Verwaltungsgericht Mainz Beschluss, 27. Apr. 2018 - 1 L 279/18.MZ
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
- 1
Die Antragstellerin begehrt – vertreten durch ihre Eltern –, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem Zeitpunkt einer Entscheidung der Kammer bis einschließlich 15. August 2018 einen Ganztagsplatz in einem Kindergarten, hilfsweise einen Platz in einem Kindergarten bestehend aus einer Vor- und Nachmittagsbetreuung einschließlich einer Betreuung über Mittag mit Mittagessen, in zumutbarer Entfernung ihres Wohnsitzes, das heißt maximal 30 Minuten einfache Wegzeit zur betreffenden Einrichtung, zu verschaffen.
- 2
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat weder im Hauptantrag noch im Hilfsantrag Erfolg.
- 3
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um – unter anderem – wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozess-ordnung – ZPO –). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
- 4
Vorliegend ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Verschaffung eines Platzes in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung ihres Wohnsitzes zusteht. Dieser Anspruch folgt aus § 5 Abs. 1 des Kindertagesstättengesetzes Rheinland-Pfalz (KiTaG). Danach haben Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten. Das Jugendamt der Antragsgegnerin hat zu gewährleisten, dass für jedes Kind rechtzeitig ein Kindergartenplatz in zumutbarer Entfernung zur Verfügung steht. Die Antragstellerin ist am XX. Oktober 2015 geboren und hat daher das zweite Lebensjahr vollendet. Ferner wohnt sie zusammen mit ihren Eltern im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, so dass die materiellen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 KiTaG dem Grunde nach vorliegen. Die Eltern der Antragstellerin haben diese auch für einen Kindergartenplatz ab dem 1. Oktober 2017 hinsichtlich ihres aktuellen Wohnortes mit E-Mail vom 28. Februar 2017 angemeldet.
- 5
Vorliegend ist ferner unstreitig, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes für den im Antrag spezifizierten Zeitraum – Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer bis einschließlich 15. August 2018 – nicht erfüllt ist. Der Antragstellerin steht erst ab dem 16. August 2018 ein Platz in der Kindertagesstätte „F.“ zur Verfügung. In der Antragserwiderung vom 18. April 2018 hat die Antragsgegnerin insoweit mitgeteilt, dass derzeit kein freier Platz in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung vom Wohnsitz der Antragstellerin vorliege. Der geltend gemachte Anspruch könne daher mangels Kapazität nicht erfüllt werden.
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Anders als die Antragstellerin meint, ist dieser Einwand der Kapazitätserschöpfung für die Frage des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnung zur Überzeugung der Kammer nicht unerheblich (a.A.: SächsOVG, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 B 100/17 –, juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 22. März 2018 – OVG 6 S 6.18 sowie OVG 6 SOVG 6 S 2.18 –, juris Rn. 9 f. bzw. 11 f.). Ebenso wie § 24 Abs. 2 des Achten Sozialgesetzbuchs – SGB VIII – ist zwar auch § 5 Abs. 1 KiTaG ohne expliziten Kapazitätsvorbehalt ausgestaltet. Es handelt sich insoweit um eine „unbedingte Garantie- und Gewährleistungshaftung“ (vgl. BayVGH, Urteil vom 22. Juli 2016 – 12 BV 15.719 –, juris Rn. 27). Damit ist aber nicht zwingend verbunden, dass eine derartige Leistung auch stets mit Erfolg eingeklagt werden kann bzw. auch tatsächlich erfüllbar ist. Die Kammer hält insoweit an ihrer Auffassung fest, dass die vorläufige Verpflichtung zur – tatsächlichen – Verschaffung eines Kindergartenplatzes mangels Spruchreife ausscheidet, wenn rechtliche oder tatsächliche Hindernisse für die Erfüllung der Verpflichtung bestehen, bei denen fraglich ist, ob sie ausgeräumt werden können (vgl. Beschluss der Kammer vom 23. November 2017 – 1 L 1234/17.MZ –, BA S. 2 f.). Der auf vorläufige Verpflichtung zur Verschaffung eines Kindergarten-platzes gerichtete Antrag hat bei Vorliegen rechtlicher oder tatsächlicher Hindernis-gründe daher keinen Erfolg. Der jeweilige Antragsteller ist in einem solchen Fall indes nicht gänzlich schutzlos gestellt. Vielmehr wandelt sich die Primär-verantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bei Nichterfüllbarkeit in eine Sekundärverantwortung um, die unter anderem darin besteht, nunmehr die Kosten einer Ersatzbeschaffung zu tragen (vgl. zu § 24 SGB VIII: VG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2018 – VG 18 L 43.18 –, beck-online; BayVGH, Beschluss vom 17. November 2015 – 12 ZB 15.1191 –, juris Rn. 36). Zur Sicherung eines Rechts des jeweiligen Antragstellers kommt als Grundlage etwaiger Sekundäransprüche die vorläufige Feststellung einer Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zur Verschaffung eines geeigneten Kindergartenplatzes in Betracht (vgl. Beschluss der Kammer vom 23. November 2017 – 1 L 1234/17.MZ –, BA S. 4 ff.).
- 7
Eine solche vorläufige Feststellung einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Verschaffung eines geeigneten Kindergartenplatzes scheidet vorliegend jedoch auch aus, da die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, so dass der Antrag auf Erlass der beantragten Regelungsanordnung bereits aus diesem Grund unbegründet ist. Dem Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin dürfe sich vorliegend nicht auf die Erschöpfung der Kapazitäten berufen, braucht daher nicht nachgegangen zu werden.
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Unter Anordnungsgrund ist die Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung zu verstehen. Notwendig ist ein spezifisches Interesse an einer vorläufigen Regelung, das sich von dem allgemeinen Interesse an einem baldigen Verfahrensabschluss abhebt. Die Bejahung des Anordnungsgrundes verlangt ein Bedürfnis auf Gewährung gerade vorläufigen Rechtsschutzes (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 123 Rn. 81). Ein besonderes Dringlichkeitsinteresse besteht, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen sowie der öffentlichen Interessen und der Interessen Dritter nicht zumutbar ist, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. etwa HessVGH, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 7 TG 2479/92 –, NVwZ-RR 1993, 387 [389]; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 123 Rn. 26).
- 9
Gemessen an diesen Grundsätzen erscheint der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend objektiv nicht nötig, weil der Antragstellerin bzw. deren Eltern ohne eine vorläufige Regelung keine wesentlichen Nachteile drohen. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat keine Gründe vorgetragen, weshalb eine Regelungsanordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erlassen werden müsste. Solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.
- 10
Die Antragstellerin wird derzeit von ihren hierzu gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grund-gesetz, Art. 25 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz berechtigten und verpflichteten Eltern betreut. Da der Vater der Antragstellerin berufstätig ist, kann davon ausgegangen werden, dass die seit der Geburt der Antragstellerin nicht berufstätige Mutter den Hauptanteil der Betreuung leistet. Dass der Antragstellerin durch diese Art der Betreuung bis zur bald anstehenden Aufnahme in eine Kindertagesstätte ein (wesentlicher) Nachteil entsteht, wurde vorliegend nicht vorgetragen. Ein solcher Nachteil ist auch nicht ersichtlich. Zwar geht die Kammer davon aus, dass der Besuch eines Kindergartens – jedenfalls in der Regel – positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung hat. Vorliegend ist aber gerade maßgeblich zu berücksichtigen, dass für die Antragstellerin ab dem 16. August 2018 ein Platz in der Kindertagesstätte „F.“ zur Verfügung steht. Die Antragstellerin wird daher bereits in Kürze (etwa 15 Wochen) an der „frühkindlichen Förderung“ (vgl. § 24 Abs. 2 SGB VIII) bzw. „Erziehung, Bildung und Betreuung“ (vgl. § 5 Abs. 1 KiTaG) im Kindergarten teilhaben.
- 11
Die Antragstellerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich die Kinderbetreuung nicht für die vergangene Zeit nachholen lässt und ihr Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten sich daher mit jedem Tag, an dem die Antragsgegnerin ihrer Gewährleistungspflicht aus § 5 Abs. 1 KiTaG nicht nachkommt, erledigt (vgl. zu § 24 SGB VIII: BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35/12 –, juris Rn. 38; VGH BW, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 12 S 1782/15 –, juris Rn. 36). Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, für den Anordnungsgrund genüge vorliegend die irreversible Nichterfüllung des Anspruchs auf Erziehung, Bildung und Betreuung in einem Kindergarten (so aber: SächsOVG, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 B 100/17 –, juris Rn. 10). Vielmehr muss auch in Fällen der vorliegenden Art ein besonderes – über die Erledigung des Anspruchs durch Zeitablauf hinausgehendes – Dringlich-keitsinteresse glaubhaft gemacht werden. Andernfalls wäre in diesen Fällen bei Vorliegen des Anordnungsanspruchs stets auch der Anordnungsgrund zu bejahen. Der Anordnungsgrund verlöre damit seine eigenständige Bedeutung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.
- 12
Ein Anordnungsgrund ergibt sich vorliegend auch nicht aus etwaigen Nachteilen für die Eltern der Antragstellerin, denn der Umstand, dass die Mutter der Antragstellerin künftig wieder in das Berufsleben einsteigen möchte, vermag noch nicht das erforderliche besondere Dringlichkeitsinteresse zu begründen. Es ist unstreitig, dass der Mutter derzeit kein konkretes Stellenangebot vorliegt. Soweit die Antragstellerin insoweit vorträgt, ihre Mutter habe eine Zusage für eine neue Arbeitsstelle in M. ab dem 1. Februar 2018 aufgrund des fehlendes Kindergartenplatzes absagen müssen, handelt es sich um einen abgeschlossenen Vorgang in der Vergangenheit, der nicht rückgängig zu machen und daher für den Anordnungsgrund zum jetzigen Zeitpunkt nicht von Bedeutung ist. Insoweit hätte es den Eltern der Antragstellerin frei gestanden, zum Zeitpunkt der Stellenzusage einen Kindergartenplatz für ihre Tochter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geltend zu machen. Anders als die Bevollmächtigten der Antragstellerin ist die Kammer auch nicht der Auffassung, die Mutter sei ohne eine Betreuung ihrer Tochter im antragsgegenständlichen Zeitraum an Bewerbungen gehindert. Denn die Frage, ob bzw. wann für ihre Tochter ein Kindergartenplatzplatz zur Verfügung stehen und die Betreuung damit gesichert sein wird, ist hier nicht offen. Vielmehr steht – wie bereits dargelegt – fest, dass die Antragstellerin ab dem 16. August 2018 die Kindertagesstätte „F.“ besuchen darf. Die Mutter der Antragstellerin kann sich damit jedenfalls ohne weiteres auf Stellenangebote mit einem Eintrittszeitpunkt ab dem 16. August 2018 bewerben. Darüber hinaus steht es der Mutter der Antragstellerin aus Sicht der Kammer auch frei, sich auf Stellenangebote mit einem früheren Einstiegszeitpunkt zu bewerben. Zum einen erstreckt sich ein Bewerbungsverfahren erfahrungsgemäß auf einen längeren Zeitraum und auch eine Anstellung erfolgt nur selten ohne jeglichen zeitlichen Vorlauf, so dass zwischen Aufnahme des Bewerbungsvorgangs und Antritt der neuen Arbeitsstelle in der Regel ein Zeitraum von mehreren Wochen bzw. Monaten liegt. Zum anderen besteht für die Eltern der Antragstellerin die Möglichkeit, im Falle einer konkreten Stellenzusage mit einem Eintrittspunkt vor dem 16. August 2018 ein weiteres – gerichtskostenfreies – einstweiliges Rechtsschutzverfahren einzuleiten. Der berufliche Wiedereinstieg der Mutter der Antragstellerin wird nach alledem ohne die begehrte einstweilige Anordnung nicht (unzumutbar) erschwert.
- 13
Soweit die Antragstellerin geltend macht, ein Anordnungsgrund liege in Fällen der vorliegenden Art selbst dann vor, wenn ein Elternteil bzw. beide Elternteile gar nicht erwerbstätig seien, weil die Erwerbstätigkeit der Eltern keine Voraussetzung für den Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten sei, vermag die Kammer dem in dieser Reichweite nicht zu folgen. Die Antragstellerin differenziert insoweit nicht ausreichend zwischen den im Rahmen der Begründetheit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gesondert zu prüfenden Voraussetzungen „Anordnungsanspruch“ und „Anordnungsgrund“. Allein der Umstand, dass der Anspruch des Kindes auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung – wie im Fall des § 5 Abs. 1 KiTaG – unabhängig von der Erwerbstätigkeit seiner Eltern besteht, verbietet nicht, die Erwerbstätigkeit der Eltern im Rahmen des Anordnungsgrundes, d.h. der Frage der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, zu berücksichtigen. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass die Eltern bzw. die jeweiligen Personensorgeberechtigten eines Kindes durch den in § 5 Abs. 1 KiTaG normierten Anspruch des Kindes auf einen Platz im Kindergarten bei der „Erziehung“ und „Betreuung“ des Kindes entlastet und damit jedenfalls reflexhaft begünstigt werden (vgl. OVG RP, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14 –, juris Rn. 28; vgl. auch das Urteil des BGH vom 20. Oktober 2016 – III ZR 303/15 –, wonach die Eltern in den Schutzbereich der mit § 24 Abs. 2 SGB VIII verbundenen Amtspflicht einbezogen sind, juris Rn. 20 ff.).
- 14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Mainz Beschluss, 27. Apr. 2018 - 1 L 279/18.MZ zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Aufwendungsersatzanspruch des Klägers für die Monate April bis einschließlich Juni 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte 3/5 und der Kläger 2/5. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Gründe
A.
B.
I.
II.
III.
Tenor
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den beiden Antragstellern jeweils ab dem 24. November 2017 bis zum 31. März 2018 einen Ganztagsplatz in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung ihres Wohnsitzes zu verschaffen.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses einen Antrag beim Landesamt ... des Landes Rheinland-Pfalz zur Genehmigung einer vorübergehenden Überbelegung der relevanten Kindergärten im Zeitraum vom 24. November 2017 bis zum 31. März 2018 im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu stellen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾ und die Antragsteller zu ¼.
