung verletzt sein könnte.

17

1. § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB begründet hinsichtlich der materiellen Planungshoheit keine Rechte, sondern setzt sie vielmehr voraus. N u r im Falle der Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB entfaltet sich dessen planungsrechtliche Schutzfunktion. Die vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Alsdann führt bereits die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen zur Aufhebung der Baugenehmigung (BVerwG, B. v. 11.08.2008 - 4 B 25/08 - NVwZ 2008, 1347).

18

In vorliegenden Fall lag objektiv kein Fall der Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB vor. Das Vorhaben beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, da es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 4 der Gemeinde Demen liegt. Die Antragstellerin kann in einem solchen Fall eine Rechtsposition aus § 36 Abs. 1 S. 1 und 2 BauGB nur einnehmen, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 4 berufen kann. Dies ist aber nicht der Fall. Wie der Senat bereits entschieden hat (B. v. 19.10.2006 - 3 M 63/06 – NordÖR 2007, 80 = BauR 2007, 515), kann eine Gemeinde die unerwünschten Folgen einer Genehmigung auf Grund eines erkannt unwirksamen Bebauungsplanes nicht dadurch verhindern, dass sie dessen Ungültigkeit geltend macht. Aus § 1 Abs. 8 BauGB ergibt sich, dass die Gemeinde - allein - die Befugnis hat, den Bebauungsplan aufzuheben oder zu ändern. Die materielle Rechtsposition der Gemeinde liegt mithin darin, bei erkannter Unwirksamkeit des Plans - ggf. auf Hinweis der Bauaufsichtsbehörde - diesen in einem Verfahren nach § 1 Abs. 8 BauGB aufzuheben oder zu ändern und dabei ggf. einen Antrag auf Zurückstellung nach § 15 BauGB zu stellen oder eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB zu erlassen. Die Planungshoheit der Gemeinde umfasst diese Möglichkeiten, nicht aber die, sich inzident auf die Unwirksamkeit des eigenen Bebauungsplans zu berufen, unbeschadet des Umstandes, dass das Gericht zur inzidenten Verwerfung befugt wäre. Diese Möglichkeit sichert das Verfahrensrecht. Nach § 36 Abs. 1 S. 3 BauGB stellen für den Fall, dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1 BauGB richtet, die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 BauGB entscheiden kann. Dementsprechend bestimmt § 62 Abs. 2 Nr. 4 LBauO M-V, dass ein Bauvorhaben nach Absatz 1 nur dann genehmigungsfrei gestellt ist, wenn die Gemeinde nicht innerhalb der Frist nach § 62 Abs. 3 S. 2 LBauO M-V erklärt, dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll oder eine vorläufige Untersagung nach § 15 Abs. 1 S. 2 BauGB beantragt wurde. § 62 Abs. 3 S. 2 LBauO M-V bestimmt, dass mit dem Bauvorhaben erst einen Monat nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen bei der Gemeinde begonnen werden darf. Dass – wie es das von dem Antragsgegner verwendete Formular allerdings nahe legen könnte - die Beteiligung der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 S. 3 BauGB kein Fall des Einvernehmens i.S.v. § 36 Abs. 1 und 2 BauGB darstellt, wird aus § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB deutlich, wonach das Einvernehmen der Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden darf.

19

2. Eine Gemeinde ist allerdings gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt und kann in ihrer Rechten i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt sein, wenn die Bauordnungsbehörde ein Bauvorhaben, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht, genehmigt, ohne die an sich erforderliche Befreiung zu erteilen (VGH Mannheim, B. v. 29.09.1981 - 3 S 1184/81 – juris). Dieser Fall ist dem gleich zu behandeln, in dem bei einer erteilten Befreiung das notwendige Einvernehmen nicht eingeholt worden ist (dazu BVerwG, U. v. 11.08.2008 - 4 B 25/08 - NVwZ 2008, 1347). Andernfalls könnte die Gemeinde um ihre Rechtsposition nach § 36 BauGB gebracht werden, die sie erhält, wenn eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wird (Senat, B. v. 26.03.2013 - 3 M 8/13 - NVwZ-RR 2013, 1013 (Leitsatz), zit. nach juris). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

20

a) Das Vorhaben ist mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4 vereinbar. Es handelt sich um einen im festgesetzten Industriegebiet gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässigen Gewerbebetrieb. Der nach § 1 Abs. 9 BauNVO festgesetzte Ausschluss von gewerblich genutzten Biogasanlagen greift nicht ein.

21

Der Begriff der Biogasanlage im Sinne der Festsetzung des Bebauungsplans ist als bauplanungsrechtlicher Begriff § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zu entnehmen. Danach handelt es sich bei Biomasseanlagen um Betriebe zur energetischen Nutzung von Biomasse. Eine Biogasanlage ist als Unterfall eine solche, die der Erzeugung von Gas dient, im Gegensatz zu solchen Biomasseanlagen, die der Erzeugung einer anderen energetischen, etwa Wärmenutzung dienen (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 35 Rn. 47).

22

Gegenstand des Verfahrens und damit zugleich Gegenstand der erforderlichen rechtlichen Würdigung nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. der BauNVO ist ein „Vorhaben“ im Sinne des § 29 BauGB. Auf den Anlagenbegriff anderer Gesetze, etwa des BImSchG oder des EEG, kommt es nicht an. Dies gilt auch für den Anlagenbegriff des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchG (Mitschang/Reidt a.a.O.). Über den Inhalt eines Vorhabens nach § 29 S. 1 BauGB bestimmt grundsätzlich der jeweilige Antragsteller. Es ist also - innerhalb der Grenzen, die einer Zusammenfassung oder Trennung objektiv gesetzt sind - Sache des jeweiligen Antragstellers, durch seinen Genehmigungsantrag festzulegen, was „das Vorhaben“ und damit der zu beurteilende Verfahrensgegenstand sein soll (BVerwG, U. v. 04.07.1980 - IV C 99.77 - NJW 1981, 776). Ob bei einer technisch teilbaren Anlage die einzelnen Teile zur Genehmigung gestellt werden und daher jeder für sich „Vorhaben“ im Sinne des § 29 Satz 1 BauGB ist oder ob die gesamte Anlage als ein „Vorhaben“ Gegenstand der Beurteilung zu sein hat, bestimmt sich somit grundsätzlich nach dem erkennbaren Willen des Antragstellers. Solange er mit der Festlegung dessen, was „das Vorhaben“ sein soll, nichts aufspaltet, was sich nicht aufspalten lässt, weil sonst die Gefahr bestünde, dass ein Teil des Vorhabens zugelassen würde, der für sich betrachtet nicht den Absichten des Bauherrn entspricht, ihnen möglicherweise sogar zuwiderläuft (vgl. BVerwG, U. v. 03.05.1974 - IV C 10.71 - DÖV 1974, 566), oder umgekehrt nichts zusammenfasst, was sich derart nicht zusammenfassen lässt, unterliegt die Abgrenzung des jeweiligen Vorhabens seiner Disposition (BVerwG, U. v. 20.10.1978 - 4 C 75.76 - BauR 1979, 122). Eine Lagereinrichtung ist eine selbständige Anlage, wenn sie nicht räumlich und funktional in den Betriebsprozess eingegliedert und damit Teil des Gesamtbetriebes ist (BVerwG, B. v. 15.11.1991 - 4 C 17/88 - NVwZ-RR 1992, 402).

23

Es kann dahin stehen, welche Anlagenteile zwingend zu einer Biomasseanlage zu zählen sind (dazu Mitschang/Reidt a.a.O.). Grundsätzlich dient „Biogasanlage“ als Oberbegriff für verschiedene Anlagenteile, v.a. ein‎ Zwischenlager für die jeweils einzuspeisenden Substrate, einen oder mehrere Fermenter (Gärvorrichtung), die erforderlichen Steuerungsanlagen, eine Vorrichtung zur Erfassung und Zwischenlagerung von Biogas und Gärresten und eine Verstromungseinrichtung (Ehlers, Genehmigung von Biogasanlagen in : Martínez (Hrsg.),‎ Göttinger Onlinebeiträge zum Agrarrecht Nr. 05/13 2013 S. 2; vgl. auch dazu Mitschang/Reidt a.a.O.). Es mag sein, dass, weil einzelne Anlagenteile als ein Vorhaben anzusehen sind, soweit sie nur gemeinsam bedeutungsvoll sind, dies für die einzelnen Bestandteile der Biomasseanlage gilt, da sie als solche den durch den Betrieb beabsichtigten Erfolg der Biogaserzeugung nicht herbeiführen können (Ehlers a.a.O. S. 3).‎ ‎Jedenfalls gehört hierzu nicht notwendig eine w e i t e r e Einrichtung zur Zwischenlagerung von Gärresten, sofern sie nicht nach dem oben genannten Grundsätzen von dem Antragsteller zum Gegenstand eine einheitlichen Vorhabens gemacht werden.

24

Die Beigeladene hat ausdrücklich ausschließlich die Errichtung eines Lagerbehälters für Gärreste auf dem Flurstück G1 der Gemarkung Demen zur Genehmigung gestellt. Einen Zusammenhang mit der etwa in 5 km Luftlinie entfernten Biogasanlage stellt der Antrag nicht her. Im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Relevanz eines Vorhabens nach § 29 Satz 1 BauGB könnte im Übrigen auch zweifelhaft sein, ob nach den oben dargelegten Grundsätzen eine solche Bestimmung des Vorhabens möglich wäre. Die Anlage ist, nachdem die Biogasanlage am Standort K. selbst über einen Gärrestebehälter verfügt, eigenständig nutzbar. Umgekehrt ist die Biogasanlage nutzbar, ohne dass der hier zur Genehmigung gestellte Lagerbehälter zur Verfügung steht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin wird ein Zusammenhang auch nicht dadurch hergestellt, dass die Beigeladene in dem Genehmigungsantrag ausgeführt hat, Anlass für die Planung im Bebauungs-plangebiet Nr. 4 sei, dass die Biogasanlage in der Ortslage K. auf eine geringe Akzeptanz stoße und dort die Errichtung des Gärrestebehälters auf gestiegene wasserrechtliche Anforderungen stoßen würde. Durch diese Motive der Planung wird ein einheitliches Vorhaben nicht begründet.

25

Selbst wenn Gase von dem zu errichtenden Behälter in eine andere Anlage abgeleitet werden sollten, wird hierdurch nach dem Genehmigungsantrag der Beigeladenen mit dieser Anlage kein einheitliches Vorhaben begründet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Behälter nicht ohne diese Ableitung des Gases betrieben werden könnte.

26

Der Bebauungsplan kann nicht so ausgelegt werden, dass der Ausschluss von Biogasanlagen auch selbstständige bauliche Anlagen betrifft, die als solche keine Biogasanlage darstellen, aber im Zusammenhang mit einer solchen Anlage genutzt werden sollen. Bei der Auslegung von vorhabenbezogenen Festsetzungen eines Bebauungsplans ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Satzungsgeber Begriffe verwendet, die es in der Rechtswirklichkeit tatsächlich gibt und die eine hinreichende Abgrenzung von anderen Vorhaben ermöglicht (Mitschang/Reidt a.a.O. § 9 Rn. 7). Lagerbehälter als solche sind andere Anlagen als eine Biogasanlage. Selbstständige Lagerbehälter sind eigenständige Gewerbebetriebe, wie aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 und § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO hervorgeht. Typische Beispiele sind Lagerhäuser und -plätze, die als selbstständige Gewerbebetriebe mit dem alleinigen oder zumindest überwiegenden Nutzungszweck der Lagerung geführt werden (vgl. BVerwG, U. v. 08.11.2001 - 4 C 18/00 - NVwZ 2002, 730). Auch aus wie aus Ziff. 8.13 oder 9.36 der 4. BImSchV wird deutlich, dass es sich um unterschiedliche Anlagen handelt. Dieses Ergebnis wird auch aus der Begründung des Bebauungsplans ersichtlich: Danach sollen die ausgeschlossenen Anlagetypen gewährleisten, dass gesunde Arbeits- und Wohnverhältnisse und das Landschaftsbild gesichert werden. Mit den dort genannten Anlagen, etwa Biogasanlagen, Altreifen- oder Hausmüllverbrennungsanlagen, Anlagen zur gewerblichen Tierhaltung, Windenergieanlagen oder Kohlekraftwerken sind selbstständige Lagerstätten in dieser Hinsicht nicht vergleichbar.

27

b) Auch die Veränderungssperre der Antragstellerin greift nicht ein.

28

Gemäß § 14 Abs. 3 BauGB werden Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung von der Veränderungssperre nicht berührt.

29

Das Vorhaben ist vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden. Nach § 9 der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung - KV-DVO - vom 09.05.2012 (GVOBl. M-V 2012, S. 133), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.03. 2014 (GVOBl. M-V S. 129), ist die öffentliche Bekanntmachung der Satzung bei Aushang mit Ablauf des letzten Tages der Aushangfrist erfolgt. Dies war am 02.12.2014. Die Baugenehmigung war der Beilgeladenen bereits am 26.11.2014 bekannt gegeben worden.

30

Der Wirksamkeit der Baugenehmigung steht nicht der als „aufschiebende Bedingung“ bezeichnete Hinweis auf die Vorlage für die Statik relevanter Unterlagen entgegen. Aus § 66 LBauO M-V geht hervor, dass die bautechnische Prüfung unabhängig von der Baugenehmigung erfolgt. Dies wird aus § 62 Abs. 5 S. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 und § 64 S. 2 LBauO M-V deutlich. Trotz des möglichweise missverständlichen Wortlauts der Baugenehmigung ist entsprechend der geltenden Rechtslage nicht gemeint, dass die Baugenehmigung unter der aufschiebenden Bedingung steht, sondern der Baubeginn erst nach Vorlage für die Statik relevanter Unterlagen erfolgen darf. Dies folgt aus § 72 Abs. 8 S. 2 LBauO M-V, wonach Baugenehmigungen, Bauvorlagen sowie bautechnische Nachweise, soweit es sich nicht um Bauvorlagen handelt, an der Baustelle von Baubeginn an vorliegen müssen. Im Übrigen kommt es bei der Anwendung des § 14 Abs. 3 BauGB allein auf die sich nach den allgemeinen Grundsätzen stellende Frage an, ob die Baugenehmigung bereits (äußere) Wirksamkeit gegenüber dem Bauherrn erlangen konnte (VG Frankfurt (Oder), B. v. 08.06.2015 - 5 L 589/14 – zit. nach juris).

31

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 2 S. 7 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das erstinstanzliche wie das Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 5000 Euro festgesetzt; insoweit wird Ziff. 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 20.12.2012 geändert.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an den Beigeladenen. Für das Baugrundstück gilt ein Bebauungsplan der Antragstellerin, der die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes trifft. Der Beigeladene begehrt die Baugenehmigung für ein Vorhaben, das der Unterbringung von maximal 8 Personen dient, denen neben der Unterbringung physio- und psychotherapeutische Anwendungen und medizinische Betreuung angeboten werden sollen. Mit Schreiben vom 25.01.2012 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass Vorhaben werde nach wie vor kritisch angesehen, da die Vermutung einer verdeckten Beherbergung naheliege. Sie erteile das Einvernehmen in Verbindung mit den zusätzlichen Beschreibungen der Einrichtung aus den E-Mails vom 02. und 03.01.2012 gemäß § 36 BauGB.

2

Gegen die am 03.01.2012 erteilte Baugenehmigung legte die Antragstellerin Widerspruch ein und trug vor, ein Einvernehmen zu der Baugenehmigung nach § 36 BauGB liege im Hinblick auf die tatsächlich erteilte Baugenehmigung nicht vor. Die Baugenehmigung sei schon deswegen rechtswidrig, weil die eingereichte Betriebsbeschreibung zu unbestimmt sei. Aus ihr werde nicht deutlich, dass es sich um eine Anlage für gesundheitliche Zwecke handele. Die mit Schreiben vom 25.01.2012 erteilte Einvernehmenserklärung enthalte Bedingungen, die nicht erfüllt seien. Das Einvernehmen gelte daher als nicht erteilt.

