Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 27. Feb. 2018 - 6 A 323/16

bei uns veröffentlicht am27.02.2018

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege für seine am 05.10.2013 geborene Tochter C.. Gleiches macht er für zwei seiner Kinder in weiteren Verfahren geltend – für die am 06.05.2012 geborene Tochter D. im Verfahren 6 A 325/16 MD und für den am 18.09.2014 geborenen Sohn E. im Verfahren 6 A 327/16 MD. Es geht um die Vollzeitpflege bei Verwandten, den Eltern des Klägers als Pflegepersonen, Frau A. A. und Herrn H. A..

2

Alle drei Kinder lebten ab Anfang April 2015 in B-Stadt. Dorthin war die damals allein sorgeberechtigte Mutter, Frau F., gezogen und meldete sich und die drei Kinder von C-Stadt nach B-Stadt um.

3

Am 24.04.2015 nahm das Jugendamt B-Stadt alle drei Kinder in seine Obhut, nachdem eine nur unzureichende Versorgung und Förderung durch die Mutter festgestellt worden war. Die Mutter der drei Kinder stimmte einer Inobhutnahme zu.

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An die Beklagte richtete das Jugendamt B-Stadt am 18.05.2015 eine Bitte um Amtshilfe, um zu erfahren, ob die Eltern des Klägers willens und in der Lage seien, die drei Kinder aufzunehmen und in dauerhafter Perspektive zu erziehen. Die Beklagte führte am 03.06.2015 einen Hausbesuch bei den Eltern des Klägers durch. In ihren Rückmeldungen vom 19.06.2015 an das Jugendamt B-Stadt schätzte sie ein, dass eine sofortige Integration der drei Kinder in den Haushalt der Eltern des Klägers nicht angemessen und nicht geeignet sei. Die berufliche Tätigkeit der Großeltern stehe im großen Gegensatz zum offensichtlich therapeutischen Bedarf der Kinder, die finanzielle Absicherung der Kinder sei ungeklärt und die Tragfähigkeit der familiären Bindungen könne nicht eingeschätzt werden.

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Nach einem Gespräch beim Jugendamt B-Stadt am 03.07.2015 gaben der Kläger und die Mutter der drei Kinder am 06.07.2015 Erklärungen über die gemeinsame Sorge für alle drei Kinder ab. Auf Wunsch beider Elternteile wurden die Töchter C. und D. am 08.07.2015 bei den Eltern des Klägers in A-Stadt aufgenommen, wodurch die Inobhutnahme endete. Der Sohn des Klägers E. wurde kurze Zeit später am 20.07.2015 ebenfalls bei den Eltern des Klägers aufgenommen. Der Wohnsitz der Kinder wurde beim Kläger und der Nebenwohnsitz bei seinen Eltern angemeldet.

6

Der Kläger lebt in der Nähe seiner Eltern in A-Stadt. Die Mutter der Kinder lebte seit August 2015 zunächst in A-Stadt, seit Juli 2016 in C-Stadt.

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Der Kläger beantragte am 09.11.2015 bei der Beklagten die Gewährung von Hilfe zur Erziehung für alle drei Kinder. Die Mutter der drei Kinder stellte diesen Antrag am 16.09.2015, der ebenfalls am 09.11.2015 bei der Beklagten einging.

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Daraufhin lud die Beklagte für den 04.12.2015 zu einem Gespräch, das auf den 29.03.2016 verschoben wurde. In dem Termin erklärten die Eltern des Klägers, in der Lage zu sein, für die drei Kinder zu sorgen. Im Anschlusstermin mit dem Pflegekinderdienst am 06.04.2016 wurde die Absolvierung des Pflegeelternkurses für Oktober 2016 avisiert und im Anschluss am 19.04.2016 ein Hausbesuch des Pflegekinderdienstes durchgeführt, in dem die Eltern des Klägers beraten und Bewerbungsunterlagen ausgehändigt wurden, um die Eignungsprüfung einzuleiten. Auf die schriftliche Nachfrage des Pflegekinderdienstes vom 16.09.2016 meldete sich am 23.09.2016 der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Bevollmächtigter der Eltern des Klägers und teilte mit, dass eine Bewerbung nicht notwendig sei, da eine Erlaubnis zur Pflege keine Voraussetzung für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung sei. Mit E-Mail vom 20.10.2016 wies die Beklagte darauf hin, dass für die Anerkennung als Pflegefamilie ein standardisiertes Verfahren durchgeführt werde und eine Hilfe zur Erziehung die Mitwirkung aller Beteiligten voraussetze. Mit E-Mail vom 25.10.2016 teilte der Bevollmächtigte mit, dass eine Eignungsprüfung nicht erforderlich und die Rechtsauffassung falsch sei, dass erst nach einer abgeschlossenen Eignungsprüfung die Anerkennung als Pflegefamilie und die Gewährung von Pflegegeldern in Betracht käme. Die Beklagte wies sodann am 08.11.2016 auf die Notwendigkeit einer Kooperationsbereitschaft für die Hilfeplanung und die Vorlage von Unterlagen hin, unter anderem auf ein erweitertes Führungszeugnis, ein ärztliches Zeugnis, eine Verdienstbescheidung und das Absolvieren der Pflegeelternbewerberschulung. Mit E-Mail vom 09.11.2016 entgegnete der Bevollmächtigte, dass nicht klargestellt sei, wofür die Unterlagen benötigt würden.

9

Mit Bescheid vom 24.11.2016 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger und der Mutter der drei Kinder eine Gewährung der Hilfe zur Erziehung ab. Zwar sei erzieherischer Bedarf bei allen drei Kindern gegeben. Der Leistung der Hilfe zur Erziehung durch die Eltern des Klägers stehe aber deren fehlende Mitwirkung bei der vor Hilfebeginn durchzuführenden Eignungsprüfung entgegen. Die Eltern des Klägers hätten die hierfür notwendigen Unterlagen nicht eingereicht. Soweit Bereitschaft bestünde, könne jeder Zeit ein neuer Antrag gestellt werden.

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Am 28.04.2017 erstellte der Pflegekinderdienst der Beklagten einen Sozialbericht, nach dem die Eltern des Klägers als Pflegepersonen einer Zusammenarbeit mit der Beklagten offen gegenüberstünden. Ziel sei, dass die Eltern perspektivisch die Kinder allein versorgten. Bis dahin sei es für die Eltern des Klägers eine Selbstverständlichkeit, für ihre drei Enkel zu sorgen. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass keine Bedenken gegen die Eltern des Klägers als Pflegepersonen bestünden.

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Die Eltern des Klägers legten im Nachgang zum Sozialbericht der Beklagten Unterlagen vor.

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Über einen Antrag der Mutter der drei Kinder vom 30.03.2017 auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts hat das Amtsgericht Magdeburg – Familiengericht – bisher nicht entschieden. In einer Umgangsrechtsvereinbarung vom 06.06.2017 waren sich der Kläger und die Mutter der drei Kinder weiterhin einig, dass die drei Kinder im Haushalt der Eltern des Klägers verbleiben.

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Am 28.08.2017 fand ein Hilfeplangespräch bei der Beklagten statt. Der Hilfeplan ging für die Kinder C. und E. von einem dauerhaften Verbleib bei den Eltern des Klägers aus. Für die Tochter D. war eine Rückkehr zur Mutter geplant.

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Mit Bescheid vom 15.11.2017 gewährte die Beklagte Jugendhilfe für alle drei Kinder in Gestalt der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege in der Pflegefamilie mit Wirkung ab dem 28.04.2017.

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In einem Erörterungstermin vor dem Amtsgericht Magdeburg – Familiengericht – zum Aufenthaltsbestimmungsrecht verständigten sich die dortigen Beteiligten darauf, dass die Tochter D. zum 14.02.2018 vom Haushalt der Eltern des Klägers in den Haushalt ihrer Mutter wechselte.

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Am 12.12.2016 hat der Kläger Klage erhoben. In seiner Begründung verweist er darauf, dass seine Eltern als Verwandte der drei Kinder zweiten Grades keine Erlaubnis als Pflegepersonen zur Vollzeitpflege bedürften und deswegen eine Eignungsprüfung nicht erforderlich gewesen sei. Die Eltern des Klägers seien nicht verpflichtet, Kurse zu belegen und umfangreiche persönliche Daten mitzuteilen. Zu keinem Zeitpunkt hätten es die Eltern des Klägers abgelehnt, mit der Beklagten zusammenzuwirken. Der Kläger führt an, dass sich die Beklagte für eine Entscheidung nicht für zuständig gehalten habe. Der Kläger sieht aufgrund der Hilfegewährung ab dem 28.04.2017 seine Klage nun selbst nach dem Vortrag der Beklagten als begründet an. Indem die Beklagte einerseits das Betreuungsverhältnis bei den Großeltern hingenommen habe, andererseits eine solche Vollzeitpflege als Jugendhilfemaßnahme aber als ungeeignet eingestuft habe, habe sie sich in Widerspruch gesetzt. Zumindest hätte sie dann eine andere Pflegefamilie suchen oder eine andere Form der Hilfe gewähren müssen. Im Gegensatz zur Einschätzung der Beklagten sei das Jugendamt B-Stadt von der Eignung der Eltern des Klägers ausgegangen.

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Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Hilfe zur Erziehung gemäß § 33 SGB VIII für das Kind C., geb. 05.10.2013 zu gewähren. Er hat seinen Antrag im Hinblick auf die Gewährung der Hilfe zur Erziehung ab dem 28.04.2017 in der Hauptsache insoweit für erledigt erklärt und beantragt nunmehr,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.11.2016 zu verpflichten, dem Kläger Hilfe zur Erziehung gemäß § 33 SGB VIII i. V. mit § 27 SGB VIII für das Kind C., geb. 05.10.2013, für den Zeitraum vom 09.11.2015 bis zum 27.04.2017 antragsgemäß zu gewähren.

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Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung des Klägers angeschlossen und beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

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Sie wendet ein, der Kläger habe – ungeachtet des mit der Mutter gemeinsam bestehenden Sorgerechts – die Klage allein erhoben. Eine Geeignetheit der Eltern des Klägers als Pflegepersonen habe zunächst nicht festgestellt werden können, da diese nicht bereit gewesen seien, die standardmäßigen Voraussetzungen für Magdeburger Pflegepersonen im Wege des Hilfeplanverfahrens zu erfüllen bzw. die entsprechenden Nachweise einzureichen. Die Beklagte führt aus, dass die Frage nach der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen ihr und dem Jugendamt B-Stadt auf die Gewährung der Hilfe zur Erziehung keinen Einfluss gehabt habe, sondern sie den Kläger nur darauf hingewiesen habe, die Zahlung des Pflegegeldes könne erst beschieden werden, wenn die kostenerstattungsrechtlich relevante Zuständigkeitsabgrenzung geklärt sei. Die Gewährung der Hilfe zur Erziehung ab dem 28.04.2017 verstehe sich vor dem Hintergrund des dort erstellten Sozialberichts. Auf Grund der Gewährung fehle es dem Kläger an einem Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind. Das Verfahren ist insoweit zum Zwecke der gemeinsamen mündlichen Verhandlung mit den Verfahren 6 A 325/16 MD und 6 A 327/16 MD verbunden worden.

Entscheidungsgründe

23

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

24

Die auf den Zeitraum seit dem 28.04.2017 beschränkten Teilerledigungserklärungen sind prozessual zulässig. Eine derartige Beschränkung des Umfangs des Verpflichtungsbegehrens kommt bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung in Betracht (BVerwG, Urteil vom 25.07.2012 – 6 C 14/11 –, juris, Rn. 13). Ein Verwaltungsakt über die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege entfaltet seine Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums. Ein solcher Dauerverwaltungsakt kann für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit oder auch nur für Teile dieses Zeitraums angefochten werden, umgekehrt zum Gegenstand einer Verpflichtung nur für bestimmte Zeiträume gemacht werden und sich entsprechend für bestimmte Zeiträume erledigen.

25

Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

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Die Ablehnung des Antrags des Klägers durch Bescheid der Beklagten vom 24.11.2016 war rechtmäßig und der Kläger wurde dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, im Zeitraum vom 09.11.2015 bis zum 27.04.2017 die am 09.11.2015 beantragte Hilfe zur Erziehung für die Tochter C. zu gewähren. Der Kläger hat in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege.

27

Entgegen des Einwands der Beklagten ist der Kläger allerdings berechtigt, im vorliegenden Klageverfahren einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung allein geltend zu machen. Er ist aktivlegitimiert und kann die Rechte gegenüber der Beklagten aus § 27 SGB VIII verfolgen, da anspruchsberechtigt der Personensorgeberechtigte ist. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII ist Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zusteht. Zwar ist der Kläger seit dem 06.07.2015 durch die Abgabe der Erklärungen gemäß § 1629a Abs. 1 Nr. 3 BGB gemeinsam mit der Mutter der drei Kinder sorgeberechtigt und sie nicht Beteiligte des vorliegenden Verfahrens. Aber es genügt bei Bestehen gemeinsamer Sorge, wenn neben dem antragstellenden Eltern der andere sorgeberechtigte Elternteil hinreichend – wenn auch formlos – zum Ausdruck gebracht hat, dass er ebenfalls Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege begehrt (OVG Niedersachen, Beschluss vom 02.08.2013 – 4 L A 112/12). Die Mutter der drei Kinder hat vorliegend gegenüber der Beklagten am 16.09.2015 den formellen Antrag gemäß § 27 SGB VIII gestellt. Antragsinhalt ist ausdrücklich eine langfristige Vollzeitpflege bei den Eltern des Klägers. Dass sich an diesem Einverständnis der Mutter der drei Kinder im Zeitraum vom 09.11.2015 bis zum 27.04.2017 im Hinblick auf das vorliegende Klageverfahren etwas änderte, ist nicht ersichtlich.

28

Die Beklagte war auch örtlich für die Entscheidung über die Hilfe zur Erziehung zuständig. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 09.11.2015 folgt dies aus § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, da die Mutter der Kinder seit August 2015 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in A-Stadt hatte, der Kläger ebenfalls in A-Stadt wohnte und beide seit dem 06.07.2015 gemeinsam sorgeberechtigt waren. Mit dem Wegzug der Mutter von B-Stadt nach A-Stadt endete die vorherige Zuständigkeit in B-Stadt, die nach den gemeinsamen Sorgerechtserklärungen dort aus § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII folgte. Die Zuständigkeit blieb der Beklagten auch bis zum Bescheid vom 24.11.2016 erhalten und gründete sich nach dem Wegzug der Mutter der drei Kinder im Juli 2016 in den Salzlandkreis auf § 86 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB VIII. Bei verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten gemeinsam sorgeberechtigter Eltern ist der elternferne gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in den letzten sechs Monaten vor Leistungsbeginn maßgebend. Dieser war bei den Eltern des Klägers in A-Stadt.

29

Zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 und § 33 SGB VIII fehlt es aber vor dem 28.04.2017 an der Geeignetheit der Pflegestelle, was Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege im Zeitraum vom 09.11.2015 bis zum 27.04.2017 ist.

30

Ein Anspruch auf Hilfe nach § 27 Abs. 1 SGB VIII besteht, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf und werden gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in unterschiedlich intensiven Formen gewährt – neben Formen etwa der Beratung über eine Beistandschaft bis hin zur Vollzeitpflege, Heimerziehung oder Einzelbetreuung. Die Vollzeitpflege soll nach § 33 SGB VIII entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten.

31

Entgegen des Einwands des Klägers ist die Geeignetheit der konkreten Pflegestelle ebenfalls Voraussetzung für einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege. Die Beklagte war nicht verpflichtet, über seinen und den Antrag der Mutter der drei Kinder vom 09.11.2015 in zwei Teilen zu entscheiden, einer ersten Entscheidung über die Hilfe dem Grunde nach und einer zweiten Entscheidung über die konkrete Durchführung, wobei – so der Kläger – nur für die zweite Entscheidung die Geeignetheit der Pflegestelle Voraussetzung wäre. Ein vorweg zu bescheidender Anspruch des Klägers dem Grunde nach und losgelöst von der konkreten Hilfe kann nicht bestehen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VIII richten sich Art und Umfang der Hilfe zur Erziehung nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall. Es geht um die Identifikation geeigneter Maßnahmen mit dem Ziel der Deckung des konkreten erzieherischen Bedarfs. Auf der Maßnahmenseite bestimmt § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, dass die Hilfe zur Erziehung insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt wird. Konkreter Bedarf und konkrete Hilfemaßnahmen sind im vierten Abschnitt des SGB VIII spiegelbildlich miteinander verzahnt. Abstrakt und vorweg über eine Hilfegewährung dem Grunde nach zu befinden, würde der Aufgabe der Jugendhilfeträger nicht gerecht werden, entwicklungsgerechte und dem individuellen Bedarf entsprechende Hilfestellungen für Kinder und Jugendliche zu geben. So ist auch die Eignung der Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Hilfe außerhalb des Elternhauses durch andere unterhaltspflichtige Personen nach § 27 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VIII als Tatbestandsvoraussetzung für diese Form der Hilfegewährung ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.2014 – 5 C 32/13 –, juris, Rn. 13, 18 und 19; VGH Bayern, Beschluss vom 30.06.2016 – 12 C 16.1162 –, juris, Rn. 20, der von der Eignung als selbstverständliche Voraussetzung spricht). Ein Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege kann daher nur anhand der konkreten Hilfeform beurteilt werden. Die Beteiligten sind auch von einer Vollzeitpflege konkret bei den Eltern des Klägers als Hilfemaßnahme ausgegangen, um den erkannten Hilfebedarf der drei Kinder zu decken. Der Kläger und die Mutter der drei Kinder stellten den Antrag am 09.11.2015 nach ihrem Gespräch vom 03.07.2015, in dem sie eine Aufnahme der Kinder bei den Eltern des Klägers wünschten. Im Antrag selbst ist der Hinweis auf die Vollzeitpflege bei den Eltern des Klägers ausdrücklich aufgenommen. Die Beklagte führte ihre Gespräche daher vor Ort bei den Eltern des Klägers. Sie stützte ihre Ablehnung der Hilfegewährung vom 24.11.2016 auf die fehlende Mitwirkung der Eltern des Klägers bei der vor Hilfebeginn durchzuführenden Eignungsprüfung. Eine alternative Gewährung von Vollzeitpflege für die drei Kinder in einer anderen Pflegefamilie war nicht Gegenstand des Verfahrens. Ein darauf gerichteter Anspruch ist vom Kläger der Beklagten gegenüber im Verwaltungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.

32

Die Vollzeitpflege in Form der Verwandtenpflege durch die Eltern des Klägers ist vor dem 28.04.2017 nicht als geeignet im Sinne des § 27 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VIII anzusehen.

33

Zwar setzt die Eignung im Falle der Großeltern gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keine Erlaubnis zur Vollzeitpflege voraus. Die Beklagte hat für die Beurteilung der Geeignetheit bei einer Erziehung außerhalb des Elternhauses durch unterhaltspflichtige Personen gemäß § 27 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VIII dennoch zu berücksichtigen, ob diese bereit und geeignet sind, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu decken. Diese Geeignetheit ist im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zur Erziehung zu überprüfen (BVerwG, Urteil vom 09.12.2014 – 5 C 32/13 –, juris, Rn. 19). Zur Eignung zählt insbesondere eine Zusammenarbeit für die Erstellung und Umsetzung eines Hilfeplans nach § 36 SGB VIII genauso wie eine Zusammenarbeit mit den Eltern zum Wohl des Kindes gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Die persönliche Eignung auch von Großeltern ist damit insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl an der Pflegestelle gewährleistet ist (BVerwG, Urteil vom 09.12.2014 – 5 C 32/13 –, juris, Rn. 19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe letztlich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung mehrere Fachkräfte und Stellen handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (VG Regensburg, Urteil vom 10.11.2015 – RO 4 K 15.287 -, juris, Rn. 23). Dieser Entscheidungsprozess setzt also eine Grundbereitschaft der Pflegestelle voraus, im Austausch mit allen Beteiligten zu stehen und zu kooperieren, um gemeinsam Lösungen im wohlverstandenen Kindeswohlinteresse zu entwickeln und umzusetzen.

