Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Jan. 2017 - M 25 S 16.5917
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 20. Oktober 2004 sprach das Amtsgericht ... den Antragsteller der Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig, da er einen anderen Jugendlichen beleidigt und anschließend ins Gesicht geschlagen hatte, und verurteilte ihn zu sieben Stunden Sozialdienst nach Weisung der Katholischen Jugendfürsorge ...
Mit Urteil vom 2. August 2007 sprach das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht ... den Antragsteller des versuchten Raubes schuldig, da er einen verdeckt ermittelnden Polizeibeamten im Rahmen eines vorgespiegelten Rauschgiftgeschäfts niedergeschlagen hatte, und verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit Urteil vom 7. Dezember 2009 sprach das Amtsgericht ... den Antragsteller zweier tatmehrheitlicher Fälle des versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Mittäterschaft und in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Mittäterschaft schuldig und verurteilte ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten.
„Ich lade euch alle ein zum Islamischen Staat. Verrichtet eure Hijra zum Darul Islam, in Gehorsam zu Allah swt und verschwendet nicht eure Zeit und euer Potentzial im Daul Kufur. Wallahi ihr verpasst was gewaltiges. Leben in Izzah unter dem Schatten der Shariah. Schenkt den Aussagen der Heuchler und Rufer zu den Toren der Hölle keine Aufmerksamkeit. Sie sind in der Irre und führen andere in die Irre. Wer Fragen oder Hilfe braucht für seine Hijra soll sich „surespot“ runterladen und sich bei mir melden“.
„Von dem Bruder. Für jeden den er kennt.“
„1. Sie werden aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen.
2. Die Wirkungsdauer der Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung (Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot sowie Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels) wird auf acht Jahre befristet. Die Frist beginnt mit der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland.
3. Sie haben das Bundesgebiet bis zum 10.01.2017 zu verlassen. Sollten Sie nicht fristgerecht ausreisen, werden Sie in den Kosovo abgeschoben. Die Abschiebung kann auch in einen anderen Staat erfolgen, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Rückübernahme verpflichtet ist.
4. Für den Fall, dass Sie das Bundesgebiet nicht innerhalb der Ihnen unter Ziffer 3 gesetzten Frist verlassen haben, sind Sie verpflichtet, sich zum 11.01.2017 bis 16:00 Uhr in die Gemeinschaftsunterkunft in ..., ...r Str. ... zu begeben, dort Ihren Wohnsitz zu nehmen und bis zu Ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet in der vorbezeichneten Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen.
5. Für den Fall, dass Sie das Bundesgebiet nicht innerhalb der Ihnen unter Ziffer 3 gesetzten Frist verlassen haben, ist Ihr Aufenthalt ab 11.01.2017 bis zu Ihrer Ausreise auf das Stadtgebiet ... beschränkt.
6. Für den Fall, dass Sie das Bundesgebiet nicht innerhalb der Ihnen unter Ziffer 3 gesetzten Frist verlassen haben, sind Sie verpflichtet, sich ab 11.01.2017 bis zu Ihrer Ausreise einmal täglich zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der zuständigen Polizeiinspektion in ..., ...straße ..., zu melden.
7. Sie werden mit sofortiger Wirkung bis zu Ihrer Ausreise verpflichtet, folgende Kommunikationsmittel nicht zu nutzen:
– EDV-gestützte Kommunikationsmittel (wie beispielsweise Internet, E-Mails, Newsgroups, soziale Netzwerke, Kommunikationsdienste)
– Mobiltelefone aller Art
– öffentliche und private Fernsprecher aller Art
– Faxgeräte aller Art
Von diesem Verbot ausgenommen ist die Nutzung eines nicht-internetfähigen Mobiltelefons, nachdem Sie der Ausländerbehörde ... dessen Telefon-, Karten- und Gerätenummer (IMEI) angezeigt haben.
8. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 5 und 6 dieses Bescheides wird angeordnet.
9. Für den Fall, dass Sie Ihrer Verpflichtung aus Ziffer 4 dieses Bescheides nicht freiwillig nachkommen, wird diese Verpflichtung ab dem 12.01.2017 mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt.
10. Falls Sie gegen die in Ziffer 5 dieses Bescheides angeordnete Aufenthaltsbeschränkung verstoßen, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro fällig.
11. Für den Fall, dass Sie Ihre Verpflichtung unter Ziffer 6 dieses Bescheides nicht beachten, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro fällig.
12. Für den Fall, dass Sie gegen die unter Ziffer 7 angeordnete Verpflichtung verstoßen, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro fällig.
13. Für die Entscheidung über die Befristung der Sperrwirkungen der Ausweisung wird eine Gebühr in Höhe von 30,00 Euro erhoben. Im Übrigen ergeht der Bescheid kostenfrei. Die Kosten einer Abschiebung hätten Sie zu tragen.“
den Bescheid der Antragstellerin aufzuheben.
Gleichzeitig beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
II.
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(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.
(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, - 2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und - 3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und - 2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.
(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder - 2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b - 3.
(weggefallen)
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen, - 2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1, - 3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3, - 4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder - 5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.
(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.
(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).
(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.
(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.
(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn
- 1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder - 2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.
(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.
(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er
- 1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen, - 2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder - 3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.
(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.
(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.
(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.
(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.
(1) Wer in der Absicht, sich in der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 2 Nr. 1 unterweisen zu lassen, zu einer Vereinigung im Sinne des § 129a, auch in Verbindung mit § 129b, Beziehungen aufnimmt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Handlung ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten dient.
(3) Absatz 1 gilt auch, wenn das Aufnehmen oder Unterhalten von Beziehungen im Ausland erfolgt. Außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt dies nur, wenn das Aufnehmen oder Unterhalten von Beziehungen durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird.
(4) Die Verfolgung bedarf der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
- 1.
in den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 oder - 2.
wenn das Aufnehmen oder Unterhalten von Beziehungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht durch einen Deutschen begangen wird.
(5) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.
(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder - 2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b - 3.
(weggefallen)
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen, - 2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1, - 3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3, - 4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder - 5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.
(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.
(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).
(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.
(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.
(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.
(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn
- 1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder - 2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, - 4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder - 5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.
(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn
- 1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, - 2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält, - 3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt, - 4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält, - 5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder - 6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.
(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.
(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn
- 1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder - 2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
Tatbestand
- 1
-
Der 1973 geborene Kläger, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland.
- 2
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Er reiste im Dezember 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Nach Rücknahme dieses Antrags im März 1993 erhielt er befristete Duldungen und später eine Aufenthaltsbefugnis. Aufgrund der Eheschließung mit einer niederländischen Staatsangehörigen wurde ihm im Februar 1996 eine befristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt, die in der Folge verlängert wurde. Aus dieser Ehe sind drei 1996, 1998 und 2000 geborene Kinder hervorgegangen, die nach Angaben des Klägers die deutsche und die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen. Von der Mutter der Kinder hat sich der Kläger im November 2000 getrennt. Die Ehe wurde geschieden. Für die drei Kinder hat die Mutter seit März 2001 das alleinige Sorgerecht. Im Juli 2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im März 2006 heiratete er eine kosovarische Staatsangehörige. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Der Sohn ist vier, die Tochter drei Jahre alt.
- 3
-
Im Juli 2005 führte die Regierung M. ein Sicherheitsgespräch mit dem Kläger, nachdem bekannt geworden war, dass er Verbindungen zur islamischen Sammlungsbewegung Tablighi Jamaat hatte. Er bestätigte in diesem Gespräch, an Veranstaltungen von Tablighi Jamaat im In- und Ausland teilzunehmen und nach ihren Glaubensvorstellungen zu leben. Mit Bescheid der Regierung M. vom 15. August 2005 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1). Ihm wurde die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina für den Fall der Nichtbeachtung einer auf den 10. September 2005 gesetzten Ausreisefrist angedroht (Nr. 2). Er wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei der zuständigen Polizeiinspektion T. zu melden (Nr. 3). Sein Aufenthalt wurde auf das Gebiet des Landkreises W.-G. beschränkt (Nr. 4). Der Sofortvollzug der Bestimmungen aus Nr. 1, 3 und 4 wurde angeordnet (Nr. 5).