3

Dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gab das Verwaltungsgericht Schwerin durch Beschluss vom 20.12.2012 statt. Die Antragstellerin könne sich auf die Verletzung der Planungshoheit berufen. Das Einvernehmen nach § 36 BauGB sei erforderlich, weil der zugrundeliegende Bebauungsplan – wie sich aus einem anderen Verfahren ergeben habe - unwirksam sei. Das Verwaltungsgericht lässt dahinstehen, ob die nähere Umgebung als reines oder allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB zu qualifizieren ist. Das Vorhaben stelle keine Anlage für gesundheitliche Zwecke dar, die in einem Wohngebiet (ausnahmsweise) zulässig sei. Es sei schon zweifelhaft, ob das Vorhaben gesundheitlichen Zwecken diene. Jedenfalls erfülle es nicht die notwendige Voraussetzung einer Gemeinbedarfsanlage.

II.

4

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO allein maßgebende fristgerechte Beschwerdevorbringen des Beigeladenen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

5

Einer Gemeinde kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keine Rechtsposition aus § 36 BauGB zugeschrieben werden mit der Erwägung, ihr Einvernehmen sei wegen der Beurteilung des Vorhabens nach § 34 BauGB erforderlich, weil sich der bestehende Bebauungsplan bei inzidenter Prüfung als unwirksam erweise. Die Planungshoheit der Gemeinde umfasst bei erkannter Unwirksamkeit eines eigenen Bebauungsplans nämlich nur die Möglichkeiten, diesen in einem Verfahren nach § 1 Abs. 8 BauGB aufzuheben oder zu ändern und dabei ggf. einen Antrag auf Zurückstellung nach § 15 BauGB zu stellen oder eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB zu erlassen (vgl. OVG Greifswald, B. v. 19.10.2006 - 3 M 63/06 - BauR 2007, 515).

6

Eine Gemeinde ist aber gem. § 42 Abs 2 VwGO klagebefugt und kann in ihrer Rechten i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verletzt sein, wenn die Bauordnungsbehörde ein Bauvorhaben, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht, genehmigt, ohne die an sich erforderliche Befreiung zu erteilen (VGH Mannheim, B. v. 29.09.1981 - 3 S 1184/81 – juris). Andernfalls könnte sie um ihre Rechtsposition nach § 36 BauGB gebracht werden, die sie erhält, wenn eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wird. Dieser Fall ist dem gleich zu behandeln, in dem bei einer erteilten Befreiung das notwendige Einvernehmen nicht eingeholt worden ist (dazu BVerwG, U. v. 11.08.2008 - 4 B 25/08 - NVwZ 2008, 1347).

7

Die Antragstellerin hat durch ihre Erklärung im Genehmigungsverfahren vom 25.01.2012 das Rechtsschutzbedürfnis nicht verloren. Es liegt kein Fall der Entscheidung nach §§ 31, 33, 34 oder 35 BauGB vor, sodass das Einvernehmen nicht erforderlich ist. Die Versagung des Einvernehmens in einem solchen Fall hat nicht die Rechtsfolgen des § 36 BauGB (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 36 BauGB Rdn. 18); das muss auch für die Erteilung des Einvernehmens gelten. Eine Gemeinde muss ihre Planungshoheit verteidigen können, wenn sie in der irrtümlichen Annahme, ihr Einvernehmen sei nach § 36 BauGB erforderlich, dieses erteilt, obwohl tatsächlich das Vorhaben mangels Antrags auf Befreiung nach § 31 Abs. 1 BauGB nach § 30 Abs. 1 BauGB zu beurteilen ist, und es genehmigt wird, obwohl es den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht. Auf die Frage, ob die Erklärung vom 25.01.2012 als Versagung des Einvernehmens ausgelegt werden kann, weil es sich um eine unklare oder mehrdeutige Erklärung der Gemeinde handeln könnte, kommt es daher nicht an.

8

Etwas anders könnte nur dann gelten, wenn in der Stellungnahme vom 25.01.2012 ein Klageverzicht der Antragstellerin zu sehen wäre. Es fehlt indes an der Voraussetzung, dass eine solche Erklärung angesichts seiner prozessualen Tragweite - unter Anlegung eines strengen Maßstabs – sich als eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich darstellen muss (vgl. BVerwG, U. v. 18.05.1990 - 8 C 40/88 - NVwZ-RR 1990, 581).

9

Objektiv setzt das Vorhaben der Beigeladenen eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gem. § 31 Abs. 2 BauGB voraus, denn es ist mit der planerischen Festsetzung des Baugebiets als allgemeines Wohngebiet nicht vereinbar. Es stellt keine Anlage für gesundheitliche Zwecke i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO dar. Ihm fehlt das erforderliche Merkmal der Gemeinbedarfsanlage.

10

Entgegen der Einschätzung des Beigeladenen hat das BVerwG an dem Erfordernis der Gemeinbedarfsanlage festgehalten. In dem Urteil des BVerwG vom 02.02.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 = NVwZ 2012, 825 Rdn 10 wird ausgeführt:

11

„Eine weite Auslegung der Begriffsgruppe < "Anlagen für kulturelle Zwecke"> führt … nicht zu einer uferlosen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm. Die begriffliche Offenheit des Tatbestands wird in zweifacher Hinsicht begrenzt. Aus dem systematischen und historischen Zusammenhang wird deutlich, dass Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke nur die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB definierten Gemeinbedarfsanlagen sind. Die Baunutzungsverordnung hat die Begriffsgruppe von Anfang an auf Gemeinbedarfsanlagen beschränkt gesehen (Urteile vom 12.12.1996 - 4 C 17.95 - BVerwGE 102, 351 <354> und vom 28.04.2004 - 4 C 10.03 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 S. 6). Darüber hinaus wirkt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit begrenzend, das vor allem jene Nutzungsarten betrifft, die die Baunutzungsverordnung begrifflich verselbständigt und mehreren der Baugebietstypen in §§ 2 bis 9 BauNVO zugeordnet hat (Beschluss vom 06.12.2000 - 4 B 4.00 - Buchholz 406.12 § 7 BauNVO Nr. 4 S. 2).“

12

Indem der Beschluss vom 06.12.2000, wenn auch in anderem Zusammenhang, in der zitierten Passage erwähnt wird, wird deutlich, dass das BVerwG die Ausführungen in jenem Beschluss nicht so versteht, es könne – ausnahmsweise - auf das Merkmal der Gemeinbedarfsanlage verzichtet werden. Wenn das BVerwG mit seinem Satz „In der Regel handelt es sich um Anlagen für den Gemeinbedarf…“, den der Beigeladene zitiert, eine Ausnahme hätte eröffnen wollen, von dieser Voraussetzung abzusehen, hätte der Beigeladene im übrigen darlegen müssen, aus welchen Gründen sein Vorhaben gerade von dem Regelfall abweicht.

13

Der Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB näher bestimmt (zusammenfassend BVerwG, U. v. 02.02.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 = NVwZ 2012, 825 Rdn 11): Gemeinbedarfsanlagen sind solche baulichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen. Beispielhaft werden Schulen und Kirchen sowie sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen aufgezählt. Der Allgemeinheit dient eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, wenn sie, ohne dass die Merkmale des Gemeingebrauchs erfüllt zu sein brauchen (vgl. BVerwG, B. v 18.05.1994 - 4 NB 15.94 - NVwZ 1994, 1004 <1005>), einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung zugänglich ist. Gemeint sind Einrichtungen der Infrastruktur, die der Gesetzgeber dem Oberbegriff der "Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs" zugeordnet hat (BVerwG, U. v. 30.06.2004 - 4 CN 7.03 - BVerwGE 121, 192 <195>). Auf die Rechtsform des Einrichtungsträgers kommt es nicht entscheidend an (BVerwG, U. v. 12.12.1996 - 4 C 17.95 - BVerwGE 102, 351 <356>). Die Trägerschaft kann auch in der Hand einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts liegen (BVerwG, U. v. 30.06.2004 - 4 CN 7.03 - BVerwGE 121, 192 <196>).

14

Es ist nicht erkennbar, dass hier mit staatlicher oder gemeindlicher Anerkennung eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird, hinter die etwaiges privatwirtschaftliches Gewinnstreben eindeutig zurücktritt (dazu BVerwG, B. v. 18.05.1994 – a.a.O.; BVerwG, B. v. 12.12.1996 – a.a.O., der dies für Arztpraxen verneint).

15

Die übrigen Ausführungen der Beigeladenen stellen die weiteren Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage; auf die verwiesen wird (§122 Abs. 2 S. 3).

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

17

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert für eine von der Gemeinde zur Verteidigung ihrer Planungshoheit erhobene Klage gegen eine Baugenehmigung wird danach im Regelfall mit 10.000,-- EUR festgesetzt. Denn die Anfechtungsklage einer Gemeinde gegen eine Baugenehmigung ist im Regelfall höher zu bewerten als die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung (vgl. Nr. II. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - NVwZ 2004, 1327 ff.) (VGH München, B. v. 24.11.2008 - 1 ZB 08.1462 - juris). Dieser Streitwert für die Hauptsache ist zu halbieren, da es vorliegend um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geht. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

18

Hinweis:

19

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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Tenor

Der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 8. August 2012 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten.

2

Die Beigeladene ist Eigentümerin der Grundstücke Flurstück-Nrn. … und … in A-Dorf, A-Straße 8. (im Folgenden: Vorhabengrundstück). Das Vorhabengrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich von A-Dorf. Im südlichen Grundstücksbereich errichtet die Beigeladene nach erfolgtem Abriss eines verfallenen Wohnhauses momentan ein neues Wohngebäude. Im Mittelteil schließt sich ein von Ost nach West über die gesamte Grundstücksbreite reichende Scheune an, die die Beigeladene zur temporären Unterbringung von Pferden nutzt. Nördlich der Scheune befindet sich eine ca. 60 qm große Freifläche, die zum Auslauf von Pferden hergerichtet ist. Das Vorhabengrundstück grenzt im Norden an einen schmalen Grünstreifen und die bereits im Geltungsbereich des 1995 öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplans „B“ liegende Straße B-Straße an. Der Bebauungsplan setzt u.a. für die nördlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Grundstücke ein allgemeines Wohngebiet fest. Für den westlichen Bereich, der vom Vorhabengrundstück aus gesehen in einer Entfernung von knapp 30 m beginnt, setzt der Bebauungsplan ein Dorfgebiet fest. Die beiden dazwischen gelegenen Grundstücke nördlich der A-Straße sind ebenfalls mit Wohnhäusern bebaut. Östlich des Vorhabengrundstücks schließen sich nördlich der A-Straße mehrere Wohngebäude sowie das Pfarrhaus an. Südlich der A-Straße stehen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bebauungsplangebiets ebenfalls Wohngebäude. Auf den Grundstücken A-Straße 13 und 19 stehen noch ehemalige landwirtschaftliche Betriebsgebäude, die seit über 20 Jahren nicht mehr entsprechend genutzt worden sind. Die A-Straße mündet im Osten in die aus Süden kommende und nach Osten abbiegende C-Straße; nach Norden zweigt die D-Straße ab. Im weiteren Verlauf der C-Straße in Richtung Osten stehen Wohn- und Nebengebäude. In dem Anwesen C-Straße 29 befindet sich ein Milchviehbetrieb, in den Anwesen C-Straße 21, 25, 26 und 31 Nebenerwerbswinzerbetriebe. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Aufnahme der betroffenen Umgebung dienen (rot markierte Fläche = Vorhabengrundstück, grün umrandeter Bereich = Geltungsbereich des Bebauungsplans, orange = allgemeines Wohngebiet, blau = Dorfgebiet):

Abbildung
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3

Am 10. Mai 2010 stellte die Beigeladene über die Verbandsgemeindeverwaltung V eine Bauvoranfrage zwecks Beantwortung der Frage, ob die temporäre Haltung von Kleinpferden auf dem Vorhabengrundstück in der A-Straße 8 bauplanungsrechtlich zulässig sei. Dieser Antrag ging am 8. Juli 2010 bei dem Beklagten ein. Der Gemeinderat der Klägerin hatte zuvor in seiner Sitzung vom 29. Juni 2010 das Einvernehmen bezüglich der Nutzung der bestehenden Scheune als Pferdestall vorbehaltlich der Nachbarzustimmung erteilt. Daneben hatte der Gemeinderat der Klägerin in Bezug auf die beabsichtigte Nutzung des Vorhabengrundstücks als Freilauf für die Pferde mit der Begründung das Einvernehmen versagt, das Vorhaben sei nach der Art der baulichen Nutzung mit der Eigenart der näheren Umgebung nicht vereinbar und zudem gegenüber der Nachbarschaft rücksichtslos. In seiner weiteren Sitzung vom 20. September 2010 versagte der Gemeinderat der Klägerin insgesamt das Einvernehmen zu der Bauvoranfrage der Beigeladenen.

4

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2011 die Erteilung eines positiven Bauvorbescheids mit der Begründung ab, es könne offen bleiben, ob das Vorhaben sich nach der Art der baulichen Nutzung innerhalb des Umgebungsrahmens halte, denn eine Pferdehaltung auch im Freien sei an dieser Stelle gegenüber der Nachbarschaft jedenfalls rücksichtslos.

5

Die Beigeladene legte dagegen am 25. Februar 2011 Widerspruch ein. Nach Durchführung einer Ortsbesichtigung hörte der Kreisrechtsausschuss des Beklagten die Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2012 im Hinblick die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an. Daraufhin bekräftigte der Gemeinderat der Klägerin die Einvernehmensversagung mit Ratsbeschluss vom 16. Juli 2012.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2012 hob der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Bescheid vom 26. Januar 2011 unter gleichzeitiger Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens auf und erteilte der Beigeladenen einen positiven Bauvorbescheid zu der Frage: „Ist die Nutzung des ehemaligen Stall- und Scheunengebäudes sowie der Freiflächen auf den Grundstücken Flst.-Nrn. … und … in A-Dorf für die Haltung von bis zu 5 Kleinpferden (Isländer) bauplanungsrechtlich zulässig?"

7

Der Kreisrechtsausschuss fügte dem Bauvorbescheid die folgenden Inhaltsbestimmungen bei:

8

a) Der im Bauvorbescheidsverfahren vorgelegte Lageplan (Bl. 57 der Akte …………….) ist Bestandteil des Bauvorbescheids.

9

b) Ein Auslauf aus dem ehemaligen Stall- und Scheunengebäude auf die Freifläche der Parzelle Flst.-Nr. … (Vorderhof zur A-Straße) ist ausgeschlossen.

10

c) Die Auslauffläche auf der Parzelle Flst.-Nr. 427 (rückwärtiger Grundstücksbereich zu der B-Straße muss zur Grenze des westlichen Nachbargrundstücks Flst.-Nr. …. sowie zu der nördlich angrenzenden öffentlichen Straßenparzelle/Grünfläche Flst.-Nr. …. jeweils einen Abstand von mindestens 3,5 m einhalten.

11

d) Von der Auslauffläche ist an jedem Tag ihrer Benutzung mindestens einmal der anfallende Pferdemist vollständig aufzunehmen („Abäpfeln"). Der Pferdemist, auch soweit er im Stallgebäude anfällt, ist mindestens einmal wöchentlich von dem Grundstück abzufahren. Einzelheiten der Lagerung bis zur Abfuhr sind in der späteren Baugenehmigung festzulegen.

