Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Apr. 2014 - 18 K 13.3247
Tenor
I.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihrer Bescheide vom .... April 2013 und .... September 2013 verpflichtet, der Tochter der Klägerin ..., geboren am ... 2002, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz vom 1. März 2013 bis 13. Januar 2014 zu gewähren.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit der Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für ihre Tochter ...
Die Klägerin ist ledig, bulgarische Staatsangehörige und seit ... Juni 2012 im Bundesgebiet, ihre am ... 2002 geborene Tochter ... ist seit ... Oktober 2012 im Bundesgebiet.
Mit Schreiben vom .... März 2013 machte das Jobcenter ... als nachrangig verpflichteter Sozialleistungsträger gegenüber der UVG-Stelle der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X (Sozialgesetzbuch X) geltend. Die Tochter der Klägerin erhalte seit 1. Februar 2013 Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 SGB II in Höhe von monatlich 255,- €. Die Beklagte forderte daraufhin die Klägerin mit Schreiben vom ... März 2013 auf, einen Antrag auf UVG-Leistungen zu stellen, damit über den Kostenerstattungsanspruch entschieden werden könne.
Mit Formblatt vom ... März 2013, eingegangen bei der Beklagten am .... März 2013, stellte die Klägerin den geforderten Antrag. Sie gab an, alleiniger Vertreter des Kindes zu sein, der Vater ihrer Tochter sei unbekannt. Dies ist auch in der beglaubigten Übersetzung der Geburtsurkunde so festgehalten.
Mit Schreiben vom ... März 2013 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der Anspruch auf die Leistung nur bei Erfüllung der Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der Vaterschaft bestehe. Die Klägerin müsse deshalb persönlich vorsprechen.
Nach der Niederschrift über die Vorsprache der Klägerin bei der Beklagten am ... März 2013, die mit Hilfe eines von der Klägerin mitgebrachten Dolmetschers geführt und von der Klägerin unterschrieben wurde, gab die Klägerin an, sie habe mit dem Vater ihrer Tochter vor der Schwangerschaft ca. ein Jahr in ... zusammengelebt. Er habe ... geheißen und sei damals 23 Jahre alt gewesen. An mehr könne sie sich nicht erinnern.
Laut einem Aktenvermerk der Beklagten vom gleichen Tag habe die Klägerin zum Kindsvater nur ausweichende Angaben gemacht und auch den Namen nur auf mehrmaliges Nachfragen genannt. Sie habe unsicher und verlegen gewirkt. Die Angaben seien nicht glaubhaft.
Mit Bescheid vom ... März 2013 lehnte die Beklagte den Antrag daher mit der Begründung ab, dass die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllt habe. Ihre Angaben, dass sie nur Namen und Alter wisse, ansonsten kein Interesse an dem Kindsvater habe und sich an nichts mehr erinnern könne, seien unglaubwürdig, zumal sie ein Jahr mit ihm befreundet gewesen sei.
Die Klägerin erhob durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom .... April 2013 Widerspruch und nannte darin Name und Anschrift des Kindsvaters in Bulgarien, die im Schreiben vom ... April 2013 noch mal berichtigt wurde. Der Klägerbevollmächtigte trug vor, dass diese Daten der Klägerin erst nach längerem Überlegen eingefallen seien, da sie seit 11 Jahren keinen Kontakt mehr zu dem Vater ihrer Tochter hatte.
Der Widerspruch wurde, soweit ersichtlich, der Regierung ... nicht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2013, eingegangen am 26. Juli 2013, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte,
der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren sowie
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom ... März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ab Antragstellung monatlich 180,- € zu bezahlen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe UVG-Leistungen beantragt, weil der Kindsvater keinen Unterhalt zahle und sie selbst auch nicht zu Leistungen an ihre Tochter in der Lage sei. Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig und begründet, weil die Klägerin mit Anschrift und Alter des Kindsvaters alle ihr bekannten Angaben zu seiner Person gemacht habe.
Mit Bescheid vom ... September 2013 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom ... März 2013 bezüglich der Begründung dahin, dass der Antrag auch wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft abgelehnt werde. Spätestens seit ... April 2013 sei eine zustellfähige Anschrift des Kindsvaters bekannt, dennoch habe sich die Klägerin nicht um die Feststellung der Vaterschaft bemüht.
Mit Schriftsatz vom 11. September 2013 beantragte die Beklagte
Klageabweisung.
Die Klägerin habe nicht alle Handlungen vorgenommen, die zur Feststellung der Vaterschaft erforderlich seien, trotz Kenntnis einer zustellfähigen Anschrift.
Der Bevollmächtigte der Klägerin erweiterte mit Schriftsatz vom 24. September 2013 die Klage und beantragte,
auch den mittlerweile ergangenen Bescheid der Beklagten vom ... September 2013 aufzuheben.
Die Beklagte habe die Klägerin nicht informiert, dass sie ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft einleiten müsse und damit gegen ihre Beratungspflichten aus §§ 14, 16 Abs. 3 SGB I verstoßen. Seit die Klägerin dies wisse, habe sie einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht gestellt, wie der beigelegte Antragsschriftsatz zeige.
Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2014 teilte er mit, dass die Klägerin und ihre Tochter weiterhin auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen seien. Das Familiengericht habe mittlerweile Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Die Beklagte wies hierzu mit Schriftsatz vom 14. April 2014 darauf hin, dass ein gerichtliches Verfahren für die Mitwirkung nicht zwingend sei. Eine Beurkundung in Bulgarien hätte ausgereicht. Dass die Vaterschaft nicht streitig sei, widerspräche den früheren Angaben der Klägerin. Über den Stand des Gerichtsverfahrens habe die Beklagte nichts Entscheidendes erfahren.