- 4
-
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG erfülle, da er einer Vereinigung angehöre, die den Terrorismus unterstütze, und die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Der Kläger sei Aktivist der Tablighi Jamaat. Diese Missionierungsbewegung vertrete eine radikalisierte Form des strenggläubigen Islam indischer Prägung. Obwohl die Bewegung nach außen Gewalt ablehne, bestehe durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt würden. Es sei eine Vielzahl von Einzelpersonen bekannt, die sich durch Tablighi Jamaat radikalisiert und sich in der Folge terroristischen Gruppierungen angeschlossen hätten. Indem die Bewegung es terroristischen Organisationen ermögliche, aus ihren Reihen Kämpfer zu rekrutieren, unterstütze sie den Terrorismus. Der Kläger gehöre der Tablighi Jamaat an, habe zweimal an religiösen Ausbildungsaufenthalten der Bewegung in Pakistan teilgenommen und für sie missioniert. Zudem gefährde er durch seine aktive Tätigkeit für Tablighi Jamaat die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Ziele der Organisation stünden mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht in Einklang.
- 5
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Nach Erhebung der Klage und nach erfolgloser Durchführung eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ausweisungsverfügung ist der Kläger im Sommer 2006 freiwillig nach Bosnien-Herzegowina ausgereist. Das Verfahren ist daraufhin hinsichtlich der Abschiebungsandrohung (Nr. 2 des Bescheids) übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
- 6
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die übrigen Regelungen des Bescheids im Januar 2008 abgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 22. Februar 2010 das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid der Regierung M., soweit er noch im Streit war, aufgehoben. Er hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG lägen nicht vor. Damit entfielen auch die auf der Grundlage von § 54a AufenthG getroffenen Anordnungen. Eine Unterstützung des Terrorismus im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG setze ein Handeln der Vereinigung voraus, das über bloße Sympathiewerbung hinausgehe. Dies ergebe sich aus einer Auslegung der Vorschrift, die sich an die strafrechtliche Rechtsprechung zu § 129a StGB anlehne. Bei der Vereinigung Tablighi Jamaat sei aber nicht einmal ein befürwortendes Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele und der aus ihr heraus begangenen Straftaten oder die Verherrlichung ihrer Ideologie feststellbar. Tablighi Jamaat sei um das Jahr 1926 als islamische Erweckungs- und Missionierungsbewegung im damaligen Britisch-Indien gegründet worden und habe weltweit 10 - 12 Millionen Anhänger. Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen stehe weder fest, dass die Bewegung terroristische Taten begangen noch dass sie Beihilfe zu derartigen Taten geleistet habe. Aus dem vorgelegten Gutachten des Bundesnachrichtendienstes (BND) gehe lediglich hervor, dass Dritte bei ihren terroristischen Aktivitäten Tablighi Jamaat zur Erleichterung ihrer Reisetätigkeiten, für Kontakte oder als Anlaufstelle benutzt hätten. Es sei jedoch nicht durch tragfähige Indizien belegt, dass die Bewegung von der Nutzung ihrer Infrastruktur für terroristische Aktivitäten Kenntnis hatte. Soweit sich in einzelnen Fällen Personen aus ihren Reihen anschließend im extremistischen Milieu militanter Gruppierungen betätigt hätten, handele es sich um Aktivitäten von Einzelpersonen, die die offenen Strukturen der Bewegung für ihre Aktivitäten nutzten. Die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse rechtfertigten deshalb lediglich den Schluss, dass sich radikale islamistische Kräfte in Einzelfällen der Infrastruktur der Tablighi Jamaat bedient hätten. Es stehe jedoch nicht fest, dass eine derartige Inanspruchnahme durch Dritte seitens Tablighi Jamaat gezielt auf eine Unterstützung des Terrorismus gerichtet sei, wie § 54 Nr. 5 AufenthG dies voraussetze. Angesichts ihrer auf Gewaltlosigkeit ausgerichteten Lehre und der Verlautbarungen ihrer Führer, aus denen sich nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Aufrufe zur Gewaltanwendung nicht entnehmen ließen, treffe Tablighi Jamaat auch keine Garantenpflicht, alles dafür zu tun, dass ein Missbrauch ihrer Infrastruktur nicht stattfinde.
- 7
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Auch der Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG sei nicht erfüllt, da eine konkrete Gefährlichkeit des Klägers nicht nachgewiesen sei. Maßstab für das Handeln von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sei die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gestalt der verfassungsmäßigen Ordnung erst dann, wenn diese danach trachteten, ihre davon abweichenden Ziele in aggressiv-kämpferischer Weise zu verwirklichen. Dies sei hier nicht nachgewiesen.
- 8
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Der Beklagte begründet die gegen das Urteil eingelegte Revision im Wesentlichen damit, der Verwaltungsgerichtshof habe den Unterstützungsbegriff in § 54 Nr. 5 AufenthG verkannt. Dieser sei nicht deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung in § 129a StGB. Als Unterstützen sei vielmehr jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf den Terrorismus auswirkt. Hierfür gelte im Rahmen von § 54 Nr. 5 AufenthG ein reduzierter Beweismaßstab, der es ausreichen lasse, dass Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sei die Bewegung Tablighi Jamaat als Vereinigung anzusehen, die den Terrorismus unterstütze.
- 9
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In der Revisionsverhandlung haben die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Regelungen in Nummer 3 und 4 des Bescheids übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
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Das Verfahren ist, soweit es die Ziffer 3 und 4 des Bescheids der Regierung M. - Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern - vom 15. August 2005 betrifft, nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 i.V.m. § 125 Abs. 1, § 141 VwGO einzustellen. Die vorinstanzlichen Entscheidungen sind, soweit sie diese beiden Streitgegenstände betreffen, wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
- 11
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Die Revision, die sich nur noch gegen die Aufhebung der in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Ausweisung durch das Berufungsurteil wendet, ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die angefochtene Ausweisung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG nicht vorliegen.
- 12
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1. Zunächst ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht davon ausgegangen, dass das Klagebegehren nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist. Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung des Klägers nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) erfasst wird. Denn nach § 1 FreizügG/EU regelt dieses Gesetz nur die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihren Familienangehörigen, letztere unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 FreizügG/EU (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU). Der Kläger ist zwar Vater von drei Kindern aus einer früheren Ehe, die nach seinen Angaben neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die niederländische besitzen. Er erfüllt aber nicht die Voraussetzungen für einen freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen nach dem FreizügG/EU. Hierfür wäre gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU vielmehr Voraussetzung, dass ihm die Kinder (als die stammberechtigten Unionsbürger) Unterhalt gewähren. Aber auch wenn man den Begriff des Familienangehörigen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für das Verhältnis eines drittstaatsangehörigen Elternteils zu seinem mit Unionsbürgerstatus ausgestatteten Kind weiter fasst, erfüllt der Kläger die Voraussetzungen hierfür nicht, da er für seine Kinder aus der früheren Ehe nicht die Personensorge wahrnimmt, wie dies die Rechtsprechung fordert (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02, Zhu und Chen - InfAuslR 2004, 413 Rn. 45 f. und vom 17. September 2002 - Rs. C-413/99, Baumbast - InfAuslR 2002, 463 Rn. 71 ff.). Durch die Entscheidung, dass der Kläger nicht in Deutschland verbleiben darf, wird den Kindern auch nicht der Kernbestand der Rechte verwehrt, den ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - NJW 2011, 2033, Rn. 41 ff.). Vielmehr konnten die Kinder ihren Aufenthalt in Deutschland auch in den Jahren seit der Ausreise des Klägers nach Bosnien-Herzegowina fortsetzen, weil sich ihre allein sorgeberechtigte Mutter in Deutschland aufhalten durfte und die Personensorge ausüben konnte.
- 13
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Ausweisung sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten. Auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Ausweisung nach der Rechtsprechung des Senats nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs im Februar 2010 zu beurteilen (vgl. Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.). Der Umstand, dass der Kläger unter dem Druck der angedrohten Abschiebung bereits im Jahr 2006 aus Deutschland ausgereist ist, ändert hieran nichts.
- 14
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2.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG im Ergebnis mit Recht verneint. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Voraussetzung für die Anwendung dieses Regelausweisungstatbestandes ist demnach, dass dem Ausländer das Verhalten einer Vereinigung zugerechnet werden kann, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat (vgl. Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <124 ff.>). Das Berufungsurteil kommt aufgrund der von ihm getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass es sich bei der islamischen Organisation Tablighi Jamaat nicht um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wie § 54 Nr. 5 AufenthG das voraussetzt.