12

e) In der Baugenehmigung sind weiter gehende Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft vor Immissionen der Pferdehaltung vorzubehalten.“

13

Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, nach der Art der baulichen Nutzung füge sich eine Pferdehaltung in die hier maßgebliche Umgebung grundsätzlich ein. Denn die maßgebliche Umgebung sei in einer Weise dörflich geprägt, dass ihre Qualifizierung als faktisches reines oder allgemeines Wohngebiet ausscheide. Die nähere Umgebung, die auch noch die zwischen ca. 115 und 220 m von dem Vorhabengrundstück entfernten noch aktiv betriebenen landwirtschaftlichen Hofstellen auf den Grundstücken C-Straße 21, 25, 29, 31 und 26 einschließe, weise vielmehr einen Rahmen vorhandener Nutzungen auf, der nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 BauGB durch die Zulassung einer Pferdehaltung nicht überschritten würde. Die Zulässigkeit des Vorhabens scheitere auch nicht an dem Gebot der Rücksichtnahme. Die Beigeladene plane keine ganzjährige Haltung ihrer Kleinpferde auf dem Grundstück, sondern wolle die Tiere überwiegend auf der Weide halten. Nur aus Anlass des Hufbeschlags oder bei besonders widriger Witterung sei die Verbringung auf das Vorhabengrundstück vorgesehen. Durch die vorgesehenen Vorkehrungen wie regelmäßiges Misten und Abäppeln könne für die Nachbarschaft ein Ausmaß von Beeinträchtigungen, das in dörflicher Umgebung nicht mehr hingenommen werden müsse, vermieden werden.

14

Die Klägerin hat gegen den ihr am 20. August 2012 zugestellten Widerspruchsbescheid am 20. September 2012 Klage erhoben. Sie trägt vor, der vom Kreisrechtsausschuss des Beklagten erteilte Bauvorbescheid sei rechtswidrig. In der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks der Beigeladenen existierten im Innenbereich keine genehmigten Pferdehaltungen. Tierhaltungen im angrenzenden Außenbereich seien irrelevant, da zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB nicht im Außenbereich liegende bauliche Anlagen oder Nutzungen zählten. Die nähere Umgebung beschränke sich hier auf die Bebauung auf beiden Seiten der A-Straße, soweit diese von dem Baugrundstück aus wahrnehmbar sei, sowie auf das sich nördlich an das Baugrundstück Flst-Nr. … unmittelbar anschließende Neubaugebiet „Am Brennofen". Das Vorhabengrundstück liege weder in einem faktischen Dorfgebiet noch in einem Gebiet mit nachwirkendem Dorfcharakter, da die landwirtschaftliche Nutzung in diesem Gebiet bereits vor Jahrzehnten aufgegeben worden sei. Die Eigenart der oben definierten näheren Umgebung stelle sich entgegen der Auffassung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten im konkreten Fall als eine von Wohnnutzung dominierte Gemengelage dar, in die sich die Pferdehaltung der Beigeladenen nicht einfüge. Im Übrigen verstoße die Pferdehaltung der Beigeladenen auf dem Vorhabengrundstück gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

15

Die Klägerin beantragt,

16

den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Germersheim vom 8. August 2012 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Er verweist zur Begründung weitgehend auf den ergangenen Widerspruchsbescheid und betont nochmals, dass für die Einordnung der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks auch die in der C-Straße befindlichen immer noch aktiv betriebenen landwirtschaftlichen Hofstellen prägend seien, insbesondere der Betrieb mit Großtierhaltung in der C-Straße 29.

20

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

21

Sie wendet ein, in der näheren Umgebung, die der eines Dorfgebiets entspreche, würden Tiere gehalten und landwirtschaftliche Bodenbearbeitung betrieben. Zwecks Verbesserung des Nachbarschaftsschutzes habe sie im Stallgebäude neue Türen und Fenster vorgesehen, die bei Anwesenheit der Pferde für die Nachtzeit geschlossen werden könnten. Der Auslauf sei drainiert und mit Ecoraster versehen worden, die das tägliche und rückstandsfreie Reinigen des Auslaufs ermöglichten. Im Übrigen würden die Pferde nur zum Hufbeschlag und bei schlechter Witterung auf dem Vorhabengrundstück untergebracht. Im Jahre 2012 seien dies nur 72 Tage gewesen.

22

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vornahme einer Ortsbesichtigung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Niederschrift vom 8. März 2013.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2013.

Entscheidungsgründe

24

Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

25

I. Die isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 8. August 2012 ist gemäß § 42 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthaft und auch ansonsten zulässig.

26

Insbesondere ist die Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie kann geltend machen, durch die Erteilung des Bauvorbescheids in ihrer nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz - GG - geschützten Planungshoheit verletzt zu sein (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, NJOZ 2006, 1717 m. w. N.).

27

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht die fehlende Durchführung eines Vorverfahrens entgegen, da diese gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO entbehrlich war. Danach bedarf es vor Erhebung der Anfechtungsklage keiner Nachprüfung des Verwaltungsaktes auf Recht- und Zweckmäßigkeit, wenn der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält. Dies ist hier der Fall, da die Klägerin durch den Widerspruchsbescheid erstmalig beschwert wird.

28

II. In der Sache ist die Klage begründet. Der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 8. August 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kreisrechtsausschuss war nicht berechtigt, den von der Beigeladenen begehrten Bauvorbescheid zu erteilen.

29

Gemäß § 72 Satz 1 Landesbauordnung - LBauO - kann die Bauherrin oder der Bauherr vor Einreichung des Bauantrags zu einzelnen Fragen des Vorhabens einen schriftlichen Bescheid (Bauvorbescheid) beantragen. Nach § 72 Satz 3 LBauO gilt u. a. § 71 LBauO, der die Ersetzung des Einvernehmens regelt, entsprechend.

30

Die letztgenannte Bestimmung hatte der Kreisrechtsausschuss des Beklagten hier zu beachten. Da das Bauvorhaben des Beigeladenen im unbeplanten Innenbereich von A-Dorf verwirklicht werden soll, richtet sich seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Baugesetzbuch - BauGB -. Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 BauGB kann gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde aber nur im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden werden. Das Einvernehmen der Gemeinde darf nur aus den Gründen versagt werden, die sich aus den vorgenannten Vorschriften ergeben (§ 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Das Einvernehmen der Gemeinde gilt als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist (§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB).

31

Vorliegend hatte der Gemeinderat der Beigeladenen in seiner Sitzung vom 29. Juni 2010 zum einen das Einvernehmen bezüglich der Nutzung der bestehenden Scheune als Pferdestall vorbehaltlich der Nachbarzustimmung erteilt und zum anderen das Einvernehmen in Bezug auf die beabsichtigte Nutzung des Vorhabengrundstücks als Freilauf für die Pferde das Einvernehmen versagt. Nachdem die Beigeladene ihr Vorhaben weiter präzisiert hatte, versagte der Gemeinderat der Klägerin in seiner weiteren Sitzung vom 20. September 2010 insgesamt das Einvernehmen zu der Bauvoranfrage der Beigeladenen.

32

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob eine Bindung der Gemeinde an die von ihr abgegebene Erklärung des Einvernehmens erst dann besteht, wenn die Erklärung durch die Erteilung des Vorbescheids oder der Baugenehmigung gegenüber dem Bauantragsteller ihre Rechtswirkung entfaltet (s. dazu näher Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2012, § 36 Rn. 32). Denn der Gemeinderat der Klägerin hat innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB das Einvernehmen zu der Bauvoranfrage der Beigeladenen insgesamt versagt.

33

Die Erklärung des Einvernehmens kann in bestimmter Weise mit Nebenbestimmungen versehen werden (Söfker in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 36 Rn. 36). Zwar darf die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht von der Erfüllung von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, wenn der Bauwerber einen unbeschränkten Anspruch auf Erteilung des Bauvorbescheids oder der Baugenehmigung - und damit auch auf das unbeschränkte Einvernehmen der Gemeinde - hat. Anders ist es aber dann, wenn ein Anspruch nach §§ 31, 33-35 BauGB nicht besteht, die von der Gemeinde geforderten Voraussetzungen, die z.B. in Form von Nebenbestimmungen der Baugenehmigung beigefügt werden sollen, aber gerade dazu dienen sollen, die Anspruchsvoraussetzungen zu schaffen (Roeser in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand Oktober 2012, § 36 Rn. 19). Vorliegend hat der Gemeinderat der Klägerin in der Sitzung vom 29. Juni 2010 seine Bedenken gegen eine Pferdehaltung im Stallgebäude der Beigeladenen wegen der Immissionsträchtigkeit der Pferdeunterbringung auf dem Grundstück nur unter der Voraussetzung der Zustimmung der Nachbarn zurückgestellt. Da die Gemeinde wie die Baugenehmigungsbehörde im Rahmen des § 36 BauGB die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB vollumfänglich - und damit auch einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften - zu prüfen hat (BVerwG, NVwZ 2000, 1048; OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2006, 1873), war sie daher berechtigt, die Erteilung des Einvernehmens vom Einverständnis der betroffenen Nachbarn abhängig zu machen. Denn ein Nachbar kann auf die ihm zustehenden öffentlich-rechtlichen Abwehransprüche wirksam verzichten (ausführlich dazu Schröer/Dziallas, NVwZ 2004, 134). Da hier die Nachbarzustimmung fehlte, war die Erklärung des Gemeinderats der Klägerin vom 29. Juni 2010 auch in Bezug auf die Unterbringung der Pferde im Stallgebäude als Versagung des Einvernehmens zu verstehen.

34

Hatte der Gemeinderat der Klägerin somit rechtzeitig das Einvernehmen zu der Bauvoranfrage der Beigeladenen versagt, kam die Erteilung eines Bauvorbescheids durch den Kreisrechtsausschuss des Beklagten nach Ablehnung des Antrags durch die untere Bauaufsichtsbehörde des Beklagten nur mittels Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in Betracht. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind in den § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 71 Abs. 5 LBauO geregelt.

35

Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB schafft die Grundlage dafür, dass der bauplanungsrechtliche Schutz der kommunalen Planungshoheit im Einzelfall seine Grenze findet in einem verwaltungsbehördlichen Ersetzungsakt, der die rechtswidrige Bewahrung und Durchsetzung dieser Schutzgewährleistung unterbindet. § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ermächtigt die „nach Landesrecht zuständige Behörde“, ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde zu ersetzen. Hiervon hat der rheinland-pfälzische Gesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er in § 2 Nr. 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten nach dem BauGB die nach § 71 LBauO zuständige Behörde zur zuständigen Behörde zur Ersetzung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt hat. § 71 LBauO regelt die verfahrensrechtliche und prozessuale Ausgestaltung der Ersetzung des Einvernehmens näher (s. hierzu Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, Kommentar zur LBauO Rheinland-Pfalz, 3. Auflage 2012, § 71 Rn. 1 ff.; s. auch Horn, NVwZ 2002, 406).

36

Nach § 71 Abs. 1 LBauO kann das Einvernehmen der Gemeinde im bauaufsichtlichen Verfahren nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 ersetzt werden, wenn eine Gemeinde, die nicht untere Bauaufsichtsbehörde ist, ihr u. a. nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt hat. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

37

Zwar hat der Kreisrechtsausschuss des Beklagten das Einvernehmen der Klägerin in formeller Hinsicht beanstandungsfrei ersetzt. Insbesondere hat er die Klägerin, wie dies § 71 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 LBauO verlangt (s. dazu näher VG Neustadt, NVwZ-RR 2007, 338), vor seiner Entscheidung angehört und ihr Gelegenheit gegeben, binnen angemessener Frist erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden.

38

In materieller Hinsicht lagen die Voraussetzungen für die Ersetzung des Einvernehmens indessen nicht vor.

39

In dem Baugenehmigungsverfahren hat die Klägerin als Ausfluss ihrer Planungshoheit das Recht, das Bauvorhaben abzuwehren, sofern es nicht mit § 34 BauGB in Einklang steht. Die Planungshoheit einer Gemeinde ist bereits berührt, wenn ein Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich auf der Grundlage des § 34 BauGB zugelassen oder verwirklicht wird. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers unterliegt die Situation im Gemeindegebiet überall dort dem Vorbehalt planerischer Bestimmung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung durch die Gemeinde, wo die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht schon durch eine qualifizierte Bauleitplanung gesteuert wird. Zur Sicherung ihrer planerischen Handlungsfreiheit wird in § 36 BauGB Vorsorge dafür getroffen, dass die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde hier mitentscheidend beteiligt ist. Sie hat - wie bereits ausgeführt - ebenso wie die Baugenehmigungsbehörde die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB vollumfänglich zu prüfen.

40

Hiervon ausgehend ist das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht nach § 34 BauGB zulässig. Auf der Grundlage der durchgeführten Ortsbesichtigung geht die Kammer davon aus, dass vorliegend § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO und nicht § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblich ist.

41

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht dagegen gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es in dem Baugebiet zulässig wäre (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 982).

42

Die „nähere Umgebung“ im Sinne von § 34 BauGB reicht einmal so weit, wie sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens so weit, wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, BauR 2009, 1564; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. August 2012 - 8 A 10344/12.OVG -, juris). Dabei muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt und alles außer Acht gelassen werden, was die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Ferner darf nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade auf dem vorhandenen Baugrundstück oder nur auf ganz wenigen Grundstücken in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt. Vielmehr ist die Bebauung auch in der weiteren Umgebung des Grundstückes insoweit zu berücksichtigen, als auch sie noch prägend auf dasselbe einwirkt (BVerwGE 55, 369). Ist die maßgebliche Umgebung - wie hier - teilweise mit Bebauungsplänen im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB beplant, ist auch dieser Teil in die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung einzubeziehen, weil dadurch der städtebaulich maßgebliche Zusammenhang nicht unterbrochen wird (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 34 Rn. 14).

43

Die Grenzen der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB lassen sich demnach nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der jeweiligen tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, BauR 2009, 1564). Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 - 4 B 74.03 -, juris). Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion; umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2010 - 1 A 11294/09.OVG -, juris - m.w.N.).

44

Nach diesen Grundsätzen bestimmt die Kammer auf der Grundlage der Ortsbesichtigung vom 8. März 2013 den maßgeblichen Umgriff auf die gesamte Bebauung entlang der A-Straße und zwar auf beiden Seiten sowie auf sämtliche Bauwerke entlang der B-Straße einschließlich der außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegenen Grundstücke westlich der D-Straße (Grundstücke Flurstück-Nrn. …., ….. und ….). Die folgende Luftaufnahme mag dies verdeutlichen (rote Markierung = Umgriff, gelbe Markierung = Vorhabengrundstück):

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45

Die Ortsbesichtigung hat gezeigt, dass das Anwesen der Beigeladenen durch die Bebauung innerhalb des genannten Bereichs wechselseitig geprägt wird. Dies gilt zunächst für die Bebauung in der A-Straße. Nach dem in der mündlichen Verhandlung von der Kammer gewonnenen Eindruck unterbricht diese rund 220 m lange Straße die Bebauung nördlich und südlich der Straße den Bebauungszusammenhang nicht (vgl. zur trennenden Wirkung einer öffentlichen Straße BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 - 4 C 40.87 - juris; Bay.VGH, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 2 ZB 12.198 -, juris). Denn die A-Straße ist einschließlich der Bürgersteige überwiegend nur 6 m breit und hat lediglich eine untergeordnete Verkehrsbedeutung. Auf beiden Seiten der Straße stehen weit überwiegend Wohngebäude sowie auf zwei Grundstücken Nebengebäude (siehe die bei der Ortsbesichtigung angefertigten Bilder 4 – 13).

46

Im Süden endet der Umgriff am A-Bach (siehe die Bilder 20, 23 und 24), südlich davon beginnt der Außenbereich. Infolgedessen kann sich die Beigeladene nicht auf die landwirtschaftliche Nutzung sowie Tierhaltung auf den südlich des A-Bachs gelegenen Grundstücken berufen (siehe die Bilder 21 und 22). Was jenseits der Grenze des Innenbereichs im Außenbereich an privilegierten oder nicht privilegierten Gebäuden oder sonstigen Nutzungen vorhanden ist, gibt für die benachbarte Innenbereichsbebauung keinen geeigneten Maßstab ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28.81 –; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, a.a.O., § 34 Rn. 36).

