Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 04. Feb. 2016 - 8 A 45/16

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2016:0204.8A45.16.0A
bei uns veröffentlicht am04.02.2016

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2015, mit welchem der Asylantrag wegen der in Italien erlangten Anerkennung subsidiären Schutzes als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung nach Italien angedroht wurde.

2

Er begehrt die "Aufstockung seines Schutzes" und beantragt,

3

den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2015 aufzuheben.

4

Die Beklagte beantragt,

5

die Klage abzuweisen,

6

verweist auf den streitbefangenen Bescheid und ist nach richterlichem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 23.10.2015 (1 B 41.15; juris) der Auffassung, dass der Bescheid in eine Ablehnungsentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71 a AsylG umzudeuten sei.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter (§ 87 Abs. 2, 3 VwGO) entschieden werden konnte, hat Erfolg.

9

1.) Das klägerische Begehren ist im Wege der Anfechtungsklage zulässig (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 27.10.2015, 1 C 32.14; juris).

10

2.) Die Klage ist begründet. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist der streitbefangene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat zu Unrecht festgestellt, dass der Asylantrag in Deutschland unzulässig ist und die daran anknüpfende Androhung seiner Abschiebung ausgesprochen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland.

11

a.) Denn die vor dem 20.07.2015 gestellten Asylanträge dürfen aufgrund der Übergangsregelung in Art. 51 Unterabschnitt 1 der Richtlinie 2013/32/EU nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden, weil dem Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinem Beschluss vom 23.10.2015 (1 B 41.15; juris) zur der vorliegenden Problematik aus:

12

"Danach wenden die Mitgliedstaaten die in Umsetzung der Richtlinie nach Art 51. Abs. 1 erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem 20.07.2015 oder früher an; für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften "nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85//EG" (Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Zu den dieser Übergangsregelung unterfallenden Bestimmungen zählt auch die Ermächtigung in Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU, die regelt, unter welchen Voraussetzungen Mitgliedstaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Dublin-Verordnung ein Antrag nicht geprüft wird, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzulässigkeit nicht prüfen müssen. Folglich darf ein vor dem Stichtag (20.07.2015) gestellter Asylantrag nur nach Maßgabe der Regelung in Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig abgelehnt werden. Nach Art. 25 Abs. 2 Bucht. b der Richtlinie 2005/8/EG können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat aber nur als unzulässig betrachten, wenn der andere Mitliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Daran fehlt es hier.

13

Da es sich bei der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten – und gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten – Option um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt, ermöglicht auch die Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU keine vorzeitige Anwendung der Änderung auf vor dem 20.Juli 2015 gestellte Asylanträge. Damit steht im vorliegende Verfahren Unionsrecht der von der Beklagten angenommenen Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG entgegen […]."

14

b.) Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 17.06.2014 (10 C 7.13; juris) berufen. Denn in der dortigen Fallkonstellation war der Asylbewerber bereits im anderen Mitgliedstaat als Flüchtling anerkannt worden. Nur eine solche ausländische Flüchtlingsanerkennung hat zur Folge, dass ein - nur dann - neuerlicher Anspruch auf eine Statusanerkennung durch das Bundesamt nicht erfolgt (BVerwG, Beschluss v. 23.10.2015, (1 B 41.15; juris). Vorliegend ist die Fallkonstellation aber wegen der ausländischen bloßen subsidiären Schutzgewährung gerade anders. Die Beklagte wird daher aufgrund der Übergangsregelung die inhaltliche Prüfung der begehrten "Aufstockung" des bereits erlangten ausländischen "subsidiären Schutzes" zur Zuerkennung der "Flüchtlingseigenschaft" nachholen müssen (so auch: VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 29.12.2015, 22 K 1472/15.A; VG Osnabrück, Urteil v. 04.01.2016, 5 A 83/15, beide juris). Ob diese materiell-rechtliche Prüfung des "Flüchtlingsschutzes" inhaltlich im Rahmen eines von den Dublin-Vorschriften unabhängigen "reinen inländischen" Erstverfahrens oder eines Zweitverfahrens nach § 71 a AsylG zu erfolgen hat, muss hier nicht entschieden werden und setzt weitere tatsächliche Erkenntnisse voraus. Denn fraglich ist, ob der ausländische Schutzstatus aufgrund einer inhaltlichen Prüfung der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft erlangt wurde, ob also der andere Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft überhaupt geprüft und abgelehnt hat. Dies müsste von der Beklagten überprüft werden. Denn eine solche Prüfung beinhaltet auch, dass das Bundesamt Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrages im anderen Mitgliedstaat hat (BVerwG, Beschluss v. 18.02.2015, 1 B 2.15; VG Osnabrück, Beschluss v. 24.04.2015, 5 B 125/15; VG Lüneburg, Beschluss v. 11.05.2015, 2 B 13.15; VG Ansbach, Urteil v. 07.01.2016, AN 3 K 15.30960 mit Verweis auf Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 71 a Rz. 17; alle juris). Sollte es eine explizite ausländische Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft geben, wäre die in Deutschland begehrte "Aufstockung" jedenfalls im Rahmen eines Zweitantrages nach § 71 a AsylG von der Beklagten zu prüfen.