34

Vor der Erstellung des Sozialberichts des Pflegekinderdienstes der Beklagten am 28.04.2017 und der sich dann anschließenden weiteren Geeignetheitsprüfung lag die Geeignetheit der Eltern des Klägers als Pflegestelle im Sinne dieses Maßstabs nicht vor. Die Beklagte verfügte auch nicht über hinreichende Informationen, die ihr die gebotene Geeignetheitsprüfung ermöglicht hätte. Grund hierfür war der Mangel an einer hinreichenden Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der Eltern des Klägers.

35

Die Eltern des Klägers kündigten eine Zusammenarbeit auf, obgleich die Beklagte weiterhin Informationen bedurfte, um die Geeignetheit der Pflegestelle beurteilen zu können. Im Verwaltungsverfahren fanden nach der Antragstellung drei Termine statt. Die vom Pflegekinderdienst im Rahmen des Hausbesuchs überreichten Unterlagen, die der Beklagten eine Geeignetheitsprüfung ermöglichen sollten, reichten die Eltern des Klägers nicht ein. Vielmehr ließen sie mitteilen, eine Eignungsprüfung – auch ohne die Notwendigkeit einer Erlaubnis zur Vollzeitpflege – müsse nicht durchgeführt werden und es sei nicht klargestellt, wofür die Beklagte die Unterlagen benötige. Damit kündigten die Eltern des Klägers zunächst eine Zusammenarbeit mit der Beklagten auf, die eine Geeignetheitsprüfung ermöglicht hätte und dafür notwendige Bedingung gewesen wäre. So konnte die Beklagte nicht in den Stand gesetzt werden, im angemessenen Umfang zu beurteilen, ob die Geeignetheit der Pflegestelle gegeben war. Die Einholung der Informationen war angemessen, da die Beklagte in ihren Rückmeldungen an das Jugendamt B-Stadt die Situation noch so einschätzte, dass eine sofortige Integration der drei Kinder in den Haushalt der Eltern des Klägers nicht geeignet sei. Erst im Zuge des Sozialberichts vom 28.04.2017 und des sich anschließenden Hilfeplangesprächs ebneten die Eltern des Klägers den Weg für einen kooperativen Austausch.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO nicht erhoben.

37

Soweit die Klage unbegründet ist, hat der Kläger die Kosten gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

38

Soweit der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt wurde, entspricht es unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes der Billigkeit, die Kosten gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Klägerseite aufzuerlegen. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Bescheides, der Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege gewährte, wie ihn die Beklagte am 15.11.2017 erließ, wurden erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens nach Erhebung der Klage am 12.12.2016 geschaffen. Die Beklagte führte anhand der ihr seit dem Sozialbericht vom 28.04.2017 und anhand der im Nachgang hierzu von den Eltern des Klägers überreichten Unterlagen ihre Prüfung der Pflegestelle durch und bewilligte nach Abschluss ihrer Prüfung die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege. Des vorliegenden Klageverfahrens hätte es hierzu nicht bedurft, sondern es kam auf das Verhalten der Eltern des Klägers an, mit der Beklagten zusammenzuarbeiten und die Voraussetzungen für die Möglichkeit zu schaffen, dass die Beklagte die Eignung der Pflegestelle beurteilen konnte. Das erledigende Ereignis der Hilfegewährung durch Bescheid vom 15.11.2017 hing in seinen Voraussetzungen nicht von einem Verhalten der Beklagten ab. Im Zusammenhang mit dem erledigenden Ereignis gab sie keinen Klageanlass.

39

Das Urteil war wegen der Kosten nach Maßgabe von § 167 VwGO sowie § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.


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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Voll

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2016 - 12 C 16.1162

bei uns veröffentlicht am 30.06.2016

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts B. vom 17. Mai 2016 - B 3 K 16.183 - wird aufgehoben. II. Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... aus ... beigeordne

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 09. Dez. 2014 - 5 C 32/13

bei uns veröffentlicht am 09.12.2014

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt jugendhilferechtlichen Aufwendungsersatz für die Vollzeitpflege ihrer beiden Enkel im Zeitraum vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Juli 2012 - 6 C 14/11

bei uns veröffentlicht am 25.07.2012

Tatbestand 1 Die Klägerin vergibt als Telekommunikationsnetzbetreiberin Telefonnummern an ihre Endnutzer. Sie betreibt einen telefonischen Auskunftsdienst sowie einen In

Referenzen

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin vergibt als Telekommunikationsnetzbetreiberin Telefonnummern an ihre Endnutzer. Sie betreibt einen telefonischen Auskunftsdienst sowie einen Internetauskunftsdienst. Außerdem gibt sie Teilnehmerverzeichnisse heraus. Die dafür genutzte Teilnehmerdatenbank enthält nicht nur Daten eigener Kunden der Klägerin, sondern auch Teilnehmerdaten anderer Telefondienstanbieter, insbesondere solcher, die selbst keine Teilnehmerverzeichnisse herausgeben und sich zur Erfüllung der Eintragungsansprüche ihrer Kunden auf vertraglicher Grundlage der Verzeichnisse der Klägerin bedienen. Diejenigen Daten, bei denen weder der betroffene Teilnehmer noch dessen Telefondienstanbieter einer Veröffentlichung in Verzeichnissen konkurrierender Anbieter widersprochen haben, stellt die Klägerin auch anderen Unternehmen zur Veröffentlichung in deren Teilnehmerverzeichnissen und Auskunftsdiensten zur Verfügung. Daten, die der betroffene Teilnehmer oder sein Telefondienstanbieter allein von der Klägerin veröffentlicht wissen will, eigenrecherchierte Daten der Auskunftsdienste der Klägerin sowie von den Telefonbuchverlagen beschaffte sog. Verlegerdaten stehen hingegen lediglich den Diensten der Klägerin zur Verfügung.

2

Die Beigeladene zu 1. betreibt einen Internet-Auskunftsdienst, die Beigeladene zu 2. einen Telefon-Auskunftsdienst. Sie verwenden Daten, die ihnen von der Klägerin gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Nachdem es zu Auseinandersetzungen über den Umfang der überlassungspflichtigen Daten gekommen war, beantragten die Beigeladenen bei der Bundesnetzagentur die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens mit dem Ziel, die Klägerin zu verpflichten, ihnen einmalig den gesamten vorhandenen für eine Veröffentlichung in einem Auskunftsdienst zugelassenen Teilnehmerdatenbestand zur Verfügung zu stellen und ihnen sodann an jedem Arbeitstag die Aktualisierung zu ermöglichen.

3

Durch Beschluss vom 11. September 2006 verpflichtete die Bundesnetzagentur die Klägerin, den Beigeladenen zu näher bezeichneten Bedingungen auch diejenigen Teilnehmerdaten zur Verfügung zu stellen, die die Teilnehmer oder ihre Telefondienstanbieter nur von einem oder mehreren bestimmten Unternehmen veröffentlicht wissen wollen.

4

Mit der Klage hat sich die Klägerin gegen die ihr auferlegte Datenüberlassungspflicht insoweit gewandt, als Daten von Teilnehmern anderer Anbieter (Fremddaten) betroffen sind. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 14. Februar 2008 abgewiesen.

5

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin zunächst weiter geltend gemacht, der Beschluss der Bundesnetzagentur sei rechtswidrig, soweit er sich auf Daten von Teilnehmern anderer Telefondienstanbieter erstrecke.

6

Der Senat hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 6 C 20.08 - (Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 2) das Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:

Ist Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, Unternehmen, die Teilnehmern Telefonnummern zuweisen, zu verpflichten, Daten von Teilnehmern, denen dieses Unternehmen nicht selbst Telefonnummern zugewiesen hat, zum Zweck der Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen zur Verfügung zu stellen, soweit diese Daten dem Unternehmen vorliegen?

Falls die vorstehende Frage zu bejahen ist:

Ist Art. 12 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) dahin auszulegen, dass die Auferlegung der vorbezeichneten Verpflichtung durch den nationalen Gesetzgeber davon abhängig ist, dass der andere Telefondienstanbieter bzw. seine Teilnehmer der Weitergabe der Daten zustimmen oder ihr jedenfalls nicht widersprechen?

7

Mit Urteil vom 5. Mai 2011 (Rs. C-543/09) hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Vorlage wie folgt beschieden:

"1. Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Unternehmen, die Endnutzern Telefonnummern zuweisen, dazu verpflichtet, nicht nur die Daten ihrer eigenen Teilnehmer, sondern auch die ihnen vorliegenden Daten von Teilnehmern dritter Unternehmen anderen Unternehmen, deren Tätigkeit in der Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Telefonauskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen besteht, zur Verfügung zu stellen.

2. Art. 12 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die ein Unternehmen, das öffentliche Teilnehmerverzeichnisse veröffentlicht, verpflichtet, die ihm vorliegenden personenbezogenen Daten der Teilnehmer anderer Telefondienstanbieter an ein drittes Unternehmen weiterzugeben, dessen Tätigkeit darin besteht, ein gedrucktes oder elektronisches öffentliches Teilnehmerverzeichnis zu veröffentlichen oder derartige Verzeichnisse über Auskunftsdienste zugänglich zu machen, ohne dass diese Weitergabe von einer erneuten Zustimmung der Teilnehmer abhängig ist, sofern zum einen Letztere vor der ersten Aufnahme ihrer Daten in ein öffentliches Teilnehmerverzeichnis über dessen Zweck bzw. Zwecke sowie über die Tatsache, dass diese Daten an einen anderen Telefondienstanbieter übermittelt werden könnten, informiert wurden und sofern zum anderen gewährleistet ist, dass die betreffenden Daten nach ihrer Weitergabe nicht für andere Zwecke als diejenigen verwendet werden, für die sie im Hinblick auf ihre erste Veröffentlichung erhoben wurden."

8

Nachdem die Klägerin und die Beklagte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben, hält die Klägerin die Klage nur noch insoweit aufrecht, als der angefochtene Beschluss trotz seines ursprünglich rechtmäßigen Erlasses ab dem 26. Mai 2011 rechtswidrig geworden sei. Mit dem zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz habe sich die dem Beschluss des Senats vom 28. Oktober 2009 und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 2011 zu Grunde liegende Rechtslage in entscheidungserheblicher Weise geändert. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei eine nationale Regelung unionsrechtlich unzulässig, wenn sie in die Befugnisse eingreife, die aufgrund der Bestimmungen des Gemeinsamen Rechtsrahmens den nationalen Regulierungsbehörden zustünden. Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie sehe nunmehr die Zuständigkeit der nationalen Regulierungsbehörden vor, wenn weitergehende Verpflichtungen und Bedingungen auferlegt werden sollen. Hierbei gehe es nicht um die Auferlegung von Zugangs- oder Zusammenschaltungsverpflichtungen, sondern von Verpflichtungen für die Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten. Da nach der jetzigen Rechtslage insoweit keine unmittelbare Regelungsbefugnis des Gesetzgebers mehr bestehe, sei § 47 Abs. 1 und 2 TKG in der Auslegung, dass damit unmittelbar kraft Gesetzes eine Weitergabeverpflichtung in Bezug auf Fremddaten angeordnet wird, seit dem 26. Mai 2011 unionswidrig und folglich unanwendbar. Dem angefochtenen Streitbeilegungsbeschluss fehle als Dauerverwaltungsakt daher seit diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage.

9

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. Februar 2008 (Az. 1 K 4447/06) den Beschluss der Beklagten vom 11. September 2006 (Az. BK 3 - 06/006), soweit die der Klägerin auferlegte Verpflichtung sich auch auf die Daten von Teilnehmern anderer Anbieter von Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit erstreckt, mit Wirkung vom 26. Mai 2011 aufzuheben.

10

Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

11

Sie treten der Annahme entgegen, dass der angefochtene Streitbeilegungsbeschluss mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2009/136/EG dem Unionsrecht widerspreche.

Entscheidungsgründe

12

1. Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Das die Klage gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Februar 2008 ist mit Ausnahme der zutreffenden Streitwertfestsetzung in Bezug auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

13

Die prozessuale Zulässigkeit der auf den Zeitraum bis zu dem 26. Mai 2011 beschränkten Teilerledigungserklärungen unterliegt keinen Bedenken. Eine derartige Beschränkung des Umfangs des Aufhebungsbegehrens in zeitlicher Hinsicht kommt allerdings grundsätzlich nur bei einem sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Betracht, der die Besonderheit aufweist, dass seine Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt (vgl. Urteil vom 29. November 1979 - BVerwG 3 C 103.79 - BVerwGE 59, 148 <160>). Ein solcher Dauerverwaltungsakt kann für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit oder auch nur für Teile dieses Zeitraums angefochten werden (vgl. Urteile vom 15. November 1967 - BVerwG 1 C 43.67 - BVerwGE 28, 202 <205> und vom 27. Januar 1993 - BVerwG 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32 <35 f.>). Der angefochtene Beschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006, mit dem die Klägerin verpflichtet worden ist, den Beigeladenen zu näher bezeichneten Bedingungen auch diejenigen Teilnehmerdaten zur Verfügung zu stellen, die die Teilnehmer oder ihre Telefondienstanbieter nur von einem oder mehreren bestimmten Unternehmen veröffentlicht wissen wollen, ist ein derartiger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die rechtliche Wirkung der in dem Verfahren nach § 47 Abs. 3 i.V.m. § 133 des Telekommunikationsgesetzes - TKG - vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190), das im Zeitpunkt des Beschlusses der Bundesnetzagentur zuletzt durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1970) geändert worden war, getroffenen Entscheidung der Bundesnetzagentur besteht darin, dass Inhalt und Grenzen der sich bereits unmittelbar aus § 47 Abs. 1 und 2 TKG ergebenden gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin zur Bereitstellung von Teilnehmerdaten konkretisiert werden. Es handelt sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt (vgl. Beschluss vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 6 C 20.08 - Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 2 Rn. 11), der ein gesetzliches Dauerschuldverhältnis konkretisiert. Wegen der laufenden Änderung des Teilnehmerdatenbestandes ist der durch den Streitbeilegungsbeschluss der Bundesnetzagentur nach § 47 Abs. 3 i.V.m. § 133 TKG konkretisierte Anspruch aus § 47 Abs. 1 und 2 TKG nicht auf Einmaligkeit, sondern notwendig auf Wiederholung angelegt (vgl. Wilms, in: Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl.2006, § 47 Rn. 47). Damit enthält der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 eine Regelung, die sich nicht in der einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern auf unbestimmte Dauer angelegt ist und sich ständig aktualisiert (vgl. Urteil vom 9. Mai 2012 - BVerwG 6 C 3.11 - Rn. 43 m.w.N.).

14

2. Soweit die Klägerin ihren mit der Revision weiter verfolgten Aufhebungsanspruch unter Hinweis auf die nachträgliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses der Bundesnetzagentur teilweise aufrecht erhält, ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht unter Zugrundelegung der seit dem 26. Mai 2011 geltenden Rechtslage nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die geänderte Rechtslage ist hier für die Nachprüfung des angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht maßgeblich, da sie auch das Tatsachengericht, entschiede es jetzt, zu berücksichtigen hätte (vgl. Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 2 C 45.03 - BVerwGE 121, 140 <144>). Handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 - wie ausgeführt - um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, kommt es für den geltend gemachten Aufhebungsanspruch nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, sondern auf den Zeitpunkt der Rechtsänderung an (vgl. Urteil vom 29. November 1979 a.a.O.). Der Streitbeilegungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in Folge einer Rechtsänderung ab dem 26. Mai 2011 rechtswidrig geworden und verletzt auch nach diesem Zeitpunkt keine Rechte der Klägerin (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

15

a) Nach den Maßstäben des nationalen Rechts ist der angefochtene Streitbeilegungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 unverändert rechtmäßig.

16

Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Vorlagebeschluss vom 28. Oktober 2009 (a.a.O. Rn. 11 ff.) Bezug. Danach ist Rechtsgrundlage für die zwischen den Beteiligten umstrittene Pflicht zur Überlassung von Teilnehmerdaten § 47 Abs. 1 TKG, der in seiner zuletzt durch Gesetz vom 3. Mai 2012 (BGBl I S. 958) geänderten Fassung bestimmt, dass jedes Unternehmen, das Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbringt und Rufnummern an Endnutzer vergibt, verpflichtet ist, unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen, jedem anderen Unternehmen auf Antrag Teilnehmerdaten u.a. zur Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen zur Verfügung zu stellen. Teilnehmerdaten in diesem Sinne sind die nach Maßgabe des § 104 TKG in Teilnehmerverzeichnissen veröffentlichten Daten (§ 47 Abs. 2 Satz 1 TKG), zu denen neben den Basisdaten wie Telefonnummer, Name und Anschrift gegebenenfalls Zusatzdaten wie Beruf, Branche, Art des Anschlusses und Mitbenutzer gehören, soweit sie dem Unternehmen vorliegen (§ 47 Abs. 2 Satz 2 TKG). Erfasst werden ferner die in § 47 Abs. 2 Satz 3 TKG genannten Annexdaten. Dies sind die nach näherer gesetzlicher Maßgabe aufbereiteten Informationen, Verknüpfungen, Zuordnungen und Klassifizierungen, die zwar nicht selbst veröffentlicht werden, aber zur Veröffentlichung der genannten Basis- und Zusatzdaten in Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen notwendig sind.

17

Der Senat hat im Vorlagebeschluss vom 28. Oktober 2009 (a.a.O. Rn. 13 ff.) im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem Maßstab des § 47 TKG das von Auskunfts- oder Verzeichnisanbietern auf Datenüberlassung in Anspruch genommene Telekommunikationsunternehmen die in seinem Datenbestand vorhandenen Fremddaten an andere Netzbetreiber ebenso herausgeben muss wie seine Eigendaten. Für ein derartiges weites Verständnis der überlassungspflichtigen Daten sprechen bei insoweit neutralem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 TKG die Entstehungsgeschichte und der Normzweck der Vorschrift. Die Verpflichtung zur Datenweitergabe soll ein netz- und diensteübergreifendes Angebot von Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen gewährleisten. Sie dient nicht nur der Erreichung der Ziele der Universaldienstvorschriften, die ein Mindestangebot an Diensten für die Öffentlichkeit vorsehen und dazu die Verfügbarkeit mindestens eines öffentlichen Teilnehmerverzeichnisses und mindestens eines öffentlichen Telefonauskunftsdienstes zählen (§ 78 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3 TKG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. Mai 2012 geltenden Fassung; nunmehr § 78 Abs. 2 Nr. 3 und 4 TKG). Darüber hinaus besteht der Zweck des § 47 Abs. 1 und 2 TKG vielmehr allgemein in der Sicherstellung des Gewährleistungsauftrages des Art. 87f Abs. 1 GG sowie insbesondere in der Förderung der Regulierungsziele des § 2 Abs. 2 TKG, namentlich in Bezug auf die Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1) und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Verzeichnis- und Auskunftsmärkte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2). Dem Interesse des Teilnehmers und Verbrauchers entspricht es in der Regel, dass seine Teilnehmerdaten über sämtliche Auskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse zugänglich sind, was durch eine umfassende Datenüberlassungspflicht der Telefondienstanbieter sichergestellt wird. Das Ziel, tragfähige Wettbewerbsstrukturen auf den telefondienstnahen Verzeichnis- und Auskunftsmärkten zu schaffen, lässt sich weitaus besser erreichen, wenn den mit der Klägerin konkurrierenden Anbietern von Verzeichnis- und Auskunftsdiensten der Datenbezug aus einer Hand ermöglicht wird, als wenn sie darauf verwiesen werden, sich die erforderlichen Daten bei jedem Telefondienstanbieter einzeln zu beschaffen. Ohne eine umfassende Herausgabepflicht der Klägerin bestünde die Gefahr, dass deren eigene Dienste auf längere Sicht informationshaltigere Verzeichnisse herausgeben und Auskunftsdienste betreiben könnten als die Wettbewerbsunternehmen, was mit dem wettbewerbsfördernden Zweck des § 47 TKG nicht vereinbar wäre.