47

Zur „näheren Umgebung“ zählt die Kammer auch die Bebauung nördlich des Vorhabengrundstücks im Neubaugebiet „B“ bis zur D-Straße. Die Ortsbesichtigung hat insbesondere gezeigt, dass der nördlich des Vorhabengrundstücks verlaufenden Straße „Am Brennofen“ keine trennende Wirkung zukommt. Diese Straße verfügt über keinen eigenständigen Bürgersteig und ist nur ca. 6 m breit. Von der Freifläche hinter der Scheune auf dem Vorhabengrundstück ist die Bebauung im Neubaugebiet ohne Weiteres wahrnehmbar; die Beigeladene hat die Freifläche sogar mit einem Sichtschutz versehen (siehe die Bilder 3 und 15). Im Übrigen weisen die Grundstücke nördlich des Vorhabengrundstücks von der Grundfläche eine vergleichbare Entwicklung auf.

48

Im Osten endet die „nähere Umgebung“ nach Ansicht der Kammer an der Einmündung der A-Straße in die C-Straße und dem Abzweig in die D-Straße. Hier bildet die aus Süden kommende und nach Osten abbiegende C-Straße eine Zäsur und hat hinsichtlich der näheren Umgebung eine Trennungsfunktion. Bei der ca. 9 m breiten C-Straße handelt es sich um die Ortsdurchfahrt der Landesstraße …, die – wie die Ortsbesichtigung gezeigt hat – relativ stark befahren ist. Die beidseitige Bebauung auf der C-Straße östlich der Kreuzung A-Straße/D-Straße/C-Straße ist mit ihrer eher dörflichen Baustruktur und überwiegender Haus-Hof-Bauweise mit einer größeren Bautiefe von der Bebauung in der A-Straße deutlich abgetrennt (siehe insbesondere die Bilder 19 und 28, auf denen das Pfarrhaus auf dem Anwesen A-Straße 2, das einen optischen und baulichen Riegel bildet, zu erkennen ist) und hat keine prägende Wirkung mehr auf das Vorhabengrundstück der Beigeladenen (siehe die Bilder 27 – 30). Infolgedessen bleiben der Einordnung der „näheren Umgebung“ der Milchviehbetrieb in der C-Straße 29 und die Nebenerwerbswinzerbetriebe in den Anwesen C-Straße 21, 25, 26 und 31 ebenso außer Betracht wie die Hühnerhaltung auf dem Grundstück Flurstück-Nr. 13.

49

Geht man von dem dargestellten Umgriff aus, so kommt hier hinsichtlich der Eigenart der näheren Umgebung § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO zur Anwendung, da die maßgebliche Umgebung nach Auffassung der Kammer ausschließlich bauliche Elemente enthält, die einem faktischen allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen sind.

50

Allgemeine Wohngebiete dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Allgemein zulässig sind nach § 4 Abs. 2 BauNVO Wohngebäude, die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Ausnahmsweise zugelassen werden können gemäß Abs. 3 der genannten Vorschrift Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe und Tankstellen.

51

Die bezeichnete nähere Umgebung ist nahezu ausschließlich mit Wohnhäusern bebaut. Nördlich der A-Straße stehen allein auf dem Vorhabengrundstück der Beigeladenen und dem Grundstück Flurstück-Nr. … im hinteren Grundstücksbereich Nebengebäude, die jedoch seit vielen Jahren nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden sind (s. auch die Angaben der Ortsbürgermeisterin der Klägerin beim Ortstermin am 8. März 2013, Seite 4 des Protokolls). Auch auf den nördlich der A-Straße im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am Brennofen“ gelegenen Grundstücken, die nach dem Bebauungsplan als Dorfgebiet ausgewiesen sind, stehen nur Wohngebäude. Das Pfarrhaus auf dem Anwesen A-Straße 2 ist gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig.

52

Die Bebauung auf der Südseite der A-Straße führt nach Ansicht der Kammer nicht zu einer anderen rechtlichen Einordnung der näheren Umgebung. Zwar befinden sich dort neben zahlreichen Wohngebäuden auf den Anwesen A-Straße 13 und 19 jeweils im südlichen Grundstücksbereich größere Nebengebäude (s. die Bilder 5 – 9, 23 und 24), die früher zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wurden. Diese Nebengebäude sind indessen nicht geeignet, die nähere Umgebung als faktisches Dorfgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO oder als Gemengelage aus Wohn- und Dorfgebiet mit nachwirkendem Dorfgebietscharakter zu qualifizieren.

53

Ein faktisches Dorfgebiet scheidet von vornherein aus. Zwar hängt der Charakter eines Dorfgebiets nach § 5 BauNVO nicht davon ab, dass die dort zulässigen Hauptnutzungen in einem annähernd gleichen Verhältnis oder jedenfalls in einem bestimmten prozentualen Verhältnis zu einander stehen. Es reicht vielmehr aus, dass Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe neben Wohngebäuden und Gewerbe- oder Handwerksbetrieben (noch) vorhanden sind und das Gebiet dörflich prägen (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2010 - 1 A 11294/09.OVG -, juris m.w.N.). Ein faktisches Dorfgebiet setzt aber intakte Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe voraus (Bay. VGH, Urteil vom 19. September 2007 - 25 B 05.1076 -, juris). Aktive landwirtschaftliche Betriebe sind in dem betreffenden Bereich aber nicht mehr vorhanden.

54

Die Bebauung auf den Anwesen A-Straße 13 und 19 mit größeren Nebengebäuden rechtfertigt ebenso wenig die Qualifizierung der näheren Umgebung als Gemengelage aus Wohn- und Dorfgebiet mit nachwirkendem Dorfgebietscharakter. Gemengelagen sind Gebiete mit mehr oder weniger engem Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen, vor allem Gebiete mit Wohnbebauung und gewerblichen Anlagen (Söfker in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, a.a.O., § 34 Rn. 52). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30. April 2010 - 1 A 11294/09.OVG -, juris; vgl. auch VG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2011 - 7 K 1111/10.KO -, juris) ist von einer solchen ländlichen Gemengelage aus Wohn- und Dorfgebiet ausgegangen bei bestehender Wohnnutzung, ehemaliger landwirtschaftlicher Nutzung und verbliebener landwirtschaftlicher Nutzung in geringerem Umfang, die teils zu (ergänzenden) Erwerbszwecken und teils aus Hobbygründen betrieben wurde.

55

Diese Beschreibung trifft auf die Bebauung auf der Südseite der A-Straße jedoch nicht zu. Denn die Nebengebäude auf den Anwesen A-Straße 13 und 19 werden seit Jahrzehnten nicht mehr landwirtschaftlich genutzt (s. die Angaben der Ortsbürgermeisterin der Klägerin beim Ortstermin am 8. März 2013, Seite 3 und 4 des Protokolls).

56

Die Kammer teilt in diesem Zusammenhang nicht die unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 19. September 2007 - 25 B 05.1076 -, juris) vertretene Auffassung des Kreisrechtsausschusses, der Altbestand auf den Anwesen A-Straße 13 und 19 sei anfällig für die Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung und müsse daher hier Berücksichtigung finden. Da vorliegend die landwirtschaftliche Nutzung auf den genannten Anwesen seit mehr als 20 Jahren aufgegeben wurde - trotz der Festsetzung des Anwesens A-Straße 19 als Teil eines Dorfgebiet im Jahre 1995 ist eine Wiederinbetriebnahme gerade nicht erfolgt -, ist nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung nicht mehr mit einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen (vgl. BVerwGE 75, 34). Damit sieht die Kammer keinen Anlass, eine „Anfälligkeit“ für die erneute Aufnahme einer anderen Nutzung als dem Wohnen anzunehmen.

57

Ist das Anwesen der Beigeladenen dementsprechend einem allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO zuzuordnen, richtet sich die Zulässigkeit der Pferdehaltung somit danach, ob die Haltung von fünf Pferden im allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. Dies ist hier nicht der Fall.

58

Die Zulässigkeit der Tierhaltung beurteilt sich im Falle des § 34 Abs. 2 BauGB unmittelbar nach § 14 BauNVO (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2010 - 1 A 11294/09.OVG -, juris). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bestimmt, dass soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung zulässig sind, zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung gehören. Die Zulässigkeit der Pferdehaltung der Beigeladenen richtet sich dementsprechend zunächst nach der Gebietseinstufung und sodann nach der dort typischerweise zu erwartenden Nutzung, mithin die Wohnbedürfnisse, die Ortsüblichkeit und die konkrete Situation im jeweiligen Baugebiet (vgl. Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 14 BauNVO Rn. 20d). Charakterisierend sind ferner die Lage und die Größe der Grundstücke im Baugebiet oder die Dichte der Bebauung (Bay. VGH, BayVBl 2010, 193). Maßgeblich sind dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2010
- 1 A 11294/09.OVG -, juris).

59

Danach ist die Pferdehaltung der Beigeladenen im vorliegenden faktischen allgemeinen Wohngebiet unzulässig. Da es sich bei Pferden um „Großtiere“ handelt (s. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, BauR 2013, 63; OVG Niedersachsen, BauR 2009, 210), kommt allein die Zulassung einer untergeordneten Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO in Betracht. Nach einhelliger Meinung entspricht die Haltung von Pferden jedoch grundsätzlich nicht der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets (s. z.B. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 1. März 2007 - 3 M 14/07 -, juris; VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2004, 181; VG Würzburg, Urteil vom 14. Juni 2012 - W 5 K 11.980 -, juris; Bielenberg in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, a.a.O., § 14 BauNVO Rn. 20d).

60

In besonders gelagerten Fällen kann aber auch in allgemeinen Wohngebieten eine Pferdehaltung zulässig sein, etwa wenn ein Pferdestall auf einem weiträumigen Grundstück derart am Ortsrand errichtet ist, dass er mehr der freien Landschaft als einem Wohngebiet zugeordnet werden könnte (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2010 - 1 A 11294/09.OVG -, juris für den Fall der Haltung von drei Reitpferden; Bay. VGH, BauR 2010, 193 für den Fall der Haltung eines Pferdes und eines Esels; VG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2011 - 7 K 1111/10.KO -, juris für den Fall der Haltung von vier Kleinpferden). Vorliegend hat das Vorhabengrundstück der Beigeladenen jedoch keine Randlage, insbesondere grenzen Scheune und Freifläche auf dem Vorhabengrundstück der Beigeladenen nicht direkt an Weideflächen im Außenbereich. Vielmehr ist das Vorhabengrundstück der Beigeladenen in allen Himmelsrichtungen von Wohnbebauung umgeben.

61

Verstößt damit das Bauvorhaben der Beigeladenen gegen § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO, so war der Kreisrechtsausschuss des Beklagten nicht berechtigt, das versagte Einvernehmen der Klägerin zu ersetzen. Diese ist durch den Widerspruchsbescheid vom 8. August 2012 dadurch in ihren Rechten verletzt.

62

War der Klage daher bereits aus diesem Grund stattzugeben, so braucht die Kammer nicht mehr näher darauf eingehen, ob das Vorhaben der Beigeladenen möglicherweise auch gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstößt (zum Prüfungsumfang s. OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2006, 1873).

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.

64

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.

65

Beschluss

66

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tenor

Die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 6. März 2015 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen von dem Beklagten erteilte Baugenehmigung.

2

Die Klägerin ist Inhaberin einer Eigentumswohnung im Erdgeschoss des aus acht Wohnungen bestehenden Anwesens B-Straße ..., Flurstück-Nr. … in K-Stadt. Im hinteren Grundstücksbereich befindet sich unmittelbar an der Grenze ein über 40 m langes Garagengebäude. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. In der befinden sich zu Wohn- und Gewerbezwecken genutzte Gebäude. Der aus ca. 210 Mitgliedern bestehende Beigeladene unterhält auf einem Teil des westlich angrenzenden und der Stadt K-Stadt gehörenden Nachbargrundstücks ein „Vereinsgelände“ für Angelsport. Auf dem im Landschaftsschutzgebiet „...“ gelegenen Grundstück, das der Beigeladene von der Stadt K-Stadt gepachtet hat, befindet sich auch ein Gewässer. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftbildaufnahme des betroffenen Bereichs dienen (gelb = Grundstück mit Wohnungseigentumsanlage der Klägerin, rot = „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“, blau = Gerätecontainer):

Abbildung
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3

Im September 1997 hatte der Beigeladene nachträglich eine Baugenehmigung für die bereits zuvor erfolgte Aufstellung eines Seecontainers zur Unterbringung von Geräten, die zur Ausübung des Angelsports vor Ort gelagert werden müssen, erhalten. Der Container grenzte ausweislich der Baupläne im Norden unmittelbar an das Garagengebäude auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... an. Der Abstand zum Gebäude, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, beträgt etwa 18 m.

4

Im August 2002 erteilte der Beklagte dem Kläger eine weitere Baugenehmigung für den Neubau von WC- und Gerätecontainern auf dem städtischen Grundstück. In den Bauplänen war der im September 1997 genehmigte Container sowie eine „Überdachung“ als Bestand eingezeichnet. Hinzu kamen drei weitere Gerätecontainer und eine WC-Anlage für Männer und Damen.

5

In der Folgezeit nutzte der Beigeladene die neuen baulichen Anlagen als Schankwirtschaft. Unter der Überdachung waren feste Sitzgarnituren installiert. Dem Antrag des Beigeladenen auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis vom 19. Dezember 2006 gab die Verbandsgemeinde K-Stadt am 11. Juli 2012 mit Wirkung vom 8. Januar 2007 statt. Ferner erhielt der Beigeladene eine Gewerbeerlaubnis zum Verkauf von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken.

6

Im November 2010 stellte der Beigeladene beim Beklagten einen neuen Bauantrag zwecks Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Clubheim mit einer Nutzfläche von 37,46 m² zuzüglich Abstellraum und WC mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m². Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 bat der Beklagte den Beigeladenen im Hinblick auf die Lage des Grundstücks in einem Landschaftsschutzgebiet sowie auf Beschwerden von Anwohnern wegen des zeitweiligen gaststättenähnlichen Betriebs in der Vergangenheit um Vorlage einer gesamtkonzeptionellen Nutzungsdarstellung. Hierauf antwortete der Beigeladene, es habe sich die Notwendigkeit ergeben, einen vorhandenen Container so umzubauen, dass er von den Vereinsmitgliedern als Clubhaus genutzt werden könne. Das Vereinsleben könne sich nicht nur im Freien abspielen. Beschwerden aus der Nachbarschaft habe es hauptsächlich nur von einer Dame gegeben, die hyperempfindlich und nervös erscheine. Nach Durchführung eines Gesprächs zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen änderte dieser seinen Bauantrag in der Folgezeit auf eine Nutzungsänderung der WC- und Gerätecontainer zu einem Aufenthaltsraum für Clubmitglieder ab.

7

Am 21. März 2012 kam es wegen der Beschwerden der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen vor dem Schiedsamt des Bezirks K-Stadt zu einer Schlichtungsverhandlung. Die Klägerin monierte dabei insbesondere die regelmäßig mittwochs von 20.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr stattfindende Veranstaltung, bei der sich ca. 25 - 30 Personen träfen, um gemeinsam zu singen. Das Singen, durch Akkordeonspiel begleitet, finde in den Frühjahrs- und Sommermonaten nicht im geschlossenen Raum, sondern bei offenen Fenstern und Türen, oder aber auch unter dem auf dem Vereinsgelände errichteten überdachten Freisitz statt. Die geringe Entfernung zu ihrem Wohnanwesen bedinge eine aus ihrer Sicht nicht unerhebliche Ruhestörung, sodass ein Aufenthalt auf dem Balkon, oder in den nach Westen hin orientierten Wohnräumen bei offener Balkontür bzw. bei offenen Fenstern nicht möglich sei. Die Vertreter des Beigeladenen führten aus, jeweils sonntags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie montags, mittwochs und freitags von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr finde in den Clubräumen ein Ausschank statt. Die von der Klägerin angesprochene „Mittwochs-Veranstaltung“ mit gemeinsamen Singen werde bestätigt. Der Beginn sei zwischenzeitlich auf 19.30 Uhr und das Ende auf 21.30 Uhr vorverlegt worden. Die Bedachung des Clubhauses sei im vergangenen Jahr auch unter dem Gesichtspunkt der Wärme- und Schallschutzes erneuert worden.