In der mündlichen Verhandlung am 30. April 2014 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten erörtert. Die Beteiligten stellten dann die bereits schriftsätzlich vorgetragenen Anträge.
Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Die als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhobene Klage ist zulässig, insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass die Klägerin den Anspruch auf UVG-Leistungen im eigenen Namen geltend macht. Die Klägerin ist, abgeleitet aus § 9 Abs. 1 UVG, klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (BayVGH, Beschluss vom 20.1.2014, 12 C 13.2488).
Die Klage ist auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom ... März 2013 und vom ... September 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihre Tochter im tenorierten Zeitraum, so dass die Beklagte zu der entsprechenden Leistung zu verpflichten war.
Die Tochter der Klägerin, die Inhaberin des Anspruches auf die Unterhaltsleistung ist, erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UVG.
Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wer das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil erhält. Die Tochter der Klägerin erfüllte diese Voraussetzungen bis zum 13. Januar 2014. Am ... 2014 vollendete sie das 12. Lebensjahr; damit endet der Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG).
Der Leistungsanspruch ist nicht nach § 1 Abs. 3 UVG wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Unterhaltsleistung besteht nach dieser Vorschrift u. a. dann nicht, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sich weigert, Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthaltes des anderen Elternteiles mitzuwirken.
Die Mitwirkungsverpflichtung nach § 1 Abs. 3 UVG ist lex specialis zu den in § 60 f. SGB I geregelten Mitwirkungsvorschriften eines Leistungsberechtigten. Sie ist eine echte Anspruchsvoraussetzung, so dass die Verletzung dieser Obliegenheit dazu führt, dass der Anspruch überhaupt nicht entsteht (vgl. Grube, UVG, § 1, Rn. 93 f.).
Für den Elternteil bedeutet die Obliegenheit, dass er das Auskunftsbegehren der Behörde erschöpfend zu beantworten und alles in seiner Macht und Kenntnis Stehende zu offenbaren hat (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.8.2013, 12 B 713/13). Zur Mitwirkung gehören insbesondere Angaben, die zur Identifizierung der Person des Kindsvaters erforderlich sind, damit das Land die Unterhaltsansprüche gegen den Vater gemäß § 7 UVG auf sich überleiten und die vorgeleisteten Gelder von ihm zurückholen kann (BVerwG, Urteil vom 16.5.2013, 5 C 28/12). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren nachgekommen und zwar sowohl in Bezug auf die Angaben zum Vater ihrer Tochter wie auch auf die Schritte zur Feststellung der Vaterschaft.
Dabei ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die Beantragung der UVG-Leistungen von der Beklagten gefordert wurde und nicht von der Klägerin ausging, dass die Klägerin, wie die Beiziehung eines Dolmetschers bei der Vorsprache bei der Beklagten am ... März 2013 zeigt, die deutsche Sprache zumindest nur eingeschränkt beherrscht und dass die Beklagte ihren Beratungspflichten nach §§ 14, 16 SGB I, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht vollumfänglich nachgekommen ist.
So wurde die Klägerin weder in der Aufforderung zur Vorsprache vom ... März 2013 noch bei der Vorsprache selbst weder über ihre Pflichten, die Feststellung der Vaterschaft zu betreiben, noch über die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten zur Feststellung der Vaterschaft informiert. Weder wurde die grundsätzliche Möglichkeit einer Beistandschaft thematisiert, noch die einer nun in der Klageerwiderung vom 14. April 2014 angesprochene Beurkundung in Bulgarien. Dass die Klägerin grundsätzlich mitwirkungsbereit war und ist, zeigt sich darin, dass sie nach entsprechender Unterstützung durch ihren Bevollmächtigten im Laufe des Verfahrens allen Forderungen der Beklagten nachgekommen ist.
Da sich die Klägerin nur zögerlich an den Namen des Vaters ihrer Tochter und weitere Details, wie die Anschrift, erinnert hat, ist in Anbetracht der Umstände und der von der Beklagten nicht bestrittenen Tatsache, dass die Klägerin über 10 Jahre keinen Kontakt zu ihm hatte, nachvollziehbar. Auch wenn die Klägerin geäußert hat, kein Interesse mehr an diesem Mann zu haben, führt dies nicht dazu, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung ihre Angaben insgesamt als unglaubwürdig zu betrachten sind und nicht der Wahrheit entsprechen würden. So könnte dies auch mit einer Konfliktsituation zu tun haben. Schließlich hat sie auf Nachfrage bei der Vorsprache bei der Beklagten den Namen eines Mannes genannt, gegen den jetzt die Feststellung der Vaterschaft betrieben wird und der somit offensichtlich richtig war. Dass sie sich zunächst nicht an weitere Einzelheiten, insbesondere seine Adresse, erinnern konnte, lässt in Anbetracht ihrer Situation nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass sie diese zwar wusste, aber bewusst verschwiegen hat, da sie diese bereits im Widerspruchsschreiben der Beklagten mitgeteilt hat.
Eine Verletzung der der Klägerin im Rahmen des § 1 Abs. 3 UVG auferlegten Obliegenheiten, die einen Anspruchsausschluss rechtfertigen würden, liegt nach Auffassung des Gerichts daher nicht vor.
Die Tochter der Klägerin hat somit Anspruch auf UVG-Leistungen im genannten Zeitraum, so dass der Klage vollumfänglich stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 VwGO.
