Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. März 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Nach seinen Angaben stammt der Kläger aus dem Senegal und reiste ohne Personaldokumente am 25. November 2014 in das Bundesgebiet ein. Dort beantragte er am 22. Dezember 2014 Asyl.

Bei seiner Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge M. (im Folgenden: Bundesamt) am 22. Dezember 2014 gab er an, er habe sein Heimatland im Oktober 2012 verlassen, sei auf dem Seeweg nach Italien gereist, wo er sich ca. ein Jahr aufgehalten habe. Es seien ihm weder Fingerabdrücke abgenommen worden noch habe er Asyl beantragt bzw. sei ein Asylantrag in einem anderen Staat abgelehnt worden. Er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, da ihn die anderen Länder nicht so gut unterstützen könnten wie Deutschland.

Eine EURODAC-Recherche ergab für den Kläger am 8./9. Januar 2015 Treffer der Kategorie 1 und 2 in Italien. Danach hatte er am 26. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt. Am 26. Februar 2015 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmeersuchen gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin II-VO an Italien, auf das keine Reaktion erfolgte.

Mit Bescheid vom 19. März 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gem. § 27a AsylVfG a. F. als unzulässig ab und ordnete gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG a. F. seine Abschiebung nach Italien an. Außergewöhnlich humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Asylverfahrens- und Aufnahmebedingungen in Italien wiesen keine systemischen Mängel im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und EuGH auf.

Gegen den am 26. März 2015 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am 2. April 2015 Klage erheben mit dem Antrag,

den Bescheid vom 19. März 2015 aufzuheben,

und gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei demnächst mit einer Zurückschiebung zu rechnen. Auch wenn die derzeitige Aufnahmesituation mit der in Griechenland nicht vergleichbar sei, sei die Möglichkeit, dass abgeschobene Asylsuchende in Italien ohne Obdach oder in überbelegten Unterkünften ohne Privatsphäre leben müssten, nicht als abwegig anzusehen. Der EGMR verpflichte die Staaten zu einer gründlichen und individuellen Prüfung und beziehe sich insoweit auf den Ansatz des Supreme Court des Vereinigten Königreichs vom 19. Februar 2014, wonach Maßstab für ein Überstellungsverbot ein real risk sei. Der Kläger sei zunächst in Sizilien außerhalb von Catania in einem Camp für vier Monate untergebracht gewesen. Dann sei ihm erklärt worden, er müsse nun gehen, ohne dass ihm eine Unterkunft benannt oder angeboten worden sei. Er habe sodann zwei Monate auf der Straße gelebt. Italien habe damit eklatant gegen die Aufnahmerichtlinie verstoßen. Im Übrigen sei das an Italien gerichtete Übernahmeersuchen verspätet gestellt worden, nämlich mehr als zwei Monate nach der Stellung des Asylantrages. Damit sei die Beklagte für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Mit Schreiben vom 8. und 24. April 2015 übersandte das Bundesamt die Behördenakten, stellte jedoch keinen Antrag.

Mit Beschluss des Gerichts vom 30. April 2015 wurde der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2015 übermittelte das Bundesamt ein eigenes Schreiben an die Ausländerbehörde vom 7. Juli 2015 sowie ein Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 18. Juni 2015, wonach dem Kläger in Italien internationaler Schutz und ein Aufenthaltstitel aufgrund subsidiären Schutzes gewährt worden war und wonach er vor den italienischen Behörden verschiedene Angaben zu seiner Person (verschiedene Vornamen und Geburtsdaten) und Herkunft (Senegal und Gambia) gemacht hat. Gegenüber der Ausländerbehörde führte das Bundesamt aus, die Dublin-Verordnung sei nicht mehr anwendbar. Ein Asylbewerber, der bereits in einem anderen Dublin-Staat den Flüchtlingsstatus erhalten habe und diesen weiterhin besitze, könne sich nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG a. F. nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. In der Entscheidung über den Asylantrag sei festzustellen, dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe und die Abschiebung in den Dublin-Staat anzuordnen. In solchen Fällen sei grundsätzlich weder über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes noch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG zu entscheiden. Die Rückübernahme erfolge in der Regel nach dem jeweils zwischen Deutschland und dem Mitgliedstaat geltenden Rückübernahmeabkommen und liege in der Zuständigkeit der Ausländerbehörde.

Die Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 24. Juni 2015 gegenüber den Verwaltungsgerichten generell für erstinstanzliche Streitigkeiten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit Schreiben vom 30. November 2015 verzichtete auch der Klägerbevollmächtigte auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Beschluss vom 14. September 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Mit dem Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die statthafte Anfechtungsklage ist zulässig und begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) als rechtswidrig und verletzt den Kläger damit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die ursprünglich auf § 27a AsylVfG a. F. gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Nummer 1 des Bescheides vom 19. März 2015) findet weder eine Rechtsgrundlage in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, noch lässt sie sich im Wege der Umdeutung auf § 26a AsylG oder eine andere Rechtsgrundlage stützen.

Die Beklagte führt zwar zu Recht an, dass nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG ein Ausländer, der in einem anderen EU-Staat bereits als Flüchtling anerkannt worden ist, in Deutschland nicht erneut Flüchtlingsschutz oder den Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland beanspruchen kann (BVerwG, U. v. 25. August 2014 - 10 C 7/13 - juris Rn. 6). Er genießt gem. § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ohne neuerliches Anerkennungsverfahren Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat. Dem Kläger ist allerdings nach dem Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 18. Juni 2015 nur subsidiärer Schutz („subsidiary protection“) zuerkannt worden und nicht die Flüchtlingseigenschaft („refugee status“), welche der von ihm gestellte Asylantrag mitumfasst (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Mit seinem Asylfolgeantrag im Bundesgebiet begehrt er somit eine Aufstockung seines Schutzes.

Asylanträge, die wie der des Klägers vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden sind, dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht allein aufgrund von § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG als unzulässig abgelehnt werden, weil Art. 33 Abs. 2 lit. a) der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 nach der Übergangsvorschrift des Art. 52 Abs. 1 RL 2013/32/EU auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht anzuwenden ist (BVerwG, a. a. O., Rn. 11 u. B. v. 23. Oktober 2015 - 1 B 41/15 - juris). Für sie gilt die Vorgängerrichtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005, nach deren Art. 25 Abs. 2 lit. a) die Mitgliedstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat nur dann als unzulässig betrachten können, wenn der andere Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (BVerwG, a. a. O.). Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall. Da es sich bei der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 1 lit. a) RL 2013/32/EU eingeräumten - und gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten - Option um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt, ermöglicht auch die Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 RL 2013/32/EU keine vorzeitige Anwendung der Änderung auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge (BVerwG, a. a. O., Rn. 12).

Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig lässt sich auch nicht auf § 31 Abs. 4 Satz 1, § 26a AsylG stützen. Es kann offen bleiben, ob - was zweifelhaft erscheint (vgl. VG Berlin, U. v. 22. Februar 2016 - 23 K 183.15 A - juris Rn. 22 m. w. N.) - eine auf § 27a AsylG gestützte Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig überhaupt nach § 47 VwVfG in eine Feststellung gem. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG umgedeutet werden kann. Jedenfalls ist § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG vorliegend wegen § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG nicht anwendbar. Nach dieser Ausnahmeregelung gilt die Drittstaatenregelung nicht, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist der Fall, weil die ursprüngliche Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des über die Zuerkennung subsidiären Schutzes hinausgehenden Asylbegehrens nach Art. 10 Dublin II-VO mittlerweile gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO entfallen und auf die Beklagte übergegangen ist.

Obwohl der Kläger in Italien subsidiär schutzberechtigt ist, gelten für ihn entgegen der Auffassung der Beklagten noch die Dublin-Regelungen hinsichtlich der Zuständigkeitsbestimmung und zwar die Dublin II-VO (Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist; ABl EU Nr. L 50 S. 1) (vgl. VGH BW, U. v. 29. April 2015 - A 11 S 57/15 - juris Rn. 36 f. m. zahlreichen w. N.). Denn der Kläger hatte noch unter der Geltung der Dublin II-VO, nämlich am 26. Juni 2013, seinen ersten Asylantrag in der Europäischen Union (Italien) gestellt. Die Dublin II-VO wurde zwar gem. Art. 48 Abs. 1 Dublin III-VO (Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist; ABl L 180/31) zwischenzeitlich aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2014 gestellte Anträge auf internationalen Schutz - gemeint ist damit der erste Antrag eines Fremden auf internationalen Schutz im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten (Filzwieser/Sprung, Komm. z. Dublin III-Verordnung, Stand: 1. Februar 2014, Art. 49 K3; vgl. auch VGH BW, U. v. 29. April 2015 - A 11 S 57/15 - juris Rn. 34) -, bleibt sie jedoch gem. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO weiterhin anwendbar. Da subsidiär Schutzberechtigte, die nach Statusgewährung aus dem Aufnahmemitgliedstaat anschließend weiterreisen, nach der Dublin II-VO - anders als nach der Dublin III-VO - weiterhin als Asylsuchende gelten, weil ihr auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteter Asylantrag im Sinne von Art. 2 lit. c) Satz 1 Dublin II-VO ohne Erfolg geblieben ist, bleibt die Dublin II-VO auf sie anwendbar (vgl. Marx, InfAuslR 2014, 227 f.; VGH BW, U. v. 29. April 2015 - A 11 S 57/15 - juris Rn. 36 f.). Nach Art. 16 Abs. 1 lit. e) und Abs. 2 Dublin II-VO ist der zuständige Mitgliedstaat als auch der Staat, der einen Aufenthaltstitel erteilt hat - hier in beiden Fällen Italien -, gehalten, einen abgelehnten Asylsuchenden, der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Auch wenn der Kläger bei seiner Einreise ins Bundesgebiet im Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels für subsidiär Schutzberechtigte war und sich damit (sowie einem hier wohl fehlenden gültigen Reisedokument) bis zu drei Monate gem. Art. 21 Abs. 1 des Schengener Durchführungsabkommens (SDÜ) frei im Bundesgebiet bewegen konnte, entfällt deshalb nicht der unerlaubte Aufenthalt im Sinne von Art. 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO (VGH BW, a. a. O., Rn. 38 f.). Denn von einem erlaubten Aufenthalt ist erst auszugehen, wenn der betreffende Aufenthaltsstaat einen Aufenthaltstitel im Sinne von Art. 2 lit. j) Dublin II-VO ausgestellt und damit den Aufenthalt des Asylsuchenden selbst legitimiert hat (VGH BW, a. a. O.). Wegen des gültigen italienischen Aufenthaltstitels war die Wiederaufnahmeverpflichtung zunächst auch nicht gem. Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO erloschen.

Nachdem mittlerweile die sechsmonatige Überstellungsfrist (Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin-II-VO) abgelaufen ist, ist allerdings die ursprüngliche Zuständigkeit Italiens nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO auf die Beklagte übergegangen. Die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin II-VO ist spätestens sechs Monate nach Zustellung des unanfechtbaren Ablehnungsbeschlusses gem. § 80 Abs. 5 VwGO am 7. Mai 2015, also am 7. Dezember 2015 abgelaufen (vgl. BVerwG, B. v. 27. April 2016 - 1 C 22/15 - juris Rn. 21 u. U. v. 9. August 2016 - 1 C 6/16 - juris Rn. 14 ff.). Seit diesem Zeitpunkt war der Asylantrag nicht mehr nach § 27a AsylG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig.

Folglich kommt nach den einschlägigen europarechtlichen Regularien eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylG ebenfalls nicht mehr in Betracht. Dass Italien sich entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf berufen wird und ausnahmsweise dennoch zur Übernahme des Klägers bereit ist, ist nicht ersichtlich. Hiervon kann grundsätzlich auch nicht ausgegangen werden (BayVGH, B. v. 11. Februar 2015 - 13a ZB 15. 50005 - juris Rn. 4).

Jedenfalls dann kann sich der Kläger auf den Ablauf der Überstellungsfrist ungeachtet dessen berufen (vgl. BVerwG, U. v. 27. April 2016 - 1 C 24/15 - juris Rn. 20; BayVGH, B. v. 3. August 2015 - 11 ZB 15.50085 - juris Rn. 14 u. B. v. 29. April 2015 - 11 ZB 15.50033 - juris Rn. 16; VGH BW, U. v. 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 30, 37; OVG BB, U. v. 21. April 2016 - 3 B 16.15 - juris Rn. 34), dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach den Dublin-Verordnungen für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (vgl. BVerwG, B. v. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 - juris Ls; VGH BW, a. a. O., Rn. 28).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ferner geklärt, dass die angefochtene Entscheidung gem. § 27a AsylVfG auch nicht auf der Grundlage von § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden kann. Weder kann sie als negative Entscheidung über einen Zweitantrag angesehen noch in eine solche umgedeutet werden (vgl. BayVGH, a. a. O.; VGH BW, a. a. O., Rn. 35 ff.; OVG Hamburg, B. v. 2. Februar 2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris Rn. 12 ff.). Die Zuständigkeitsprüfung nach den Dublin II- und III-Verordnungen ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden (BayVGH, B. v. 11. Februar 2015 - 13a ZB 15. 50005 - juris Rn. 9). Der Ausspruch, dass der Asylantrag mangels Zuständigkeit unzulässig ist, enthält nicht zugleich eine materiell-rechtliche Aussage dahingehend, dass ein weiteres Asylverfahren im Sinn von § 71a AsylG nicht durchzuführen ist (BayVGH, B. v. 15. April 2014 - 13a ZB 15.50066 - juris Rn. 5). Während die Entscheidung der Beklagten auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet war sowie darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylG herbeizuführen, wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d. h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat) (VGH BW, U. v. 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 41). Daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre und im Übrigen ungünstigere Rechtsfolgen für den Kläger zeitigen würde, würde auch eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG scheitern (vgl. VGH BW, a. a. O.; BayVGH, B. v. 13. April 2015 - 11 ZB 14.50055 - juris Rn. 15).

Nach allem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 14. Sept. 2016 - M 7 K 15.50368 zitiert 20 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 31 Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71a Zweitantrag


(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 47 Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes


(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können un

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen: 1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vo

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 13 Asylantrag


(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer s

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2.
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3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Asylbewerber aus Somalia. Er wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

2

Der Kläger stellte Mitte August 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 9. September 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger und am 1. Januar 1981 in Mogadischu geboren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab, die sich später als nicht verwertbar erwiesen. Der damit betraute Mitarbeiter stellte bereits bei der Abnahme fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Veränderungen aufwiesen, die voraussichtlich zur Unverwertbarkeit der abgenommenen Fingerabdrücke führen würden. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

3

Mit Schreiben vom 9. September 2010 wies das Bundesamt den Kläger darauf hin, dass die Beschädigung der Fingerkuppen den Verdacht begründe, dass der Kläger nicht bereit sei, an der Überprüfung seiner Identität mitzuwirken. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in die Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren. Zu seinem Reiseweg und zur Frage weiterer Asylanträge machte er innerhalb der Monatsfrist keine Angaben.

4

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nummer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nummer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nummer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), weiter hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) hinsichtlich Somalia, sowie die Aufhebung der gegen ihn verfügten Abschiebungsandrohung. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.

6

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Den vom Bundesamt hierzu für den 15. November 2011 anberaumten Termin nahm der Kläger - nach eigenem Vorbringen wegen Verspätung - nicht wahr, bat das Bundesamt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2011 aber um einen neuen Termin. Ein solcher wurde jedoch nicht anberaumt.

7

Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid vom 22. Oktober 2010 auf. Während des Berufungsverfahrens erfuhr das Bundesamt, dass der Kläger im Rahmen einer polizeilichen Fahndungsmaßnahme im Oktober 2012 aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab, dass sich der Kläger schon im Oktober 2009 unter einer anderen Identität in Deutschland aufgehalten hatte und ihm im Rahmen eines Rückübernahmeersuchens Fingerabdrücke abgenommen worden waren. Zugleich führte ein Abgleich mit der Eurodac-Datenbank zu einem Treffer. Danach hatte der Kläger bereits am 18. April 2009 in Italien und am 23. Oktober 2009 sowie am 22. Februar 2010 in Schweden Asyl beantragt. Das italienische Innenministerium hatte den schwedischen Behörden in einem Schreiben vom 14. Dezember 2010 mitgeteilt, dass dem Kläger in Italien bereits die Flüchtlingseigenschaft ("refugee status") zuerkannt worden und das Dublin-Verfahren abgeschlossen sei.

