Verwaltungsgericht München Urteil, 25. Sept. 2018 - M 5 K 17.489

bei uns veröffentlicht am25.09.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache insoweit erledigt ist, als ein Schadensersatz vom Kläger erstrebt wurde, der über einen Betrag von 34.295,86 Euro hinausgeht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 3/8 und der Beklagte 5/8 zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger - eine kreisangehörige Marktgemeinde - begehrt Schadensersatz vom Beklagten, der von 1990 bis … … 2008 als erster Bürgermeister in dessen Diensten stand, wegen einer für unrechtmäßig gehaltenen Begleichung einer Nachtragsforderung einer Baufirma.

Nach der Geschäftsordnung für den Marktgemeinderat des Klägers vom … Mai 2002 gehört zu den Aufgaben dessen ersten Bürgermeisters - die er in eigener Zuständigkeit erledigt - insbesondere auch in allgemeinen Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten der Abschluss von Vergleichen, wenn der Streitwert voraussichtlich 20.000 Euro nicht übersteigt und die Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 a) der Geschäftsordnung).

Im Oktober 2005 erwarb der Kläger im Wege der Ausübung gemeindlichen Vorkaufsrechts ein Grundstück entlang der …, das mit den sog. …(Lager-) Hallen bebaut war. Auf Anfrage des Klägers unterbreitete die Firma D* … … (Fa. D* …*) am … Februar 2006 ein Angebot zum Rückbau dieser Hallen unter Berücksichtigung sachkundigen Abbaus und Entsorgung asbesthaltiger Bauteile.

Am … Januar 2007 schrieb der Kläger den Abbruch der Hallen aus. Die Ausführung der Abbrucharbeiten sollte voraussichtlich am *. März 2007 beginnen und bis … April 2007 beendet sein. Neben einem Leistungsverzeichnis über den Abbruch der in die Objekte A, B, C und D unterteilten Hallen (komplett bis Unterkante Fundamente/Bodenplatte) enthielt die Ausschreibung „Allgemeine Vorbemerkungen und Vertragsbedingungen“. Deren Nr. 2 lautete: „Durch die Unterzeichnung des Kostenanschlages, der ohne Unterzeichnung ungültig ist, erklärt der Auftragnehmer, dass er sich vor Abgabe seines Angebotes oder Kostenvoranschlages über alle örtlichen und sachlichen Verhältnisse und etwaige aufliegende Pläne unterrichtet hat, weshalb Nachforderungen ausgeschlossen sind.“

Die Fa. D* … unterbreitete am … Januar 2007 ein Kostenangebot über 350.693 Euro (brutto, d.h. inkl. 19% Mehrwertsteuer). Der Marktgemeinderat stellte in öffentlicher Sitzung am *. Februar 2007 fest, dass die Fa. D* … mit diesem Angebot der günstigste Bieter sei und beschloss einstimmig: „Der Abbruch wird von der Marktentwicklungs GmbH durchgeführt. Die Geschäftsführer werden beauftragt, den Auftrag zu vergeben und den Abbruch baldmöglichst durchzuführen.“

Am … März 2007 beschloss der Marktgemeinderat deswegen den Verkauf der Hallen an die Marktentwicklungsgesellschaft … … …*), der jedoch nicht durchgeführt wurde. Weitere Beschlüsse in dieser Angelegenheit wurden nicht gefasst (vgl. Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses des Klägers vom …1.2009 - Prüfung der Jahresrechnung 2007; hier: Abbruch der …hallen).

Mit Schreiben vom … März 2007 erteilte der Kläger, vertreten durch den Beklagten, der Fa. D* … den Auftrag gemäß deren Angebot. Am … April 2007 erstattete die Fa. D* … dem Kläger eine Behinderungsanzeige, weil sie an den Gebäuden B und C asbesthaltige Wandplatten vorgefunden habe, und unterbreitete ein Nachtragsangebot über (zunächst) 36.125,00 Euro (netto). Dieses wies der Beklagte für den Kläger mit Schreiben vom … April 2007 deswegen zurück, weil der Abbruch komplett anzubieten gewesen und der Fa. D* … das Vorhandensein asbesthaltigen Materials bereits vor Angebotsabgabe nachweislich bekannt gewesen sei.

Auf Rechnungen vom … April 2007 und … Mai 2007 hin erfolgten Abschlagszahlungen an die Fa. D* … über 127.000 Euro und 120.000 Euro (jeweils brutto).

Am … Juli 2007 wurde hinsichtlich Nachtragsforderungen der Fa. D* … wegen des asbesthaltigen Materials und zusätzlich wegen im Zuge der Bauarbeiten vorgefundener Stahlbetonfundamente mit dieser durch den Beklagten ein - nicht dokumentierter - mündlicher Vergleich geschlossen. Auf Seiten des Klägers nahmen an der Besprechung hierzu neben dem Beklagten der damalige Leiter des Technischen Bauamtes des Klägers, Herr W* …, Rechtsanwalt Dr. S* … und Dipl.-Ing. F* … teil.

Auf dieser Grundlage wurde die eigentlich über 239.417,33 Euro (brutto) lautende Schlussrechnung der Fa. D* … vom … August 2007 auf einen Betrag von 210.936,88 Euro (brutto) reduziert (auf der Rechnung bestätigte Herr W* … am …9.2007 dazu „sachlich und rechnerisch richtig“) und der Beklagte ordnete am … September 2007 eine entsprechende Auszahlung an die Fa. D* … an.

Herr W* … informierte den Marktgemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung am … April 2008 über die Mehrkosten für den Abbruch der Hallen in Höhe von 107.241,65 Euro. Eine Beschlussfassung fand insoweit nicht statt.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Klägers stellte in nichtöffentlicher Sitzung am … Januar 2009 bei der Prüfung der Jahresrechnung 2007 hinsichtlich des Abbruchs der …Hallen eine in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Beschlusslage fest.

Vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (BKPV) erhielt der Kläger eine vorläufige Prüfungsnotiz vom … Juni 2009, nach der es hinsichtlich des Abbruchs der …Hallen zu einer unberechtigten Überzahlung an die Fa. D* … in Höhe von 84.295,86 Euro (brutto) gekommen sei (später auch Gegenstand des sog. Teilberichtes 3 des BKPV vom …11.2009, Seite 54 ff., Nr. 6.4). Ein hierauf gestütztes Rückzahlungsverlangen des Klägers vom … Juli 2009 ließ die Fa. D* … durch ihre Bevollmächtigten mit Schreiben vom … Juli 2009 zurückweisen, wobei sie eine Nachforderung ihrerseits von weiteren 25.593,11 Euro (netto) in Aussicht stellte.

Der Marktgemeinderat verweigerte am … Dezember 2010 seine Zustimmung zu der am … Juli 2007 durch den Beklagten betroffenen Vergleichsvereinbarung mit der Fa. D* … und beschloss die Erhebung einer Leistungsklage gegen die Fa. D* … und einer Feststellungsklage gegen den Beklagten.

Mit Schriftsatz vom … Dezember 2010 erhob der Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage zum Landgericht I* … gegen die Fa. D* … mit dem Antrag, diese zu verurteilen, „an den Kläger € 84.295,86 nebst Zinsen in Höhe von 8%punkten über dem Basiszinssatz hieraus p.a. seit …07.2009 zu bezahlen“ (Az.: 51 O 2133/10 Bau).

Die Überzahlung sei ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Fa. D* … ein Pauschalangebot abgegeben habe, bei dem Nachtragsforderungen ausgeschlossen gewesen seien. Der damalige erste Bürgermeister des Klägers habe mangels Beschlusses des Marktgemeinderates und aufgrund fehlender Schriftform keinen wirksamen Vergleich geschlossen.

Mit Schriftsatz vom … Dezember 2010, eingegangen am … Dezember 2010, erhob der Bevollmächtigte des Klägers für diesen außerdem Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte zunächst festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen habe, der dem Kläger bereits entstanden sei und künftig noch entstehe, der daraus resultiere, dass der Beklagte für den Kläger am … Juli 2007 eine Vergleichsabrede mit der Firma D* … Diamanttechnik, Hstraße xx, 8 G. getroffen und hierauf für den Kläger eine Zahlung in Höhe von EUR 84.295,86 veranlasst habe.

Eine Feststellungsklage sei zulässig, da der Schaden noch nicht bezifferbar sei und Verjährung drohe. Es komme auf den nach Durchführung des Rechtsstreits mit der Fa. D* … noch verbleibenden Schaden an. Derzeit habe sich ein Schaden noch nicht realisiert. Der Beklagte habe Kenntnis von der Unbegründetheit der Nachtragsforderung gehabt, was sich aus dessen Schreiben vom … April 2007 ergebe. Dennoch habe er vorsätzlich pflichtwidrig einen Vergleich geschlossen und die Auszahlung an die Fa. D* … angeordnet. Die Kausalität für einen eventuellen Schaden sei gegeben.

Am … Juli 2011 schloss der Kläger vor dem Landgericht I* … mit der Fa. D* … einen Vergleich, dass diese an den Kläger einen Betrag von 50.000 Euro zahle. Damit seien sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche einschließlich Werklohnforderungen der Fa. D* … aus der Schlussrechnung vom … August 2007 abgegolten und erledigt (Nr. I. des Vergleichs). Da der Kläger diesen Vergleich nicht widerrief (Nr. IV. des Vergleichs), wurde er am … August 2011 endgültig wirksam. Den Vergleichsbetrag zahlte die Fa. D* … vollständig und fristgerecht entsprechend einer Ratenzahlungsvereinbarung in Nr. II. des Vergleichs.

Der Bevollmächtigte des Beklagten wandte sich mit Schriftsatz vom … August 2011 gegen die vorliegende Klage. Der Beklagte habe korrekt gehandelt. Er sei vom Gemeinderat beauftragt worden, den Auftrag zum Abbruch der …Hallen abzuwickeln und die notwendigen Verhandlungen durchzuführen. Dazu habe auch die Abwicklung der dem Grunde nach berechtigten Nachforderung gehört. Der Beklagte habe fachlich und rechtsanwaltlich beraten wegen Mängeln der Ausschreibung und aus zeitlichen Gründen am … Juli 2007 einen Vergleich geschlossen und demensprechend die endgültige Rechnung bezahlt. Es könne also keine Rede davon sein, dass der Beklagte gewusst habe, dass die zugrundeliegende Nachtragsforderung offensichtlich unberechtigt gewesen sei und er die Zahlung in Kenntnis der Unwirksamkeit geleistet, also vorsätzlich gehandelt habe. Der Gemeinderat sei in nicht öffentlicher Sitzung am … April 2008 informiert worden, nicht erst durch den dritten Teilbericht des BKPV vom … November 2009. Der Kläger habe auch bereits am … Juli 2011 vor dem Landgericht I* … einen Vergleich geschlossen - von dem der Beklagte erst aus Presseberichten erfahren habe - und durch sein dortiges prozessuales Verhalten selbst unter Beweis gestellt, dass kein Schaden vorliege. Bei einer Leistungsklage anstelle der hier unzulässig erhobenen Feststellungsklage würde die Zahlung der Fa. D* … zu einer Hauptsacheerledigung geführt haben. Es komme also nicht mehr darauf an, dass selbst dann, wenn ein Schaden eingetreten wäre, der Beklagte dem Kläger den Einwand des Mitverschuldens entgegenhalten könnte.

Das ursprünglich unter dem Aktenzeichen M 5 K 10.6209 geführte Klageverfahren ruhte seit … November 2011. Es wurde am … Februar 2017 unter dem Aktenzeichen M 5 K 17.489 wieder aufgenommen.

Am … März 2017 fand durch den damaligen Berichterstatter ein Erörterungstermin statt.

In der mündlichen Verhandlung am 25. September 2018 hat der Bevollmächtigte des Klägers für diesen zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 34.295,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 84.295,86 Euro von der Rechtshängigkeit an bis zum … Juli 2011 sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 34.295,86 Euro ab dem … Juli 2011 zu zahlen.