Gründe
- 1
Die Antragsteller begehren – vertreten durch ihre Eltern –, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen jeweils ab dem 24. November 2017 bis zum 31. März 2018 einen Ganztagsplatz in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung ihres Wohnsitzes, das heißt maximal 30 Minuten einfache Wegzeit zur betreffenden Einrichtung, zu verschaffen.
- 2
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat teilweise Erfolg.
- 3
Soweit das Begehren der Antragsteller darauf gerichtet ist, die Antragsgegnerin zu einer bestimmten Leistung vorläufig zu verpflichten, hat der Antrag mangels Spruchreife keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat glaubhaft dargelegt, dass jedenfalls nach derzeitiger Sach- und Rechtslage kein Platz in den Kindergärten, die die im Antrag genannten Voraussetzungen erfüllen, vorhanden ist. Eine Betreuung der Antragsteller in einer anderen Betreuungsform wird nicht begehrt. Der Kammer ist es daher im Rahmen der hier durchzuführenden summarischen Überprüfung nicht möglich, abschließend über die tatsächlich zu gewährende konkrete Leistung zu entscheiden. Es wäre so nicht sichergestellt, dass der Antragsgegner die ihm dann im Rahmen der – sofort vorläufig vollstreckbaren – einstweiligen Anordnung auferlegten Pflicht rechtlich oder tatsächlich nachkommen könnte. Insoweit ist die Frage, ob eine Erfüllbarkeit vorliegt nicht nur an die tatsächlichen, sondern auch an die rechtlichen Voraussetzungen gebunden. Dazu gehört auch die Einholung der Zustimmung des zuständigen Landesamtes im Hinblick auf eine – zumindest vorübergehende – Kapazitätserweiterung (vgl. zu § 24 SGB VIII: NdsOVG, Beschluss vom 24. Januar 2003 – 4 ME 596/02 –, NJW 2003, 1826 [1827]; Kaiser, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 6. Auflage 2016, § 24, Rn. 21). Dies hat die Antragsgegnerin ausweislich ihres Schriftsatzes vom 17. November 2017 bisher zwar geprüft und als abwegig befunden, aber noch nicht erfolglos durchgeführt. Insoweit bestehen derzeit rechtliche und tatsächliche Hindernisse für die Erfüllung des Anordnungsanspruchs, bei denen fraglich ist, ob sie ausgeräumt werden können. Die vorläufige Verpflichtung zur – tatsächlichen – Gewährung der konkret begehrten Leistung scheidet daher mangels Spruchreife aus, denn auch das Gericht kann die Antragsgegnerin nicht zu einer unmöglichen Leistung im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichten (vgl. allgemein OVG SH, Beschluss vom 22. August 2005 – 2 MB 30/05 –, NVwZ 2006, 363 [364]). Insoweit ist der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zumindest unbegründet.
- 4
Der Antrag ist allerdings gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO als Regelungsanordnung zulässig und begründet, soweit der Antragsteller inzident die vorläufigeFeststellung einer entsprechenden Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt (vgl. allgemein dazu BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02 –, NVwZ 2003, 856 [857]; kürzlich etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, BeckRS 2017, 114873, Rn. 11). Der Antrag war gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass im – hier nicht erfolgreichen – Leistungsantrag gleichzeitig ein Feststellungsbegehren als Minus enthalten ist.
- 5
Statthafte Klageart in der Hauptsache wäre hier insoweit die Feststellungsklage. Diese ist hier nicht gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär, da sie ausnahmsweise für die Antragsteller rechtsschutzintensiver wäre und die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer alternativ in Betracht kommenden Leistungsklage nicht unterlaufen werden. Die Antragsteller begehren hier zumindest auch die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zur Zurverfügungstellung eines geeigneten Kindergartenplatzes verpflichtet ist. Insoweit kommt eine Regelungsanordnung insbesondere zur Sicherung eines Rechts der Antragsteller als Grundlage etwaiger Sekundäransprüche in Betracht (vgl. zu § 24 SGB VIII: Meysen/Beckmann, Rechtsanspruch U3: Förderung in Kita und Kindertagespflege, Rn. 395). Ansonsten wäre den Antragstellern auch effektiver Eilrechtsschutz in dieser Konstellation insgesamt verwehrt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02 –, NVwZ 2003, 856 [857]).
- 6
Der Antrag ist in diesem Umfang auch begründet.
- 7
Die Voraussetzungen für eine Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO – Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund – haben die Antragsteller glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Nach dieser Bestimmung ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um – unter anderem – wesentliche Nachteile abzuwenden. Hierbei bedarf es im Unterschied zur Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht der vollen Prüfung und Glaubhaftmachung des behaupteten Rechtes, vielmehr kann auch bei offener Erfolgsaussicht des Verfahrens in der Hauptsache eine vorläufige Regelung für die Dauer des Verfahrens ergehen, sofern diese sich unter Abwägung der privaten Interessen mit den öffentlichen Interessen als geboten erweist. Läuft die beantragte einstweilige Anordnung auf eine vollständige oder zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, so kann wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiver Rechtsschutzgewährung eine einstweilige Anordnung ausnahmsweise nur dann ergehen, wenn bei einer Ablehnung des Antrags auf Gewährung von vorläufigen Rechtsschutz und einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren den Rechtsuchenden nicht ausgleichbare Nachteile entstehen, deren Hinnahme ihm nicht zuzumuten ist. Die Anforderungen an den Nachweis des geltend gemachten Anspruchs sind dabei umso höher, je stärker sich das mit der Anordnung Begehrte mit dem Ziel der Hauptsache deckt (OVG RP, Beschluss vom 15. März 1978 – 2 B 154/78 –, NJW 1978, 2355).
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Der Anspruch auf die Verschaffung des begehrten Kindergartenplatzes folgt für die Antragsteller aus § 5 Abs. 1 des Kindertagesstättengesetzes (KiTaG). Demnach haben Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten. Das Jugendamt hat zu gewährleisten, dass für jedes Kind rechtzeitig ein Kindergartenplatz in zumutbarer Entfernung zur Verfügung steht.
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Die Antragsteller sind – vertreten durch ihre Eltern – aktivlegitimiert. Das Kind ist im Rahmen von § 5 Abs. 1 KiTaG alleiniger Anspruchsinhaber (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14.OVG –, juris, Rn. 28; Hötzel/Baader/Flach/Lerch/Zwick, PdK Rheinland-Pfalz, Stand: Juli 2015, § 5 KiTaG, Ziffer 2; a. A. noch OVG RP, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 7 A 10671/12.OVG –, juris, Rn. 41; VG Mainz, Urteil vom 10. Mai 2012 – 1 K 981/11.MZ –, juris, Rn. 24). Am 24. November 2017 vollenden beide Antragsteller das zweite Lebensjahr und haben ihren Wohnsitz im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, sodass die materiellen Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 KiTaG dem Grunde nach vorliegen.
- 10
Die Eltern der Antragsteller haben die Antragsteller auch für einen Kindergartenplatz ab dem 24. November 2017 hinsichtlich ihres aktuellen Wohnsitzes mit Antrag vom 16. Oktober 2016 angemeldet. Die Antragsgegnerin bestätigte den Eingang mit Schreiben vom 21. Oktober 2016. Mit Schreiben vom 19. September 2017 beantragte der Prozessbevollmächtigte erneut die Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes bei der Antragsgegnerin.
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Ebenso wie § 24 Abs. 2 SGB VIII im Bundesrecht ist § 5 Abs. 1 KiTaG ohne expliziten Kapazitätsvorbehalt ausgestaltet. Es handelt sich insoweit um eine „unbedingte Garantie- und Gewährleistungshaftung“ (BayVGH, Urteil vom 22. Juli 2016 – 12 BV 15.719 –, juris, Rn. 27). Damit ist jedoch nicht zwingend verbunden, dass eine derartige Leistung auch stets mit Erfolg eingeklagt werden kann bzw. auch tatsächlich erfüllbar ist. Die – hier festzustellende – Primärverantwortung des Trägers schlägt bei objektiver Erschöpfung der Kapazitäten in eine Sekundärverantwortung um, die unter anderem darin besteht, nunmehr die Kosten der Ersatzbeschaffung zu tragen (vgl. zu § 24 SGB VIII: BayVGH, Beschluss vom 17. November 2015 – 12 ZB 15.1191 –, juris, Rn. 36). Im Fall der Nichterfüllbarkeit des (primären) Anspruchs können sich allenfalls sekundäre Ersatzansprüche gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe ergeben, der den Primäranspruch nicht zu erfüllen vermag (vgl. zu § 24 SGB VIII: HessVGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 10 B 1973/13 –, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 14. August 2013 – 12 B 793/13 –, juris, Rn. 10; OVG SH, Beschluss vom 1. November 2000 – 2 M 32/00 –, juris, Rn. 4; a.A. SächsOVG, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 B 100/17 –, LKV 2017, 316, Rn. 7). Dies entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen und muss auch im Rahmen der einstweiligen Anordnung hinreichende Beachtung finden (vgl. allgemein OVG SH, Beschluss vom 22. August 2005 – 2 MB 30/05 –, NVwZ 2006, 363 [364]: „selbstverständlicher Grundsatz“). Eine zusätzliche „Sanktionierung“ der Antragsgegnerin für die Versäumung ihres gesetzlichen Gewährleistungsauftrags über die Verhängung von Zwangsgeldern gemäß § 172 VwGO wäre daher zumindest in diesem Einzelfall derzeit auch nicht angezeigt (a. A. SächsOVG, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 B 100/17 –, LKV 2017, 316, Rn. 13). Die Antragsgegnerin kann hinreichend durch die Anerkennung entsprechender Sekundäransprüche in die Verantwortung genommen werden. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung besteht unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere ein aus dem Bundesrecht in analoger Anwendung von § 36a Abs. 3 SGB VIII abzuleitender Sekundäranspruch. Demnach kann Aufwendungsersatz für selbstbeschaffte Leistungen verlangt werden, falls der Primäranspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nicht erfüllt oder in rechtswidriger Weise verweigert wird (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 –, NJW 2014, 1256, Rn. 17 ff.; OVG RP, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14.OVG –, juris, Rn. 27). Etwaige Ersatzansprüche sind jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
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Die Antragsgegnerin hat hier glaubhaft darlegen können, dass alle vorhandenen Kapazitäten erschöpft sind. Sie teilte dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 mit, dass erst ab dem 1. April 2018 geeignete Kindergartenplätze im „Provisiorium ...“ für die Antragsteller zur Verfügung stünden. Es könne kein früherer Aufnahmetermin angeboten werden, da in den bestehenden Einrichtungen in den Stadtteilen V., I. und Umgebung alle Plätze belegt seien und für die Neu-/Umbauten noch keine Fertigstellungstermine feststünden. In der Antragserwiderung vom 27. Oktober 2017 teilte die Antragsgegnerin ferner mit, dass ein früherer Aufnahmetermin möglich sein könnte, allerdings nur für den Fall, dass der Einzug in das vorgenannte „Provisorium“ früher als geplant stattfinden könne. Mit Schriftsatz vom 17. November 2017 führte die Antragsgegnerin aus, dass nach ihrem Kenntnisstand auch keine freien Plätze in Kindertagesstätten, die nicht in ihrer Trägerschaft stünden, verfügbar seien. Denn wenn in solchen noch freie Platzkapazitäten vorhanden seien, werde ihr dies mitgeteilt. Zusätzlich überprüfe sie die Belegungszahlen anhand von Belegungslisten, die ihr jährlich überreicht würden. Eine vorübergehende Überbelegung sei nur dann möglich, wenn vorab eine Genehmigung vom Landesamt ... erteilt werde. Dies sei aber nur möglich, wenn eine besondere pädagogisch notwendige Situation vorliege oder wenn zusätzliches Personal für die Überbelegung zur Verfügung gestellt werden könne. Eine solche pädagogische Notwendigkeit ergebe sich aus den derzeit vorliegenden Informationen nicht. Ferner gestalte es sich äußerst schwierig, kurzfristig ausreichend pädagogisches Personal einzustellen, zumal ohnehin weiteres Personal vorrangig für die neu und weiter ausgebauten Kitas benötigt werde.
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Sofern – wie hier – seitens der Antragsteller akuter Bedarf vorliegt, aber zur selben Zeit sämtliche vorhandenen Kapazitäten ausgeschöpft sind, beschränkt sich das Ermessen des Gerichts in der Regel darauf, einen dem Grunde nach bestehenden Primäranspruch – hier aus § 5 Abs. 1 KiTaG – festzustellen (vgl. zu § 24 SGB VIII: Meysen/Beckmann, Rechtsanspruch U3: Förderung in Kita und Kindertagespflege, Rn. 395). Dieser bildet auch die Grundlage für etwaige Sekundäransprüche, die in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen wären. Insofern haben die Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung zwar (teilweise) „formal Erfolg [...], ohne dass es dadurch jedoch zu einer Anspruchserfüllung durch Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes kommen würde“ (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14.OVG –, juris, Rn. 33). Zudem war im Rahmen des gerichtlichen Ermessens zusätzlich auszusprechen, dass die Antragsgegnerin Ungewissheiten hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Erfüllung eines Verschaffungsanspruchs ausräumt. Insbesondere hat die Antragsgegnerin ihre rechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich einer vorübergehenden Überbelegung im Einvernehmen mit dem Landesamt ... auszuschöpfen. Sie hat sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben um eine entsprechende Genehmigung zu bemühen, um ihrem Gewährleistungsauftrag möglichst effektiv nachzukommen. Die Beantragung einer solchen Genehmigung ist der Antragsgegnerin weiterhin tatsächlich und rechtlich möglich, allerdings sind hier die Erfolgsaussichten – wie von der Antragsgegnerin dargelegt – ungewiss.