18

Wie der Senat im Vorlagebeschluss vom 28. Oktober 2009 (a.a.O. Rn. 25 ff.) ebenfalls bereits ausgeführt hat, ist der Anspruch der Verzeichnis- und Auskunftsanbieter gegen die Klägerin ferner nicht davon abhängig, dass die betroffenen externen Teilnehmer bzw. ihre Telefondienstanbieter der Weitergabe der Teilnehmerdaten zustimmen oder ihr jedenfalls nicht widersprechen. Der in § 47 Abs. 1 Satz 1 TKG erwähnte Datenschutz ist in § 104 TKG für Teilnehmerverzeichnisse und in § 105 TKG für die Auskunftserteilung spezialgesetzlich geregelt. Dem Wortlaut und der Systematik dieser Vorschriften lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein Teilnehmer die ihm zustehenden Willenserklärungen auf einzelne Teilnehmerverzeichnisse oder einzelne Auskunftsdienste unter Ausschluss konkurrierender Anbieter beschränken könnte. Insbesondere spricht der Normzweck der §§ 104 f. TKG, der im Zusammenhang mit dem auf vollständige Auskunfts- und Teilnehmerverzeichnisse gerichteten Universaldienstzweck wie auch mit dem wettbewerbsfördernden Normzweck des § 47 TKG gesehen werden muss, gegen die Annahme, dem einzelnen Teilnehmer stehe ein selektives Bestimmungsrecht bezüglich der einzelnen Verzeichnis- oder Auskunftsdienste zu, durch die er seine Daten veröffentlicht (oder nicht veröffentlicht) sehen will. Dem öffentlichen Interesse an der Herstellung tragfähiger Wettbewerbsstrukturen auf den Auskunfts- und Verzeichnismärkten und an der Erzielung umfassend informationshaltiger Dienstleistungen auf diesen Märkten steht kein schutzwürdiges Interesse des Einzelnen gegenüber, die von ihm grundsätzlich konsentierte Veröffentlichung seiner Daten auf Medien eines bestimmten Anbieters, namentlich der Klägerin, zu beschränken. Der verfassungsrechtlichen Überprüfung am Maßstab des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hält dieses Ergebnis stand. Sofern der betreffende Telefonkunde damit einverstanden ist, mit seinen Daten (jedenfalls) in die Teilnehmer- und Auskunftsverzeichnisse eines Anbieters, etwa der Klägerin aufgenommen zu werden, ist schon damit eine systematische, auf die Weitergabe an unbestimmte Dritte zielende Datenerhebung verbunden, an deren Qualität sich nichts Wesentliches dadurch ändert, dass die Daten zu dem gleichen Zweck auch anderen Verzeichnis- und Auskunftsanbietern zur Verfügung gestellt werden. Erst recht ist kein Grund dafür ersichtlich, die Zustimmung oder den fehlenden Widerspruch der von der Klägerin verschiedenen Anbieter von Telefondienstleistungen, die ihre Teilnehmerdaten der Klägerin zum Zweck der Veröffentlichung in Verzeichnissen übergeben haben, als Voraussetzung für die Weitergabe an andere Unternehmen zu fordern.

19

An dieser - auch von der Klägerin nicht mehr in Frage gestellten - Auslegung des nationalen Rechts hält der Senat fest. Eine entscheidungserhebliche Änderung des nationalen Rechts ist nach dem Erlass des angefochtenen Streitbeilegungsbeschlusses der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 nicht eingetreten. Durch das bereits erwähnte Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2012 (BGBl I S. 958), das - soweit hier von Interesse - nach seinem Art. 5 Abs. 2 Satz 1 am 10. Mai 2012 in Kraft getreten ist, hat zwar auch der Wortlaut des § 47 TKG eine Ergänzung erfahren. Diese beschränkt sich jedoch auf die Einfügung der Wörter "Diensten zur Unterrichtung über einen individuellen Gesprächswunsch eines anderen Nutzers nach § 95 Absatz 2 Satz 1" nach den Wörtern "zugänglichen Auskunftsdiensten" in § 47 Abs. 1 Satz 1. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 17/5707) noch nicht enthaltene, sondern erst in Folge der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (BTDrucks 17/7521 S. 51) aufgenommene Ergänzung, deren Hintergrund der Umstand ist, dass Mobilfunkanschlüsse im Gegensatz zu Festnetzanschlüssen nur in geringem Umfang in öffentlichen Teilnehmerverzeichnissen enthalten sind (BTDrucks S. 139), hat lediglich eine Ausweitung der Verwendungszwecke der herauszugebenden Teilnehmerdaten und damit auch des Kreises der Berechtigten zur Folge; sie bleibt jedoch ohne Auswirkungen auf die im vorliegenden Fall maßgebliche Frage, ob das auf Datenüberlassung in Anspruch genommene Telekommunikationsunternehmen die in seinem Datenbestand vorhandenen Fremddaten ebenso herausgeben muss wie seine Eigendaten. Insbesondere enthalten die Gesetzgebungsmaterialien keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber mit der Möglichkeit einer Korrektur des weiten, über die Mindestvorgaben des Unionsrechts (vgl. hierzu sogleich unter b) hinausgehenden Verständnisses der überlassungspflichtigen Daten in der Rechtsprechung des Senats befasst hat. Die spezialgesetzlichen Datenschutzregelungen in § 104 TKG, auf den § 47 Abs. 2 Satz 1 TKG auch zur Bestimmung der herausgabepflichtigen Teilnehmerdaten Bezug nimmt, sowie in § 105 TKG sind ebenfalls seit dem Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Streitbeilegungsbeschlusses der Bundesnetzagentur unverändert geblieben.

20

b) Der Streitbeilegungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 11. September 2006 steht unverändert auch mit dem Unionsrecht in Einklang.

21

aa) Dass dem Streitbeilegungsbeschluss zum Erlasszeitpunkt am 11. September 2006 keine unionsrechtlichen Vorschriften entgegen gestanden haben, ergibt sich aus dem aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats vom 28. Oktober 2009 ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. Mai 2011 - Rs. C-543/09, Deutsche Telekom u.a. - (EuZW 2011, 484). Danach ist Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Unternehmen, die Endnutzern Telefonnummern zuweisen, dazu verpflichtet, nicht nur die Daten ihrer eigenen Teilnehmer, sondern auch die ihnen vorliegenden Daten von Teilnehmern dritter Unternehmen anderen Unternehmen, deren Tätigkeit in der Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Telefonauskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen besteht, zur Verfügung zu stellen. Weiter ist Art. 12 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die ein Unternehmen, das öffentliche Teilnehmerverzeichnisse veröffentlicht, verpflichtet, die ihm vorliegenden personenbezogenen Daten der Teilnehmer anderer Telefondienstanbieter an ein drittes Unternehmen weiterzugeben, dessen Tätigkeit darin besteht, ein gedrucktes oder elektronisches öffentliches Teilnehmerverzeichnis zu veröffentlichen oder derartige Verzeichnisse über Auskunftsdienste zugänglich zu machen, ohne dass diese Weitergabe von einer erneuten Zustimmung der Teilnehmer abhängig ist, sofern zum einen Letztere vor der ersten Aufnahme ihrer Daten in ein öffentliches Teilnehmerverzeichnis über dessen Zweck bzw. Zwecke sowie über die Tatsache, dass diese Daten an einen anderen Telefondienstanbieter übermittelt werden könnten, informiert wurden und sofern zum anderen gewährleistet ist, dass die betreffenden Daten nach ihrer Weitergabe nicht für andere Zwecke als diejenigen verwendet werden, für die sie im Hinblick auf ihre erste Veröffentlichung erhoben wurden. Nach diesem für den Senat bindenden Auslegungsergebnis des Gerichtshofs verpflichtete das zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Streitbeilegungsbeschlusses der Bundesnetzagentur geltende Unionsrecht die in Anspruch genommenen Telekommunikationsunternehmen zwar nur zur Herausgabe der Daten ihrer eigenen Teilnehmer, ließ jedoch eine die Datenüberlassungspflicht auf Fremddaten erweiternde nationale Regelung zu und verlangte hierfür auch nicht die Zustimmung bzw. das Fehlen eines Widerspruchs des externen Teilnehmers oder seines Telefonanbieters.

22

bb) Der Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (ABl EU Nr. L 337 S. 11) hat entgegen dem Revisionsvorbringen nicht nachträglich zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Streitbeilegungsbeschlusses der Bundesnetzagentur geführt.

23

Die Annahme eines nachträglichen Rechtswidrigwerdens des angefochtenen Streitbeilegungsbeschlusses mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2009/136/EG am 25. Mai 2011 (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie) setzt - neben der oben bereits bejahten Qualifizierung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - voraus, dass - erstens - § 47 Abs. 1 TKG als Rechtsgrundlage für die zwischen den Beteiligten umstrittene Pflicht zur Überlassung von Teilnehmerdaten wegen Widerspruchs zur einer Bestimmung der Richtlinie nicht mehr angewendet werden dürfte, soweit sich die Datenüberlassungspflicht auch auf Fremddaten erstreckt, und sich - zweitens - ein derartiges partielles Anwendungsverbot der innerstaatlichen Rechtsgrundlage auch auf solche Verwaltungsakte erstreckt, die nach der früheren Rechtslage rechtmäßig erlassen worden sind. Ob die Änderungsrichtlinie mangels einer ausdrücklichen Übergangsregelung so auszulegen wäre, dass auf der Grundlage der früheren Rechtslage zuständigkeitskonform erlassene - und inhaltlich auch nach neuer Rechtslage zulässige - Verwaltungsakte nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht fortgelten sollen, kann letztlich offen bleiben, weil es jedenfalls schon an der zuerst genannten Voraussetzung fehlt.

24

Falls die gesetzliche Erstreckung der Datenüberlassungspflicht auch auf Fremddaten nunmehr im Widerspruch zu den Bestimmungen der Universaldienstrichtlinie (Richtlinie 2002/22/EG) in der Fassung der Richtlinie 2009/136/EG stünde, wäre zwar eine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 TKG als Rechtsgrundlage für die zwischen den Beteiligten umstrittene Pflicht zur Überlassung von Teilnehmerdaten nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung möglich und geboten. Denn die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf Grund des Umsetzungsgebots gem. Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - (bis zum Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009: Artikel 249 Abs. 3 EGV) verpflichtet, bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts, insbesondere einer speziell zur Umsetzung der Vorgaben einer Richtlinie erlassenen Regelung, das innerstaatliche Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auszulegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer u.a.- Slg. 2004, I-8835 = NJW 2004, 3547 Rn. 113, m.w.N.). Da der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 TKG - wie der Senat im Vorlagebeschluss vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 6 C 20.08 - (Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 2 Rn. 14) ausgeführt hat - ein einschränkendes Verständnis dahingehend nicht ausschließt, dass die betreffenden Unternehmen gerade durch die Vergabe von Rufnummern an Endnutzer in den Besitz der Daten gekommen sein müssen, die sie sodann an die Betreiber von Verzeichnis- und Auskunftsdiensten weiterzugeben haben, bestünden gegen eine dahingehende richtlinienkonforme Auslegung des einschlägigen nationalen Rechts hier keine methodischen Bedenken. Eine richtlinienkonforme Auslegung in dem dargelegten Sinne ist jedoch nicht geboten, weil die gesetzliche Erstreckung der Datenüberlassungspflicht auf Fremddaten mit der Universaldienstrichtlinie in der Fassung der Richtlinie 2009/136/EG vereinbar ist.

25

Dass § 47 Abs. 1 TKG mit Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie (Richtlinie 2002/22/EG) vereinbar ist, steht aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. Mai 2011 (a.a.O.) fest. Da der Wortlaut dieser Bestimmung durch die Richtlinie 2009/136/EG nicht geändert worden ist, ist davon auszugehen, dass sich die "relevanten Informationen" im Sinne des Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie, zu deren Weitergabe diese Bestimmung verpflichtet, auch nach neuer Rechtslage ausschließlich auf die Informationen zu den eigenen Teilnehmern der Unternehmen beziehen, die Telefonnummern zuweisen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 a.a.O. Rn. 37). Ferner ist unverändert festzustellen, dass es sich hierbei mangels einer vollständigen Harmonisierung der Aspekte des Verbraucherschutzes nur um eine Mindestvorgabe handelt und es den Mitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, weiter gehende Regelungen mit dem Ziel zu erlassen, den Eintritt neuer Bewerber in den Markt öffentlich zugänglicher Telefonauskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse zu erleichtern (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Hiernach ist eine gesetzliche Erweiterung der Datenüberlassungspflicht auf Fremddaten, wie sie in § 47 Abs. 1 TKG geregelt ist, zulässig.

26

Eine Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht kommt daher auch nach Ansicht der Klägerin nur unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in die Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden in Betracht. Ausgangspunkt der Prüfung ist insoweit die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, der zufolge eine nationale Regelung nicht in die Befugnisse eingreifen darf, die den nationalen Regulierungsbehörden unmittelbar aufgrund der Bestimmungen des gemeinsamen Rechtsrahmens, zu dem u.a. die Rahmenrichtlinie und die Universaldienstrichtlinie gehören, zustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - Rs. C-543/09, Deutsche Telekom u.a. - EuZW 2011, 484 Rn. 43; sowie früher bereits Urteile vom 3. Dezember 2009 - Rs. C-424/07, Kommission/Deutschland Slg. 2009, I-11431 Rn. 78 und 91 und vom 11. März 2010 - Rs. C-522/08, Telekommunikacja Polska - Slg. 2010, I-2079 Rn. 27).

27

Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage festgestellt, dass die in § 47 Abs. 1 TKG geregelte Erweiterung der Datenüberlassungspflicht auf Fremddaten in keine Befugnis eingreift, die nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen ausdrücklich auf die betroffene nationale Regulierungsbehörde, d.h. hier die Bundesnetzagentur, übertragen wurde (EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 a.a.O. Rn. 44 ff.). Diese rechtliche Ausgangslage hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin durch den Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2009/136/EG nicht entscheidungserheblich geändert. Die Klägerin stützt ihre gegenteilige Auffassung ausschließlich auf Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie in der durch Art. 1 Nr. 16 Buchst. c der Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung, wonach die nationalen Regulierungsbehörden Unternehmen, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren, für die Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten gemäß Art. 5 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) Verpflichtungen und Bedingungen auferlegen können. Entgegen der Auffassung der Klägerin erstreckt Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie die Regelungsbefugnis der nationalen Regulierungsbehörden indes nicht darauf, Telekommunikationsunternehmen zu verpflichten, anderen Unternehmen Teilnehmerdaten zur Bereitstellung von Auskunftsdiensten zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

28

Gegen die Auffassung der Klägerin, dass durch Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie die Auferlegung von Datenübermittlungspflichten, die über die in Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie geregelte Mindestverpflichtung hinausgehen, den nationalen Regulierungsbehörden zugewiesen werde und die nationalen Gesetzgeber ihre diesbezügliche Regelungskompetenz verloren hätten, spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung. Denn es besteht keine Übereinstimmung zwischen dem Kreis der Datenübermittlungsverpflichteten nach Art. 25 Abs. 2 und demjenigen der Adressaten der Verpflichtungen, die die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie auferlegen können. Zwar können die durch Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie erfassten "Unternehmen, die Teilnehmern Telefonnummern zuweisen", zugleich auch im Sinne des Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie Unternehmen sein, "die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren"; dies muss jedoch nicht der Fall sein. Hätte der Richtliniengeber in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie (auch) eine Regelung zur Reichweite der Datenübermittlungspflicht nach Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie treffen wollen, hätte es nahe gelegen, bei der Bestimmung des Kreises der möglichen Verpflichtungsadressaten begrifflich an die genannte Vorschrift anzuknüpfen.

29

Hinzu kommt in systematischer Hinsicht, dass Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie unmittelbar an Satz 1 anschließt, wonach alle Endnutzer, denen ein öffentlich zugänglicher Telefondienst bereitgestellt wird, Zugang zu Teilnehmerauskunftsdiensten haben. Regelungsgegenstand der Vorschrift ist mithin das Recht der Endnutzer auf Zugang, nicht die Pflicht der Telekommunikationsunternehmen zur Überlassung von Daten an andere Unternehmen. Diese Datenüberlassungspflicht wird in Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie geregelt. Bezöge sich die den nationalen Regulierungsbehörden gemäß Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie übertragene Befugnis, bestimmten Unternehmen für die Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten Verpflichtungen und Bedingungen aufzuerlegen, nicht nur auf die in Art. 25 Abs. 3 Satz 1 geregelte Zugangsgewährung, sondern auch auf die Ausgestaltung der in Art. 25 Abs. 2 geregelten Datenüberlassungspflicht, wäre zu erwarten gewesen, dass der Richtliniengeber dies regelungssystematisch - etwa durch die Einfügung der Regelung in Art. 25 Abs. 2 oder zumindest durch eine (gewissermaßen "vor die Klammer" gezogene) Regelung in einem gesonderten Absatz - kenntlich gemacht hätte.

30

Dass Regelungsgegenstand des Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie nicht die Pflicht der Telekommunikationsunternehmen zur Überlassung von Daten an andere Unternehmen, sondern lediglich das Recht der Endnutzer auf Zugang zu Teilnehmerauskunftsdiensten sein kann, ergibt sich ferner daraus, dass sich die aufzuerlegenden Verpflichtungen und Bedingungen dem Wortlaut der Bestimmung zufolge nur auf die Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten, nicht hingegen auch auf die Bereitstellung der in Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie ebenfalls erwähnten Teilnehmerverzeichnisse beziehen. Der Grund für diese Einschränkung liegt offensichtlich darin, dass sich bei der Bereitstellung von Teilnehmerverzeichnissen - anders als bei Teilnehmerauskunftsdiensten - Probleme der Gewährleistung des Zugangs naturgemäß nicht stellen. Bezöge sich Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie auf die Pflicht der Telekommunikationsunternehmen zur Überlassung von Daten an andere Unternehmen, wäre die Beschränkung der Regelung auf Teilnehmerauskunftsdienste unverständlich.

