Verwaltungsgericht München Urteil, 03. Apr. 2017 - M 8 K 15.5546

bei uns veröffentlicht am03.04.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Bauantrag vom 7. Februar 2015, Plan-Nr. … zu genehmigen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vorläufig vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Am 7. Februar 2015 beantragte die Klägerin unter Befreiung hinsichtlich der Errichtung außerhalb des festgesetzten Bauraums die Genehmigung für ein dreigeschossiges Gebäude mit Flachdach mit einer Grundfläche von 14,50 m x 11,80 m im Erdgeschoss - einschließlich integrierter Garagen; im 1. Obergeschoss beträgt die Grundfläche 16 m x 12,30 m, da an der Westseite eine Auskragung mit einer Tiefe von 1,50 m und an der Südseite mit 0,30 m über dem Erdgeschoss vorgesehen ist. Das 3. Geschoss ist ein allseits zurückgesetztes Terrassengeschoss, an der Nord-, Ost- und Südseite um 2 m, an der Westseite um 1 m von der darunter liegenden Auskragung. Die Höhe des Flachdachs beträgt 9,90 m (+ 9,16 m bei einer Geländeoberfläche von - 0,74 m).

 

(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu)

Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2015, beim Verwaltungsgericht München am gleichen Tage eingegangen, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Untätigkeitsklage.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 - abgesandt am 23. Dezember 2015, eine Zustellung ist aus den Akten nicht ersichtlich - lehnte die Beklagte den Bauantrag vom 7. Februar 2015 nach Plan-Nr. … ab.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Das Bauvorhaben befinde sich außerhalb des Bauraums und eine Befreiung könne nicht erteilt werden. Zweck des Bauliniengefüges sei die Freihaltung der hinteren, der … zugewandten Grundstücksbereiche, um einen flussbegleitenden Grünzug zu erhalten. Grundsätzlich sei eine ausschließlich straßenbegleitende Bebauung städtebauliche Zielsetzung gewesen und sei es immer noch. Der nur auf den Fl.Nrn. … und … ausgewiesene Bauraum habe lediglich auf dem aus den 1920er Jahren stammenden Bestand, der Berücksichtigung habe finden müssen, beruht. Vergleichbare Bezugsfälle lägen nicht vor, da die Fl.Nr. … nicht von der …straße, sondern von der …-Straße erschlossen werde, so dass hier keine rückwärtige Bebauung vorliege. Eine Unterbrechung der Baulinie auf dem Baugrundstück mache deutlich, dass keine zusätzlichen Bauräume hätten ausgewiesen werden sollen, sondern das Baurecht aufgrund des Bestandes räumlich verlagert angeordnet worden sei. Durch die zusätzliche Bebauung entstünde eine zweite Baureihe und damit eine Verdichtung, wie sie gerade ausdrücklich nicht erwünscht sei. Die Auswirkung auf die nördlich angrenzenden Grundstücke sei evident; eine rückwärtige Bebauung könne dort nicht mehr aufgehalten werden, was gerade der Zielsetzung „Freihaltung rückwärtig …begleitend“ und damit den Grundzügen der Planung widerspräche.

Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2016 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, den Bescheid vom 23. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bauantrag vom 7. Februar 2015 zu genehmigen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Die Argumentation im streitgegenständlichen Bescheid sei nicht nur unrichtig, sondern auch unverständlich, soweit dort ausgeführt werde, die zusätzliche vordere Bebauung könne die rückwärtige Bebauung nicht mehr aufhalten. Tatsächlich sei - wie der Lageplan zeige - in den letzten Jahrzehnten eine Bebauung entstanden, die ganz massiv von den festgesetzten Baulinien und Baugrenzen abweiche. Die Befreiungsvoraussetzungen seien gegeben, da eine deutliche Aufweichung des Grundkonzeptes vorliege. Das Bauvorhaben stehe nicht im Widerspruch zu den Grundzügen der Planung, sondern erfülle sie vielmehr.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Das Bauliniengefüge sei nicht funktionslos, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 21. August 2000 - 2 B 99.2166, juris Rn. 17 - betreffend die Grundstücke nördlich des Bauvorhabens, festgestellt habe.

Im Übrigen wurden die Ausführungen des Bescheides vom 23. Dezember 2015 vertieft.

Einer Aufforderung des Gerichts, die Begründung für die Bauraumfestsetzungen auf dem streitgegenständlichen Grundstück und die der nördlich und südlich benachbarten Grundstücke vorzulegen, konnte die Beklagte nicht nachkommen, da eine solche - entsprechend der Erklärung der Beklagten zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung am 3. April 2017 - im Stadtarchiv nicht mehr auffindbar sei.

Das Gericht hat am 3. April 2017 Beweis durch Einnahme eines Augenscheines erhoben. Hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen wird auf das Protokoll des Augenscheins verwiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der anschließenden mündlichen Verhandlung wird auf die entsprechende Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts-, die vorgelegte Behördenakte sowie das schriftsätzliche Vorbringen im Einzelnen Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da der Klägerin ein Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zusteht, weshalb sie durch den ablehnenden Bescheid in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die Verpflichtung zur Erteilung auszusprechen war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Das Vorhaben, das außerhalb des Bauraumes errichtet werden soll, ist genehmigungsfähig. Soweit nicht ohnehin von einer Funktionslosigkeit der Bauraumfestsetzung auszugehen ist (II. 1. und 2.) hat die Klägerin zumindest einen Rechtsanspruch auf Befreiung (II. 3.). Im Übrigen fügt sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in jeder Hinsicht in seine Umgebung ein (III.).

II. 1. Im Bereich westlich der …straße sind - anders als auf der gegenüberliegenden Ostseite der …straße, an der sich nur eine straßenseitige Baugrenze findet - auf dem Baugrundstück und den nördlich sowie südlich benachbarten Grundstücken im Wesentlichen straßenseitige Bauräume durch einfachen übergeleiteten Bebauungsplan festgesetzt worden. Mit Ausnahme des Bauraums auf dem streitgegenständlichen Grundstück und der südlich benachbarten Fl.Nr. … - auf denen sich die Bauräume in der rückwärtigen Hälfte der Grundstücke befinden - sind die Bauräume entlang der …straße mit keinem oder mit Abständen von maximal 5 m von dieser festgesetzt worden. Diese Bauräume sind in dem maßgeblichen, das Baugrundstück prägenden und im Ausschnitt des vorgelegten amtlichen Lageplans enthaltenen Bereich an keiner Stelle eingehalten. Sowohl auf dem Grundstück Fl.Nr. … (…str. 107, 109 und 109 a) als auch auf der Fl.Nr. … (…str. 111 und 113) ragen die Hauptbaukörper ganz wesentlich über den Bauraum hinaus bzw. sind weitere Gebäude völlig außerhalb des Bauraumes vorhanden. Das Gleiche gilt für das Grundstück Fl.Nr. … (…-Str. 44/46). Nördlich des Baugrundstücks setzt sich diese Situierung außerhalb der Bauräume fort, wobei auf dem Grundstück Fl.Nr. … auch der Neubau des Gebäudes …str. 123 a anstelle des Altbestandes im Wesentlichen außerhalb des Bauraumes errichtet wurde, wie beim Augenschein am 3. April 2017 festgestellt werden konnte.