8

Das Schiedsamt schlug eine vergleichsweise gütliche Einigung dahingehend vor, dass der Beigeladene das „gemeinsame Singen“ jeweils mittwochs von 19.30 Uhr bis 21.30 Uhr künftig ausschließlich im geschlossenen Raum (Clubhaus) abhalten werde und dafür Sorge trage, dass während des Singens die Fenster und Türen des Clubhauses geschlossen bleiben. In den Sommermonaten Juli/August werde diese Veranstaltung ausgesetzt. Ansonsten werde der Ausschank, jeweils sonntags von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr, sowie montags, mittwochs und freitags von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr in dem jetzigen Umfang beibehalten, ebenso die bislang nur einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltungen (Sommerfest/Preisangeln etc.). Die Klägerin werde hiergegen keine weitergehenden Beschwerden und Einwendungen geltend machen, soweit die vorbezeichneten Veranstaltungen in ihrem bisherigen Umfang verblieben, insbesondere die Öffnungszeiten nicht ausgeweitet würden und die Anzahl bzw. Häufigkeit der Veranstaltungen nicht intensiviert werde. Die Klägerin unterzeichnete die vom Schiedsamt vorgeschlagene Einigung in der Folgezeit nicht mit der Begründung, der Beigeladenen halte sich nicht an die Zusagen.

9

Stattdessen stellte sie im Mai 2012 bei dem Beklagten einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen wegen der Nutzung der Gerätecontainer als Gaststätte und die Nutzung des Geländes als Biergarten. Sie betone, dass die Belästigungen nicht von aktiven Angeln ausgingen sondern von Personen, die das Gelände des Beigeladenen ausschließlich aus geselligen Gründen aufsuchten. So sei der Biergartenbetrieb in der Nacht des 11. auf den 12. Mai 2012 bis nach Mitternacht aktiv gewesen, weswegen sie die Polizei verständigt habe. Es fänden mehrmals pro Woche zusätzliche Öffnungstage statt, Partys bis früh morgens, Biergartenbetrieb bis nach Mitternacht sowie Gesänge bei offenen Fenstern mit applaudierenden Gästen im Freien. Der Beigeladene sei nicht willens oder in der Lage, einen verminderten Betrieb sicherzustellen und Auflagen einzuhalten.

10

Daraufhin antwortete der Beklagte, er werde demnächst über den Nutzungsänderungsantrag des Beigeladenen entscheiden. Ferner übersandte der Beklagte dem Beigeladenen am 11. Juli 2012 ein Anhörungsschreiben zu einer bevorstehenden Nutzungsuntersagungsverfügung.

11

Der Beigeladene ergänzte in einem Schreiben an den Beklagten vom 17. August 2012, mit dem geänderten Bauantrag verbinde er die nachgenannten Absichten, die nach seinem Verständnis mit den Vorgaben zum Betrieb eines Clubheims absolut korrespondierten: Das Vereinsheim solle grundsätzlich montags, mittwochs und freitags in der Zeit zwischen 16.00 Uhr und 22.00 Uhr sowie sonntags in der Zeit zwischen 9.30 Uhr und 13.00 Uhr geöffnet sein. Bei den Besuchern handele es sich nahezu ausnahmslos um Vereinsmitglieder bzw. deren Angehörige oder Bekannte. Einige Sonderveranstaltungen im Jahresablauf (Fischessen an Karfreitag, Angelsportfest etc.) würden - wie auch in der Vergangenheit - rechtzeitig bei der Stadt K-Stadt angezeigt und vorgabegemäß durchgeführt. Die ihm erteilte Gaststättenerlaubnis schließe auch einen Biergartenbetrieb (Sitzgelegenheit im Außenbereich bei entsprechenden Temperaturen und Witterungslagen) ein. Auch diese Nutzung beziehe sich auf den oben genannten Personenkreis. Somit werde sich das zukünftige Betreiben des Vereinsheimes nahezu nicht von den Gepflogenheiten der Vergangenheit unterscheiden, da auch bisher diese zeitlichen Rahmendaten nahezu immer eingehalten worden seien. Die ordnungsrechtlichen Beschwerden der Klägerin könnten nicht nachvollzogen werden.

12

Mit Schreiben vom 29. Januar 2014 an den Beklagten schilderte der Architekt des Beigeladenen das Betriebskonzept. Danach werde es in dem dargestellten Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben. Es sei nicht vorgesehen, eine Schank- und/oder Speisewirtschaft zu betreiben. Der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern. Des Weiteren würden Vereinsversammlungen darin stattfinden. Beim Angelsportfest, welches einmal im Jahr stattfinde, finde der Ausschank im Freien statt.

13

Im April 2013 bat der Beklagte die Verbandsgemeinde K-Stadt um Stellungnahme u.a. in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht. Die Verbandsgemeinde K-Stadt führte dazu am 2. August 2013 aus, die Zeiten für die Öffnung der Freifläche müssten eingehalten werden, d.h. bis 22:00 Uhr. Innerhalb des Gaststättenraumes sollte es zu keinerlei Lärmbelästigung kommen. In der Vergangenheit hätten sich nur Probleme beim Betrieb der Freifläche gezeigt. Sollte diese gegen 22:00 Uhr geschlossen werden, bestünden keine Bedenken gegen die Errichtung bzw. Nutzungsänderung des Gerätecontainers zu einem Clubheim.

14

Unter dem Datum des 4. Februar 2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen schließlich im vereinfachten Genehmigungsverfahren die beantragte Baugenehmigung zur „Nutzungsänderung des Gerätecontainers in einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. Die Genehmigung enthält u.a. folgende Nebenbestimmungen:

15

„B111: Das Gebäude bzw. die Anlage darf nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden.

16

B200: Das Bauvorhaben im Außenbereich der Gemarkung K-Stadt liegt im Landschaftsschutzgebiet „...“ und stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. […]

17

B201: Weitere bauliche Anlagen und Versiegelungen können derzeit nicht in Aussicht gestellt werden.

18

B202: Die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen ist nicht Bestandteil der zulässigen geänderten Nutzung als Aufenthaltsraum.“

19

In den genehmigten Bauplänen wurde im Grundriss, in der Ansicht „West“ sowie in dem Lageplan die „Überdachung“ unmittelbar vor dem Eingang zu dem Aufenthaltsraum per Grüneintrag gestrichen.

20

Gegen die Baugenehmigung legte die Klägerin am 21. Februar 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, ihre Wohnung liege in einem faktischen reinen Wohngebiet. Das Vorhaben des Beigeladenen sei dort nicht zulässig. Darüber hinaus liege das streitige Bauvorhaben im Außenbereich und sei nicht privilegiert. Eine Genehmigungsfähigkeit sei weder nach § 35 Abs. 1 noch nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB gegeben.

21

Zudem sei die Baugenehmigung in Bezug auf die genehmigte Nutzung völlig unbestimmt. Es sei insbesondere nicht zu erkennen, welche Nutzungen durch die Nutzung „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ tatsächlich zulässig seien. Es sei nicht zu akzeptieren, dass der Beklagte in Kenntnis bestehender Nutzungskonflikte eine Nutzung zulasse, die weiteren Interpretationen Spielraum eröffne und die Problematik auf andere staatliche Stellen verschiebe. Der Beigeladene habe zusätzlich zu den streitigen Gerätecontainern, die nunmehr umgenutzt werden sollten, tatsächlich bereits seit Jahren ohne Genehmigung vier fest installierte Sitzgruppen für je acht bis zehn Personen im Freibereich vor den Containern und zudem ein über die Sitzgruppen und den Vorplatz zu den Containern überspannendes großflächiges Vordach errichtet. Es sei bis zum heutigen Zeitpunkt nicht zu erkennen, dass der Beklagte gegen diese ungenehmigten baurechtlichen Nutzungen mit Nachdruck glaubhaft und nachhaltig vorgegangen sei.

22

Eine weitere Bewohnerin der Wohnungseigentumsanlage B-Straße ... schilderte in einer E-Mail vom 25. Mai 2014, dass sich der Biergartenbetrieb des Beigeladenen 2014 im Vergleich zu den Vorjahren intensiviert habe. Die bisherigen Öffnungszeiten seien den Gästen bekannt und würden fortgeführt. Zusätzlich bildeten sich neue Treffpunkte, auch weit nach 22 Uhr. Vormittags säßen Schülergruppen in ihren Freistunden an den Sitzgruppen und unter dem Dach. Eine Gesangsgruppe mit ca. 30 Personen inclusive Akkordeonbegleitung treffe sich jeden Mittwoch von 19:30 bis 21:30 Uhr. Die vergangenen beiden Jahre habe das Singen des Chores im Innenraum stattgefunden. Seit diesem Jahr werde wieder im Freien gesungen. Die überdachte Terrasse von ca. 85 m² reiche nicht für alle Gäste der Singstunde. Der Begriff „Vereinsangehörige“ werde großzügig interpretiert. Am 1. Mai 2014 habe der Maiausflug des Gesangsvereins ... im Vereinsheim des Beigeladenen stattgefunden. Eine Sitzgruppe mit Tisch sei kürzlich neu gestaltet worden. Eigene Parkplätze habe der Beigeladene keine.

23

Am 13. Mai 2015 fand zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen ein Gespräch statt. Dabei äußerte der Beigeladene sich dahingehend, dass ab dem 1. Juni 2015 die Singstunden der Gesangsgruppe des Angelsportvereins an einer anderen Örtlichkeit stattfinden würden. Bis zum 31. Mai 2015 werde die streitgegenständliche Überdachung freiwillig entfernt. Auf diese Weise solle auch versucht werden, den Nutzungen, die sich außerhalb des Vereinslebens abspielten, möglichst entgegenzuwirken.

24

Den Widerspruch der Klägerin vom 21. Februar 2014 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2015, zugestellt am 9. April 2015, zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, die Klägerin könne sich nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, da sich das angegriffene Vorhaben im Außenbereich befinde, während das Wohngebäude, in dem die Klägerin wohne, im faktischen allgemeinen Wohngebiet liege. Im Hinblick auf die von der Klägerin monierten durchgeführten Singstunden sei darauf hinzuweisen, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bereits entschieden habe, dass ein Sängerheim im allgemeinen Wohngebiet zur gebietstypischen Regelbebauung gehöre und somit zulässig sei.

25

Das Gebot der Rücksichtnahme sei durch das Vorhaben des Beigeladenen in der Form, wie es mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 genehmigt sei, nicht verletzt, da von ihm keine für die Klägerin unzumutbaren Belästigungen ausgingen. Gemäß der Bedingung B202 der Baugenehmigung seien öffentliche Veranstaltungen von ihr nicht umfasst. Nach der Nebenbestimmung B111 dürfe das Vorhaben nur zu den aus den Antragunterlagen ersichtlichen Zwecken genutzt werden. Zu den Antragsunterlagen gehöre jedoch auch das Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014. Danach sei nicht vorgesehen, eine Schank- und/oder Speisewirtschaft zu betreiben. Der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern und der Abhaltung von Vereinsversammlungen. Das von der Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung gerügte großflächige Vordach und die fest installierten Sitzgruppen seien gerade nicht Gegenstand der Baugenehmigung und durch diese legalisiert. Somit seien die von der Klägerin im Wesentlichen monierten Veranstaltungen wie zum Beispiel Biergartenbetrieb und Partys von der Baugenehmigung gerade nicht umfasst. Dies gelte somit auch für die Nutzung des Freibereichs durch Jugendliche, Wanderer und sonstige Personen, sogar von Vereinsmitgliedern. Soweit die Klägerin wöchentliche Singstunden moniere, so wären diese wie gesehen selbst im allgemeinen Wohngebiet zulässig. Da das Vorhaben nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Baugenehmigung nur als Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder diene, sei zudem deutlich gemacht, dass sich in dem Vorhaben nur Mitglieder des Beigeladenen als eingetragenem Verein aufhalten dürften. Letztlich sei nach den eingereichten Bauplänen die Kapazität des Aufenthaltsraums mit 37,46 m² sehr beschränkt. Von einem übermäßigen Besucherkreis sei somit nicht auszugehen. Die Baugenehmigung sei auch hinreichend bestimmt genug, um sicherzustellen, dass das genehmigte Vorhaben keine nachbarschützenden Regelungen verletze.

26

Hiergegen hat die Klägerin am 11. Mai 2015, einem Montag, Klage erhoben. Sie betont nochmals, die streitige Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt. Weder sei der Gegenstand der genehmigten Nutzung aus der Baugenehmigung beziehungsweise dem Widerspruchsbescheid heraus selbstständig bestimmbar, noch seien Nutzungs- und Betriebszeiten in der angefochtenen Baugenehmigung festgelegt worden. Weiterhin begründe sich die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigung dadurch, dass trotz des bekannten Nutzungs- und Nachbarschaftskonflikte keine Betriebszeiten für die Nutzung im Außenbereich festgelegt worden seien.

27

Auch sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Die von ihr, der Klägerin, ausgeübte Wohnnutzung auf ihrem Grundstück sei in hohem Umfang schutzwürdig Dies folge bereits aus dem Charakter des Gebietes, das entgegen der Ansicht des Beklagten ein reines Wohngebiet sei. Die Nutzung des in einem Landschaftsschutzgebiet gelegenen Aufenthaltsraumes des Beigeladenen ginge mit unzumutbarem An- und Abfahrtslärm einher. Hier würden bereits bei der Abfahrt von lediglich drei oder vier Fahrzeugen die für die lauteste Nachtstunde geltenden Lärmrichtwerte überschritten.

28

Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Aufenthaltsraum um einen einfachen umfunktionierten Container handele. Dieser verfüge über keine Lärmdämmung, wie sie beispielsweise bei einem aus Stein gebauten Anwesen festzustellen sei. Daher führe auch die Nutzung des Aufenthaltsraumes insbesondere in der Nachtzeit zur erheblichen Lärmbeeinträchtigungen, die unter Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots unzumutbar seien.

29

Die Klägerin beantragt,

30

die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Februar 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 20. März 2015 aufzuheben

31

und

32

die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

33

Der Beklagte beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Er trägt vor, die Genehmigung sei nicht zu unbestimmt. Die vorgetragene unendlich vielfältige Nutzungsmöglichkeit bestehe bereits aufgrund der geringen Fläche von 37,46 m² nicht. Darüber hinaus bestimme sich der Vereinszweck nach der Satzung des Beteiligten in der Fassung zum Zeitpunkt der Antragsstellung. Damit sei eine dynamische Nutzungserweiterung ausgeschlossen. Außerdem habe sich der Beteiligte „einzig“ zur Nutzung als Schutz- und Aufenthaltsraum verpflichtet, sodass eine anderweitige Nutzung nicht zu befürchten sei.

36

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

37

Er hält die ergangene Baugenehmigung für rechtmäßig.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016.

Entscheidungsgründe

39

Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

40

1. Die Klägerin ist im Sinne von § 42 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – klagebefugt. Sie kann sich auf eine in Betracht kommende Verletzung von Rechten aus ihrem Sondereigentum im Sinne des WohnungseigentumsgesetzesWEG – an der Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens „B-Straße ...“ in K-Stadt berufen, die dem Gebäude des Beigeladenen auf dem westlich angrenzenden Grundstück gegenüber liegt. Das Wohnungseigentum, das nach § 1 Abs. 2 WEG aus Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum besteht, zu dem es gehört, vermittelt eine abwehrfähige öffentlich-rechtliche Rechtsposition (s. dazu ausführlich OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 A 2341/11 –, BauR 2014, 252 m.w.N.).

41

2. Die Klage muss auch in der Sache Erfolg haben. Die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 20. März 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

42

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung beurteilt sich vorliegend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 4. Februar 2014. Zwar wären nachträgliche Rechtsänderungen, die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens des Beigeladenen auswirken, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, NVwZ 1998, 1179 und Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, NVwZ 2008, 1349). Rechtsänderungen, die nunmehr aufgrund der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Fassung der Landesbauordnung vom 15. Juni 2015 (GVBl Seite 77), eingreifen könnten, sind vorliegend jedoch nicht relevant.