In Höhe des Vergleichsbetrags mit der Fa. D* … von 50.000 Euro hat er den Rechtsstreit für erledigt erklärt und auch insoweit die Kostentragung seitens des Beklagten beantragt. Die ursprüngliche Feststellungsklage sei auch in Höhe dieses Betrages bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses (Vergleich mit der Fa. D* … am *.7.2011) begründet gewesen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten unter den Aktenzeichen M 5 K 10.6209 und M 5 K 17.489, auf die Akte des Landgerichts I* … (Az.: 51 O 2133/10 Bau) und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. September 2018 verwiesen.

Gründe

1. Nachdem der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache in der mündlichen Verhandlung am 25. September 2018 in Höhe von 50.000 Euro der ursprünglich gegenständlichen 84.295,86 Euro teilweise für erledigt erklärt hat, der Beklagte der Erledigungserklärung jedoch nicht zugestimmt hat und sich das Verfahren tatsächlich teilweise erledigt hat, war insoweit die Erledigung von der Kammer festzustellen.

a) Durch den Widerspruch des Beklagten ist die einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Klägers dahingehend zu deuten, dass er eine Feststellung des Inhalts begehrt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt. Das weitere Verfahren beschränkt sich daher (insoweit) auf die Erledigungsfrage. Es handelt sich beim Übergang auf die Erledigungsfeststellung um eine ohne weiteres zulässige Klageänderung. Gerichtlich zu prüfen ist sodann, ob die Klage vor dem Eintritt der Erledigung zulässig war, auf die Begründetheit der ursprünglich erhobenen Klage kommt es hingegen nicht an. Wird die Zulässigkeit bejaht, so ist darüber zu entscheiden, ob tatsächlich Erledigung eingetreten ist. Ist dies der Fall, ergeht ein entsprechendes Feststellungsurteil. Die Kostenentscheidung des den Erledigungsstreit beendenden Urteils richtet sich nach § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), nicht nach § 161 Abs. 2 VwGO (Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 112 ff.).

b) Der Kläger begehrte zunächst in zulässiger Weise eine gerichtliche Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten ihm gegenüber einerseits dem Grunde nach, begründet durch die Vergleichsabrede mit der Fa. D* … am … Juli 2007 und die darauf basierende Auszahlung an diese in Höhe von 84.295,86 Euro als Teil der vom Beklagten am … September 2007 angeordneten Auszahlung in Höhe von insgesamt 210.936,88 Euro. Als Höhe des möglicherweise entstandenen bzw. noch entstehenden Schadens ging er andererseits jedenfalls von den o.g. 84.295,86 Euro aus.

aa) Damit machte er das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zwischen ihm und dem Beklagten geltend, basierend auf für vorsätzlich pflichtwidrig gehaltener Handlungen des Beklagten als Tatbestandsmerkmal des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte in der bis … Juli 2012 gültigen Fassung (KWBG a.F.).

bb) Das berechtigte Interesse an einer baldigen Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ergab sich aus der nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 KWBG a.F. drohenden Verjährung des vom Kläger angenommenen Schadensersatzanspruch, die durch die Erhebung einer Klage auf Feststellung des Anspruchs gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch / BGB analog).

cc) Dem stand auch nicht die Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Denn der Kläger konnte gegen den Beklagten noch keine konkret bezifferte Leistungsklage erheben, weil sich zum Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage ein Schaden beim Beklagten noch nicht endgültig realisiert hatte. Es hing zunächst einmal tatsächlich vom Ausgang des vor dem Landgericht I* … geführten Rechtsstreits gegen die Fa. D* … ab, die als realer Empfänger der Auszahlungsanordnung vom … September 2007 vorrangig in Anspruch zu nehmen war.

c) Erst durch den rechtswirksamen Vergleich vor dem Landgericht I* … vom 6. Juli 2011 und dessen vollständiger Erfüllung durch die Fa. D* … stand fest, dass sich jedenfalls in Höhe von 50.000 Euro beim Kläger ein Schaden endgültig nicht realisiert hatte. In dieser Höhe hat sich auch die Feststellungsklage erledigt, denn ihr wurde durch den Vergleich als nachträglichem Ereignis teilweise die Grundlage entzogen. Dass diese teilweise Erledigung durch den Kläger selbst herbeigeführt wurde, ist dabei rechtlich unerheblich.

d) Ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten, hier ungeachtet der teilweisen Erledigung der Hauptsache eine Sachentscheidung herbeizuführen, also feststellen zu lassen, dass die Klage (auch) insoweit von vornherein unbegründet gewesen sei, ist nicht ersichtlich.

Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14. April 1989 (4 C 22/88, juris Rn. 14) aus:

„Hat nämlich der Beklagte ein schutzwürdiges Interesse daran, trotz der eingetretenen Erledigung ein klageabweisendes Urteil zu erstreiten, dann darf das Gericht sich in seinem Ausspruch nicht auf die Feststellung der Erledigung beschränken, sondern hat zu klären, ob die Klage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet war und dies gegebenenfalls - auf Antrag des Beklagten - festzustellen (BVerwG, st. Rspr.: Urteil vom 14. Januar 1965 - BVerwG 1 C 68.61 - a.a.O.; Urteil vom 27. Februar 1969 - BVerwG 8 C 37 u. 38.67 - a.a.O.; Urteil vom 20. März 1974 - BVerwG 4 C 48.71 - a.a.O.; Urteil vom 18. April 1986 - BVerwG 8 C 84.84 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69). Besteht ein solches schutzwürdiges Interesse nicht, so hat der Beklagte es in der Hand, durch eine korrespondierende Erledigungserklärung die Kostenfolge des § 161 VwGO herbeizuführen. Die danach vom Gericht zu treffende Billigkeitsentscheidung kann im Falle einer verschleierten Klagerücknahme nicht anders ausfallen, als § 155 Abs. 2 VwGO für den Fall der echten Klagerücknahme vorsieht (BVerwG, Beschluss vom 27. September 1973 - BVerwG 2 C 12.70 - Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 41; vgl. auch für den umgekehrten Fall, daß der Beklagte die angefochtene Verfügung aufhebt: BVerwG, Beschluss vom 31. März 1971 - BVerwG 6 C 74.65 - Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 34).“

Vorliegend war durch die nur teilweise Erledigung der Hauptsache noch über die restliche Klage zu entscheiden, was dem Sachentscheidungsinteresse des Beklagten ausreichend Rechnung tragen konnte.