15

c.) Den Ausführungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme aufgrund des richterlichen Hinweises auf die Rechtslage und Rechtsprechung, folgt das Gericht nicht. Eine Umdeutung des streitbefangenen Bescheides wegen "Unzulässigkeit aufgrund Bescheidung in einem anderen Mitgliedstaat“ in eine materiell-rechtliche „Ablehnungsentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71 a AsylG“ ist rechtlich nicht möglich. Die Beklagte wendet auch hier nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund des Urteils vom 16.11.2015 (1 C 4.15; juris) an. Danach kann die Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig nicht als Entscheidung nach § 71 a AsylG umgedeutet bzw. aufrechterhalten werden (so auch: VG Düsseldorf, Urteil v. 04.01.2016, 5 A 83/15; juris).

16

Bei der Umdeutung (Konversion) wird die im Verwaltungsakt getroffene Regelung nicht lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, sondern durch eine andere (rechtmäßige) Regelung ersetzt. Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter und damit rechtswidriger Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach § 47 Abs. 4 VwVfG ist § 28 VwVfG entsprechend anzuwenden. Außerdem dürfen die Rechtsfolgen für den Betroffenen nicht ungünstiger sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG).

17

Diese Voraussetzungen für eine Umdeutung liegen nicht vor. Denn eine Umdeutung scheitert schon daran, dass die Rechtsfolgen einer Entscheidung nach § 71 a AsylG für den Kläger ungünstiger wären. Dabei sind nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren Rechtsfolgen der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil v. 16.11.2015, 1 C 4.15; juris). Die Ablehnung als "unzulässig" ist qualitativ nicht mit der Prüfung eines Zweitantrages nach § 71 a Abs. 1 AsylG zu vergleichen. Denn dort muss geprüft werden, ob nach der Beendigung des – in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten – Asylverfahrens Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eingetreten sind. Es muss eine Beurteilung und Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen Vortrag des Asylbewerbers erfolgen. Die sodann nach Prüfung inhaltliche Ablehnung des neuerlichen Asylbegehrens entfaltet andere Rechtswirkungen als der ursprüngliche, streitgegenständliche Bescheid wegen Unzulässigkeit ohne materiell-rechtliche Prüfung.

18

Die Voraussetzungen zum Wiederaufgreifen hat die Beklagte bislang nicht geprüft. Dabei ist unerheblich, dass derartige Gründe, die ein Wiederaufgreifen nach Beendigung des ausländischen Asylverfahrens hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - wenn diese dort explizit verneint wurde – rechtfertigen würden, bislang nicht vorgetragen wurden. Denn eine solche Entscheidung ist von der Beklagten grundsätzlich nach Anhörung noch zu treffen und kann nicht in die bisherige Entscheidung hineingelesen werden (so auch: VG Osnabrück, Urteil v. 04.01.2016, 5 A 83/15; juris).

19

3.) Demnach entfällt auch die Rechtsgrundlage für die in Ziffer 2 des Bescheides ausgesprochene Abschiebungsandrohung.