31

Dass sich die Regelungsbefugnis der nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie nicht auf die Pflicht der Telekommunikationsunternehmen zur Überlassung von Daten an andere Unternehmen bezieht, ergibt sich ferner aus der Bezugnahme auf "Artikel 5 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie)". In der hier anwendbaren Fassung des Art. 2 der Änderungsrichtlinie 2009/140/EG (des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste ) regelt die Vorschrift "Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung". Nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie fördern und garantieren die nationalen Regulierungsbehörden gegebenenfalls entsprechend dieser Richtlinie bei ihren Maßnahmen zur Verwirklichung der in Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste und nehmen ihre Zuständigkeit in einer Weise wahr, die Effizienz und nachhaltigen Wettbewerb, effiziente Investitionen und Innovation fördert und den Endnutzern größtmöglichen Nutzen bringt. Dabei können die nationalen Regulierungsbehörden den Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, wozu in begründeten Fällen die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten (Buchst. a) oder ihre Dienste interoperabel zu machen (Buchst. ab). Ferner haben die Mitgliedstaaten in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung sicherzustellen, dass die nationale Regulierungsbehörde befugt ist, in begründeten Fällen aus eigener Initiative tätig zu werden, um die Beachtung der in Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) aufgeführten politischen Ziele zu gewährleisten (Art. 5 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie). Angesichts des dargestellten Regelungsgehalts des Art. 5 der Zugangsrichtlinie, der lediglich die Pflichten derjenigen Unternehmen zum Gegenstand hat, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, und damit ersichtlich vor allem die Sicherstellung der "physischen Verbindung" zum Endnutzer im Blick hat (vgl. hierzu die Begriffsbestimmungen in Art. 2 Buchst. a und b der Zugangsrichtlinie), ginge die Bezugnahme auf diese Vorschrift ins Leere, soweit sich die in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie genannten Verpflichtungen und Bedingungen auch auf die Konkretisierung der in Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie geregelten Datenüberlassungspflicht bezögen. Die Beklagte und die Beigeladenen weisen daher im Ergebnis zu Recht darauf hin, dass die Befugnisse der Regulierungsbehörde nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie bei systematischer Auslegung (nur) sicherstellen sollen, dass die Durchleitung von Teilnehmeranrufen zu netzfremden Auskunftsdiensten erzwungen werden kann und Teilnehmerauskunftsdienste in allen Netzen erreichbar sind.

32

Soweit die Klägerin dieser systematischen Auslegung entgegenhält, Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie beziehe sich nicht - wie Satz 1 der Vorschrift - auf den "Zugang", sondern ausdrücklich auf die "Bereitstellung" von Teilnehmerauskunftsdiensten, übersieht sie, dass diese Formulierung die Gewährleistung des Zugangs im Sinne einer "physischen Verbindung" zum Endnutzer begrifflich nicht ausschließt, sondern als Voraussetzung der Inanspruchnahme von Teilnehmerauskunftsdiensten mit umfasst. Dass die entgegenstehende Prämisse der Klägerin, der Richtliniengeber verwende den Begriff der "Bereitstellung" immer nur dann, wenn es um die Datenüberlassungspflichten der Anbieter untereinander gehe, nicht zutrifft, ergibt sich z.B. bereits aus dem von ihr selbst in anderem Zusammenhang zitierten Satz 3 des 38. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2009/136/EG, in dem es um die Möglichkeit geht, Netzzugang zu angemessenen und transparenten Bedingungen bereitzustellen.

33

Auch der weitere Einwand der Klägerin, es stelle ein - möglicherweise durch die Wortstellung in der deutschen Richtlinienfassung ("für die Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2002/19/EG Verpflichtungen und Bedingungen auferlegen") mitverursachtes - Missverständnis dar, anzunehmen, bei den nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie i.V.m. Art. 5 der Zugangsrichtlinie aufzuerlegenden Verpflichtungen müsse es sich um Zugangs- und Zusammenschaltungsverpflichtungen handeln, überzeugt nicht. Selbst wenn sich die Worte "gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie)" nicht auf die "Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten", sondern auf die aufzuerlegenden "Verpflichtungen und Bedingungen" beziehen sollten, worauf die von der Klägerin zitierten französischen, spanischen und italienischen Sprachfassungen hindeuten könnten, ergibt sich hieraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass nur die in Art. 5 der Zugangsrichtlinie enthaltenen einschränkenden Voraussetzungen ("in begründeten Fällen", "in dem erforderlichen Umfang") in Bezug genommen werden sollen. Vielmehr wird durch die Bezugnahme auf Art. 5 der Zugangsrichtlinie erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass die aufzuerlegenden "Verpflichtungen und Bedingungen" die Gewährleistung der physischen Verbindung zum Endnutzer und damit die Öffnung der Zugangswege als unerlässliche technische Voraussetzung der Nutzung von Teilnehmerauskunftsdiensten betreffen. Träfe die Auffassung der Klägerin zu, dass Gegenstand der in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie geregelten Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden die Erstellung und der Betrieb einer Datenbank ist, wäre die Erwähnung des Art. 5 der Zugangsrichtlinie unverständlich.

34

Sinn und Zweck des Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie sprechen ebenfalls gegen die Annahme der Klägerin, dass sich die Verpflichtungen und Bedingungen, zu deren Auferlegung die nationalen Regulierungsbehörden danach befugt sind, auch auf den Umfang der Datenübermittlung an konkurrierende Anbieter von Verzeichnis- und Auskunftsdiensten beziehen. Ist Zielsetzung des Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie, die Einhaltung der Universaldienstverpflichtung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zu gewährleisten, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass den Endnutzern mindestens ein umfassendes Teilnehmerverzeichnis und ein umfassender Telefonauskunftsdienst zur Verfügung steht (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - Rs. C-543/09, Deutsche Telekom u.a. - EuZW 2011, 484 Rn. 31), kann für Art. 25 Abs. 3 der Universaldienstrichtlinie im Hinblick auf den identischen systematischen Zusammenhang im Ansatz nichts anderes gelten. Allerdings dienen beide Absätze der Vorschrift dem Ziel der Einhaltung der Verpflichtung des - durch die Änderungsrichtlinie 2009/136/EG übrigens nicht berührten - Art. 5 Abs. 1 der Universaldienstrichtlinie auf jeweils unterschiedliche Weise. Während Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie es dem für die Bereitstellung des betreffenden Universaldienstes benannten Unternehmen ermöglichen soll, eine umfassende Datenbank zu erstellen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 2011 a.a.O.), indem ihm vollständiges Datenmaterial als Grundlage zur Verfügung steht, betrifft Art. 25 Abs. 3 - wie bereits ausgeführt - nicht die inhaltliche, sondern die "technische" Seite der Einhaltung der Universaldienstverpflichtung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie, indem für die Endnutzer der tatsächliche Zugang sichergestellt wird. Nur im Zusammenhang mit dieser tatsächlichen Zugangsgewährung, also der physischen Verbindung zum Endnutzer als technischer Voraussetzung der Einhaltung der Universaldienstverpflichtung, ist überhaupt ein Sinn darin erkennbar, die Auferlegung von Verpflichtungen und Bedingungen nach Maßgabe des zur Erreichung der Regulierungsziele jeweils Erforderlichen den nationalen Regulierungsbehörden vorzubehalten. Denn hinsichtlich der Frage, welche Daten zu übermitteln sind, um eine umfassende Datenbank zu erstellen, durch die die inhaltliche Vollständigkeit des den Endnutzern zur Verfügung stehenden Teilnehmerverzeichnisses oder Telefonauskunftsdienstes als Universaldienst sichergestellt werden kann, besteht von vornherein kein Regelungsspielraum, weil Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie insoweit eine abschließende, von den Mitgliedstaaten unmittelbar umzusetzende Regelung enthält.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dieser teleologischen Auslegung nicht entgegengehalten werden, dass für eine Regelung zur Gewährleistung des Zugangs kein Bedürfnis bestanden habe, weil in der Praxis keine Fälle bekannt geworden seien, dass ein Telekommunikationsunternehmen den an sein Netz angeschlossenen Endnutzern jemals den Zugang zu einem Auskunftsdienst unzulässig verweigert habe. Ob tatsächlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union der technische Zugang zu allen Teilnehmerauskunftsdiensten immer gewährleistet gewesen ist, mag dahinstehen. Jedenfalls ist es nicht völlig fernliegend, dass der Richtliniengeber einen entsprechenden Regelungsbedarf gesehen hat. Soweit die Klägerin geltend macht, die nationalen Regulierungsbehörden könnten etwaigen sich aus mangelhafter Zusammenschaltung ergebenden Defiziten bereits unmittelbar nach Art. 5 der Zugangsrichtlinie entgegenwirken, ohne dass es hierzu noch der besonderen Bezugnahme in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie bedurft hätte, berücksichtigt sie nicht, dass es sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung handeln dürfte. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) der Zugangsrichtlinie zufolge sind die nationalen Regulierungsbehörden nur "in dem zur Gewährleistung des End-zu-End-Verbunds von Diensten erforderlichen Umfang (...) in begründeten Fällen" befugt, Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen aufzuerlegen, wozu in begründeten Fällen die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten. Durch die in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie enthaltene Bezugnahme auf Art. 5 der Zugangsrichtlinie bezweckt der Richtliniengeber erkennbar lediglich die Klarstellung, dass die in Art. 5 der Zugangsrichtlinie genannten zugangsbezogenen Verpflichtungen nicht nur generell in dem zur Gewährleistung des End-zu-End-Verbunds von Diensten erforderlichen Umfang, sondern speziell auch für die Bereitstellung von Teilnehmerauskunftsdiensten auferlegt werden können. Die Frage, ob ein "begründeter Fall" vorliegt, der gegebenenfalls auch die Auferlegung einer Verpflichtung zur Zusammenschaltung der Netze rechtfertigen kann, bedarf dann keiner weiteren Prüfung mehr.

36

Auch das Argument der Klägerin, dass der Richtliniengeber, wenn es ihm um den netzübergreifenden Zugang zu Auskunftsdiensten gegangen wäre, die Vorschrift des Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie ähnlich formuliert hätte wie Art. 25 Abs. 4, überzeugt nicht. Nach der zuletzt genannten Vorschrift halten die Mitgliedstaaten keine rechtlichen Beschränkungen aufrecht, die Endnutzer in einem Mitgliedstaat daran hindern, per Sprachtelefonanruf oder SMS unmittelbar auf Teilnehmerauskunftsdienste in einem anderen Mitgliedstaat zuzugreifen, und ergreifen Maßnahmen, um diesen Zugang gemäß Art. 28 der Universaldienstrichtlinie sicherzustellen. Die Vorschrift bezieht sich mithin nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf die Beseitigung solcher rechtlichen Beschränkungen des Zugangs, die sich unmittelbar aus den rechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Mitgliedstaates ergeben. Die in Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie den nationalen Regulierungsbehörden eingeräumte Befugnis zur Auferlegung von Verpflichtungen und Bedingungen zielt hingegen auf die Beseitigung von Zugangshindernissen in der Sphäre derjenigen Unternehmen, die die Zugangswege zu den Endnutzern kontrollieren.

37

Schließlich spricht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die in Satz 3 des 38. Erwägungsgrunds der Richtlinie 2009/136/EG erwähnte Möglichkeit der Mitgliedstaaten, "einen zentralen Mechanismus für die Übermittlung vollständiger zusammengefasster Informationen für die Anbieter von Verzeichnisdiensten einzuführen", gegen die Auslegung, dass die den Regulierungsbehörden nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie eingeräumten Befugnisse nur die physische Verbindung zum Endnutzer und damit die Erreichbarkeit der Teilnehmerauskunftsdienste in allen Netzen sicherstellen sollen. Zwar dürfte der Klägerin darin zuzustimmen sein, dass der im 38. Erwägungsgrund der Richtlinie erwähnte "zentrale Mechanismus" für die Übermittlung vollständiger zusammengefasster Informationen an die Anbieter von Verzeichnisdiensten im Wesentlichen dieselbe wettbewerbsfördernde Funktion wie die nach § 47 Abs. 1 und 2 TKG bereits unmittelbar kraft Gesetzes bestehende Weitergabeverpflichtung in Bezug auf Fremddaten erfüllen soll, nämlich den mit der Klägerin konkurrierenden Anbietern von Verzeichnis- und Auskunftsdiensten den "Datenbezug aus einer Hand" zu ermöglichen (vgl. Beschluss des Senats vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 6 C 20.08 - Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 2 Rn. 21). Der weiteren Annahme der Klägerin, dass sich der 38. Erwägungsgrund deshalb ausschließlich auf die Vorschrift des Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie beziehe und die Richtlinie damit die Befugnis zur Etablierung eines solchen zentralen Mechanismus durch Auferlegung entsprechender Verpflichtungen explizit den nationalen Regulierungsbehörden zuweise, kann indes nicht gefolgt werden. Satz 3 des 38. Erwägungsgrunds der Richtlinie 2009/136/EG behandelt nicht nur die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, einen zentralen Mechanismus für die Übermittlung vollständiger zusammengefasster Informationen für die Anbieter von Verzeichnisdiensten einzuführen, sondern auch diejenige, "Netzzugang zu angemessenen und transparenten Bedingungen bereitzustellen". Diese unterschiedlichen Aspekte werden in Art. 25 der Universaldienstrichtlinie erkennbar aufgegriffen, indem dort einerseits die Datenübermittlung (Art. 25 Abs. 2) und andererseits die Gewährleistung des Netzzugangs (Art. 25 Abs. 3) - mit jeweils unterschiedlichen Vorgaben - geregelt werden.

38

Das Argument der Klägerin, die den Mitgliedstaaten nach dem 38. Erwägungsgrund eröffnete Möglichkeit der Einführung eines zentralen Mechanismus für die Übermittlung vollständiger zusammengefasster Informationen für die Anbieter von Verzeichnisdiensten sei nur mit Blick auf Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie und im Kontext der Auferlegung von Verpflichtungen für die Bereitstellung von Teilnehmerverzeichnissen verständlich, weil nicht ersichtlich sei, auf welche Vorschrift sich der betreffende Erwägungsgrund mit dem darin angeführten "zentralen Mechanismus" sonst beziehen sollte, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Durch das Fehlen näherer Vorgaben zur Ausgestaltung sowie zu den inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen bringt der Richtliniengeber vielmehr erkennbar zum Ausdruck, dass die Entscheidung über die Einrichtung und Ausgestaltung des "zentralen Mechanismus" - im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV) - uneingeschränkt Sache der Mitgliedstaaten bleiben soll. Bei der Erwähnung der Möglichkeit der Einführung des zentralen Mechanismus für die Übermittlung vollständiger zusammengefasster Informationen für die Anbieter von Verzeichnisdiensten im 38. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/136/EG handelt es sich mithin um eine bloße Klarstellung, dass die Mitgliedstaaten insoweit (weiterhin) ohne Beschränkung durch das Unionsrecht Regelungen treffen können, die über die Mindestvorgaben der Richtlinie hinausgehen. Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, die Erwägungsgründe könnten sich grundsätzlich nicht auf die Beschreibung eines bereits bestehenden Rechtszustands beziehen, weil ihre Funktion in der Darlegung der Motive für die durch die Richtlinie geänderten Bestimmungen liege, geht sie von einer unzutreffenden Prämisse aus. Als Bestandteil des Rechtsakts geben die Erwägungsgründe in geraffter Form Aufschluss über die Zielorientierung und die Hintergründe des Rechtssetzungsvorhabens und verdienen daher bei der Ermittlung von Sinn und Zweck einer Vorschrift des Sekundärrechts besondere Beachtung (vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 19 EUV Rn. 15). Dies schließt nicht aus, dass die Erwägungsgründe auch Aussagen enthalten, die lediglich der Beschreibung und Klarstellung dienen. Die Erwägungsgründe der Richtlinie 2009/136/EG bieten hierfür umfangreiches Anschauungsmaterial.

39

3. Eine erneute Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV hält der Senat nicht für erforderlich. Wird danach eine Frage über die Auslegung der Verträge in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zwar zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts im Sinne der "acte-claire-Doktrin" (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, CILFIT - Slg. 1982, I-3415 = NJW 1983, 1257 <1258>) derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist nach der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union zu beurteilen. Hiervon ausgehend hält es der Senat mit Blick auf die dargelegten systematischen und teleologischen Erwägungen für ausgeschlossen, dass die Verpflichtungen und Bedingungen, zu deren Auferlegung die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 25 Abs. 3 Satz 2 der Universaldienstrichtlinie befugt sind, auch die Ausgestaltung der Datenüberlassungspflichten nach Art. 25 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie betreffen mit der Folge, dass die nationalen Gesetzgeber zwar die erforderlichen Ermächtigungsgrundlagen schaffen müssten, jedoch nicht mehr unmittelbar selbst derartige Verpflichtungen auferlegen dürften.

40

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 161 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten erledigt wurde, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie eine Kostenübernahmeerklärung (vgl. Nr. 5115 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) abgegeben hat. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Revisionsverfahren sind der Klägerin aufzuerlegen, weil sie - anders als noch im erstinstanzlichen Verfahren - einen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

(1) Im Sinne dieses Buches ist

1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen,
2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist,
3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist,
4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist,
5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht,
6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.

(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.

(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.

(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(1) Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, oder die auf Grund eines während der Minderjährigkeit erfolgten Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, beschränkt sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes; dasselbe gilt für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die der Minderjährige gemäß §§ 107, 108 oder § 111 mit Zustimmung seiner Eltern vorgenommen hat oder für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, zu denen die Eltern die Genehmigung des Familiengerichts erhalten haben. Beruft sich der volljährig Gewordene auf die Beschränkung der Haftung, so finden die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§ 1990, 1991 entsprechende Anwendung.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Verbindlichkeiten aus dem selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, soweit der Minderjährige hierzu nach § 112 ermächtigt war, und für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse dienten.

(3) Die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Mithaftende sowie deren Rechte aus einer für die Forderung bestellten Sicherheit oder aus einer deren Bestellung sichernden Vormerkung werden von Absatz 1 nicht berührt.

(4) Hat das volljährig gewordene Mitglied einer Erbengemeinschaft oder Gesellschaft nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt oder die Kündigung der Gesellschaft erklärt, ist im Zweifel anzunehmen, dass die aus einem solchen Verhältnis herrührende Verbindlichkeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit entstanden ist; Entsprechendes gilt für den volljährig gewordenen Inhaber eines Handelsgeschäfts, der dieses nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit einstellt. Unter den in Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen wird ferner vermutet, dass das gegenwärtige Vermögen des volljährig Gewordenen bereits bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden war.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt jugendhilferechtlichen Aufwendungsersatz für die Vollzeitpflege ihrer beiden Enkel im Zeitraum vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012.

2

Für die im Januar 2008 bzw. Oktober 2009 geborenen Kinder stand zunächst ihrer leiblichen Mutter, der Tochter der Klägerin, das alleinige Sorgerecht zu. Nach Angaben der Klägerin lebten die Kinder aber bereits seit Ende Februar 2008 bzw. Mai 2010 durchgehend bei ihr, da ihre Tochter nicht in der Lage gewesen sei, genügend für sie zu sorgen. Die Klägerin erhielt für sich und die Kinder Grundsicherungsleistungen. Mit Beschluss vom 20. Januar 2011 übertrug ihr das Amtsgericht die elterliche Sorge für beide Kinder. Am 12. Mai 2011 beantragte die Klägerin bei dem Jugendamt der Beklagten die Bewilligung von Vollzeitpflege für beide Kinder bei ihr als Pflegeperson. Anfang Januar 2012 teilte sie dem Jugendamt auf Nachfrage schriftlich mit, dass sie nicht gewillt sei, die Kinder kostenlos zu betreuen.

3

Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012 zurückgewiesen. Es bestehe kein Hilfebedarf, weil die Kinder schon vor Antragstellung beim Jugendamt von der Klägerin gut betreut worden seien. Eine Herausgabe der Kinder habe die Klägerin durchgängig abgelehnt.

4

Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, der Klägerin wirtschaftliche Jugendhilfe für beide Kinder für den streitigen Zeitraum zu gewähren.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Klage abgewiesen. Auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - auch wenn diese im Ergebnis unbefriedigend sei - stehe der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe in Form von Unterhaltsleistungen für ihre Enkel zu. Danach habe, weil sie diese zunächst unentgeltlich betreut habe, ein erzieherischer Bedarf nur entstehen können, wenn die Klägerin ihre Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege zurückgezogen und das Jugendamt der Beklagten ernsthaft vor die Alternative gestellt hätte, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste verzichten zu müssen. Das habe sie jedoch nicht getan.

6

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt eine Verletzung der §§ 27, 33 und 39 SGB VIII.