2. Es kann offenbleiben, ob vorliegend aufgrund dieser massiven Überschreitungen die Bauraumfestsetzungen in dem oben umrissenen Bereich der Westseite der …straße bereits funktionslos geworden sind.

Die Annahme der Funktionslosigkeit einzelner Festsetzungen oder des gesamten Bebauungsplans kommt zum einen in Betracht, wenn sich die bauliche Entwicklung in dem Gebiet in einem erheblichen Umfang im Widerspruch zu den planerischen Festsetzungen vollzogen hat. Zu fordern ist für diesen Fall allerdings, dass die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan eine städtebauliche Gestaltungsfunktion im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB nicht mehr zu erfüllen vermag. Es ist danach darauf abzustellen, ob die Festsetzungen - unabhängig davon, ob sie in Teilen des Plangebiets noch durchsetzbar wären - bei einer Gesamtbetrachtung doch die Fähigkeit verloren haben, die städtebauliche Entwicklung in der durch das planerische Konzept vorgegebenen Richtung zu steuern (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2003 - 4 B 85/03 - BauR 2004, 1128 - zur Festsetzung von Baulinien in einem übergeleiteten Baulinienplan aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts).

Hierfür spricht, dass auch im …nahen rückwärtigen Bereich der Grundstücke …-str. 115/ …-Str. 44/46, …-str. 107/109/109a und …-str. 113 massive Bebauung zu finden ist, die die von der Beklagten dargelegte Konzeption des Bebauungsplans in Form einer Konzentration einer straßennahen Bebauung entlang der …straße, um einen flußbegleitenden Grünzug zu erhalten, konterkariert. Für einen Widerspruch zu dieser planerischen Konzeption spielt es auch keine Rolle, dass das …nah gelegene Gebäude …-Str. 44/46 - anders als die …str. 109 a und 113 - nicht von der …straße aus erschlossen wird.

3. Selbst wenn man vorliegend keine Funktionslosigkeit annehmen wollte, weil der maßgebliche Bereich weiter zu ziehen ist und im Norden und Süden des vorliegend skizzierten maßgeblichen Umgriffs die Massivität der Bauraumüberschreitungen abnimmt, besteht jedenfalls gemäß § 31 Abs. 2 BauGB ein Anspruch auf Befreiung von der Bauraumfestsetzung auf dem streitgegenständlichen Grundstück.

Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB sind vorliegend gegeben.

3.1 Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder

2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder

3. die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Mit dem Begriff der „Grundzüge der Planung“ umschreibt das Gesetz in § 31 Abs. 2 BauGB die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zugrunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Hierzu gehört alles, was das Ergebnis der Abwägung über die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange und den mit den getroffenen Festsetzungen verfolgten Interessenausgleich trägt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, Stand: 1.10.2016, Rn. 36 f. zu § 31 BauGB m.w.N.).

3.2 Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG, U.v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 - juris Rn. 37). Die Beantwortung der Frage, ob die Grundzüge der Planung berührt werden, setzt die Feststellungen voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob das Vorhaben insoweit noch entscheidend ins Gewicht fällt, weil die Grundkonzeption der Planung bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet aufgeweicht und möglicherweise sogar stellenweise überholt ist (vgl. BayVGH, U.v. 9.8.2007 - 25 B 05.1337 - juris Rn. 35).

3.3 Dem vorrangigen Planungsziel der Freihaltung der rückwärtigen, flußbegleitenden Grundstücksbereiche entspricht die vorgesehene Bebauung. Soweit die Beklagte erklärt, dass zudem durch die Festsetzung von Bauräumen eine zweireihige Bebauung habe vermieden werden sollen, stellt die streitgegenständliche Bebauung dieses Planungsziel - abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht durch die Vorlage der Begründung der Bauraumfestsetzungen erhärtet werden konnte - nicht in Frage. Sowohl die Bebauungstiefe als auch die Bestimmung der ein- oder mehrreihigen Bebauung ist von der Erschließungsstraße her zu beurteilen. Damit steht das Vorhaben in der ersten Baureihe - ebenso wie die südlich benachbarten Gebäude …str. 107, 109, 111 und 115 bzw. die nördlich benachbarten Gebäude …str. 121/121 a und 123. Die Tatsache, dass durch die Errichtung des streitgegenständlichen Gebäudes eine zweireihige Bebauung auf dem Grundstück entsteht, ist allein dem Umstand geschuldet, dass die Beklagte hier - anders als auf den übrigen Grundstücken vorgenommen - systemfremd im rückwärtigen Bereich in einem Abstand von 34 m von der Straßenbegrenzungslinie einen Bauraum festgesetzt hat. Das Argument der Beklagten, der Bauraum habe so festgesetzt werden müssen, um den Bestandsschutz der bereits bestehenden Gebäude auf den Fl.Nrn. … und … zu gewährleisten, überzeugt nicht. Die bestehenden Gebäude hätten auch ohne diese Bauraumfestsetzung im Rahmen der geltenden Regeln Bestandsschutz genossen. Lediglich eine Neuerrichtung hätte gegebenenfalls an einer anderen, den Planungszielen der Beklagten entsprechenden Stelle stattfinden müssen, was aber letztlich Sinn einer Planung ist. Das von der Beklagten bereits durch die Festsetzung der Bauräume auf den Fl.Nrn. … und … durchbrochene Planungsziel wird durch die Gebäude …str. 109 a, 113 und 123 a/b weiter in Frage gestellt, auch wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass die …-Str. 44/46 keine Bebauung in zweiter Reihe darstellt, da dieses Gebäude von der …-Straße aus erschlossen wird. Das vorrangige Planungsziel, die …nahen rückwärtigen Bereiche der Grundstücke von Bebauung freizuhalten, weshalb dann auch eine …nahe Bebauung in zweiter Reihe unerwünscht ist, konterkariert die …-Str. 44/46 allerdings in einem erheblichen Maße.