20

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

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(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können un

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87


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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Er kann insbesondere

1.
die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden und einen Vergleich entgegennehmen;
2.
den Beteiligten die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze, die Vorlegung von Urkunden, die Übermittlung von elektronischen Dokumenten und die Vorlegung von anderen zur Niederlegung bei Gericht geeigneten Gegenständen aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen;
3.
Auskünfte einholen;
4.
die Vorlage von Urkunden oder die Übermittlung von elektronischen Dokumenten anordnen;
5.
das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen; § 95 gilt entsprechend;
6.
Zeugen und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden.
7.
(weggefallen)

(2) Die Beteiligten sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einzelne Beweise erheben. Dies darf nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Gericht sachdienlich und von vornherein anzunehmen ist, daß das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

Aktenzeichen: AN 3 K 15.30960

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 7. Januar 2016

3. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 0710

Hauptpunkte:

Behandlung eines Asylantrags als Zweitantrag unzulässig, wenn nicht feststeht,

dass Asylverfahren im Mitgliedstaat abgeschlossen wurde

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

..., geb. ...1971 alias ..., geb. ...1971

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

..., vertreten durch: Bundesamt ... Referat Außenstelle ...

- Beklagte -

wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer, durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert ohne mündliche Verhandlung am 7. Januar 2016 folgendes Urteil:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2015, Gesch.-Zeichen ..., wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung

in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der 1971 bzw. 1978 geborene Kläger besitzt die äthiopische Staatsangehörigkeit und reiste am 3. Januar 2014 nach eigenen Angaben in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Er beantragte am 30. Januar 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Eine am 30. Januar 2014 durchgeführte Visa-Anfrage ergab keinen Treffer. Aus den Behördenakten (Bl. 25) ergibt sich, dass der Kläger im Besitz eines Schengenvisums für Italien war, das am 18. Juni 2013 vom Ministry for Foreign Affairs/Italienisches Konsulat in Addis Abeba für den Gültigkeitszeitraum 24. Juni 2013 bis 24. Dezember 2013 (...) ausgestellt worden war.

Am 2. April 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Aufnahmegesuch an das Bundesamt für Migration BFM in ... mit der Bitte, den Kläger gemäß Art. 16 Absatz 1 Buchstabe c Dublin-III Verordnung zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 3. April 2014 erklärte das Bundesamt für Migration in ..., dem Ersuchen könne nicht entsprochen werden. Einem an die italienischen Behörden gerichteten Übernahmeersuchen sei von der Republik Italien am 25. November 2013 stillschweigend zugestimmt worden. Aufgrund des Untertauchens des Klägers sei die Überstellungsfrist am 4. Februar 2014 auf 18 Monate verlängert worden.

Am 17. April 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin III-Verordnung an Italien unter Bezugnahme auf das angeblich vom italienischen Konsulat Äthiopiens erteilte Einreisevisum und teilte dies dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom selben Tag mit. Nachdem bis zum 17. Juni 2014 keine Erklärung seitens Italiens erfolgte, ging das Bundesamt von einem Zuständigkeitsübergang auf Italien am 17. Juni 2014 und von einem Ende der Überstellungsfrist am 17. Dezember 2014 aus.

In der Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 30. April 2014 in ... erklärte der Kläger, er wolle weder in die Schweiz noch nach Italien zurück. Er sei der Meinung, dass sein Fall nicht gerecht überprüft werde. Außerdem sehe er sein Leben in diesen Ländern in Gefahr (Bl. 76 der Behördenakte).

Zu seinem Reiseweg erklärte der Kläger im Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 30. April 2014 vor dem Bundesamt, er sei Libyen nach Sizilien mit einem Holzboot gelangt, von Sizilien nach ..., dann weiter nach ... und von dort mit dem Zug nach ... gefahren. In der Schweiz habe er Asyl beantragt und fünf Monate in einem Flüchtlingsheim gelebt. Danach sei er zu Fuß nach Deutschland gegangen.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2014 wurde der Antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und seine Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Ziffer 2). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Die für den 2. Dezember 2014 geplante Flugüberstellung des Klägers von ... nach ... konnte nicht durchgeführt werden, weil sich der Kläger am 28. November 2014 ins Kirchenasyl begab, welches er am 18. Dezember 2014 verließ.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 teilte die Ausländerbehörde dem Bundesamt mit, der Kläger sei bis heute nicht überstellt worden, da er sich im Kirchenasyl befinde (Bl. 126 der Behördenakte).