43

Ein Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung steht einem Nachbarn nicht schon dann zu, wenn eine Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr müssen durch den Rechtsverstoß zugleich nachbarliche Rechte verletzt werden. Das ist dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, mithin drittschützende Wirkung hat. Eine Baugenehmigung ist demnach im Rahmen einer Anfechtungsklage des Nachbarn nur daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5/93 –, NVwZ 1994, 686; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 8 B 10011/12.OVG –).

44

Hiernach verstößt die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 Landesbauordnung – LBauO – erteilte Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Zwar liegt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht kein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch vor (2.1.). Die Klägerin kann sich aber auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme berufen (2.2.).

45

2.1. Der Klägerin steht ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Gebietstypik des Bauvorhabens von vornherein nicht zu. Das streitgegenständliche Gebäude auf dem Grundstück des Beigeladenen befindet sich im Außenbereich, während das Grundstück der Klägerin im angrenzenden unbeplanten Innenbereich liegt. Da der Außenbereich kein Baugebiet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 – 4 B 38/99 –, NVwZ 2000, 552; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 1 B 10885/08.OVG –), scheidet zugunsten der Klägerin der „gebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch“ zwingend aus. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht im Übrigen unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 C 10852/09 –, juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 – 1 A 11751/99 –, BauR 2000, 527). Eine solche Konstellation ist hier von vornherein nicht gegeben.

46

2.2. Eine Rechtsverletzung der Klägerin folgt aber aus einem Verstoß gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung. Denn die einen „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen betreffende Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 stellt nicht hinreichend sicher, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht gegen das drittschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

47

2.2.1. Die unzweifelhaft im Außenbereich von K-Stadt stattfindende und dem Beigeladenen genehmigte Nutzung ist zunächst nicht nach § 35 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB – im Außenbereich privilegiert (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. März 2003 – 8 A 11810/02.OVG – zur Zulassung von Baulichkeiten im Außenbereich, die lediglich die Betreuung von Bienen erleichtern sollen und BVerwG, Beschluss vom 20. September 1973 – IV B 35.73 –, BRS 27 Nr. 136 zu einer einem Angelsportverein dienenden baulichen Anlage). Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB darf das Gebäude zur Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ nur zugelassen werden, wenn es öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB stellt eine besondere Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme in Bezug auf Immissionen dar. Das Gebot der Rücksichtnahme soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. Drittschützende Wirkung hat das Rücksichtnahmegebot nur, soweit in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines Personenkreises Rücksicht zu nehmen ist, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).

48

Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt.

49

Soweit es um Immissionen oder immissionsähnliche Einwirkungen geht, verändert das Gebot der Rücksichtnahme seinen wesentlichen Inhalt nicht danach, ob die jeweiligen Nutzungen beide im Außenbereich oder beide im Innenbereich oder an der Grenze von Außen- und Innenbereich liegen. Das Gebot der Rücksichtnahme gilt daher auch für das – hier vorliegende – grenzüberschreitende Verhältnis zwischen Bebauung im Innen- und im Außenbereich (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1982 – 4 C 28/81 –, NJW 1983, 2460).

50

2.2.2. In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf eine Baugenehmigung gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Nebenbestimmungen im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; Jeromin, in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 70 Rn. 39a). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 3. März 2006 – 15 ZB 04.2453 –, juris und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris). Eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss aus dem Bauschein selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – ersichtlich sein, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen (grüngestempelten) Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden können (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132). Wenn der Bauschein und die genehmigten Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen so unbestimmt sind, dass bei der Ausführung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist, so ist eine Baugenehmigung als nachbarrechtswidrig aufzuheben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2013 – 1 A 11021/12.OVG –, NVwZ-RR 2013, 794 m.w.N.). Verbleiben Abgrenzungsunschärfen im Hinblick auf die Reichweite und die Art der zugelassenen Nutzung, ist im Zweifel ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris).

51

Dies gilt namentlich auch unter dem Blickwinkel des sog. Etikettenschwindels. Bei diesem ist das zur Genehmigung gestellte bzw. schon genehmigte Bauvorhaben nur vorgeschoben, um der eigentlich beabsichtigten – unzulässigen – Nutzung einen genehmigungsfähigen Anschein zu verleihen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 1 MB 11/08 –, juris). Zwar richtet sich die Frage der Nachbarrechtswidrigkeit eines genehmigten Bauvorhabens in aller Regel allein nach der Baugenehmigung und den zugehörigen Bauvorlagen. Eine Abweichung von der genehmigten Nutzung würde im Falle ihres Vorliegens die streitgegenständliche Baugenehmigung als solche grundsätzlich unberührt lassen und lediglich ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die dann ungenehmigte tatsächliche Nutzung rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –; VG Neustadt, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 3 K 470/15.NW –, juris). Das gilt auch für den Fall, dass Umstände, die in den Genehmigungsvorgängen keinen Niederschlag gefunden haben, die Vermutung nahelegen, die betreffende bauliche Anlage solle tatsächlich anders als genehmigt genutzt werden. Anderes gilt jedoch, wenn bereits den Bauvorlagen zu entnehmen ist, dass die genehmigte Nutzung in Wahrheit gar nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich deklariert wird, um das Vorhaben genehmigungsfähig erscheinen zu lassen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. August 2011 – 2 A 38/10 –, NVwZ-RR 2012, 132; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –, wonach Ausnahmen denkbar sind, in denen Fragen der tatsächlichen Nutzung auch auf die Ebene der Rechtmäßigkeit der Genehmigung durchschlagen können, beispielsweise in Fällen, in denen die genehmigte Baulichkeit für die zur Genehmigung gestellte Nutzung objektiv ungeeignet ist und mithin für diesen Zweck von vorneherein gar nicht genutzt werden könnte). Es sind auch die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Stellung des Bauantrags geführt haben, sowie dessen Vorgeschichte zu berücksichtigen, um gegebenenfalls zu ermitteln, ob das wirklich Gewollte dem Beantragten auch entspricht. Weder eine Bauaufsichtsbehörde noch das Gericht müssen sich auf die „Papierform“ eines Bauantrags verweisen lassen, wenn das Verhalten des Bauantragstellers und konkret ermittelte Umstände, die für dessen wahren Bau- und Nutzungsabsichten aussagekräftig sind, – erkennbar – über den Inhalt des Antrags hinausweisen. In solch einem Fall ist ausnahmsweise ein „Durchgriff auf das wirklich Gewollte“ anerkannt, weil die Bauaufsichtsbehörde sich dann nicht zu Lasten betroffener Nachbarn auf den formalen Standpunkt stellen darf, sie habe lediglich eine nach dem Gesetz zulässige Nutzung antragsgemäß genehmigt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 1 MB 11/08 –, juris und OVG Niedersachsen, Urteil vom 18. November 1993 – 1 L 355/91 –, UPR 1994, 345).

52

2.2.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nach Auffassung der Kammer in der angefochtenen Baugenehmigung nicht ausreichend festgelegt, dass das zur Genehmigung gestellte ausdrücklich als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ bezeichnete Bauvorhaben nachbarrechtskonform betrieben werden kann.

53

2.2.2.1. Das Grundstück der Klägerin grenzt unmittelbar an das Außenbereichsgrundstück an, auf dem dem Beigeladenen im Anschluss an einen sog. Gerätecontainer der „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ genehmigt worden ist. Da der Abstand zwischen dem Gelände, auf dem sich der „Aufenthaltsraum“ des Beigeladenen und die Terrasse davor befinden, und der Wohnung der Klägerin weniger als 25 m beträgt, gehört die Klägerin unzweifelhaft zum Kreis der Nachbarn, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Nachbarn, die in einer Randlage zum Außenbereich wohnen, können grundsätzlich zwar nicht damit rechnen, dass in ihrer Nachbarschaft keine emittierenden Nutzungen entstehen. Sie dürfen aber darauf vertrauen, dass durch ein (hinzutretendes) Außenbereichsvorhaben keine mit der Wohnnutzung unverträgliche Nutzung entsteht. Das ist jedenfalls nicht der Fall, wenn die Lärmbelastung nicht über das in einem Misch- oder Dorfgebiet zulässige Maß hinausgeht, denn auch diese Gebiete dienen dem Wohnen (§ 6 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 BauNVO; vgl. z.B. BVerwG vom 18. Dezember 1990 – 4 N 6/88 –, NVwZ 1991, 881; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 35 Rn. 187; vgl. auch und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –, wonach ein Vorhaben, das im Außenbereich an der Grenze zu einem Innenbereichsgrundstück errichtet werden soll, nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, wenn es im Falle der Einbeziehung des Baugrundstückes in den Innenbereich genehmigungsfähig wäre, ohne dass sich ein Nachbar gegen die Zulassung erfolgreich zur Wehr setzen könnte).

54

2.2.2.2. Ohne näher darauf einzugehen, nach welchen Vorschriften hier eine eventuelle Unzumutbarkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen zu bestimmen ist, hat der Beklagte in Kenntnis der seit Jahren bestehenden Konflikte zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen in der Baugenehmigung keine hinreichenden Vorkehrungen dafür getroffen, dass von dem genehmigten „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ des Beigeladenen keine unzumutbaren Belästigungen für das Anwesen der Klägerin ausgehen. Die vom Beklagten in der Baugenehmigung vorgenommenen Grüneintragungen sind ebenso unzureichend wie die aufgenommenen Nebenbestimmungen B201 und B202. Zwar sind Nebenbestimmungen im Grundsatz geeignet, die Nachbarrechte zu sichern, wenn die Anlage bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden kann, dass die entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (Bay. VGH, Beschluss vom 3. März 2006 – 15 ZB 04.2453 –, juris; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris, das darauf abstellt, ob die Einhaltung der Nebenbestimmungen von vornherein unrealistisch und nicht überwachbar sind). Bei der Abfassung von Nebenbestimmungen ist auch zu berücksichtigen, dass die Nutzung eines Vorhabens schwerer zu überwachen ist als die bauliche Ausgestaltung (VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 12 B 2051/04 –, juris).

55

Dies stellt die Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 jedoch nicht hinreichend sicher. Die Nebenbestimmung B201 hat bereits keine verbindliche Aussage, denn sie stellt dem Beigeladenen lediglich weitere bauliche Anlagen und Versiegelungen „derzeit“ nicht in Aussicht. Dabei wird aber völlig ausgeklammert, dass die Fläche unter der Überdachung schon in der Vergangenheit mit Knochensteinen versiegelt und mit festen Sitzgarnituren – beides stellen bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 LBauO dar – ausgestattet (s. etwa die Lichtbilder auf ...) war und bei lebensnaher Betrachtungsweise in Zukunft auch ohne die per Grüneintrag in den Bauunterlagen gestrichene Überdachung von den Vereinsmitgliedern weitergenutzt werden wird. Aus der Nebenbestimmung B202 ergibt sich nur, dass die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen nicht Bestandteil der Baugenehmigung ist. Die Nebenbestimmung B111 knüpft mit ihrer Forderung, das Gebäude bzw. die Anlage nur zu den aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Zwecken zu nutzen, an das Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014 an, in dem angegeben wurde, es werde in dem dargestellten Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben und der Raum diene einzig dem Schutz und Aufenthalt von Vereinsmitgliedern sowie der Durchführung von Vereinsversammlungen.

56

Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort, die zur Stellung des Bauantrags des Beigeladenen und dessen Änderung im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens von „Clubheim“ in „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ geführt haben, sowie der Vorgeschichte des jahrelangen Konflikts zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, insbesondere dem gescheiterten Schlichtungsversuch des Schiedsamts K-Stadt sowie den Beschwerden einer weiteren Bewohnerin des Anwesens B-Straße 4 in K-Stadt und den vielfachen Anzeigen bei der Polizei, wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, in der – ohnehin objektiv rechtswidrigen – Baugenehmigung dezidierte Vorgaben für die Nutzung des Gebäudes und der Fläche vor dem Gebäude, die weiterhin über fest installierte Sitzgarnituren verfügt, zu machen, damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeschlossen werden kann.

57

Die genehmigte Nutzung als „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“ lässt für den Beigeladenen eine Vielzahl von immissionsträchtigen Nutzungsmöglichkeiten offen. Der Begriff des Aufenthaltsraums wird in § 2 Abs. 5 LBauO legal definiert. Danach sind Aufenthaltsräume Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Durch die Beschränkung auf Vereinsmitglieder wird lediglich ausgeschlossen, dass in dem Gebäude und davor – wie in der Vergangenheit – eine öffentlich zugängliche Gaststätte betrieben wird. In dem Betriebskonzept des Beigeladenen vom 29. Januar 2014 heißt es ausdrücklich, es werde in dem Aufenthaltsraum keine festgelegten Öffnungszeiten geben. Dies bedeutet, dass sich Vereinsmitglieder sieben Tage die Woche zeitlich ohne Einschränkung in dem Gebäude und zwar auch zum potenziell immissionsträchtigen geselligen Beisammensein aufhalten dürfen. Das Singen, das in der Vergangenheit häufig Anlass für die Nachbarbeschwerden war, ist nach wie vor zulässig. Der Beigeladene kann jederzeit auch nicht öffentliche Versammlungen, Skatabende, Geburtstagsfeiern von Vereinsmitgliedern etc. abhalten. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum Vereinszweck. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung des Angelsportvereins K-Stadt und Umgebung e.V. vom 22. Februar 2014 (s. ...) ist Zweck und Aufgabe des Vereins u.a. die Zusammenführung Gleichgesinnter im Sinne einer naturverbundenen und waidgerechten Ausübung der Angelfischerei. Das schließt das gesellige Zusammensein in einem Vereinsheim nicht aus. Den genehmigten Bauplänen – darin ist eine Theke sowie eine Küchenzeile eingezeichnet – kann auch zweifelsfrei entnommen werden, dass es in dem „Aufenthaltsraum“ primär um die Bewirtung der Vereinsmitglieder geht.

58

Es finden sich in der Baugenehmigung aber weder Nutzungszeitenbeschränkungen noch hinreichende Vorkehrungen dafür, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte auch tatsächlich zum Schutz der Nachbarschaft eingehalten werden. Die Baugenehmigung „krankt“ auch daran, dass sie keine kontrollierbare Verpflichtung enthält, die Türen und Fenster des Aufenthaltraums ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten. Da die Baugenehmigung ferner keine Vorkehrungen gegen ein jederzeit mögliches Öffnen der Türen und Fenster enthält und auch sonst keine effektiven Kontrollmechanismen vorsieht, wird die Überwachung letztlich den betroffenen Nachbarn überantwortet, womit ständige Nachbarschaftskonflikte vorprogrammiert sind (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 12 B 2051/04 –, juris).

59

Schließlich trifft die Baugenehmigung keinerlei Aussage über die hier im Mittelpunkt stehende Frage nach der Nutzbarkeit der Terrasse vor dem Gebäude. Vor dem Hintergrund des nachbarlichen Konflikts zwischen Klägerin und Beigeladenem teilt die Kammer in diesem Zusammenhang nicht die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung, dies habe er in der Baugenehmigung nicht regeln müssen und sei deshalb auch nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 2. März 2015 – 9 ZB 12.1377 – juris). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage ausdrücklich den „Aufenthaltsraum für Vereinsmitglieder“. Die – mit Knochensteinen befestigte und mit Tischen und Bänken versehene – Freifläche vor dem Gebäude ist von der Baugenehmigung nur insoweit erfasst, als der Beklagte die Überdachung der Terrasse per Grüneintrag gestrichen hat. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 29 Rn. 21), kann aber kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Freifläche vor dem Gebäude von ihrer Funktion und Zweckbestimmung her wesentlicher Teil der Freizeitanlage des Beigeladenen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris m.w.N.) und der Beklagte dies im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens daher nicht ausblenden konnte. Der Nutzungsumfang des von dem Beigeladenen gepachteten Geländes ist im Hinblick auf die Zahl der 210 Vereinsmitglieder, die die Freizeitanlage aufsuchen können, jedoch weder aus dem Bauantrag noch aus der Betriebsbeschreibung ersichtlich. Die Freifläche vor dem Gebäude ist auch kein abtrennbarer, selbständiger Teil der Freizeitanlage. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage – in einen reinen Aufenthaltsraum mit einer Gesamtnutzfläche von 53,17 m² und in einen Teil Terrasse vor dem Gebäude mit einer Nutzfläche von über 85 m² – nicht möglich. Die Freifläche steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Aufenthaltsraum und kann daher nicht isoliert von der Freizeitanlage des Beigeladenen gesehen werden. Da die Baugenehmigung auch bezüglich der Terrasse vor dem Gebäude mit Ausnahme dessen, dass die Überdachung per Grüneintrag gestrichen und damit nicht genehmigt worden ist, keine Vorkehrungen gegen eine (übermäßige) Nutzung trifft, kann die Verletzung des Rücksichtnahmegebots der Klägerin gegenüber nicht ausgeschlossen werden.