- 15
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Die Vorläufervorschriften zu dem heute in § 54 Nr. 5 AufenthG normierten Ausweisungstatbestand (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative, § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) wurden mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, BGBl I S. 361) zum 1. Januar 2002 in das deutsche Ausländergesetz eingefügt. Sie sind in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in dem Bestreben geschaffen worden, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 127). Durch das Zuwanderungsgesetz wurde der Ausweisungstatbestand mit Wirkung zum 1. Januar 2005 in § 54 Nr. 5 AufenthG nunmehr inhaltlich vollständig und ohne Verweisung auf Versagungsgründe für einen Aufenthaltstitel geregelt. Er wurde zudem verschärft, indem der Tatbestand auf Mitgliedschaften und Unterstützungshandlungen in der Vergangenheit erstreckt wurde, die Beweisanforderungen für die Mitgliedschaft und das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer reduziert wurden und jetzt auch die Mitgliedschaft und Unterstützung einer Vereinigung erfasst wird, die einen ausschließlich nationalen Terrorismus unterstützt (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 32; Hailbronner, § 54 AufenthG, Stand: Februar 2009, Rn. 26).
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2.1.1 Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" der normale Beweismaßstab gilt, d.h. dass das Vorliegen dieser Umstände zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen muss (so schon Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 126 zu der Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG). Der durch das Zuwanderungsgesetz eingeführte reduzierte Beweismaßstab, wonach lediglich Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen müssen, bezieht sich entgegen der Ansicht des Beklagten nur auf die nach § 54 Nr. 5 AufenthG außerdem erforderliche individuelle Unterstützung der Vereinigung durch den betroffenen Ausländer oder seine Zugehörigkeit zu der Vereinigung. Für eine solche Auslegung spricht neben dem Wortlaut und der Systematik der Norm vor allem das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitserfordernis, das insbesondere bei Eingriffsakten wie der Ausweisung zu beachten ist. Dieses verlangt, dass das Handeln der Verwaltung für den Einzelnen berechenbar und vorhersehbar sein muss. Das wäre bei einem zweifach reduzierten Beweismaßstab, der sich auf mehrere Tatbestandsmerkmale innerhalb einer Zurechnungskette bezieht, nicht der Fall. Wenn nicht einmal feststehen müsste, dass die Vereinigung, der der Einzelne mutmaßlich angehört oder die er mutmaßlich unterstützt, ihrerseits den Terrorismus unterstützt, könnte er sich in seinem Handeln, etwa durch Distanzierung oder Abbruch des Kontakts, darauf nicht einstellen. Zudem wäre die Widerlegung der Annahme, dass eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, für den Einzelnen ungleich schwerer als die Widerlegung eines mutmaßlichen Unterstützungshandelns durch ihn selbst. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre eine Erstreckung des reduzierten Beweismaßes auf das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung rechtsstaatlich bedenklich.
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2.1.2 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Tablighi Jamaat eine "Vereinigung" im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG ist. Der Begriff der Vereinigung setzt einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen voraus, nicht aber notwendigerweise eine förmliche Mitgliedschaft (vgl. zum Begriff der Vereinigung in diesem Zusammenhang Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus <2001/931/GASP, ABl EG 2001 L 344, S. 93>). Auch eine auf gemeinsame religiöse Überzeugungen gegründete Gemeinschaft wie die Tablighi Jamaat kann eine Vereinigung in diesem Sinne darstellen. Dass die Tablighi Jamaat diese Anforderungen erfüllt, ergibt sich ohne Weiteres aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es sich um eine international tätige Organisation mit eigenen Strukturen und 10 - 12 Millionen Anhängern oder Mitgliedern handelt (UA Rn. 59).
- 18
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2.1.3 Bei der weiteren Prüfung, ob die Tablighi Jamaat den Terrorismus unterstützt, ist der Verwaltungsgerichtshof mit seiner einschränkenden Auslegung des Unterstützungsbegriffs, die sich an die strafgerichtliche Rechtsprechung zu § 129a StGB anlehnt, allerdings von unzutreffenden aufenthaltsrechtlichen Maßstäben ausgegangen.
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Hinsichtlich des Begriffs des Terrorismus enthält das Terrorismusbekämpfungsgesetz, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. März 2005 (a.a.O. S. 129 f.) ausgeführt hat, zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Der Senat hat in diesem Zusammenhang unter anderem auf die innerhalb der Vertragsstaaten der Europäischen Union erzielte Übereinstimmung zum Terrorismusbegriff im Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl EG 2001 L 344, S. 93) hingewiesen (vgl. Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 130). Nach Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts sind terroristische Handlungen bestimmte katalogmäßig aufgeführte vorsätzliche Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind, wenn sie mit dem Ziel begangen werden, (a) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder (b) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder (c) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören. Diese Definition steht im Einklang mit dem allerdings für das Strafrecht entwickelten und allgemeiner gefassten völkerrechtlichen Begriff eines Verbrechens des internationalen Terrorismus, wie er sich in der Entscheidung des UN-Sondertribunals für den Libanon vom 16. Februar 2011 findet und dort unter Auswertung der Rechtslage in 20 Ländern ermittelt worden ist (Special Tribunal for Lebanon, Interlocutary Decision on the Applicable Law - STL-11-01/I - Rn. 85 - abrufbar unter http://www.stl-tsl.org/en/the-cases/stl-11-01/rule-176bis - kritisch hierzu Kirsch/Oehmichen, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 2011, 800). Eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln liegt nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (vgl. Urteil vom 30. April 2009 a.a.O. Rn. 33).
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Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG ist dann auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Terrorismusbekämpfungsgesetz, BTDrucks 14/7386 S. 54). Die Unterstützungsbegriffe im Ausweisungsrecht - und zwar sowohl der hier in Rede stehende Begriff der Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung als auch der hiervon zu unterscheidende Begriff der individuellen Unterstützung dieser Vereinigung durch den betroffenen Ausländer - sind nicht deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung in § 129a Abs. 5 StGB. Sie umfassen auch das Werben für die Ideologie und die Ziele des Terrorismus. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts (UA Rn. 47 ff.) verletzt Bundesrecht. Zwar begründet eine derartige Sympathiewerbung seit Inkrafttreten des 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I S. 3390) und des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I S. 2836) - anders als zuvor - keine Strafbarkeit nach § 129 a StGB mehr (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07 - BGHSt 51, 345 Rn. 6 ff.). Abweichend von § 129a StGB kennt der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG jedoch keine Unterscheidung zwischen Unterstützen und Werben und keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen dem Ausschluss der Sympathiewerbung aus dem Straftatbestand des § 129a StGB auch keine übergreifenden verfassungsrechtlichen Erwägungen zum Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG zugrunde. Vielmehr stützte der Gesetzgeber das Absehen von einer strafrechtlichen Ahndung der Sympathiewerbung auf spezifisch strafrechtliche Gründe. So verwies er darauf, dass die Sympathiewerbung, der die Rechtsprechung einen "vergleichsweise geringen Unrechtsgehalt" zuweise, ohne Einbuße für bedeutsame Rechtsgüter aus dem Straftatbestand ausgeschieden werden könne. Das Ausscheiden der Sympathiewerbung sollte der Tathandlung einen klar umgrenzten und in der strafrechtlichen Praxis handhabbaren Gehalt geben und eine kritische Berichterstattung vom strafrechtlichen Risiko freistellen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24. April 2002, BTDrucks 14/8893 S. 8; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 a.a.O. Rn. 8).
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Eine entsprechende Beschränkung auf das Werben um Mitglieder und Unterstützer hat der Gesetzgeber in den erst nach der strafrechtlichen Gesetzesänderung neu gefassten Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG nicht aufgenommen. Er hat den Tatbestand vielmehr erweitert, indem er nunmehr auch in der Vergangenheit liegende Unterstützungshandlungen und den rein nationalen Terrorismus einbezieht, und er hat den Beweismaßstab für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer abgesenkt. Der Gesetzgeber hat damit in zulässiger Weise zwischen Regelungen zur präventiven Gefahrenabwehr einerseits und zur Strafverfolgung andererseits differenziert (vgl. zu den unterschiedlichen Zielen bereits Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 125). Die Ausweisungsnorm des § 54 Nr. 5 AufenthG soll weiterhin alle Verhaltensweisen - und damit auch die Sympathiewerbung - erfassen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken. Dies gilt für beide Unterstützungsbegriffe in § 54 Nr. 5 AufenthG, also sowohl für die Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung als auch für das individuelle Unterstützen einer solchen Vereinigung durch den Ausländer. Für die zuletzt genannte individuelle Unterstützung durch den Ausländer bedeutet dies, dass weiterhin die vom Senat hierzu im Urteil vom 15. März 2005 (a.a.O. S. 125 f.) entwickelten Kriterien maßgeblich sind. Das gilt auch für die Abgrenzung zwischen ausweisungsrechtlich relevanter Werbung für die Vereinigung selbst und ausweisungsrechtlich unbeachtlicher Werbung für einzelne humanitäre Anliegen der Vereinigung. Für die im vorliegenden Fall maßgebliche Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung bedeutet dies, dass auch die von der Vereinigung betriebene Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter eine Unterstützung des Terrorismus darstellen kann.