Die Berufung war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO nicht zuzulassen.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht München Urteil, 30. Apr. 2014 - 18 K 13.3247 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.
(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.
(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.
(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.
(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war abzulehnen. Die Rechtsverfolgung bietet - wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt - nicht die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
3Die Beschwerde ist unbegründet.
4Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin könne die vorläufige Weitergewährung der Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihren am 2012 geborenen Sohn K. ab dem 1. März 2013 nicht mehr verlangen, ist auch im Lichte des Beschwerdevorbringens, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht zu beanstanden.
5Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Gewährung von Eilrechtsschutz für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis zum 2. April 2013 zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass es an einem Anordnungsgrundes fehlt. Anders als die Antragstellerin meint, hat der Antrag bei der hier gebotenen Auslegung anhand der in den §§ 133, 157 BGB niedergelegten Rechtsgrundsätze des bürgerlichen Rechts für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen,
6vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001- 8 C 17/01 -, BVerwGE 115, 302, juris; OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2010 - 12 E 243/10 -; Kopp / Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 22, Rn. 36,
7auch diesen Zeitraum erfasst.
8Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Entscheidend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und den sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird, wobei der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurücktritt. Maßgeblich für den Inhalt eines Antrags oder Rechtsbehelfs ist daher, wie die Behörde oder das Gericht ihn unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf den Schriftsatz in seiner Gesamtheit und das mit ihm erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen. Gemessen hieran durfte das Verwaltungsgericht mit Blick darauf, dass die Antragstellerin ihren - keine ausdrücklichen zeitlichen Vorgaben enthaltenden - Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz auch im Begründungsteil mit ihrer gegen den Einstellungsbescheid vom 4. März 2013 erhobenen Klage verbunden hat, davon ausgehen, dass beide Begehren sich auch in zeitlicher Hinsicht entsprechen. Der klageweise angefochtene Einstellungsbescheid betrifft jedoch eindeutig den Zeitraum ab dem 1. März 2013.
9Auch die weitere Einschätzung des Verwaltungsgerichts, im übrigen fehle es an einem Anordnungsanspruch, weil der Anspruch auf Unterhaltsleistungen wegen § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen sei, begegnet keinen Bedenken.
10Nach § 1 Abs. 3 UVG besteht unter anderem dann kein Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sich weigert, bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht aus § 1 Abs. 3 UVG, zu der auch die Obliegenheit des Elternteils gehört, ein Auskunftsbegehren der Behörde erschöpfend zu beantworten und alles in seiner Macht und Kenntnis Stehende zu offenbaren, trifft den jeweiligen Elternteil - hier die Antragstellerin als nichteheliche Mutter des Kindes K. - im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. Eine Begrenzung der Mitwirkungsobliegenheit kommt danach etwa in extremen Konfliktlagen in Betracht.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2011 - 12 B 1171/11 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 31. März 2010 ‑ 12 C 09.2943 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 22. Juni 2010 - 5 D 33/10 -, juris, jeweils m.w.N.; Grube, UVG, 2009, § 1, Rn. 99 und 100.
12Auch das Beschwerdevorbringen gibt keinen hinreichenden Anlass zu der Annahme, dass der Antragstellerin eine Mitwirkung an der amtlichen Vaterschaftsfeststellung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder - insbesondere - nicht zuzumuten wäre. Auch die Tatsache, dass der Sohn der Antragstellerin aus einer Vergewaltigung stammt, begründet vorliegend keine extreme Konfliktlage der Antragstellerin. Dies gilt, obwohl - entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts - nicht die Antragstellerin, sondern der von ihr zunächst als Kindsvater benannte Herr O. anlässlich einer Vorsprache bei der Antragsgegnerin am 23. August 2012 erstmals Herrn T. als möglichen Erzeuger genannt hat. Es ist ungeachtet dessen nicht zu erkennen, dass - in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Vaterschaftsfeststellung - eine extreme Konfliktlage deshalb gegeben wäre, weil schon eine nur mittelbare Befassung mit der Tat schwere psychische Schäden hervorrufen würde. Die Antragstellerin hat dem Jugendamt und dem Gericht gegenüber nicht nur die Tatsache der Vergewaltigung, sondern auch deren Umstände im Einzelnen offen gelegt. Sie erklärt zudem selbst, sie leide derzeit nicht unter Folgewirkungen. Auch spricht nichts für die Annahme, dass die Antragstellerin bei Bekanntwerden der Vergewaltigung im familiären Bereich erhebliche Nachteile zu gewärtigen hätte. Sowohl der Umstand der Vergewaltigung als auch die Identität des Täters sind in der Familie der Antragstellerin bereits bekannt. Soweit die Antragstellerin erklärt, sie habe große Angst, zufällig oder in sonstiger Weise mit dem Täter zusammenzutreffen, ist schon nicht ersichtlich, dass sich diese Gefahr bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit nachteilig verändert. Für zufällige Treffen ist dies offenkundig. Im Rahmen des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens sind ebenfalls keine Treffen mit dem Kindsvater zu erwarten, sofern die Antragstellerin ihrer Mitwirkungsobliegenheit - wie es die Antragsgegnerin wünscht - durch Stellung eines Antrags auf Einrichtung einer Beistandschaft des Jugendamts nachkommt. Es wird von der Antragstellerin - anders als sie meint - auch nicht verlangt, dass sie dem Täter irgendwelche Rechte in Bezug auf ihr Kind einräumt oder ermöglicht. Ihre Mitwirkung bei der amtlichen Vaterschaftsfeststellung erschöpft sich darin, der gewissermaßen vorleistenden Antragsgegnerin zu ermöglichen, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Kindsvater durchzusetzen. Es ist schließlich auch nicht zu erkennen, dass der Kindsvater nur dann Anlass hätte, den von der Antragstellerin abgelehnten Kontakt mit seinem Kind zu suchen, wenn seine Vaterschaft auch amtlich festgestellt wird. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist auch dem Kindesvater nämlich bereits bekannt, dass zumindest die Möglichkeit seiner Vaterschaft besteht.