- 14
Auch die Eilbedürftigkeit haben die Antragsteller hinsichtlich des Feststellungsbegehrens hinreichend glaubhaft machen können. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen sowie der öffentlichen Interessen und der Interessen Dritter nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. etwa HessVGH, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 7 TG 2479/92 –, NVwZ-RR 1993, 387 [389]; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 123, Rn. 26). Dies ist hier der Fall. Für den von den Antragstellern im Antrag spezifizierten Zeitraum vom 24. November 2017 bis 31. März 2018 ist keine Entscheidung in der Hauptsache zu erwarten, sodass die Inanspruchnahme des Eilrechtsschutzes geboten war. Es handelt sich um einen zeit- bzw. altersgebundenen Anspruch, dessen Erfüllung sich daher nicht mehr nachholen lässt. Zudem kann auch davon ausgegangen werden, dass das Ende der Elternzeit der Kindesmutter am 24. November 2017 geplant ist, wobei die Antragsteller bisher ihrerseits nicht glaubhaft gemacht haben, dass eine etwaige Verlängerung der Elternzeit oder eine anderweitige Betreuung der Antragsteller – auch hinsichtlich beider Elternteile – für die hier streitgegenständliche Übergangsphase in jeglicher Hinsicht unmöglich oder unzumutbar wäre. Aus diesem Grunde war im Rahmen des gerichtlichen Ermessens die Einräumung einer Frist von drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses für die Antragsgegnerin geboten.
- 15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
Die ausschließlich objektiv-rechtliche Verpflichtung der Gemeinden aus Art. 5 Abs. 1 des Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes - BayKiBiG (vgl. hierzu Jung/Lehner, BayKiBiG, 2. Aufl. 2009, Rn. 20; Bauer/Hundmeyer, Kindertagesbetreuung in Bayern, Art. 5 Anm. 3; Dunkl/Eirich, BayKiBiG, 4. Aufl. 2015, Art. 5 Anm. 1.1 u. 3), im eigenen Wirkungskreis und in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu gewährleisten, dass die nach der Bedarfsplanung (vgl. hierzu Art. 7 BayKiBiG) notwendigen Plätze in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege rechtzeitig zur Verfügung stehen, lässt die Gewährleistungsverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe unberührt (vgl. Art. 5 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Art. 7 Satz 3 BayKiBiG).
Tenor
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den beiden Antragstellern jeweils ab dem 24. November 2017 bis zum 31. März 2018 einen Ganztagsplatz in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung ihres Wohnsitzes zu verschaffen.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses einen Antrag beim Landesamt ... des Landes Rheinland-Pfalz zur Genehmigung einer vorübergehenden Überbelegung der relevanten Kindergärten im Zeitraum vom 24. November 2017 bis zum 31. März 2018 im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu stellen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾ und die Antragsteller zu ¼.
Gründe
- 1
Die Antragsteller begehren – vertreten durch ihre Eltern –, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen jeweils ab dem 24. November 2017 bis zum 31. März 2018 einen Ganztagsplatz in einem Kindergarten in zumutbarer Entfernung ihres Wohnsitzes, das heißt maximal 30 Minuten einfache Wegzeit zur betreffenden Einrichtung, zu verschaffen.
- 2
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat teilweise Erfolg.
- 3
Soweit das Begehren der Antragsteller darauf gerichtet ist, die Antragsgegnerin zu einer bestimmten Leistung vorläufig zu verpflichten, hat der Antrag mangels Spruchreife keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat glaubhaft dargelegt, dass jedenfalls nach derzeitiger Sach- und Rechtslage kein Platz in den Kindergärten, die die im Antrag genannten Voraussetzungen erfüllen, vorhanden ist. Eine Betreuung der Antragsteller in einer anderen Betreuungsform wird nicht begehrt. Der Kammer ist es daher im Rahmen der hier durchzuführenden summarischen Überprüfung nicht möglich, abschließend über die tatsächlich zu gewährende konkrete Leistung zu entscheiden. Es wäre so nicht sichergestellt, dass der Antragsgegner die ihm dann im Rahmen der – sofort vorläufig vollstreckbaren – einstweiligen Anordnung auferlegten Pflicht rechtlich oder tatsächlich nachkommen könnte. Insoweit ist die Frage, ob eine Erfüllbarkeit vorliegt nicht nur an die tatsächlichen, sondern auch an die rechtlichen Voraussetzungen gebunden. Dazu gehört auch die Einholung der Zustimmung des zuständigen Landesamtes im Hinblick auf eine – zumindest vorübergehende – Kapazitätserweiterung (vgl. zu § 24 SGB VIII: NdsOVG, Beschluss vom 24. Januar 2003 – 4 ME 596/02 –, NJW 2003, 1826 [1827]; Kaiser, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 6. Auflage 2016, § 24, Rn. 21). Dies hat die Antragsgegnerin ausweislich ihres Schriftsatzes vom 17. November 2017 bisher zwar geprüft und als abwegig befunden, aber noch nicht erfolglos durchgeführt. Insoweit bestehen derzeit rechtliche und tatsächliche Hindernisse für die Erfüllung des Anordnungsanspruchs, bei denen fraglich ist, ob sie ausgeräumt werden können. Die vorläufige Verpflichtung zur – tatsächlichen – Gewährung der konkret begehrten Leistung scheidet daher mangels Spruchreife aus, denn auch das Gericht kann die Antragsgegnerin nicht zu einer unmöglichen Leistung im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichten (vgl. allgemein OVG SH, Beschluss vom 22. August 2005 – 2 MB 30/05 –, NVwZ 2006, 363 [364]). Insoweit ist der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zumindest unbegründet.
- 4
Der Antrag ist allerdings gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO als Regelungsanordnung zulässig und begründet, soweit der Antragsteller inzident die vorläufigeFeststellung einer entsprechenden Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt (vgl. allgemein dazu BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02 –, NVwZ 2003, 856 [857]; kürzlich etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, BeckRS 2017, 114873, Rn. 11). Der Antrag war gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass im – hier nicht erfolgreichen – Leistungsantrag gleichzeitig ein Feststellungsbegehren als Minus enthalten ist.
- 5
Statthafte Klageart in der Hauptsache wäre hier insoweit die Feststellungsklage. Diese ist hier nicht gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär, da sie ausnahmsweise für die Antragsteller rechtsschutzintensiver wäre und die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer alternativ in Betracht kommenden Leistungsklage nicht unterlaufen werden. Die Antragsteller begehren hier zumindest auch die Feststellung, dass die Antragsgegnerin zur Zurverfügungstellung eines geeigneten Kindergartenplatzes verpflichtet ist. Insoweit kommt eine Regelungsanordnung insbesondere zur Sicherung eines Rechts der Antragsteller als Grundlage etwaiger Sekundäransprüche in Betracht (vgl. zu § 24 SGB VIII: Meysen/Beckmann, Rechtsanspruch U3: Förderung in Kita und Kindertagespflege, Rn. 395). Ansonsten wäre den Antragstellern auch effektiver Eilrechtsschutz in dieser Konstellation insgesamt verwehrt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02 –, NVwZ 2003, 856 [857]).
- 6
Der Antrag ist in diesem Umfang auch begründet.
- 7
Die Voraussetzungen für eine Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO – Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund – haben die Antragsteller glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Nach dieser Bestimmung ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um – unter anderem – wesentliche Nachteile abzuwenden. Hierbei bedarf es im Unterschied zur Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht der vollen Prüfung und Glaubhaftmachung des behaupteten Rechtes, vielmehr kann auch bei offener Erfolgsaussicht des Verfahrens in der Hauptsache eine vorläufige Regelung für die Dauer des Verfahrens ergehen, sofern diese sich unter Abwägung der privaten Interessen mit den öffentlichen Interessen als geboten erweist. Läuft die beantragte einstweilige Anordnung auf eine vollständige oder zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, so kann wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiver Rechtsschutzgewährung eine einstweilige Anordnung ausnahmsweise nur dann ergehen, wenn bei einer Ablehnung des Antrags auf Gewährung von vorläufigen Rechtsschutz und einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren den Rechtsuchenden nicht ausgleichbare Nachteile entstehen, deren Hinnahme ihm nicht zuzumuten ist. Die Anforderungen an den Nachweis des geltend gemachten Anspruchs sind dabei umso höher, je stärker sich das mit der Anordnung Begehrte mit dem Ziel der Hauptsache deckt (OVG RP, Beschluss vom 15. März 1978 – 2 B 154/78 –, NJW 1978, 2355).
- 8
Der Anspruch auf die Verschaffung des begehrten Kindergartenplatzes folgt für die Antragsteller aus § 5 Abs. 1 des Kindertagesstättengesetzes (KiTaG). Demnach haben Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten. Das Jugendamt hat zu gewährleisten, dass für jedes Kind rechtzeitig ein Kindergartenplatz in zumutbarer Entfernung zur Verfügung steht.
- 9
Die Antragsteller sind – vertreten durch ihre Eltern – aktivlegitimiert. Das Kind ist im Rahmen von § 5 Abs. 1 KiTaG alleiniger Anspruchsinhaber (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14.OVG –, juris, Rn. 28; Hötzel/Baader/Flach/Lerch/Zwick, PdK Rheinland-Pfalz, Stand: Juli 2015, § 5 KiTaG, Ziffer 2; a. A. noch OVG RP, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 7 A 10671/12.OVG –, juris, Rn. 41; VG Mainz, Urteil vom 10. Mai 2012 – 1 K 981/11.MZ –, juris, Rn. 24). Am 24. November 2017 vollenden beide Antragsteller das zweite Lebensjahr und haben ihren Wohnsitz im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, sodass die materiellen Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 KiTaG dem Grunde nach vorliegen.
- 10
Die Eltern der Antragsteller haben die Antragsteller auch für einen Kindergartenplatz ab dem 24. November 2017 hinsichtlich ihres aktuellen Wohnsitzes mit Antrag vom 16. Oktober 2016 angemeldet. Die Antragsgegnerin bestätigte den Eingang mit Schreiben vom 21. Oktober 2016. Mit Schreiben vom 19. September 2017 beantragte der Prozessbevollmächtigte erneut die Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes bei der Antragsgegnerin.
- 11
Ebenso wie § 24 Abs. 2 SGB VIII im Bundesrecht ist § 5 Abs. 1 KiTaG ohne expliziten Kapazitätsvorbehalt ausgestaltet. Es handelt sich insoweit um eine „unbedingte Garantie- und Gewährleistungshaftung“ (BayVGH, Urteil vom 22. Juli 2016 – 12 BV 15.719 –, juris, Rn. 27). Damit ist jedoch nicht zwingend verbunden, dass eine derartige Leistung auch stets mit Erfolg eingeklagt werden kann bzw. auch tatsächlich erfüllbar ist. Die – hier festzustellende – Primärverantwortung des Trägers schlägt bei objektiver Erschöpfung der Kapazitäten in eine Sekundärverantwortung um, die unter anderem darin besteht, nunmehr die Kosten der Ersatzbeschaffung zu tragen (vgl. zu § 24 SGB VIII: BayVGH, Beschluss vom 17. November 2015 – 12 ZB 15.1191 –, juris, Rn. 36). Im Fall der Nichterfüllbarkeit des (primären) Anspruchs können sich allenfalls sekundäre Ersatzansprüche gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe ergeben, der den Primäranspruch nicht zu erfüllen vermag (vgl. zu § 24 SGB VIII: HessVGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 10 B 1973/13 –, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 14. August 2013 – 12 B 793/13 –, juris, Rn. 10; OVG SH, Beschluss vom 1. November 2000 – 2 M 32/00 –, juris, Rn. 4; a.A. SächsOVG, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 B 100/17 –, LKV 2017, 316, Rn. 7). Dies entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen und muss auch im Rahmen der einstweiligen Anordnung hinreichende Beachtung finden (vgl. allgemein OVG SH, Beschluss vom 22. August 2005 – 2 MB 30/05 –, NVwZ 2006, 363 [364]: „selbstverständlicher Grundsatz“). Eine zusätzliche „Sanktionierung“ der Antragsgegnerin für die Versäumung ihres gesetzlichen Gewährleistungsauftrags über die Verhängung von Zwangsgeldern gemäß § 172 VwGO wäre daher zumindest in diesem Einzelfall derzeit auch nicht angezeigt (a. A. SächsOVG, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 B 100/17 –, LKV 2017, 316, Rn. 13). Die Antragsgegnerin kann hinreichend durch die Anerkennung entsprechender Sekundäransprüche in die Verantwortung genommen werden. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung besteht unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere ein aus dem Bundesrecht in analoger Anwendung von § 36a Abs. 3 SGB VIII abzuleitender Sekundäranspruch. Demnach kann Aufwendungsersatz für selbstbeschaffte Leistungen verlangt werden, falls der Primäranspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nicht erfüllt oder in rechtswidriger Weise verweigert wird (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 –, NJW 2014, 1256, Rn. 17 ff.; OVG RP, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14.OVG –, juris, Rn. 27). Etwaige Ersatzansprüche sind jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
- 12
Die Antragsgegnerin hat hier glaubhaft darlegen können, dass alle vorhandenen Kapazitäten erschöpft sind. Sie teilte dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 mit, dass erst ab dem 1. April 2018 geeignete Kindergartenplätze im „Provisiorium ...“ für die Antragsteller zur Verfügung stünden. Es könne kein früherer Aufnahmetermin angeboten werden, da in den bestehenden Einrichtungen in den Stadtteilen V., I. und Umgebung alle Plätze belegt seien und für die Neu-/Umbauten noch keine Fertigstellungstermine feststünden. In der Antragserwiderung vom 27. Oktober 2017 teilte die Antragsgegnerin ferner mit, dass ein früherer Aufnahmetermin möglich sein könnte, allerdings nur für den Fall, dass der Einzug in das vorgenannte „Provisorium“ früher als geplant stattfinden könne. Mit Schriftsatz vom 17. November 2017 führte die Antragsgegnerin aus, dass nach ihrem Kenntnisstand auch keine freien Plätze in Kindertagesstätten, die nicht in ihrer Trägerschaft stünden, verfügbar seien. Denn wenn in solchen noch freie Platzkapazitäten vorhanden seien, werde ihr dies mitgeteilt. Zusätzlich überprüfe sie die Belegungszahlen anhand von Belegungslisten, die ihr jährlich überreicht würden. Eine vorübergehende Überbelegung sei nur dann möglich, wenn vorab eine Genehmigung vom Landesamt ... erteilt werde. Dies sei aber nur möglich, wenn eine besondere pädagogisch notwendige Situation vorliege oder wenn zusätzliches Personal für die Überbelegung zur Verfügung gestellt werden könne. Eine solche pädagogische Notwendigkeit ergebe sich aus den derzeit vorliegenden Informationen nicht. Ferner gestalte es sich äußerst schwierig, kurzfristig ausreichend pädagogisches Personal einzustellen, zumal ohnehin weiteres Personal vorrangig für die neu und weiter ausgebauten Kitas benötigt werde.