60

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO.

61

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte, also nicht willkürlich und überflüssig, sondern zweckdienlich erscheint (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 6 B 21/14 –, juris). Eine solche Notwendigkeit bestand hier angesichts der Schwierigkeit des Falles.

62

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

63

Beschluss

64

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

(1) Besondere Wohngebiete sind überwiegend bebaute Gebiete, die aufgrund ausgeübter Wohnnutzung und vorhandener sonstiger in Absatz 2 genannter Anlagen eine besondere Eigenart aufweisen und in denen unter Berücksichtigung dieser Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickelt werden soll. Besondere Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen; sie dienen auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sonstigen Anlagen im Sinne der Absätze 2 und 3, soweit diese Betriebe und Anlagen nach der besonderen Eigenart des Gebiets mit der Wohnnutzung vereinbar sind.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Läden, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Schank- und Speisewirtschaften,
3.
sonstige Gewerbebetriebe,
4.
Geschäfts- und Bürogebäude,
5.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Anlagen für zentrale Einrichtungen der Verwaltung,
2.
Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind,
3.
Tankstellen.

(4) Für besondere Wohngebiete oder Teile solcher Gebiete kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Beschränkung in der ihm vom Beklagten erteilten Baugenehmigung.

2

Der Kläger ist Inhaber der Firma „… Fahrzeugpflege“, die ihren Sitz in B.-R. in der A-Straße ... hat. Im Internet gibt der Kläger auf der Seite http://www…..de aktuell folgende Öffnungszeiten an: Montag bis Donnerstag 9:00 – 17:00 Uhr, Freitag 9:00 – 16:00 oder nach Vereinbarung.

3

In Bezug auf die von ihm angebotenen Leistungen findet sich auf der Homepage der Firma folgender Eintrag: „Leder- und Vinylreparatur, Aufarbeitung von Ledermöbeln, Polsterreparatur, Aufbereitung von verwittertem Lack, Lackpolitur und Versiegelung, komplette Innenraumreinigung und -Pflege, Reinigung von Polstern, Teppichen und Dachhimmeln, Lederreinigung und -Pflege, Geruchsentfernung, Scheibenreinigung innen und außen, Lackreinigung mit spezieller Reinigungsknete, Chrompolitur und -pflege, Verkauf von M...´s Fahrzeugpflegeprodukte, Motorradaufbereitung, Tierhaarbeseitigung, Klimaanlagendesinfektion und Innenraumdeodorant, Felgenreinigung, Politur und Versiegelung bei demontierte Felgen z.B. zur Einlagerung oder für den Verkauf“.

4

Im Mai 2014 hatte der Kläger beim Beklagten eine Bauvoranfrage betreffend die Einrichtung eines Dienstleistungsgewerbes in der rückwärtigen Garage auf dem im Eigentum des Herrn B stehenden Grundstücks A-Straße ... in B.-R., Flurstück-Nr. … gestellt. Dieses Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich von B.-R.. In der Betriebsbeschreibung und deren Erläuterung gab der Kläger u.a. die Betriebszeiten mit Montag bis Freitag 9 – 17 Uhr an. Ferner schilderte er den vorgesehenen Betriebsablauf. Danach werden die Arbeiten entweder auf dem Hof des vorgenannten Anwesens oder in der mit einem Rolltor versehenen Scheune durchgeführt. Die Fahrzeugaufbereitung erfolgt nach Vereinbarung eines Termins. Die Fahrzeuge werden morgens oder am Vortag beim Kunden abgeholt oder gebracht und dann bearbeitet. Der Zeitaufwand pro Fahrzeug beträgt ca. 8 Stunden bei einer Komplettaufbereitung eines Kleinwagens/Mittelklassefahrzeugs. Die Innenreinigung eines Fahrzeugs dauert ca. 3 bis 4 Stunden. Hier werden maximal 2 Fahrzeuge pro Tag bearbeitet, für eine Komplettaufbereitung maximal 1 Fahrzeug pro Tag. Premiumaufbereitungen von Sportwagen und Oberklassefahrzeugen dauern bis zu 2 Arbeitstage. Mit Vorbescheid vom 29. Juli 2014 bestätigte der Beklagte dem Kläger die Zulässigkeit des Vorhabens.

5

Daraufhin beantragte der Kläger, der den Betrieb bereits im Juni 2014 aufgenommen hatte, im Dezember 2014 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Einrichtung eines Dienstleistungsgewerbes in der rückwärtigen Garage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. Die vom Kläger eingereichte Betriebsbeschreibung war mit derjenigen im Bauvorbescheidsverfahren identisch.

6

Der Beklagte beteiligte im Baugenehmigungsverfahren die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Regionalstelle Gewerbeaufsicht, die am 20. Februar 2015 eine Ortsbegehung durchführte und orientierende Lärmmessungen im Innenhof des Baugrundstücks vornahm. Dabei kam die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd zu dem Ergebnis, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm in der Nachbarschaft auf der Basis der Einstufung der näheren Umgebung als Dorfgebiet deutlich unterschritten würden.

7

Daraufhin erteilte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. März 2015 die Genehmigung zur Nutzungsänderung der vorhandenen Scheune zur Einrichtung eines Dienstleistungsgewerbes unter „Auflagen und Bedingungen“. Nr. 3 der „Auflagen und Bedingungen“ lautet wie folgt:

8

Die Betriebstätigkeiten dürfen nur montags bis freitags zwischen 9 und 17 Uhr stattfinden. Die Betriebsbeschreibung mit entsprechender Erklärung des Antragstellers vom 29. Mai 2014 einschließlich dessen Erläuterungen zu „… Fahrzeugpflege" sind Bestandteil der Baugenehmigung.“

9

Gegen die Auflage Nr. 3 der Baugenehmigung vom 10. März 2015 legte der Kläger am 16. März 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, die Gewerbeaufsicht habe eine Messung durchgeführt und einen bei weitem unter dem maximal zulässigen Wert liegenden Wert ermittelt. Mit den Betriebszeiten 9 Uhr bis 17 Uhr könne er daher nicht einverstanden sein. Die Festlegung der Betriebszeiten stelle einen Gesetzesverstoß dar. Er, der Kläger, müsse selbst entscheiden können, innerhalb welcher Zeit er gedenke, sein Gewerbe auszuüben.

10

Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2016 zurück und führte zur Begründung aus, der Widerspruch sei bereits unzulässig, da der Kläger durch den Bescheid vom 10. März 2015 nicht beschwert werde. Die fehlende Beschwer ergebe sich daraus, dass die erteilte Baugenehmigung inhaltlich genau dem Bauantrag entspreche. Die Auflage Nr. 3, gegen die sich der Kläger wende, entspreche vom Wortlaut her genau der den Bauantragsunterlagen beigefügten Betriebsbeschreibung. Hierin habe der Kläger die Betriebszeiten von 9 Uhr bis 17 Uhr festgelegt. Darüber hinaus habe der Kläger festgelegt, dass der Betrieb samstags geschlossen sei. Soweit der Kläger nunmehr im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vortrage, es müsse ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, bei entsprechender Nachfrage den Geschäftsbetrieb ausweiten und somit flexibel auf den Bedarf reagieren zu können, so sei dem entgegenzuhalten, dass einer Ausweitung des Geschäftsbetriebes eine geänderte Betriebsbeschreibung zugrunde zu legen sei und damit einer neuen Überprüfung durch die Bauaufsichtsbehörde und einer entsprechenden Antragstellung bedürfe. Bestandteil der erteilten Baugenehmigung sei gerade die Betriebsbeschreibung, die auch im Hinblick auf die nachzuweisenden notwendigen Stellplätze Auswirkungen habe. Finde eine Betriebsausweitung statt, so sei auch die Frage der Stellplatzverpflichtung neu zu überprüfen bzw. der Kläger habe in seinem Betriebskonzept darzustellen, wie in diesem Falle der Kundenverkehr abgewickelt werde. Etwas anderes ergäbe sich nur dann, wenn der Kläger entsprechend seinem Betriebskonzept auch bei flexiblen Öffnungszeiten keine Änderung im Hinblick auf die Anzahl der aufzubereitenden/reinigenden Fahrzeuge durchführe. Dies sei nach den derzeitigen Aussagen nicht erkennbar, so dass eine Änderung der Öffnungszeiten ohne erneute Antragstellung und Vorlage eines entsprechenden Betriebskonzeptes nicht möglich sei.

11

Der Kläger hat am 29. Juni 2016 Klage erhoben. Er führt aus, die Auflage Nr. 3 in der ihm erteilten Baugenehmigung sei rechtswidrig. Es könne nicht darauf ankommen, ob er im Rahmen der abgegebenen Betriebsbeschreibung die Betriebszeit von Montag - Freitag 9 Uhr bis 17 Uhr und samstags geschlossen angegeben habe. Der Beklagte hätte ihn darauf aufmerksam machen müssen, dass er sein dem Grunde nach in der dortigen Örtlichkeit zulässiges Gewerbe innerhalb eines bestimmten Zeitfensters ausüben dürfe. Dies sei nicht geschehen. Er müsse keine neue Betriebsbeschreibung abgeben, da sein Betrieb als Einmannbetrieb sich nicht verändere. Es müsse ihm möglich sein, seine Arbeitszeit innerhalb des gesetzlich zulässigen Zeitrahmens selbst zu gestalten, was er mit der Beschränkung von der Zeit 9 bis 17 Uhr nicht könne.

12

Der Kläger beantragt,

13

die Auflage Nr. 3 in der Baugenehmigung vom 10. März 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Baugenehmigung ohne zeitliche Einschränkung zu erteilen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Er trägt vor, der Bauherr bestimme mit seinem Bauantrag den inhaltlichen Verfahrensgegenstand. Teil des Bauantrages sei die Betriebsbeschreibung. Dazu gehöre auch der zeitliche Umfang der Betriebstätigkeit. Anhand der Betriebsbeschreibung werde die Genehmigungsfähigkeit geprüft. Vorliegend sei die Baugenehmigung antragsgemäß erteilt worden. Soweit der Kläger geltend mache, er könne seine Arbeitszeit im gesetzlichen Rahmen frei bestimmen, so treffe dies nicht zu. Bei einer Erweiterung der Betriebszeiten seien neben der Lärmproblematik weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen zu klären, wie z.B. die Stellplatzfrage. Es sei Sache des Klägers, mit einem entsprechenden Betriebskonzept die Genehmigungsfähigkeit darzulegen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten und die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der Beratung vom 26. September 2016 waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –), ist bereits unzulässig.

19

1. Die Klage ist zwar gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Verpflichtungsklage auf Erlass einer Baugenehmigung ohne die im Bescheid vom 14. November 2007 angeordnete Nr. 3 der „Auflagen und Bedingungen“ statthaft. Bei der in der streitgegenständlichen Baugenehmigung enthaltenen Bestimmung Nr. 3 handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um eine – isoliert anfechtbare (näher dazu s. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 – 11 C 2.00 –, BVerwGE 112, 221; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. März 2016 – 8 A 11157/14.OVG –) – Nebenbestimmung in Form einer Auflage im Sinne des § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –, sondern um eine Inhaltsbestimmung, für die eine selbständige Anfechtbarkeit grundsätzlich ausgeschlossen wird (s. z.B. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1974 – IV C 73.72 –, DÖV 1974, 380).

20

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einer selbständig anfechtbaren Auflage und einer die erteilte Genehmigung näher gestaltenden Inhaltsbestimmung ist der Erklärungswert des Genehmigungsbescheides, wie er sich bei objektiver Betrachtung aus Sicht des Empfängers darstellt; die sprachliche Bezeichnung der Regelung ist nicht entscheidend (VG Koblenz, Urteil vom 5. November 2015 – 4 K 1106/14.KO –, juris). Eine (echte) Auflage ist eine Nebenbestimmung, durch die dem Genehmigungsinhaber ein selbständiges Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird, deren Einhaltung also für Bestand und Wirksamkeit der Genehmigung ohne unmittelbare Bedeutung ist und selbständig erzwungen werden kann. Sie enthält regelmäßig Nebenpflichten zum Betrieb der Anlage. Demgegenüber führt die sogenannte modifizierende Auflage der Genehmigung keine zusätzliche Pflicht hinzu, sondern begrenzt den Genehmigungsgegenstand und legt dessen Umfang fest (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 7 K 78/11.KO –). Die erstrebte unmodifizierte Begünstigung kann der Adressat des Verwaltungsaktes nur im Wege einer Verpflichtungsklage herbeiführen (U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 8. Auflage 2014, § 36 Rn. 95 m. w. N.).

21

Danach kommt der Nr. 3 der „Auflagen und Bedingungen“ zur Baugenehmigung vom 10. März 2015 nach Auffassung der Kammer inhaltsbestimmende Wirkung zu. Denn bei der Regelung des Bescheids, die die Betriebszeit des Gewerbebetriebs des Klägers betrifft, handelt es sich um eine integrativ verbundene Regelung, die den Inhalt der Baugenehmigung betrifft (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 8. Dezember 2004 – Au 4 K 02.439 –, juris). Der Beklagte hat mit der Nr. 3 den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Nutzungsumfang festgelegt.

22

Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 Landesbauordnung – LBauO – sind mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Antrags erforderlichen Unterlagen (Bauunterlagen) einzureichen. Der Bauherr bestimmt mit seinem Bauantrag den inhaltlichen Verfahrensgegenstand. Der Inhalt des Bauantrags muss eindeutig sein. So gehört zu den formalen und inhaltlichen Anforderungen eines Bauantrags gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 4 der Landesverordnung über Bauunterlagen und die bautechnische Prüfung – BauuntPrüfVO – die Beifügung einer Baubeschreibung. In der Baubeschreibung ist gemäß § 4 BauuntPrüfVO das geplante Vorhaben, insbesondere nach seiner Konstruktion und Nutzung, zu erläutern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht in den Lageplan und die Bauzeichnungen aufgenommen werden können. Bei Anlagen und Räumen für gewerbliche Betriebe, die einer Genehmigung nach § 4 oder § 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder einer Erlaubnis nach einer aufgrund des § 11 des Gerätesicherheitsgesetzes erlassenen Vorschrift nicht bedürfen, muss die Baubeschreibung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BauuntPrüfVO eine Betriebsbeschreibung mit Angaben enthalten über die Art der gewerblichen Tätigkeit unter Angabe der Art, der Zahl und des Aufstellungsorts der Maschinen oder Apparate gegebenenfalls mit Darstellung der Arbeitsabläufe, der Betriebszeiten, der Art der zu verwendenden Rohstoffe oder sonstigen Materialien sowie der herzustellenden Erzeugnisse und der anfallenden Abfallstoffe, der Lagerhaltung und der zu erwartenden Emissionen sowie die Zahl der Beschäftigten sowie die Lage, Größe und Beschaffenheit der Sozial-, Sanitäts- und Pausenräume.