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2.1.4 Die fehlerhafte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs wirkt sich allerdings auf das von ihm gefundene Ergebnis, dass die Tablighi Jamaat keine Vereinigung ist, die den Terrorismus unterstützt, nicht aus. Denn der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund der von ihm getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass auch bei einer Einbeziehung der Sympathiewerbung in den Unterstützungsbegriff weder die Ziele noch das Handeln von Tablighi Jamaat auf eine Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind, wie es der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfordert (UA Rn. 81, 90 und 93). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 23
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Der Tatbestand des Unterstützens des Terrorismus durch eine Vereinigung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG setzt nämlich voraus, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind (so auch Discher, in: GK-AufenthG, Stand: August 2009, § 54 Rn. 463). Ein bloßes Ausnutzen der Strukturen einer Vereinigung durch Dritte in Einzelfällen reicht hierfür nicht aus. Zwar genügt es nach der Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, für das individuelle Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer, dass für ihn das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung erkennbar ist, damit es ihm zugerechnet werden kann (vgl. Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 125). Um den Ausweisungstatbestand rechtsstaatlich zu begrenzen, hält es der Senat aber für geboten, für das Unterstützen des Terrorismus durch die Vereinigung selbst eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten zu verlangen, als sie bei der individuellen Unterstützung der Vereinigung durch den einzelnen Ausländer gefordert wird. Andernfalls würde dem Einzelnen ein Verhalten zugerechnet, das weder von seinem Willen noch von dem der von ihm unterstützten Vereinigung getragen wird. Daher muss die Unterstützung des Terrorismus jedenfalls auch ein Ziel der Vereinigung oder ihrer Tätigkeit sein. Dies ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bei der Tablighi Jamaat nicht der Fall.
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2.1.5 Die Feststellungen und die Würdigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse und erhobenen Beweise durch den Verwaltungsgerichtshof sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Allerdings erweckt das Berufungsurteil durch die Formulierung, es sei "in erster Linie Aufgabe der Sicherheitsbehörden ..., die erforderlichen Tatsachengrundlagen für eine Ausweisungsverfügung (ergänzt: nach § 54 Nr. 5 AufenthG) zu schaffen" (UA Rn. 67 und 93), den Eindruck, dass insofern die Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) eingeschränkt sei. Eine solche Auffassung wäre rechtsfehlerhaft, weil die Pflicht zur gerichtlichen Sachaufklärung auch im Rahmen von Ausweisungsverfahren nach § 54 Nr. 5 AufenthG gilt, selbst wenn in tatsächlicher Hinsicht die gerichtlichen Möglichkeiten zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts in Fällen, in denen die Ausweisung im Wesentlichen auf Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden gestützt ist, begrenzt sein mögen. Da der Verwaltungsgerichtshof in der Sache aber durch seinen Auflagen- und Beweisbeschluss vom 29. Juli 2009 und die Einführung von Auszügen aus aktuellen Verfassungsschutzberichten im Januar 2010 eigene Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts getroffen hat und damit erkennbar auch von einer eigenen Aufklärungspflicht ausgegangen ist, entspricht seine darauf beruhende Beweiswürdigung - trotz der erwähnten missverständlichen Formulierung - im Ergebnis den Vorgaben des § 108 Abs. 1 VwGO.
- 26
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund seiner Feststellungen nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Tablighi Jamaat den Terrorismus unterstützt, indem sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs die Lehre dieser islamischen Missionierungsbewegung mit weltweit 10 - 12 Millionen Anhängern auf Gewaltlosigkeit gerichtet (UA Rn. 59, 81). Zwar würden die Verhaltensweisen der "Islamischen Urgemeinde" in ahistorischer Weise als mustergültig und richtungsweisend dargestellt, spezifische Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele würden daraus aber nicht abgeleitet. Auch den Verlautbarungen ihrer Führer lassen sich nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen keine Aufrufe zur Gewaltanwendung entnehmen. Ein militanter Islamismus gehöre nicht zum Leitbild der Vereinigung (UA Rn. 77, 81 f.). Die in Art. 1 Abs. 3 Buchstabe a bis k des Gemeinsamen Standpunkts des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführten Handlungen setzen aber gewaltsames oder jedenfalls das Leben von Menschen gefährdendes Handeln voraus. Nach dem Berufungsurteil steht nicht fest, dass Tablighi Jamaat, deren Lehre auf Gewaltlosigkeit gerichtet ist, Handlungen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchstabe a bis k des Gemeinsamen Standpunkts des Rates unterstützt.
- 27
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Ebenso wenig bestehen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Anhaltspunkte dafür, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind. Es konnten keine belastbaren Erkenntnisse dafür gewonnen werden, dass die Vereinigung Muslime mit einer entsprechenden Einstellung für den militanten Dschihad gewinnen will (UA Rn. 82). Vielmehr befürworte die Tablighi-Lehre nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Entwicklung einer eigenen islamischen Identität durch gewaltfreie Mittel. Nach den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes sind die weltweiten Strukturen der Tablighi Jamaat lediglich wiederholt dazu missbraucht worden, Reisen von und zu Ausbildungslagern in Pakistan und Afghanistan zu tarnen (UA Rn. 78 f.). Es sei jedoch nicht durch tragfähige Indizien belegt, dass die Bewegung von der Nutzung ihrer Infrastruktur für terroristische Aktivitäten Kenntnis hatte. Soweit sich in einzelnen Fällen Personen aus ihren Reihen anschließend im extremistischen Milieu militanter Gruppierungen betätigt hätten, handele es sich um Aktivitäten von Einzelpersonen, die die offenen Strukturen der Bewegung für ihre Aktivitäten nutzten. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Tablighi Jamaat auf die Begehung terroristischer Taten abzielt, diese wissentlich unterstützt oder auch nur - um ihre unterstützende Funktion wissend - billigend in Kauf nimmt (UA Rn. 93). Diese Feststellungen tragen bei Zugrundelegung der oben dargestellten rechtlichen Maßstäbe den vom Verwaltungsgerichtshof gezogenen Schluss, dass die Tablighi Jamaat nicht als Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, anzusehen ist und deshalb auch die Zugehörigkeit des Klägers zu dieser Vereinigung nicht den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
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2.2 Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Ausweisung auch nicht auf den Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG gestützt werden kann. Nach der ersten Alternative der Vorschrift - die weiteren Alternativen kommen hier nicht in Betracht - wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Berufungsurteil kommt in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass sich aus der Zugehörigkeit des Klägers zu Tablighi Jamaat und aus seinem persönlichen Verhalten eine derartige Gefährdung nicht ableiten lässt. Denn es konnte weder festgestellt werden, dass der Kläger Aktivitäten zur Umsetzung der Lehre von Tablighi Jamaat in Deutschland - etwa im Sinne der Errichtung eines islamischen Gottesstaates - entfaltet hat oder in Zukunft entfalten würde, noch dass von ihm die Gefahr von Gewaltakten ausgeht.
- 29
-
3. Die Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung hinsichtlich der Ausweisungsverfügung (Nr. 1 des Bescheids), über die streitig entschieden wurde, ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Über die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der in der Revisionsverhandlung übereinstimmend für erledigt erklärten Streitgegenstände (Nr. 3 und 4 des Bescheids) ist unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Da die Ausweisungsverfügung rechtswidrig ist, fehlte es auch für die von ihrem Bestand abhängige Wohnsitzbeschränkung und Meldeauflage von vornherein an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dies geht zu Lasten des Beklagten. Die gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ergangene Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen hinsichtlich der Abschiebungsandrohung (Nr. 2 des Bescheids) bleibt unberührt.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet oder - 2.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der ein derartiges Kennzeichen darstellt oder enthält, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
(3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, - 4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder - 5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.
(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn
- 1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, - 2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält, - 3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt, - 4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält, - 5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder - 6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.
(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.
(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.
(2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
(3) § 1684 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind.
(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, - 4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder - 5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.
(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn
- 1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, - 2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält, - 3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt, - 4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält, - 5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder - 6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.
(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.
(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.