13Ob auch der Anspruch des Kindes auf sogenanntes Sozialgeld zutreffend nach § 66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung versagt wurde, ist nicht im vorliegenden Verfahren zu klären, sondern hat von vornherein im Widerspruchsverfahren und ggf. im sozialgerichtlichen Verfahren geklärt werden müssen.
14Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
15Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
16
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihren im Oktober 2005 geborenen Sohn.
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Dieser wurde im Wege einer heterologen Insemination mit dem von einer dänischen Samenbank bezogenen Sperma eines anonymen, der Klägerin unbekannten Spenders gezeugt. Antrag, Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung seines Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Einem aus einer anonymen heterologen Insemination hervorgegangenen Kind stünden Unterhaltsleistungen im Sinne des Gesetzes nicht zu. Seinem Sinn und Zweck zufolge knüpfe das Unterhaltsvorschussgesetz die Entlastung des alleinerziehenden Elternteils an die potentielle Möglichkeit der öffentlichen Hand, den anderen Elternteil auf Erstattung der gewährten Unterhaltsleistung in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeit bestehe in den Fällen der Zeugung eines Kindes im Wege einer anonymen Samenspende nicht. Die Leistungsgewährung würde sich in dieser Konstellation entgegen der gesetzgeberischen Konzeption von vornherein als "verlorener Zuschuss" darstellen. Der alleinerziehende Elternteil dürfe sich nicht willentlich in eine Situation begeben, die die Ermittlung des anderen Elternteils unmöglich mache. Hierin liege keine unzumutbare Benachteiligung von Frauen, die den Wunsch hätten, mit Hilfe einer anonymen Samenspende Mutter zu werden.
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Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz lägen vor. Deren Versagung überschreite die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung und verstoße insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere gegen den Vorrang des Gesetzes und die Bindung an Recht und Gesetz. Ebenso wenig wie das Unterhaltsvorschussgesetz eine Trennung der Elternteile nach längerfristiger Beziehung oder das Alleinerziehungsmerkmal voraussetze, erhebe es die tatsächliche Unterhaltspflicht des anderen Elternteils zur Bedingung für die Leistungsberechtigung gegenüber der Unterhaltsvorschusskasse. Unmaßgeblich sei daher, dass der andere Elternteil erst nach Anerkennung der Vaterschaft oder deren gerichtlicher Feststellung auf Unterhalt in Anspruch genommen werden könne. Die Anerkennung beziehungsweise Feststellung der Vaterschaft sei nicht Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Die Annahme, die Leistungsgewährung setze das Bestehen zumindest der Möglichkeit voraus, den anderen Elternteil auf Erstattung der gewährten Unterhaltsleistung in Anspruch zu nehmen, lasse unberücksichtigt, dass das Unterhaltsvorschussgesetz gerade für den Fall einer Leistungsunfähigkeit des anderen Elternteils die Gewährung von Unterhaltsausfallleistungen vorsehe. Das Phänomen "verlorener Zuschüsse" sei im Unterhaltsvorschussrecht bekannt, da die anderen Elternteile nicht selten wirtschaftlich leistungsunfähig seien. Dessen ungeachtet wäre ein Unterhaltsverzicht für die Zukunft zivilrechtlich unwirksam. Er stünde einem gesetzlichen Anspruchsübergang auf die Unterhaltsvorschusskasse nicht entgegen. Das Unterhaltsvorschussgesetz beschränke die Leistungsgewährung nicht auf die Fälle der Planwidrigkeit des Unterhaltsausfalls. Nicht nur für den Fall des Todes des anderen Elternteiles sehe das Gesetz die Gewährung von Unterhaltsausfallleistungen vor. Ebenso wenig setze ein unterhaltsvorschussrechtlicher Leistungsanspruch ungeschrieben das Bestehen einer von dem Antragsteller nicht selbst herbeigeführten prekären Lage voraus. Die Auslegung des Unterhaltsvorschussgesetzes durch den Beklagten und das Verwaltungsgericht stelle Kinder, die mittels anonymer heterologer Insemination gezeugt würden, in sachlich nicht gerechtfertigter Weise schlechter als andere Kinder. Die Klägerin erfülle auch nicht den Ausschlussgrund der Verletzung von Mitwirkungspflichten, da ihr damit ein Verhalten noch vor der Zeugung ihres Sohnes vorgehalten würde.
- 4
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Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat in der Sache angenommen, § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz - UVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl I S. 1446), geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3194), sei im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass ein Anspruch auf Unterhaltsanspruch ausscheide, wenn der öffentlichen Hand nicht die "potentielle Möglichkeit" eröffnet sei, ihre Aufwendungen für die Gewährung der Unterhaltsleistung von dem anderen Elternteil erstattet zu bekommen. Dies steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (1.). Die Entscheidung stellt sich indes im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar (2.).