8

Darauf erklärte der Vertreter des Bundesamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen") auf. Weiter hebe er die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat in Satz 2 von Nummer 3 des Bescheides auf. Stattdessen werde dem Kläger die Abschiebung nach Italien angedroht. Daraufhin kündigte der Klägervertreter hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien die Erhebung einer Klage an, sobald ein entsprechender Bescheid des Bundesamtes zugestellt worden sei. Gleichzeitig erklärte er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit das Bundesamt den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben habe. Der Beklagtenvertreter stimmte der Hauptsacheerledigungserklärung insoweit zu, als Satz 1 von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben worden sei.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland (Nummer 3 des Bescheids vom 22. Oktober 2010) festgestellt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Die Einstellung des Verfahrens in Nummer 1 des Bescheids sei rechtswidrig. Denn diese Rechtsfolge sehe § 32 Satz 1 AsylVfG nur für den Fall der Asylantragsrücknahme oder des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG vor. Als geeignete Reaktion auf die Anerkennung als Flüchtling in einem anderen EU-Mitgliedstaat käme etwa die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie 2005) in Betracht. Eine Umdeutung der Verfahrenseinstellung in eine andere Form der Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung nach § 47 VwVfG sei nicht möglich.

10

Die in Nummer 2 des Bescheids getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorlägen, habe nicht aufrechterhalten werden können, da seit Oktober 2012 bekannt sei, dass dem Kläger in Italien Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Soweit das Bundesamt in Nummer 3 seiner Verfügung die Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers aufgehoben und durch die Androhung der Abschiebung nach Italien ersetzt hat, habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Dem Feststellungsbegehren des Klägers sei zu entsprechen, weil das Bundesamt seinen Bescheid in Nummer 3 durch die Androhung der Abschiebung nach Italien verändert, der Kläger aber diesen neuen Verwaltungsakt nicht im Wege einer objektiven Klageänderung in das Verfahren einbezogen habe. Vielmehr habe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt, Klage zu erheben, wenn hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien ein entsprechender Bescheid der Beklagten zugestellt worden sei.

11

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Diese begründet sie im Wesentlichen wie folgt: Der Verwaltungsgerichtshof hätte zunächst prüfen müssen, ob das Verfahren schon vor den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt gewesen sei, weil der Kläger einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung nicht nachgekommen war. In diesem Fall hätte er die Klage abweisen müssen. Das Bundesamt sei sehr wohl befugt, ein Asylverfahren auch dann ohne Sachentscheidung einzustellen, wenn sich - wie hier - herausstelle, dass der Asylbewerber bereits im Ausland als Flüchtling anerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 AufenthG (n.F.) sehe ausdrücklich vor, dass das Bundesamt bei einer ausländischen Anerkennung kein (weiteres) Asylverfahren mehr durchzuführen habe. Das entspreche Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU, wonach die Mitgliedstaaten einen Asylantrag in derartigen Fällen als unzulässig behandeln könnten. Der deutsche Gesetzgeber habe für diese Konstellation zwar keine konkrete Regelung getroffen, die vorhandene Regelungslücke sei aber durch die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung in Anlehnung an § 32 AsylVfG zu schließen. Dann könne Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auch entsprechend umgedeutet werden. Eine Erledigung sei zu Nummer 3 des angefochtenen Bescheids durch die Änderung des Zielstaats der Abschiebung nicht eingetreten. Der Hinweis auf den Herkunftsstaat habe keinen Regelungscharakter, so dass der Kläger hierdurch auch nicht beschwert sei. Selbst bei Bejahung von Abschiebungsverboten bleibe die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt.

12

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Mai 2014 hat die Beklagte durch ergänzenden Bescheid vom 15. Mai 2014 Italien als Zielstaat der angedrohten Abschiebung bestimmt (Nummer 1) und angeordnet, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf (Nummer 2). Der Kläger hat gegen den ergänzenden Bescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Soweit sich die Klage gegen den fehlenden Ausschluss von Somalia als Zielstaat einer Abschiebung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Oktober 2010 gerichtet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

14

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids vom 22. Oktober 2010 bestätigt hat. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Hingegen hat die Revision überwiegend keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung zur Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheids richtet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht eine Erledigung der Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbestimmung angenommen. Diese ist vielmehr aufrechtzuerhalten. Allerdings hat er mit Recht entschieden, dass die nachträgliche Bestimmung von Italien als Zielstaat der Abschiebung nicht in das vorliegende Verfahren einbezogen wurde. Soweit die Parteien den Rechtsstreit über die Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt haben, beruht dies auf der rechtlich gebotenen nachträglichen Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Insoweit hat die Beklagte dem Anfechtungsbegehren des Klägers entsprochen und war das Verfahren einzustellen.

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

16

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt, weil die Voraussetzungen für ein Nichtbetreiben des Verfahrens vorliegen. Der Kläger hat innerhalb der ihm gesetzten Betreibensfrist nicht die von ihm geforderten schriftlichen Angaben zu seinem Reiseweg und zur Frage einer Asylantragstellung im Ausland gemacht.

17

Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG (a.F.) auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, hingegen noch nicht das Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.), als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG (a.F.) vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG (a.F.) ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG (a.F.) eine Woche. Für die Beurteilung des Regelungsinhalts des vorliegenden Bescheids ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen, da eine nachträgliche Erweiterung seiner Einstellungswirkung auch auf die Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes eine echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung des § 33 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bedeuten würde, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 12).

18

1.1 Das Berufungsgericht durfte von der Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG nicht wegen der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen absehen. Zwar hat dieser erklärt, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auf ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen"). Die erklärte Aufhebung ging jedoch ins Leere. Denn der Ausspruch der Rücknahmefiktion des Asylantrags durch das Bundesamt hat nach der gesetzlichen Ausgestaltung in § 33 und § 32 AsylVfG keinen eigenen Regelungsgehalt. Die Wirksamkeit der Rücknahme bedarf keiner Feststellung durch das Bundesamt; sie ist lediglich Vorfrage für den gemäß § 32 Satz 1 AsylVfG zu treffenden feststellenden Ausspruch, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Diesen hat das Bundesamt aufrechterhalten. Im Übrigen konnte das Bundesamt eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Einstellungswirkung nicht nachträglich aufheben.

19

1.2 Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG war gerechtfertigt. Sie setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben. Zu diesen gehört die Pflicht des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 - BVerwG 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 19). Nach den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen bestanden hier solche berechtigten Zweifel, weil bereits bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung Gründe für die voraussichtliche Nichtverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert worden waren, ohne dass der Kläger dazu substantiiert Stellung genommen hatte.

20

1.3 Allerdings führte die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, soweit vom Kläger die Mitwirkung an der Abgabe seiner Fingerabdrücke verlangt wurde. Denn Nummer 1 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 verlangte von ihm die Abgabe "auswertbarer Fingerabdrücke" und entsprach damit nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 24 und 35). Die Aufforderung vom 26. Oktober 2011 entsprach dann zwar den gesetzlichen Vorgaben, weil sie vom Kläger lediglich verlangte, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 39). Der Kläger kam dieser zweiten Betreibensaufforderung auch nicht nach, denn er erschien zu dem vom Bundesamt anberaumten Termin zur erneuten Fingerabdrucknahme am 15. November 2011 nicht. Ein mangelndes Betreiben des Verfahrens liegt trotz dieser Säumnis aber deshalb nicht vor, weil der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. November 2011 um einen neuen Termin zur erkennungsdienstlichen Behandlung gebeten hatte. Die versäumte Mitwirkungshandlung hätte damit noch innerhalb der gesetzten Betreibensfrist nachgeholt werden können. Eine Gelegenheit hierzu hat das Bundesamt dem Kläger aber nicht mehr eingeräumt.

21

1.4 Die Einstellungswirkung des § 32 Satz 1 AsylVfG ist jedoch dadurch eingetreten, dass der Kläger der selbständigen Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung nicht fristgerecht nachgekommen ist (Nummer 2 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010).

22

Der Kläger war nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verpflichtet, die vom Bundesamt angeforderten Angaben zu machen. Zu den Angaben, die von einem Asylbewerber verlangt werden können, zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 33). Die Aufforderung vom 9. September 2010, das Verfahren durch entsprechende schriftliche Angaben zu betreiben, entspricht hier auch den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 AsylVfG.

23

Der Kläger hat die geforderten schriftlichen Angaben nicht innerhalb der Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG gemacht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Klägers dies mit Schreiben vom 2. November 2010 - nach Ablauf der Monatsfrist - nachzuholen versucht. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung ergeben sich aus dem Schreiben jedoch nicht (zur Anwendung des § 32 VwVfG auf die Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Danach soll die Versäumung der Frist auf einem beim Kläger hervorgerufenen Irrtum beruhen. Dieser habe geglaubt, seiner Verpflichtung aus der Betreibensaufforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er am 7. Oktober 2010 bei der Außenstelle des Bundesamtes erschienen sei und sich dort erneut habe Fingerabdrücke abnehmen lassen. Er sei davon ausgegangen, dass er nunmehr zeitnah vom Bundesamt zu seinen Asylgründen, zu seinem Reiseweg und zur Asylantragstellung in anderen Ländern befragt werde. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine unverschuldete Fristversäumnis. Denn die Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 bezieht sich auf zwei voneinander unabhängige Handlungen: (1) die Abnahme von Fingerabdrücken und (2) die schriftliche Darlegung zum Reiseweg sowie einer möglichen Asylantragstellung. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, durch eine Mitwirkung an der Abnahme von Fingerabdrücken zugleich seiner Pflicht nachgekommen zu sein, die geforderten schriftlichen Angaben zu machen. Dass auch für die in der Betreibensaufforderung genannten schriftlichen Angaben die Monatsfrist gilt, ergibt sich aus der Belehrung über die Rechtsfolgen eines Nichtbetreibens, in der sich die Monatsfrist erkennbar auf beide Mitwirkungshandlungen bezieht. Einer zusätzlichen Erwähnung der Monatsfrist in der Aufforderung zu schriftlichen Darlegungen - wie sie bei der Aufforderung zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken erfolgt ist - bedurfte es angesichts der Eindeutigkeit der auf beide Mitwirkungshandlungen bezogenen Aussage zu den Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der gesetzten Frist nicht. Der Kläger konnte dies auch verstehen, da ihm der Bescheid am 9. September 2010 nicht nur in deutsch, sondern auch in einer in die Sprache Somali übersetzten Fassung überreicht wurde.

24

1.5 Ist das Asylverfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG eingestellt, bedarf es keiner Entscheidung über die vom Verwaltungsgerichtshof als erheblich angesehene Frage, ob die Einstellung in eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG oder in eine Entscheidung über seine Unbeachtlichkeit nach § 29 AsylVfG umgedeutet werden kann.

25

1.6 Die Beklagte war für die erfolgte Einstellung des Verfahrens auch international zuständig. Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union besteht nicht.

26

Es kann offenbleiben, ob auf den Asylantrag eines Ausländers, der - wie hier - in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als Flüchtling anerkannt ist, die Zuständigkeitsregelungen der Union nach den Verordnungen über das sogenannte Dublin-Verfahren anwendbar sind und das auch für Entscheidungen über die Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG gilt. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass auf Ausländer, die in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt sind, die Regelungen zum Dublin-Verfahren nicht anwendbar sind. Doch selbst wenn diese Regelungen anwendbar sein sollten, wäre Deutschland der für die Entscheidung zuständige Mitgliedstaat geworden, ohne dass sich insoweit eine zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtende Zweifelsfrage stellt.

27

Nach der in Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) getroffenen Übergangsregelung ist die Dublin III-VO zwar erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Hier war der Antrag bereits im August 2010 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden, so dass auf ihn grundsätzlich noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 50 S. 1 - Dublin II-VO) anwendbar wäre. Allerdings findet die Dublin III-VO darüber hinaus auf die Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - Anwendung. Im vorliegenden Fall käme eine Zuständigkeit Italiens anstelle Deutschlands in Betracht, weil der Kläger dort bereits im April 2009 einen Asylantrag gestellt hat und ihm dort die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. Art. 13 Dublin II-VO und Dublin III-VO). Eine Überstellung des Klägers nach Italien zur Prüfung des danach in Deutschland gestellten weiteren Antrags wäre nur im Wege der Wiederaufnahme (Art. 20 Dublin II-VO, Art. 23 ff. Dublin III-VO) möglich. Für Gesuche auf Wiederaufnahme - sofern sie nicht bereits vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden - ist jedenfalls für das zu beachtende Verfahren die Dublin III-VO maßgeblich. Danach sind derartige Gesuche nunmehr gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO innerhalb einer Frist von zwei bzw. drei Monaten zu stellen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 31). Diese Frist ist im vorliegenden Fall verstrichen, ohne dass das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet hat. Damit ist Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung des hier gestellten (neuen) Asylantrags zuständig, wenn man von der Anwendbarkeit der Dublin-Regelungen auf den vorliegenden Asylantrag ausgeht.

28

2. Der Kläger kann mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) nicht durchdringen. Dieser Anspruch wird zwar nicht schon von der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) erfasst (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). Seine Geltendmachung ist jedoch nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl I S. 3474) unzulässig, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist.

29

Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).

30

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16). Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

31

Für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach der vor dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm diese Aufhebung keinerlei Vorteile bringen kann, nachdem sein Begehren auf Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach dem nunmehr geltenden Recht unzulässig ist.

32

3. Auch der vom Kläger weiter hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias ist unzulässig. Denn ihm steht kraft Gesetzes nationaler Abschiebungsschutz in Bezug auf Somalia bereits aufgrund seiner ausländischen Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu (siehe oben Rn. 29). Für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach weiteren Rechtsgrundlagen fehlt dem Kläger hier das Rechtsschutzbedürfnis.

33

Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis auch für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids, da er aufgrund der in Italien ausgesprochenen Anerkennung als Flüchtling bereits - wie oben ausgeführt - den begehrten Abschiebungsschutz in Deutschland genießt.

34

4. Der Streit über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des angefochtenen Bescheids hat sich durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Erklärungen nicht erledigt. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA Rn. 29) verletzt Bundesrecht.

35

Zwar hat der Kläger die Ersetzung der Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat durch eine solche nach Italien, wie sie von dem Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 14. Januar 2013 erfolgt ist, nicht im Wege der Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO in das vorliegende Verfahren einbezogen. Das unterliegt im Verwaltungsprozess aufgrund der Dispositionsmaxime - anders als nach § 68 FGO und § 86 SGG - allein seiner Entscheidung. Eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG scheitert daran, dass es sich beim Austausch des Zielstaats um eine weitgehende inhaltliche Änderung der Abschiebungsandrohung handelt. Das gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Anfechtungsbegehren des Klägers hat sich aber durch die fehlende Einbeziehung der neuen Zielstaatsbestimmung in das Verfahren nicht erledigt. Denn der Klägerbevollmächtigte hat den Rechtsstreit in der Hauptsache nur insoweit für erledigt erklärt, als die Beklagte den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben hat. Bei der Abschiebungsandrohung hat die Beklagte aber nur die Zielstaatsbezeichnung "in seinen Herkunftsstaat" aufgehoben, nicht die Abschiebungsandrohung als solche. Die Abschiebungsandrohung besitzt auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 a.a.O. Rn. 25). Die Erledigungserklärung geht insoweit ins Leere, denn die nicht konkretisierte Zielstaatsbestimmung "in seinen Herkunftsstaat" stellte - ebenso wie ihre Aufhebung - mangels Regelungswirkung keinen anfechtungsfähigen Verwaltungsakt dar.

36

Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung erfüllt in ihrer durch Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 erlangten Fassung die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylVfG. Allerdings war sie in ihrer ursprünglichen Fassung insoweit rechtswidrig, als sie entgegen § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht Somalia als den Staat bezeichnet hat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Hierzu war die Beklagte aufgrund der Bindungswirkung der italienischen Flüchtlingsanerkennung, die aufgrund der somalischen Staatsangehörigkeit des Klägers erfolgte, verpflichtet. Diesen rechtlichen Mangel hat die Beklagte durch nachträgliche Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf, in Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 ausgeräumt. In der Bestimmung des Staates, in den nicht abgeschoben werden darf, liegt nach dem Gedanken der § 59 Abs. 3, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG eine verselbständigungsfähige Teilregelung. Die Parteien haben der veränderten Sachlage durch übereinstimmende Erledigungserklärungen Rechnung getragen. Damit ist der Rechtsstreit in Bezug auf diese Teilregelung der Abschiebungsandrohung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Die vorangegangenen Entscheidungen hierzu werden entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos erklärt. Im Übrigen war die Klage gegen die Abschiebungsandrohung abzuweisen.