7

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung der Klägerin.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass ein personensorgeberechtigter Großelternteil, der den erzieherischen Bedarf eines Enkels zunächst unentgeltlich deckt, nur dann einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung haben kann, wenn er seine Bereitschaft zu unentgeltlicher Pflege zurückzieht und das Jugendamt ernsthaft vor die Alternative stellt, für seine Entlohnung zu sorgen oder aber auf seine Betreuungsdienste verzichten zu müssen, steht mit § 27 Abs. 1 und 2a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) nicht in Einklang. Das angegriffene Urteil beruht auf dieser Verletzung von Bundesrecht und stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

10

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Übernahme ihrer erforderlichen Aufwendungen für die von ihr in der Zeit vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012 erbrachte Vollzeitpflege ihrer Enkel.

11

Diese Bestimmung verleiht einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen. Das sind Hilfen, die - wie hier - vom Leistungsberechtigten selbst abweichend von § 36a Abs. 1 und 2 SGB VIII erbracht werden, ohne dass eine Entscheidung des Trägers der Jugendhilfe oder eine Zulassung durch diesen vorangegangen ist. Der Übernahmeanspruch setzt nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

12

1. Die Klägerin, die als Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und mithin Leistungsberechtigte ist, hat die Beklagte zu Beginn des Zeitraums, für den die Übernahme der Aufwendungen beansprucht wird, von dem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt (§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII). Dies geschah spätestens mit dem Antrag der Klägerin vom 12. Mai 2011, mit dem diese die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei der Beklagten beantragt hat.

13

2. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen im streitgegenständlichen Zeitraum vor. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege (§§ 27, 33, 39 SGB VIII) zu.

14

§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt dem Personensorgeberechtigten bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet (a) und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet (b) und notwendig (c) ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Nach § 33 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege Kindern oder Jugendlichen unter anderem entsprechend den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen (§ 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII). Wird Hilfe zur Erziehung unter anderem in Form der Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Danach konnte die Klägerin die Gewährung von Vollzeitpflege einschließlich des Unterhalts für ihre Enkel beanspruchen.

15

a) Ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war gegeben. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Sie verlangt damit, dass infolge einer erzieherischen Defizit- bzw. Mangelsituation ein entsprechender erzieherischer Bedarf begründet worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 5 B 56.05 - JAmt 2005, 524 f.; OVG Münster, Beschluss vom 22. September 2011 - 12 A 1596/10 - juris Rn. 18). Dabei ist danach zu fragen, ob diese Mangelsituation infolge des erzieherischen Handelns bzw. Nichthandelns der leiblichen Eltern des Minderjährigen eingetreten ist, diese also nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 19).

16

Nicht maßgeblich für die Feststellung des erzieherischen Bedarfs im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, ob ein Verwandter - wie hier die Klägerin als Großmutter - den Bedarf des Kindes (im Einvernehmen mit den Eltern) freiwillig deckt. Dadurch kann nicht der aus der Mangelsituation in der Herkunftsfamilie herrührende Bedarf als solcher, sondern nur die Notwendigkeit seiner Deckung durch den Träger der Jugendhilfe entfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <437> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.). Soweit der Senat in dem vorgenannten Urteil vom 12. September 1996 (a.a.O.) für die soeben bezeichnete Konstellation der freiwilligen Verwandtenpflege auch schon ein Entfallen des erzieherischen Bedarfs erwogen bzw. angenommen hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Die Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation besteht, ist nicht mit Blick auf denjenigen zu beantworten, der sich als Verwandter um das Kind kümmert und der deshalb ggf. die elterliche Sorge vom Familiengericht übertragen bekommen und ein Kind in Pflege genommen hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die vor dem In-Pflege-Nehmen oder einer sorgerechtlichen Entscheidung des Familiengerichts verantwortlichen Eltern oder anderen Sorgeberechtigten eine dem Wohl des Kindes förderliche Erziehung gewährleistet haben (vgl. etwa Schmid-Obkirchner, in: Wiesner , SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 16 m.w.N.).

17

Gemessen daran lag hier ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vor. Die Beteiligten gehen - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu Recht übereinstimmend davon aus, dass sich weder die Väter noch die alleinstehende und zunächst sorgeberechtigte Mutter der Kinder tatsächlich in dem erforderlichen Maße um die Pflege und Erziehung der Kinder gekümmert haben, so dass eine erzieherische Mangelsituation in der Herkunftsfamilie bestand.

18

b) Die Hilfe durch die Klägerin war auch geeignet im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, den bestehenden erzieherischen Bedarf im Hinblick auf die Entwicklung der Kinder zu decken.

19

Die Geeignetheit ist dabei nicht nur allgemein, sondern auch im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zur Erziehung - hier der in Rede stehenden Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) - zu überprüfen. Dabei kann die Vollzeitpflege durch Großeltern nur dann ein geeignetes Mittel zum Ausgleich eines Erziehungsdefizits sein, wenn die Großeltern ihrerseits als Pflegepersonen geeignet sind. Zur Geeignetheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gehört also auch, dass die Pflegepersonen zum einen eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten können und sich zum anderen auf die Kooperation mit dem Jugendamt einlassen und gegebenenfalls zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sind (DIJUF-Rechtsgutachten vom 1. März 2006, JAmt 2006, 129; Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 27 Rn. 36 jeweils m.w.N.). Dies folgt auch ausdrücklich aus § 27 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VIII, wonach die Person geeignet und bereit sein muss, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu decken. Großeltern - wie die Klägerin - bedürfen zwar keiner Pflegeerlaubnis (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII), ihre persönliche Eignung ist jedoch anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und damit insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet ist.

20

Hieran gemessen bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die in Rede stehende, von der Klägerin selbst geleistete Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) geeignet war, den erzieherischen Bedarf ihrer beiden Enkelkinder zu decken. Die Geeignetheit dieser Hilfeform lässt sich insbesondere aus den vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Umständen schließen, die im Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2012 und im Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012 festgestellt worden sind. Danach waren die Kinder bei der Klägerin gut untergebracht und betreut und ihre Erziehung sichergestellt. An der persönlichen Eignung der Klägerin, für die Pflege und Erziehung der Kinder zu sorgen, hat auch die Beklagte weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren Zweifel aufkommen lassen. Ebenso wenig ist die Bereitschaft der Klägerin, die Vollzeitpflege ihrer Enkelkinder nach § 27 Abs. 2a SGB VIII in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Beklagten entsprechend einem Hilfeplan zu leisten, ernsthaft in Frage gestellt worden.

21

c) Die Hilfe durch die Klägerin in Form der Vollzeitpflege war auch zur Deckung des erzieherischen Bedarfs ihrer Enkelkinder notwendig im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

22

Notwendig ist die Hilfe zur Erziehung, wenn sie zur Bedarfsdeckung erforderlich ist, weil andere Leistungen oder Maßnahmen des SGB VIII, die Hilfe Dritter oder die Eigenhilfe der Eltern nicht ausreichen, um den festgestellten erzieherischen Bedarf zu decken (vgl. Nellissen, in: jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 27 Rn. 46; Tammen/Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek , Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 27 Rn. 12; Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 27 Rn. 11). An die Notwendigkeit sind im Fall der Verwandtenpflege - hier der Pflege durch die Großmutter - keine erhöhten Anforderungen zu stellen. Die gegenteilige entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (aa). Die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Vollzeitpflege lässt sich auch nicht aus anderen Gründen verneinen (bb).

23

aa) Großeltern können gegenüber dem Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Vollzeitpflege von Enkelkindern (§ 27 Abs. 1, § 33 Abs. 1 SGB VIII) auch dann haben, wenn sie das Jugendamt nicht ernsthaft vor die Alternative stellen, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste zu verzichten. Soweit - woran das Berufungsgericht anknüpft - in der früheren Rechtsprechung des Senats die Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII von dieser Anforderung abhängig gemacht worden ist (BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <437> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.; ebenso Urteil vom 4. September 1997 - 5 C 11.96 - Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 4), hält der Senat daran nicht mehr fest. Die vorgenannte Rechtsprechung verhielt sich zur früheren Gesetzeslage und ist jedenfalls aufgrund nachfolgender Änderungen, namentlich der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII und des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729), überholt. Dies erschließt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.

24

Zwar ergeben sich aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 SGB VIII, der durch das vorgenannte Änderungsgesetz nicht modifiziert worden ist, keine näheren Hinweise und Grenzen dafür, wie das Merkmal der Notwendigkeit im vorliegenden Zusammenhang zu verstehen ist. Dass an den erhöhten Anforderungen, welche der Senat in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellt hat, nicht mehr festzuhalten ist, folgt jedoch aus systematischen (1) und teleologischen Erwägungen (2) sowie insbesondere aus den Gesetzesmaterialien (3).

25

(1) Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts lassen sich die in der früheren Rechtsprechung des Senats aufgestellten erhöhten Anforderungen für die Notwendigkeit von Hilfe zur Erziehung nicht damit rechtfertigen, dass die Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege der Enkelkinder „aufgrund der engen familiären Verbundenheit zwischen Großeltern und ihren Enkeln regelmäßig erwartet werden“ könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <439 f.> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 11). Dieser Erwägung liegt mehr eine ethische als eine rechtliche Bewertung zugrunde. Sie hat auch als solche im Gesetz keinen Niederschlag gefunden und vermag daher für sich genommen den rechtlichen Schluss nicht zu tragen. Rechtliche Wertungen, die sich unter anderem aus der Gesetzessystematik erschließen, legen vielmehr einen Verzicht auf die genannten Anforderungen nahe. Aussagekräftig ist dabei sowohl der Zusammenhang zwischen Absatz 1 und Absatz 2a des § 27 SGB VIII als auch der systematische Rückschluss aus § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII.

26

Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich - so stellt § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII klar -, entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Erhöhte Anforderungen dahingehend, die Notwendigkeit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Falle der Vollzeitpflege durch unterhaltspflichtige Großeltern von deren ernsthafter Bereitschaft, ohne wirtschaftliche Jugendhilfe die Betreuung der Enkel ganz zu beenden, abhängig zu machen, lassen sich weder dieser Regelung noch sonstigen Vorschriften des Achten Buches des Sozialgesetzbuches entnehmen. Derartige Anforderungen stünden vielmehr mit der Wertung des § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII in Widerspruch. Denn die Vorschrift erfasst mit dem Begriff der anderen unterhaltspflichtigen Personen gerade auch Großeltern und will mit der Festlegung, dass deren Unterhaltspflicht einem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung nicht entgegenstehen soll, die Gewährung an die Großeltern erleichtern, nicht aber durch erhöhte Voraussetzungen erschweren. Gleiches gilt für die ebenfalls mit § 27 Abs. 1 SGB VIII im Zusammenhang stehende Regelung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII. Danach ist, sofern die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind verwandt ist und diesem Unterhalt gewähren kann, die Höhe des zu gewährenden Pflegegeldes von einer Prüfung der Einkommensverhältnisse und gegebenenfalls von einer Ermessensentscheidung des Jugendhilfeträgers abhängig. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass die Unterhaltspflicht (und Fähigkeit zur Unterhaltsleistung) der Großeltern den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) grundsätzlich nicht ausschließen, sondern nur dazu führen soll, dass eine Kürzung des Pflegegeldes vorgenommen werden kann.

27

(2) Zudem sprechen der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 SGB VIII gegen die erhöhten Anforderungen an die Notwendigkeit im Rahmen der Verwandtenpflege. Zweck der Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII ist die Gewährleistung einer dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechenden Erziehung. Sofern die Großeltern aus ideellen Motiven und persönlicher Verbundenheit die Pflege der Enkelkinder übernehmen, ist die Gewähr für die Orientierung am Kindeswohl grundsätzlich höher als in Fällen, in denen es ihnen vornehmlich um materielle bzw. finanzielle Aspekte geht. Mit der genannten Anforderung, dass ein ernsthafter Wille des Großelternteiles bestehen müsse, ohne Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe die weitere Pflege seines Enkels tatsächlich einzustellen, wird dieser finanzielle Aspekt jedoch gerade in den Vordergrund gerückt. Handeln Großeltern allein aus diesem Gesichtspunkt heraus, kann dies eher ihre Eignung für die Vollzeitpflege der Enkelkinder in Frage stellen. Mithin sprechen der Sinn und Zweck der Vorschrift in gewichtiger Weise gegen die Statuierung der genannten Anforderungen. Hierauf weist auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11) zu Recht hin, soweit es ausführt, dass danach Großeltern nur dann in den Genuss wirtschaftlicher Jugendhilfe gelangten, wenn sie unter allen Umständen allein gegen Entgelt bereit seien, ihre Enkel zu betreuen (oder wahrheitswidrig diesen Eindruck erweckten), obwohl wegen dieser Einstellung Zweifel an ihrer Geeignetheit als Pflegeperson bestünden, während Großeltern, die aus persönlichem Verantwortungsgefühl für ihre Enkelkinder notfalls auch bereit seien, diese unentgeltlich zu betreuen, und die sich deshalb als geeigneter erwiesen als erstere, keinen Anspruch auf wirtschaftliche Jugendhilfe hätten.

28

(3) Dieses Gesetzesverständnis, d.h. das Absehen von den genannten erhöhten Anforderungen bei der Verwandtenpflege, wird durch die Ziele bestätigt, die der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) verfolgt hat. Er wollte damit nämlich gerade die Verwandtenpflege unter erleichterten Bedingungen zulassen. In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/3676 S. 35) wird dazu ausgeführt, es entspreche einer jahrzehntelangen Praxis, Vollzeitpflege als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur in Haushalten von Personen zu gewähren, die mit dem Kind oder Jugendlichen nicht (näher) verwandt seien, sondern auch in Haushalten von nahen Verwandten wie insbesondere Großeltern. Überdies hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, von den erhöhten Anforderungen, welche die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Großelternpflege geknüpft hat (nämlich den im Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 statuierten Erfordernissen, dass Großeltern die Betreuung ihres Enkelkindes nicht in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht leisten dürfen und zur unentgeltlichen Pflege nicht bereit sein müssen), Abstand nehmen zu wollen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil vom 12. September 1996 (a.a.O.) heißt es dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/3676 S. 35), dass gegen diese Rechtsprechung „unter fachlichen und rechtlichen Aspekten Kritik erhoben worden (dazu Happ, NJW 1998, 2409 = NDV 1998, 340)“ sei. Darüber hinaus führe der Ansatz dieser Rechtsprechung „zu kaum aufzulösenden Abgrenzungsproblemen mit der Sozialhilfe (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2003, 473)“. Daraus wird die Folgerung gezogen: „Der Entwurf will - anknüpfend an die Diskussion im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge - die Vollzeitpflege im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter den Voraussetzungen des § 27 auch für Großeltern offenhalten. Durch eine klarstellende Regelung soll künftig erreicht werden, dass allein die Bereitschaft von Großeltern und anderen unterhaltspflichtigen Personen den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege bei diesen Personen nicht ausschließt.“ In dieselbe Richtung deuten die Ausführungen des Gesetzgebers zur Einfügung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII durch dasselbe Änderungsgesetz im Jahre 2005 (BT-Drs. 15/3676 S. 36). Dort wird ausgeführt, es solle sichergestellt werden, „dass auch künftig Großeltern die Aufgabe von Pflegeeltern im Rahmen von Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27, 33 übernehmen können, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach § 27 vorliegen und der Hilfebedarf auf diese Weise gedeckt werden kann.“

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bb) Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das einen Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, zu Unrecht aufgrund der genannten überhöhten Anforderungen an die Verwandtenpflege abgelehnt hat, stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar. Zwar ist dem Träger der Jugendhilfe bei der Auswahl der notwendigen Hilfeleistung ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zuzuerkennen. Die Beklagte hat die Grenzen dieses Spielraums jedoch überschritten (1). Bei der Selbstbeschaffung der Jugendhilfeleistung durfte die Klägerin von der Notwendigkeit ihrer Hilfeleistung ausgehen (2).

30

(1) Die Beklagte hat die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 27 Abs. 1, § 33 Satz 1 SGB VIII) nicht mit Erwägungen abgelehnt, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Zwar ist die gerichtliche Kontrolldichte aufgrund der Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) beschränkt. Weil danach der Hilfeplan eine unverzichtbare Voraussetzung der Gewährung von Jugendhilfe bildet, ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit entscheidend, ob die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. des Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1999 - 5 C 24.98 - BVerwGE 109, 155 <167> und vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 32).

31

Auch bei Zugrundelegung dieses Einschätzungsspielraums erweist sich die Ablehnungsentscheidung der Beklagten jedoch als rechtswidrig. Diese ist nicht durchweg von fachlichen Gründen getragen, welche die Geeignetheit oder die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Hilfe nachvollziehbar verneinen. Vielmehr hat sich das Jugendamt der Beklagten an unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgerichtet, indem es die Gewährung von Hilfe zur Erziehung maßgeblich mit der Erwägung abgelehnt hat, dass kein Hilfebedarf bestehe, weil die Kinder schon vor Antragstellung von der Klägerin gut betreut worden seien. Damit hat das Jugendamt der Beklagten verkannt, dass es - wie oben dargelegt - bei der Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation vorliegt und damit ein erzieherischer Bedarf besteht, nicht auf die Situation in der Pflegefamilie, sondern auf diejenige in der Herkunftsfamilie (der Eltern) ankommt. Weil auch sonst fachlich durchgreifende Gründe für die Verweigerung der Leistung fehlten, war die Hilfeplanung der Beklagten insoweit als defizitär anzusehen, so dass die Steuerungsverantwortung des Jugendamts der Aufwendungserstattung für die selbst beschaffte Hilfe hier nicht entgegensteht.

32

(2) Bei der Selbstbeschaffung durfte die Klägerin von der Notwendigkeit der geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege ausgehen.

33

Hat das Jugendamt nicht rechtzeitig oder - wie hier - nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise über eine begehrte Hilfeleistung entschieden und beschafft sich ein Leistungsberechtigter daraufhin die begehrte Leistung im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII selbst, so kann er an Stelle des Jugendamtes den sonst diesem zustehenden und nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation ist er - obgleich ihm der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen mit der Folge, dass sich die Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung des Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung des Leistungsberechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr im Nachhinein nicht etwa mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet oder notwendig gehalten (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 34 m.w.N.).

34

Daran gemessen bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Klägerin von der Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung ausgegangen ist. Sie durfte die Aufnahme der Kinder in ihren Haushalt und die Gewährung von Vollzeitpflege als erforderlich ansehen, um das bestehende erzieherische Defizit in der Herkunftsfamilie (ihrer Tochter) zu decken.

35

3. Die von der Klägerin erbrachte Vollzeitpflege duldete auch keinen zeitlichen Aufschub im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Der erkennende Senat ist im Zusammenhang mit der sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt stets davon ausgegangen, dass schon während des Verwaltungsverfahrens ein unaufschiebbarer Bedarf vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 5 C 26.92 - BVerwGE 96, 152 <158>). Nichts anderes gilt, wenn es - wie hier - um die Deckung des erzieherischen Bedarfs von Kleinkindern durch jugendhilferechtliche Maßnahmen und die Sicherstellung des Unterhalts geht (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 21).

36

4. Was die Rechtsfolge des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII betrifft, so ist die Klägerin danach so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die (selbst beschaffte) Jugendhilfeleistung, auf die ein Anspruch bestand, rechtzeitig bewilligt worden wäre. Denn in Fällen der vorliegenden Art entspricht der Umfang der nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII von der Beklagten zu übernehmenden erforderlichen Aufwendungen dem Betrag, der bei rechtzeitiger Gewährung der Leistung vom Jugendhilfeträger nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 22 f.).

37

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts B. vom 17. Mai 2016 - B 3 K 16.183 - wird aufgehoben.

II.

Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.Der Kläger begehrt Gewährung von Vollzeitpflege für seinen Sohn Veron durch dessen Großmutter als Pflegeperson. Er ist Vater zweier Kinder, Valero, geb. am ... 2009 und Veron, geb. am ... 2014. Seine Frau verstarb am ... 2014 bei einem Autounfall, bei dem auch die beiden gemeinsamen Kinder mit ihr auf der Rückbank des verunglückten Fahrzeugs saßen und erheblich verletzt wurden. Veron erlitt aufgrund des Umstandes, dass er aus dem Fahrzeug herausgeschleudert wurde, ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Impressions-Kalottenfraktur, eine kleine Epiduralblutung und eine sehr kleine intraparenchymatöse Blutung. In der Behandlung zeigte Veron Krampfanfälle und eine (Blutungs-) Anämie sowie Rumpfhypotonie und Linksseitenschwäche. Insoweit zeigte sich bei der Motorik der Arme eine leichte Schwäche, die im Behandlungsverlauf rückläufig war. Wie sich die Unfallverletzungen auf Verons weitere Entwicklung auswirken, konnte noch nicht abgeschätzt werden. Das Kind Valero zog sich bei dem Unfall eine Unterarmfraktur zu. Seit dem Unfall ist der Kläger alleiniger Inhaber der elterlichen Sorge. Am 9. August 2014 bevollmächtigte er die Großmutter der Kinder, das elterliche Sorgerecht für ihn wahrzunehmen.

1. Unter dem 8. Oktober 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er aufgrund seiner Berufstätigkeit nur die Pflege seines Kindes Valero zu leisten vermöge. Das Kind Veron befinde sich bei seiner Großmutter. Es benötige „Mutterliebe“. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 teilte der inzwischen eingeschaltete Rechtsanwalt B. der Beklagten mit, dass für die Großmutter ein rechtsmittelfähiger Bescheid über das beantragte Pflegegeld für Veron begehrt werde. Daraufhin erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Dezember 2014, dass kein Antrag auf Pflegegeld vorliege. Einen solchen müsse der Kläger stellen. Mit Schreiben vom 20. Januar 2015 leitete Rechtsanwalt B. den Antrag des Klägers auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege an die Beklagte weiter. Zur Begründung führte er aus, der Kläger müsse ab Juli wieder arbeiten, so dass sich die Großmutter während der Arbeitszeit um beide Kinder kümmern müsse.

2. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2015 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erziehung des Kindes Veron sei gesichert. Die bloße Berufstätigkeit des Klägers reiche als Grund für eine Erziehungshilfe nicht aus.

Am 31. März 2015 beendete der Kläger seine Elternzeit und begann ab 1. April 2015 als Staplerfahrer in Vollzeit zu arbeiten. Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 stellte auch die Großmutter einen Antrag auf Vollzeitpflege, woraufhin die Beklagte ihr mit Schreiben vom 3. Juni 2015 mitteilte, dass sie nicht antragsberechtigt sei.

3. Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 stellte der Kläger (erneut) einen Antrag auf Erziehungshilfe in Form von Vollzeitpflege, welchen die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. Juli 2015 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, die bloße Berufstätigkeit eines alleinerziehenden Elternteils begründe keinen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Es müssten weitere Gründe in Form von erzieherischen Schwierigkeiten hinzukommen. Solche lägen nicht vor. Andere Hilfearten wie die Unterbringung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege habe der Kläger abgelehnt.

4. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 3. August 2015 Widerspruch ein. Nicht seine Berufstätigkeit, sondern der Tod seiner Ehefrau und die damit verbundenen Probleme, die Kinder zu ihrem Wohl zu erziehen, seien ausschlaggebend für seinen Antrag. Veron benötige aufgrund des Verlustes seiner Mutter mehr Aufmerksamkeit als vergleichbare Kinder. Ambulante Hilfen reichten nicht aus, da sie die aktuellen Bindungen zerstörten, was für Veron traumatisch wäre. Anlässlich eines Hausbesuchs des Jugendamts am 30. September 2015 erklärte die Großmutter, dass sie keine sozialpädagogische Anleitung für die Betreuung und Versorgung benötige. Veron sehe seinen Bruder täglich und seinen Vater alle zwei Tage.

5. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2016 wies die Regierung von Oberfranken den Widerspruch zurück. Anlässlich des Hausbesuchs am 30. September 2015 seien keine erhöhten Fürsorge- und Aufmerksamkeitsbedürfnisse bei Veron festgestellt worden. Ungeachtet dessen bestünden an der Geeignetheit der Großmutter als Pflegestelle für Veron ernstzunehmende Zweifel, weil sie im Rahmen des Hausbesuches angegeben habe, keine sozialpädagogische Anleitung bei der Betreuung zu benötigen.

6. Mit Schriftsatz vom 2. März 2016 ließ der Kläger hiergegen Klage mit dem Antrag erheben, den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2016 aufzuheben und diese zu verpflichten, ihm Erziehung in Vollzeitpflege in Form der Verwandtenpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII zu gewähren und Pflegegeld nach § 39 SGB VIII zu zahlen. Mit weiterem Schreiben vom 29. März 2016 beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Bei ersten Krabbelversuchen von Veron hätten sich motorische Probleme ergeben. Mit dem Laufen habe Veron erst mit 14 bzw. 15 Monaten, also vergleichsweise spät, begonnen. Seitens des Klinikums B. bestehe die nachdrückliche Empfehlung, mit Veron sehr vorsichtig umzugehen, da etwaige weitere Kopftraumata im Hinblick auf die unfallbedingten Verletzungen und deren Folgen kritisch zu bewerten seien. Unter Berücksichtigung des Alters von Veron könne noch nicht abgeschätzt werden, inwieweit sich der Unfall auch auf seine kognitiven Fähigkeiten ausgewirkt habe. Auch das Kind Valero sei durch den Unfall verletzt und vor allem psychisch traumatisiert worden. Die daraus resultierende Problematik bedürfe kontinuierlicher Behandlung und Zuwendung. Der Ablehnungsbescheid berücksichtige die schweren unfallbedingten Verletzungen von Veron und deren Folgen wie Krampfanfallneigung, Rumpfhypotonie und Linksseitenschwäche nicht. Hieraus ergebe sich ein überdurchschnittlicher Betreuungsaufwand. Ungeachtet dessen seien bereits konkrete Entwicklungsdefizite aufgetreten. Insoweit reichten weder eine ambulante Hilfe noch die Betreuung in einer Kindertagesstätte aus. Erforderlich sei eine individuelle Betreuung durch eine mit der konkreten Problematik vertraute Person. Eine solche könne nur die Großmutter bieten. Der Kläger selbst sei mit der von ihm zu leistenden überdurchschnittlich anspruchsvollen Erziehung von Valero belastet. Die Erziehung beider Kinder könne er nicht bewerkstelligen. Anlässlich des Hausbesuchs am 30. September 2015 habe die Großmutter lediglich klarmachen wollen, dass sie sich durchaus in der Lage sehe, das Kind zu versorgen. Aufgrund ihres nur gebrochenen Deutsches sei es wohl zu einem Missverständnis gekommen. Eine mangelnde Kooperationsbereitschaft mit dem Jugendamt liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2016 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen. Anlässlich des Hausbesuchs seien keine erhöhten Fürsorge- und Aufmerksamkeitsbedürfnisse bei Veron festgestellt worden. Das verspätete Laufen-Lernen an sich begründe noch keine Entwicklungsverzögerung. Ein erhöhter Betreuungsaufwand sei weder im Hilfeantrag, noch bei den Gesprächen thematisiert worden, noch habe die Fachkraft beim Hausbesuch einen solchen erkennen können. Ein besonderer, nur durch die Erziehung durch die Großmutter zu deckender erzieherischer Bedarf sei nicht ersichtlich. Dem Kläger seien ambulante Hilfen zur Erziehung in Form von Tagespflege oder Unterbringung in einer Kindertagesstätte für die Zeit seiner berufsbedingten Abwesenheit angeboten worden. Gründe, warum der Kläger sich in seiner arbeitsfreien Zeit nicht selbst um seine Söhne kümmern könne, seien ebenso wenig ersichtlich wie eine Einschränkung der Erziehungseignung des Klägers. Soweit sich der Kläger nicht in der Lage sehe, beide Kinder zu erziehen, sei eine pädagogische Familienhilfe denkbar. Der Kläger habe die angebotenen Hilfen von vorneherein abgelehnt.

7. Mit Beschluss vom 17. Mai 2016, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 20. Mai 2016, lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage ab. Nach summarischer Prüfung bestehe kein für die Gewährung einer Vollzeitpflege ausreichender erzieherischer Bedarf. Die behauptete Mangelsituation liege ausschließlich darin, dass der Kläger neben seiner Berufstätigkeit keine Zeit für die Kinder habe. Ein „echter“ erzieherischer Bedarf Verons, der zur Gewährung von Vollzeitpflege führen könne, sei - jedenfalls derzeit - nicht ersichtlich. Ein (angeblich) verspätetes Laufen-Lernen beruhe nicht auf erzieherischen Defiziten, sondern auch - und wahrscheinlicher - auf den unfallbedingten medizinischen Indikationen.

Ungeachtet dessen stehe der Beklagten als Jugendhilfeträger für die konkreten Hilfemaßnahmen ein Entscheidungsspielraum zu. Dieser sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Fehler bei der Auswahl der vorgeschlagenen Hilfen zur Erziehung seien nicht ersichtlich. Eine Verengung des Spielraums auf die Vollzeitpflege durch die Großmutter als einzige taugliche Maßnahme sei nicht zu erkennen. Soweit der Kläger anführe, dass nur durch die kontinuierliche Pflege einer mit der Gesamtsituation vertrauten Person eine ausreichende Versorgung von Veron sichergestellt werden könne, sei dem entgegenzuhalten, dass sich aus den medizinischen Gutachten und fachlichen Einschätzungen ergebe, dass Veron weitgehend normal entwickelt sei. Ungeachtet dessen stelle eine bloße Arbeitserleichterung im Umgang mit den Kindern ohne Hilfe im erzieherischen oder entwicklungsbezogenen Bereich keine Maßnahme der Hilfe zur Erziehung dar. Auf die Frage der Geeignetheit der Großmutter als Pflegeperson komme es damit nicht an. Ferner seien auch dem Kläger tatsächlich entstandene Kosten aktuell nicht ersichtlich.

8. Mit der am 3. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ein erzieherischer Bedarf liege nicht nur oder erst dann vor, wenn bei einem Kind oder Jugendlichen körperliche oder geistige Reifedefizite festzustellen seien, sondern könne sich ohne Weiteres auch bereits aus tatsächlichen objektiven Umständen, wie etwa dem Wegfall der Mutter ergeben, ohne dass es darüber hinaus der positiven Feststellung etwa einer Reifeverzögerung bedürfe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein „echter erzieherischer Bedarf Verons“, sei nicht ersichtlich, könne die Ablehnung von Prozesskostenhilfe infolgedessen nicht rechtfertigen. Soweit in der angefochtenen Entscheidung darüber hinaus die Auffassung vertreten werde, aus den vorliegenden medizinischen Gutachten und fachlichen Einschätzungen ergebe sich, dass Veron weitgehend normal entwickelt sei und damit keinerlei Anhaltspunkte für die vorgebrachten Befürchtungen bestünden, werde einer im Hauptsacheverfahren durchzuführenden Beweiserhebung in unzulässiger Weise vorgegriffen. Bislang seien keine Gutachten eingeholt worden, die sich mit der Frage physischer und psychischer Langzeitfolgen für Veron aufgrund des Unfallereignisses beschäftigten. Insoweit sei Beweis durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten angeboten worden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts erweise sich deshalb als unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Das Kind habe aufgrund des Unfalls schwerste Verletzungen davon getragen, die eine besondere Betreuungsbedürftigkeit nachvollziehbar erscheinen ließen und deshalb Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts böten. Aus der zuletzt seitens der Großmutter tatsächlich geleisteten Betreuung dürfe nicht geschlossen werden, dass diese auch in Zukunft zur unentgeltlichen Aufrechterhaltung dieser Leistung bereit sei. Vielmehr habe die Großmutter mit ihrer eigenen Antragstellung auf Zahlung eines Pflegegeldes deutlich gemacht, dass sie nur bei entsprechender finanzieller Unterstützung bereit sei, diese weiterhin zu gewähren.

Die Beklagte tritt dem in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2016 entgegen. Sie verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Ein Bedarf für eine Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII bestehe entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Das Jugendamt sei im Rahmen der jugendhilferechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass der erzieherische Bedarf des Kindes durch ambulante Hilfen gedeckt werden könne. Dem Kläger sei die Unterbringung des Kindes während der Arbeitszeit in einer Kindertageseinrichtung bzw. in Kindertagespflege angeboten worden. Um einer Überforderung des Klägers bei der Erziehung entgegenzuwirken, komme der Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe in Betracht. Solche Hilfen habe der Kläger jedoch abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zu Unrecht versagt. Der beabsichtigten Klage kann gemessen am spezifischen prozesskostenhilferechtlichen Erfolgsmaßstab einer lediglich summarischen Prüfung - jedenfalls nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand - eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Klage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 166 Rn. 8 m. w. N.). Mit Blick auf die Rechtschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten dürfen die Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Vor allem ist es unzulässig, schwierige Sach- und Rechtsfragen, die in einer vertretbaren Weise auch anders beantwortet werden können, bereits in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu erörtern und damit den Zugang zu den Gerichten zu versagen (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.2003 - 1 BVR 1526/02 -, NJW 2003, 1857). Gleiches gilt, wenn der vom Kläger eingenommene Standpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung offen steht (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 166 Rn. 26). Ungeachtet dessen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, Prozesskostenhilfe grundsätzlich dann zu bewilligen, wenn im jeweiligen Verfahren eine weitere Sachaufklärung oder gar eine Beweiserhebung in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2013 - 12 C 13.280 - juris; B. v. 18.2.2013 -12 C 12.2105 - juris; B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn. 10).

2. Gemessen an diesem Maßstab durfte dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung nicht versagt werden:

a) § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt dem Personensorgeberechtigten bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet (aa) und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet (bb) und notwendig (cc) ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Nach § 33 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege Kindern oder Jugendlichen unter anderem entsprechend den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform in einer anderen Familie bieten. Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen (§ 27 Abs. 2 a Halbs. 1 SGB VIII). Allein die Bereitschaft anderer unterhaltspflichtiger Personen, dem Kind oder Jugendlichen in ihrer Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform zu bieten, schließt infolgedessen den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege bei diesen Personen grundsätzlich nicht aus. Für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung kommt es deshalb ausschließlich darauf an, dass ein erzieherischer Bedarf besteht, der durch die leiblichen Eltern des Kindes oder Jugendlichen nicht erfüllt wird, und die Erziehung in der Familie der anderen unterhaltspflichtigen Person dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen angemessen Rechnung trägt. Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat der Sorgeberechtigte einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege einschließlich der Annexleistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen nach § 39 SGB VIII, da nahe Verwandte insoweit eine „andere Familie“ darstellen (vgl. hierzu näher Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 27 Rn. 26 a).

Übernehmen die Großeltern eines Kindes oder Jugendlichen dessen Vollzeitpflege so erfolgt diese Pflege auch dann „in einer anderen Familie“ im Sinne des § 33 Satz 1 SGB VIII und „außerhalb des Elternhauses“ im Sinne des § 27 Abs. 2 a SGB VIII und des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, wenn die Eltern des Kindes ebenfalls bei den Großeltern wohnen (vgl. BVerwG, U. v. 1.3.2012 - 5 C 12/11 -, BVerwGE 142, 115 [118] Rn. 14). Selbstverständlich müssen die Großeltern bereit und in der Lage sein, den Hilfebedarf in Kooperation mit dem Jugendamt nach Maßgabe der §§ 36, 37 SGB VIII zu decken und insoweit die Rechte und Pflichten von nicht verwandten Pflegepersonen wahrnehmen. Als Pflegepersonen geeignet sind sie dann, wenn sie die erzieherische Mangelsituation im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen tatsächlich günstig beeinflussen können, Verpflichtungen zur Kooperation mit dem Jugendamt eingehen, und zur Annahme unterstützender Leistungen bereit und im Stande sind (vgl. näher Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 27 Rn. 26 c).

§ 27 Abs. 2 a SGB VIII stellt für die Gewährung erzieherischer Hilfen klar, dass eine (abstrakte) Unterhaltspflicht naher Verwandter für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung irrelevant ist. Lediglich bei der Festsetzung des monatlichen Pauschalbetrages zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes oder Jugendlichen nach § 39 SGB VIII kommt eine nach § 1601 BGB dem Grunde nach bestehende Unterhaltspflicht naher Verwandter zum Tragen. § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII räumt dem Jugendamt einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Kürzung des die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betreffenden Teils des Pflegegeldes ein, wenn die Pflegeperson mit dem Pflegekind in gerader Linie verwandt und im Sinne des Unterhaltsrechts leistungsfähig ist (vgl. Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 27 Rn. 26 e). Mit der Bestimmung des erzieherischen Bedarfs zur Richtschnur für die Art und den Umfang der Hilfe kommt gleichzeitig zum Ausdruck, dass die Berücksichtigung finanzieller Aspekte sachwidrig ist (so ausdrücklich Schmid-Obkirchner, a. a. O., § 27 Rn. 61).

aa) Ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht (mehr) gewährleistet ist, mit anderen Worten, dass infolge einer erzieherischen Defizit- oder Mangelsituation ein entsprechender erzieherischer Bedarf hervorgerufen wird (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 15 C 32/13 -, BVerwGE 151, 44 [47 f.] Rn. 15 m. w. N.). Insoweit genügt bereits jeder objektive Ausfall der Erziehungsleistung, beispielsweise in Folge von Krankheit oder Tod (vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Auflage 2016, § 27 Rn. 2; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl.2012, § 27 Rn. 25; Stähr, in: Hauck, SGB VIII, 35. Lfg. X/06, § 27 Rn. 23). Ein erzieherischer Bedarf im Sinne des § 27 Abs. 1 und 2 SGB VIII kann sich daher - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch schon alleine daraus ergeben, dass ein Elternteil des Kindes verstirbt und niemand vorhanden ist, der an dessen Stelle die für die Erziehung des Kindes erforderlichen Leistungen (unentgeltlich) erbringt. Ein (weiteres) erzieherisches Defizit ist darüber hinaus nicht erforderlich (vgl. OVG Bremen, U. v. 16.11.2005 - 2 A 111/05 - juris, Rn. 39).

Das Vorliegen eines erzieherischen Bedarfs unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff umfassender richterlicher Kontrolle (vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Auflage 2016, § 27 Rn. 13). Bei dieser ist stets danach zu fragen, ob die Mangelsituation infolge des erzieherischen Handelns- oder Nichthandelns der leiblichen Eltern des Minderjährigen eingetreten ist, diese also nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, U. v. 1.3.2012 - 5 C 12.11 -, BVerwGE 142, 115 [121] Rn. 19; U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [47 f.] Rn. 15). Unerheblich für die Feststellung des erzieherischen Bedarfs im Sinne vom § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist hingegen, ob ein Verwandter - wie hier die Großmutter - den Bedarf des Kindes (im Einvernehmen mit dem überlebenden Elternteil) freiwillig deckt. Dadurch kann nicht der aus der Mangelsituation in der Herkunftsfamilie herrührende Bedarf als solcher, sondern nur die Notwendigkeit seiner Deckung durch den Träger der Jugendhilfe entfallen (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [48] Rn. 16). Die Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation besteht, ist mithin nicht mit Blick auf denjenigen zu beantworten, der sich als Verwandter um das Kind kümmert, ggf. die elterliche Sorge übertragen bekommen und ein Kind in Pflege genommen hat. Entscheidungserheblich ist vielmehr allein, ob die vor dem In-Pflege-Nehmen verantwortlichen Eltern oder anderen Sorgeberechtigten eine dem Wohl des Kindes förderliche Erziehung gewährleistet haben (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [48] Rn. 16 m. w. N.).