2. Die im Übrigen erfolgte Umstellung der ursprünglichen Feststellungsklage auf eine allgemeine Leistungsklage in der mündlichen Verhandlung am 25. September 2018 stellt eine ohne weiteres zulässige bloße Klageerweiterung dar, bei der der Klagegrund unverändert bleibt, § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) (Rennert in: Eyermann, a.a.O., § 91 Rn. 15).

Sie wäre auch im Falle der Annahme einer Klageänderung sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO, weil sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Parteien im laufenden Verfahren diente (Rennert in: Eyermann, a.a.O., § 91 Rn. 31).

3. Die nunmehr zur gerichtlichen Entscheidung gestellte allgemeine Leistungsklage auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von noch 34.295,86 Euro nebst Zinsen an den Kläger ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.

a) Sie ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Der Dienstherr hat ein Wahlrecht, ob er auf Art. 49 Abs. 1 Satz 1 KWBG a.F. gestützte Ansprüche durch Leistungsbescheid oder unmittelbar durch Leistungsklage geltend macht (BayVGH, U.v. 30.10.1985 - 3 B 85.A.1122 - BayVBl 1986, 726 m. w. N.; VG München, U.v. 3.12.2010 - M 5 K 08.3525 - BayVBl 2011, 674).

b) Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten in der zuletzt noch streitigen Höhe von 34.295,86 Euro. Auch wenn der Beklagte seine Dienstpflicht zur Beachtung der Gesetze vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt haben sollte, hätte der - vom Kläger angenommene - Schaden durch den Kläger abgewendet werden können.

aa) Rechtsgrundlage eines solchen Anspruches ist Art. 49 Abs. 1 Satz 1 KWBG in der bis 31. Juli 2012 gültigen Fassung (KBWG a.F.). Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Hinsichtlich der Beamteneigenschaft als kommunaler Wahlbeamter nach Art. 1 Nr. 1 KWBG a.F. als erster Bürgermeister ist auf den Rechtsstatus abzustellen, den der Betreffende zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung innegehabt hat. Es ist daher unerheblich, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzanspruches des Klägers nicht mehr dessen kommunaler Wahlbeamter war (BayVGH, U.v. 24.10.1990 - 3 B 89.914 - ZBR 1992, 26; VG München, U.v. 3.12.2010, a.a.O.).

bb) Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten scheitert bereits am Mitverschulden des Klägers, so denn ein Schaden in den von der Fa. D* … nicht zurückerlangten restlichen 34.295,86 Euro liegen sollte. Selbst wenn eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt würde, die zu einem Schaden beim Kläger geführt haben sollte, hat der Kläger es unterlassen, den Schaden zu verringern.

Hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs kann ein Beamter seinem Dienstherrn ein Mitverschulden nach den Maßstäben des § 254 BGB entgegenhalten. § 254 Abs. 1 BGB bezieht sich dabei auf ein mitwirkendes Verschulden des Beschädigten bei der Entstehung des Schadens. In § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB geht es in der Alternative 2 darum, dass es der Beschädigte unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. In beiden Fällen hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Vorliegend hat es der Kläger schuldhaft unterlassen, im Wege des Prozesses gegen die Fa. D* … zu versuchen, von dieser dasjenige vollständig zurückzuerhalten, was ihr nach Meinung des Klägers (auf Grundlage der Äußerungen des BKPV) unrechtmäßig überzahlt worden war, nämlich die vollen 84.295.86 Euro. Hätte der Kläger nicht den Vergleich vom 6. Juli 2011 geschlossen und wäre das Verfahren vor dem Landgericht I* … statt dessen ausprozessiert worden, wäre die Frage eines Schadens beim Kläger geklärt worden.

Wäre nämlich die Überzahlung ungerechtfertigt gewesen, weil die Nachtragsforderungen unberechtigt waren, so wäre die Fa. D* … zur vollständigen Rückzahlung verurteilt worden. Der Kläger hätte dann auch die Kosten seiner Rechtsverfolgung nicht selbst tragen müssen, weil diese der Fa. D* … auferlegt worden wären.

Wäre die Klage jedoch abgewiesen worden und wäre die Fa. D* … womöglich zusätzlich mit der angedrohten Widerklage auf zusätzliche Zahlung erfolgreich gewesen, so hätte festgestanden, dass die sog. Überzahlung rechtmäßig vorgenommen wurde, ein Schaden beim Kläger also nicht entstanden sein konnte. Denn die Vergleichsabrede des Beklagten mit der Fa. D* … allein hätte - unabhängig von der Frage eines fehlenden Beschlusses des Marktgemeinderates (vgl. insoweit die mit Wirkung vom 1.4.2018 vorgenommene Änderung des Art. 38 Abs. 1 GO durch Anfügung eines Satzes 2 aufgrund der Rechtsprechung des BGH [U.v. 18.11.106 - V ZR 266/14 - juris]; LT-Drs 17/14651) - mangels Schriftform nach Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GO kein Rechtsgrund für die sog. Überzahlung sein können, jedenfalls nachdem der Marktgemeinderat seine Zustimmung hierzu mit Beschluss vom 2. Dezember 2010 verweigerte. Es wäre rechtlich also entscheidend auf die Frage angekommen, ob die Nachtragsforderung der Fa. D* … nach Maßgabe des Vergaberechts rechtmäßig war oder nicht.

Weil sich durch den Vergleich vom 6. Juli 2011 der Differenzbetrag von 34.295,86 Euro beim Kläger überhaupt erst endgültig realisiert hat, ist von einem Verschulden des Klägers bei der Entstehung des Schadens (diesen vorausgesetzt) nach § 254 Abs. 1 BGB auszugehen.

Das prozessuale Verhalten des Klägers vor dem Landgericht I* … - auf das der Beklagte überhaupt keinen Einfluss nehmen konnte - stellt einen solch erheblichen Verursachungsbeitrag dar, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zuzubilligen ist.

cc) Wegen dieses Verursachungsbeitrags des Klägers kann er dem Beklagten auch nicht entgegenhalten, dieser könne sich auf § 254 Abs. 1 BGB wegen einer Gesamtschuldnerschaft von Beklagtem und der Fa. D* … nicht berufen. Ohnehin stehen der Beklagte und die Fa. D* … dem Kläger nicht als Gesamtschuldner gegenüber. Denn die Umstände des vorliegenden Falles erforderten es, vorrangig die Fa. D* … als diejenige in Anspruch zu nehmen, die die streitige Auszahlung tatsächlich empfangen hat. Hierzu stand der Beklagten in einem nachrangigen Haftungsverhältnis. Das hat der Kläger auch zutreffend erkannt und seinen Beschluss vom 2. Dezember 2010 dementsprechend gefasst.