37

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit streitig entschieden wurde, aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des Unterliegens des Klägers bei der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG sowie bei dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz erschien dem Senat - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu tragenden Kosten des eingestellten Verfahrensteils - eine Kostenverteilung sachgerecht, wonach der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. Er ist über die Folgen einer Beschränkung des Antrags zu belehren. § 24 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19). Der nachfolgende Asylantrag ist unverzüglich zu stellen.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:

1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.

Gründe

I

1

Der Kläger, nach eigenem Vortrag ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im August 2013 zusammen mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern nach Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zuvor war der Familie bereits in Ungarn subsidiärer Schutz gewährt worden. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2013 entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass der Asylantrag des Klägers nach § 27a AsylVfG unzulässig ist (Ziffer 1) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2).

2

Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben. Mit "Ergänzungsbescheid" vom 28. April 2015 hat das Bundesamt Ziffer 2 des Bescheids vom 13. Dezember 2013 in eine Abschiebungsandrohung nach Ungarn geändert. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Anschlussberufung des Klägers mit Urteil vom 29. April 2015 festgestellt, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids erledigt hat, und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Begründet hat er dies damit, dass die ursprüngliche Verantwortlichkeit Ungarns zur Prüfung des Asylantrags des Klägers nicht mehr fortbestehe, nachdem das Bundesamt bezüglich der weiteren Familienangehörigen von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht habe. Die Entscheidung des Bundesamts würde sich auch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage als im Ergebnis zutreffend darstellen, insbesondere sei die Beklagte nicht wegen der subsidiären Schutzgewährung in Ungarn an einer erneuten Sachentscheidung gehindert. Der Antrag sei als Folgeschutzgesuch zu werten, das die Beklagte nach § 71a AsylVfG prüfen müsse. Hinsichtlich der Abschiebungsanordnung habe sich der Rechtsstreit mit dem "Ergänzungsbescheid" der Beklagten erledigt. Dieser enthalte nicht nur eine inhaltliche Modifikation, sondern stelle einen neuen Verwaltungsakt dar, der den früheren jedenfalls konkludent ersetze.

3

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der diese die Zulassung der Revision erstrebt.

II

4

Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 (BVerwGE 150, 29) liegt nicht vor. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz einen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widerspricht.

6

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Asylantrag des Klägers nicht schon deshalb unzulässig ist, weil ihm in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Dies steht nicht in Widerspruch zu der von der Beschwerde herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieser lag eine andere Fallkonstellation zugrunde, da der Kläger im dortigen Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat als Flüchtling anerkannt worden war. Eine solche ausländische Flüchtlingsanerkennung hat zur Folge, dass der Betroffene nach § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG kraft nationalen Rechts nicht in den Herkunftsstaat abgeschoben werden darf; einen Anspruch auf eine (neuerliche) Statusanerkennung durch das Bundesamt hat er nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber nicht. Dies gilt über § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch in Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes. Vorliegend geht es hingegen um die Konsequenzen, die sich aus der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei gleichzeitiger Gewährung subsidiären Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat für einen erneuten Asylantrag im Bundesgebiet ergeben. Hierzu sind der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keine tragenden Rechtssätze zu entnehmen, von denen das Berufungsgericht abgewichen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung insbesondere nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass jede Form einer im Ausland bereits erfolgten Zuerkennung internationalen Schutzes den Ausschluss einer nochmaligen materiellen Prüfung im Bundesgebiet zur Folge hat. Die Entscheidung verhält sich insbesondere nicht zu der hier entscheidungserheblichen Frage, ob die Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat auch einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegensteht.

7

2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

8

a) Die Beschwerde hält zunächst - für den Fall, dass es an einer höchstrichterlichen Klärung fehlt - für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob infolge der Regelung in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG) jede Form einer im Ausland bereits erfolgten Zuerkennung internationalen Schutzes für das Bundesgebiet zur Folge hat, dass ein Anspruch auf ein nochmaliges materielles Prüfverfahren zu internationalem Schutz insgesamt ausgeschlossen ist."

9

Dazu führt sie ergänzend aus, dass die vom Berufungsgericht hierzu vertretenen Rechtsgrundsätze in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten seien und sich weder unmittelbar noch mit Hilfe anerkannter Auslegungsgrundsätze aus dem Gesetz ergäben. Mit diesem und dem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde keine entscheidungserhebliche klärungsbedürftige Frage auf, die eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigt.

10

Soweit die Beschwerde auf die ihrer Auffassung nach divergierende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs München in seinen Beschlüssen vom 16. Juni 2015 - 20 B 15.50058 - (juris) und vom 18. Juni 2015 - 20 B 15.300117 - (juris) verweist, betrafen beide Verfahren die (nochmalige) Zuerkennung subsidiären Schutzes für eine in einem anderen Mitgliedstaat bereits als schutzberechtigt anerkannte Person, während der Kläger mit seinem Asylantrag vorliegend (auch) die - von den ungarischen Behörden abgelehnte - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und damit eine Aufstockung seines Schutzes begehrt.

11

Soweit die Beschwerde im Übrigen hinsichtlich des Umfangs der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens darauf hinweist, dass die Ablehnung der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 33 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) - Asylverfahrensrichtlinie n.F. - entspreche, wonach die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Dublin-Bestimmungen einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat, übersieht sie die Übergangsregelung in Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU. Danach wenden die Mitgliedstaaten die in Umsetzung dieser Richtlinie nach Art. 51 Abs. 1 erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf förmlich gestellte Anträge auf internationalem Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an; für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften "nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG" (Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Zu den dieser Übergangsregelung unterfallenden Bestimmungen zählt auch die Ermächtigung in Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU, die regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Dublin-Verordnungen ein Antrag nicht geprüft wird, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzulässigkeit nicht prüfen müssen. Folglich darf ein - wie hier - vor dem Stichtag (20. Juli 2015) gestellter Asylantrag nur nach Maßgabe der Regelung in Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig betrachtet werden. Nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat aber nur als unzulässig betrachten, wenn der andere Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Daran fehlt es hier.

12

Da es sich bei der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten - und gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten - Option um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt, ermöglicht auch die Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU keine vorzeitige Anwendung der Änderung auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge. Damit steht im vorliegenden Verfahren Unionsrecht der von der Beklagten angenommenen Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG entgegen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

13

b) Des Weiteren hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob sich die Abschiebungsanordnung als spezielle Ausformung der Abschiebungsandrohung darstellt bzw. jedenfalls insoweit teilidentisch ist, als unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Charakters als Ausreiseverfügung bei gleichbleibendem Zielstaatsbezug eine Abänderung in eine Abschiebungsandrohung möglich ist oder es sich dabei um völlig unterschiedliche Regelungen handelt, die nicht einmal teilidentisch sind, so dass die erfolgte Abänderung zur vollständigen Erledigung der verfügten Abschiebungsanordnung führt."

14

In diesem Zusammenhang verweist sie darauf, dass beide Maßnahmen der Umsetzung einer festgestellten Ausreiseverpflichtung dienten, der Prüfungsinhalt jedenfalls insoweit identisch sei, als es um die zielstaatsbezogene Gefährdungslage gehe und nach dem das Asylverfahren in besonderer Weise prägenden Grundsatz der Verfahrenskonzentration und -beschleunigung es zielführender wäre, abschichtbare Regelungsbereiche - wie etwa die Frage einer zielstaatsbezogenen Gefährdungslage - umfassend bereits in einem anhängigen Streitverfahren einer Überprüfung zu unterziehen, anstatt sie mit neu ausgelösten Rechtsmittelfristen einer Überprüfung in einem eigenständigen und späteren Gerichtsverfahren zu überantworten.

15

Auch dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, da die aufgeworfene Rechtsfrage ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand des Gesetzes beantwortet werden kann. Das Bundesamt hat die auf § 34a AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung durch den "Ergänzungsbescheid" inhaltlich nicht lediglich modifiziert, sondern durch eine andere Regelung, nämlich eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG ersetzt. Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung stellen unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dar, die nicht teilidentisch sind. Insbesondere stellt sich eine Abschiebungsanordnung nicht als spezielle Ausformung einer Abschiebungsandrohung dar und ist eine Abschiebungsandrohung nicht als Minus in jeder Abschiebungsanordnung mitenthalten. Auch der Umstand, dass beide Maßnahmen auf das gleiche Ziel gerichtet sind, nämlich auf eine Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet, und teilweise identische Prüfungsinhalte bestehen, begründet keine Teilidentität in dem Sinne, dass die Ersetzung einer (rechtswidrigen) Abschiebungsanordnung durch eine Abschiebungsandrohung nicht zur (vollständigen) Erledigung der Abschiebungsanordnung führt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Abschiebungsandrohung einer Fristsetzung bedarf. Außerdem soll in einer Abschiebungsandrohung zwar der Staat bezeichnet werden, in den der Betroffene abgeschoben werden soll; soweit keine Abschiebungsverbote bestehen, kann er auf der Grundlage einer Abschiebungsandrohung aber auch in jeden anderen Staat abgeschoben werden, in den er ausreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (§ 34 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG). Die Abschiebungsanordnung bedarf hingegen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keiner vorherigen Androhung und Fristsetzung, darf aber nur in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat angeordnet werden und setzt voraus, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann.

16

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:

1. In einem Fall, in dem der Drittstaatsangehörige nach Stellung eines zweiten Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) aufgrund gerichtlicher Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Überstellungsentscheidung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) in den originär zuständigen Mitgliedstaat der ersten Asylantragstellung (hier: Italien) überstellt wurde und er danach umgehend illegal in den zweiten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) zurückgekehrt ist:

a) Ist nach den Grundsätzen der Dublin III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der Überstellung maßgeblich, weil mit der fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt und daher zuständigkeitsrelevante Vorschriften der Dublin III-VO für die weitere Entwicklung nicht mehr anzuwenden sind, oder sind nachträgliche Entwicklungen der für die Zuständigkeit im Allgemeinen erheblichen Umstände - z.B. Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder (neuerlichen) Überstellung - zu berücksichtigen?

b) Sind nach abgeschlossener Zuständigkeitsbestimmung aufgrund der Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet?

2. Wenn die Zuständigkeit mit der Überstellung nicht endgültig bestimmt ist: Welche der nachstehend genannten Regelungen ist in einem solchen Fall auf eine Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Buchstaben b, c oder d Dublin III-VO wegen des noch laufenden Rechtsbehelfsverfahrens gegen die bereits vollzogene Überstellungsentscheidung anzuwenden:

a) Art. 23 Dublin III-VO (analog) mit der Folge, dass bei einem nicht fristgerechten erneuten Wiederaufnahmegesuch ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO eintreten kann, oder

b) Art. 24 der Dublin III-VO (analog) oder

c) keine der unter a) und b) genannten Regelungen?

3. Für den Fall, dass auf eine solche Person weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin III-VO (analog) anwendbar sind (Frage 2 Buchstabe c): Sind aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet - unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO?

4. Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 23 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe a): Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

5. Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 24 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe b):

a) Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

b) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Begründet die Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates (hier: Deutschland) oder kann dieser trotz des neuen Asylantrags erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

c) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Ist dann die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen?

d) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt und der Ausländer weder einen neuen Asylantrag stellt noch die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist: Kann der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?

Gründe

I

1

Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, wurde am 12. September 2014 von der Polizei in Frankfurt am Main aufgegriffen und stellte am 29. Oktober 2014 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab er an, über das Meer von Libyen nach Italien und von dort aus auf dem Landweg nach Deutschland gereist zu sein. Eine Eurodac-Treffermeldung ergab, dass der Kläger bereits am 4. September 2014 in Italien Asyl beantragt hatte. Daraufhin ersuchte das Bundesamt am 11. November 2014 die italienischen Behörden um die Wiederaufnahme des Klägers, ohne eine Antwort zu erhalten.

2

Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers wegen der Zuständigkeit Italiens als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an.

3

Der Kläger beantragte, die aufschiebende Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage anzuordnen, da das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufwiesen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 12. März 2015 ab und wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2015 ab. Daraufhin wurde der Kläger am 3. August 2015 nach Italien abgeschoben, kehrte aber Mitte August 2015 illegal nach Deutschland zurück.

4

Seine Berufung hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 3. November 2015 Italien als originär zuständig für die Prüfung des Asylantrags angesehen. Die Zuständigkeit sei aber gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, da der Kläger nicht innerhalb der Sechs-Monatsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO überstellt worden sei. Diese Frist sei mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden am 26. November 2014 angelaufen. Bei dem erfolglos gebliebenen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes handele es sich nicht um einen mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO. In Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass Italien nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Wiederaufnahme des Klägers bereit sei.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt, die Überstellung des Klägers sei fristgemäß erfolgt. Denn die sechsmonatige Überstellungsfrist sei nicht mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs, sondern erst mit dem ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angelaufen. Im Übrigen entfalteten die Frist- und Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO keine individualschützende Wirkung. Schließlich habe sich der Kläger selbst der Prüfung seines Asylbegehrens im zuständigen Mitgliedstaat (Italien) begeben, so dass keine Situation eines "refugee in orbit" vorliege.

6

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

II

7

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - ABl. L 180 S. 31 - (Dublin III-VO). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.

8

1. Für die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2015 gerichteten Anfechtungsklage sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394), sowie die Dublin III-VO maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen. Die Anwendbarkeit der Dublin III-VO ergibt sich aus Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO, wonach die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, d.h. ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden, und die ab diesem Zeitpunkt ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme gilt.

9

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

§ 27a AsylG

Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

§ 34a AsylG

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...)

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. (...)

§ 77 AsylG

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

10

Im Übrigen ist auf Art. 2 Abs. 1 und 2 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1993 (BGBl. II S. 1099) hinzuweisen. Die genannte Vorschrift lautet:

Art. 2 Rückübernahmeabkommen

(1) Die Vertragspartei, über deren Außengrenze die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, übernimmt auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person.

(2) Als Außengrenze im Sinne dieses Artikels gilt die zuerst überschrittene Grenze, die nicht Binnengrenze der Vertragsparteien gemäß dem Übereinkommen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen ist.

11

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

12

a) Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Mit der Bezugnahme auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft verweist § 27a AsylG insbesondere auf die Vorschriften der Dublin III-VO zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Ist hiernach ein anderer Mitgliedstaat zuständig und hat dieser Mitgliedstaat ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch angenommen, lehnt das Bundesamt den in Deutschland gestellten Asylantrag als unzulässig ab und ordnet zugleich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung in den zuständigen Staat an. Bei der Abschiebungsanordnung handelt es sich um die Anordnung einer Überstellung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (ABl. L 222 S. 3), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (ABl. L 39 S. 1) (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 11 ff.).

13

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung des Bundesamts stellt das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. Diese Sonderregelung für asylrechtliche Streitigkeiten soll dazu beitragen, den Streit über das Asyl- und Bleiberecht umfassend zu beenden und neue Verwaltungsverfahren möglichst zu vermeiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 B 5.97 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 8 S. 13). Hiernach sind bei der gerichtlichen Überprüfung in einem Fall wie dem vorliegenden auch nach Erlass der behördlichen Entscheidung und Durchführung der Überstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz - hier des Berufungsgerichts - eintretende Umstände zu berücksichtigen, wenn sie nach dem anwendbaren materiellen Unionsrecht für die Bestimmung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates von Bedeutung sind.

14

b) Auf der Grundlage der für das vorlegende Gericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts kann nicht abschließend beurteilt werden, ob Italien nach Maßgabe der Dublin III-VO originär für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist und sich deshalb die durch das Bundesamt getroffenen Entscheidungen als rechtmäßig erweisen.

15

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird ein Antrag auf internationalen Schutz nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Dabei ist von der nach Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO genannten Rangfolge und gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach der allgemeinen Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Ist die Überstellung an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller dort systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtecharta (GRC) mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die Prüfung nach den Kriterien des Kapitels III fort. Kann danach keine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien von Kapitel III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, wird nach der weiteren Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig.