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1. Das Verwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass § 1 Abs. 1 UVG nach seinem eindeutigen Wortlaut dem Sohn der Klägerin einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Unterhaltsleistung vermittelt (a). Es hat jedoch zu Unrecht entschieden, dass § 1 Abs. 1 UVG teleologisch zu reduzieren ist, indem die dort normierten Anspruchsvoraussetzungen um das Erfordernis ergänzt werden, dass der Rückgriff des Landes bei dem anderen Elternteil grundsätzlich möglich sei muss (b).
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a) Nach § 1 Abs. 1 UVG hat u.a. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss oder Unterhaltsausfallleistung nach diesem Gesetz wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Nr. 1), im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig ist (Nr. 2) und nicht Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und 2 UVG bezeichneten Höhe erhält (Nr. 3 a). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Sohn der Klägerin war im Zeitpunkt der Antragstellung fünf Jahre alt, lebte bei der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt ledig war, und erhielt von dem anderen Elternteil keinen Unterhalt.
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b) Die Voraussetzungen der vom Verwaltungsgericht angenommen teleologischen Reduktion liegen nicht vor.
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(aa) Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 12.09 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 58 Rn. 32). Sie setzt unabhängig von dem in Betracht kommenden methodischen Mittel der richterlichen Rechtsfortbildung (teleologische Reduktion oder Analogie) eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl. Urteile vom 18. April 2013 - BVerwG 5 C 18.12 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen, juris Rn. 22 und vom 15. November 2012 - BVerwG 3 C 12.12 - LKV 2013, 78). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen (vgl. Urteile vom 18. April 2013 a.a.O. Rn. 22 und vom 27. Oktober 2004 - BVerwG 6 C 30.03 - BVerwGE 122, 130 <133> = Buchholz 355 RBerG Nr. 52 S. 10; BVerfG, Beschluss vom 9. März 1995 - 2 BvR 1437/93 - NStZ 1995, 399 <400>). Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt. Sie ist unter anderem zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass eine gesetzliche Vorschrift nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll (vgl. Urteile vom 18. April 2013 a.a.O. Rn. 22 und vom 20. Juni 2000 - BVerwG 10 C 3.99 - BVerwGE 111, 255 <257> = Buchholz 261 § 12 BUKG Nr. 3 S. 2 sowie Beschluss vom 17. August 2004 - BVerwG 6 B 49.04 - juris Rn. 10 m.w.N.).
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(1) Das Unterhaltsvorschussgesetz enthält keine Regelung, nach der Kinder, die im Wege der heterologen Insemination mit dem Sperma eines anonymen Spenders gezeugt wurden und im Einzelfall aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen von vornherein endgültig keine Möglichkeit haben, den Namen ihres leiblichen Vaters in Erfahrung zu bringen, keinen Anspruch auf Unterhaltsleistung haben. In einem solchen Fall - und so auch hier - ist der Anspruch insbesondere nicht nach § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG ausgeschlossen.
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Nach § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz dann nicht, wenn der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichnete Elternteil sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. In seiner unmittelbaren Anwendung erlaubt § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG demnach die Zurechnung eines Verhaltens des alleinerziehenden Elternteils im Verwaltungsverfahren. Zur Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UVG auf sich überleiten und auf diesem Wege Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann. Die Mitwirkungspflicht aus § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG trifft die Mutter im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (vgl. Urteil vom 21. November 1991 - BVerwG 5 C 13.87 - BVerwGE 89, 192 <195 f.> = Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 9 S. 3 unter Bezugnahme auf BTDrucks 8/1952 S. 7). Was der Mutter möglich und zumutbar ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Daran gemessen hat die Klägerin das ihr im Verwaltungsverfahren Mögliche und Zumutbare getan.
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Nach den für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr Sohn im Wege der heterologen Insemination mit einem von der von ihr namentlich bezeichneten dänischen Samenbank bezogenen Sperma eines anonymen Spenders gezeugt wurde. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, gehen diese übereinstimmend davon aus, dass die von der Klägerin namentlich bezeichnete Samenbank in Dänemark im konkreten Fall tatsächlich keine nähere Auskunft über den anonymen Spender erteilen kann. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob einem Kind, das im Wege der künstlichen Befruchtung mit einer anonymen Samenspende aus dem Ausland gezeugt wurde - und so auch dem Sohn der Klägerin - in der Regel ein (durchsetzbarer) Auskunftsanspruch gegen die ausländische Samenbank auf Namensnennung des leiblichen Vaters zusteht (vgl. zum Anspruch gegen eine inländische Samenbank OLG Hamm, Urteil vom 6. Februar 2013 - I-14 U 7/12 - NJW 2013, 1167). Des Weiteren ist nicht zu entscheiden, ob und welche Auswirkungen ein solcher Anspruch auf die Gewährung der öffentlichen Unterhaltsleistung nach § 1 Abs. 1 UVG hätte.
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(2) Das Fehlen eines Anspruchsausschlusses erweist sich hingegen nicht deshalb als planwidrig, weil dem Unterhaltsvorschussgesetz der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen wäre, dass Unterhaltsvorschuss nur im Fall des Bestehens einer Rückgriffsmöglichkeit gegenüber dem anderen Elternteil zu gewähren ist.