(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn
- 1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder - 2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Tatbestand
- 1
Der am (…) 1980 im Irak geborene Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er reiste am 25.01.2001 in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.02.2001 einen Asylantrag. Aufgrund eines Verpflichtungsurteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 12.02.2002 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 10.04.2002 fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG hinsichtlich des Irak vorliegen. Der Landkreis G. erteilte ihm daraufhin mit Bescheid vom 22.04.2002 eine bis zum 21.04.2004 gültige Aufenthaltsbefugnis, die die Auflage enthielt, den Wohnsitz im Landkreis G. zu nehmen. Nachdem der Kläger nach M-Stadt verzogen war und dort eine Arbeit aufgenommen hatte, verlängerte die nunmehr zuständige Beklagte am 25.03.2004 die Aufenthaltsbefugnis bis zum 25.03.2006. Nachdem das Bundesamt die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AusIG mit Bescheid vom 24.09.2004 widerrufen und das Verwaltungsgericht Magdeburg die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 18.03.2005 abgewiesen hatte, widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2006 den als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG fortgeltenden Aufenthaltstitel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2010 zurück. Hiergegen erhob der Kläger keine Klage. Einen bereits am 28.02.2006 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nahm der Kläger daraufhin zurück. Einen weiteren Antrag vom 01.12.2006 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006 lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.05.2007 ab, weil der Kläger nicht seit acht Jahren ununterbrochen in der Bundesrepublik gelebt habe.
- 2
Den vom Kläger bereits am 27.10.2006 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.01.2007 ab. Zur Begründung gab sie an, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1, 2 oder 3 AufenthG seien nicht gegeben, weil der Kläger weder asylberechtigt sei noch die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60 AufenthG vorlägen. Es bestünden auch keine dringenden humanitären oder persönlichen Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen an der vorübergehenden weiteren Anwesenheit des Klägers in der Bundesrepublik, so dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht komme. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, scheide auch eine Verlängerung der Erlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG aus. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei schon deshalb nicht zu erteilen, weil der Kläger nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei, solange der Entzug der Aufenthaltserlaubnis angefochten sei. Es bestehe kein Abschiebestopp, und eine freiwillige Ausreise sei jederzeit möglich. Die Behauptung, im Irak durch Morddrohungen gefährdet zu sein, müsse der Kläger in einem Asylfolgeverfahren geltend machen und sei für die Aufenthaltserlaubnis unerheblich. Auch wenn der Kläger durch den vorgelegten Arbeitsvertrag und seine Gehaltsnachweise belege, dass er wirtschaftlich integriert sei und seinen Lebensunterhalt selbst sicherstellen könne, sei dies unerheblich; denn ungeachtet seines Integrationswillens müsse ein Ausländer stets mit der Beendigung seines Aufenthalts rechnen. Da die Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen widerrufen worden sei, müsse der Kläger seinen Aufenthalt beenden. Eine Aufenthaltsverfestigung liege nicht vor, da er nur drei Jahre und zwei Monate rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik nachweisen könne.
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Hiergegen erhob der Kläger am 02.02.2007 Widerspruch. Am 28.02.2007 stellte er einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, den das Bundesamt mit Bescheid vom 07.03.2007 ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung seines Widerspruchs gab der Kläger an: Er erfülle die Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach mehreren Altfallregelungen nur knapp nicht. Die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise ergebe sich aus Art. 8 EMRK. Er habe sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als viele andere Ausländer intensiv in Deutschland eingelebt und integriert. Immer, wenn es möglich gewesen sei, habe er gearbeitet. Dem stehe eine Rückkehr in seine Heimat ohne nahe Verwandte und mit äußerst unsicherer Perspektive gegenüber. Er erfülle die Anforderungen an das Maß an Integration und könne zugleich nicht in den Irak, ein instabiles, im Umbruch begriffenes Land zurückkehren, dessen gesellschaftliche Verhältnisse durch religiöse und ethnische Konflikte geprägt seien. Er würde dann auch von seiner Familie getrennt, wobei der Familienbegriff auch die Familie eines Erwachsenen (Eltern, Geschwister) umfasse.
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Mit Bescheid vom 23.09.2010 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde u.a. aus: Zwar sei der Kläger seit mehr als 18 Monaten geduldet, daraus erwachse jedoch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, da ihm die freiwillige Ausreise möglich und zumutbar sei. Das Bundesamt habe zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse bindend ausgeschlossen. Schutzwürdige persönliche Gründe, die ein Verlassen der Bundesrepublik unzumutbar machten, seien nicht vorgetragen. Der Familienverbund zwischen erwachsenen Familienmitgliedern gehöre nicht zum Schutzbereich der Kernfamilie. Die im Kulturkreis des Klägers übliche engere Verbindung der Familie über die Kernfamilie hinaus sei aufenthaltsrechtlich unerheblich. Es liege auch kein Sonderfall vor, in dem der Aufenthalt des Klägers etwa zur Pflege seiner Eltern notwendig sei. Zur sozialen und tatsächlichen Integration sei zu pauschal vorgetragen worden. Der Kläger sei während der ersten 20 Jahre im Irak sozialisiert worden. Daran könne er bei einer Rückkehr anknüpfen. Es fehle zudem an einem rechtmäßigen Aufenthalt.
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Am 21.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen Folgendes vorgetragen hat: Seine gesamte Familie (Eltern, fünf Schwestern, ein Bruder) besitze inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Er selbst habe sich ebenfalls in seinem 10jährigen Aufenthalt in Deutschland in die hiesigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse integriert. Im Irak habe er keine sozialen Kontakte mehr. Seine soziale Persönlichkeit würde zerstört, wenn er in den Irak zurückkehren müsste. Er habe am 26.12.2010 nach irakischem Recht eine in Deutschland lebende Irakerin geheiratet, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 23.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
- 11
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 08.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 23.09.2010 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in einem Maße in seinen Lebensbeziehungen in Deutschland integriert sei, dass eine erzwungene Aufenthaltsbeendigung eine Verletzung seines Rechts auf Achtung seines Privatlebens aus Art. 8 EMRK darstelle. Der Kläger lebe inzwischen seit mehr als 11 Jahren in Deutschland. Der Umstand, dass er sich den überwiegenden Teil der Zeit nur geduldet im Bundesgebiet aufgehalten habe, spreche nicht von vornherein dagegen, ihm ein Recht auf den Schutz seines sozialen Lebens zuzusprechen; denn die Dauer der verschiedenen Verfahren, die der Kläger durchlaufen habe, sei nicht ihm anzulasten. Er habe während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik schnell die deutsche Sprache erlernt und, soweit es erlaubt und im Rahmen seines Aufenthaltsstatus möglich gewesen sei, sozialversicherungspflichtig gearbeitet sowie seinen Lebensunterhalt weitgehend selbst bestritten. Er sei nicht straffällig geworden. Seine gesamte Familie besitze zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe eine in Deutschland mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG ausgestattete Irakerin geheiratet, so dass, auch wenn die Gültigkeit dieser Eheschließung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht festgestanden habe, seine soziale Verwurzelung zwischenzeitlich in Deutschland liege. Eine Aufrechterhaltung dieser Beziehungen dürfte sich nach einer Rückkehr in den Irak nur schwer realisieren lassen. Da der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfülle, seien im Rahmen der Ermessensausübung die gegenläufigen öffentlichen Interessen abzuwägen, die gegen einen weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland sprächen. Die Beklagte und die Widerspruchsbehörde hätten insbesondere außer Acht gelassen, dass die gesamte Familie des Klägers – bis auf einen in Schweden lebenden Bruder – in Deutschland lebe und nach dem hier zu Grunde zu legenden Sachstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sogar die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Es stehe daher nicht zu erwarten, dass diese die Bundesrepublik je wieder verlassen werden, so dass der Kläger im Falle einer Abschiebung tatsächlich im Irak auf sich allein gestellt wäre. Selbst wenn eine „arabische Großfamilie“ nicht dem Kernfamilienbegriff des Art. 6 GG unterfalle, dürfte jedoch im Hinblick auf die für den Kläger und seine Familie prägende Kultur und die identitätsstiftende Wirkung der familiären Bindungen dieser Umstand nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Nach alledem dürfte der Kläger über starke soziale und wirtschaftliche Bindungen im Sinne qualitativer Integrationsleistungen verfügen, welche er ausschließlich im Bundesgebiet leben könne. Dringende öffentliche Belange, die einen weiteren Aufenthalt in Deutschland und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger unmöglich machten, seien dagegen nicht erkennbar. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Abschiebung in den Irak derzeit ohnehin nicht erfolge und eine freiwillige Ausreise im Hinblick auf die sozialen Beziehungen des Klägers in der Bundesrepublik ebenfalls zeitnah nicht zu erwarten sei, scheine die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis – vorbehaltlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 AufenthG – nicht geboten.