16

Auf der Grundlage dieser unionsrechtlichen Vorgaben ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend von einer originären Zuständigkeit Italiens ausgegangen. Diese ergibt sich hier in Ermangelung vorrangiger Regelungen aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Danach ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013, festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat; die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Hierzu hat das Berufungsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass der Kläger von Libyen aus die Seegrenze Italiens am 29. August 2014 illegal überschritten hat. Die damit in Lauf gesetzte Frist von zwölf Monaten war zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Antrags auf internationalen Schutz in Italien auch noch nicht verstrichen. Denn nach den wiederum bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger am 4. September 2014 in Italien den ersten Asylantrag gestellt.

17

Die originäre Zuständigkeit Italiens kann jedoch durch den Senat nicht abschließend beurteilt werden. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO aufweisen, so dass Italien gegebenenfalls bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO außer Betracht zu lassen wäre. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen substantiiert auf systemische Defizite in Italien berufen, so dass diesem Einwand von Amts wegen nachzugehen ist. Sind nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO hinsichtlich Italiens zumindest nicht ausgeschlossen, kommt in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines dritten Mitgliedstaates auch eine Zuständigkeit Deutschlands über die Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO in Betracht.

18

c) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland zuständig ist, kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht deshalb offenbleiben, weil Deutschland jedenfalls nachträglich gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig geworden ist. Denn der Kläger ist bei richtiger Berechnung der Überstellungsfrist fristgemäß nach Italien überstellt worden.

19

Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bestimmt, dass der originär zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO durchgeführt wird. Nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist eine Überstellung durchzuführen, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei dem nach der zweiten Variante maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der "aufschiebenden Wirkung" handelt es sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der durch den Verweis auf Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung im Rahmen der den Mitgliedstaaten in Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingeräumten Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Denn wie sich aus der zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist bei der Auslegung der Dublin-Bestimmungen zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

20

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat anläuft. Die zweite Variante greift erst dann, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und wegen eines in Umsetzung der Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO eingelegten Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden kann. Dies ist nach nationalem Recht der Fall, wenn der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und innerhalb der Frist von einer Woche gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt hat. Denn nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ist eine Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag unabhängig vom Verfahrensausgang kraft Gesetzes nicht zulässig. Diese Regelung dient der Umsetzung des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Dublin III-VO. Danach sorgen die Mitgliedstaaten unter anderem dadurch für einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen, und die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist.

21

Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn es versteht sich von selbst, dass die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Das ist nach nationalem Recht indes nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Denn ab diesem Zeitpunkt sind die Behörden aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert.

22

Deshalb begann die Überstellungsfrist im vorliegenden Fall zunächst am 26. November 2014 mit der gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO nach Ablauf von zwei Wochen fingierten Annahme des fristgemäß gestellten Wiederaufnahmeersuchens an Italien. Der Kläger hat aber gegen die Überstellungsentscheidung Klage erhoben und rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Die nach der ersten Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO in Lauf gesetzte Überstellungsfrist war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht abgelaufen, so dass die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO greift. Wegen der durch den Antrag bewirkten Unterbrechung der Überstellungsfrist begann diese (erneut) mit Bekanntgabe des vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 12. März 2015 an die Beklagte und war folglich bei der Überstellung des Klägers am 3. August 2015 noch nicht abgelaufen.

23

d) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland originär zuständig ist, könnte allerdings dann offenbleiben, wenn infolge der illegalen Wiedereinreise des Klägers zu dem hier nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts am 3. November 2015 die Zuständigkeit nach den Vorschriften der Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen oder ein erneut durchzuführendes Wiederaufnahmeverfahren noch nicht abgeschlossen war. Entscheidungserheblich wird dann, ob nach den Grundsätzen der Dublin III-VO mit einer fristgemäß erfolgten Überstellung die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz noch nicht endgültig bestimmt ist, sondern im Falle einer umgehenden illegalen Rückkehr des Asylbewerbers ein erneutes (Wieder-)Aufnahmeverfahren - gegebenenfalls mit erneuter Beachtung zuständigkeitsrelevanter Fristen - durchzuführen wäre. In diesem Zusammenhang stellen sich die oben genannten unionsrechtlichen Fragen zur Auslegung der Dublin III-VO.

24

aa) Die Frage 1 Buchstabe a soll klären, ob nach den Grundsätzen der Dublin III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung abweichend von der nationalen Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG unionsrechtlich die Sachlage im Zeitpunkt der fristgerecht erfolgten Überstellung maßgeblich ist. Denn es spricht einiges dafür, dass nach einer fristgerecht erfolgten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates endgültig bestimmt ist und die Vorschriften der Dublin III-VO, insbesondere diejenigen über die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens, auf nachträgliche tatsächliche Umstände wie die illegale Wiedereinreise eines Asylbewerbers nicht mehr anwendbar sind.

25

Zu dieser Frage enthält die Dublin III-VO keine ausdrücklichen Regelungen. Die Vorschriften über das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahren sind jedenfalls nicht unmittelbar auf eine solche Fallkonstellation zugeschnitten, so dass allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht käme. Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO knüpfen die Einleitung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens an die (erneute) Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in dem ersuchenden Mitgliedstaat. Die hiernach vorausgesetzte Situation ist mit der vorliegenden allenfalls insoweit vergleichbar, als der Kläger in Deutschland vor seiner Überstellung einen (erneuten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, über den zum Zeitpunkt seiner illegalen Wiedereinreise noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Art. 24 Abs. 1 Dublin III-VO erfasst zwar Konstellationen, in denen sich ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhält und keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Wie die Regelung in Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO zeigt, wonach dem Drittstaatsangehörigen bei nicht fristgerechter Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, passt jedoch auch diese Vorschrift nicht unmittelbar auf den Fall eines bereits anhängigen, noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrags.

26

Eine eindeutige Antwort auf die aufgeworfene Fragestellung ergibt sich auch nicht aus dem mit der Dublin III-VO verfolgten zentralen Ziel, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren der Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (5. Erwägungsgrund). Zwar würde eine jedenfalls analoge Anwendung der Vorschriften über das (Wieder-)Aufnahmeverfahren es ermöglichen, dass der Betroffene in einem geordneten Verfahren wieder in den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz originär zuständigen Mitgliedstaat überstellt und zeitnah entweder dort oder bei einem etwaigen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumnis in dem anderen Mitgliedstaat mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags begonnen werden kann. Aber die Obliegenheit eines Mitgliedstaates, in solchen Fällen erneut ein Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens durchführen zu müssen, könnte Asylbewerber dazu veranlassen, sich trotz der Überstellung wieder in den von ihnen favorisierten Mitgliedstaat zu begeben. Dann hätten es Asylbewerber stets in der Hand, die zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten im Wege eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahrens getroffene Zuständigkeitsbestimmung durch eine illegale Rückkehr wieder in Frage zu stellen und damit letztendlich eine ihren persönlichen Interessen nicht entsprechende Zuständigkeitsbestimmung zu unterlaufen. Eine solche Annahme liefe dem Ziel des Dublin-Systems zuwider, durch Schaffung einheitlicher Verfahren und Kriterien zur Zuständigkeitsbestimmung die Sekundärmigration gerade zu verhindern (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 PPU [ECLI:EU:C:2016:188], Mirza - Rn. 52).

27

bb) Für den Fall, dass mit einer einmal fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten endgültig bestimmt ist, bedarf es - hierauf zielt der zweite Teil der ersten Vorlagefrage (Frage 1 Buchstabe b) - zudem der Klärung, ob aufgrund der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat möglich sind und dieser nach Sinn und Zweck der Regelungen der Dublin III-VO zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt.

28

Ist die Zuständigkeit mit der einmal erfolgten Überstellung endgültig festgelegt, bedarf es gegenüber dem Asylbewerber einer rechtlichen Grundlage für eine erneute Überstellung in den für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedstaat. Diese könnte, wenn keine Obliegenheit zur Durchführung eines erneuten (Wieder-)Aufnahmeverfahrens gegenüber dem anderen Mitgliedstaat besteht, weiterhin in der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung liegen. Als Anknüpfungspunkt für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmepflicht des originär zuständigen Mitgliedstaates ließe sich die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO anführen. Danach ist der nach den Kriterien der Verordnung zuständige Mitgliedstaat in den durch Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis d Dublin III-VO näher bestimmten Fällen zur Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme eines Antragstellers verpflichtet. Allerdings ist, wie die weiteren aufeinander abgestimmten Regelungen in Kapitel VI der Dublin III-VO zeigen, die Durchführung einer (weiteren) Überstellung ohne vorherige Durchführung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahrens jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen.

29

Deshalb ist auch in Betracht zu ziehen, dass sich die Rückführung des Asylbewerbers im Anschluss an eine einmal durchgeführte Überstellung nicht mehr nach den Bestimmungen der Dublin III-VO richtet. Dann käme als Rechtsgrundlage für eine Rückführung Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben; kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, erlassen die Mitgliedstaaten eine Rückkehrentscheidung. Dazu müsste die sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) ergebende Berechtigung, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Asylbehörde über den Antrag auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat zu verbleiben, als eine "sonstige Aufenthaltsberechtigung" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG anzusehen sein, die diesen Mitgliedstaat zur Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet. Das würde indes voraussetzen, dass das Asylverfahren in dem anderen Mitgliedstaat (hier: Italien) noch nicht abgeschlossen ist.

30

Folgt man dem nicht, verbliebe in Ermangelung anderweitiger unionsrechtlicher Grundlagen für eine Überstellung in den im Dublin-Verfahren als zuständig bestimmten Mitgliedstaat allenfalls ein Rekurs auf bilaterale Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten. Unter den vorliegenden Umständen wäre dabei eine Überstellung an Italien nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in Betracht zu ziehen. Danach übernimmt die Vertragspartei, über deren Außengrenze eine Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht (mehr) erfüllt, diese Person formlos auf Antrag dieser Vertragspartei. Wie sich aus dieser Regelung ergibt, muss es sich bei dem hiernach zur Übernahme verpflichteten Staat indes nicht zwangsläufig um den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat handeln, auch wenn dies unter den vorliegenden Umständen der Fall wäre.

31

cc) Die weiteren Vorlagefragen sind durch den Gerichtshof nur für den Fall zu beantworten, dass mit einer fristgerecht durchgeführten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeitsbestimmung nicht endgültig abgeschlossen ist. Sie zielen auf die Klärung, welche Regelungen der Dublin III-VO im Falle der illegalen Rückkehr eines überstellten Drittstaatsangehörigen unter Umständen wie den vorliegenden - gegebenenfalls analog - Anwendung finden und wie diese Vorschriften dabei im Einzelnen auszulegen sind. Nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts kommt dabei in Betracht, dass Art. 23 Dublin III-VO über das Wiederaufnahmeverfahren nach erneuter Antragstellung, Art. 24 Dublin III-VO über das Wiederaufnahmeverfahren ohne erneute Antragstellung oder aber keine dieser beiden Vorschriften heranzuziehen ist (Frage 2).

32

aaa) Für den Fall, dass weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung finden, bedarf der Klärung, ob aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich sind und dieser Mitgliedstaat unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 2 und 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und auch unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO, die gegebenenfalls zu einem Zuständigkeitsübergang auf den anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) führen können, zur Wiederaufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt (Frage 3).

33

bbb) Für den Fall, dass Art. 23 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, bedarf der Klärung, ob die Stellung eines dann erforderlichen erneuten Wiederaufnahmegesuchs an eine neue zweimonatige oder dreimonatige Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO gebunden ist und ob - falls diese Frage zu bejahen sein sollte - diese neue Frist bereits durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise oder durch ein anderes Ereignis in Lauf gesetzt wird (Frage 4). Gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist ein Wiederaufnahmeverfahren so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach einer Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen. Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als auf Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten. Unmittelbar ist diese Regelung allein auf eine Situation zugeschnitten, in der nach Stellung eines Antrags auf internationalem Schutz in dem originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) in dem um Wiederaufnahme ersuchenden Mitgliedstaat (hier: Deutschland) ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird und bei dessen Prüfung entweder eine Eurodac-Treffermeldung oder sonstige Beweismittel und Indizien auf eine Zuständigkeit des originär zuständigen Mitgliedstaates hinweisen. Es liegt auf der Hand, dass die hiernach ursprünglich in Lauf gesetzte zweimonatige bzw. dreimonatige Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs nicht auch für die Stellung eines weiteren Wiederaufnahmegesuchs nach illegaler Rückkehr maßgeblich sein kann. Denn im Falle einer illegalen Rückkehr wird diese Frist - wie hier - regelmäßig verstrichen sein. In Ermangelung einer erneuten Eurodac-Treffermeldung bzw. eines erneuten Antrags könnte als ein den Fristlauf auslösendes Ereignis aber möglicherweise auf die Kenntnis der nach Art. 35 Abs. 1 Dublin III-VO für die Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens zuständigen nationalen Behörde, hier des Bundesamtes, von der illegalen Rückkehr des Drittstaatsangehörigen abzustellen sein.

34

ccc) Für den Fall, dass in Ermangelung eines erneuten Antrags auf internationalen Schutz nicht Art. 23 Dublin III-VO, sondern Art. 24 Dublin III-VO - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, ist klärungsbedürftig, ob die Stellung eines erneuten Wiederaufnahmegesuchs an eine neue zwei- oder dreimonatige Frist nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO gebunden ist. Falls diese Frage zu bejahen sein sollte, stellt sich die weitere Frage, durch welches Ereignis die Frist in Lauf gesetzt wird (Frage 5 Buchstabe a). Denn ebenso wenig wie die Fristenregelung in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist auch die Fristenregelung in Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO auf eine Situation wie die vorliegende zugeschnitten. Die vorstehenden Erwägungen zur Auslegung von Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO gelten daher entsprechend.

35

Ist der um Wiederaufnahme ersuchende Mitgliedstaat an eine aus Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) folgende Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs gebunden, hält das vorlegende Gericht außerdem eine Klärung der an das erfolglose Verstreichen der Frist geknüpften Rechtsfolge für erforderlich (Frage 5 Buchstabe b). Anders als Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO sieht Art. 24 Abs. 3 Dublin-VO nämlich keinen Zuständigkeitsübergang vor, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht fristgerecht gestellt wird. Stattdessen bestimmt Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO lediglich, dass dem Drittstaatsangehörigen die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag zu stellen. Allerdings könnte diese Regelung dahin zu verstehen sein, dass die Stellung eines neuen Antrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des Mitgliedstaates begründet, in dem der neue Antrag gestellt wird. Wirkt die Stellung des neuen Antrags hingegen nicht unmittelbar zuständigkeitsbegründend, könnte dieser Mitgliedstaat berechtigt bleiben, den originär zuständigen Mitgliedstaat ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme zu ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen zu überstellen.

36

Falls die Stellung eines neuen Antrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar zuständigkeitsbegründend wirken sollte, bedarf außerdem der Klärung, ob die Rechtshängigkeit eines in einem Mitgliedstaat vor der Überstellung gestellten Antrags der Stellung eines neuen Asylantrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist (Frage 5 Buchstabe c). Denn der Kläger des Ausgangsverfahrens hat, nachdem er an Italien überstellt wurde und illegal nach Deutschland zurückgekehrt ist, keinen weiteren Asylantrag gestellt, sondern vielmehr den gegen die abschlägige Bescheidung des früheren Antrags noch anhängigen Rechtsbehelf weiterverfolgt.

37

Ist die vorstehende Frage zu verneinen, bedarf schließlich der Klärung, ob der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen kann (Frage 5 Buchstabe d).

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.

2

Der Kläger reiste 2013 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) über einen Eurodac-Treffer Kenntnis davon erhielt, dass der Kläger 2009 in Italien einen Asylantrag gestellt hat, richtete es im November 2013 ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, das nicht beantwortet wurde. Daraufhin entschied es mit Bescheid vom 21. Januar 2014, dass der Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist (Ziffer 1), und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 2).