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Nach der Konzeption des Unterhaltsvorschussgesetzes soll die öffentliche Unterhaltsleistung zwar in erster Linie als Unterhaltsvorschuss gezahlt werden. Der Gesetzgeber nimmt aber in Kauf, dass dem anspruchsberechtigten Kind auch in den Fällen eine Unterhaltsleistung aus öffentlichen Mitteln gezahlt wird, in denen das Land hierfür im Einzelfall keinen Rückgriff bei dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nehmen kann. Darauf weist schon die Gesetzesüberschrift ("Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter oder Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen") hin, in der die Unterhaltsausfallleistung namentlich erwähnt wird. Vor allem ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, die Unterhaltsleistung gegebenenfalls auch in Form einer Ausfallleistung zu erbringen, aus § 1 Abs. 1 UVG, der die Unterhaltsleistung ausdrücklich auch als Unterhaltsausfallleistung definiert. Mit der Verankerung der Unterhaltsausfallleistung in § 1 Abs. 1 UVG hat der Gesetzgeber - der sozialen Realität Rechnung tragend - für eine in der Verwaltungspraxis nicht zu vernachlässigenden Anzahl von Fällen anerkannt, dass ein Rückgriff bei dem anderen Elternteil nicht selten zumindest vorübergehend - etwa in den Fällen der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit -, gelegentlich auch dauerhaft - wie im Fall des Versterbens des anderen Elternteils -, unmöglich ist. In Übereinstimmung damit hat er die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 UVG durchweg als Anforderungen formuliert, die in der Person des Kindes erfüllt sein müssen (vgl. "... wer ... noch nicht vollendet hat ... bei einem seiner Elternteile lebt ... nicht oder nicht regelmäßig ... Unterhalt von dem anderen Elternteil ... erhält."). Dies steht der Annahme entgegen, es habe dem Plan des Gesetzgebers entsprochen, die Gewährung von Unterhalt nach § 1 Abs. 1 UVG setze voraus, dass der öffentlichen Hand "in jedem (Einzel-)Fall" (vgl. so ausdrücklich VGH Mannheim, Urteil vom 3. Mai 2012 - 12 S 2935/11 - ZFSH/SGB 2012, 409 <413> und ihm nachfolgend das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil) die potentielle Möglichkeit eröffnet sei, ihre Aufwendungen von dem anderen Elternteil erstattet zu bekommen. Mithin kann eine entsprechende Einschränkung dem § 1 Abs. 1 UVG auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion hinzugefügt werden.
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2. Die Entscheidung stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar. Die Gesetzeslücke erweist sich aus einem anderen als dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Grund als planwidrig (a). Sie ist mittels einer analogen Anwendung des § 1 Abs. 3 UVG zu schließen (b).
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a) Die Lücke des Gesetzes entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Dies folgt zwar nicht daraus, dass nach dem Gesetzeszweck eine Unterhaltsleistung nur zu gewähren wäre, wenn der seitens des anderen Elternteils geschuldete Unterhalt "planwidrig" ausbleibt (aa) oder wenn der alleinerziehende Elternteil die prekäre Erziehungssituation nicht selbst herbeigeführt hat (bb). Die Planwidrigkeit ergibt sich vielmehr daraus, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, die Unterhaltsleistung solle vorrangig als Vorschuss gewährt werden (cc).
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aa) Der in Rechtsprechung und Literatur vertretene Ansatz, die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 a) UVG sei nur dann als erfüllt anzusehen, wenn der zivilrechtlich geschuldete Unterhalt des anderen Elternteils "planwidrig" ausbleibe (vgl. etwa VG Aachen, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 K 384/10 - juris Rn. 23 f.; VG Frankfurt, Urteil vom 23. Februar 2011 - 3 K 4145/10.F - NJW 2011, 2603; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Februar 2007 - 4 LA 94/07 - NVwZ-RR 2007, 394 <395>; VGH Kassel, Beschluss vom 1. Juli 2004 - 10 UZ 1802/03 - FamRZ 2005, 483 und VGH Mannheim, Urteil vom 8. November 1995 - 6 S 1945/95 - NJW 1996, 946; Grube, UVG, 2009, § 1 Rn. 3 und 99; DIV-Gutachten vom 18. Mai 1999, DAVorm 1999, 841 <843> und DIJuF-Rechtsgutachten vom 6. März 2006, JAmt 2006, 301 <302> jeweils m.w.N.), wobei die geforderte "Planwidrigkeit" anhand einer objektiven Betrachtung aus der Sicht des alleinerziehenden Elternteils beurteilt und angenommen wird, wenn der alleinerziehende Elternteil - anders als hier - Unterhaltsleistungen von dem anderen Elternteil erwarten durfte (vgl. zur fehlenden Planwidrigkeit etwa OVG Lüneburg a.a.O.; VGH Kassel a.a.O. und VGH Mannheim a.a.O. S. 946 f.), erweist sich als nicht vereinbar mit der gesetzgeberischen Konzeption.
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Diese erkennt an, dass der alleinerziehende Elternteil sein Kind in der Regel unter erschwerten Bedingungen erziehen muss und sich diese Situation noch verschärft, wenn der zivilrechtlich geschuldete Barunterhalt des anderen Elternteils ausbleibt. Der mit dem Kind zusammenlebende Elternteil muss dann nicht nur Alltag und Erziehung auf sich gestellt bewältigen, sondern im Rahmen seiner eigenen Leistungsfähigkeit zudem für den vom anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufkommen. Die öffentliche Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll diese finanzielle Belastung des alleinerziehenden Elternteils mildern, indem sie ihn für eine Übergangszeit von der Notwendigkeit befreit, den finanziellen Ausfall des anderen Elternteils aufzufangen (vgl. BTDrucks 8/1952 S. 1 und 6 und BTDrucks 8/2774 S. 11). Zur Begründung des Anspruchs auf öffentliche Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist somit erforderlich, aber auch ausreichend, dass zusätzlich zu der bei Alleinerziehenden typischerweise gegebenen Erziehungssituation der Unterhalt des anderen Elternteils ausfällt. Ob der alleinerziehende Elternteil erwarten durfte, dass der andere Elternteil seiner zivilrechtlichen Unterhaltspflicht nachkommen wird, und diese Erwartung enttäuscht wird, spielt nach der Vorstellung des Gesetzgebers erkennbar keine Rolle.