Die Grundzüge der Planung werden daher durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht berührt. Abgesehen davon, dass die Beklagte schon mit der Bauraumfestsetzung auf den Fl.Nrn. … und … ein Abweichen vom Planungssystem in Kauf genommen hat, führen die aktuell vorhandenen massiven - oben beschriebenen - Bauraumüberschreitungen dazu, dass das streitgegenständliche Vorhaben nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise die Grundzüge der Planung berühren kann. Soweit die einreihige Bebauung entlang der …straße Planungsziel gewesen sein sollte, wurde dieses Planungsziel durch die Festsetzung des Bauraums auf den Fl.Nrn. … und … (streitgegenständliches Grundstück) selbst in Frage gestellt und in der Folgezeit in einer Weise von diesem Planungsziel abgewichen, die eine ins Gewicht fallende Verschlechterung in Bezug auf die planerische Grundentscheidung ausschließt. Sowohl die Grundentscheidung, den …nahen Bereich auf den Grundstücken zwischen der …straße und der …straße freizuhalten, als auch hier nur eine einreihige Bebauung zuzulassen, wurde durch die tatsächliche Entwicklung im Baugebiet und südlich der Fl.Nrn. … und … sogar vollständig konterkariert.

3.4 Die Abweichung von dem festgesetzten Bauraumgefüge ist gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB auch städtebaulich vertretbar, da eine solche Abweichung, das heißt - auch - Bebauungsmöglichkeiten auf dem Grundstück im straßennahen Bereich, im Rahmen einer entsprechenden Bauraumfestsetzung zulässiger Inhalt eines Bebauungsplanes sein kann und auf dem benachbarten Grundstück auch ist.

Aus den Darlegungen unter 3.3 ergibt sich ebenfalls, dass die Abweichung auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Insbesondere kommt dem Vorhaben - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine negative Bezugsfallwirkung hinsichtlich weiterer unerwünschter Bebauung in den rückwärtigen Grundstücksbereichen zu, da sich das Vorhaben gerade nicht im rückwärtigen Grundstücksbereich befindet, sondern korrespondierend zur vorhandenen straßenseitigen Bebauung auf den Grundstücken …str. 107 - 122 straßennah errichtet werden soll.

3.5 Die Erteilung einer Befreiung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Baugenehmigungsbehörde. Dies bringt der Gesetzgeber in § 31 Abs. 2 BauGB mit der Formulierung zum Ausdruck, dass von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden „kann“. Den Ermessenscharakter der Befreiungsentscheidung betont auch die höchstrichterliche Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Lehre (BVerwG, U.v. 19.9.2002 - 4 C 13/01, BVerwGE 117, 50/55 ff. m.w.N. und juris).

3.5.1 Allerdings wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Formulierung geprägt, dass „für die Ausübung dieses Ermessens nur wenig Raum besteht, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben sind“ (so BVerwG, U.v. 19.9.2002 - 4 C 13/01 - juris unter Bezugnahme auf Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002 , Rn. 43 zu § 31 und Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB und BauNVO, 3. Aufl. 2002 , Rn. 26 zu § 31). Wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich feststellt, folgt daraus jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen (ebenso Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, Stand: 1.10.2016, Rn. 26 zu § 31). Erforderlich ist für eine negative Ermessensentscheidung, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (BVerwG, U.v. 19.9.2002 a.a.O., S. 56; U.v. 4.7.1986 - 4 C 31/84 - juris und BVerwGE 74, 315/319).

Sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer Befreiung gegeben, steht im Hinblick darauf bereits fest, dass auf Seiten des Bauherren Gründe vorliegen, die immerhin so gewichtig sind, dass sie mit dem grundsätzlichen Geltungsanspruch der gemeindlichen Bauleitplanung sowie mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen oder nachbarlichen Interessen konkurrieren und eine Befreiung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen können.

3.5.2 Im Rahmen des behördlichen Vollzugs ist weiterhin zu entscheiden, ob die für das Vorhaben des Bauherren sprechenden Gründe gegenüber den beeinträchtigten öffentlichen Belangen und privaten Interessen aus Verhältnismäßigkeitsgründen vorrangig sind. Wenn die für die Nutzungsinteressen des Bauherrn streitenden Gründe nach den Umständen des Einzelfalls so gewichtig sind, dass ein Festhalten am Plan ungerecht, insbesondere unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig wäre, ist die Befreiung von Verfassungs wegen geboten; in diesen Fällen hat bereits die Erfüllung des Befreiungstatbestandes einen Rechtsanspruch auf Befreiung zur Folge, ohne dass noch ein behördlicher Ermessensspielraum eröffnet wäre. Demgegenüber zwingen weder das Verfassungsrecht noch das grundsätzlich auf behördliche Ermessensbetätigung angelegte einfache Gesetzesrecht zur Bevorzugung der Interessen des Bauherren, wenn die sich gegenüber stehenden Interessen und Belange in etwa gleichgewichtig sind, also nicht außer Verhältnis stehen (vgl. auch: BVerwG, U.v. 4.7.1986, a.a.O.: „zumindest ebenso gewichtig sind“).

3.5.3 Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend kein behördlicher Ermessensspielraum eröffnet, da öffentliche Belange, die der Befreiung entgegenstehen, entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegeben sind, weshalb sich eine im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Gewichtung erübrigt. Es entsteht keine Bebauung in der zweiten - rückwärtigen - Reihe; vielmehr erfolgt auf dem Grundstück erstmalig eine Bebauung in erster - straßennaher - Reihe, weshalb von dem Bauvorhaben auch keine Bezugsfallwirkung für eine weitere Bebauung in zweiter Reihe ausgeht. Die …nahen Grünbereiche des Grundstücks werden nicht tangiert.

Sonstige öffentliche Belange sind weder angeführt noch ersichtlich. Das Gleiche gilt für die privaten Belange der Nachbarn, die ebenfalls nicht negativ betroffen werden.

Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Befreiung für das Bauvorhaben außerhalb des Bauraumes im vorderen Grundstücksbereich.