Daraufhin teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 22. Januar 2015 dem Bevollmächtigten des Klägers mit, die Überstellungsfrist im Dublin Verfahren sei abgelaufen. Eine Überstellung in den Dublin-Mitgliedstaat sei dementsprechend nicht mehr möglich. Der Ausländerbehörde teilte das Bundesamt weiter mit, dass der Antrag in der Bundesrepublik Deutschland deswegen als Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG behandelt werde.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 übersandte das Bundesamt an den Kläger persönlich einen Fragebogen, auf dem er angeben sollte, warum in Deutschland ein weiteres Verfahren auf Zuerkennung des internationalen Schutzes durchgeführt werden solle.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2015, der als Einschreiben am 30. Juni 2015 zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls wurde die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rückübernahmebereiten Staat angedroht (Ziffer 3).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylVfG ein Asylverfahren betrieben. Deswegen handele es sich bei dem Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG.

Der Kläger habe nicht konkret dargelegt, wie das Asylverfahren im Mitgliedstaat ausgegangen sei. Sei das Verfahren im Mitgliedstaat noch offen oder lägen keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vor, sei von einer sonstigen Erledigung ohne Schutzgewährung auszugehen. Nach Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) stellten die Mitgliedstaaten sicher, dass die Antragsprüfung eingestellt werde oder sofern die Asylbehörde den Antrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung als unbegründet ansehe, der Antrag abgelehnt werde, wenn Grund zu der Annahme bestehe, dass ein Antragsteller seinen Antrag stillschweigend zurückgenommen habe oder das Verfahren nicht weiter betreibe. Diese Voraussetzung habe mit der Ausreise des Klägers aus der Schweiz vorgelegen. Damit stehe fest, dass nach dem Zuständigkeitswechsel keine positive Entscheidung in der Schweiz mehr ergehen könne. Der Kläger habe den Zweitantrag nicht begründet. Auch habe er auf die Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen Angaben über den Ausgang des Asylverfahrens in der Schweiz zu machen und die Gründe zu nennen, die für seinen Folgeantrag infrage kämen, nicht reagiert. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, das am 9. Juli 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 26 Juni 2015 mit dem Antrag,

den Bescheid des Bundesamtes vom 26.Juni 2015 aufzuheben und die

Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren für den Kläger durchzuführen.

Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (AN 3 S 15.30959). Mit Beschluss vom 21. Juli 2015 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach Äthiopien in Ziffer 3 des Bescheides angeordnet. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, der Kläger habe in Italien kein Asylverfahren durchgeführt. Ebenso habe die Schweiz kein Asylverfahren durchgeführt, weil die Schweiz sich auf den Standpunkt gestellt habe, dass Italien aufgrund der Visumserteilung zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens sei. Nachdem weder Italien noch die Schweiz ein materielles Asylverfahren durchgeführt hätten, habe der Kläger bisher keine Möglichkeit gehabt, in einem Land der Europäischen Union ein Asylverfahren durchzuführen. Bei dem vorliegenden Asylantrag handele es sich somit nicht um einen Zweitantrag, sondern um einen Erstantrag. Auch habe das Bundesamt keinerlei Ermittlungen eingeleitet oder durchgeführt. Ein Vertreter des Bundesministeriums des Inneren habe beim 15. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz in Berlin erklärt, dass in den Fällen, in denen im Erststaat kein vollständiges Asylverfahren durchgeführt worden sei, bevor die Weiterwanderung erfolgte, von der Anwendung des § 71 a AsylVfG abgesehen werde.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Auf gerichtliche Anfrage erklärten die Beteiligten mit Schreiben vom 26. Oktober 2015, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten erweist sich im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Das Klagebegehren war gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass lediglich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides beabsichtigt wird. Denn diese reicht bereits aus, um die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland zu erreichen (BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 -, juris Rn. 22; VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 -, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, U. v. 27.6.2014 - 13 K 654/14A - juris Rn. 22; OVG NRW, U. v. 16.9.2015 - 13 A 2159/14.A - juris Rn. 18). Die inhaltliche Prüfung des Schutzbegehrens ist die zwangsläufige Folge einer gerichtlichen Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides.