4. Die Kosten des Verfahrens waren insgesamt nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Der Erledigungsstreit, der zu Gunsten des Klägers ausging, betraf die 50.000 Euro aus dem Vergleich vor dem Landgericht I* … Streitgegenstand der Klage im Übrigen waren noch die restlichen 34.295,86 Euro. Entsprechend dem Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens gehen die Kosten des Verfahrens in Höhe von 3/8 zu Lasten des Klägers und 5/8 zu Lasten des Beklagten.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 25. Sept. 2018 - M 5 K 17.489

bei uns veröffentlicht am 25.09.2018

Tenor I. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache insoweit erledigt ist, als ein Schadensersatz vom Kläger erstrebt wurde, der über einen Betrag von 34.295,86 Euro hinausgeht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Von d

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 266/14 Verkündet am:
18. November 2016
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GO BY Art. 38 Abs. 1
Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen
Gemeinde ist im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen
wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten
Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung
des Gemeinderats vorgenommen hat.
BGH, Urteil vom 18. November 2016 - V ZR 266/14 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
ECLI:DE:BGH:2016:181116UVZR266.14.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 4. Zivilsenat - vom 28. Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine Große Kreisstadt in Bayern. Im Zuge der Verlegung zweier Bundesstraßen erwarb die beklagte Bundesrepublik Deutschland von einem Dritten im Jahr 1986 ein Grundstück, an dem eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines Rohrleitungsrechts zugunsten der Klägerin bestand. Ausweislich der Bestellungsurkunde war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile die „Pfandfreigabe“ zu erklären.
2
Aus Neuvermessungen ging unter anderem ein Grundstück hervor, auf dem eine durch die Dienstbarkeit gesicherte Rohrleitungstrasse der Klägerin die Bundesstraße B 2 unterquert (Flurstück Nr. 2394/1). Am 30. April 1997 erklärte der damalige Oberbürgermeister der Klägerin als deren Vertreter gegenüber einem Notar unter anderem für dieses Grundstück die Pfandfreigabe. Daraufhin wurde das Rohrleitungsrecht im Grundbuch gelöscht. Als die Leitung im Jahr 2009 wegen Baumaßnahmen der Beklagten tiefer gelegt werden sollte, wurde die fehlende dingliche Sicherung der auf dem Flurstück Nr. 2394/1 verlaufenden Leitung bemerkt.
3
Die auf Wiedereintragung der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage der Gemeinde hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


4
Das Berufungsgericht lässt dahinstehen, ob es an einem Rechtsgrund für die Pfandfreigabe fehle, weil die Klägerin schuldrechtlich hierzu nicht verpflichtet gewesen sei oder weil sie die Pfandfreigabe wirksam angefochten habe. Einem auf Bereicherungsrecht gestützten Grundbuchberichtigungsanspruch stehe jedenfalls die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
5
Die Klägerin könne jedoch gemäß § 894 BGB Berichtigung des Grundbuchs verlangen. Die Unrichtigkeit ergebe sich daraus, dass die von dem Oberbürgermeister der Klägerin erklärte Pfandfreigabe mangels Vertretungsmacht unwirksam sei. Der Oberbürgermeister habe erkennbar im vermeintlichen Vollzug der Verpflichtung zur Freigabe aus dem Kaufvertrag gehandelt. Die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters - der in einer Großen Kreisstadt wie der Klägerin gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister führt - nach Art. 38 Abs. 1 BayGO bestehe nicht. Sie erstrecke sich nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO nur auf die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Ob die Pfandfreigabe zu den laufenden Angelegenheiten zähle, könne dahinstehen, weil sie erhebliche Pflichten erwarten lasse. Auch aus § 10 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Klägerin ergebe sich keine Vertretungsbefugnis. Die Befugnisse des Bürgermeisters würden hiernach zwar auf „die Entscheidung über den Erwerb, Veräußerung oder Verpfändung von Ver- mögensgegenständen (insbesondere von Grundstücken) bis zu einem Wert von 30.000 DM“ erstreckt. Hierzu zähle jedoch nicht der Verzicht auf ein Recht, der der Gemeinde nur Nachteile bringen könne; er habe zur Folge, dass nunmehr die Gemeinde die Kosten einer Trassenverlegung zu tragen habe. Der Oberbürgermeister sei allenfalls befugt gewesen, die vertragliche Freigabeverpflichtung zu vollziehen. Da sich diese gerade nicht auf das Flurstück Nr. 2394/1 beziehe , habe es eines Gemeinderatsbeschlusses bedurft, der sich aus den Grundakten nicht ergebe.

II.