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Die vom Senat zugelassene Berufung hat die Beklagte wie folgt begründet:
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Sie sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts örtlich nicht mehr zuständig gewesen, da der Kläger bereits im Laufe des Gerichtsverfahrens im November 2011 nach A-Stadt verzogen sei. Eine Zustimmung der Ausländerbehörde zur Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG liege nicht vor. Daher habe das Verwaltungsgericht sie mit dem Bescheidungsurteil zu etwas verpflichtet, was sie wegen fehlender Zuständigkeit rechtlich gar nicht umsetzen könne bzw. dürfe. Der Kläger müsse vielmehr einen neuen Antrag in A-Stadt stellen.
- 14
Im Übrigen habe der Kläger auch materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Neubescheidung. Der dem Kläger erteilte Aufenthaltstitel sei bis zuletzt befristet gewesen, so dass sein Aufenthaltsrecht jederzeit habe enden können. Schon im Jahr 2004 habe ihn das Bundesamt über den beabsichtigten Erlass eines Widerrufsbescheides informiert. Ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand habe daher nicht entstehen können. Allein seine bisherige Aufenthaltsdauer belege nicht, dass eine Aufenthaltsbeendigung ihn wesentlich härter treffen würde als andere Ausländer in vergleichbarer Lage. Unabhängig davon könnten weder die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes noch die Zeiten seines faktischen Aufenthalts im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht begründen. Auch aus dem Gesichtspunkt der Achtung des Familienlebens könne sich ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann ergeben, wenn die Ablehnung des Aufenthaltsrechts unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK bereits im Bundesgebiet bestehende familiäre Beziehungen zerstören würde. Allein die Tatsache, dass der Kläger nicht straffällig geworden sei, berufstätig sei und seine gesamte Familie die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sei kein entscheidendes Kriterium, um eine soziale Verwurzelung zu bejahen. Insoweit könne nur auf die Kernfamilie abgestellt werden, nicht auf sonstige weitere Verwandte. Die Familienmitglieder des Klägers hätten den Irak bereits Jahre bzw. Monate vor ihm verlassen (Vater im Jahr 1997, Mutter und Geschwister im Januar 2000), so dass er bereits vor der Reise nach Deutschland allein im Heimatland ohne seine Geschwister und Eltern gelebt habe.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt (sinngemäß),
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die Berufung zurückzuweisen, soweit das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 23.09.2010 aufgehoben hat.
- 19
Er trägt vor: Zwar dürfte die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung aufzuheben sein, weil die Ausländerbehörde in A-Stadt die Wohnsitzänderung gebilligt und ihm eine Duldung erteilt habe. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, sei aber zutreffend. Im Falle einer Klageabweisung insgesamt würde der ablehnende Bescheid der Beklagten bestandskräftig mit der Folge, dass kein Raum für eine Neubescheidung durch die nunmehr zuständige Ausländerbehörde in A-Stadt bliebe. Die Entscheidung der Beklagten sei indes ermessensfehlerhaft. Es fehle die nach der Rechtsprechung des EGMR geforderte grundlegende Verhältnismäßigkeitsprüfung, die die Beklagte auch in ihrer Berufungsbegründung nicht vornehme und zudem im gerichtlichen Verfahren auch nicht nachholen könnte. Dass die Beklagte eine solche (erneute) Entscheidung zu fällen gar nicht mehr befugt sei, räume sie selbst ein. Diese Entscheidung müsse, nachdem die Berliner Ausländerbehörde mit Zustimmung der Beklagten die Zuständigkeit übernommen habe, auch von dieser erfolgen.
- 20
Die Beklagte interpretiere die kasuistische Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK unrichtig. Es bedürfe einer Gesamtschau im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die auch das Verwaltungsgericht angemahnt habe. Ferner verkenne die Beklagte das Kriterium der Achtung des Privatlebens und des Schutzes der Familie im europarechtlichen Verständnis. Die „deutsche Kleinfamilie“ – Eheleute und minderjährige Kinder – sei nicht der Maßstab. Die familiären Beziehungen gälten im Eltern-Kind-Verhältnis und den Verhältnissen der Geschwister als geschützt. Im Übrigen sei der Irak ein von einem fortdauernden Bürgerkrieg gezeichnetes Land. Der Kläger finde dort, wo er gelebt habe, keine ihm bekannte Umgebung und Menschen. In Deutschland bestreite er seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigener Erwerbstätigkeit.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 22
Die zulässige Berufung des Beklagten, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit dem schriftsätzlich erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet.
- 23
1. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Neubescheidung des vom Kläger gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen verpflichtet. Das gegen den Beklagten gerichtete Verpflichtungsbegehren ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht mehr passivlegitimiert, weil ihre örtliche Zuständigkeit mit dem bereits im Jahr 2011 erfolgten Umzug des Klägers nach A-Stadt entfallen ist.
- 24
Örtlich zuständige Behörde ist gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG diejenige Behörde, in deren Bezirk der Kläger seinen „gewöhnlichen Aufenthalt" hat oder zuletzt hatte. In Anlehnung an die Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Kläger hat unstreitig im Jahr 2011 seinen Wohnsitz nach A-Stadt verlegt, wo er einer Beschäftigung nachgeht und viele seiner Familienmitglieder leben. Bei Ausländern setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts zwar voraus, dass das nicht nur vorübergehende Verweilen nach den Vorschriften des Ausländerrechts zulässig ist (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 19.02.2009 – 13 PA 159/08 –, Juris, m.w.N.; OVG BBg, Beschl. v. 20.05.2008 – OVG 2 S 6.08 –, Juris, m.w.N.). Verlässt der Ausländer den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich, kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nur dann begründen, wenn dies mit Billigung der Ausländerbehörde geschieht (OVG MV, Beschl. v. 10.04.2000 – 3 M 132/99 –, VwRR MO 2001, 101). Dies ist hier der Fall. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten hat im Oktober 2011 die Berliner Ausländerbehörde ihre Zustimmung zur Änderung der Wohnsitzauflage erteilt.
- 25
Verlegt der Ausländer während des gerichtlichen Verfahrens zulässigerweise seinen dauernden Aufenthalt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten in den einer anderen Ausländerbehörde, kann der Beklagte zur Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verpflichtet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.1986 – I C 23.67 –, DÖV 1968, 772; sowie zur Einbürgerung: BVerwG, Urt. v. 31.03.1987 – 1 C 32.84 –, NJW 1987, 2179). Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Zustimmung der nunmehr zuständigen Behörde vorliegt, die die Beklagte nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 3 VwVfG zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigen würde.
- 26
2. Auch die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheides kann keinen Bestand haben.
- 27
2.1. Zwar kann der Kläger, nachdem sich der von ihm geltend gemachte Anspruch durch seinen Wohnsitzwechsel nach A-Stadt erledigt hat, seinen gegen die Beklagte gerichteten Verpflichtungsantrag auf eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis umstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996 – 1 C 28.94 –, InfAuslR 1997, 24 [25], RdNr. 13 in juris; Urt. v. 10.12.1996 – 1 C 19.94 –, InfAuslR 1997, 239, RdNr. 12 in juris; Beschl. v. 21.06.1993 – 1 C 16.93 –, InfAuslR 1993, 322). Stellt der Kläger seinen Klageantrag, was ebenfalls zulässig wäre, auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 31.03.1987 – 1 C 32.84 –, NJW 1987, 2179), folgt das insoweit erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides daraus, dass der Kläger damit rechnen muss, dass die inzwischen zuständig gewordene Behörde aus den von der Beklagten und der Widerspruchsbehörde angeführten Gründen die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ablehnen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.1987, a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob neben der Beklagten auch die jetzt zuständige Behörde durch das Urteil gebunden wird, wenn jedenfalls zu erwarten ist, dass sie der Entscheidung des Gerichts folgt (BVerwG, Beschl. v. 27.09.1993 – 1 B 73.93 –, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 261). Diese Erwägungen rechtfertigen auch die Annahme eines Rechtsschutzinteresses für eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid. Das Vorliegen des erforderliche Rechtsschutzinteresse des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht in diesen Fallgestaltungen als zweifelsfrei betrachtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, a.a.O.). Dem kann deshalb nicht entgegengehalten werden, dadurch werde das Verfahren in eine isolierte Anfechtung der Ablehnung einerseits und eine Weiterverfolgung des Verpflichtungsbegehrens andererseits bei jeweils gleicher Fragestellung künstlich aufgespalten, und der bisherige Beklagte sei auf Grund des Zuständigkeitsverlustes nicht mehr Herr des Verwaltungsverfahren und nicht mehr in der Lage, den Kläger nach Würdigung seines Klagevortrages oder dem Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme ggf. klaglos zu stellen (so allerdings VG Hannover, Urt. v. 26.04.2006 – 13 A 4126/05 –, juris). Der Kläger hätte zwar auch sein Primärziel unmittelbar weiterverfolgen und der geänderten Sachlage durch einen gewillkürten Parteiwechsel (subjektive Klageänderung) auf der Beklagtenseite Rechnung tragen können (vgl. BayVGH, Beschl. v. 09.02.2007 – 5 C 06.970 –, BayVBl 2008, 382). Diese Möglichkeit lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an einer isolierten Anfechtungsklage des Ablehnungsbescheides aber nicht entfallen (so wiederum VG Hannover, Urt. v. 26.04.2006, a.a.O.). Das allgemeine Rechtsschutzinteresse für eine Anfechtungsklage ist (nur) dann nicht gegeben, wenn der Kläger mit der Klage eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, wenn also die Inanspruchnahme des Gerichts sich als für die subjektive Rechtsstellung des Klägers zurzeit nutzlos darstellt (BVerwG, Beschl. v. 27.07.2005 – 6 B 37.05 –, juris, RdNr. 6, m.w.N.). Nicht nutzlos in diesem Sinne ist aber auch eine Entscheidung des Gerichts, wenn sie für den Rechtsschutzsuchenden lediglich aus tatsächlichen Gründen vorteilhaft ist; denn auch in diesem Fall werden die Gerichte nicht sinnlos in Anspruch genommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2002 – 4 CN 3.01 –, NVwZ 2002, 1126 [1127], RdNr. 11 in juris). Allein die Aufhebung des Versagungsbescheids kann ausnahmsweise ein zulässiges – gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres – Rechtsschutzziel sein, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so oder besser abgewendet werden kann, so dass ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage besteht; dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2006 – 1 C 10.06 –, BVerwGE 127, 161 [166 f.], RdNr. 16).