III. Das Vorhaben, dem gemäß § 30 Abs. 3 i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB das vorhandene Bauraumgefüge nicht entgegensteht, fügt sich auch im Übrigen (§ 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB) in die maßgebliche Umgebung ein.

1. Hinsichtlich der Art fügt sich das Wohnbauvorhaben ohne weiteres in die überwiegend durch Wohnnutzung und vereinzelte Gewerbenutzung geprägte Umgebung ein.

2. Auch hinsichtlich des Maßes der Nutzung überschreitet das streitgegenständliche Vorhaben nicht den in seiner Umgebung vorzufindenden Rahmen. Wie beim Augenschein festzustellen war, finden sich in der Umgebung Gebäude mit E + 1 und zwei ausgebauten Dachgeschossen (…str. 123 a (im Bau) und …str. 121 a), deren Firsthöhen in etwa 13 m erreichen. Davon abgesehen weist das südlich benachbarte Gebäude …-Str. 40 - das auf gleicher Geländehöhe liegt wie das Bauvorhaben - drei Geschosse und ein ausgebautes Dachgeschoss auf, wobei sich allein die Wandhöhe auf etwa 10 m beläuft. Auch von dem Gebäude …str. 111 mit zwei Geschossen und einem massiv ausgebauten Dachgeschoss - zwerchgiebelartige Gauben auf der Westseite - geht hier eine dreigeschossige Wirkung aus. Das streitgegenständliche Vorhaben bewegt sich somit ohne weiteres im Rahmen der in der Umgebung vorzufindenden Höhenentwicklung. Da die benachbarten Gebäude weitgehend über zumindest gleich große, zum Teil aber erheblich größere Grundflächen - …str. 115/ …-Str. 40 und auch …str. 111 und 113 - verfügen, fügt sich das streitgegenständliche Vorhaben auch im Hinblick auf die Gesamtkubatur problemlos in seine Umgebung ein.

Soweit die Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2013 - 4 B 49/12 und B.v. 3.4.2014 - 4 B 12/14 - beide juris) davon ausgeht, dass im Rahmen des Maßes der baulichen Nutzung bei offener Bauweise auch das Verhältnis von mit Hauptbaukörpern bebauter Fläche zur umgebenden Freifläche für das Tatbestandsmerkmal des „Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung“ eine Rolle spielt, begegnet das Vorhaben ebenfalls keinen Bedenken. Zusammen mit dem Bestand ergibt sich auf der streitgegenständlichen Fl.Nr. … eine Verhältniszahl von mit Hauptbaukörpern bebauter gegenüber einer von solchen Hauptbaukörpern freien Fläche von 0,215. Deutlich ungünstiger für die insoweit nicht bebaute Fläche ist das Verhältnis auf der Fl.Nr. … (…-str. 115/ …-Str. 40/44/46), nämlich 0,412. Auch die Fl.Nr. … weist insoweit eine Verhältniszahl von 0,262 auf und liegt damit bei der mit Hauptbaukörpern bebauten Fläche deutlich über der des streitgegenständlichen Grundstücks.

3. Hinsichtlich der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 BauGB - insoweit kommen noch Bauweise und Bebauungstiefe in Betracht - stellt sich das Bauvorhaben ebenfalls als völlig unproblematisch dar.

IV. Da dem Vorhaben weder sonstige planungsrechtliche noch bauordnungsrechtliche Vorschriften - und zwar weder im Prüfprogramm enthaltene noch als Gründe nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO zur Ablehnung berechtigende - entgegenstehen, war die Beklagte mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, die streitgegenständliche Bau-genehmigung zu erteilen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer "Syrisch-Orthodoxen Kirche mit Mausoleum" sowie eines "Gemeindezentrums". In der Bauzeichnung für das Untergeschoss der Kirche war eine "Krypta" mit zehn Grabkammern eingezeichnet.

2

Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beigeladenen zu 1, der das gesamte Plangebiet als Industriegebiet (GI) festsetzt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind "Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO" zugelassen.

3

Die Beklagte erteilte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für das Kirchengebäude und das Gemeindezentrum. Hinsichtlich der Krypta lehnte sie den Antrag unter Hinweis auf das versagte gemeindliche Einvernehmen der Beigeladenen zu 1 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Ablehnung, ließ dann aber in der Bauzeichnung ihres Bauantrags die Zweckbestimmung "Krypta" durch "Abstellraum" ersetzen und die Grabkammern streichen. Die Beklagte hob daraufhin den ablehnenden Teil des Genehmigungsbescheides auf. Die Kirche ist mittlerweile errichtet und wird von der Klägerin als solche genutzt.

4

Im Jahre 2005 beantragte die Klägerin, im betreffenden Raum im Untergeschoss der Kirche eine Krypta "als privaten Bestattungsplatz ausdrücklich ausschließlich für verstorbene Geistliche" ihrer Kirche zu genehmigen. Entsprechend der ursprünglichen Planung ist der Einbau von zehn Grabkammern in Wandnischen vorgesehen, die nach Beisetzung durch dicht verfugte Stahlbetonplatten zur Raumseite hin verschlossen und mit beschrifteten Marmorverkleidungen versehen werden sollen. Die Krypta soll nur von außen zugänglich sein.

5

Das Gesundheitsamt beim Landratsamt Heilbronn stimmte der Krypta aus hygienischer Sicht unter Auflagen zu. Die Beigeladene zu 1 versagte wiederum das gemeindliche Einvernehmen. Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau einer Krypta im Untergeschoss der Kirche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 hat der Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat er zurückgewiesen. Die Umwandlung des betreffenden Abstellraums in eine Krypta sei eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung. Sie sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans widerspreche. Zwar handle es sich bei der Krypta um eine - städtebaulich gegenüber der Kirche eigenständig zu würdigende - Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des Ausnahmekatalogs des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Sie sei jedoch wegen Unverträglichkeit mit dem Charakter eines Industriegebiets unzulässig. Das Ermessen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 31 Abs. 1 BauGB sei deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eröffnet. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsanlage schon die Grundzüge der Planung berühre, die auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei. Jedenfalls fehle es aber an Befreiungsgründen. Insbesondere erforderten es Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht, die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle zu errichten. Dies gelte auch im Lichte der Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das Bedürfnis, über eine Krypta in der eigenen Kirche zu verfügen, sei nicht zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin. Der durch die Ablehnung unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei durch den Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken gerechtfertigt, das im Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Verhältnis zur katholischen Kirche sei ebenfalls nicht zu erkennen.