- 13
Sofern – wie hier – seitens der Antragsteller akuter Bedarf vorliegt, aber zur selben Zeit sämtliche vorhandenen Kapazitäten ausgeschöpft sind, beschränkt sich das Ermessen des Gerichts in der Regel darauf, einen dem Grunde nach bestehenden Primäranspruch – hier aus § 5 Abs. 1 KiTaG – festzustellen (vgl. zu § 24 SGB VIII: Meysen/Beckmann, Rechtsanspruch U3: Förderung in Kita und Kindertagespflege, Rn. 395). Dieser bildet auch die Grundlage für etwaige Sekundäransprüche, die in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen wären. Insofern haben die Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung zwar (teilweise) „formal Erfolg [...], ohne dass es dadurch jedoch zu einer Anspruchserfüllung durch Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes kommen würde“ (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Mai 2014 – 7 A 10276/14.OVG –, juris, Rn. 33). Zudem war im Rahmen des gerichtlichen Ermessens zusätzlich auszusprechen, dass die Antragsgegnerin Ungewissheiten hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Erfüllung eines Verschaffungsanspruchs ausräumt. Insbesondere hat die Antragsgegnerin ihre rechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich einer vorübergehenden Überbelegung im Einvernehmen mit dem Landesamt ... auszuschöpfen. Sie hat sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben um eine entsprechende Genehmigung zu bemühen, um ihrem Gewährleistungsauftrag möglichst effektiv nachzukommen. Die Beantragung einer solchen Genehmigung ist der Antragsgegnerin weiterhin tatsächlich und rechtlich möglich, allerdings sind hier die Erfolgsaussichten – wie von der Antragsgegnerin dargelegt – ungewiss.
- 14
Auch die Eilbedürftigkeit haben die Antragsteller hinsichtlich des Feststellungsbegehrens hinreichend glaubhaft machen können. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen sowie der öffentlichen Interessen und der Interessen Dritter nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. etwa HessVGH, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 7 TG 2479/92 –, NVwZ-RR 1993, 387 [389]; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 123, Rn. 26). Dies ist hier der Fall. Für den von den Antragstellern im Antrag spezifizierten Zeitraum vom 24. November 2017 bis 31. März 2018 ist keine Entscheidung in der Hauptsache zu erwarten, sodass die Inanspruchnahme des Eilrechtsschutzes geboten war. Es handelt sich um einen zeit- bzw. altersgebundenen Anspruch, dessen Erfüllung sich daher nicht mehr nachholen lässt. Zudem kann auch davon ausgegangen werden, dass das Ende der Elternzeit der Kindesmutter am 24. November 2017 geplant ist, wobei die Antragsteller bisher ihrerseits nicht glaubhaft gemacht haben, dass eine etwaige Verlängerung der Elternzeit oder eine anderweitige Betreuung der Antragsteller – auch hinsichtlich beider Elternteile – für die hier streitgegenständliche Übergangsphase in jeglicher Hinsicht unmöglich oder unzumutbar wäre. Aus diesem Grunde war im Rahmen des gerichtlichen Ermessens die Einräumung einer Frist von drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses für die Antragsgegnerin geboten.
- 15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die Unterbringung der Klägerin zu 2 in der Kinderkrippe einer privaten Elterninitiative in der Zeit vom 8. April bis zum 15. Oktober 2011.
- 2
-
Die Klägerin zu 1 ist die Mutter der am 8. April 2009 geborenen Klägerin zu 2. Anfang Dezember 2009 beantragte die Klägerin zu 1 erstmals bei der beklagten Stadt als Trägerin der Jugendhilfe, ihrer Tochter einen Krippen- bzw. Kindergartenplatz zuzuteilen. Weil die Beklagte hierauf nicht reagierte, brachte die Klägerin zu 1 ihr Kind ab Juli 2010 in der genannten privaten Einrichtung unter. Ein im Oktober 2010 gestellter Antrag der Klägerin zu 1 auf Übernahme des Elternbeitrags für die Unterbringung in der privaten Krippe blieb ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 26. Februar und 1. März 2011 machte die Klägerin zu 1 bei der Beklagten erneut den Anspruch geltend, ihrer Tochter einen Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen.
- 3
-
Am 22. September 2011 hat die Klägerin zu 1 Klage auf Zuweisung eines Kindergartenplatzes sowie auf Kostenerstattung für die ab 8. April 2011 aufgewendeten Kosten für die Unterbringung in der privaten Elterninitiative erhoben. Die Beklagte stellte der Klägerin zu 2 ab dem 16. Oktober 2011 einen Kindergartenplatz zur Verfügung. Daraufhin hat die Klägerin zu 1 ihr Begehren auf die Kostenübernahme beschränkt. Mit Einverständnis der Beklagten ist die Klage ferner um die Klägerin zu 2 erweitert worden.
- 4
-
Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen einen Betrag in Höhe von 2 187,77 € zu zahlen.
- 5
-
Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Nach dem rheinland-pfälzischen Kindertagesstättengesetz habe das Jugendamt der Beklagten zu gewährleisten, dass für jedes Kind vom vollendeten zweiten Lebensjahr ein Platz in einer Kindertagesstätte beitragsfrei zur Verfügung stehe. Diesen Anspruch habe die Beklagte nicht erfüllen können. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Jugendhilferecht sei seit jeher anerkannt, dass die Kostenübernahme vom Jugendhilfeträger verlangt werden könne, wenn die Leistung zu Recht begehrt worden sei und ohne Vermittlung des Jugendhilfeträgers in Anspruch genommen werden musste. Nach dieser Rechtsprechung setze sich die "Primärverantwortung" des für die Gewährleistung verantwortlichen Jugendhilfeträgers sekundär in der Verantwortung für die Übernahme der Kosten fort, wenn die geschuldete Leistung anderweitig beschafft werden musste. Diese Rechtsgrundsätze seien auch durch die Schaffung des § 36a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) im Jahre 2005 nicht in Zweifel gezogen oder ausgeschlossen worden. Die Voraussetzungen eines solchen Übernahmeanspruchs seien hier erfüllt. Neben der Klägerin zu 2 könne auch die sorgeberechtigte Klägerin zu 1 Kostenerstattung beanspruchen. Denn nach der gesetzlichen Konzeption stehe der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz auch den Sorgeberechtigten zu. Maßgeblich dafür sei ihre gesetzlich bezweckte Begünstigung, eine durch öffentliche Mittel hoch subventionierte Einrichtung in Anspruch nehmen zu können.
- 6
-
Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, die Klägerin zu 1 sei bereits nicht aktivlegitimiert, weil der Primäranspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nach den klaren gesetzlichen Regelungen nur dem Kind zustehe und nicht den sorgeberechtigten Personen. Für einen Anspruch der Klägerin zu 2 auf Erstattung der Kosten des selbstbeschafften Kindergartenplatzes gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine Ausdehnung des richterrechtlichen Haftungsinstituts für selbstbeschaffte Leistungen bei Systemversagen auf die vorliegende Fallgruppe der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen sei nicht zulässig. Das Haftungsinstitut zum Kostenersatz für selbstbeschaffte Hilfen bei Systemversagen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur im Rahmen der Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfe anwendbar. Mit § 90 Abs. 3 SGB VIII bestehe eine selbständige und abschließende Sonderregelung zur Kostentragung für das Kindergartenrecht. Zudem sei der Rückgriff auf das richterrechtliche Haftungsinstitut ausgeschlossen, weil § 36a Abs. 3 SGB VIII eine abschließende Spezialregelung über den Kostenersatz für selbstbeschaffte Hilfe bei Systemversagen für das SGB VIII darstelle. Insbesondere die systematische Ausgestaltung dieser Vorschrift sowie ihre Regelungshistorie belegten die Annahme des Gesetzgebers, dass sich die richterrechtlichen Grundsätze mit ihrer Einführung erledigt hätten und nicht mehr ergänzend herangezogen werden könnten. Das Berufungsgericht habe auch deshalb Bundesrecht verletzt, weil es zu Unrecht angenommen habe, dass die Voraussetzungen des richterrechtlichen Haftungsinstituts vorlägen. Dieser Anspruch sei schon wegen der fehlenden Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes ausgeschlossen. Es sei den Klägerinnen zuzumuten gewesen, ihren Verschaffungsanspruch auf einen Kindergartenplatz im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchzusetzen. Ein Anspruch der Klägerinnen auf Kostenerstattung scheitere weiter daran, dass Elterninitiativen nach den Vorgaben des rheinland-pfälzischen Kindertagesstättengesetzes nicht in rechtmäßiger Weise den Primäranspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes erfüllen könnten, weil sie nicht Träger einer Kindertagesstätte im Sinne des Gesetzes seien.
- 7
-
Die Klägerinnen verteidigen das angegriffene Urteil.
- 8
-
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat den Klägerinnen den im Streit stehenden Aufwendungsersatzanspruch zugesprochen, ohne dass dies im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Bundesrecht verletzt.
- 10
-
Soweit das Oberverwaltungsgericht die Existenz des aus dem Landesrecht folgenden Aufwendungsersatzanspruchs vom Verständnis bundesrechtlicher Grundsätze abhängig macht, ist dies einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich (1.). Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Rechtssatz, dass nach Bundesrecht unter bestimmten Voraussetzungen ein Sekundäranspruch auf Ersatz von Aufwendungen besteht, wenn der Primäranspruch auf Verschaffung eines Kinderbetreuungsplatzes nicht erfüllt oder in rechtswidriger Weise verweigert wird, und das rheinland-pfälzische Landesrecht dem folgt, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden (2.). Eine Verletzung von Bundesrecht liegt auch im Übrigen nicht vor (3.).
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1. Obgleich der von den Klägerinnen geltend gemachte und vom Oberverwaltungsgericht bejahte Sekundäranspruch auf Aufwendungsersatz seine Grundlage im irrevisiblen Landesrechts findet (a), sind die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu der Frage, ob es im Bundesrecht einen entsprechenden Anspruch auf Aufwendungsersatz für selbstbeschaffte Kinderbetreuungsplätze gibt, im Revisionsverfahren zu überprüfen (b).
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a) Der Anspruch der Klägerinnen auf Aufwendungsersatz ist ein Sekundäranspruch, der seiner Rechtsnatur nach dem Landesrecht angehört. Dies beruht darauf, dass der diesem zugrunde liegende (primäre) Leistungsanspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes auf einen Gesetzesbefehl des Landesrechts zurückgeht. Nach § 5 Abs. 1 des Kindertagesstättengesetzes des Landes Rheinland-Pfalz - KitaG - vom 15. März 1991 (GVBl S. 79) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz vom 16. Dezember 2005 (GVBl S. 502) haben Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten (Satz 1), wobei das Jugendamt zu gewährleisten hat, dass für jedes Kind rechtzeitig ein Kindergartenplatz in zumutbarer Entfernung zur Verfügung steht (Satz 2). Mit dem Wirksamwerden des Satzes 1 dieser Vorschrift ab dem 1. August 2010 ist in Rheinland-Pfalz ein Rechtsanspruch bereits für zweijährige Kinder eingeräumt worden, der nach der bundesrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts nicht an weitere Voraussetzungen (wie etwa die Erwerbstätigkeit der Eltern) geknüpft ist.
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Dem Bundesrecht ließ sich im hier maßgeblichen Zeitraum von April bis Oktober 2011, für den die Klägerinnen Aufwendungsersatz begehren, kein entsprechender Betreuungsanspruch für zweijährige Kinder entnehmen. Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch - SGB VIII - (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990
in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2008 ) sah in § 24 Abs. 1 SGB VIII (a.F.) einen (unbedingten) Rechtsanspruch nur für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr vor. Für Kinder unter drei Jahren enthielt das Bundesrecht lediglich eine Verpflichtung der Jugendhilfeträger, ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen vorzuhalten (§ 24 Abs. 2 SGB VIII a.F.), und begründete eine Förderungsverpflichtung nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa der Erwerbstätigkeit der Erziehungsberechtigten (§ 24 Abs. 3, § 24a Abs. 3 und 4 SGB VIII). Die Neuregelung des § 24 Abs. 3 SGB VIII (in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 ), die ab dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch für Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, gewährt, ist hier noch nicht anwendbar.
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Ist der maßgebliche Primäranspruch - hier auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes - landesrechtlicher Natur, so folgt daraus, dass auch die an seine Verletzung oder Nichterfüllung geknüpften sekundärrechtlichen Folgen dem Landesrecht zuzuordnen sind. Der Sekundäranspruch - hier auf Aufwendungsersatz gerichtet - teilt in aller Regel und so auch hier die Rechtsnatur des ihm zugrunde liegenden Leistungsanspruchs (vgl. etwa zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und zum Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag: Urteile vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> = Buchholz 316 § 56 VwVfG Nr. 13 S. 10 und vom 6. Oktober 1989 - BVerwG 8 C 52.87 - BVerwGE 82, 350 <351>; vgl. ferner Beschluss vom 3. Januar 1992 - BVerwG 6 B 20.91 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 240).
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b) Soweit das Berufungsgericht Landesrecht ausgelegt und angewendet hat, ist das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich daran gebunden (§ 137 Abs. 1 VwGO, § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Es hat aber nachzuprüfen, ob die Vorinstanz eine irrevisible Norm des Landesrechts unter Verkennung von oder im Widerspruch zu Bundesrecht ausgelegt hat (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1987 - BVerwG 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <351> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 151 S. 9, vom 23. August 1994 - BVerwG 1 C 18.91 - BVerwGE 96, 293 <294 f.> = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 230 S. 15 und vom 21. September 2005 - BVerwG 6 C 16.04 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 40). Zudem ist eine revisionsgerichtliche Überprüfung auch dann eröffnet, wenn die Vorinstanz die Auslegung des irrevisiblen Rechts wesentlich vom Verständnis des Bundesrechts abhängig gemacht hat (vgl. Urteil vom 6. September 1984 - BVerwG 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 <65> = Buchholz 415.16 § 28 BJagdG Nr. 1 S. 2 f.; Neumann, in: Sodan/Ziekow
, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 106). So liegt es hier.