- 28
2.2. Die isolierte Anfechtungsklage ist aber nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.2.1. Abzustellen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung von ablehnenden Bescheiden im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage ist, soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderes ergibt, grundsätzlich der der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, a.a.O., RdNr. 15 in juris). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Aufenthaltsrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.05.2013 – 1 B 25.12 –, AuAS 2013, 158, RdNr. 6 in juris, m.w.N.) hat sich zwar mittlerweile dahingehend entwickelt, dass bei Streitigkeiten um das Fortbestehen eines Aufenthaltsrechts aus materiell-rechtlichen Gründen auf einen möglichst späten Beurteilungszeitpunkt abzustellen ist, um die Berücksichtigung aktueller tatsächlicher Entwicklungen etwa im Lichte des Art. 8 EMRK oder des Art. 6 GG zu ermöglichen. Deshalb sind etwa Ausweisungen ebenso wie Abschiebungsandrohungen oder Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sowie Entscheidungen über die Rücknahme oder den Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz darstellt. Diese Gründe treffen auf eine durch nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis bewirkte zeitliche Verkürzung des Aufenthaltsrechts in gleicher Weise zu. Einer Einbeziehung tatsächlicher Entwicklungen nach Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes bedarf es allerdings nicht, wenn die nachträglich eingetretenen Tatsachen sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt nicht mehr auswirken können, sondern – insbesondere nach dem Wegfall des Aufenthaltsrechts und dem Entstehen einer Ausreisepflicht – Bedeutung lediglich für die Neuerteilung eines Titels oder die Verlängerung des abgelaufenen Titels haben. Dem entsprechend ist vorliegend auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidungen abzustellen. Denn die danach eingetretenen tatsächlichen Entwicklungen haben nur Einfluss auf die Entscheidung der nunmehr zuständigen Berliner Ausländerbehörde.
- 30
2.2.2. Im Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde lagen indes die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vor.
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Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Derartige Hindernisse können sich insbesondere aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u. a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 – 1 C 14.05 –, BVerwGE 126, 192 [197], RdNr. 17).
- 32
a) Aus Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stellt, ergab sich kein Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers, der im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung unverheiratet war. Die familiären Bindungen zu seinen in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern standen einer Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet nicht entgegen. Art 6 Abs. 1 GG schützt das Zusammenleben von Eltern und Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft (BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 – 1 BvR 37/85 –, BVerfGE 79, 203 [211]; Beschl. v. 31.05.1978 – 1 BvR 683/77 –, BVerfGE 48, 327 [339]). Diese Verfassungsnorm verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und angemessen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschl. v. 17.05.2011 – 2 BvR 2625/10 –, juris). Auch die Bindungen zwischen Eltern und volljährigen Kindern unterfallen dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 05.02.1981 – 2 BvR 646/80 –, BVerfGE 57, 178 [178]). Ihnen darf in der grundrechtlich gebotenen Abwägung jedoch regelmäßig ein geringeres Gewicht beigemessen werden als im Verhältnis von Eltern zu minderjährigen Kindern. In Bezug auf Bindungen zu volljährigen Familienangehörigen gebieten es die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig nicht, einwanderungspolitische Gründe oder sonstige öffentliche Belange, die gegen einen angestrebten Daueraufenthalt sprechen, zurückzustellen. Weitergehende Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG kommen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und dieser Beistand nur im Bundesgebiet erbracht werden kann, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist (vgl. OVG BBg, Urt. v. 27.02.2014 – OVG 2 B 12.12 –, juris, RdNr. 35, m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht ersichtlich.
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b) Auch aus Art. 8 EMRK ergab sich kein Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers.
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Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens.
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aa) Auf das Recht auf Achtung seines Familienlebens konnte sich der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde nicht berufen. Das Familienleben im Sinne dieser Norm umfasst die (eheliche) Beziehung zwischen Partnern und die der Kernfamilie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern (Burr, in: GK-AufenthG II - § 25 RdNr. 147 unter Hinweis auf EGMR, Urt. v. 09.10.2003 – 48321/99 [Slivenko/Lettland] –). Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen nicht ohne weiteres den Schutz nach Art. 8 EMRK, wenn keine zusätzlichen Elemente der Abhängigkeit dargelegt werden, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 – 52853/99 [Yilmaz/Deutschland] –, NJW 2004, 2147 [2148]). Solche „zusätzlichen Elemente", aufgrund derer der Kläger auf die Unterstützung seiner Angehörigen oder diese auf seine Unterstützung in besonderer Weise angewiesen wäre(n) und ihm ein besonderer Schutz zu teil würde, waren hier nicht vorgetragen worden und auch für die Behörden nicht ersichtlich. Bei jungen Erwachsenen, die nach Erreichen der Volljährigkeit weiterhin mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, geht der EGMR zwar davon aus, dass auch ihre Beziehung zu den Eltern und anderen nahen Familienmitgliedern Familienleben darstellt und aufenthaltsbeendende Maßnahmen daher auch in das Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen (EGMR, Urt. v. 23.06.2008 – Nr. 1638/03 [Maslov II] –, InfAuslR 2008, 333; vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 05.02.2009 – 11 S 3244/08 –, InfAuslR 2009, 178, RdNr. 16). So liegt es hier aber nicht. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kläger, seinen Eltern und seinen Geschwistern wurde spätestens mit der (getrennten) Ausreise der Familienmitglieder aus dem Irak aufgegeben.
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bb) Jedoch ist mit einer Aufenthaltsbeendigung der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK in Bezug auf das Privatleben des Klägers berührt. Der Schutz auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe aller sonstigen familiären, persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts dieser zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.02.2011 – 2 BvR 1392/10 –, InfAuslR 2011, 235, RdNr. 19 in juris).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 –, InfAuslR 2011, 92 [93], RdNr. 14) kommt ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR begründet, zwar grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht. Diese Rechtauffassung ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings nicht unumstritten; insoweit wird vielfach die Ansicht vertreten, die Frage der Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts sei vielmehr im Rahmen der Schrankenprüfung des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu würdigen (vgl. etwa VGH BW, Urt. v. 13.12.2010 – 11 S 2359/10 –, DVBl 2011, 370 [372], RdNr. 31 ff.; Urt. v. 20.10.2011 – 11 S 1929/11 –, InfAuslR 2012, 1 [2 f.], RdNr. 28; Burr, a.a.O., § 25 RdNr. 149, m.w.N.). Eine eindeutige Aussage zu dieser Frage lässt sich der sehr stark einzelfallbezogenen Spruchpraxis des EGMR nicht entnehmen (vgl. Burr, a.a.O., § 25 RdNr. 149 a.E.). Der Senat kann diese Frage letztlich offen lassen. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist jedenfalls dann eröffnet, wenn – wie hier – der Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest für einen nicht unerheblichen Zeitraum rechtmäßig gewesen ist, so dass der Ausländer ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts für eine gewisse Zeit entwickeln konnte.