8

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die vorinstanzlichen Urteile und macht eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV geltend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

Die Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin ist eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit an §§ 30 ff. BauGB zu messen ist (1). Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass diese Nutzungsänderung im Industriegebiet nicht im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann, weil sie mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets unvereinbar ist, steht im Einklang mit Bundesrecht (2). Bundesrechtswidrig sind demgegenüber die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung gestützt hat, dass die Krypta auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden könne (3). Da die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für eine abschließende Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen nicht ausreichen, war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (4).

11

1. Die beantragte Nutzung des Abstellraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin als Krypta ist eine vom Vorhabenbegriff des § 29 Abs. 1 BauGB umfasste, mit geringfügigen baulichen Änderungen verbundene Nutzungsänderung.

12

Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 m.w.N.; Beschlüsse vom 14. April 2000 - BVerwG 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 7. November 2002 - BVerwG 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70 S. 327). Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). So liegen die Dinge hier. Die Nutzung als Begräbnisstätte ist heute für eine Kirche nicht mehr charakteristisch. Im vorliegenden Fall wurde die Krypta zudem von der im Jahre 1994 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung der Kirche ausdrücklich ausgenommen und sollte - auf Anregung des Regierungspräsidiums Stuttgart letztlich auch aus der Sicht der Klägerin - einem Nachtrags-Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.

13

Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und damit Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist jedoch nicht - wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen - die Krypta als selbständige "Hauptanlage", sondern die Änderung von einer Kirche mit Abstellraum zu einer Kirche mit Krypta als Gesamtvorhaben. Geht es um die Änderung einer Nutzung, dürfen die bauliche Anlage und ihre Nutzung nicht getrennt beurteilt werden; sie bilden eine Einheit (Urteil vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - BVerwGE 47, 185 <188>). Soll nicht die Nutzung der baulichen Anlage insgesamt, sondern - wie hier - lediglich eines bestimmten Teils der Anlage geändert werden, kann die bauplanungsrechtliche Prüfung hierauf nur beschränkt werden, wenn der betroffene Anlagenteil auch ein selbständiges Vorhaben sein könnte; er muss von dem Vorhaben im Übrigen abtrennbar sein (Urteil vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72 S. 204). Daran fehlt es hier. Der streitgegenständliche, unter dem Altar gelegene Raum ist untrennbar mit der Kirche im Übrigen verbunden. Nur weil dies so ist, möchte die Klägerin in der Krypta ihre Gemeindepriester beisetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass nach den Glaubensvorstellungen der Klägerin die Verpflichtung besteht, syrisch-orthodoxe Priester in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen (UA S. 17 und 27). Kirche und Krypta stehen deshalb als Gesamtvorhaben zur bauplanungsrechtlichen Prüfung.

14

Die Nutzungsänderung ist auch städtebaulich relevant, weil durch die Aufnahme der neuen Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Trauern und Gedenken nicht nur im Innern der Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sondern auch außerhalb des Kirchengebäudes bemerkbar sein werde. Wie sich aus den Äußerungen der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren sowie aus den von ihr in Bezug genommenen externen Stellungnahmen zum Ritual des Totengedenkens ergebe, solle das Gedenken feierlich zelebriert werden; die Toten sollen mit gelegentlichen Feiern geehrt werden. Zudem sei es Brauch der syrisch-orthodoxen Christen, nach jedem samstäglichen Abendgottesdienst vor den Priestergruften Gedenkgebete zu zelebrieren und an bestimmten Sonntagen und an hohen kirchlichen Feiertagen die Gottesdienste mit einer feierlichen Prozession in die Krypta abzuschließen. Bereits diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass durch die beantragte Nutzungsänderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, auch wenn der Verwaltungsgerichtshof Quantität und Dauer dieser "externen" Traueraktivitäten nicht näher beschrieben und sie "letztlich" selbst nicht für ausschlaggebend gehalten, sondern entscheidend auf die funktionsmäßige städtebauliche Qualität der Krypta als Begräbnisstätte abgestellt hat (UA S. 22).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass eine Kirche mit Krypta zwar grundsätzlich unter die im Industriegebiet gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen für kirchliche Zwecke fällt, eine Ausnahme vorliegend aber wegen Unverträglichkeit dieser Nutzung mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets nicht erteilt werden kann. Dagegen gibt es aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

16

Das Kirchengrundstück liegt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet (GI) gemäß § 9 BauNVO festsetzt. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermocht. Anhaltspunkte dafür haben sich auch im Revisionsverfahren nicht ergeben. Maßstab für die Zulässigkeit des Vorhabens ist deshalb grundsätzlich § 30 Abs. 1 BauGB. Im Industriegebiet ist eine Kirche mit Krypta nicht gemäß § 9 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig. Zu Recht konzentriert der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung deshalb zunächst auf die Frage, ob die beantragte Nutzungsänderung im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann.

17

a) Im Einklang mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Vorhaben eine Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Unter diesen Begriff fallen Anlagen, die unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken dienen, wie insbesondere ein dem Gottesdienst dienendes Kirchengebäude. Die von der Klägerin errichtete Kirche erfüllt diese Voraussetzungen. Die Krypta ist - wie bereits dargelegt - untrennbar mit der Kirche verbunden. Sie ist nicht nur ein privater Bestattungsplatz im Sinne des § 9 BestattG, sondern, weil sie der Bestattung von Gemeindepriestern dienen soll, die nach der Glaubensvorstellung der Klägerin nur in einem geweihten kirchlichen Raum beigesetzt werden dürfen, selbst Anlage für kirchliche Zwecke.

18

b) In Übereinstimmung mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit der beantragten Nutzungsänderung aber am ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit scheitert.

19

Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof deshalb davon aus, dass die Gebietsverträglichkeit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung ist, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist.

20

Industriegebiete dienen gemäß § 9 Abs. 1 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist deshalb dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck.

21

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung des Industriegebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (vgl. auch Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21). Eine auf störunempfindliche Anlagen beschränkte ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit von "Anlagen für kirchliche Zwecke" im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO führt auch nicht dazu, dass dieses Tatbestandsmerkmal leer liefe. Das gilt bereits deshalb, weil nicht alle Anlagen für kirchliche Zwecke in gleicher Weise störempfindlich sind (vgl. etwa die Beispiele bei Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band V, Stand: Juni 2010, Rn. 82 zu § 4 BauNVO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch eine störempfindliche Nutzung gebietsverträglich sein kann, etwa weil sie einem aus dem Gebiet stammenden Bedarf folgt, kann offen bleiben, weil weder seitens der Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich ist, dass hier derartige die Gebietsverträglichkeit begründende Umstände gegeben sein könnten.