6
Die Revision hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung, wonach die von dem Oberbürgermeister der Klägerin hinsichtlich des Rohrleitungsrechts abgegebene Pfandfreigabeerklärung unwirksam ist, weil der nach der gemeindeinternen Zuständigkeitsverteilung erforderliche Gemeinderatsbeschluss fehlt, kann eine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894 BGB nicht angenommen werden.
7
1. Für das Kommunalrecht anderer Bundesländer entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt ist. Die Gemeinde wird durch seine Erklärungen grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen Beschluss der Gemeindevertretung fehlt (Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR 50/65, MDR 1966, 669: Baden-Württemberg; BGH, Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77, NJW 1980, 117, 118: Rheinland-Pfalz; BGH, Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 f.: NordrheinWestfalen ; BGH, Urteil vom 6. März 1986 - VII ZR 235/84, BGHZ 97, 224, 226: Saarland; BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 93 f.: DDRKommunalverfassung ). Dies orientiert sich an der im Kommunalrecht anerkannten strikten Unterscheidung zwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis (BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118 mwN) und an der herrschenden Meinung für die Vertretung juristischer Personen des Zivilrechts durch ihre Organe (BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115). Von einer unbeschränkten Vertretungsmacht des Bürgermeisters geht auch das Bundesarbeitsgericht für die Länder Baden- Württemberg (BAGE 47, 179, 184 f.) und Sachsen (NJW 2002, 1287, 1289) aus.
8
2. Ob diese Erwägungen auf das bayerische Kommunalrecht übertragbar sind, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsfrage bislang offen gelassen (Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115; Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 539/05, wistra 2006, 306; Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91, NJW-RR 1992, 1435 f. zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO).
9
a) In ständiger Rechtsprechung verneinen die bayerischen Gerichte - wie das Berufungsgericht - eine unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters (vgl. BayObLGZ 1952, 271 ff.; 1971, 252, 256; 1974, 81, 84; 1974, 374, 376; 1986, 112; 1997, 37, 41; BayObLG, BayVBl. 1973, 131, 313; 1974, 706; 1998, 122; BayVerfGH 25, 27, 43; BayVGH, BayVBl. 2012, 177 Rn. 30; 2012, 341; OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris Rn. 7; Beschlussvom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris Rn. 9; offen gelassen durch BayObLG, BayVBl. 1999, 473). Diese Ansicht hat auch das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 8. Dezember 1959 vertreten (3 AZR 348/56, juris Rn. 25; vgl. auch BAG, Urteil vom 18. Oktober 1990 - 2 AZR 157/90, juris Rn. 24 zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO - obiter dictum). Art. 38 Abs. 1 BayGO begründe lediglich das Vertretungsrecht des ersten Bürgermeisters, nicht aber seine Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich aus Art. 37 BayGO, sofern das Rechtsgeschäft unter den dort genannten Voraussetzungen in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich falle. Soweit dagegen der Gemeinderat als willensbildendes Organ der Gemeinde zu entscheiden habe (Art. 29 BayGO), werde die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters erst durch einen entsprechenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss be- gründet (vgl. nur BayObLGZ 1974, 81, 84; BayObLG, BayVBl. 1974, 706). Insoweit sei der erste Bürgermeister bloßes Vollzugsorgan (Art. 36 Abs. 1 BayGO). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu anderen Bundesländern sei wegen der Eigenständigkeit des jeweiligen Gemeinderechts nicht auf Bayern zu übertragen. Die jahrzehntelang dauernde tatsächliche Übung und in Bayern herrschende Meinung könne sich nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf die Gesetzesmaterialien und das Herkommen stützen (vgl. nur BayObLGZ 1986, 112, 114 f.; 1997, 37, 41). Entgegen dieser internen Zuständigkeitsverteilung vorgenommene zivilrechtliche Rechtsgeschäfte seien nach §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam (BayVGH, BayVBl. 2012, 177 Rn. 30 mwN).
10
Dieser Ansicht folgen Teile der Rechtsliteratur (Masson, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, (1952), Art. 38 BayGO Anm. 2; Steiner in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl., S. 137, 145; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 25 [Stand Dezember 2014] und Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand November 2013]; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19 Rn. 85; Schaub in: Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., AT VII Rn. 327 ff.; Wachsmuth in: Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Art. 38 BayGO Anm. 2.2 [Stand Juni 2013], anders allerdings Art. 36 BayGO Anm. 3.5 [Stand Mai 2015]; Boley, BayBgm 1953, 244 f. und 267; Wegmann, BayKommP 1997, 313, 316).
11
b) In weiten Teilen der Rechtsliteratur wird die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters dagegen im Grundsatz als unbeschränkt angesehen (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Oktober 2013]; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 38 GO Anm. 1.1 [Stand März 2015]; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand Juli 2015]; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 257 Fn. 86; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl., Rn. 369 und 433; Lange, Kommunalrecht, 2013, Kap. 8 Rn. 166 ff.; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 36; Becker in: Becker/Heckmann/Kempen/Mansen, Öffentliches Recht in Bayern, 6. Aufl., Rn. 166; Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl., S. 173 f.; Schoch/Röhl, Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Kommunalrecht Rn. 147 Fn. 448; Berroth, Die Vertretung der Gemeinde nach außen, 1964, S. 71 f.; Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 63 f.; Karstendiek, Vertretungsmängel bei öffentlichen Auftraggebern, 1990, S. 63 ff.; Habermehl, DÖV 1987, 144, 147 Fn. 23; Reuter, DtZ 1997, 15, 16; Brötel, NJW 1998, 1676, 1679 ff.).
12
3. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage im Sinne der zweiten Ansicht. Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde gemäß Art. 38 Abs. 1 BayGO ist im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat. Soweit der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 8. Dezember 1959 (3 AZR 348/56, juris) die gegenteilige Auffassung vertreten hat, hat der nunmehr zuständige Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf vorgeschaltete Anfrage des erkennenden Senats gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 RsprEinhG (Senat, Beschluss vom 18. März 2016 - V ZR 266/14, BayVBl 2016, 716 ff.) mitgeteilt, dass er hieran nicht festhält (BAG, Beschluss vom 22. August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296). Im Ergebnis kann deshalb dahinstehen, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayGO vorlag oder ob sich aus der Geschäftsordnung der Klägerin eine Eigenentscheidungsbefugnis des ersten Bürgermeisters ergab.
13
Ob Beschränkungen Außenwirkung haben, ist durch Auslegung der die Vertretung regelnden Normen zu ermitteln; die Regelungen der bayerischen Gemeindeordnung weisen keine Besonderheiten auf, die eine von der Rechtslage in den anderen Bundesländern abweichende Reichweite der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters rechtfertigen könnten.
14
a) Unter der Überschrift „Verpflichtungsgeschäfte; Vertretung der Gemeinde nach außen“ regelt Art. 38 Abs. 1 BayGO, dass der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der Gemeinderat) kann für die Gemeinde nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388 f.) oder - mit anderen Worten - die materielle Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts im Außenverhältnis.
15
b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die Vorschriften der bayerischen Gemeindeordnung, die die Zuständigkeit von Gemeinderat und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36, 37 BayGO), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung. Insbesondere trifft Art. 36 Satz 1 BayGO, wonach der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38 Abs. 1 BayGO eigenständig geregelte Vertretung der Gemeinde nach außen. Der Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der erste Bürgermeister „bloßes Vollzugsorgan“ ist. In Art. 29 BayGO wird er wie der Gemeinderat ausdrücklich als Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewichtiges Hauptorgan neben dem Gemeinderat hat er einen eigenen, in Art. 37 BayGO positiv definierten Aufgabenbereich (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung , Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Mai 2006]; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 29 BayGO Rn. 1 [Stand Juli 2015]; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 320 f.; ähnlich Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 21 [Stand Dezember 2014]).
16