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Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei seiner Prüfung des dem Landesrecht zuzuordnenden Sekundäranspruchs auf Aufwendungsersatz im Wesentlichen davon leiten lassen, wie dieser Anspruch im Bundesrecht entwickelt und konturiert wird. Daran anknüpfend ist es der Sache nach davon ausgegangen, dass das Landesrecht dem folge. Es hat sich mithin bei der Konkretisierung des landesrechtlichen Sekundäranspruchs wesentlich vom Verständnis des Bundesrechts abhängig gemacht. Dies erschließt sich insbesondere daraus, dass es im Hinblick auf den im Streit stehenden Sekundäranspruch auf Aufwendungsersatz keine spezifisch landesrechtlichen Erwägungen angestellt, sondern maßgeblich auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herausgebildeten Grundsätze zum Jugendhilferecht des Bundes abgestellt und sich an diesen ausgerichtet hat. Soweit die Erwägungen des Berufungsgerichts Inhalt und Grenzen eines bundesrechtlichen Sekundäranspruchs betreffen, unterliegen sie der revisionsgerichtlichen Kontrolle.
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2. Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Rechtssatz, dass aus dem Bundesrecht ein Sekundäranspruch abzuleiten ist, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Aufwendungsersatz für selbstbeschaffte Leistungen der Jugendhilfe verlangt werden kann, wenn der Primäranspruch - hier auf Verschaffung eines Kinderbetreuungsplatzes - nicht erfüllt oder in rechtswidriger Weise verweigert wird, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Er beruht auf einer analogen Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII.
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a) Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass ein solcher bundesrechtlicher Rechtssatz ursprünglich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung sowohl zum Jugendwohlfahrts- und Jugendhilferecht als auch zum Sozialhilferecht stets angenommen, dass der Jugendhilfe- bzw. Sozialhilfeträger zur Übernahme der Kosten bereits durchgeführter selbstbeschaffter Hilfemaßnahmen verpflichtet sein kann (Beschluss vom 25. August 1987 - BVerwG 5 B 50.87 - Buchholz 436.51 § 5 JWG Nr. 2 = NVwZ-RR 1989, 252 m.w.N.). Besondere praktische Bedeutung erlangte dieser Anspruch auf Kostenübernahme für selbstbeschaffte Leistungen im Jugendhilferecht namentlich im Bereich der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Erziehung (vgl. Urteil vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 C 27.88 - Buchholz 436.51 § 6 JWG Nr. 13). Er war aber nicht darauf beschränkt, sondern erstreckte sich grundsätzlich auf alle Leistungen der Jugendhilfe.
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Dies und die Voraussetzungen eines entsprechenden Sekundäranspruchs hat das Bundesverwaltungsgericht mit den Worten zum Ausdruck gebracht, "dass dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Jugendhilfe vorlagen, erforderliche Maßnahmen aber nicht vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sondern von Dritten durchgeführt wurden, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Jugendhilfe noch nachträglich leisten könne und müsse, indem er die Kosten der bereits durchgeführten Maßnahme übernimmt" (Urteil vom 28. September 2000 - BVerwG 5 C 29.99 - BVerwGE 112, 98 <100> = Buchholz 436.511 § 35a KJHG/SGB VIII Nr. 3 S. 2). Der Jugendhilfeträger hat für diese Kosten aber nur dann aufkommen müssen, wenn der Hilfebedarf rechtzeitig an ihn herangetragen worden ist (Urteil vom 28. September 2000 a.a.O. <103> bzw. S. 5; bestätigt durch Urteil vom 11. August 2005 - BVerwG 5 C 18.04 - BVerwGE 124, 83 <86> = Buchholz 436.511 § 35a KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 10). Die Notwendigkeit, den Träger von Anfang an mit einzubeziehen, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich daraus hergeleitet, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur in diesem Fall ihre aus § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben wie auch ihre Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VIII nicht nur institutionell, sondern auch durch die Hilfegestaltung im individuellen Einzelfall wahrnehmen (Urteil vom 28. September a.a.O. <103> bzw. S. 4 f. unter Hinweis auf das Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 5 C 19.99 - BVerwGE 110, 320 = Buchholz 436.511 § 90 KJHG/SGB VIII Nr. 7 - Selbstbeschaffung eines Kinderkrippenplatzes).
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Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Fachschrifttum wie auch von Berufungsgerichten zu Recht dahin verstanden worden, dass damit ein richterrechtliches Haftungsinstitut für das Jugendhilferecht konkretisiert worden ist. Danach ist eine Selbstbeschaffung mit der Folge eines (Sekundär-)Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe grundsätzlich nur zulässig, wenn ein (Primär-)Anspruch auf die beschaffte Leistung bestanden hat, diese Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden ist (mithin ein "Systemversagen" bei der Leistungsgewährung zu verzeichnen war) und es dem Leistungsberechtigten wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten war, die Bedarfsdeckung aufzuschieben (vgl. insbes. die Stellungnahme der Ständigen Fachkonferenz 1 "Grund- und Strukturfragen" des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V., ZfJ 2003, 61 ff.; OVG Münster, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 - NVwZ-RR 2003, 864 m.w.N.). Der Anwendungsbereich dieser Grundsätze ist im Fachschrifttum teilweise auch ausdrücklich und zu Recht auf die Selbstbeschaffung von Leistungen der Kinderbetreuung nach § 24 SGB VIII erstreckt worden (Fischer, JAmt 2002, 492<493>).
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b) Dem Oberverwaltungsgericht ist nicht darin beizupflichten, dass der Anspruch der Klägerinnen seine Grundlage in dem dargestellten richterrechtlichen Haftungsinstitut bei zulässiger Selbstbeschaffung findet. Dies folgt daraus, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz für selbstbeschaffte Leistungen im Jugendhilferecht nunmehr durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 in § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII geregelt worden ist. Damit hat der Gesetzgeber der Sache nach im Wesentlichen den zuvor richterrechtlich begründeten Anspruch auf Aufwendungsersatz kodifiziert. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wird ausdrücklich auf die zuvor genannte Rechtsprechung und Literatur Bezug genommen (nämlich auf das Urteil des Senats vom 28. September 2000 a.a.O., die Stellungnahme der Ständigen Fachkonferenz 1 a.a.O. und das Urteil des OVG Münster vom 14. März 2003 a.a.O.) und dazu ausgeführt, diese Rechtsprechung solle nunmehr im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit eine positiv-rechtliche Grundlage erfahren (BRDrucks 586/04 S. 45 und BTDrucks 15/3676 S. 26).
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Die nunmehr geschaffene gesetzliche Grundlage geht dem richterrechtlichen Haftungsinstitut vor. Zwar ist § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hier nicht unmittelbar anzuwenden (aa). Jedoch liegen die Voraussetzungen einer analogen Anwendung vor (bb). Da die gesetzesübersteigende richterliche Rechtsfortbildung nur dann als zulässig erachtet werden kann, wenn die Lösung nicht im Wege der Auslegung oder der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung (etwa der Analogie) gefunden werden kann (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 426), haben ihr gegenüber die Formen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung Vorrang.
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aa) Eine unmittelbare Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf die Fälle der Selbstbeschaffung von Kindergartenplätzen scheidet aus.
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Dies erschließt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bezieht sich auf "Hilfen" und erfasst damit nicht alle der in § 2 Abs. 2 SGB VIII aufgelisteten Leistungen der Jugendhilfe, sondern nur solche, die sich als Hilfen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 4 bis 6 SGB VIII darstellen, also nicht zu der Leistungsform der Angebote (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB VIII) gehören. Bei den Regelungen über die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (§ 22 ff. SGB VIII) handelt es sich um die zuletzt genannte Kategorie (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII).
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Auch die systematische Stellung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII im Vierten Abschnitt des Gesetzes spricht in gewichtiger Weise dafür, dass diese Vorschrift unmittelbar nur die in diesem Abschnitt geregelten Hilfen, nicht aber die im Dritten Abschnitt normierten Angebote erfasst. Zudem lassen die Gesetzesmaterialien erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 36a SGB VIII die Hilfen im Auge hatte und insbesondere die Selbstbeschaffung von Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) begrenzen wollte (BTDrucks 15/3676 S. 36).
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bb) § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist jedoch auf jugendhilferechtliche Leistungen, welche die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege betreffen, entsprechend anzuwenden. Die Voraussetzungen eines Analogieschlusses sind erfüllt.
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Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung - hier die Analogie - setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl. Urteile vom 18. April 2013 - BVerwG 5 C 18.12 - NJW 2013, 2457 Rn. 22 und zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen, vom 15. November 2012 - BVerwG 3 C 12.12 - LKV 2013, 78 Rn. 19 und vom 20. Mai 1999 - BVerwG 3 C 3.98 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 134 S. 5). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. Urteil vom 18. April 2013 a.a.O. Rn. 22 m.w.N.).
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(1) Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch weist die danach vorausgesetzte Gesetzeslücke auf. Der in Rede stehende Sachverhalt, ob und welche Rechtsfolgen das Bundesrecht daran knüpft, wenn ein Rechtsanspruch auf Verschaffung eines Kinderbetreuungsplatzes nicht erfüllt und die Leistung selbst beschafft wird, wird weder unmittelbar von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII noch von einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung des Kinder- und Jugendhilferechts erfasst.
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(a) Der Einwand der Beklagten, dass mit § 90 Abs. 3 SGB VIII eine selbständige und abschließende Sonderregelung zur Kostentragung für das Kindergartenrecht bestehe, verfängt insoweit nicht. Nach dieser Vorschrift soll im Falle des Abs. 1 Nr. 3 (der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 bis 24 SGB VIII) der Kostenbeitrag auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder ein Teilnahmebeitrag auf Antrag ganz oder teilweise vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn die Belastung den Eltern und dem Kind nicht zuzumuten ist. Für die Feststellung der zumutbaren Belastung kommt es auf das maßgebliche Einkommen an (§ 90 Abs. 4 SGB VIII).
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Diese Regelung ist nicht auf die Fälle der Selbstbeschaffung von Kinderbetreuungsplätzen wegen Systemversagens zugeschnitten. Vielmehr bezieht sich der Übernahmeanspruch nach § 90 Abs. 3 SGB VIII auf eine andere Sachlage. Er setzt im Wesentlichen die Unzumutbarkeit der Belastung voraus und ist neben der sozialen Staffelung (§ 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) eine weitere soziale Komponente der Ausgestaltung der Kostenbeteiligung der Eltern (vgl. etwa Wiesner, in: ders.
, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 90 Rn. 20).
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Soweit das Bundesverwaltungsgericht - worauf die Beklagte hinweist - im Urteil vom 25. April 2002 (- BVerwG 5 C 16.01 - Buchholz 436.511 § 90 KJHG/ SGB VIII Nr. 9) ausgeführt hat, dass nach der Systematik des Gesetzes die Kostenbeteiligung für die in § 90 SGB VIII bezeichnete Inanspruchnahme von Angeboten der Jugendhilfe abschließend in dieser Vorschrift geregelt sei, beziehen sich diese Ausführungen allein auf die Kostenbeteiligung der Eltern und damit auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Eltern einen Kostenbeitrag zu zahlen oder Anspruch auf Erlass dieses Beitrags haben bzw. seine Übernahme durch den Jugendhilfeträger beanspruchen können. Für die hier in Rede stehende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Aufwendungsersatzanspruch daran geknüpft ist, wenn der Primäranspruch des Kindes auf Verschaffung eines Betreuungsplatzes von dem Träger der Jugendhilfe nicht erfüllt worden ist, ist damit keine Aussage getroffen worden.
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(b) Dies gilt auch für die gesetzlich normierten Erstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen bei Systemversagen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -) und im Schwerbehindertenrecht (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX -). Diese betreffen andere Regelungsbereiche und bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass ihnen für den Bereich des Jugendhilferechts Aussagekraft zukommen soll.
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(c) Eine gesetzliche Regelungslücke kann schließlich auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil - wie die Beklagte meint - das Staatshaftungsrecht allgemeine Haftungsinstitute wie den Folgenbeseitigungsanspruch und die Amtshaftung vorsieht. Aus der Existenz des Amtshaftungsanspruchs (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB), der ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten eines Amtswalters voraussetzt und nicht nur Aufwendungs-, sondern weiterreichenden Schadensersatz gewährt, ist wegen dieser Unterschiede für die Frage, ob eine gesetzliche Regelungslücke im Hinblick auf einen verschuldensunabhängigen, an ein Systemversagen bei der Erfüllung von Kinderbetreuungsplätzen anknüpfenden Sekundäranspruch besteht, nichts herzuleiten. Auch die Existenz von ungeschriebenen allgemeinen Haftungsinstituten wie des Folgenbeseitigungsanspruchs gibt keine Antwort auf die Frage, ob das Gesetz in einem bestimmten Bereich - wie hier im Bereich der Nichterfüllung von jugendhilferechtlichen Ansprüchen auf Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen - Unvollständigkeiten aufweist.
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(2) Die festgestellte Gesetzeslücke stellt sich auch als planwidrig dar. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 36a Abs. 3 SGB VIII nicht als abschließende Spezialregelung für das gesamte Jugendhilferecht zu begreifen, die eine Ausdehnung des Erstattungsanspruchs auf Leistungen des Kinder- und Jugendhilferechts, die nicht unmittelbar Gegenstand der Vorschrift sind, ausschließt. Vielmehr entspricht es dem Plan des Gesetzgebers, den Erstattungsanspruch auch auf die Fälle der Nichterfüllung eines Anspruchs auf Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege anzuwenden. Dies erschließt sich vor allem aus den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Intentionen.
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Der Gesetzgeber verfolgte mit der Schaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII - wie oben aufgezeigt - das Ziel, die Rechtsprechung zum Anspruch auf Aufwendungsersatz im Fall der Selbstbeschaffung von Leistungen im Jugendhilferecht zu kodifizieren. Mit dem Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen hat der Gesetzgeber im Vergleich zur früheren Rechtslage keine Schlechterstellung der Berechtigten bezweckt (Urteil vom 1. März 2012 - BVerwG 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 = Buchholz 436.511 § 33 SGB VIII Nr. 2 jeweils Rn. 23). Da das richterliche Haftungsinstitut - wie oben ebenfalls dargelegt - auch die sekundärrechtlichen Folgen eines enttäuschten (Primär-)Anspruchs auf Kinderbetreuung umfasste, bleibt § 36a Abs. 3 SGB VIII insoweit hinter dem Plan des Gesetzgebers zurück.