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bb) Die Konzeption des Unterhaltsvorschussgesetzes steht auch der Annahme entgegen, der Gesetzgeber habe einen Anspruch in den Fällen ausschließen wollen, in denen der alleinerziehende Elternteil die prekäre Lage (vgl. zu diesem Begriff BTDrucks 8/1952 S. 7; Urteil vom 2. Juni 2005 - BVerwG 5 C 24.04 - Buchholz 436.45 § 1 UVG Nr. 2 S. 7 und BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. März 2004 - 1 BvL 13/00 - NJW-RR 2004, 1154) selbst herbeigeführt habe.
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Der Anspruch auf Unterhaltsleistung knüpft an die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UVG beschriebene Bedarfslage an, die das anspruchsberechtigte Kind im Blick hat. Der Gesetzgeber hat es zwar für sachgerecht gehalten, diesem ein mit der gesetzlichen Konzeption nicht zu vereinbarendes Verhalten des alleinerziehenden Elternteils zuzurechnen, weil die Unterhaltsleistung in erster Linie eine wirtschaftliche Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bedeutet und im wirtschaftlichen Ergebnis ihm zugute kommt (vgl. Urteil vom 21. November 1991 - BVerwG 5 C 13.87 - BVerwGE 89,192 <197> = Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 9 S. 5). Diese Zurechnung erfolgt im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 UVG, nach dem der Anspruch auf Unterhaltsleistung nicht besteht, wenn der alleinerziehende Elternteil es an der notwendigen Mitwirkung beim Vollzug des Gesetzes hat fehlen lassen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Anspruch auch dann ausschließen wollte, wenn der alleinerziehende Elternteil die prekäre Lage bewirkt hat.
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(cc) Das Fehlen eines Anspruchsausschlusses bei der hier gegebenen Fallgestaltung erweist sich als planwidrig, weil es dem gesetzgeberischen Leitbild der öffentlichen Unterhaltsleistung nach § 1 Abs. 1 UVG als Unterhaltsvorschuss zuwiderläuft.
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Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll nach dem Plan des Gesetzgebers "ausbleibende Zahlungen" der Unterhaltsverpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Bereits die amtliche Kurzbezeichnung des Gesetzes ("Unterhaltsvorschussgesetz") selbst und die Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 1 UVG, wonach es sich bei dem Anspruch auf "Unterhaltsleistung" nach diesem Gesetz um einen Anspruch "auf Unterhaltsvorschuss oder -ausfallleistung" handelt, verdeutlichen diese Zielsetzung (vgl. Urteil vom 23. November 1995 - BVerwG 5 C 29.93 - BVerwGE 100, 42 <48> = Buchholz 436.45 § 5 UVG Nr. 1 S. 5 unter Bezugnahme auf BTDrucks 8/1952 S. 1). Bestätigt wird der Gesetzeszweck durch den in § 7 UVG normierten gesetzlichen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes "für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird", auf das Land übergehen (vgl. Urteil vom 23. November 1995 a.a.O. S. 49 bzw. S. 6). Des Weiteren spricht für den Unterhaltsvorschuss als gesetzgeberisches Leitbild, dass das Unterhaltsvorschussgesetz beide Elternteile in die Pflicht nimmt, um den Rückgriff des Landes zu erleichtern. § 1 Abs. 3 UVG begründet u.a. die Obliegenheit des Elternteils, bei dem das Kind lebt, Auskünfte, die zur Durchführung des Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen und bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Letzterer ist gemäß § 6 Abs. 1 UVG verpflichtet, der zuständigen Stelle auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind.
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Die gesetzgeberische Konzeption, die öffentliche Unterhaltsleistung in erster Linie als Vorschuss zu zahlen und von dem säumigen zum Barunterhalt verpflichteten anderen Elternteil zurückzufordern, wird von der Erwartung getragen, dass sich der Elternteil, bei dem das Kind lebt, in der Regel so verhält, dass die Unterhaltsvorschussleistung nicht zur Unterhaltsausfallleistung wird. Das belegt vor allem die Sanktionsregelung des § 1 Abs. 3 UVG. In die gleiche Richtung weisen die Anzeigepflicht des alleinerziehenden Elternteils nach § 6 Abs. 4 UVG sowie dessen Ersatz- und Rückzahlungspflicht nach § 5 UVG.
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Abgesehen von den in diesen Vorschriften beschriebenen Fällen wird der besagten Erwartung auch dann nicht Rechnung getragen, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, durch ein bewusstes und gewolltes Verhalten vor der Geburt des Kindes eine Situation schafft, in der die Feststellung der Vaterschaft und damit des barunterhaltspflichtigen anderen Elternteils von vornherein aussichtslos ist und deshalb die öffentliche Unterhaltsleistung nur als Ausfallleistung gewährt werden kann. Auch in diesem Fall steht die Gewährung einer Unterhaltsleistung mit der Intention des Gesetzgebers nicht im Einklang.
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Die letztgenannte Sachverhaltskonstellation liegt hier vor. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde der Sohn der Klägerin - wie dargelegt - im Wege der heterologen Insemination mit einem von einer dänischen Samenbank bezogenen Sperma eines anonymen Spenders gezeugt, dessen Ermittlung unmöglich ist.