2. Die Beklagte hat während der noch laufenden Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative Dublin III-VO, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) Gebrauch gemacht hat. Das Bundesamt teilte mit Schreiben vom 22. Januar 2015 den Beteiligten mit, die Überstellungsfrist sei am 17. Dezember 2014 abgelaufen.

Damit hat sie das Verfahren des Klägers in dem Verfahrensstadium übernommen, in dem es sich zum damaligen Zeitpunkt befand, ist zuständig geworden und hat die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernommen, Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO.

Der Kläger hat sich im Zeitraum 28. November 2014 bis 18. Dezember 2014 ins Kirchenasyl begeben. Damit hat er sich seiner Überstellung nach Italien, die von der Ausländerbehörde bereits für den 2. Dezember 2014 organisiert war, bewusst entzogen. Wie Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin III-VO zeigt, kann sich die Überstellungsfrist in den Fällen, in welchen der Asylbegehrende „flüchtig“ ist, auf 18 Monate verlängern. Von einem solchen Fall hätte das Bundesamt vorliegend ausgehen dürfen (vgl. hierzu OVG Saarland, U. v. 13.9.2006 - 1 R 17/06 - juris; VG Saarlouis, U. v. 6.3.2015 - 3 K 832/14 - juris Rn. 45; OVG Lüneburg, U. v. 25.6.2015 - 11 LB 248/14 - juris). Auch die Frist von höchstens 18 Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. Dublin III-VO nach der fingierten Übernahmeerklärung Italiens ist seit dem 17. Dezember 2015 abgelaufen, so dass eine Überstellung des Klägers nach Italien wegen des Zuständigkeitswechsels auf die Bundesrepublik endgültig nicht mehr in Frage kommt.

3. Nach Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte war diese nicht befugt, den Asylantrag des Klägers als Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG zu werten und zu prüfen. Nach dieser Vorschrift ist dann, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Ausgangspunkt für die Prüfung des § 71a AsylG ist dabei die Frage, ob überhaupt ein Zweitantrag vorliegt. Eine solche Prüfung beinhaltet auch, dass das Bundesamt Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags im anderen Mitgliedstat hat (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 71a Rn. 17).

Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass der Kläger bereits ein Asylverfahren in der Schweiz oder in Italien erfolglos abgeschlossen hat (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2015, § 71 a AsylVfG Rn. 13,14; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 71 a AsylVfG Rn. 13).

Die Schweizer Behörden haben mitgeteilt, dass wegen des Untertauchens des Klägers die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO hinsichtlich Italien am 4. Februar 2014 auf 18 Monate verlängert wurde. Angaben dazu, ob und wie das Verfahren mittlerweile beendet wurde, fehlen. Die Beklagte hat trotz der Entscheidung des Gerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (AN 3 S 15.30959) auch keinerlei weitere Sachverhaltsaufklärung betrieben.

Ist der Beklagten lediglich der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Mitgliedstaat nicht bekannt bzw. fehlen Kenntnisse darüber, ob überhaupt ein Verfahren einem anderen Mitgliedstaat betrieben wurde oder wird, muss sie diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen (BVerwG, B. v. 18.2.2015 - 1 B 2/15 -, juris; VG Osnabrück, B. v. 24.4.2015- 5 B 125/15 -, juris; VG Lüneburg, B. v. 11.5.2015 - 2 B 13/15, juris).

Kann die Beklagte trotz aller möglichen und zumutbaren Ermittlungen keine gesicherten Erkenntnisse über den Ausgang des Erstverfahrens erlangen, muss sie dem Kläger entsprechend den europarechtlichen Vorgaben die Möglichkeit einräumen, das Verfahren fortzuführen, ohne dass es als Folge- bzw. Zweitantrag behandelt wird (Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie) und Art. 18 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO).