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(3) Die planwidrige Lücke ist durch analoge Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu schließen. Die Rechtsfolge des Aufwendungsersatzanspruchs ist auf den hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt übertragbar, weil eine vergleichbare Sach- und Interessenlage zu den geregelten Fällen besteht.
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Kennzeichnend für die in § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII normierten Fälle ist, dass ein gesetzlicher Primäranspruch, der keine bloße Geldleistung, sondern eine Sach- und Dienstleistung zum Gegenstand hat (nämlich insbesondere der Anspruch auf Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Erziehung) nicht erfüllt wird und diejenigen, die sich die unaufschiebbar notwendige Leistung, deren Gewährung der Jugendhilfeträger zu Unrecht abgelehnt oder über die er nicht rechtzeitig entschieden hat, selbstbeschaffen, nicht schlechter stehen sollen als diejenigen, deren Leistungsbegehren rechtzeitig erfüllt worden ist (vgl. Urteil vom 1. März 2012 a.a.O. Rn. 23). Weil der Anspruch (etwa auf Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Erziehung) mit Zeitablauf nicht mehr erfüllt werden kann, verhindert der Betroffene durch die Selbstbeschaffung den Verlust der Leistung. Es würde gegen die gesetzliche Gewährung des Rechtsanspruchs verstoßen, wenn der Hilfebedürftige seinen Anspruch allein deshalb verlieren würde, weil er die ihm zustehende Hilfe nicht rechtzeitig vom Leistungsträger erhalten hat (vgl. bereits die Rechtsprechung des Senats zum Sozialhilferecht: Urteil vom 23. Juni 1994 - BVerwG 5 C 26.92 - BVerwGE 96, 152 <155> = Buchholz 436.0 § 5 BSHG Nr. 12 S. 4).
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Die Sach- und Interessenlage, die besteht, wenn der Jugendhilfeträger einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, ist der zuvor beschriebenen ähnlich und mit ihr wertungsmäßig vergleichbar. Die Kinderbetreuung, die - trotz Rechtsanspruchs - nicht für den Zeitraum gewährt wird, für den sie begehrt wird, lässt sich nicht verschieben, sondern bleibt für diesen Zeitraum in irreversibler Weise unerfüllt; der Anspruch auf Zuweisung eines real verfügbaren Platzes erledigt sich durch Zeitablauf (vgl. Rixen, NJW 2012, 2839 <2841>; Schübel-Pfister, NVwZ 2013, 385 <390>). Soweit der Primäranspruch auf einen Betreuungsplatz nicht auf andere Weise rechtzeitig durchgesetzt werden kann, ist der Betroffene - wenn er den endgültigen Anspruchsverlust verhindern will - auf eine Selbstbeschaffung verwiesen, die es ihm dann noch ermöglicht, den Bedarf zu decken und zumindest die erforderlichen Aufwendungen hierfür erstattet zu bekommen.
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Wegen der ähnlichen Sach- und Interessenlage ist der Analogieschluss auch auf alle Tatbestandsmerkmale, die 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII an die Rechtsfolge des Aufwendungsersatzanspruchs knüpft, sinngemäß zu erstrecken. Das gilt insbesondere für das Merkmal, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf in Kenntnis gesetzt haben muss (Nr. 1). Die Bedeutung dieses Merkmals und seine Notwendigkeit, es als Voraussetzung für einen entsprechend hergeleiteten Aufwendungsersatzanspruch anzusehen, erschließt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu Absatz 1 dieser Vorschrift. Gesetzlicher Leitgedanke des § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist die Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers. Nach dieser Regelung hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann zu tragen, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht dem gesetzlichen Auftrag des Jugendhilfeträgers entspricht, nur "Zahlstelle" und nicht Leistungsträger zu sein. Das Jugendhilferecht zielt auf eine partnerschaftliche Hilfe unter Achtung familiärer Autonomie und auf kooperative pädagogische Entscheidungsprozesse. Nur wenn die Eltern bzw. der Hilfeempfänger grundsätzlich den Träger der Jugendhilfe von Anfang an in den Entscheidungsprozess einbeziehen, kann er seine aus § 36a Abs. 1, § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und die Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VIII wahrnehmen (Urteil vom 18. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 = Buchholz 436.511 § 36a SGB VIII Nr. 2 jeweils Rn. 31; Beschluss vom 22. Mai 2008 - BVerwG 5 B 130.07 - JAmt 2008, 600).
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Der genannte Gedanke, dass eine Vorbefassung des Trägers der Jugendhilfe erforderlich ist, bevor ein Bedarf im Wege der Selbstbeschaffung gedeckt wird, greift auch für die Ansprüche auf Kinderbetreuung. Auch im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erfüllung dieser Rechtsansprüche hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe - unabhängig davon, ob der Anspruch im Bundesrecht oder wie hier im Landesrecht (§ 5 Abs. 1 KitaG) wurzelt - seine Gewährleistungspflicht zunächst durch eine bedarfsgerechte Planung entsprechend den objektivrechtlichen Vorgaben der §§ 79, 80 SGB VIII zu erfüllen und dabei bereits das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern zu berücksichtigen. Der Jugendhilfeträger trägt so für die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots die Gesamtverantwortung, der er etwa durch die Finanzierung von Betreuungsplätzen kommunaler Träger und durch finanzielle Förderung nichtstaatlicher (freier) Träger nachkommt.
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3. Das angefochtene Urteil ist auch im Übrigen revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
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a) Soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der an die Nichterfüllung des landesrechtlichen Verschaffungsanspruchs anknüpfende Sekundäranspruch auf Aufwendungsersatz dem bundesrechtlichen Maßstab folgt, unterliegt dies ebenso wenig der revisionsgerichtlichen Kontrolle wie seine Prüfung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen des landesrechtlichen Aufwendungsersatzanspruchs erfüllt sind. Dies entzieht sich grundsätzlich der revisionsgerichtlichen Überprüfung, weil es sich insoweit um die Anwendung von Landesrecht handelt.
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b) Der Einwand der Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe jedenfalls der Klägerin zu 1 zu Unrecht einen Aufwendungsersatzanspruch zugebilligt, weil der Primäranspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nach den gesetzlichen Regelungen nur dem Kind und nicht den sorgeberechtigten Personen zustehe, begründet ebenfalls nicht die Annahme eines Bundesrechtsverstoßes.
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aa) Die auf der Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 KitaG beruhende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, dass auch die Klägerin zu 1 als Sorgeberechtigte nach dieser Vorschrift anspruchsberechtigt sei, ist als Auslegung irrevisiblen Landesrechts für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend, § 137 Abs. 1 VwGO, § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO (Urteil vom 21. September 2005 - BVerwG 6 C 16.04 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 40).
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Anspruchsberechtigung der Sorgeberechtigten vorrangig auf landesrechtliche Erwägungen gestützt. Es hat dazu in den Urteilsgründen ausgeführt, zwar ergebe sich aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 KitaG, dass der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz zunächst dem Kind eingeräumt sei. Er stehe nach der gesetzlichen Konzeption aber ebenso den Sorgeberechtigten zu. Maßgeblich dafür sei nicht ihre Befreiung von dem verhältnismäßig geringen Anteil an den Personalkosten in der Form des Elternbeitrags (§ 13 Abs. 2 KitaG), sondern die Begünstigung durch die Inanspruchnahme einer durch öffentliche Mittel hoch subventionierten Einrichtung.
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bb) Eine revisionsgerichtliche Prüfung ist auch nicht deshalb eröffnet, weil sich das Oberverwaltungsgericht für seine Auslegung des Landesrechts im Wesentlichen vom Bundesrecht hätte leiten lassen (vgl. Urteil vom 6. September 1984 - BVerwG 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 = Buchholz 415.16 § 28 BJagdG Nr. 1) oder weil es von der Annahme ausgegangen wäre, es sei an Bundesrecht gebunden und müsse aufgrund eines bundesrechtlichen Rechtsanwendungsbefehls § 5 Abs. 1 KitaG im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung genauso auslegen wie eine bundesrechtliche Vorschrift (vgl. Urteile vom 18. Mai 1977 - BVerwG 8 C 44.76 - BVerwGE 54, 54 <56 f.> = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 160 S. 96).
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Zwar hat das Oberverwaltungsgericht auch eine im entscheidungserheblichen Zeitraum geltende bundesrechtliche Regelung ausgelegt und dabei zu Unrecht angenommen, dass Anspruchsinhaber nach § 24 Abs. 1 SGB VIII a.F. nicht nur das Kind, sondern auch die sorgeberechtigte Person gewesen sei. Letzteres trifft nicht zu, weil nach dem unmissverständlichen Wortlaut dieser Vorschrift ausdrücklich und allein das Kind als Berechtigter genannt wird. Dies lässt sich auch im Hinblick auf die Systematik des SGB VIII, Rechtsansprüche entweder dem Kind bzw. Jugendlichen (wie etwa bei Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII) oder den personensorgeberechtigten Eltern (wie etwa bei der Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII) zuzuweisen, nur als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers interpretieren, allein dem Kind den Anspruch nach § 24 Abs. 1 SGB VIII a.F. auf Verschaffung eines Betreuungsplatzes zu vermitteln. Soweit das Oberverwaltungsgericht diese bundesrechtliche Anspruchsberechtigung verkannt hat, wirkt sich dies hier jedoch nicht aus.
- 48
-
Das Oberverwaltungsgericht gelangt zu der in Rede stehenden Anspruchsberechtigung eigenständig tragend auch durch rein landesrechtlich ausgerichtete Erwägungen. Maßgeblich sei die Begünstigung der Eltern durch die Inanspruchnahme einer durch öffentliche Mittel hoch subventionierten Einrichtung. Das Oberverwaltungsgericht legt insoweit sowohl die bundesrechtliche als auch die landesrechtliche Anspruchsgrundlage - mit gleichem Ergebnis - parallel aus.
- 49
-
cc) Schließlich ist die Auslegung des § 5 Abs. 1 KitaG auch nicht deswegen revisionsgerichtlich zu beanstanden, weil das Bundesrecht ein anderes als das vom Oberverwaltungsgericht vertretene Ergebnis gebieten würde (vgl. Urteil vom 23. August 1994 - BVerwG 1 C 18.91 - BVerwGE 96, 293 <294 f.> = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 230 S. 15). Denn eine einschränkende bundesrechtskonforme Auslegung war weder im Hinblick auf einfaches noch auf Verfassungsrecht des Bundes erforderlich. Vielmehr ist der Landesgesetzgeber gemäß § 24 Abs. 6 SGB VIII frei darin, weitergehende Begünstigungen als der Bund zu gewähren. Denn nach dieser Vorschrift bleibt weitergehendes Landesrecht unberührt.
- 50
-
c) Ein Bundesrechtsverstoß ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses auf einen Grundsatz vom Vorrang des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes verweisen und dazu geltend machen, ein Aufwendungsersatzanspruch sei hier ausgeschlossen, weil es die Klägerinnen versäumt hätten, den Verschaffungsanspruch auf einen Kindergartenplatz im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchzusetzen.
- 51
-
Ob die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes eine Voraussetzung des landesrechtlichen Sekundäranspruchs auf Aufwendungsersatz darstellt und ob diese etwaige Voraussetzung im konkreten Fall erfüllt ist, ist als Auslegung und Anwendung von Landesrecht der revisionsgerichtlichen Überprüfung grundsätzlich nicht zugänglich. Darüber hinaus ist es zweifelhaft, ob im Rahmen des Anspruchs auf Aufwendungsersatz nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die vorherige Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz geboten ist. Im Wortlaut des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, der nur verlangt, dass die Deckung des Bedarfs durch die selbstbeschaffte Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet haben darf und der dabei zwischen dem Fall der Bedarfsdeckung bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung (Buchst. a) und dem Fall bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung (Buchst. b) unterscheidet, hat das Erfordernis des Eilrechtsschutzes keinen Ausdruck gefunden.
- 52
-
Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung, weil jedenfalls gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass das Nachsuchen um vorläufigen Rechtsschutz nur dann verlangt werden kann, wenn es dem Betroffenen zumutbar ist, bundesrechtlich nichts zu erinnern ist. Selbst beim Amtshaftungsanspruch, bei dem der grundsätzliche Vorrang des primären gerichtlichen Rechtsschutzes in deutlicher Form in § 839 Abs. 3 BGB niedergelegt ist, wird die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz nur verlangt, wenn durch diese eine rechtzeitige Abhilfe überhaupt erwartet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1995 - III ZR 71/93 - BGHZ 128, 346 <358>; s. auch BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 29.97 - BVerwGE 107, 29 <32 f.> = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40 S. 3). Dies war jedoch nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht der Fall. Es hat dazu ausgeführt, dass eine Abhilfe auch dann nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn die Sorgeberechtigten von Anfang an versucht hätten, den Primäranspruch im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter und die Richterin Dr. Arend
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt im Wege der Amtshaftung Ersatz von Verdienstausfall (nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten) wegen unterbliebener Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihren am 4. April 2013 geborenen Sohn.
- 2
- Mit Schreiben vom 24. Juli 2013 meldete die Klägerin für ihren Sohn bei der Beklagten Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab April 2014 an. In ihrer Eingangsbestätigung vom 6. August 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen im gesamten Stadtgebiet besonders hoch sei und derzeit die verfügbaren Kapazitäten übersteige.
- 3
- Die Klägerin hat behauptet, dass sie sich seit Juni 2013, auch parallel zur Bedarfsanmeldung gegenüber der Beklagten, intensiv bei verschiedenen Betreuungseinrichtungen um einen Platz für ihren Sohn bemüht habe. Zudem habe sie in regelmäßigen Abständen bei der Beklagten nachgefragt. Nachdem ihre Anstrengungen erfolglos geblieben seien und auch die Beklagte ihr keinen Platz ab April 2014 zur Verfügung gestellt habe, habe sie sich gezwungen gesehen , im Januar 2014 mit ihrem Arbeitgeber eine Verlängerung der bis zum 3. April 2014 laufenden Elternzeit zu vereinbaren. Ab dem 19. Mai 2014 habe sie Teilzeitbeschäftigungen bei ihrem Arbeitgeber aufgenommen, und zwar zunächst mit einem Stellenumfang von 25 % (10 Wochenstunden) und ab dem 25. August 2014 mit einem Stellenumfang von 75 % (30 Wochenstunden). Ab dem 15. September 2014 - nach Ablauf einer zweiwöchigen Zeit für die Eingewöhnung ihres Sohnes - sei sie ihrer Berufstätigkeit wieder in vollem Umfang (100 %) nachgekommen. Unter Abzug ersparter Elternbeiträge und des ihr gezahlten Betreuungsgelds hat die Klägerin ihren Verdienstausfallschaden auf 7.332,93 € (netto) berechnet.