3

Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 4. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an. Mit Urteil vom 28. November 2014 wies es die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. Februar 2016 den Bescheid des Bundesamts aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Nach der Dublin II-Verordnung sei die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht rechtzeitig nach Italien überstellt worden sei. Die sechsmonatige Überstellungsfrist habe nach dem Wiederaufnahmegesuch vom November 2013 und der fehlenden Reaktion der Italiener im Dezember 2013 begonnen. Mit Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Verwaltungsgericht sei sie im März 2014 zwar unterbrochen worden, habe mit Ende der aufschiebenden Wirkung im April 2015 aber erneut begonnen. Werde die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen, ende die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies sei hier der innerhalb eines Monats zu stellende und zu begründende Antrag auf Zulassung der Berufung. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Das Fristenregime der Dublin II-Verordnung begründe für sich genommen zwar keine einklagbaren subjektiven Rechte. Der Kläger habe aber aus dem materiellen Recht einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüfe. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats positiv feststehe. Dies sei hier nicht der Fall. Durch die (fingierte) Erklärung zur Wiederaufnahme habe Italien nur eine Überstellung innerhalb der Überstellungsfrist akzeptiert. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung sei grundsätzlich davon auszugehen, dass nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit sei, das Asylverfahren durchzuführen. Vorliegend fehlten jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwende. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

4

Die Beklagte macht mit der Revision insbesondere geltend, dass die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Ordne das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage an, beginne die Frist auch bei einem klagabweisenden Urteil erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung. Denn erst dann sei sichergestellt, dass die Überstellung tatsächlich erfolgen werde, und es müssten nur noch die Modalitäten geregelt werden.

5

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 in Verbindung mit § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

7

Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bescheid des Bundsamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 21. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen, unter denen ein Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, liegen nicht vor (1.). Die (Unzulässigkeits-)Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (2.) und verletzt den Kläger unter den hier gegebenen Umständen in eigenen Rechten (3.). Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz (IntG) vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51), ohne dass hierdurch materiell die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit (bislang: § 27a Asyl(Vf)G; nunmehr: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) in der Sache geändert worden sind.

9

1. Ungeachtet der gewählten Formulierung hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid unter Ziffer 1 ("Der Asylantrag ist unzulässig") eine rechtsgestaltende Regelung über die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach § 27a Asyl(Vf)G (inzwischen: § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) getroffen; hiergegen ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 13 ff.).

10

Die Klage ist insoweit auch begründet. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - oder b) aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

11

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO weiterhin die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 050 S. 1) - Dublin II-VO -, maßgeblich ist, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind.

12

b) Ob nach der Dublin II-Verordnung - wie vom Berufungsgericht angenommen - zunächst Italien (originär) zuständig war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Zuständigkeit jedenfalls wegen nicht fristgerechter Überstellung auf Deutschland übergegangen ist.

13

Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags auf den Mitgliedstaat über, in dem der Antrag eingereicht wurde, wenn die Überstellung - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Verlängerungsmöglichkeiten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO - nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Diese Frist beginnt nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO mit der Annahme des Wiederaufnahmeantrags durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.).

14

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich nach der ersten Variante mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch den ersuchten Mitgliedstaat anläuft und die zweite Variante erst greift, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf nach nationalem Recht aufschiebende Wirkung zukommt. Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war, da die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Entfällt die aufschiebende Wirkung, sind die Behörden ab diesem Zeitpunkt aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 21 f. zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO). Folglich ist der Fristanlauf bei der zweiten Alternative nur für die Dauer der aufschiebenden Wirkung herausgeschoben. Endet diese vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, kann die Überstellungsentscheidung ab diesem Zeitpunkt vollzogen werden und sind nur noch die Modalitäten der Überstellung zu regeln. Damit entfällt die Rechtfertigung für einen weiteren Aufschub des Fristanlaufs und ist sichergestellt, dass den Mitgliedstaaten - ausgehend von dem Ziel der Bestimmung, ihnen bei beiden Varianten die gleiche Frist von sechs Monaten zur Durchführung der Überstellung einzuräumen - keine kürzere, aber auch keine längere Frist zur Regelung der Modalitäten zur Verfügung steht.

15

Nach nationalem Recht kommt der gegen eine Überstellungsentscheidung erhobenen Klage zwar nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG). Der Betroffene kann aber - innerhalb einer Frist von einer Woche (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) - nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung stellen. Gibt das Verwaltungsgericht diesem Antrag - wie hier geschehen - statt, endet die aufschiebende Wirkung nach § 80b Abs. 1 VwGO mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels, wenn nicht das Oberverwaltungsgericht nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Antrag die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anordnet. Dabei ist maßgebliches Rechtsmittel, wenn das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zulässt, der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO mit der Folge, dass als Bezugspunkt für die Dreimonatsfrist auf den Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe und nicht auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 22).

16

Der Wortlaut des § 80b Abs. 1 VwGO steht dieser Auslegung nicht entgegen, auch wenn nach dem Rechtsmittelrecht das gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts gegebene Rechtsmittel - auch bei der Zulassungsberufung - die Berufung selbst (§ 124 Abs. 1 VwGO) und nicht der Antrag auf Zulassung der Berufung ist und der in § 80b Abs. 1 VwGO verwendete Begriff "gesetzliche Begründungsfrist" terminologisch eher eine Verknüpfung mit der nach Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO zu wahrenden Berufungsbegründungsfrist aufweist, während es im Zulassungsverfahren einer Darlegung der Zulassungsgründe bedarf (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO/§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Vor allem teleologische Gründe sprechen dafür, bei der Zulassungsberufung bereits den Antrag auf Zulassung der Berufung als "Rechtsmittel" im Sinne des § 80b Abs. 1 VwGO anzusehen. Denn nach Sinn und Zweck soll die Begrenzung der aufschiebenden Wirkung der missbräuchlichen Ausnutzung des Suspensiveffektes entgegenwirken (BT-Drs. 13/3993 S. 9 und 11). Da das erstinstanzliche Urteil mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), käme § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO bei einem Abstellen auf die Berufungsbegründungsfrist von vornherein nur im Falle einer positiven Zulassungsentscheidung durch das Berufungsgericht zur Anwendung, also in Konstellationen, in denen ein Zulassungsgrund vorliegt und damit nicht selten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 80b Abs. 2 VwGO gegeben sein dürften. Bei aussichtslosen Rechtsmitteln, auf deren Verhinderung die Bestimmung gerade zielt, würde sie hingegen leerlaufen. Zudem hinge das Ende der aufschiebenden Wirkung von der (ungewissen) Dauer des obergerichtlichen Zulassungsverfahrens ab und würde gerade in den Fällen, in denen das Verwaltungsgericht - soweit außerhalb des gerichtlichen Asylverfahrens möglich - keine Veranlassung zur Zulassung der Berufung sieht, die aufschiebende Wirkung länger andauern als bei Zulassung der Berufung unmittelbar durch das Verwaltungsgericht. Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Denn im Gesetzgebungsverfahren wurde das Fristende um drei Monate nach hinten verschoben. Diese Verschiebung wurde vor allem mit einer "Parallelisierung" der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Berufung und einer Eilentscheidung gemäß § 80b Abs. 2 VwGO begründet (BT-Drs. 13/5098 S. 23).

17

Ordnet das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung an, weist es die Klage in der Hauptsache aber ab, endet die aufschiebende Wirkung folglich - vorbehaltlich einer nach § 80b Abs. 2 VwGO möglichen Anordnung des Oberverwaltungsgerichts, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert - nach § 80b Abs. 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe. In diesem Fall stellt das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts die vom EuGH geforderte gerichtliche Entscheidung dar, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird. Der Durchführung der Überstellung steht nach nationalem Prozessrecht aber erst mit dem gesetzlich auf einen späteren Zeitpunkt festgelegten Ende der aufschiebenden Wirkung nichts mehr im Wege. Dies hat - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - zur Folge, dass die Überstellungsfrist nicht schon mit der Zustellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils, sondern erst mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung beginnt, da der für die Überstellung zuständigen Behörde ansonsten nicht die mit der Regelung in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO bezweckte zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung stünde, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind.

18

Etwaigen Unwägbarkeiten bei der Durchführung der Überstellung, die sich daraus ergeben können, dass die Überstellungsfrist mit dem Ende der aufschiebenden Wirkung automatisch in Gang gesetzt wird, der Kläger nach Zulassung der Berufung aber jederzeit einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stellen kann, dem das Berufungsgericht bei entsprechenden Erfolgsaussichten stattgeben wird, kann das Bundesamt dadurch begegnen, dass es jedenfalls in Fällen, in denen aufgrund der Zulassung der Berufung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung bestehen, von sich aus nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung der Abschiebungsanordnung bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung förmlich aussetzt. Eine derartige behördliche Entscheidung steht in ihren Wirkungen einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung gleich und hat zur Folge, dass die Verfügung weiterhin nicht vollzogen werden darf (vgl. § 80b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO) und damit die Überstellungsfrist erneut unterbrochen wird. Unionsrecht steht einem solchen Vorgehen für diese Fallkonstellation nicht entgegen. Dies ergibt sich im Anwendungsbereich der Dublin III-VO aus der ausdrücklichen Ermächtigung in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Dass eine behördliche Aussetzungsentscheidung auch im Geltungsbereich der Dublin II-VO zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist nach der zweiten Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO führt, ergibt sich daraus, dass es sich bei dem dort verwendeten Begriff der "aufschiebenden Wirkung" um einen unionsrechtlichen Begriff handelt, der alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung nach den nationalen Vorschriften zur Ausgestaltung des Rechtsbehelfsverfahrens nicht vollzogen werden darf (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - juris Rn. 19 zur Nachfolgeregelung in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).

19

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass hier die zweite Variante des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO maßgeblich geworden ist. Mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden im Dezember 2013 begann die Überstellungsfrist zwar zunächst nach der ersten Variante. Die Beklagte hat aber noch im gleichen Monat und damit rechtzeitig vor Ablauf der Frist nach der ersten Variante die streitgegenständliche (Überstellungs-)Entscheidung getroffen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage hatte zwar nicht von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung, der Kläger hat aber rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. März 2014 stattgegeben hat. Mit dieser Entscheidung lagen die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach der zweiten Alternative (Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt) vor.

20

Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Überstellungsfrist nach der zweiten Variante zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abgelaufen war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere beginnt die Überstellungsfrist hier - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erst mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung zu laufen. Da das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 28. November 2014 abgewiesen und das Berufungsgericht nicht die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung angeordnet hat, endete die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80b Abs. 1 VwGO von Gesetzes wegen drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dabei kommt als Rechtsmittel im Anwendungsbereich des Asylgesetzes nur der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 2 bis 4 AsylG in Betracht. Für diesen Antrag waren die Zulassungsgründe aufgrund der Sonderregelung für asylgerichtliche Verfahren in § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG innerhalb der einmonatigen Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung darzulegen. Nachdem die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 2. Dezember 2014 erfolgte, endete die aufschiebende Wirkung folglich am 2. April 2015. Damit begann die sechsmonatige Überstellungsfrist und ist die Zuständigkeit jedenfalls mit ihrem Ablauf am 2. Oktober 2015 - und damit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts im Februar 2016 - auf Deutschland übergegangen.

21

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass Ziffer 1 des Bescheids auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist, weil es sich um einen Zweitantrag handelt und die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71a AsylG nicht vorliegen. Denn bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in Verbindung mit § 71a AsylG gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung würde es sich prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen handeln, weil sie zur Folge hätte, dass der (Zweit-)Antrag des Klägers auch von keinem anderen Staat geprüft würde und er grundsätzlich in jeden zu seiner Aufnahme bereiten Staat einschließlich seines Herkunftslands abgeschoben werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff.). Die Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann auch nicht in eine andere (rechtmäßige) Entscheidung umgedeutet werden.

22

3. Der Kläger hat unter den hier gegebenen Umständen auch einen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Zwar sind die Fristenregelungen in der Dublin II-Verordnung - anders als die Regelungen in der Dublin III-Verordnung (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Juni 2016 - C-63/15 [ECLI:EU:C:2016:409], Ghezelbash und C-155/15 [ECLI:EU:C:2016:410], Karim - grundsätzlich nicht individualschützend. Sie dienen der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - Buchholz 451.902 Europ Ausländer- u Asylrecht Nr. 79 Rn. 17 ff. m.w.N. zur Fristenregelung für die Stellung eines Aufnahmegesuchs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO). Dies gilt auch für die Überstellungsfristen bei der (Wieder-)Aufnahme und den damit verbundenen Zuständigkeitswechsel.

23

Der nach den Dublin-Bestimmungen zuständige Mitgliedstaat darf einen Schutzsuchenden aber dann nicht auf eine Prüfung durch einen anderen (unzuständigen) Mitgliedstaat verweisen, wenn dessen (Wieder-)Aufnahmebereitschaft nicht positiv feststeht. Dies ergibt sich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus Sinn und Zweck des Dublin-Systems und der mit ihm verwirklichten verfahrensrechtlichen Dimension der materiellen Rechte, die die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) Schutzsuchenden einräumt. Danach kann sich ein Schutzsuchender den für die Prüfung seines Schutzbegehrens zuständigen Mitgliedstaat zwar nicht selbst aussuchen, er hat aber einen Anspruch darauf, dass ein von ihm innerhalb der EU gestellter Antrag auf internationalen Schutz innerhalb der EU geprüft wird. Könnte sich der Schutzsuchende auch bei fehlender (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen, entstünde die Situation eines "refugee in orbit", in der sich kein Mitgliedstaat für die sachliche Prüfung des Asylantrags als zuständig ansieht. Dies würde dem zentralen Anliegen des Dublin-Regimes zuwiderlaufen, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO bzw. 5 der Dublin III-VO). Das schließt allerdings nicht aus, dass Asylanträge aus anderen Gründen, etwa wegen mangelndem Betreiben des Asylverfahrens durch den Antragsteller, ohne Sachprüfung abgelehnt werden können. Das gilt nicht nur für Erstanträge, sondern gleichermaßen für Zweitanträge, auch wenn diese nur unter besonderen Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 20). Diese vom Senat zur Dublin III-Verordnung entwickelten Grundsätze sind dort aufgrund der Urteile des EuGH vom 7. Juni 2016 (C-63/15, Ghezelbash und C-155/15, Karim) inzwischen zwar überholt; sie gelten aber weiterhin für Verfahren, bei denen die Dublin II-VO zur Anwendung kommt.

24

Vorliegend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass jegliche Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, dass Italien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten - generell oder im Einzelfall - nicht einwendet. Diese den Senat bindende tatrichterliche Feststellung (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht insbesondere nicht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage, weil das Berufungsgericht keine eigenen Ermittlungen angestellt hat. Denn es hat die Beteiligten vor seiner Entscheidung auf den Ablauf der Überstellungsfrist und die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen. Bei dieser Sachlage hätte das Bundesamt, dem aufgrund seiner Mitwirkung bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen bekannt ist, wie die einzelnen Mitgliedstaaten auf den mit dem Ablauf der Überstellungsfrist verbundenen Zuständigkeitswechsel reagieren, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten substantiiert auf etwaige Besonderheiten speziell bei der Durchführung von Überstellungen nach Italien hinweisen können und müssen. Nachdem dies nicht geschehen war, durfte das Berufungsgericht das Schweigen des Bundesamts hier auch ohne weitere Nachfrage dahin würdigen, dass dort keine weiterführenden Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich Hinweise für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft ergeben, und damit letztlich allein aus dem Verhalten des Bundesamts auf die fehlende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft Italiens schließen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - juris Rn. 23).

25

4. Hat das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und ist der Bescheid deshalb insoweit aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht vor.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn.

2

Der Kläger reiste nach eigenen Angaben Ende 2014 in das Bundesgebiet ein und beantragte im Januar 2015 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Eurodac-Abgleich ergab, dass er zuvor bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erklärte Ungarn seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers. Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. Februar 2015 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an (Ziffer 2).