c) Der Entstehungsgeschichte der bayerischen Gemeindeordnung lässt sich ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen.
17
aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs. 1 (entspricht Art. 38 Abs. 1 BayGO) ausgeführt wird, die Vertretung der Gemeinde im Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters, der allerdings den betreffenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss dem Vertragspartner der Gemeinde oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, Landtagsdrucksachen 1951/1952 Beilage 1140, S. 35), ist dies unergiebig (aA BayObLGZ 1952, 271, 274). Denn der Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch umfangreiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters gegenüber dem Gemeinderat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste Bürgermeister in allen Gemeinden vom Volk gewählt (Art. 17 BayGO), während der Regierungsentwurf eine direkte Wahl nur in Gemeinden bis zu 20.000 Einwohnern und für größere Gemeinden die Wahl durch den Gemeinderat vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz 2). Art. 29 BayGO, wonach der Gemeinderat die Gemeinde verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbständig ent- scheidet, erhielt die Überschrift „Hauptorgane“ (vgl. Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S. 1083, 1085). In Art. 30 Abs. 2 BayGO wurde die Passage eingefügt, wonach der Gemeinderat (nur) „im Rahmen des Art. 29“ über alle Angelegenheiten bestimmt, für die nicht beraten- de Ausschüsse bestellt sind (Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S. 1085). Dieser Einschub nimmt die in Art. 37 BayGO festgelegten selbständigen Befugnisse des ersten Bürgermeisters ausdrücklich vom Aufgabenbereich des Gemeinderates aus. Schließlich wurde dem Gemeinderat auf Einwendung des Bayerischen Senats die ursprünglich in Art. 38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen , den von dem ersten Bürgermeister getätigten dringlichen Anordnungen und unaufschiebbaren Geschäften vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die Genehmigung zu versagen (vgl. Protokoll der Plenarsitzung des Bayerischen Senats vom 11. Januar 1952, Anlage 5, S. 7 und Sitzungsprotokoll der 66. Sitzung des Landtags vom 18. Januar 1952, S. 1305 f., 1310).
18
bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem Regierungsentwurf nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den Gemeindeordnungen vom 17. Oktober 1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) eher für eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis (Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 64; aA BayObLGZ 1952, 271, 274). In diesen Vorgängerregelungen kam die außerhalb der Eigenentscheidungsbefugnis bestehende Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 BayGO 1927 vollzog der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats und vertrat „hierbei“ den Gemeinderat (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayGO 1945: die Gemeinde) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss als Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. Stöhsel/Stenger, Die neue bayerische Gemeindegesetzgebung, 1929, Art. 17 BayGO Anm. 5; Woerner, Kommentar zur bayerischen Gemeindeordnung vom 17. Oktober 1927, 1931, Art. 17 BayGO Anm. 11). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 38 Abs. 1 BayGO gerade nicht mehr.
19
d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen Bundesländer , die nur in Bayern die Annahme einer beschränkten Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische Struktur der bayerischen Kommunalverfassung derjenigen der baden-württembergischen Gemeindeordnung. Dieses Konzept der süddeutschen Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten Bundesländern übernommen worden (näher Wolff/Bachhof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., § 97 Rn. 7; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl., Rn. 292). Auch der badenwürttembergische Gemeinderat ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GO BW Hauptorgan der Gemeinde. Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GO BW unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR 50/65, MDR 1966, 669 sowie BAGE 47, 179 ff. zu § 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO BW). Selbst für das frühere nordrhein-westfälische Kommunalverfassungsrecht , das eine Allzuständigkeit des Gemeinderats (§ 28 GO NRW aF) und eine entsprechend schwächere Stellung des Gemeindedirektors vorsah, war die umfassende Außenvertretungsmacht des Gemeindedirektors anerkannt (eingehend OLG Köln, DVBl. 1960, 816, 817 f. mit Anm. Roemer; BGH, Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 zu §§ 28, 55 GO NRW i.d.F. von 1969).
20
e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO als Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht - wie in den anderen Bundesländern auch - das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; U. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht , 2005, S. 207: sinnvolles Ordnungsprinzip; hierzu auch BAG, Beschluss vom 22. August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11).
21
aa) Der Erklärungsempfänger - in der Regel der Bürger - muss sich auf die Vertretungsbefugnis des für die Gemeinde nach außen handelnden Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der Gemeinde unbenommen, gegen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamtenrechtliche Sanktionen zu verhängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es erscheint unangemessen , das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfänger aufzubürden, der die Vorgänge bei der internen Willensbildung als außenstehender Dritter in aller Regel nicht erkennen kann. Insbesondere wird ein ausreichender Schutz nicht dadurch gewährleistet, dass er von der für die Gemeinde handelnden Person den Nachweis ihrer Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388; aA BayObLGZ 1952, 271, 274; 1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN). Dabei verbleiben nämlich erhebliche Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger die Ausfertigung eines Gemeinderatsbeschlusses vorgelegt (vgl. Art. 54 BayGO), müsste er überprüfen, ob dieser wirksam ist und das konkrete Rechtsgeschäft umfasst. Hat der Gemeinderat keinen Beschluss gefasst, kann eine schwierige Abgrenzung der gemeindeinternen Zuständigkeiten erforderlich sein, insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa BayObLGZ 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die Gemeinde im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handelnden Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, MittBayNot 1997, 120 ff.).
22
bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit stehen nach der bislang in Bayern herrschenden Meinung die dortigen Grundbuchämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur dann vornehmen, wenn die Vertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Dementsprechend betrifft ein großer Teil der oben (unter II.2a)) zitierten Entscheidungen der bayerischen Gerichte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht (vgl. nur aus jüngerer Zeit OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris; Beschluss vom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem Zusammenhang ggf. die Auslegung von Gemeinderatsbeschlüssen abverlangt (vgl. z.B. OLG München, MittBayNot 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforderungen an die Beweisführung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzulehnen (BayOblGZ 1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat vorgenommenen Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeindlichen Zuständigkeitsordnung zu überwachen.
23
f) Schließlich kann den Überlegungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts , wonach die von den bayerischen Gerichten seit 1952 vorgenom- mene Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO zu der Entstehung von Gewohnheitsrecht geführt haben könnte (BayObLGZ 1986, 112, 115), nicht beigetreten werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. November 2008 - V ZR 35/08, NJW-RR 2009, 311 Rn. 12; BVerfGE 122, 248, 269). Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Bundesgerichtshof die Frage bereits 1966 für die sehr ähnlich gelagerte badenwürttembergische Gemeindeordnung anders entschieden und dies im Jahr 1979 für Bayern ausdrücklich offen gelassen hat; zudem wurden in der Rechtsliteratur schon frühzeitig Bedenken im Hinblick auf den Verkehrsschutz erhoben (vgl. z.B. Walz in Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1. Aufl. [1956] Bd. I, S. 235, 266 f.). Darüber hinaus hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem (auf Anfrage des erkennenden Senats in dieser Sache ergangenen) Beschluss vom 22. August 2016 (2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters nach Art. 38 Abs. 1 BayGO nicht auf der Bildung einer Rechtsüberzeugung in den beteiligten Kreisen beruhe; da zu diesen auch Dritte gehörten, die in rechtsgeschäftliche Beziehungen zu den bayerischen Kommunen treten, dürfte schon wegen des Umfangs und der Unbestimmtheit dieses Personenkreises eine einheitlich als richtig angesehene Rechtsüberzeugung nicht feststellbar sein.