22

3. Bundesrechtswidrig sind jedoch die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme gestützt hat, das Vorhaben könne auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden.

23

Ob die Umwandlung des Abstellraums in eine Krypta die Grundzüge der Planung berührt, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend entschieden. Nach seiner Auffassung fehlt jedenfalls ein Befreiungsgrund. Auch Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten es nicht, dass die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle eingerichtet werde. Das gelte auch bei Bewertung der Grabstättennutzung im Licht der Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (UA S. 25). Die Bestattung der Gemeindepriester in der Hauskirche sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung (UA S. 27). Der verbleibende Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei gerechtfertigt. Die Krypta erfordere ein Umfeld der Ruhe und Andacht. Dieses Umfeld sei in dem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet. Zudem befinde sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt. Diese Situation widerspreche der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten in hohem Maße. Insofern werde der Achtungsanspruch der Verstorbenen verletzt, der sich nachwirkend aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebe. Darüber hinaus werde bei objektiver Betrachtung auch das durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt. Diese verfassungsimmanente Schranke setze sich gegenüber der Beeinträchtigung der Religionsausübungsfreiheit durch und sei auch verhältnismäßig. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, dass die Krypta keinesfalls nur am vorgesehenen Ort, sondern (zusammen mit der Kirche) an anderer geeigneter Stelle errichtet werden könnte oder damals hätte errichtet werden können. Das Planungsrecht biete zahlreiche Möglichkeiten, um städtebaulich die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen (UA S. 28 f.).

24

Mit diesen Erwägungen kann das Vorliegen eines Befreiungsgrundes nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht verneint werden.

25

a) Gründe des Wohls der Allgemeinheit beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <76>). Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang (VGH München, Urteil vom 29. August 1996 - 26 N 95.2983 - VGH n.F. 49, 182 <186> = NVwZ 1997, 1016 <1017 f.> m.w.N.). Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde - wie dies bei der Klägerin der Fall sein dürfte - eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat.

26

b) Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

27

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Bedürfnis der Klägerin, ihre verstorbenen Gemeindepriester in der eigenen Kirche beisetzen zu können, kein zwingender Bestandteil ihrer Religionsausübung ist. Nach ihrer Begräbnisregel sei es zwar verboten, syrisch-orthodoxe Priester zusammen mit den Gemeindeangehörigen auf normalen Friedhöfen zu bestatten. Es bestehe die Verpflichtung, diesen Personenkreis in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen. Die Beisetzung müsse jedoch nicht zwingend in der "Hauskirche" erfolgen (UA S. 27).

28

Diese Feststellungen stehen der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die Zulassung der Krypta auch, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass die Klägerin theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann eine Befreiung auch nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Feststellungen hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin ein besser geeignetes Grundstück zur Verfügung gestanden hätte, sind jedenfalls nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat das Regierungspräsidium selbst angeregt, dass über die Zulässigkeit einer Krypta im Rahmen eines Nachtragsbaugesuchs entschieden wird. Ausgehend hiervon dürfte der Klägerin nicht entgegengehalten werden können, dass sie den Anspruch auf eine Krypta nicht bereits vor Errichtung der Kirche gerichtlich geltend gemacht hat. Mangels tatsächlicher Feststellungen kann der Senat hierüber jedoch nicht abschließend entscheiden. Eine Bestattung der Gemeindepriester in einem niederländischen Kloster kann der Klägerin wegen der großen Entfernung von fast 500 km jedenfalls nicht zugemutet werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Einwand "gut nachvollziehen" können (UA S. 27). Er hat ihn jedoch nicht - wie es geboten gewesen wäre - im Rahmen des "Erforderns" als für eine Befreiung sprechenden Umstand gewürdigt.

29

Die Annahme eines Befreiungsgrundes gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB scheitert auch nicht daran, dass die Krypta - wie der Verwaltungsgerichtshof anführt - an der vorgesehenen Stelle "bauplanungsrechtlich unzulässig" sei (UA S. 25). Richtig ist zwar, dass die Krypta weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann und - so ist zu ergänzen - wohl auch bereits die Kirche am betreffenden Standort nicht hätte genehmigt werden dürfen. Dies stellt jedoch kein Hindernis für die Erteilung einer Befreiung dar, sondern eröffnet im Gegenteil erst den Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 BauGB.

30

Schließlich darf bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Befreiungsgrundes nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat. Ob die sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen an eine Begräbnisstätte der Befreiung entgegen stehen, ist keine Frage des Befreiungsgrundes, sondern der weiteren Voraussetzung, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss.

31

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich geprüft. Auch mit den dargelegten grundrechtlichen Erwägungen verfehlt er die nach § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Prüfungsmaßstäbe. Für eine eigene abschließende Beurteilung dieser Frage durch den Senat fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen (a). Nicht abschließend entschieden hat der Verwaltungsgerichtshof, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Auch der Senat ist hierzu nicht in der Lage (b).

32

a) Der Verwaltungsgerichtshof verfehlt die gemäß § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Maßstäbe, soweit er der Religionsausübungsfreiheit der Klägerin den Achtungsanspruch der Toten und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken abstrakt gegenübergestellt und hierbei maßgebend auf die Typik und die Eigenart des Industriegebiets abgestellt hat, anstatt die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

33

Geboten ist eine Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78>), auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben (Roeser, in: Berliner Kommentar, 3. Aufl., Stand: August 2010, Rn. 17 zu § 31; vgl. auch Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <54>). Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77 f.). Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird (Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

34

Diesen bauplanungsrechtlichen Anforderungen werden die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auch der Sache nach nicht in jeder Hinsicht gerecht. Zutreffend ist zwar, dass auch der Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken als öffentliche Belange im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommen, wobei offen bleiben kann, ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG die richtige grundrechtliche Anknüpfung gewählt hat. Mit den abstrakten Erwägungen, dass eine Krypta ein städtebauliches Umfeld der Ruhe und Andacht erfordere, um der Totenruhe und der Würde der Toten Rechnung zu tragen, und dass dieses Umfeld in einem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei, ferner, dass "bei objektiver Betrachtung" das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt werde, lässt sich die Versagung einer Befreiung nicht begründen. Maßgebend ist, ob im konkreten Einzelfall ausnahmsweise auch eine Begräbnisstätte in einem Industriegebiet den sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen genügt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Blick genommen und darauf abgehoben hat, dass sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt befinde, in der auch im Schichtbetrieb gearbeitet werde und teilweise auch Lkw-Verkehr im Grenzbereich stattfinde, was in hohem Maße der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten widerspreche (UA S. 28), fehlen jedenfalls Feststellungen dazu, inwieweit dieser Belang durch die Geschäftigkeit und Betriebsamkeit der industriellen Umgebung konkret beeinträchtigt werden kann, obwohl die Krypta in dem gegenüber der Außenwelt abgeschirmten Kircheninnern gelegen ist. Ähnliches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof "bei objektiver Betrachtung" auch das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt sieht. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beisetzung in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist.