3

Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschlüssen vom 9. April und 28. Juli 2015 Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 und 7 VwGO ab und wies die Klage mit Urteil vom 3. August 2015 ab.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 16. November 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides nach § 80 Abs. 7 VwGO angeordnet und in der Hauptsache mit Beschluss vom 23. November 2015 den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der Dublin III-VO zwar zunächst Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sei. Die Zuständigkeit sei aber inzwischen auf Deutschland übergegangen, da der Kläger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ungarn überstellt worden sei. Diese Frist habe mit der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch Ungarn im Februar 2015 zu laufen begonnen und sei während des gerichtlichen Verfahrens nicht neu eröffnet worden. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Dabei könne offenbleiben, ob und in welchem Umfang die Dublin-Regelungen Individualschutz entfalteten. Eine Verletzung subjektiver Rechte ergebe sich jedenfalls aus dem materiellen Recht, da der Kläger ansonsten seinen Anspruch auf die ihm durch Unionsrecht garantierte Überprüfung seines Begehrens durch einen Mitgliedstaat nicht wirksam durchsetzen könne. Zwar sei im Einzelfall denkbar, dass ein Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist weiterhin zur Wiederaufnahme bereit sei; für den Regelfall könne hiervon aber nicht ausgegangen werden. In Ermangelung jeglichen Hinweises auf eine fortbestehende Aufnahmebereitschaft Ungarns sei hier von einer Rechtsverletzung des Klägers auszugehen. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

5

Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, dass die in den Dublin-Verordnungen geregelten Fristen allein der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und der zeitnahen Überstellung in diesen Staat dienten, aber keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden begründeten. Etwaige Beeinträchtigungen des materiellen Rechts beruhten allein auf dem Verhalten des Klägers. Außerdem rügt sie eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht, da das Berufungsgericht nicht ermittelt habe, ob Ungarn nach Ablauf der Überstellungsfrist tatsächlich nicht mehr zu einer Übernahme des Klägers bereit sei.

6

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Berufungsentscheidung verstößt im Ergebnis nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage nicht nur zulässig (1.), sondern auch begründet ist (2.). Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Asylantrag ist nicht nach § 27a AsylG wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit unzulässig (2.1). Der Bescheid kann insoweit auch nicht als Entscheidung nach § 71a AsylG, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, aufrechterhalten bleiben (2.2). Die Ablehnung des Asylantrags verletzt den Kläger unter den hier gegebenen Umständen in eigenen Rechten (2.3). Ist Deutschland für die Prüfung seines Antrags zuständig und kann sich der Kläger darauf berufen, fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung (2.4).

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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom gleichen Tag (BGBl. I S. 394), sowie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist auch hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 24. Februar 2015 die Anfechtungsklage statthaft (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - NVwZ 2016, 154 Rn. 13 ff.). Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung ist nicht dadurch entfallen, dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO inzwischen verstrichen ist (vgl. dazu nachfolgend). Denn die Entscheidung des Bundesamts, den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig abzulehnen und die Abschiebung des Klägers nach Ungarn anzuordnen, hat hierdurch weder ihre Regelungswirkung verloren noch sich auf sonstige Weise erledigt.

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2. Die Klage ist auch begründet.

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2.1 Die Voraussetzungen des vom Bundesamt herangezogenen § 27a AsylG für eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig liegen nicht (mehr) vor. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit die Dublin III-VO herangezogen. Diese ist nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO intertemporal auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt worden sind.

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2.1.1 Ob nach der Dublin III-VO - wie vom Berufungsgericht angenommen - zunächst Ungarn zuständig war, kann offenbleiben.

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Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Damit soll verhindert werden, dass sich Asylbewerber einen ihnen genehmen Mitgliedstaat für die Prüfung ihres Asylbegehrens aussuchen und von einem zum anderen Mitgliedstaat weiterwandern (Verhinderung der Sekundärmigration). Zentrales Anliegen des Dublin-Systems ist die Aufstellung klarer, praktikabler und gerechter Zuständigkeitskriterien, die den Betroffenen einen effektiven und schnellen Zugang zur Sachprüfung eröffnen (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 4 und 5 der Dublin III-VO). Lässt sich anhand der Kriterien in Kapitel III der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, ist nach der Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Ist die Überstellung an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich, weil es gute Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller dort systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC mit sich bringen, hat der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann danach keine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien des Kapitel III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, wird nach der weiteren Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

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Ob hiernach mangels vorrangiger Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats Ungarn als der erste Mitgliedstaat, in dem der Kläger einen Asylantrag gestellt hat, nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO originär zuständig war, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - keine tatrichterlichen Feststellungen zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO getroffen hat.

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2.1.2 Die Frage der originären Zuständigkeit kann aber dahinstehen, da die Zuständigkeit selbst bei unterstellter originärer Zuständigkeit Ungarns mit Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf Deutschland übergegangen ist.

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Art. 29 Dublin III-VO regelt die Modalitäten und Fristen der Überstellung. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Alt. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (Alt. 2). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet, und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist. Beide Verlängerungsoptionen setzen nach Art. 9 Abs. 2 DurchführungsVO (EG) Nr. 1560/2003 voraus, dass der Mitgliedstaat, der die Fristverlängerung für sich in Anspruch nehmen will, den ersuchten Mitgliedstaat davon vor Ablauf der regulären Frist von sechs Monaten unterrichtet.

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Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für den Beginn der Überstellungsfrist hier die 1. Alternative des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO maßgeblich ist. Damit hat die sechsmonatige Überstellungsfrist mit der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch die ungarischen Behörden am 6. Februar 2015 begonnen. Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar keinen Erfolg hatte, das Berufungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage dann aber doch noch nach § 80 Abs. 7 VwGO angeordnet hat. Denn ein Hinausschieben des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf ist nur möglich, wenn bei Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen der 2. Alternative des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO die nach der 1. Alternative in Gang gesetzte Frist noch nicht abgelaufen ist. Denn es versteht sich von selbst, dass der an den erfolglosen Ablauf der Überstellungsfrist geknüpfte Zuständigkeitswechsel nicht durch Ingangsetzen einer neuen Überstellungsfrist wieder zu Fall gebracht werden kann.

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Bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Berufungsgericht im November 2015 war die Überstellungsfrist - ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt hat - unstreitig abgelaufen (zu den Wirkungen eines rechtzeitigen Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf den Lauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 Dublin III-VO vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27. April 2016 - 1 C 22.15). Denn zwischen der Bekanntgabe der den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Klägers ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom April 2015 und der die aufschiebende Wirkung anordnenden Entscheidung des Berufungsgerichts vom November 2015 lag ein zusammenhängender Zeitraum von mehr als sechs Monaten, in dem der Kläger nach Ungarn hätte überstellt werden können. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO hat nicht die Wirkungen des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ausgelöst, die hierzu ergangene, ablehnende Entscheidung hat auch die Überstellungsfrist nicht neu in Lauf gesetzt.

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2.2 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids auch nicht als Entscheidung nach § 71a AsylG, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, aufrechterhalten bleiben kann, da es sich hierbei prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen handelt (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - InfAuslR 2016, 120 Rn. 26 ff.).

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2.3 Der Kläger hat unter den hier gegebenen Umständen auch einen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Dabei kann offenbleiben, ob den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO - wie von der Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 17. März 2016 in zwei beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Vorabentscheidungsverfahren (C-63/15 und C-155/15 ) vertreten - generell individualschützende Wirkung zukommt und der Schutzsuchende in jedem Fall eine Prüfung durch den zuständigen Mitgliedstaat verlangen kann. Denn der nach den Dublin-Bestimmungen zuständige Mitgliedstaat darf einen Schutzsuchenden jedenfalls dann nicht auf eine Prüfung durch einen anderen (unzuständigen) Mitgliedstaat verweisen, wenn dessen (Wieder-)Aufnahmebereitschaft nicht positiv feststeht. Dies ergibt sich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus Sinn und Zweck des Dublin-Systems und der mit ihm verwirklichten verfahrensrechtlichen Dimension der materiellen Rechte, die die Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) Schutzsuchenden einräumt. Danach kann sich ein Schutzsuchender den für die Prüfung seines Schutzbegehrens zuständigen Mitgliedstaat zwar nicht selbst aussuchen, er hat aber einen Anspruch darauf, dass ein von ihm innerhalb der EU gestellter Antrag auf internationalen Schutz innerhalb der EU geprüft wird. Könnte sich der Schutzsuchende auch bei fehlender (Wieder-)Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen, entstünde die Situation eines "refugee in orbit", in der sich kein Mitgliedstaat für die sachliche Prüfung des Asylantrags als zuständig ansieht. Dies würde dem zentralen Anliegen des Dublin-Regimes zuwiderlaufen, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (Erwägungsgrund 5 der Dublin III-VO). Das schließt allerdings nicht aus, dass Asylanträge aus anderen Gründen, etwa wegen mangelndem Betreiben des Asylverfahrens durch den Antragsteller, ohne Sachprüfung abgelehnt werden können. Das gilt im Übrigen nicht nur für Erstanträge, sondern gleichermaßen für Zweitanträge, auch wenn diese nur unter besonderen Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen.

21

Vorliegend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass Ungarn nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme bereit ist. Diese den Senat bindende tatrichterliche Feststellung (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Die Ermittlung und Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter und ist der revisionsrichterlichen Überprüfung nur insoweit zugänglich, als sie mit einer zulässigen Verfahrensrüge angefochten wird (§ 137 Abs. 3 VwGO) oder materiell-rechtlich den Überzeugungsgrundsatz verletzt oder auf einer für die Entscheidung zu schmalen Tatsachengrundlage beruht. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

22

Soweit die Revision mit der Verfahrensrüge eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Berufungsgericht rügt, genügt ihr Vorbringen schon nicht den formellen Anforderungen an die Darlegung dieses Verfahrensfehlers. Denn es fehlen Ausführungen, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen zur Klärung der Aufnahmebereitschaft in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Auch wird nicht dargelegt, dass bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N.).

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Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist in diesem Punkt aber auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere beruht sie nicht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage, weil das Berufungsgericht keine eigenen Ermittlungen angestellt hat. Denn es hat die Beteiligten vor seiner Entscheidung ausdrücklich auf den Ablauf der Überstellungsfrist und den damit verbundenen Zuständigkeitsübergang hingewiesen. Bei dieser Sachlage hätte das Bundesamt, dem aufgrund seiner Mitwirkung bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen bekannt ist, wie die einzelnen Mitgliedstaaten auf den mit dem Ablauf der Überstellungsfrist verbundenen Zuständigkeitswechsel reagieren, im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten substantiiert auf etwaige Besonderheiten speziell bei der Durchführung von Überstellungen nach Ungarn hinweisen können und müssen. Nachdem dies nicht geschehen war, durfte das Berufungsgericht das Schweigen des Bundesamts hier auch ohne weitere Nachfrage dahin würdigen, dass dort keine weiterführenden Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich Hinweise für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft ergeben, und damit letztlich allein aus dem Verhalten des Bundesamts auf die fehlende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft Ungarns schließen.

24

Angesichts der klaren unionsrechtlichen Vorgaben geht der Senat für den vorliegenden Fall, der sich dadurch auszeichnet, dass eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmebereitschaft nicht positiv feststeht, hinsichtlich des Individualschutzes von einem "acte clair" aus, sodass es keiner Aussetzung des Verfahrens bedarf bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die bereits anhängigen Vorabentscheidungsverfahren zur Frage, inwieweit den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO generell individualschützende Wirkung zukommt.

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2.4 Hat das Bundesamt den Asylantrag zu Unrecht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt und ist der Bescheid insoweit aufzuheben, liegen auch die Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG nicht vor.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 4. Februar 2014, soweit sie damit die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt hat.

Die Kläger sind nach eigenen Angaben russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 28. März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 8. April 2013 Asylanträge.

Die polnischen Behörden bestätigten auf Anfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 die Übernahme der Kläger nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO.

Mit Bescheid vom 4. Februar 2014 lehnte das BAMF die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2). Die Republik Polen sei nach den Bestimmungen der Dublin II-VO für die Durchführung der Asylverfahren zuständig. Die Asylanträge seien daher nach § 27a AsylVfG unzulässig.

Gegen den Bescheid erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach. Den gleichzeitig erhobenen Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Juli 2014 ab. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2015 teilte die Beklagte im Klageverfahren mit, dass nach Fristablauf keine Überstellung nach Polen aufgrund des Dublinverfahrens angedacht sei.

Mit Urteil vom 20. Februar 2015 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 4. Februar 2014 auf. Der Bescheid nach § 27a AsylVfG sei durch Ablauf der Überstellungsfrist rechtswidrig geworden. Es sei auch nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass eine Überstellung in absehbarer Zeit noch erfolgen könne.

Gegen die Aufhebung von Nr. 1 des Bescheids wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Kläger entgegentreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Rechtssache kommt hinsichtlich der Frage, „ob der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und ob dies selbst dann (schon) gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt“, nicht die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Die Beklagte geht nach ihrem Schreiben vom 9. Februar 2015 im Ausgangsverfahren selbst vom Ablauf der Frist zur Überstellung der Kläger nach Polen aus und hat ausdrücklich mitgeteilt, dass nach Fristablauf keine Überstellung nach Polen aufgrund des Dublinverfahrens angedacht sei.

Die Kläger wurden vom BAMF am 8. April 2013 gem. Art. 3 Abs. 4 Dublin II-VO dahingehend belehrt, die Überstellung müsse grundsätzlich binnen sechs Monaten, nachdem der andere Staat dem Aufnahmegesuch des Bundesamts zugestimmt habe, abgeschlossen sein, andernfalls gehe die Zuständigkeit für die Behandlung des Asylantrags auf die Bundesrepublik Deutschland über.

Dass Polen gleichwohl noch bereit wäre, die Kläger (wieder) aufzunehmen, ist im Übrigen von der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei einer Fallgestaltung, in der keine oder allenfalls eine theoretische, nicht durch konkrete aussagekräftige Fakten untermauerte Überstellungsmöglichkeit in einen anderen Mitgliedstaat besteht, bedarf es keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) nicht isoliert aufrecht erhalten bleiben kann (vgl. u. a. BayVGH, B.v. 1.6.2015 - 11 ZB 15.50090 - juris Rn. 9).

Ist die Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO abgelaufen und ist der als zuständig bestimmte Mitgliedstaat nicht mehr zur Übernahme bereit, hat der Asylbewerber eine Anspruch darauf, dass erneut in das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eingetreten wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2015 - 11 ZB 15.50033 - juris). Kommt - wie hier - ersichtlich die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Vertragsstaats nicht in Frage, ist die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylbegehrens nach den nationalen Vorschriften (Art. 16a GG und die entsprechenden Bestimmungen des AsylVfG) zuständig. Auf die Frage, ob sich der Asylbewerber auf Vorschriften der Dublin II-VO berufen kann, kommt es dann nicht an.

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zuzulassen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (10 B 35.14 - juris) oder dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - juris) ab. Wie unter Nr. 1 des Beschlusses ausgeführt, steht hier nicht mehr eine Überstellung der Kläger in einen anderen Dublin II-Vertragsstaat im Raum, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Asylbewerber gegen einen entsprechenden Bescheid ausschließlich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend machen kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylVfG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Kläger sind nach eigenen Angaben russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Im Juni 2013 reisten sie von Weißrussland in die Republik Polen ein und stellten Asylanträge. Die polnischen Behörden wiesen die Kläger an, sich in einem Lager für Asylbewerber zu melden und belehrten sie darüber, dass sie Polen nicht verlassen dürften.

Diesen Anweisungen leisteten die Kläger keine Folge, sondern reisten am 12. Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland weiter und stellten am 17. Juni 2013 weitere Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).

Das Bundesamt ersuchte am 17. Juli 2013 die Republik Polen um Übernahme der Kläger. Die polnischen Behörden stimmten am 22. Juli 2013 zu. Mit Bescheid vom 26. Juli 2013 erklärte das Bundesamt die Asylanträge für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2). Polen sei für die Behandlung der Asylanträge zuständig, Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Polen innerhalb der in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO festgesetzten Frist durchzuführen.

Mit Beschluss vom 27. September 2013 ordnete das Verwaltungsgericht Würzburg an, dass die Kläger bis zwölf Wochen nach Beendigung der Schwangerschaft der Klägerin zu 1. nicht abgeschoben werden dürfen. Am 29. Januar 2014 kam der Sohn S. zur Welt. Ob er in das Wiederaufnahmeverfahren einbezogen wurde, kann den Behördenakten nicht entnommen werden.

Mit Urteil vom 7. Januar 2015 hob des Verwaltungsgericht den Bescheid vom 26. Juli 2013 auf, da die Überstellungsfrist abgelaufen und Polen nicht zur Übernahme der Kläger bereit sei. Eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG sei nicht möglich.

Gegen die Aufhebung der Nr. 1 des Bescheids wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Kläger entgegentreten. Die Beklagte macht geltend, das Urteil weiche von dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014, Az. 13a B 13.30295, ab und habe grundsätzliche Bedeutung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) ab.