- 4
- Die Klägerin hat geltend gemacht, aus dem Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII folge die Amtspflicht der Beklagten, nach rechtzeitiger Bedarfsanmeldung Kindern bei Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Diese Amtspflicht beziehe sich nicht allein auf das betreuungsbedürftige Kind, sondern auch auf die erziehungsberechtig- ten Eltern des Kindes. In ihren Schutzbereich falle auch das berufliche Erwerbsinteresse der Eltern. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, weil der Kapazitätsengpass frühzeitig vorherzusehen gewesen und nichts Ausreichendes hiergegen unternommen worden sei.
- 5
- Die Beklagte hat eine drittschützende Wirkung des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII in Abrede gestellt und gemeint, diese Norm bezwecke allein einen Anspruch des Kindes auf frühkindliche Förderung. Sie hat weiterhin entgegnet, sie habe eine ordnungsgemäße Bedarfsplanung vorgenommen; Verzögerungen bei der Errichtung von zusätzlichen Betreuungseinrichtungen habe sie selbst nicht zu vertreten.
- 6
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Ersturteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 7
- Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht (LKV 2015, 572) hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar habe die Beklagte die ihr nach § 24 Abs. 2 SGB VIII obliegende Amtspflicht, dem Sohn der Klägerin zum 4. April 2014 einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen , verletzt. Der Anspruch auf einen Betreuungsplatz bestehe nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität. Ob die Beklagte schuldhaft gehandelt habe , könne allerdings dahinstehen. Denn die Klägerin sei nicht geschützte Dritte der Amtspflicht der Beklagten. Anspruchsberechtigt nach § 24 Abs. 2 SGB VIII sei allein das betreuungsbedürftige Kind. Der Anspruch ziele ausschließlich auf dessen frühkindliche Förderung. Die erziehungsberechtigten Eltern des Kindes seien vom Schutzbereich dieser Norm nicht umfasst. Anderes ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht. Von den in § 22 Abs. 2 SGB VIII genannten Förderungsgrundsätzen habe der Gesetzgeber ausdrücklich nur die frühkindliche Förderung in § 24 Abs. 2 SGB VIII erwähnt, nicht aber die Hilfe zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung. Im Übrigen wäre der geltend gemachte Verdienstausfallschaden selbst dann, wenn die Eltern geschützte Dritte sein sollten, vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht nicht erfasst. Dieser beziehe sich allein auf die frühkindliche Förderung, nicht hingegen auf das Erwerbsinteresse der Eltern. Auf die Verletzung von Pflichten aus einem - drittschützenden - öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis (§§ 280, 311, 249 BGB analog) könne die Klage ebenfalls nicht mit Erfolg gestützt werden , weil es an einer entsprechenden Sonderverbindung mit der Beklagten gefehlt habe.
II.
- 9
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 11
- 2. Auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (analog) verhilft der Klage nicht zum Erfolg.
- 12
- a) § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gewährt einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wenn die durch diesen zu gewährenden Hilfen vom Leistungsberechtigten selbst beschafft werden. Diese Vorschrift bezieht sich zwar unmittelbar nur auf Hilfen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 4 bis 6 SGB VIII; sie ist jedoch auf jugendhilferechtliche Leistungen , welche die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege betreffen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3, §§ 22 ff SGB VIII), entsprechend anzuwenden (BVerwGE 148, 13 Rn. 17 ff; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. November 2015 - 12 ZB 15.1191, BeckRS 2016, 41519 Rn. 36; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 25. Oktober 2012 - 7 A 10671/12, KommJur 2013, 21, 22 f und vom 28. Mai 2014 - 7 A 10276/14, BeckRS 2014, 53254; Meysen, DJI Impulse, 2/2012, 12, 14; Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl., § 24 Rn. 48; Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 01/14, § 24 Rn. 42; Fischer in Schellhorn /Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl., § 24 Rn. 28; Mayer, VerwArch 2013, 344, 371 ff; Schübel-Pfister, NVwZ 2013, 385, 390 und NJW 2014, 1216 ff; Rixen, NJW 2012, 2839, 2843).
- 13
- b) Der Aufwendungsersatzanspruch steht aber ebenso wie der Primäranspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht den Eltern des zu betreuenden Kindes, sondern allein dem Kind selbst zu (s. BVerwG aaO Rn. 47 [zu § 24 Abs. 1 SGB VIII aF]; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2014 aaO [zu § 24 Abs. 1 SGB VIII aF] unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht im Urteil vom 25. Oktober 2012 aaO S. 24 f; Struck in Wiesner aaO; Mayer aaO S. 372; Schübel-Pfister, NVwZ 2013 aaO; aA Meysen aaO). Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin indes nicht Ansprüche ihres Sohnes, sondern eigene Ansprüche. Zudem stellt der hier geltend gemachte Verdienstausfall eines Elternteils keinen im Rahmen des Anspruchs aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (analog) ersatzfähigen (Mehr-)Aufwand dar (s. VG Köln, Urteil vom 18. März 2016 - 19 K 3699/14, BeckRS 2016, 47915; Mayer aaO S. 376; Schübel-Pfister, NJW 2014, S. 1218).
- 14
- 3. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB), der von der Klägerseite in der mündlichen Revisionsverhandlung angesprochen worden ist, steht der Klägerin nicht zu. Eltern, die ihr Kind selbst betreuen, führen kein "(auch) fremdes Geschäft" (hier: des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe), sondern nehmen eine originär ihnen selbst obliegende Pflicht wahr (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, § 1631 Abs. 1 BGB; s. Pauly/Beutel, DÖV 2013, 445, 449; Mayer, VerwArch 2013, 345, 367 ff).
- 15
- 4. Rechtsfehlerhaft jedoch hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) abgelehnt.
- 16
- a) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegt eine Amtspflichtverletzung der Beklagten vor. Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts sind zutreffend.
- 17
- aa) Mit dem durch das Kinderförderungsgesetz (Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vom 10. Dezember 2008, BGBl. I S. 2403) geschaffenen § 24 Abs. 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 1. August 2013 (Art. 10 Abs. 3 Kinderförderungsgesetz) einem Kind, welches das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung (§ 22 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder in Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) eingeräumt. Hieraus erwächst für den örtlich (§ 86 SGB VIII) und sachlich (§ 85 Abs. 1 SGB VIII) zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht) die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 80 SGB VIII) sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht; insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht (Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. November 2015 - 12 ZB 15.1191, BeckRS 2016, 41519 Rn. 24; Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl., § 24 Rn. 20 f; Rixen, NJW 2012, 2839; Mayer, VerwArch 2013, 344, 346 f, 349 f, 358).
- 18
- Die vorbezeichnete Amtspflicht besteht nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität; vielmehr ist der gesamtverantwortliche Jugendhilfeträger gehalten , eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte - freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen - bereitzustellen (vgl. BVerfG, NJW 2015, 2399, 2401 Rn. 43; Bayerischer VGH aaO Rn. 25 f, 41; Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 01/14, § 24 Rn. 40; Kaiser in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl., § 24 Rn. 12; Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl., § 24 Rn. 67; Schübel-Pfister, NVwZ 2013, 385, 387; Meysen, DJI Impulse, 2/2012, 12, 13; Rixen aaO S. 2840 f; Mayer aaO S. 351 f, 365; s. auch Niedersächsisches OVG, NJW 2003, 1826, 1827 [zu § 24 Abs. 1 SGB VIII aF]; aA wohl Pauly/Beutel, DÖV 2013, 445, 446 f). Diese Pflicht kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass er einen (zumutbaren) Platz entweder in einer Tageseinrichtung oder im Rahmen der Kindertagespflege zuweist (so OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 2013, 3803, 3804, 3805; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. November 2013 - 12 S 2175/13, BeckRS 2013, 59599; Hessischer VGH, NJW 2014, 1753, 1754 Rn. 8; Schleswig -Holsteinisches OVG, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 3 MB 7/14, BeckRS 2014, 54048; Sächsisches OVG, NJW 2015, 1546, 1547 Rn. 8; Grube in Hauck/Noftz aaO Rn. 19, 25; Kaiser in Kunkel/Kepert/Pattar aaO Rn. 14; Schübel -Pfister, NVwZ 2013, S. 389 und NJW 2014, 1216, 1217; aA Bayerischer VGH aaO Rn. 31, 33; Lakies in Münder/Meysen/Trenczek aaO; Rixen aaO S. 2839; Mayer aaO S. 350, 358: verbindliches Wahlrecht der Eltern). Beide Alternativen stehen prinzipiell gleichrangig nebeneinander; dies ergibt sich aus demWortlaut von § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII und einem Vergleich mit der Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (s. Hessischer VGH aaO Rn. 9; Schleswig-Holsteinisches OVG aaO; Rixen aaO; Mayer aaO).
- 19
- bb) Trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs hat die Beklagte - als zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe - dem Sohn der Klägerin zum Ablauf seines ersten Lebensjahres keinen Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt. Damit hat die Beklagte ihre Amtspflicht zur Erfüllung des Förderanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII verletzt, denn in der Nichterfüllung des Anspruchs liegt zugleich die Amtspflichtverletzung (vgl. hierzu Grube in Hauck/Noftz aaO Rn. 48; Meysen aaO S. 15; Rixen aaO S. 2843; Mayer aaO S. 380 f; aA Pauly/Beutel aaO S. 450).
- 20
- b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die hier in Rede stehende Amtspflicht schütze allein die Belange des zu betreuenden Kindes, nicht aber auch die Interessen der personensorgeberechtigten Eltern, ist hingegen von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 21
- aa) Ob eine Amtspflicht gegenüber einem geschädigten Dritten besteht, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch - den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen (ständige Senatsrechtsprechung, s. z.B. Urteile vom 11. Juli 1955 - III ZR 178/53, BGHZ 18, 110, 113; vom 12. Juni 1986 - III ZR 146/85, NJW 1987, 585, 586; vom 13. Juli 1989 - III ZR 240/88, BeckRS 1989, 30401299; vom 26. Oktober 1989 - III ZR 147/88, BGHZ 109, 163, 167 f; vom 6. Mai 1993 - III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 320 f; vom 18. Februar 1999 - III ZR 272/96, BGHZ 140, 380, 382; vom 26. Juli 2001 - III ZR 243/00, NJW-RR 2002, 124; vom 20. Januar 2005 - III ZR 48/01, BGHZ 162, 49, 55; vom 22. Oktober 2009 - III ZR 295/08, VersR 2010, 346, 348 Rn. 20; vom 13. Oktober 2011 - III ZR 126/10, BGHZ 191, 173, 179 Rn. 14; vom 8. November 2012 - III ZR 151/12, BGHZ 195, 276, 282 f Rn. 14 f; vom 6. Juni 2013 - III ZR 196/12, NJW 2013, 3370, 3371 Rn. 14 und vom 14. Juli 2016 - III ZR 265/15, BeckRS 2016, 14013 Rn. 16 [zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen]).
- 22
- Hierfür ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft ebenso wenig notwendige Voraussetzung wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die maßgebliche Amtshandlung. Andererseits genügt es nicht allein, dass sich die Verletzung der Amtspflicht für den Geschädigten nachteilig ausgewirkt hat; die Amtshandlung muss entweder im Interesse des Dritten vorgenommen werden oder in seine Rechtsstellung eingreifen (s. etwa Senatsurteile vom 13. Juli 1989 aaO; vom 8. November 2012 aaO S. 283 Rn. 15; vom 6. Juni 2013 aaO und vom 14. Juli 2016 aaO).
- 23
- Für die Frage, ob der Geschädigte zu dem Personenkreis zu rechnen ist, dessen Interessen durch die Amtspflicht (mit) geschützt werden sollen, oder ob er lediglich reflexartig durch die Wahrnehmung der im öffentlichen Interesse liegenden Amtspflichten begünstigt wird, kommt es wesentlich darauf an, welche Wertungen und Zielvorstellungen dem betreffenden Gesetz mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden zu entnehmen sind (Senatsurteil vom 20. Januar 2005 aaO S. 56).
- 24
- bb) Nach diesen Maßstäben sind die personensorgeberechtigten Eltern geschützte Dritte der mit § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII korrespondierenden Amtspflicht, dem Kind bei rechtzeitiger Bedarfsanmeldung ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen.
- 25
- (1) Nach Wortlaut und Zweck des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, der Systematik der §§ 22 ff SGB VIII sowie der Regelungsabsicht des Gesetzgebers steht der Förderungsanspruch zwar nicht den Kindeseltern, sondern allein dem Kind selbst zu (Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 01/14, § 24 Rn. 22; Schübel-Pfister, NVwZ 2013, 385, 386 und NJW 2014, 1216, 1217; Kümper, NVwZ 2015, 1739, 1740; Pauly/Beutel, DÖV 2013, 445 f; Pernice-Warnke, FamRZ 2015, 905, 906; Mayer, VerwArch 2013, 344, 347, 362; vgl. auch BVerwGE 148, 13 Rn. 47 [zu § 24 Abs. 1 SGB VIII aF]; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2014 - 7 A 10276/14, BeckRS 2014, 53254 [zu § 24 Abs. 1 SGB VIII aF] unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht im Urteil vom 25. Oktober 2012, KommJur 2013, 21, 24 f). Dies hindert einen Drittschutz zugunsten der Eltern nach den oben dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen jedoch nicht, weil die hier im Streit stehende Amtspflicht gerade auch den Zweck hat, ihre Belange wahrzunehmen (s. auch Grube in Hauck/Noftz aaO Rn. 47; Rixen, NJW 2012, 2839, 2843; Mayer aaO S. 346, 381; Hahn, LKV 2015, 545, 546; wohl auch: Pernice-Warnke aaO S. 906, 907; aA Schübel-Pfister, NVwZ 2013, S. 390 und NJW 2014, S. 1218; Kümper aaO S. 1742).