Die Schweiz beteiligt sich operativ seit 12. Dezember 2008 an den Dublin-Verfahren und gehört deshalb zu den in § 71 a Abs. 1 AsylVfG genannten Staaten.

In der Schweiz hat der Kläger unstreitig einen Asylantrag gestellt.

Aufgrund des Schengen-Visums für Italien gingen die Schweizer Behörden davon aus, dass gemäß Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 Dublin III-Verordnung die Republik Italien zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers sei. Im Rahmen des Übernahmeersuchens der Beklagten an die Schweiz wurde von den Schweizer Behörden mitgeteilt, dass die Schweiz die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO wegen des Untertauchens des Klägers auf 18 Monate verlängert hatte. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schweizer Behörden in eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags des Klägers eingetreten wären. Unklar ist insbesondere, welche Rechtsfolgen die Schweizer Rechtsordnung an eine freiwillige Ausreise des Asylantragstellers während der Klärung der Zuständigkeit des Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens nach der Dublin III-Verordnung knüpft, insbesondere, ob eine solche zu einer fiktiven Rücknahme, Erledigung oder sonstigen Verfahrenseinstellung geführt hat. Hierüber lassen sich der Behördenakte keine Aussagen entnehmen. Den Behördenakten lässt sich lediglich entnehmen, dass die Schweizer Behörden nach Stellung des Asylantrags durch den Kläger von ihrer Unzuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ausgingen.

Einen Asylantrag in Italien hat der Kläger nicht gestellt. Dementsprechend wurde dort ein Asylverfahren nicht durchgeführt.

Die durch Untätigkeit innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 22 Abs. 7, Abs. 1 Dublin III-VO (nochmals) begründete Zuständigkeit der Republik Italien führt allein - ohne dass der Kläger in Italien ein Asylverfahren betrieben hat - nicht dazu, dass der Antrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland als Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG zu beurteilen wäre.

Da demnach nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger bereits in einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 71 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat, handelt es vorliegend nicht um einen Zweitantrag, sondern der Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland ist als Erstantrag zu behandeln.

Eine Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags als Zweitantrag kommt nur in Betracht, wenn das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangt, dass das Asyl(erst)verfahren mit einer für den Asylbewerber negativen rechtskräftigen Sachentscheidung abgeschlossen wurde. Nur dann kann sich das Bundesamt auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken.

Durch die hier erfolgte Behandlung des Asylantrags des Klägers als Zweitantrag verhindert das Bundesamt, dass - entgegen den europarechtlichen Vorgaben (Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie) und Art. 18 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 1 Dublin III-VO - der (Erst) Antrag umfassend geprüft und das Verfahren beendet wird. Damit verhindert das Bundesamt auch gleichzeitig entgegen seiner eigenen Argumentation, dass ein (Erst)Antrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO (vgl. dazu auch EuGH, U. v. 6.6.2013 - Rs. C-648/11-, juris Rn. 65; BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13-, juris; VG Osnabrück, B. v. 24. 4.2015 - 5 B 125/15 -, juris; VG Lüneburg, B. v. 11. 5.2015 - 2 B 13/15, juris). Denn der Kläger wäre endgültig daran gehindert, seine Fluchtgründe im Geltungsbereich der Dublin III-VO geltend zu machen.

Deshalb erweist sich auch die Abschiebungsandrohung nach Äthiopien als rechtswidrig.

Zwar bestehen derzeit keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abschiebungsverbotes zugunsten des Klägers nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Da das Bundesamt diese Normen nur im Rahmen des zu Unrecht angenommenen Folgeverfahrens überprüft hat und sich aus einer (erstmaligen) persönlichen Anhörung des Klägers zu seinen Fluchtgründen andere Anhaltspunkte ergeben können, war der Bescheid sowohl deshalb als auch aus Gründen der Rechtsklarheit und der Einheitlichkeit der Sachentscheidung aufzuheben, § 24 Abs. 2 AsylG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

zu beantragen.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.