Gemessen an diesem Maßstab liegt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf der Hand. Ein solcher ist - wie oben dargelegt - bereits bei einem objektiven Ausfall der Erziehungsleistung - beispielsweise durch Krankheit oder Tod eines Elternteils - gegeben. Diese Voraussetzung ist hier aufgrund des Unfalltodes der Mutter erfüllt. Ein zusätzliches Erziehungsdefizit ist - anders als das Verwaltungsgericht meint - nicht erforderlich. Der berufstätige Kläger kann eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung der beiden Kinder angesichts deren Alters alleine nicht sicherstellen. Aufgrund der schweren unfallbedingten Verletzungen und der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorhandenen Traumatisierung durch den Verlust der Mutter bedarf das Kind Veron besonderer emotionaler Zuwendung durch eine ihm bereits vertraute Bezugsperson, insbesondere weil es wohl gerade erst beginnen dürfte, den Verlust der Mutter tatsächlich zu realisieren. Jedenfalls aber dürfte eine Trennung von der die Betreuung bislang gewährleistenden Großmutter für den Fall der von der Beklagten vorgeschlagenen Betreuung in einer Tagespflege oder einer Tageseinrichtung eine solche Traumatisierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bewirken. Welchen Umfang die Beeinträchtigungen im konkreten Einzelfall erreichen und welche Konsequenzen für die weitere Hilfegewährung hieraus gegebenenfalls zu ziehen sind, ist - sofern die Beklagte deren Vorhandensein wider Erwarten weiterhin bestreiten und ambulante Maßnahmen für ausreichend erachten sollte - durch Einholung des vom Klägerbevollmächtigten bereits beantragten Sachverständigengutachtens zu klären. Soweit die zuständige Diplomsozialpädagogin des Beklagten in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, das Argument des Klägers, sein Kind benötige „Mutterliebe“, sei „nicht von Bedeutung“ (vgl. Aktenvermerk vom 14.10.2014, Bl. 1 d. Behördenakte), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Ganz offensichtlich hat jedoch diese, nicht nur von jeder Sachkenntnis, sondern zugleich auch von einem Mindestmaß an Empathie freie Einschätzung den weiteren Gang des Verfahrens durch sämtliche bisherigen Instanzen maßgeblich bestimmt.

bb) Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist auch ausschließlich die Großmutter geeignet, den Kindern die Mutter zu ersetzen, die erforderliche „Nestwärme“ zu vermitteln und den erzieherischen Bedarf von Veron - gerade auch im Hinblick auf die erforderliche emotionale Zuwendung infolge der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorhandenen Traumatisierung aufgrund des Verlustes der Mutter - zu decken. Dass die Großmutter eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten kann, steht ernsthaft nicht in Zweifel. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht mit dem Jugendamt kooperieren und ggf. zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sein wird, sind nicht ersichtlich. Allein die Einlassung der Großmutter anlässlich des Hausbesuchs des Jugendamts vom 30. September 2015, sie benötige für die Betreuung und Versorgung von Veron keine sozialpädagogische Anleitung, vermag eine gegenteilige Schlussfolgerung nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet dessen hat die Großmutter inzwischen auch ausdrücklich erklären lassen, grundsätzlich kooperationsfähig und -willig zu sein. Die Bereitschaft der Großmutter, die Vollzeitpflege ihres Enkelkindes nach § 27 Abs. 2 a SGB VIII in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Beklagten entsprechend einem Hilfeplan zu gewährleisten, steht daher ernsthaft nicht in Frage.

cc) Ebenso wenig bestehen Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit der Hilfe in Form der Vollzeitpflege zur Deckung des erzieherischen Bedarfs des Kindes Veron im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

Notwendig ist Hilfe zur Erziehung dann, wenn sie zur Bedarfsdeckung erforderlich ist, weil andere Leistungen oder Maßnahmen des SGB VIII, die Hilfe Dritter oder die Eigenhilfe der Eltern nicht ausreichen, um den festgestellten erzieherischen Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [50] Rn. 22 m. w. N.). Erziehungsberechtigte können gegenüber dem Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Vollzeitpflege von Enkelkindern (§ 27 Abs. 1, § 33 Abs. 1 SGB VIII) durch die Großeltern auch dann haben, wenn diese das Jugendamt nicht ernsthaft vor die Alternative stellen, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste zu verzichten (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [50] Rn. 23). Erhöhte Anforderungen dahingehend, die Notwendigkeit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Falle der Vollzeitpflege durch unterhaltspflichtige Großeltern von deren ernsthafter Bereitschaft, ohne wirtschaftliche Jugendhilfe die Betreuung der Enkel ganz zu beenden, abhängig zu machen, lassen sich weder aus § 27 Abs. 2 a Halbs. 1 SGB VIII noch aus sonstigen Vorschriften des Achten Buches des Sozialgesetzbuchs entnehmen. Derartige Anforderungen stünden vielmehr mit der Wertung des § 27 Abs. 2 a Halbs. 1 SGB VIII in Widerspruch. Denn die Vorschrift erfasst mit dem Begriff der anderen unterhaltspflichtigen Personen, gerade auch Großeltern und will mit der Festlegung, dass deren Unterhaltspflicht einem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung nicht entgegenstehen soll, die Gewährung an die Großeltern erleichtern, nicht aber durch erhöhte Voraussetzungen erschweren. Gleiches gilt für die ebenfalls mit § 27 Abs. 1 SGB VIII in Zusammenhang stehende Regelung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII. Danach ist, sofern die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind verwandt ist und diesem Unterhalt gewähren kann, die Höhe des zu gewährenden Pflegegeldes von einer Prüfung der Einkommensverhältnisse und ggf. von einer Ermessensentscheidung des Jugendhilfeträgers abhängig. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass die Unterhaltspflicht (und Fähigkeit) zur Unterhaltsleistung der Großeltern den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) grundsätzlich nicht ausschließen, sondern nur dazu führen soll, dass eine Kürzung des Pflegegeldes vorgenommen werden kann (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [51 f.] Rn. 26).

Dem Träger der Jugendhilfe ist zwar bei der Auswahl der notwendigen Hilfeleistung ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zuzuerkennen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich deshalb grundsätzlich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche und rechtliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [167]; U. v. 18.10.2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1 [9 f.] Rn. 32; U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [54] Rn. 30).

Allerdings dürfte sich die Ablehnungsentscheidung der Beklagten auch bei Zugrundelegung dieses Einschätzungsspielraums als rechtswidrig erweisen. Die Auffassung der Beklagten ist nicht von fachlichen Gründen getragen, welche die Geeignetheit oder die Notwendigkeit der von der Großmutter geleisteten Hilfe nachvollziehbar verneinen. Vielmehr hat sich das Jugendamt - wie auch das Verwaltungsgericht - an unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgerichtet, in dem es die Gewährung von Hilfe zur Erziehung maßgeblich mit der Erwägung abgelehnt hat, dass bereits kein Hilfebedarf bestehe (vgl. hierzu auch BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [54 f.] Rn. 31). Damit hat das Jugendamt der Beklagten - wie auch das Verwaltungsgericht - verkannt, dass es bei der Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation vorliegt und damit ein erzieherischer Bedarf besteht, nicht auf die Situation in der aktuellen Pflegefamilie (der Großmutter), sondern auf die diejenige in der Herkunftsfamilie (der Eltern) ankommt (vgl. BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [47 f.; 54] Rn. 15 u. 16; 31), die durch den unfallbedingten Tod der Mutter und den dadurch bedingten Verlust der maßgeblichen Bezugsperson für das zu diesem Zeitpunkt erst zwei Monate alte Kind und eben nicht (allein) durch die (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des nunmehr alleinerziehenden Vaters geprägt ist, die für sich gesehen einen Bedarf für Hilfe zur Erziehung noch nicht in jedem Falle zwingend auslösen würde (vgl. hierzu Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 27 Rn. 25; Stähr, in: Hauck, SGB VIII, 35. Lfg. X/06, § 27 Rn. 30). Gleichwohl ist allerdings auch insoweit zu berücksichtigen, dass von einem alleinerziehenden Elternteil - zumal dann, wenn er in prekären finanziellen Verhältnissen lebt - die Aufgabe einer Berufstätigkeit zur Beseitigung einer defizitären Erziehungssituation wohl kaum erwartet werden kann. Kommen in derartigen Fällen Betreuungs- und Unterstützungsangebote nach §§ 20, 21 SGB VIII mangels Rückkehrperspektive des ausgefallenen Elternteils (vgl. hierzu Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 20 Rn. 16) nicht in Betracht, so kann durchaus eine Hilfenotwendigkeit nach § 27 Abs. 1 SGB VIII begründet sein (so zutreffend Stähr, in: Hauck, SGB VIII, 35. Lfg. X/06, § 27 Rn. 30; Kunkel/Kepert, a. a. O., § 20 Rn. 16 u. § 27 Rn. 2).

Aufgrund der Ausrichtung an unzutreffenden rechtlichen Maßstäben (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 [54 f.] Rn. 31) haben sich sowohl das Jugendamt der Beklagten als auch das Verwaltungsgericht den Blick darauf verstellt, dass das erst zweijährige Kind durch den unfallbedingten Verlust der Mutter als der wesentlichen Bezugsperson mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachhaltig traumatisiert sein dürfte bzw. spätestens im Falle einer Trennung von der die Betreuung bislang gewährleistenden Großmutter traumatisiert würde mit der Folge, dass die emotionale Fürsorge und Betreuung - auch aufgrund der in keiner Weise zu beanstandenden Rückkehr des Vaters in seine Rolle als Ernährer der Familie (vgl. hierzu Stähr, in: Hauck, SGB VIII, 35. Lfg. X/06, § 27 Rn. 30) - derzeit ausschließlich durch die einzig greifbare nahe Verwandte - die Großmutter - gewährleistet werden kann und eine Versorgung des Kindes Veron in einer Tagespflege oder Tageseinrichtung keinesfalls geeignet erscheint, den besonderen Betreuungsbedarf des erst zwei Jahre alten Halbwaisen in emotionaler Hinsicht zu gewährleisten. Die Großmutter hat das Kind unmittelbar nach der Erstversorung in der Klinik in ihre Obhut genommen und die weitere Betreuung anstelle der verstorbenen Mutter sichergestellt. Alles Weitere bleibt - sofern die Beklagte wider Erwarten an ihrer bisherigen Ablehnung erforderlicher Hilfe festhalten sollte - der Klärung durch Einholung des vom Klägerbevollmächtigten bereits beantragten Sachverständigengutachtens im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

b) Es kann daher derzeit nicht mit einer die Versagung von Prozesskostenhilfe rechtfertigenden Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Gewährung von Vollzeitpflege für das Kind Veron nach §§ 27 Abs. 1, 33 Abs. 1 SGB VIII vorliegen. Dem Kläger, der die Kosten der Prozessführung weder aus seinem Einkommen noch aus seinem Vermögen aufbringen kann, ist daher Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO, § 121 Abs. 2 ZPO).

Das Jugendamt der Beklagten wird darüber hinaus zu prüfen haben, ob aufgrund der ebenfalls geltend gemachten Traumatisierung des Kindes Valero zugleich auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Vollzeitpflege für dieses Kind durch die Großmutter gegeben sind. Im Hinblick auf das Kind Veron und einen etwaigen Anspruch aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII wird davon auszugehen sein, dass der Bedarf für eine Vollzeitpflege durch die Großmutter bereits am 8. Oktober 2014 wirksam an das Jugendamt der Beklagten herangetragen wurde. Einen förmlichen Antrag auf Hilfe zur Erziehung sieht das Achte Buch Sozialgesetzbuch nicht vor; es genügt jede (eindeutige) Willensbekundung des Personensorgeberechtigten, Hilfe zur Erziehung in Anspruch nehmen zu wollen (vgl. Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 27 Rn. 26; DIJuF-Rechtsgutachten vom 24.05.2012 - J 4.110 DE -, JAmt 2012, 313; BVerwG, U. v. 21.6.2001 - 5 C 6/00 -, NJW 2002, 232 [233] a.E.).

Die Rechtsfragen der Verwandtenpflege durch die Großeltern sind durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 2012 - 5 C 12/11 -, BVerwGE 142, 115 und vom 9. Dezember 2014 - 5 C 32.13 -, BVerwGE 151, 44 abschließend geklärt. Den darin entwickelten Maßstäben und Grundsätzen ist Folge zu leisten. Finanzielle Aspekte können allenfalls im Rahmen des § 39 Abs. 4 SGB VIII Berücksichtigung finden.

3. Einer Kostenentscheidung bedarf es vorliegend nicht, da das Verfahren gerichtskostenfrei ist (§ 188 Satz 1 1. Halbs. VwGO) und Kosten im Beschwerdeverfahren nach § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.

4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will (Pflegeperson), bedarf der Erlaubnis. Einer Erlaubnis bedarf nicht, wer ein Kind oder einen Jugendlichen

1.
im Rahmen von Hilfe zur Erziehung oder von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche auf Grund einer Vermittlung durch das Jugendamt,
2.
als Vormund oder Pfleger im Rahmen seines Wirkungskreises,
3.
als Verwandter oder Verschwägerter bis zum dritten Grad,
4.
bis zur Dauer von acht Wochen,
5.
im Rahmen eines Schüler- oder Jugendaustausches,
6.
in Adoptionspflege (§ 1744 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
über Tag und Nacht aufnimmt.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle nicht gewährleistet ist. § 72a Absatz 1 und 5 gilt entsprechend.

(3) Das Jugendamt soll den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen. Ist das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle gefährdet und ist die Pflegeperson nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung abzuwenden, so ist die Erlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen.

(4) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen in erlaubnispflichtige Familienpflege aufgenommen hat, hat das Jugendamt über wichtige Ereignisse zu unterrichten, die das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen betreffen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt jugendhilferechtlichen Aufwendungsersatz für die Vollzeitpflege ihrer beiden Enkel im Zeitraum vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012.

2

Für die im Januar 2008 bzw. Oktober 2009 geborenen Kinder stand zunächst ihrer leiblichen Mutter, der Tochter der Klägerin, das alleinige Sorgerecht zu. Nach Angaben der Klägerin lebten die Kinder aber bereits seit Ende Februar 2008 bzw. Mai 2010 durchgehend bei ihr, da ihre Tochter nicht in der Lage gewesen sei, genügend für sie zu sorgen. Die Klägerin erhielt für sich und die Kinder Grundsicherungsleistungen. Mit Beschluss vom 20. Januar 2011 übertrug ihr das Amtsgericht die elterliche Sorge für beide Kinder. Am 12. Mai 2011 beantragte die Klägerin bei dem Jugendamt der Beklagten die Bewilligung von Vollzeitpflege für beide Kinder bei ihr als Pflegeperson. Anfang Januar 2012 teilte sie dem Jugendamt auf Nachfrage schriftlich mit, dass sie nicht gewillt sei, die Kinder kostenlos zu betreuen.

3

Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012 zurückgewiesen. Es bestehe kein Hilfebedarf, weil die Kinder schon vor Antragstellung beim Jugendamt von der Klägerin gut betreut worden seien. Eine Herausgabe der Kinder habe die Klägerin durchgängig abgelehnt.

4

Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, der Klägerin wirtschaftliche Jugendhilfe für beide Kinder für den streitigen Zeitraum zu gewähren.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Klage abgewiesen. Auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - auch wenn diese im Ergebnis unbefriedigend sei - stehe der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe in Form von Unterhaltsleistungen für ihre Enkel zu. Danach habe, weil sie diese zunächst unentgeltlich betreut habe, ein erzieherischer Bedarf nur entstehen können, wenn die Klägerin ihre Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege zurückgezogen und das Jugendamt der Beklagten ernsthaft vor die Alternative gestellt hätte, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste verzichten zu müssen. Das habe sie jedoch nicht getan.

6

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt eine Verletzung der §§ 27, 33 und 39 SGB VIII.

7

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung der Klägerin.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass ein personensorgeberechtigter Großelternteil, der den erzieherischen Bedarf eines Enkels zunächst unentgeltlich deckt, nur dann einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung haben kann, wenn er seine Bereitschaft zu unentgeltlicher Pflege zurückzieht und das Jugendamt ernsthaft vor die Alternative stellt, für seine Entlohnung zu sorgen oder aber auf seine Betreuungsdienste verzichten zu müssen, steht mit § 27 Abs. 1 und 2a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) nicht in Einklang. Das angegriffene Urteil beruht auf dieser Verletzung von Bundesrecht und stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

10

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Übernahme ihrer erforderlichen Aufwendungen für die von ihr in der Zeit vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012 erbrachte Vollzeitpflege ihrer Enkel.

11

Diese Bestimmung verleiht einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen. Das sind Hilfen, die - wie hier - vom Leistungsberechtigten selbst abweichend von § 36a Abs. 1 und 2 SGB VIII erbracht werden, ohne dass eine Entscheidung des Trägers der Jugendhilfe oder eine Zulassung durch diesen vorangegangen ist. Der Übernahmeanspruch setzt nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

12

1. Die Klägerin, die als Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und mithin Leistungsberechtigte ist, hat die Beklagte zu Beginn des Zeitraums, für den die Übernahme der Aufwendungen beansprucht wird, von dem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt (§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII). Dies geschah spätestens mit dem Antrag der Klägerin vom 12. Mai 2011, mit dem diese die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei der Beklagten beantragt hat.

13

2. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen im streitgegenständlichen Zeitraum vor. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege (§§ 27, 33, 39 SGB VIII) zu.

14

§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt dem Personensorgeberechtigten bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet (a) und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet (b) und notwendig (c) ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Nach § 33 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege Kindern oder Jugendlichen unter anderem entsprechend den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen (§ 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII). Wird Hilfe zur Erziehung unter anderem in Form der Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Danach konnte die Klägerin die Gewährung von Vollzeitpflege einschließlich des Unterhalts für ihre Enkel beanspruchen.

15

a) Ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war gegeben. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Sie verlangt damit, dass infolge einer erzieherischen Defizit- bzw. Mangelsituation ein entsprechender erzieherischer Bedarf begründet worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 5 B 56.05 - JAmt 2005, 524 f.; OVG Münster, Beschluss vom 22. September 2011 - 12 A 1596/10 - juris Rn. 18). Dabei ist danach zu fragen, ob diese Mangelsituation infolge des erzieherischen Handelns bzw. Nichthandelns der leiblichen Eltern des Minderjährigen eingetreten ist, diese also nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 19).

16

Nicht maßgeblich für die Feststellung des erzieherischen Bedarfs im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, ob ein Verwandter - wie hier die Klägerin als Großmutter - den Bedarf des Kindes (im Einvernehmen mit den Eltern) freiwillig deckt. Dadurch kann nicht der aus der Mangelsituation in der Herkunftsfamilie herrührende Bedarf als solcher, sondern nur die Notwendigkeit seiner Deckung durch den Träger der Jugendhilfe entfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <437> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.). Soweit der Senat in dem vorgenannten Urteil vom 12. September 1996 (a.a.O.) für die soeben bezeichnete Konstellation der freiwilligen Verwandtenpflege auch schon ein Entfallen des erzieherischen Bedarfs erwogen bzw. angenommen hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Die Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation besteht, ist nicht mit Blick auf denjenigen zu beantworten, der sich als Verwandter um das Kind kümmert und der deshalb ggf. die elterliche Sorge vom Familiengericht übertragen bekommen und ein Kind in Pflege genommen hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die vor dem In-Pflege-Nehmen oder einer sorgerechtlichen Entscheidung des Familiengerichts verantwortlichen Eltern oder anderen Sorgeberechtigten eine dem Wohl des Kindes förderliche Erziehung gewährleistet haben (vgl. etwa Schmid-Obkirchner, in: Wiesner , SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 16 m.w.N.).