35

Es fehlen auch Feststellungen, inwieweit durch die Zulassung der Abweichung nachbarliche Interessen konkret betroffen werden können, etwa, ob und gegebenenfalls in welcher Intensität gewerbliche Nutzungen in der Umgebung der Kirche durch die Krypta mit Nutzungseinschränkungen rechnen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mögliche Nutzungskonflikte bereits mit der Errichtung und Nutzung der Kirche entstanden sein dürften. Allein auf die Feststellung, dass das Trauern und Gedenken auch außerhalb des Kirchengebäudes "bemerkbar" sein werde (UA S. 21), kann die Ablehnung einer Befreiung nicht gestützt werden, weil dies auch auf die in einer Kirche ohne Krypta abgehaltenen Beerdigungs- und Trauergottesdienste zutrifft.

36

b) Mit der Formulierung, es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsstätte die Grundzüge der Planung berühre, hat der Verwaltungsgerichtshof zwar deutlich gemacht, dass er dieser Auffassung zuneigt. Tragend festgelegt hat er sich insoweit aber nicht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen lässt sich derzeit auch hierzu Abschließendes nicht sagen.

37

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschlüsse vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 2 und vom 19. Mai 2004 - BVerwG 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83). Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band II, Stand: Juni 2010, Rn. 35 zu § 31 BauGB).

38

Zur ersten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Planung - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970, aber auch nach der tatsächlichen Bebauung - auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei (UA S. 25). Weder die Festsetzungen noch die Begründung des Bebauungsplans enthielten Hinweise für die Absicht des Plangebers, das Baugebiet in einer vom Regelfall des § 9 Abs. 1 BauGB abweichenden Weise auszugestalten. Auch die seither verwirklichten Gewerbebetriebe in der näheren und weiteren Umgebung der Kirche ließen eine geradezu "klassische" Industriegebietsnutzung erkennen (UA S. 24), die vorhandenen Betriebe im Bebauungsplangebiet entsprächen der Nutzungsstruktur eines normtypischen Industriegebiets geradezu beispielhaft (UA S. 21). Diese Feststellungen haben zwar Tatsachen (§ 137 Abs. 2 VwGO) sowie die Auslegung des Bebauungsplans als Teil des nicht revisiblen Landesrechts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) zum Gegenstand. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber mehrere für die Grundzüge der Planung bedeutsame Umstände außer Acht gelassen. Soweit er auf den Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970 abstellt, hat er unberücksichtigt gelassen, dass die Plangeberin in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (konfliktträchtige) Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat. Auch wenn diese Festsetzung nicht über das hinausgeht, was gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 BauNVO auch ohne sie gegolten hätte, bedarf es der Prüfung, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde gleichwohl zu einer ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch auf die tatsächliche Bebauung im Industriegebiet abgestellt hat, hätte er nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass nicht nur Gewerbebetriebe verwirklicht wurden, sondern im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 1 auch die Kirche der Klägerin. Das ist ein Umstand, dem eine starke Indizwirkung für eine auch gegenüber konfliktträchtigen Ausnahmenutzungen offene Planungskonzeption zukommen kann.

39

Zu der weiteren Frage, ob die planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt würde, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Feststellungen getroffen. Verlässliche Rückschlüsse lassen auch die in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht zu. Diese Feststellungen wird der Verwaltungsgerichtshof nachzuholen haben, falls es für seine Entscheidung hierauf ankommt. Weil eine planerische Grundkonzeption durch ein Vorhaben nicht mehr berührt werden kann, wenn der mit der Planung verfolgte Interessenausgleich bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet nachhaltig gestört ist (zutreffend VGH München, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B 05.1337 - juris Rn. 41; nachfolgend Beschluss vom 28. April 2008 - BVerwG 4 B 16.08 -), wird er sich hierbei auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Grundzüge der Planung bereits durch die Errichtung und Nutzung der Kirche nachhaltig gestört sind und deshalb durch das Hinzutreten der Krypta nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2

a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,

ob im Rahmen des Einfügungsgebots gemäß § 34 Abs. 1 BauGB auf die Zahl der Vollgeschosse absolut abzustellen ist oder ob die Zahl der Vollgeschosse als Zulassungsmerkmal hinter den Kriterien der Höhe baulicher Anlagen und dessen Erscheinungsweise zurücktritt, insbesondere dann, wenn der Baukörper nicht oder nur geringfügig in Erscheinung tritt.

3

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

4

Sie ist nicht entscheidungserheblich. Die der Frage unterlegte Prämisse, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung, ob das klägerische Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung den Rahmen der Umgebungsbebauung einhält, auf die Zahl der Vollgeschosse abgestellt habe, trifft nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 21) hat angenommen, dass sich das klägerische Vorhaben im Hinblick auf die insbesondere wegen des sehr hohen, steil aufragenden Krüppelwalmdachs massiv wirkende Bebauung auf dem westlichen Nachbargrundstück Fl.Nr. 456/2 zwar hinsichtlich der Geschossfläche und der Gebäudehöhe, nicht aber hinsichtlich der Geschosszahl innerhalb des vorgegebenen Rahmens halte. Dieser Annahme liegen die Feststellungen zugrunde, dass das bisher als dreigeschossiges Gebäude genehmigte Einfamilienhaus der Klägerin mit dem geplanten Turmzimmer viergeschossig würde, während das Nachbargebäude trotz seines massiven Krüppelwalmdachs nur dreigeschossig in Erscheinung trete. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof das Dachgeschoss des Nachbargebäudes (E+1+D, UA Rn. 4 und 5) in die Betrachtung mit einbezogen, also auf die nach außen wahrnehmbare Geschosszahl abgestellt, ohne danach zu differenzieren, ob dieses Dachgeschoss ein Vollgeschoss ist. Der Einschätzung der Klägerin, dass im massiven Dach des Nachbargebäudes gegebenenfalls auch ein viertes (Voll-) Geschoss unterzubringen wäre, ist er mit der Feststellung entgegengetreten, dass das Nachbargebäude nur dreigeschossig in Erscheinung trete. Dass auch das vom Verwaltungsgerichtshof verwendete Kriterium der (nach außen wahrnehmbaren) Geschosszahl ein ungeeignetes Prüfkriterium wäre, macht die Klägerin nicht geltend.