- 26
- (2) Mit dem Kinderförderungsgesetz, insbesondere der Einführung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII (nF), beabsichtigte der Gesetzgeber neben der Förderung des Kindeswohls auch die Entlastung der Eltern zu Gunsten der Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit. Es ging ihm - auch - um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben und, damit verbunden, um die Schaffung von Anreizen für die Erfüllung von Kinderwünschen (s. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, BTDrucks. 16/9299 S. 1, 10, 11 f; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/10173, S. 1; s. dazu auch Pauly/Beutel aaO S. 450; Hahn, LKV 2015, 545, 546; Mayer aaO S. 381; vgl. auch Niedersächsisches OVG, NJW 2003, 1826, 1827 [zu § 24 Abs. 1 SGB VIII aF]).
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- Diese Regelungsabsicht hat - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - auch im Gesetzestext ihren Niederschlag gefunden. Im dritten Abschnitt des zweiten Kapitels des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs, betreffend die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (§§ 22-26 SGB VIII), sind zu Beginn die Grundsätze der Förderung beschrieben (§ 22 SGB VIII). Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen danach neben Erziehungs-, Bildungs- und Förderungszwecken auch den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII). Diese Förderungsgrundsätze gelten auch für den Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (s. Rixen aaO S. 2840; Mayer aaO S. 346, 381; Hahn aaO S. 546 f; vgl. auch Schübel-Pfister, NVwZ 2013, S. 386). Das hiergegen vorgebrachte Argument, in § 24 Abs. 2 SGB VIII sei nur die frühkindliche Förderung erwähnt und keine generelle Bezugnahme auf § 22 Abs. 2 SGB VIII enthalten (Kümper aaO; Pernice-Warnke aaO S. 906), überzeugt nicht. Die in § 22 Abs. 2 SGB VIII beschriebenen Förderungsgrundsätze gelten ohne Einschränkung und Differenzierung für den gesamten dritten Abschnitt des zweiten Kapitels des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs , also auch für § 24 Abs. 2 SGB VIII. Mit der dort gewählten Bezeichnung "frühkindliche Förderung" wird nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die spezifische Zielsetzung der Förderung der Altersgruppe von einem Jahr bis drei Jahren hervorgehoben und zugleich der Bezug zu den Förderungsgrundsätzen in § 22 SGB VIII hergestellt (BT-Drucks. 16/9299 S. 15). Es ist weder ersichtlich noch gedanklich naheliegend, dass der Gesetzgeber das in § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII genannte Förderungsziel gerade für den Anspruch in § 24 Abs. 2 SGB VIII nicht gelten lassen wollte (zutreffend: Hahn aaO S. 547). Vielmehr knüpft der in § 24 Abs. 2 SGB VIII verwendete Begriff "frühkindliche Förderung" uneingeschränkt an die in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII enthaltene Formulierung "gefördert werden" an. In § 22 Abs. 2 SGB VIII werden die Förde- rungsziele näher bestimmt, die insbesondere auch die Hilfe zugunsten der Eltern , Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser vereinbaren zu können, umfassen.
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- Die für den Anspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII relevanten Regelungen in § 24 Abs. 5 Satz 1, § 80 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII sehen die Berücksichtigung der elterlichen Interessen vor (s. dazu Schübel-Pfister, NVwZ 2013, S. 386; Rixen aaO; Mayer aaO S. 346; Hahn aaO; vgl. ferner OVG Rheinland-Pfalz, KommJur 2013, 21, 24 f). Nach § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, "Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 in Anspruch nehmen wollen", zu informieren und bei der Auswahl zu beraten. Gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII haben die Träger im Rahmen ihrer Planungsverantwortung den Bedarf "unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten" zu ermitteln und nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII Einrichtungen und Dienste so zu planen, dass "Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können".
- 29
- Aus dem Gesetz geht sonach deutlich hervor, dass der Gesetzgeber - auch in Bezug auf § 24 Abs. 2 SGB VIII - neben dem Kindeswohl die Belange der Eltern im Blick gehabt hat. Damit hat er zugleich der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Kindes- und Elternwohl sich gegenseitig bedingen und ergänzen und zum gemeinsamen Wohl der Familie verbinden (s. Schübel-Pfister, NVwZ 2013, S. 386; Kümper aaO). Demgegenüber greift es zu kurz, wenn man es den Eltern unter Hinweis auf die Abgrenzung von Gefahren- und Verantwortungsbereichen schlicht als "eigene Sache" zuweisen wollte, ob sie neben der Kinderbetreuung einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder nicht (so aber Kümper aaO S. 1742 f).
- 30
- Der Einbeziehung der Eltern in den Schutzbereich der mit § 24 Abs. 2 SGB VIII verbundenen Amtspflicht steht der Einwand, insoweit fehle es an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, nicht entgegen (so aber Pauly/Beutel aaO S. 446, 450). Das Bundesverfassungsgericht hat für das Kinderförderungsgesetz keine Bedenken gegen die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) zu erkennen gegeben und zum Ausdruck gebracht, dass unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit (Art. 72 Abs. 2 GG) auf den Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungsmöglichkeit und Möglichkeiten der Beteiligung der Eltern am Arbeitsleben abgestellt und damit an die Bedeutung der Regelungen als Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsfaktor angeknüpft werden darf (s. BVerfG, NJW 2015, 2399, 2403 Rn. 53; zutreffend Hahn aaO S. 546, 547).
- 31
- Die Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII analog (s.o., unter 2) lässt ein Bedürfnis für den (Dritt-)Schutz der Eltern nicht entfallen. Denn dieser Anspruch kommt dann nicht zum Zuge, wenn Anstrengungen zur Selbstbeschaffung einer Betreuung erfolglos geblieben sind, und er ist problematisch, wenn die anderweitige Betreuung - auch wenn ein auf die bloße fachliche Vertretbarkeit der Auswahl aus der ex anteSicht der Leistungsberechtigten beschränkter Kontrollmaßstab anzulegen ist (s. BVerwG, NJW 2013, 1111, 1113 f Rn. 34; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2014 - 7 A 10276/14, BeckRS 2014, 53524; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. November 2015 - 12 ZB 15/1191, BeckRS 2016, 41519 Rn. 39 - den hierfür geltenden Eignungsanforderungen nicht entspricht (s. dazu Grube in Hauck/Noftz aaO Rn. 46, 48; Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl., § 24 Rn. 49; Mayer aaO S. 379). Einen Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall gewährt dieser Anspruch, wie bereits oben (unter 2) ausgeführt, nicht.
- 32
- Letztlich genügt die Einbeziehung der Eltern in den Schutzbereich der Amtspflicht auch den Erfordernissen der hinreichenden Individualisierbarkeit, Überschaubarkeit und Abgrenzbarkeit des geschützten Personenkreises (s. zu diesen Kriterien z.B. Senatsurteile vom 16. Februar 1995 - III ZR 135/93, BGHZ 129, 17, 19; vom 8. November 2012 aaO S. 287 f und vom 6. Juni 2013 aaO S. 3372 Rn. 19). Sie betrifft allein die Personensorgeberechtigten und führt damit nicht zu einer uferlosen Ausweitung der Amtshaftung (so auch PerniceWarnke aaO; Mayer aaO S. 381).
- 33
- c) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts wird der geltend gemachte Verdienstausfallschaden vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht umfasst.
- 34
- aa) Da eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muss, ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt sein soll (s. bspw. Senatsurteile vom 12. Juni 1986 - III ZR 146/85, NJW 1987, 585, 586; vom 26. Oktober 1989 - III ZR 147/88, BGHZ 109, 163, 168; vom 18. Februar 1999 - III ZR 272/96, BGHZ 140, 380, 382; vom 13. September 2001 - III ZR 228/00, VersR 2002, 97; vom 20. Januar 2005 - III ZR 48/01, BGHZ 162, 49, 55; vom 22. Januar 2009 - III ZR 172/08, VersR 2009, 931, 932 Rn. 15; vom 22. Januar 2009 - III ZR 197/08, VersR 2009, 1362, 1363 Rn. 11; vom 13. Oktober 2011 - III ZR 231/10, BGHZ 191, 187, 193 Rn. 13; vom 8. November 2012 - III ZR 151/12, BGHZ 195, 276, 283 Rn. 15; vom 6. Juni 2013 - III ZR 196/12, NJW-RR 2013, 3370, 3371 Rn. 14; vom 3. Juli 2014 - III ZR 502/13, NJW 2014, 2642, 2643 Rn. 14 und vom 14. Juli 2016 - III ZR 265/15, BeckRS 2016, 14013 Rn. 16). Der Geschädigte kann dementsprechend nur den Ersatz solcher Schäden verlangen , deren Ausgleich vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht gedeckt ist (s. etwa Senatsurteile vom 24. Oktober 2002 - III ZR 259/01, NVwZ 2003, 576, 377 und vom 3. Juli 2014 aaO).
- 35
- bb) Die auch gegenüber den personensorgeberechtigten Eltern als geschützten Dritten bestehende, mit § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII korrespondierende Amtspflicht, dem Kind bei rechtzeitiger Bedarfsanmeldung ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, erstreckt sich insbesondere auch auf das Erwerbsinteresse der Eltern. Wie oben (unter b) ausgeführt, entspricht es der im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu verbessern und Anreize für die Erfüllung von Kinderwünschen zu schaffen. Den Eltern ein- bis dreijähriger Kinder soll eine Erwerbstätigkeit leichter als bisher ermöglicht werden. Hieraus folgt, dass der Verdienstausfallschaden , den ein Elternteil infolge der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes erleidet, grundsätzlich vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht mitumfasst wird (so auch Meysen, DJI Impulse, 2/2012, 12, 15; Rixen, NJW 2012, 2839, 2844; Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl., § 24 Rn. 49; Mayer, VerwArch 2013, 344, 382; Hahn, LKV 2015, 545, 547; wohl auch Kaiser in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl., § 24 Rn. 23, 27; Winkler in Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand 1. April 2016, § 24 SGB VIII Rn. 34 f; aA Kümper, NVwZ 2015, 1739, 1742 f; BeckOGK/Dörr, BGB, Stand: 1. Juli 2016, § 839 Rn. 429).
- 36
- Dem Bedenken der Revisionserwiderung, damit liege es in der Hand der Eltern, die Haftung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe durch eine Vertragsgestaltung mit dem Arbeitgeber beliebig zu erweitern, ist entgegenzuhalten , dass die Befürchtung eines Missbrauchs die vollständige Versagung des Ersatzes von Verdienstausfall nicht zu begründen vermag und der Geschädigte nach § 254 BGB gehalten ist, seinen Schaden möglichst gering zu halten.
- 37
- d) Ob die Bediensteten der Beklagten schuldhaft gehandelt haben, hat das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig offengelassen. Die hierzu noch erforderlichen Feststellungen hat es nachzuholen.
- 38
- In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben:
- 39
- Mit der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz ist das Verschulden der Bediensteten des Jugendhilfeträgers zwar nicht schon abschließend - im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung - festgestellt (so aber wohl Grube in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand 01/14, § 24 Rn. 48; Meysen, DJI Impulse, 2/2012, 12, 15); solches gilt auch nicht in Anbetracht dessen, dass zwischen der Verkündung des Kinderförderungsgesetzes am 15. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2403) und dem Inkrafttreten von § 24 Abs. 2 SGB VIII nF am 1. August 2013 (Art. 10 Abs. 3 Kinderförderungsgesetz) ein Zeitraum von immerhin gut viereinhalb Jahren verstrichen ist (in diesem Sinne Rixen, NJW 2012, 2839, 2843 f; Mayer, VerwArch 2013, 344, 381).
- 40
- Dem Geschädigten kommt jedoch eine Beweiserleichterung zustatten. Nach der Rechtsprechung des Senats genügt für den grundsätzlich dem Geschädigten obliegenden Nachweis des Verschuldens des Amtsträgers der Be- weis eines Sachverhalts, der nach dem regelmäßigen Ablauf der Dinge die Folgerung begründet, dass ein Beamter seine Amtspflicht schuldhaft verletzt hat; auf dieser Grundlage besteht zugunsten des Geschädigten in Bezug auf das Verschulden des Amtsträgers ein Beweis des ersten Anscheins (s. Senatsurteile vom 25. Juni 1957 - III ZR 244/55, BeckRS 1957, 31206202 und vom 23. Mai 1960 - III ZR 110/59, VersR 1960, 905, 906; BeckOGK/Dörr, BGB, Stand: 1. Juli 2016, § 839 Rn. 446). Ein solcher Sachverhalt liegt vor, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe seiner unbedingten Gewährleistungspflicht, einen rechtzeitig beantragten Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, nicht nachkommt.
- 41
- Es ist daher Sache der Beklagten, den gegen sie streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern. Auf allgemeine finanzielle Engpässe kann sie sich hierbei nicht mit Erfolg berufen (so aber wohl Pauly/Beutel, DÖV 2013, 445, 451, die unter Hinweis auf eine allgemeine finanzielle Notlage der Kommunen die Vermutung eines unverschuldeten Unvermögens der kommunalen Leistungsträger befürworten), weil der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt - insbesondere: ohne "Kapazitätsvorbehalt" (BVerfG, NJW 2015, 2399, 2401 Rn. 43) - einstehen muss.
- 42
- Soweit die Beklagte einen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises geeigneten Vortrag hält, ist sie im Bestreitensfalle gehalten, diesen zu beweisen.
- 43
- Gelingt die Erschütterung des Anscheinsbeweises, so ist es Aufgabe der Klägerseite - unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungslast der Beklagten in Bezug auf Vorgänge aus ihrer Sphäre - zum Verschulden der Beklagten vorzutragen und diesen Vortrag gegebenenfalls nachzuweisen.
- 44
- 5. Nach alledem kommt ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) in Betracht und kann das Berufungsurteil somit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie wegen ausstehender Feststellungen zum Verschulden der Bediensteten der Beklagten und zum Umfang des erstattungsfähigen Schadens noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Eigene Feststellungen hierzu kann das Revisionsgericht nicht treffen.
Reiter Arend
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 02.02.2015 - 7 O 2439/14 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 26.08.2015 - 1 U 321/15 -
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.