Eine Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass ein Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts von einem tragenden Rechts- oder Tatsachensatz des übergeordneten Gerichts abweicht und das Urteil darauf beruht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 42).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn das angefochtene Urteil beruht nicht auf der geltend gemachten Abweichung. Der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof vom 28. Februar 2014, a. a. O., lag zugrunde, dass der Kläger im Falle einer tatsächlich noch möglichen Überstellung in den nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EG L 50 S. 1, Dublin II-VO), zuständigen Mitgliedstaat innerhalb der Überstellungsfrist mit anderen Gründen als systemischen Mängeln des dortigen Asylverfahrens nicht entgegentreten kann. Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht demgegenüber festgestellt, dass die Überstellungsfrist abgelaufen und die als zuständig bestimmte Republik Polen nicht mehr zur Übernahme der Kläger bereit sei. Diese Feststellungen wurden von der Beklagten nicht mit einer Verfahrensrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG angegriffen und sind daher zugrunde zu legen. Die Beklagte hatte auch im erstinstanzlichen Verfahren weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass die Republik Polen trotz Ablauf der Überstellungsfrist noch zu einer Übernahme der Kläger bereit sei. Dabei handelt es sich um einen von dem Urteil vom 28. Februar 2014 abweichenden Sachverhalt, der damit auch einer anderen rechtlichen Beurteilung unterliegt.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiter-entwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ, a. a. O. § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob ein Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist, und ob dies insbesondere dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt“.

Diese Frage war in beiden Teilen für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, da es davon ausgegangen ist, dass die Überstellungsfrist zwar abgelaufen sei, aber darüber hinaus die Republik Polen die Übernahme der Kläger nunmehr auch ablehne. Die Frage, ob die Aufhebung der Ablehnung nach § 27a AsylVfG verlangt werden kann, solange nur die Überstellungsfrist abgelaufen ist oder wenn Unsicherheit darüber besteht, ob die Übernahme abgelehnt wird, hat sich dem Verwaltungsgericht daher so nicht gestellt.

Im Übrigen wäre die Frage im vorliegenden Verfahren auch nicht klärungsfähig, denn Nr. 2 des Bescheids vom 26. Juli 2013, mit dem die Abschiebung in den als zuständig bestimmten Mitgliedstaat angeordnet wurde, hat das Verwaltungsgericht aufgehoben. Dagegen wendet sich die Beklagte nicht. Die Kläger sind daher im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag weder vollziehbar ausreisepflichtig, noch ist geklärt, in welchen anderen Mitgliedstaat sie überstellt werden sollen. Aus der streitgegenständlichen Nr. 1 des Bescheids vom 26. Juli 2013 ergibt sich nur, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht zuständig für die Entscheidung über die Asylanträge ansieht. Für die Kläger ist auch in Anbetracht der Begründung des Bescheids, dass Deutschland verpflichtet sei, die Überstellung innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO durchzuführen, nach Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids nicht ersichtlich, welcher Mitgliedstaat nun für sie zuständig ist und wie das Verfahren fortgeführt werden soll.

Es ergibt sich dabei ohne weiteres aus der Dublin II-VO, dass eine Situation, in der zwar ein Bescheid nach § 27a AsylVfG ergangen, zugleich aber nicht geklärt ist, in welchen Mitgliedstaat die Asylbewerber überstellt werden sollen, in Anbetracht des Beschleunigungsgrundsatzes nicht hingenommen werden kann. Unter der hier vom Verwaltungsgericht angenommenen Voraussetzung, dass der als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Übernahme nach Ablauf der Überstellungsfrist endgültig ablehnt und die Überstellung damit unmöglich ist, kann der Asylbewerber eine Fortführung der Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II-VO verlangen (vgl. zu einem Fall des Vorliegens systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in dem als zuständig bestimmten Mitgliedstaat, EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 - Slg. 2011, I-13905).

Gelangt die Beklagte in diesem Verfahren zu dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik Deutschland nunmehr der zuständige Mitgliedstaat ist, da die Republik Polen nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO nicht mehr und auch kein anderer Mitgliedstaat in Betracht kommt, so wäre zuerst zu prüfen, ob von einem Erst- oder Zweitantrag auszugehen ist und das Verfahren entsprechend zu gestalten. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 71a AsylVfG wäre dann zu prüfen, ob die Kläger bis zum Eintritt der Unmöglichkeit der Überstellung nach Polen die Möglichkeit hatten, freiwillig dorthin auszureisen und es ggf. selbst verschuldet haben, dass ihre Anträge dort nicht geprüft werden konnten (vgl. § 51 Abs. 2 VwVfG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die in den Jahren 1980, 1982, 2002, 2004, 2006, 2008, 2010 und 2012 geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 16.06.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 17.06.2013 Asylanträge.
Bei ihrer auf den Flucht- und Reiseweg beschränkten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gaben die Kläger Ziffer 1 und 2 unter anderem an, sie hätten bereits zuvor am 12.06.2013 in Polen Asylanträge gestellt.
Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.10.2013 erklärten die zuständigen polnischen Behörden mit Schreiben vom 24.10.2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II.
Hierauf stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 22.11.2013 fest, dass die Asylanträge unzulässig sind, und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an.
Die Kläger erhoben am 05.12.2013 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und trugen zu deren Begründung zunächst vor, dass Tschetschenen auch vor Übergriffen im europäischen Ausland nicht zurückschreckten, zeige die Verurteilung von drei Attentätern durch die österreichische Justiz wegen der Tötung von Umar Isrilov am 13.01.2009. Deshalb habe die Beklagte vorliegend ausnahmsweise von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Bei der Klage handle es sich um eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer Untätigkeitsklage. Die Untätigkeit ergebe sich daraus, dass das Bundesamt gegenüber dem zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe mittlerweile eingeräumt habe, dass die Frist für ihre Rücküberstellung am 10.07.2014 abgelaufen sei. Im Übrigen sei sie, die Klägerin Ziffer 2, nicht reisefähig. Ergänzend wurden drei ärztliche Befundberichte des C. Bad Göppingen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 08.04., 04.08. und 02.10.2014 sowie eine ausführliche psychologische Stellungnahme der Diplom-Psychologin R... M... vorgelegt, bei der sich die Klägerin Ziffer 2 seit dem 11.06.2014 in tiefenpsychologisch fundierter traumaadaptierter Psychotherapie befindet.
Die Beklagte trat den Klagen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids entgegen.
Ein von den Klägern betriebenes Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos (Beschluss vom 02.01.2014 - A 3 K 4848/13).
In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin Ziffer 2 nach ihrem Gesundheitszustand befragt an, neben ihren massiven psychischen Problemen, wegen derer sie nach wie vor in psychologischer Behandlung sei, habe sie nun auch noch Probleme mit dem Herzen.
Durch Urteil vom 11.11.2014 hob das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Die Klage sei lediglich teilweise als (isolierte) Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2013 zulässig. Dies gelte auch insoweit, als die Beklagte den Asylantrag der Kläger als unzulässig verbeschieden habe. In den Fällen, in denen die Beklagte einen von einem Ausländer gestellten ersten Asylantrag noch nicht in der Sache beschieden habe, sei nämlich kein Raum für eine Verpflichtungsklage.
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Die danach allein zulässige Anfechtungsklage sei auch begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtwidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Dies folge allerdings nicht schon aus § 27a AsylVfG. Danach sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger sei Polen zuständig. Auch seien den vorliegenden Erkenntnisquellen keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Polen zu entnehmen. Indessen erweise sich die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung jedenfalls in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtswidrig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordne das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Zwar sei eine Abschiebung der Kläger nach Polen nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist unzulässig geworden. Jedoch liege bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor. Es sei anerkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anders als bei Erlass einer Abschiebungsandrohung bei Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylVfG auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen habe. Aus den von den Klägern mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2014 vorgelegten Unterlagen ergäben sich nach Überzeugung des Gerichts bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit der Klägerin Ziffer 2 im entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Liege jedoch bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor, erstrecke sich dieses im Hinblick auf das Erfordernis der Wahrung der Familieneinheit gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 bis 11 VO Dublin III auch auf die anderen Kläger des vorliegenden Verfahrens.
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Das Urteil wurde der Beklagten am 21.11.2014 zugestellt.
12 
Am 17.12.2014 beantragte die Beklagte die Zulassung der Berufung.
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Durch am 23.01.2015 der Beklagten zugestellten Beschluss vom 14.01.2015 ließ der Senat die Berufung zu, soweit die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids aufgehoben worden war, und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
14 
Am 23.02.2015 begründete die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag. Die Überstellungsfrist nach der VO Dublin II sei zwar mittlerweile abgelaufen, es sei auch nicht mehr beabsichtigt, die Kläger nach Polen zu überstellen. Polen würde zwar im Falle einer Rückkehr bis zu zwei Jahre nach einer erfolgten vorläufigen Einstellung des Verfahrens dieses wiedereröffnen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass Polen im Falle einer Einreise der Kläger ein Wiederaufnahmeersuchen an die Bundesrepublik stellen würde. Damit könne die im Streit befindliche Entscheidung, wonach die Asylanträge unzulässig seien, nicht mehr auf § 27a AsylVfG gestützt werden. Allerdings lägen mittlerweile Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vor. Da aber die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen, könne die angegriffene Entscheidung insoweit aufrechterhalten bleiben, jedenfalls könnten die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Ungeachtet dessen sei der isolierte Anfechtungsantrag schon nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, die Sache spruchreif zu machen. Deshalb seien die Klagen mit dem Anfechtungsantrag auch aus diesem Grund abzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 11.11.2014 - A 3 K 4877/13 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie machen sich im Wesentlichen das angegriffene Urteil zu eigen.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
21 
Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
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Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
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All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.

1

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. März 2014 den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig ab, da für die Durchführung des Asylverfahrens aufgrund einer früheren Asylantragstellung Ungarn zuständig sei; zugleich ordnete sie die Abschiebung nach Ungarn nach § 34a AsylVfG an. Auf die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hob das Verwaltungsgericht Hamburg den angefochtenen Bescheid auf. Die internationale Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wegen Ablaufs der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III VO auf die Beklagte übergegangen.

2

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei zu folgern, dass die erhobene Anfechtungsklage unzulässig und zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben sei. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 22. Dezember 2014 Bezug genommen.

II.

3

Der zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die von der Beklagten gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht im Rahmen des Zulassungsverfahrens beschränkt ist, rechtfertigen die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg weder wegen Divergenz noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 AsylVfG).

4

1. Eine Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem das Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG genannten höheren Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Abweichung ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechts-vorschrift ausdrücklich oder konkludent von einem in der Rechtsprechung eines der genannten höheren Gerichte aufgestellten Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechts-satz abgerückt ist und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Die nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG notwendige Darlegung der Divergenz erfordert, dass ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgezeigt wird, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des höheren Gerichts in Widerspruch steht (BVerwG, Beschl. v. 22.3.2006, 1 B 59/05 u.a., juris Rn. 5).

5

Gemessen an diesem Maßstab ist nicht ersichtlich, dass das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts von den von der Beklagten benannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

6

Die Beklagte macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil vom 10. Februar 1998 (BVerwG 9 C 28.97, juris Rn. 10) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 6. September 1990 (BVerwG 6 C 4.90) zu einer Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 AsylVfG ausgeführt, dass nicht isoliert auf ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens geklagt werden könne, sondern die das Asylverfahren abschließende Entscheidung eingeklagt werden müsse. Das verwaltungsgerichtliche Urteil weicht nach dem oben aufgeführten Maßstab bereits deshalb nicht von den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG ab, weil diese nicht zu § 27a AsylVfG ergangen sind.

7

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zuzulassen.

8

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Berufungsentscheidung erhebliche tatsächliche oder rechtliche Frage aufwirft, die bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und daher im Interesse der Einheit, der Fortbildung oder einheitlichen Auslegung und Anwendung des Rechts der Klärung durch das Rechtsmittelgericht bedarf (vgl. VGH München, Beschl. v. 10.2.2012, 10 ZB 11.980, juris Rn. 4). Dementsprechend verlangt das Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist, und darlegt, inwieweit ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2012, 5 Bf 241/10.Z, juris Rn. 32). Dies ist hier nicht der Fall.

9

Die Beklagte sieht als klärungsbedürftig an,

10

ob bei einem als unzulässig i.S.d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen bzw. Maßgaben unterliegt,
und
deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist
sowie
ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen
und ferner,
ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.

11

Zur Begründung führt sie aus, dass zwar grundsätzlich dem Kläger die Disposition über den Streitgegenstand zustehe und das Gericht über den gewählten Klagantrag gemäß § 88 VwGO nicht hinausgehen dürfe. Es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der vom Kläger gewählte Anfechtungsantrag zulässig sei. Gegen dessen Zulässigkeit spreche, dass das gesamte Asylverfahren in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägt sei. Dies sei besonders deutlich in der vorliegenden Konstellation, in der ein im Bundesgebiet gestellter Asylantrag zugleich einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG darstelle. § 71a Abs. 1 AsylVfG sei jedoch entsprechend dem Folgeantragsverfahren in § 71 AsylVfG konzipiert. Gegen die Ablehnung eines Folgeantrags i.S.d. § 71 Abs. 1 AsylVfG sei nach der aufgeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber eine isolierte Anfechtungsklage unzulässig; vielmehr seien die Tatsachengerichte verpflichtet, die Streitsache in vollem Umfang spruchreif zu machen.

12

2.1. Auf der Grundlage der vorhandenen obergerichtlichen Rechtsprechung (VGH Mannheim, Urt. v. 16.4.2014, A 11 S 1721/13, InfAuslR 2014, 293, juris Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschl. v. 6.11.2014, 13 LA 66/14, AuAS 2014, 273, juris Rn. 6 f.; OVG Münster, Urt. v. 7.3.2014, 1 A 21/12.A, AuAS 2014, 118, juris Rn. 28 ff.; VGH München, Urt. v. 28.2.2014, 13a B 13/30295, BayVBl 2014, 628, juris Rn. 21 ff.; OVG Magdeburg, Urt. v. 2.10.2013, 3 L 643/12, juris Rn. 21 ff.; vgl. auch: Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Juni 2014, II - § 34a AsylVfG Rn. 64; Bergmann in: Renner, Bergmann, Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 34a AsylVfG Rn. 6; Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 34a Rn. 17) ist hinreichend geklärt und bedarf keiner weiteren Klärung in einem Berufungsverfahren, dass gegen einen Bescheid der Beklagten, in dem diese einen Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig ablehnt und eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG erlässt, die (isolierte) Anfechtungsklage statthaft ist und zwar auch in Fällen, in denen in der Sache ein Zweitantrag nach § 71a Abs. 1 AsylVfG vorliegt oder geltend gemacht wird.

13

Denn das Verfahren zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedsstaats auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist“ (ABl. Nr. L 180 S. 31; Dublin III VO) ist ein eigenständiges Verwaltungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, in welchem - je nach Fallkonstellation - die Beklagte auch im Falle der Unzulässigkeit einer Rückführung in den von ihr als zuständig bestimmten Staat zur Fortführung der Prüfung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates verpflichtet sein kann (vgl. zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II VO: EuGH, Urt. v. 14.11.2013, C-4/11, InfAuslR 2014, 68, juris). Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen die Einstellung des Asylverfahrens aufgrund einer Antragsrücknahme nach § 32 AsylVfG bzw. wegen Nichtbetreibens des Asylverfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG für zulässig erachtet (BVerwG, Urt. v. 5.9.2013, 10 C 1/13, BVerwGE 147, 329). Dies stellt im Hinblick auf die fehlende materiell-rechtliche Entscheidung des Asylbegehrens aufgrund verfahrensrechtlicher Umstände eine prozessual vergleichbare Situation dar. Die von der Beklagten angeführte Verfahrenskonstellation der Ablehnung eines Asylfolgeantrages als unbeachtlich zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag materiell-rechtlich bescheidet.

14

Die Beklagte hat sich zudem mit dieser in der überzeugenden obergerichtlichen Rechtsprechung ausdrücklich auch zu Zweitanträgen nach § 71a Abs. 1 AsylVfG vertretenen Rechtsauffassung (VGH Mannheim, Urt. v. 16.4.2014, A 11 S 1721/13, juris Rn. 23; OVG Münster, Urt. v. 7.3.2014, 1 A 21/12.A, juris Rn. 34) nicht auseinandergesetzt, so dass ihr Zulassungsantrag insoweit nicht dem Darlegungserfordernis entspricht.