III.


24
Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
25
1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützter Anspruch der Klägerin auf Berichtigung des Grundbuchs nicht verneinen.
26
a) Ein solcher Anspruch kann sich daraus ergeben, dass eine schuldrechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Pfandfreigabe - also zur dinglichen Aufgabe des Rohrleitungsrechts (§ 875 Abs. 1 BGB) hinsichtlich des Flurstücks Nr. 2394/1 und zur Abgabe der darauf bezogenen Löschungsbewilligung - nicht bestand. Insoweit macht die Klägerin geltend, ihre Verpflichtung zur Pfandfreigabe habe sich nur auf die Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile bezogen; die Beklagte hat bestritten, dass die Pfandfreigabe irrtümlich erfolgte. Hiervon hängt ab, ob die Beklagte ihre vorteilhafte Buchposition ohne Rechtsgrund erlangt hat.
27
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verjährung des Anspruchs nicht eingetreten.
28
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der im Jahr 1997 entstandene Anspruch zunächst der Verjährungsfrist von dreißig Jahren unterlag (§ 195 BGB aF). Ab dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2002 galt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die (kürzere) zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB nF, die von diesem Tag an zu berechnen war. Die Frist lief daher am Montag, dem 2. Januar 2012, ab. Dem für die Vertretung des Freistaats Bayern (als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland) zuständigen Landesamt für Finanzen wurde die im Dezember 2011 eingereichte Klage erst am 20. Januar 2012 zugestellt.
29
bb) Gleichwohl ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Erhebung der Klage gehemmt worden. Denn die Zustellung wirkt, anders als das Berufungsgericht meint, auf die vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgte Einreichung der Klage zurück, da sie „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO er- folgt ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 5 mwN). Dieser Zeitraum ist nicht überschritten. Zuzurechnen ist der Klägerin zwar, dass in der Klageschrift das (unzuständige) Staatliche Bauamt Ansbach als Vertreterin der Beklagten benannt worden ist. Aber nach einem Hinweis des Gerichts hat sie bereits am 10. Januar 2012 die Zustellung der Klage an das (zuständige) Landesamt für Finanzen beantragt, deren Ausführung dem Gericht oblag. Da die hinzunehmende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen nach ständiger Rechtsprechung erst vom Tag des Ablaufs der Verjährungsfrist an berechnet wird (vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rn. 11; BGH, Urteil vom 10. September 2015 - IX ZR 255/14, NJW 2016, 151 Rn. 15, jeweils mwN), hier also ab dem 2. Januar 2012, kommt es - anders als der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat - auf den fehlgeschlagenen Zustellungsversuch im Dezember 2011 nicht an.
30
c) Inhaltlich hat sich das Berufungsgericht mit diesem Anspruch - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst. Die insoweit getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Revisionsgericht eine eigene Prüfung zu ermöglichen. Zwar geht das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang, nämlich bei der - nach den Ausführungen unter II.3. entbehrlichen - Prüfung, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO vorlag, davon aus, dass sich die Verpflichtung der Klägerin zu der Pfandfreigabe nicht auf das Flurstück Nr. 2394/1 bezog und der Bürgermeister irrtümlich auf das Rohrleitungsrecht verzichtet habe. Bei der entscheidenden Prüfung eines Anspruchs gemäß § 812 Abs. 1 BGB lässt es aber ausdrücklich offen, ob die Klägerin schuldrechtlich zu der Pfandfreigabe verpflichtet war. Das Berufungsgericht wird infolgedessen zunächst tragfähige Feststellungen zu den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu treffen haben , um auf dieser Grundlage zu beurteilen, ob ein Rechtsgrund für die Pfandfreigabe bestand oder nicht; die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die Klägerin.
31
2. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs aus der Anfechtung der Pfandfreigabeerklärung ergeben. Diese kann im Hinblick auf die Anfechtung der dinglich wirkenden Aufgabe des Rohrleitungsrechts (§ 875 Abs. 1 BGB) und der verfahrensrechtlichen Löschungsbewilligung ebenfalls einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen; daneben kann ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB bestehen.

Da die Anfechtung bei Abgabe der Anfechtungserklärung am 6. Mai 2010 jedenfalls nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen war (Art. 229 § 6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 EGBGB, § 121 Abs. 2 aF, § 121 Abs. 2 nF BGB), wird das Berufungsgericht ggf. Feststellungen zu der - von dem Landgericht verneinten - Einhaltung der Frist des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB treffen müssen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
LG Ansbach, Entscheidung vom 16.08.2013 - 2 O 1474/11 Öff -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 28.10.2014 - 4 U 1900/13 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.