23

Diese Angaben sind für die Baugenehmigungsbehörde zwingend erforderlich, um über den Bauantrag sachgerecht entscheiden zu können. So muss aus dem Bauschein selbst eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Baumaßnahmen ersichtlich sein. Dazu gehören z.B. Angaben über den Umfang der Immissionen oder die Betriebszeiten. Sind der Bauschein und die genehmigten Bauvorlagen hinsichtlich der nachbarrechtsrelevanten Baumaßnahmen so unbestimmt, dass bei der Ausführung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist, so ist eine Baugenehmigung als nachbarrechtswidrig aufzuheben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2013 – 1 A 11021/12.OVG –, NVwZ-RR 2013, 794 m.w.N.). Verbleiben Abgrenzungsunschärfen im Hinblick auf die Reichweite und die Art der zugelassenen Nutzung, ist im Zweifel ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – 9 CS 15.1633 –, juris). Da die Baugenehmigungsbehörde ferner für die Frage, ob ein Vorhaben den Nachbarn zugemutet werden darf, grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen hat, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, juris), muss die Baugenehmigungsbehörde genaue Kenntnis vom beantragten Nutzungsumfang haben.

24

Dementsprechend hat hier der Kläger beim Beklagten mit seinem Bauantrag eine Betriebsbeschreibung eingereicht, in der er als Betriebszeiten Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr und samstags geschlossen angegeben hat. Damit hat der Kläger selbst den Nutzungsumfang von vornherein begrenzt mit der Folge, dass der Beklagte über diesen Antrag nicht hinausgehen durfte. Die Nr. 3 in der Baugenehmigung entsprach damit genau dem Begehren des Klägers.

25

Auf die von dem Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Beklagte ihn hätte darauf aufmerksam machen müssen, dass er sein dem Grunde nach in der dortigen Örtlichkeit zulässiges Gewerbe auch in der Zeit von 6 bis 22 Uhr ausüben dürfe, weil die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Regionalstelle Gewerbeaufsicht, nach Durchführung einer Ortsbesichtigung und orientierenden Lärmmessungen im Innenhof des Baugrundstücks zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm in der Nachbarschaft auf der Basis der Einstufung der näheren Umgebung als Dorfgebiet deutlich unterschritten würden, kommt es hier nicht an. Mit dem Bauantrag wird das „Vorhaben“ im Sinne des § 29 BaugesetzbuchBauGB – bestimmt und damit als Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens festgelegt (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1980 – 4 C 99.77 –, BRS 36 Nr. 158). Dies hat der Kläger getan, indem er um die Genehmigung eines Gewerbebetriebs mit Aktivitäten von montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr nachgesucht hat. Entspricht die Nr. 3 hinsichtlich der Betriebszeiten damit dem ursprünglich beantragten Antrag des Klägers, hat die Nr. 3 inhaltsbestimmende Wirkung.

26

2. Die Verpflichtungsklage ist aber unzulässig, da der Kläger bisher weder einen neuen Bauantrag mit einer Betriebsbeschreibung eingereicht hat, in der Betriebszeiten angegeben sind, die über die bisher genehmigten Zeiten hinausgehen, noch ein Vorverfahren im Sinne der §§ 68 ff VwGO durchgeführt hat. Es ist daher an dem Kläger, einen solchen neuen Bauantrag bei dem Beklagten zu stellen.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Zivil-prozessordnung – ZPO –.

Beschluss

28

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02. November 2007 - 9 K 3830/07 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht erhobene und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO noch entsprechende Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 02.11.2007 hat keinen Erfolg.
Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die von der Antragsgegnerin der Beigeladenen Ziff. 1 erteilte Baugenehmigung vom 20.04.2006, ergänzt durch baurechtliche Entscheidung vom 04.09.2007, abgelehnt. Inhalt der angefochtenen Baugenehmigung ist die Nutzungsänderung eines vorhandenen - bisher als Teppichhandlung genutzten - Gebäudes in eine Einrichtung mit zwei islamischen Gebetssälen und verschiedenen Nebenräumen.
Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass das private Interesse des Bauherrn an der Ausnutzung der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Baugenehmigung (vgl. § 212 a BauGB) das gegenläufige privaten Interessen der Antragstellerin überwiegt, vorläufig vom Vollzug der Baugenehmigung verschont zu bleiben. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend begründet, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand und nach der im Eilverfahren möglichen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil - worauf es allein ankommt - die von ihr angegriffene Baugenehmigung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe gebieten keine andere Beurteilung. Insoweit ist ergänzend zu bemerken:
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürfte die genehmigte Nutzungsänderung mit der Zweckbestimmung des betroffenen Baugebietes vereinbar sein.
Das Bauvorhaben soll unstreitig im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans verwirklicht werden, der sowohl für das Baugrundstück als auch für das Grundstück der Antragstellerin ein Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO (1968) ausweist. Mit der Beschwerde wird nicht in Frage gestellt, dass gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO in einem Mischgebiet Einrichtungen für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke grundsätzlich zulässig sind, und zwar nicht nur - wie nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet - beschränkt auf die Bedürfnisse dieses Gebietes. Da als Ausfluss der staatlichen Neutralität die Baunutzungsverordnung weltanschaulich neutral ausgelegt werden muss, sind - auch - die geplanten islamischen Gebetsräume unter diese Vorschrift zu subsumieren und damit nach ihrer Art am vorgesehenen Standort allgemein zulässig.
Eine Gebietsunverträglichkeit dürfte im vorliegenden Fall auch nicht aus der Größe und dem Nutzungsumfang der geplanten Einrichtung herzuleiten sein. Gegenstand der Baugenehmigung ist u.a. die Einrichtung eines Gebetsraums für Männer von 180 m² und eines Gebetsraums für Frauen von 110 m²; insgesamt verfügt das Bauvorhaben über eine Nutzfläche von 1200 m². Schon die räumlichen Ausmaße der Gebetsräume sprechen gegen die Ansicht der Antragstellerin, es handele sich um eine „Zentraleinrichtung für den mittleren Neckarraum“. Die Antragsgegnerin weist in ihrer Beschwerdeerwiderung auch zutreffend darauf hin, dass im mittleren Neckarraum bereits mehrere weitere Moscheen bzw. islamische Gebetssäle zu Verfügung stehen.
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragstellerin herangezogenen Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12.02.2007 (M 8 K 06.3625), in dem über die Zulässigkeit einer islamischen Einrichtung mit einem Flächenangebot von 5.191 m² zu entscheiden war. Dies hat zutreffend bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt. Daran ändern auch die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung angestellten Vergleichsberechnungen unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl von München und Ludwigsburg nichts. Für die Prüfung der Gebietsverträglichkeit eines Bauvorhabens ist die Eigenart des betroffenen Baugebiets maßgeblich, welche grundsätzlich unabhängig ist von der Größe oder Einwohnerzahl der Gemeinde, in der das Vorhaben verwirklicht werden soll.
Das genehmigte Bauvorhaben dürfte auch nicht gegen das § 15 BauNVO zu entnehmende Gebot der Rücksichtnahme verstoßen.
Ausgangspunkt der Prüfung ist, dass nach den obigen Feststellungen das genehmigte Bauvorhaben nach der Art der Nutzung in dem als Mischgebiet ausgewiesenen Baugebiet grundsätzlich und allgemein zulässig sein dürfte; denn die im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes abzuwägenden Interessen der Beteiligten haben ein unterschiedliches Gewicht je nachdem, ob es sich um ein Vorhaben handelt, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.1992 - 4 C 50/89 -, NJW 1992, 708 f.). Der im vorliegenden Fall dem Bauherrn somit grundsätzlich zustehenden und durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten baurechtlichen Position kann die Antragstellerin nur bei Vorliegen besonderer Umstände entgegenhalten, dass das Vorhaben zu unzumutbaren Auswirkungen führe und deswegen ihr gegenüber „rücksichtslos“ sei. Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich. Nach der gesetzlichen Wertung hat der Grundstücksnachbar einer in einem Baugebiet allgemein zulässigen kirchlichen oder kulturellen Anlage die mit deren Benutzung üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen; dazu gehört auch der An- und Abfahrtsverkehr der Besucher (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.1992, a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung im Einzelnen dargelegt, dass durch die Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung vom 20.04.2006 sowie durch die Ergänzungsentscheidung vom 04.09.2007 gegen unzumutbare Lärmbelästigungen durch das Bauvorhaben ausreichend Vorsorge getroffen wurde. Danach darf u.a. die Nutzung (einschließlich der Gebetsräume) nur von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr erfolgen. Der Parkplatz ist bis 21.00 Uhr zu räumen. Die Anlieferung zum Laden darf nur während der Tageszeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr erfolgen. Die Immissionsrichtwerte für das Mischgebiet - tags 60 dB(A), nachts 45 dB(A) - werden am Grundstück der Antragstellerin sowohl nach der von der Islamischen Gemeinschaft … vorgelegten schalltechnischen Stellungnahme des Ingenieurbüros … GbR als auch nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten der … GbR während der genehmigten Nutzungszeiten nicht überschritten. Damit setzt sich die Antragstellerin in ihrem Beschwerdevorbringen nicht auseinander.
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Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ist Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung die erteilte Baugenehmigung. Soweit mit der Beschwerde gerügt wird, das Gericht könne sich nicht „auf die Nebenbestimmungen hinausretten, um das Baugesucht zu retten“, mit den in der Baugenehmigung festgelegten Öffnungszeiten könne „ein islamisches Gebetshaus nicht geführt werden“ und die Beigeladene halte sich „an keinerlei Vorschriften bezüglich der Nutzung des Areals“, geht der Vortrag somit an der Sache vorbei. Falls die Vorgaben der erteilten Baugenehmigung nicht eingehalten werden, obliegt es der Antragsgegnerin, dagegen einzuschreiten. Die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung selbst wird dadurch nicht in Frage gestellt.
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Soweit sich die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung mit der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht vom 27.02.1992 kritisch auseinander setzt und auf das dieser Entscheidung zugrundeliegende Senatsurteil vom 20.06.1989 (- 3 S 873/89 -, juris) verweist, kann dies ebenfalls der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die genannten Entscheidungen betrafen eine andere Fallkonstellation, nämlich die Erteilung einer Baugenehmigung für einen islamischen Betsaal, die die Nutzung zum Morgengebet in der Ruhezeit vor 6.00 Uhr umfasste. Eine solche Nutzung wird durch die im vorliegenden Fall erteilte Baugenehmigung gerade ausgeschlossen. Auch dafür, dass von der genehmigten Nutzung Gefahren ausgehen könnten, wie sie der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.01.2007 - 4 C 1.06 - zugrunde lagen, wird nichts vorgetragen und ist derzeit auch nichts ersichtlich.
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Auch aus der von der Antragstellerin gerügten und mit Bildern belegten Stellplatzsituation dürfte sich nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Verletzung von Nachbarrechten ergeben. Dabei kann der Senat offen lassen, ob für die genehmigte Nutzung Stellplätze in ausreichender Zahl nachgewiesen worden sind.
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Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die Verpflichtung zur Errichtung der für eine ordnungsgemäße Nutzung notwendigen Stellplätze (§ 37 Abs. 1 und 2 LBO) sind nicht nachbarschützend, sondern dienen ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr. Die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze kann allerdings im Einzelfall gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Ein Verstoß liegt vor, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn - auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung seines Grundstücks - bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (vgl. dazu Hess. VGH, Beschluss vom 12.05.2003 - 9 TG 2037/02 -, BRS 66 Nr. 190; OVG Bremen, Beschluss vom 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, BauR 2003, 509 ff.; OVG NW, Urteil vom 10.07.1998 - 11 A 7238/95 -, BauR 1999, 237 ff.; Nieders. OVG, Beschluss vom 14.03.1997 - 1 M 6589/96 -, BauR 1997, 983 f.; s. auch Sauter, LBO, § 37 Rn. 12 m.w.N.). Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der Stellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt - jedenfalls solange der freie Zugang zum Grundstück möglich ist - allerdings nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Das dem Nachbarn durch das Eigentum vermittelte Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.03.1998 - 1 B 33/98 -, GewArch 1998, 254 f.). Probleme, die sich aus der Verteilung knappen öffentlichen Straßenraums auf verschiedene Verkehrsteilnehmer ergeben, sind mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu regeln (vgl. für den ruhenden Verkehr etwa die Anwohnerparkregelung in § 45 Abs. 1b Satz 2 StVO). Als rücksichtslos kann der Verzicht auf die notwendigen Stellplätze auch dann gerügt werden, wenn der durch ihn bewirkte parkende Verkehr und Parksuchverkehr den Nachbarn in der Wohnnutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Dies setzt i.d.R. entsprechende Immissionen, insbesondere Lärm- und Abgaseinwirkungen, voraus (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 18.10.2002, a.a.O.).
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Nach diesen Maßgaben kann der Senat derzeit einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch einen von der Antragstellerin gerügten Stellplatzmangel nicht feststellen. Es kann dabei offen bleiben, ob die Antragsgegnerin die Vorbelastung durch den sich ehemals auf dem Baugrundstück befindlichen Teppichhandel richtig ermittelt hat, was die Antragstellerin wohl anzweifelt. Der bloße Hinweis auf die Inanspruchnahme der angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Besuchern des genehmigten Bauvorhabens insbesondere zur Zeit des Freitagsgebets vermag nach dem oben Gesagten jedenfalls eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht zu begründen. Dafür, dass durch den Parkplatzsuchverkehr in einem Mischgebiet unzulässige Lärmimmissionen hervorgerufen werden, ergeben sich weder aus den vorgelegten Gutachten noch aus den sonstigen Unterlagen hinreichende Anhaltspunkte. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdeerwiderung schließlich darauf hingewiesen, dass die auf den von der Antragstellerin vorgelegten Bildern festgehaltene Parkplatzsituation sich nicht mehr einstellen werde, sobald die genehmigten Stellplätze hergestellt seien.
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Soweit es um Störungen durch die genehmigten Stellplätze auf dem Baugrundstück selbst geht, kann sich die Antragstellerin auf die nachbarschützende Regelung in § 37 Abs. 7 Satz 2 LBO berufen. Danach darf die Nutzung der Stellplätze die Gesundheit nicht schädigen und das Wohnen und Arbeiten, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm, Abgase und Gerüche nicht erheblich stören. Der Begriff der erheblichen Störung ist weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff der erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG und damit mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass notwendige Stellplätze und Garagen keine billigerweise nicht zumutbaren Störungen hervorrufen (vgl. zum Ganzen Sauter, LBO, § 37 Rn. 110 ff. m.w.N.).
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Gemessen daran kann der Senat eine Verletzung des § 37 Abs. 7 Satz 2 LBO durch die genehmigten Stellplätze nicht feststellen. Nach den vorliegenden Gutachten, die sich ausdrücklich mit den durch die genehmigten Stellplätze und den Zu- und Abfahrtsverkehr ausgelösten Lärmimmissionen auseinander gesetzt haben, werden die zulässigen Lärmpegel nicht überschritten. Dies wird durch die Beschwerdebegründung auch nicht substantiiert in Frage gestellt.
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Gibt damit die Beschwerdebegründung keine Veranlassung zu einer Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses, kann offen bleiben, ob sich diese Entscheidung auch aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweist. So bedarf es keiner Klärung, ob die Antragstellerin mit ihren Einwendungen gegen das Bauvorhaben deshalb ausgeschlossen ist, weil sie die Einwendungen trotz möglicherweise ausreichender Einsichtsmöglichkeit in die Bauvorlagen im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung nicht ausreichend begründet hat. Ebenso kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang der der Beigeladenen zu 1 unter dem 14.06.2005 erteilte Bauvorbescheid Bindungswirkung zu Lasten der Antragstellerin entfaltet (zur Bindungswirkung eines Bauvorbescheides gegenüber dem Nachbarn vgl. Sauter, LBO, § 57 Rn. 8 m.w.N.). Eine Fallgestaltung, wie sie dem Urteil des BVerwG vom 27.03.1998 (- 4 C 11/97 -, NVwZ 1998, 729 ff.) zu Grunde lag, dürfte vorliegend nicht gegeben sein.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es besteht keine Veranlassung, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen; diese haben im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und sich auch sonst nicht beteiligt. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs 1 VwGO.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es von den Beteiligtenübereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden,wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.