15

2.2. Soweit die Beklagte als grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht, ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist, ist die Frage bereits nicht entscheidungserheblich, weil das Gericht gemäß § 88 VwGO nicht über den allein gestellten und zulässigen Anfechtungsantrag hinausgehend das Vorliegen eines verfahrensrelevanten Antrags feststellen und erst recht nicht - ohne entsprechenden Klagantrag - in der Folge materiell-rechtlich über den Anspruch auf Gewährung von Asyl, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz entscheiden darf.

III.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG. Da die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt, bedarf es keiner Entscheidung über das Prozesskostenhilfe-Gesuch des Klägers für das Zulassungsverfahren.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. Februar 2015, soweit der Klage stattgegeben wurde (Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 5. Mai 2014), hat keinen Erfolg. In Nr. 1 dieses Bescheids war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden. Letztere war von der Beklagten mit Schreiben vom 4. Februar 2015 aufgehoben worden.

Die Beklagte wirft als gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, ob „der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und ob dies insbesondere bereits dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt“.

Das Rechtsmittel ist bereits nicht statthaft und unzulässig, weil die Beklagte durch die Aufhebung von Nr. 1 ihres Bescheids nicht beschwert ist. Eine Beschwer läge nur vor, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für sie nach ihrem Inhalt nachteilig wäre, also dem Kläger etwas zu ihren Lasten zusprechen, zu ihren Lasten rechtsgestaltend wirken oder einen Streit um ein Rechtsverhältnis zu ihren Ungunsten entscheiden würde (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 29; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, vor § 124 Rn. 39). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Bundesrepublik Deutschland durch Zeitablauf nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgeblich ist hier die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird.

Unstreitig ist hier die Überstellungsfrist abgelaufen. Dieser Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der 6-Monatsfrist stellt keinen fingierten Selbsteintritt, sondern eine besondere Zuständigkeitsnorm dar, die letztlich lediglich vom Ablauf der Frist abhängig ist. Die Regelung stützt sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedstaat, der die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht zeitgemäß durchführt, die Folgen tragen muss (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 K9). Ob Ungarn wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist die Übernahme ablehnt, ist angesichts des Zuständigkeitsübergangs unmaßgeblich. Im Übrigen geht auch die Beklagte von ihrer Zuständigkeit aus, wie sich aus deren Überlegungen zu einer Umdeutung des Bescheids und dem Schreiben vom 4. Februar 2015 an das Verwaltungsgericht ausdrücklich ergibt. Der Ausspruch, der Asylantrag des Klägers sei mangels Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, entspricht daher weder der Rechtslage noch der nunmehrigen Auffassung der Beklagten. Seine Aufhebung verletzt diese nicht in ihren Rechten.

Auch soweit sich die Beklagte auf eine Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG bezieht, ergibt sich keine Beschwer, weil weder eine dahingehende Aufrechterhaltung noch eine Umdeutung möglich ist. Streitgegenstand ist die Rechtsbehauptung des Klägers, der von ihm angegriffene Verwaltungsakt (Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland) sei rechtswidrig und greife in seine Rechtssphäre ein. Damit ist rechtskraftfähiger Inhalt des Urteils allein die Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG. Hiervon zu unterscheiden ist der materielle Asylanspruch und inwieweit dieser im Rahmen eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG noch geltend gemacht werden kann. Der Ausspruch, dass der Asylantrag mangels Zuständigkeit unzulässig ist, enthält nicht zugleich eine materiellrechtliche Aussage dahingehend, dass ein weiteres Asylverfahren im Sinn von § 71a AsylVfG nicht durchzuführen ist. Weil eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG nur die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags betrifft, wohingegen § 71a AsylVfG eine materielle Prüfung dahingehend erfordert, ob Wiederaufgreifensgründe gemäß § 51 VwVfG vorliegen, scheidet auch eine entsprechende Umdeutung aus. Weder der angestrebte Erfolg noch die Wirkungen dieser beiden Verwaltungsakte sind gleich. Ein Ausspruch nach § 27a AsylVfG bildet die Grundlage für eine Abschiebungsanordnung in den anderen Staat - hier Ungarn - nach § 34a AsylVfG, das Fehlen der Voraussetzungen des § 71a AsylVfG führt zu einer Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat - hier Afghanistan - gemäß § 34 AsylVfG.

Auf die weitere Frage, ob das Urteil insoweit von der Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677 = InfAuslR 2014, 352) abweicht, kommt es damit nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Einer Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf es angesichts der Kostenentscheidung nicht.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die in den Jahren 1980, 1982, 2002, 2004, 2006, 2008, 2010 und 2012 geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 16.06.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 17.06.2013 Asylanträge.
Bei ihrer auf den Flucht- und Reiseweg beschränkten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gaben die Kläger Ziffer 1 und 2 unter anderem an, sie hätten bereits zuvor am 12.06.2013 in Polen Asylanträge gestellt.
Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.10.2013 erklärten die zuständigen polnischen Behörden mit Schreiben vom 24.10.2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II.
Hierauf stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 22.11.2013 fest, dass die Asylanträge unzulässig sind, und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an.
Die Kläger erhoben am 05.12.2013 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und trugen zu deren Begründung zunächst vor, dass Tschetschenen auch vor Übergriffen im europäischen Ausland nicht zurückschreckten, zeige die Verurteilung von drei Attentätern durch die österreichische Justiz wegen der Tötung von Umar Isrilov am 13.01.2009. Deshalb habe die Beklagte vorliegend ausnahmsweise von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Bei der Klage handle es sich um eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer Untätigkeitsklage. Die Untätigkeit ergebe sich daraus, dass das Bundesamt gegenüber dem zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe mittlerweile eingeräumt habe, dass die Frist für ihre Rücküberstellung am 10.07.2014 abgelaufen sei. Im Übrigen sei sie, die Klägerin Ziffer 2, nicht reisefähig. Ergänzend wurden drei ärztliche Befundberichte des C. Bad Göppingen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 08.04., 04.08. und 02.10.2014 sowie eine ausführliche psychologische Stellungnahme der Diplom-Psychologin R... M... vorgelegt, bei der sich die Klägerin Ziffer 2 seit dem 11.06.2014 in tiefenpsychologisch fundierter traumaadaptierter Psychotherapie befindet.
Die Beklagte trat den Klagen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids entgegen.
Ein von den Klägern betriebenes Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos (Beschluss vom 02.01.2014 - A 3 K 4848/13).
In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin Ziffer 2 nach ihrem Gesundheitszustand befragt an, neben ihren massiven psychischen Problemen, wegen derer sie nach wie vor in psychologischer Behandlung sei, habe sie nun auch noch Probleme mit dem Herzen.
Durch Urteil vom 11.11.2014 hob das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Die Klage sei lediglich teilweise als (isolierte) Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2013 zulässig. Dies gelte auch insoweit, als die Beklagte den Asylantrag der Kläger als unzulässig verbeschieden habe. In den Fällen, in denen die Beklagte einen von einem Ausländer gestellten ersten Asylantrag noch nicht in der Sache beschieden habe, sei nämlich kein Raum für eine Verpflichtungsklage.
10 
Die danach allein zulässige Anfechtungsklage sei auch begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtwidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Dies folge allerdings nicht schon aus § 27a AsylVfG. Danach sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger sei Polen zuständig. Auch seien den vorliegenden Erkenntnisquellen keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Polen zu entnehmen. Indessen erweise sich die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung jedenfalls in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtswidrig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordne das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Zwar sei eine Abschiebung der Kläger nach Polen nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist unzulässig geworden. Jedoch liege bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor. Es sei anerkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anders als bei Erlass einer Abschiebungsandrohung bei Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylVfG auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen habe. Aus den von den Klägern mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2014 vorgelegten Unterlagen ergäben sich nach Überzeugung des Gerichts bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit der Klägerin Ziffer 2 im entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Liege jedoch bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor, erstrecke sich dieses im Hinblick auf das Erfordernis der Wahrung der Familieneinheit gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 bis 11 VO Dublin III auch auf die anderen Kläger des vorliegenden Verfahrens.
11 
Das Urteil wurde der Beklagten am 21.11.2014 zugestellt.
12 
Am 17.12.2014 beantragte die Beklagte die Zulassung der Berufung.
13 
Durch am 23.01.2015 der Beklagten zugestellten Beschluss vom 14.01.2015 ließ der Senat die Berufung zu, soweit die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids aufgehoben worden war, und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
14 
Am 23.02.2015 begründete die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag. Die Überstellungsfrist nach der VO Dublin II sei zwar mittlerweile abgelaufen, es sei auch nicht mehr beabsichtigt, die Kläger nach Polen zu überstellen. Polen würde zwar im Falle einer Rückkehr bis zu zwei Jahre nach einer erfolgten vorläufigen Einstellung des Verfahrens dieses wiedereröffnen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass Polen im Falle einer Einreise der Kläger ein Wiederaufnahmeersuchen an die Bundesrepublik stellen würde. Damit könne die im Streit befindliche Entscheidung, wonach die Asylanträge unzulässig seien, nicht mehr auf § 27a AsylVfG gestützt werden. Allerdings lägen mittlerweile Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vor. Da aber die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen, könne die angegriffene Entscheidung insoweit aufrechterhalten bleiben, jedenfalls könnten die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Ungeachtet dessen sei der isolierte Anfechtungsantrag schon nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, die Sache spruchreif zu machen. Deshalb seien die Klagen mit dem Anfechtungsantrag auch aus diesem Grund abzuweisen.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 11.11.2014 - A 3 K 4877/13 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
17 
Die Kläger beantragen,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie machen sich im Wesentlichen das angegriffene Urteil zu eigen.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
21 
Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung von Nr. 1 des Bescheids vom 13. Januar 2014, mit dem sie die Asylanträge der Kläger für unzulässig erklärt hat.

Die 1976, 2002, 2006 und 2010 geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten nach eigenen Angaben am 27. Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 2. Juli 2013 Asylanträge. Am 16. Oktober 2013 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an Polen. Die polnischen Behörden stimmten der Übernahme der Kläger am 21. Oktober 2013 nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO zu. Mit Bescheid vom 13. Januar 2014 erklärte die Beklagte die Asylanträge für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2). Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den Antrag der Kläger auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 30. Januar 2014 (RO 9 S 14.30043) mit einer Maßgabe ab und hob den Bescheid vom 13. Januar 2014 mit Gerichtsbescheid vom 3. November 2014 auf. Mit Ablauf der Überstellungsfrist am 28. Juli 2014 sei die Zuständigkeit auf die Beklagte übergegangen. Eine Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheids in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG komme nicht in Betracht.

Gegen die Aufhebung von Nr. 1 des Bescheids wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte macht Gründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG geltend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts weicht nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (BVerwG 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171) ab.

Eine Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass ein Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts von einem tragenden Rechts- oder Tatsachensatz des übergeordneten Gerichts abweicht und das Urteil darauf beruht. Der fragliche Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts muss sich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen wie die Entscheidung, von der die Abweichung behauptet wird; die bloße Vergleichbarkeit der Regelungsinhalte genügt nicht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 42; BVerwG, B. v. 28.1.2004 - 6 PB 15/03 - NVwZ 2004, 889).

Eine solche Abweichung liegt hier nicht vor. Die Beklagte macht mit ihrem Antrag selbst geltend, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG und nicht zu einer Entscheidung über die Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EG L 50 S. 1, Dublin II-VO), ergangen ist. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Regelungen, denn § 27a AsylVfG betrifft die Behandlung eines Asylantrags im Falle der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, während § 71 AsylVfG die Behandlung eines Folgeantrags, für den die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, regelt. Auf § 71a AsylVfG, dessen Regelungsgehalt dem des § 71 AsylVfG sehr ähnlich ist, hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt, sondern hat ausgeführt, dass eine Umdeutung der Nr. 1 des Bescheids vom 13. Januar 2014 in eine Ablehnung nach § 71a AsylVfG nicht in Betracht komme.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ, a. a. O. Rn. 36).

2.1 Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag eine isolierte Anfechtungsklage die zulässige Klageart darstellt oder vielmehr eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, insbesondere bzw. jedenfalls wenn der Asylantrag zugleich Zweitantrag i. S. d. § 71a AsylVfG ist, und ob die Tatsachengerichte verpflichtet sind, das Asylbegehren dann auch in der Sache spruchreif zu machen.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Zahlreiche Oberverwaltungsgerichte einschließlich des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) sind der Ansicht, dass statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage ist (siehe NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Es besteht daher kein weitergehender Klärungsbedarf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen würde (vgl. ausführlich BayVGH, B. v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071 - juris; OVG Hamburg, B. v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris).

2.2 Soweit die Beklagte meint, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere dann, wenn es sich um den Fall eines Zweit-antrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in der Konstellation des ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos abgeschlossenen Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids insoweit hinsichtlich des im Bundesgebiet weiteren Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt sind, oder ob es noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrelevanter Asylantrag vorliegt, weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht und zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung.

Die Klage wurde als Anfechtungsklage erhoben und eine Verpflichtung auf Anerkennung als Asylberechtigte, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes wurde nicht begehrt, sondern nur die Verpflichtung auf Durchführung eines Asylverfahrens. Deshalb hat sich dem Verwaltungsgericht im Rahmen des § 88 VwGO nicht die Frage gestellt, ob es weitergehender Feststellungen hinsichtlich möglicher Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bedarf (s. BayVGH, B. v. 23.1.2015 a. a. O. Rn. 9).

Selbst wenn man einen solchen Verpflichtungsantrag als konkludent gestellt ansehen würde (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 a. a. O. Rn. 22), ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargetan. Die Frage, ob eine Aufrechterhaltung der Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage oder eine Umdeutung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, ob also eine Umdeutung eines auf § 27a AsylVfG gestützten Bescheids in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG überhaupt möglich ist, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Umdeutung hier schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die materiellen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG nicht vorliegen. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt (GA S. 6 ff.), dass ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht nach der geschehenen Verfahrensweise hätte erlassen werden können, weil dafür eine Anhörung zu den maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) hätte erfolgen müssen. Es sei hier im Einklang mit § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG ausschließlich zu einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gemäß § 25 AsylVfG, gekommen, welche lt. Niederschrift mit dem Hinweis geendet habe, dass das Bundesamt aufgrund der gemachten Angaben nunmehr zunächst die Frage überprüfen werde, ob Deutschland für eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig sei. Ergebnis sei die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitbefangenen Bescheids gewesen. Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG habe nie bestanden. Damit sei offensichtlich ausgeschlossen, dass sich die Beklagte auf Basis der gegebenen Aktenlage jemals auch nur hilfsweise mit der Frage hätte auseinandersetzen können, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliege oder nicht. Von der Anhörung habe auch nicht nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG abgesehen werden können, da bei dieser Sachlage insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen sei, nicht möglich sei. Nr. 1 des vorliegenden Bescheids könne auch deshalb nicht in einem Bescheid nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden, weil seine Rechtsfolgen entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Rechtsfolge eines Verwaltungsakt nach § 27a AsylVfG sei nach § 34a AsylVfG die Anordnung der Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Asylantragstellern verbliebe hier die Möglichkeit, auch nach Durchführung der Abschiebung aus Deutschland in diesen Staat dort nach Maßgabe entsprechender nationaler Regelungen weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen, etwa durch Stellung eines Folgeantrags. Damit hat das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt, dass jedenfalls im vorliegenden Fall eine Umdeutung ausscheidet.

Soweit in der Zulassungsbegründung ausgeführt wird, es sei Sache des Asylbewerbers, von sich aus die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen darzulegen, setzt das voraus, dass dieser weiß, dass es sich um ein Zweitantragsverfahren handelt. Angesichts der Belehrung des Bundesamt bei der Anhörung der Klägerin zu 1, es gehe hier zunächst nur um die Frage der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags, kann den Klägern nicht vorgeworfen werden, sie hätten es versäumt, Wiederaufgreifensgründe geltend zu machen, mit der Folge, dass sie diese Gründe in einem weiteren Wiederaufnahmeverfahren wegen der Ausschlussregelung des § 51 Abs. 2 VwVfG und der Fristenregelung des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht mehr geltend machen könnten. Das wäre mit rechtstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Recht auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfG, B. v. 15.1.2015 - 2 BvR 2055/14 - NStZ 2015, 172; BayVGH, B. v. 13.4.2015 - 11 ZB 14.50087 und 50088) nicht vereinbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Dieser Beschluss, mit dem der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechts- kräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.