5

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage wäre überdies nicht klärungsbedürftig. In der bisherigen Senatsrechtsprechung (Urteil vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278 f.>) ist geklärt, dass in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen ist, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen, und dass sich deshalb vorrangig die (absolute) Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschossfläche, Geschosszahl und Höhe und bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden Freifläche als Bezugsgröße zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung anbieten. Damit ist eine Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren der Baunutzungsverordnung zwar nicht ausgeschlossen; sie werden allerdings vielfach nur eine untergeordnete bis gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, weil sie in der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind (a.a.O. S. 279). Auch auf die Feinheiten der an landesrechtliche Begriffe wie demjenigen des Vollgeschosses anknüpfenden Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung kommt es grundsätzlich nicht an (a.a.O. S. 280; siehe auch Beschluss vom 21. Juni 1996 - BVerwG 4 B 84.96 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 180 = juris Rn. 5). An diesen Maßstäben hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Begriff der (nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tretenden) Geschosszahl tragend orientiert (UA Rn. 19, 21). Soweit er in Auseinandersetzung mit der Kommentarliteratur (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2012, § 34 Rn. 44) auch die Brauchbarkeit der Zahl der Vollgeschosse als Prüfkriterium erörtert hat (UA Rn. 20), war dies - wie ausgeführt - für die Subsumtion ohne Bedeutung.

6

b) Die weiteren Fragen,

ob städtebauliche Spannungen bei Überschreitung des durch § 34 Abs. 1 BauGB gesetzten Rahmens aufgrund Vorbildwirkung begründet oder erhöht werden, wenn die Zulassung einer in Bezug auf den Hauptbaukörper untergeordneten, nicht oder nicht wesentlichen in Erscheinung tretenden baulichen Anlage in der weiteren, hier vierten Geschossebene erfolgt,

und ferner,

ob insofern das Gericht unterstellen kann, dass die Zulassung einer untergeordneten baulichen Anlage in der vierten Geschossebene Vorbildwirkung für die Errichtung eines weiteren, die gesamte Grundfläche des Hauptbaukörpers umfassenden Geschosses besitzt,

rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Sie wären, soweit entscheidungserheblich, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Ihre Beantwortung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Die Beschwerde möchte grundsätzlich geklärt wissen,

ob im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB beim Tatbestandsmerkmal des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung das Verhältnis des Gebäudes zur umliegenden Freifläche von rechtlicher Bedeutung ist.

3

Die Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Nach dem Senatsurteil vom 23. März 1994 (- BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278 f.>) ist für § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblich eine konkrete, am tatsächlich Vorhandenen ausgerichtete Betrachtung. Gründe einer praktisch handhabbaren Rechtsanwendung sprechen dafür, in erster Linie auf solche Maße abzustellen, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung setzen lassen. Ihre (absolute) Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden Freifläche, prägen das Bild der maßgebenden Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung an. Hieran hält der Senat fest (Beschluss vom 14. März 2013 - BVerwG 4 B 49.12 - BauR 2013, 1245 Rn. 5; ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 17. November 1995 - 5 S 2232/95 - juris Rn. 20; VGH München, Urteil vom 30. Juli 2012 - 1 B 12.906 - juris Rn. 19; OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. März 2008 - 1 LA 31/07 - juris Rn. 13; Hofherr, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand Januar 2014, § 34 Rn. 31; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2013, § 34 Rn. 40; Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 34 Rn. 28). Den Senatsbeschlüssen vom 26. Juli 2006 (- BVerwG 4 B 55.06 - BRS 70 Nr. 89 = juris Rn. 6) und vom 21. Juni 2007 (- BVerwG 4 B 8.07 - BRS 71 Nr. 83 = juris Rn. 5) lässt sich Abweichendes nicht entnehmen, weil dort andere Maßkriterien als das Verhältnis der Gebäude zur umgebenden Freifläche besonders prägend waren, so dass auf sie vorrangig abzustellen war (vgl. Urteil vom 23. März 1994 a.a.O. S. 282).

4

Die Beschwerde hält die von ihr aufgeworfene Frage für nicht geklärt, weil - was zutrifft - die Ausführungen zum Verhältnis von Gebäude und umgebender Freifläche das Senatsurteil vom 23. März 1994 (a.a.O.) nicht tragen. Dies bedarf keiner Vertiefung (eine Klärung in solchen Fällen verneinend: Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl. 2010, Rn. 360; BFH, Beschluss vom 10. Oktober 1973 - I B 51/73 - BFHE 110, 421 <422>). Die aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich jedenfalls auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation in Übereinstimmung mit der Vorinstanz und den Ausführungen des genannten Senatsurteils beantworten (vgl. Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>). Die Einwände der Beschwerde führen auf keinen weiteren Klärungsbedarf. Dass die Grundflächen- und Geschossflächenzahl nur eine untergeordnete oder, je nach den Umständen des Einzelfalls, auch gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, folgt daraus, dass sie in der Örtlichkeit häufig schwer ablesbar sind und erst errechnet werden müssen (Urteil vom 23. März 1994 a.a.O. S. 279). Aus dieser untergeordneten oder im Einzelfall fehlenden Bedeutung von Grundflächen- oder Geschossflächenzahl kann indes nicht gefolgert werden, dass für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch ein Verhältnis zu bestimmende Größen von vornherein keine Rolle spielen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 23. März 1994 auch die Geschossflächenzahl als Größe nicht "verworfen", wie die Beschwerde meint, sondern angenommen, es könne auf sie in bestimmten Situationen ankommen (Urteil vom 23. März 1994 a.a.O. S. 282). Dass das Verhältnis des Gebäudes zu der umgebenden Freifläche eine relative Größe ist, steht ihrer Berücksichtigung bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung danach nicht entgegen. Die weiteren Hinweise der Beschwerde auf Schwierigkeiten der Praxis bleiben ohne Substanz.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.