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Der mit einer Aufenthaltsbeendigung verbundene Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Privatleben des Klägers verstößt indes nicht gegen den in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
- 39
Nach dieser Norm darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts nach Art. 8 Abs. 1 EMRK nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Im Rahmen dieser Schrankenprüfung ist die sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgende Rechtsposition des Ausländers gegen das Recht des Konventionsstaats zur Einwanderungskontrolle im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abzuwägen (vgl. EGMR, Entsch. v. 16.09.2004 – 11103/03 [Ghiban] –, NVwZ 2005, 1046). Allerdings lässt sich nach der ständigen Spruchpraxis des EGMR aus Art. 8 EMRK grundsätzlich kein irgendwie geartetes Recht dahingehend ableiten, ein Ausländer dürfe sich einen Aufenthaltsort in einem Konventionsstaat frei wählen; vielmehr ist den Konventionsstaaten grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Einwanderung in ihr Hoheitsgebiet zulassen wollen (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im Urt. d. VGH BW v. 13.12.2010, a.a.O.).
- 40
Eine Verletzung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt jedoch bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 – 1 C 8.96 –, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 27.01.2009 – 1 C 40.07 –, BVerwGE 133, 73 [82 ff.], RdNr. 20 ff.; vgl. auch EGMR; Entsch. v. 16.06.2005 – 60654/00 – [Sisojeva] –, InfAuslR 2005, 349).
- 41
Ob eine solche Fallgestaltung vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen aber auch von seiner Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Das Ausmaß der „Verwurzelung“ bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung" verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Von erheblichem Gewicht sind dabei die Dauer des Aufenthalts, wo der Ausländer die Schulzeit verbracht hat und geprägt wurde, sowie der Schulabschluss und die Deutschkenntnisse, die er erworben hat. Von Bedeutung ist auch die Legitimität des bisherigen Aufenthalts. Was die berufliche Verwurzelung in Deutschland betrifft, ist zu prüfen, ob der Ausländer berufstätig und dadurch in der Lage ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie dauerhaft zu sichern, und ob er über längere Zeit öffentliche Sozialleistungen bezogen hat. Ferner ist von Bedeutung, ob der Betreffende eine Berufsausbildung absolviert hat und ihn diese Ausbildung gegebenenfalls für eine Berufstätigkeit qualifiziert, die nur oder bevorzugt in Deutschland ausgeübt werden kann. Bei der sozialen Integration ist das Ausmaß sozialer Bindungen bzw. Kontakte des Ausländers außerhalb der Kernfamilie von Belang. Auch strafrechtliche Verurteilungen sind in die Betrachtung einzustellen. Alle diese Umstände sind im Wege einer Gesamtbewertung zu gewichten (vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urt. v. 27.01.2009, a.a.O., S. 84, RdNr. 24). Für die Frage der Verwurzelung ist die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von maßgeblichem Gewicht (vgl. BVerwG, Urt. 30.04.2009 – 1 C 3.08 – NVwZ 2009, 1239, RdNr. 20 in juris; Beschl. d. Senats v. 13.09.2010 – 2 M 132/10 –, Juris). Verfügt der Ausländer über kein Aufenthaltsrecht mehr, kann seinen Bindungen nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. VGH BW, Urt. v. 06.11.2012 – 11 S 2307/11 –, juris, RdNr. 54).
- 42
Gemessen daran vermag der Senat bei der gebotenen Gesamtschau nicht festzustellen, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung am 23.09.2010 den in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt hätte.
- 43
Für eine Verwurzelung des Klägers in Deutschland spricht zwar, dass er sich zu diesem Zeitpunkt bereits über 9 ½ Jahre im Bundesgebiet aufhielt, er offenbar die deutsche Sprache erlernt hatte, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war und Bindungen insbesondere zu seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und Geschwistern hatte. Gegen eine Verwurzelung des Klägers spricht allerdings entscheidend, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nur in der Zeit von der Erteilung der Aufenthaltsgestattung am 02.02.2001 (vgl. § 55 Abs. 3 AsylVfG) bis zum Widerruf der Aufenthalterlaubnis durch die Beklagte am 17.03.2006 und damit für einen Zeitraum von etwa fünf Jahren rechtmäßig war. Der vom Kläger gegen die Widerrufsentscheidung erhobene Widerspruch hatte unbeschadet seiner aufschiebenden Wirkung auf die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts keinen Einfluss, da der Widerrufsbescheid nicht durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wurde (§ 84 Abs. 2 Sätze 1 und 3 AufenthG). Bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 23.09.2010 folgten 4 ½ Jahre unrechtmäßigen Aufenthalts, in denen der Kläger nicht mehr berechtigterweise auf den Fortbestand seines Aufenthalts vertrauen konnte. Auch war dem Kläger eine wirtschaftliche Integration noch nicht vollständig gelungen. Zwar bestritt er seinen Lebensunterhalt zum überwiegenden Teil selbst (vgl. die Aufstellung auf Blatt 435 des Verwaltungsvorgangs sowie den Rentenversicherungsverlauf auf Blatt 19 der Gerichtsakte). Sein Einkommen erzielte er allerdings nur durch ungelernte, kurz- und mittelfristige Tätigkeiten bei wechselnden Arbeitgebern. Eine Berufsausbildung besitzt er – soweit ersichtlich – nicht. Auch ist nicht erkennbar, dass der Kläger über soziale Bindungen bzw. Kontakte außerhalb der (Kern-)Familie verfügte.
- 44
Zudem besitzt der Kläger auch Möglichkeiten zur Reintegration in seinem Heimatland. Gesichtspunkte sind diesbezüglich vor allem, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der Wiedereingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte (vgl. OVG RP, Beschl. v. 24.02.2006 – 7 B 10020/06 –, InfAuslR 2006, 274, RdNr. 6, m.w.N.). Das Maß der Vertrautheit hängt davon ab, in welchem Alter das Heimatland verlassen wurde; hat der Ausländer das Heimatland erst im Erwachsenenalter verlassen und dort einen Schul- oder Hochschulabschluss erworben, spricht dies gegen eine Entwurzelung von den dortigen Lebensverhältnissen. Bei der gebotenen Gesamtgewichtung ist hier zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinem Vortrag im Irak keine Verwandten mehr hat. Auf der anderen Seite ist für die Reintegrationsfähigkeit von erheblichem Gewicht, dass er in seinem Heimatland seine ersten 21 Lebensjahre verbrachte, daher dort geprägt wurde und die Heimatsprache spricht. Zwar mögen die Lebensverhältnisse im Irak schwierig sein. Dies betrifft allerdings – worauf die Widerspruchsbehörde zu Recht hingewiesen hat – eine Vielzahl von Rückkehrern in den Irak. Soweit der Kläger auf die fortbestehenden bürgerkriegsähnlichen Zustände im Irak verweist, betrifft dieses Vorbringen zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, deren Vorliegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den bestandskräftigen Bescheiden verneint hat und die von der Ausländerbehörde nicht mehr zu prüfen sind (vgl. BayVGH, Beschl. v. 18.12.2012 – 10 ZB 12.560 –, juris, RdNr. 8; NdsOVG, Beschl. v. 17.11.2006 – 10 ME 222/06 –, AuAS 2007, 28, RdNr. 12 f.).
II.
- 45
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
- 46
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
- 47
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Tenor
-
Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
-
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.
-
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.
-
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
-
...
-
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
-
I.
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.
- 2
-
1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.
- 3
-
2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.
- 4
-
3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.
- 5
-
4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
- 6
-
5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.
- 7
-
6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.
- 8
-
7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
-
II.
- 9
-
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
- 10
-
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).
- 11
-
2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.
- 12
-
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).
- 13
-
Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).
- 14
-
Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).
- 15
-
b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.
- 16
-
c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.
-
III.
- 17
-
Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
-
IV.
- 18
-
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Gründe
I.
In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte ein Viertel, der Kläger drei Viertel.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Widerspruch und Klage gegen
- 1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels, - 1a.
Maßnahmen nach § 49, - 2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen, - 2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e, - 3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft, - 4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes, - 5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d, - 6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1, - 7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11, - 8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie - 9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.
(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer
- 1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder - 2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um
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die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder - 2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.
(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.
(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
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bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer
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vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder - 2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um
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die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder - 2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.
(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.
(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
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über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
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über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.