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c) Die planwidrige Lücke ist durch analoge Anwendung des Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG zu schließen. Die Rechtsfolge des § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG, dass der Unterhaltsanspruch nach § 1 Abs. 1 UVG nicht besteht, ist auf den hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt übertragbar, weil eine vergleichbare Sach- und Interessenlage besteht.
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Sowohl in den in § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG geregelten Fallkonstellationen als auch in dem nicht geregelten Fall, dass die Feststellung der Vaterschaft infolge der Zeugung mittels einer anonymen Samenspende aus dem Ausland im Einzelfall von vornherein aussichtslos ist, legt das Verhalten der Mutter die wesentliche Grundlage dafür, dass das Land die gewährte Unterhaltsleistung von dem zum Barunterhalt verpflichteten anderen Elternteil nicht zurückfordern kann und damit die Unterhaltsvorschussleistung zur Unterhaltsausfallleistung wird. Unter Wertungsgesichtspunkten besteht kein sachlicher Unterschied, ob der Rückgriff auf den anderen Elternteil durch ein Verhalten der alleinerziehenden Mutter nach der Geburt oder dadurch, dass sie durch ein bewusstes und gewolltes Verhalten vor der Geburt des Kindes eine Situation schafft, in der die Feststellung der Vaterschaft von vornherein ausgeschlossen ist, vereitelt wird. Dass dem Kind gemäß § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG das Verhalten des alleinerziehenden Elternteils im Verwaltungsverfahren mit anspruchsausschließender Wirkung zugerechnet wird, beruht - wie dargelegt - darauf, dass die Unterhaltsleistung in erster Linie eine wirtschaftliche Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bedeutet und im wirtschaftlichen Ergebnis ihm zugute kommt. Dieser Grundgedanke trifft auch für die Fälle zu, in denen sich die alleinerziehende Mutter für eine Zeugung des Kindes im Wege der heterologen Insemination mit dem Sperma eines anonymen Spenders entschieden hat.
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Der Analogieschluss erstreckt sich nicht auf das im Rahmen des § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG zu prüfende Merkmal der Zumutbarkeit. Dessen Prüfung gründet unmittelbar in dem Tatbestandsmerkmal "Weigerung". Der Analogieschluss ist indes durch eine Übertragung der Rechtsfolge, nicht hingegen auch der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm gekennzeichnet. Dessen ungeachtet knüpft das Merkmal der Zumutbarkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG maßgeblich an das Bestehen einer persönlichen Konfliktlage der Kindesmutter an, die dieser die Erteilung der an sich geforderten Auskünfte und insbesondere die Benennung des leiblichen Vaters des Kindes unzumutbar macht (Urteil vom 21. November 1991 BVerwGE 89, 192 S. 195 f. = Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 9 S. 3 f.). An einer derartigen auf die Mitwirkung an der Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes und der Feststellung der Vaterschaft bezogenen Zwangslage fehlt es in den Fällen der anonymen heterologen Insemination schon wegen der mangelnden Kenntnis von der Identität des Samenspenders.
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c) Der Ausschluss eines Anspruchs auf Unterhaltsleistung im vorliegenden Fall steht mit Verfassungsrecht im Einklang. Insbesondere ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt.
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Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen anknüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit unterliegt die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise zwar einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Aber auch hier muss die von ihm getroffene Regelung durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt sein (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. November 1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165 <177 f.>; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 5 C 24.10 - juris Rn. 15).
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Die Gleichbehandlung eines im Wege einer anonymen heterologen Insemination gezeugten Kindes mit einem Kind, dessen Mutter sich weigert, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken, stellt keine sachlich nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung dar. Der allgemeine Gleichheitssatz dient in diesem Zusammenhang gerade als Maßstab für die Zulässigkeit des vorstehenden Analogieschlusses. Ergibt die Ähnlichkeitsprüfung, dass ein gleichartiger Fall vorliegt, so ist die Gleichbehandlung beider Fallgestaltungen geboten.
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Die durch die Nichtgewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bewirkte Benachteiligung eines im Wege einer anonymen heterologen Insemination gezeugten Kindes, dessen leiblicher Vater infolge des Verzichts der Kindesmutter auf die Kenntnisnahme von der Identität des Samenspenders nicht festzustellen ist, gegenüber einem Kind, dessen anderer Elternteil bekannt ist, ist sachlich dadurch gerechtfertigt, dass in der erstgenannten Fallgestaltung der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seine Obliegenheit verletzt hat, alles zu unternehmen, damit ein Unterhaltsvorschuss nicht zu einer Unterhaltsausfallleistung mutiert. Aus denselben Erwägungen erweist sich auch die Ungleichbehandlung eines im Wege einer anonymen Samenspende gezeugten Kindes mit einem auf natürlichem Wege gezeugten Kind, dessen leiblicher Vater nicht feststellbar ist, ohne dass dieses auf ein bewusstes und gewolltes Verhalten der Kindesmutter zurückzuführen ist, als sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung stellt sich auch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls deshalb nicht als unangemessen dar, weil die Versagung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht den Ausschluss der Gewährung anderer Sozialleistungen, insbesondere von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nach sich zieht (Urteil vom 21. November 1991 a.a.O. S. 198 bzw. S. 5), mithin die Sicherstellung des Unterhaltes des betroffenen Kindes aus öffentlichen Mitteln gewährleistet ist.
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.
(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.
(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.
(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.