17

Gemessen daran lag hier ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vor. Die Beteiligten gehen - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu Recht übereinstimmend davon aus, dass sich weder die Väter noch die alleinstehende und zunächst sorgeberechtigte Mutter der Kinder tatsächlich in dem erforderlichen Maße um die Pflege und Erziehung der Kinder gekümmert haben, so dass eine erzieherische Mangelsituation in der Herkunftsfamilie bestand.

18

b) Die Hilfe durch die Klägerin war auch geeignet im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, den bestehenden erzieherischen Bedarf im Hinblick auf die Entwicklung der Kinder zu decken.

19

Die Geeignetheit ist dabei nicht nur allgemein, sondern auch im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zur Erziehung - hier der in Rede stehenden Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) - zu überprüfen. Dabei kann die Vollzeitpflege durch Großeltern nur dann ein geeignetes Mittel zum Ausgleich eines Erziehungsdefizits sein, wenn die Großeltern ihrerseits als Pflegepersonen geeignet sind. Zur Geeignetheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gehört also auch, dass die Pflegepersonen zum einen eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten können und sich zum anderen auf die Kooperation mit dem Jugendamt einlassen und gegebenenfalls zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sind (DIJUF-Rechtsgutachten vom 1. März 2006, JAmt 2006, 129; Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 27 Rn. 36 jeweils m.w.N.). Dies folgt auch ausdrücklich aus § 27 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VIII, wonach die Person geeignet und bereit sein muss, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu decken. Großeltern - wie die Klägerin - bedürfen zwar keiner Pflegeerlaubnis (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII), ihre persönliche Eignung ist jedoch anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und damit insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet ist.

20

Hieran gemessen bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die in Rede stehende, von der Klägerin selbst geleistete Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) geeignet war, den erzieherischen Bedarf ihrer beiden Enkelkinder zu decken. Die Geeignetheit dieser Hilfeform lässt sich insbesondere aus den vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Umständen schließen, die im Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2012 und im Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012 festgestellt worden sind. Danach waren die Kinder bei der Klägerin gut untergebracht und betreut und ihre Erziehung sichergestellt. An der persönlichen Eignung der Klägerin, für die Pflege und Erziehung der Kinder zu sorgen, hat auch die Beklagte weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren Zweifel aufkommen lassen. Ebenso wenig ist die Bereitschaft der Klägerin, die Vollzeitpflege ihrer Enkelkinder nach § 27 Abs. 2a SGB VIII in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Beklagten entsprechend einem Hilfeplan zu leisten, ernsthaft in Frage gestellt worden.

21

c) Die Hilfe durch die Klägerin in Form der Vollzeitpflege war auch zur Deckung des erzieherischen Bedarfs ihrer Enkelkinder notwendig im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

22

Notwendig ist die Hilfe zur Erziehung, wenn sie zur Bedarfsdeckung erforderlich ist, weil andere Leistungen oder Maßnahmen des SGB VIII, die Hilfe Dritter oder die Eigenhilfe der Eltern nicht ausreichen, um den festgestellten erzieherischen Bedarf zu decken (vgl. Nellissen, in: jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 27 Rn. 46; Tammen/Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek , Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 27 Rn. 12; Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 27 Rn. 11). An die Notwendigkeit sind im Fall der Verwandtenpflege - hier der Pflege durch die Großmutter - keine erhöhten Anforderungen zu stellen. Die gegenteilige entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (aa). Die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Vollzeitpflege lässt sich auch nicht aus anderen Gründen verneinen (bb).

23

aa) Großeltern können gegenüber dem Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Vollzeitpflege von Enkelkindern (§ 27 Abs. 1, § 33 Abs. 1 SGB VIII) auch dann haben, wenn sie das Jugendamt nicht ernsthaft vor die Alternative stellen, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste zu verzichten. Soweit - woran das Berufungsgericht anknüpft - in der früheren Rechtsprechung des Senats die Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII von dieser Anforderung abhängig gemacht worden ist (BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <437> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.; ebenso Urteil vom 4. September 1997 - 5 C 11.96 - Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 4), hält der Senat daran nicht mehr fest. Die vorgenannte Rechtsprechung verhielt sich zur früheren Gesetzeslage und ist jedenfalls aufgrund nachfolgender Änderungen, namentlich der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII und des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729), überholt. Dies erschließt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.

24

Zwar ergeben sich aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 SGB VIII, der durch das vorgenannte Änderungsgesetz nicht modifiziert worden ist, keine näheren Hinweise und Grenzen dafür, wie das Merkmal der Notwendigkeit im vorliegenden Zusammenhang zu verstehen ist. Dass an den erhöhten Anforderungen, welche der Senat in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellt hat, nicht mehr festzuhalten ist, folgt jedoch aus systematischen (1) und teleologischen Erwägungen (2) sowie insbesondere aus den Gesetzesmaterialien (3).

25

(1) Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts lassen sich die in der früheren Rechtsprechung des Senats aufgestellten erhöhten Anforderungen für die Notwendigkeit von Hilfe zur Erziehung nicht damit rechtfertigen, dass die Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege der Enkelkinder „aufgrund der engen familiären Verbundenheit zwischen Großeltern und ihren Enkeln regelmäßig erwartet werden“ könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <439 f.> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 11). Dieser Erwägung liegt mehr eine ethische als eine rechtliche Bewertung zugrunde. Sie hat auch als solche im Gesetz keinen Niederschlag gefunden und vermag daher für sich genommen den rechtlichen Schluss nicht zu tragen. Rechtliche Wertungen, die sich unter anderem aus der Gesetzessystematik erschließen, legen vielmehr einen Verzicht auf die genannten Anforderungen nahe. Aussagekräftig ist dabei sowohl der Zusammenhang zwischen Absatz 1 und Absatz 2a des § 27 SGB VIII als auch der systematische Rückschluss aus § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII.

26

Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich - so stellt § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII klar -, entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Erhöhte Anforderungen dahingehend, die Notwendigkeit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Falle der Vollzeitpflege durch unterhaltspflichtige Großeltern von deren ernsthafter Bereitschaft, ohne wirtschaftliche Jugendhilfe die Betreuung der Enkel ganz zu beenden, abhängig zu machen, lassen sich weder dieser Regelung noch sonstigen Vorschriften des Achten Buches des Sozialgesetzbuches entnehmen. Derartige Anforderungen stünden vielmehr mit der Wertung des § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII in Widerspruch. Denn die Vorschrift erfasst mit dem Begriff der anderen unterhaltspflichtigen Personen gerade auch Großeltern und will mit der Festlegung, dass deren Unterhaltspflicht einem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung nicht entgegenstehen soll, die Gewährung an die Großeltern erleichtern, nicht aber durch erhöhte Voraussetzungen erschweren. Gleiches gilt für die ebenfalls mit § 27 Abs. 1 SGB VIII im Zusammenhang stehende Regelung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII. Danach ist, sofern die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind verwandt ist und diesem Unterhalt gewähren kann, die Höhe des zu gewährenden Pflegegeldes von einer Prüfung der Einkommensverhältnisse und gegebenenfalls von einer Ermessensentscheidung des Jugendhilfeträgers abhängig. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass die Unterhaltspflicht (und Fähigkeit zur Unterhaltsleistung) der Großeltern den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) grundsätzlich nicht ausschließen, sondern nur dazu führen soll, dass eine Kürzung des Pflegegeldes vorgenommen werden kann.

27

(2) Zudem sprechen der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 SGB VIII gegen die erhöhten Anforderungen an die Notwendigkeit im Rahmen der Verwandtenpflege. Zweck der Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII ist die Gewährleistung einer dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechenden Erziehung. Sofern die Großeltern aus ideellen Motiven und persönlicher Verbundenheit die Pflege der Enkelkinder übernehmen, ist die Gewähr für die Orientierung am Kindeswohl grundsätzlich höher als in Fällen, in denen es ihnen vornehmlich um materielle bzw. finanzielle Aspekte geht. Mit der genannten Anforderung, dass ein ernsthafter Wille des Großelternteiles bestehen müsse, ohne Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe die weitere Pflege seines Enkels tatsächlich einzustellen, wird dieser finanzielle Aspekt jedoch gerade in den Vordergrund gerückt. Handeln Großeltern allein aus diesem Gesichtspunkt heraus, kann dies eher ihre Eignung für die Vollzeitpflege der Enkelkinder in Frage stellen. Mithin sprechen der Sinn und Zweck der Vorschrift in gewichtiger Weise gegen die Statuierung der genannten Anforderungen. Hierauf weist auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11) zu Recht hin, soweit es ausführt, dass danach Großeltern nur dann in den Genuss wirtschaftlicher Jugendhilfe gelangten, wenn sie unter allen Umständen allein gegen Entgelt bereit seien, ihre Enkel zu betreuen (oder wahrheitswidrig diesen Eindruck erweckten), obwohl wegen dieser Einstellung Zweifel an ihrer Geeignetheit als Pflegeperson bestünden, während Großeltern, die aus persönlichem Verantwortungsgefühl für ihre Enkelkinder notfalls auch bereit seien, diese unentgeltlich zu betreuen, und die sich deshalb als geeigneter erwiesen als erstere, keinen Anspruch auf wirtschaftliche Jugendhilfe hätten.

28

(3) Dieses Gesetzesverständnis, d.h. das Absehen von den genannten erhöhten Anforderungen bei der Verwandtenpflege, wird durch die Ziele bestätigt, die der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) verfolgt hat. Er wollte damit nämlich gerade die Verwandtenpflege unter erleichterten Bedingungen zulassen. In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/3676 S. 35) wird dazu ausgeführt, es entspreche einer jahrzehntelangen Praxis, Vollzeitpflege als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur in Haushalten von Personen zu gewähren, die mit dem Kind oder Jugendlichen nicht (näher) verwandt seien, sondern auch in Haushalten von nahen Verwandten wie insbesondere Großeltern. Überdies hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, von den erhöhten Anforderungen, welche die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Großelternpflege geknüpft hat (nämlich den im Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 statuierten Erfordernissen, dass Großeltern die Betreuung ihres Enkelkindes nicht in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht leisten dürfen und zur unentgeltlichen Pflege nicht bereit sein müssen), Abstand nehmen zu wollen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil vom 12. September 1996 (a.a.O.) heißt es dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/3676 S. 35), dass gegen diese Rechtsprechung „unter fachlichen und rechtlichen Aspekten Kritik erhoben worden (dazu Happ, NJW 1998, 2409 = NDV 1998, 340)“ sei. Darüber hinaus führe der Ansatz dieser Rechtsprechung „zu kaum aufzulösenden Abgrenzungsproblemen mit der Sozialhilfe (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2003, 473)“. Daraus wird die Folgerung gezogen: „Der Entwurf will - anknüpfend an die Diskussion im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge - die Vollzeitpflege im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter den Voraussetzungen des § 27 auch für Großeltern offenhalten. Durch eine klarstellende Regelung soll künftig erreicht werden, dass allein die Bereitschaft von Großeltern und anderen unterhaltspflichtigen Personen den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege bei diesen Personen nicht ausschließt.“ In dieselbe Richtung deuten die Ausführungen des Gesetzgebers zur Einfügung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII durch dasselbe Änderungsgesetz im Jahre 2005 (BT-Drs. 15/3676 S. 36). Dort wird ausgeführt, es solle sichergestellt werden, „dass auch künftig Großeltern die Aufgabe von Pflegeeltern im Rahmen von Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27, 33 übernehmen können, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach § 27 vorliegen und der Hilfebedarf auf diese Weise gedeckt werden kann.“

29

bb) Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das einen Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, zu Unrecht aufgrund der genannten überhöhten Anforderungen an die Verwandtenpflege abgelehnt hat, stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar. Zwar ist dem Träger der Jugendhilfe bei der Auswahl der notwendigen Hilfeleistung ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zuzuerkennen. Die Beklagte hat die Grenzen dieses Spielraums jedoch überschritten (1). Bei der Selbstbeschaffung der Jugendhilfeleistung durfte die Klägerin von der Notwendigkeit ihrer Hilfeleistung ausgehen (2).

30

(1) Die Beklagte hat die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 27 Abs. 1, § 33 Satz 1 SGB VIII) nicht mit Erwägungen abgelehnt, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Zwar ist die gerichtliche Kontrolldichte aufgrund der Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) beschränkt. Weil danach der Hilfeplan eine unverzichtbare Voraussetzung der Gewährung von Jugendhilfe bildet, ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit entscheidend, ob die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. des Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1999 - 5 C 24.98 - BVerwGE 109, 155 <167> und vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 32).

31

Auch bei Zugrundelegung dieses Einschätzungsspielraums erweist sich die Ablehnungsentscheidung der Beklagten jedoch als rechtswidrig. Diese ist nicht durchweg von fachlichen Gründen getragen, welche die Geeignetheit oder die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Hilfe nachvollziehbar verneinen. Vielmehr hat sich das Jugendamt der Beklagten an unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgerichtet, indem es die Gewährung von Hilfe zur Erziehung maßgeblich mit der Erwägung abgelehnt hat, dass kein Hilfebedarf bestehe, weil die Kinder schon vor Antragstellung von der Klägerin gut betreut worden seien. Damit hat das Jugendamt der Beklagten verkannt, dass es - wie oben dargelegt - bei der Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation vorliegt und damit ein erzieherischer Bedarf besteht, nicht auf die Situation in der Pflegefamilie, sondern auf diejenige in der Herkunftsfamilie (der Eltern) ankommt. Weil auch sonst fachlich durchgreifende Gründe für die Verweigerung der Leistung fehlten, war die Hilfeplanung der Beklagten insoweit als defizitär anzusehen, so dass die Steuerungsverantwortung des Jugendamts der Aufwendungserstattung für die selbst beschaffte Hilfe hier nicht entgegensteht.

32

(2) Bei der Selbstbeschaffung durfte die Klägerin von der Notwendigkeit der geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege ausgehen.

33

Hat das Jugendamt nicht rechtzeitig oder - wie hier - nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise über eine begehrte Hilfeleistung entschieden und beschafft sich ein Leistungsberechtigter daraufhin die begehrte Leistung im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII selbst, so kann er an Stelle des Jugendamtes den sonst diesem zustehenden und nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation ist er - obgleich ihm der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen mit der Folge, dass sich die Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung des Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung des Leistungsberechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr im Nachhinein nicht etwa mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet oder notwendig gehalten (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 34 m.w.N.).

34

Daran gemessen bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Klägerin von der Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung ausgegangen ist. Sie durfte die Aufnahme der Kinder in ihren Haushalt und die Gewährung von Vollzeitpflege als erforderlich ansehen, um das bestehende erzieherische Defizit in der Herkunftsfamilie (ihrer Tochter) zu decken.

35

3. Die von der Klägerin erbrachte Vollzeitpflege duldete auch keinen zeitlichen Aufschub im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Der erkennende Senat ist im Zusammenhang mit der sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt stets davon ausgegangen, dass schon während des Verwaltungsverfahrens ein unaufschiebbarer Bedarf vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 5 C 26.92 - BVerwGE 96, 152 <158>). Nichts anderes gilt, wenn es - wie hier - um die Deckung des erzieherischen Bedarfs von Kleinkindern durch jugendhilferechtliche Maßnahmen und die Sicherstellung des Unterhalts geht (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 21).

36

4. Was die Rechtsfolge des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII betrifft, so ist die Klägerin danach so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die (selbst beschaffte) Jugendhilfeleistung, auf die ein Anspruch bestand, rechtzeitig bewilligt worden wäre. Denn in Fällen der vorliegenden Art entspricht der Umfang der nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII von der Beklagten zu übernehmenden erforderlichen Aufwendungen dem Betrag, der bei rechtzeitiger Gewährung der Leistung vom Jugendhilfeträger nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 22 f.).

37

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.

(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden.

(3) Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden. Gewährt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen zur Teilhabe, sind die Vorschriften zum Verfahren bei einer Mehrheit von Rehabilitationsträgern nach dem Neunten Buch zu beachten.

(4) Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden.

(5) Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht in Frage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden; die Entscheidung, ob, wie und in welchem Umfang deren Beteiligung erfolgt, soll im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Willensäußerung des Personensorgeberechtigten getroffen werden.

(1) Werden Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 gewährt, haben die Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Durch Beratung und Unterstützung sollen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so dienen die Beratung und Unterstützung der Eltern sowie die Förderung ihrer Beziehung zum Kind der Erarbeitung und Sicherung einer anderen, dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive.

(2) Bei den in Absatz 1 Satz 1 genannten Hilfen soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.

(3) Sofern der Inhaber der elterlichen Sorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson so weit einschränkt, dass die Einschränkung eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht, sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten. Auch bei sonstigen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt jugendhilferechtlichen Aufwendungsersatz für die Vollzeitpflege ihrer beiden Enkel im Zeitraum vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012.

2

Für die im Januar 2008 bzw. Oktober 2009 geborenen Kinder stand zunächst ihrer leiblichen Mutter, der Tochter der Klägerin, das alleinige Sorgerecht zu. Nach Angaben der Klägerin lebten die Kinder aber bereits seit Ende Februar 2008 bzw. Mai 2010 durchgehend bei ihr, da ihre Tochter nicht in der Lage gewesen sei, genügend für sie zu sorgen. Die Klägerin erhielt für sich und die Kinder Grundsicherungsleistungen. Mit Beschluss vom 20. Januar 2011 übertrug ihr das Amtsgericht die elterliche Sorge für beide Kinder. Am 12. Mai 2011 beantragte die Klägerin bei dem Jugendamt der Beklagten die Bewilligung von Vollzeitpflege für beide Kinder bei ihr als Pflegeperson. Anfang Januar 2012 teilte sie dem Jugendamt auf Nachfrage schriftlich mit, dass sie nicht gewillt sei, die Kinder kostenlos zu betreuen.

3

Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012 zurückgewiesen. Es bestehe kein Hilfebedarf, weil die Kinder schon vor Antragstellung beim Jugendamt von der Klägerin gut betreut worden seien. Eine Herausgabe der Kinder habe die Klägerin durchgängig abgelehnt.

4

Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, der Klägerin wirtschaftliche Jugendhilfe für beide Kinder für den streitigen Zeitraum zu gewähren.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Klage abgewiesen. Auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - auch wenn diese im Ergebnis unbefriedigend sei - stehe der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe in Form von Unterhaltsleistungen für ihre Enkel zu. Danach habe, weil sie diese zunächst unentgeltlich betreut habe, ein erzieherischer Bedarf nur entstehen können, wenn die Klägerin ihre Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege zurückgezogen und das Jugendamt der Beklagten ernsthaft vor die Alternative gestellt hätte, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste verzichten zu müssen. Das habe sie jedoch nicht getan.

6

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt eine Verletzung der §§ 27, 33 und 39 SGB VIII.

7

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung der Klägerin.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass ein personensorgeberechtigter Großelternteil, der den erzieherischen Bedarf eines Enkels zunächst unentgeltlich deckt, nur dann einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung haben kann, wenn er seine Bereitschaft zu unentgeltlicher Pflege zurückzieht und das Jugendamt ernsthaft vor die Alternative stellt, für seine Entlohnung zu sorgen oder aber auf seine Betreuungsdienste verzichten zu müssen, steht mit § 27 Abs. 1 und 2a des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) nicht in Einklang. Das angegriffene Urteil beruht auf dieser Verletzung von Bundesrecht und stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

10

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Übernahme ihrer erforderlichen Aufwendungen für die von ihr in der Zeit vom 12. Mai 2011 bis zum 21. März 2012 erbrachte Vollzeitpflege ihrer Enkel.

11

Diese Bestimmung verleiht einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für selbst beschaffte Hilfen. Das sind Hilfen, die - wie hier - vom Leistungsberechtigten selbst abweichend von § 36a Abs. 1 und 2 SGB VIII erbracht werden, ohne dass eine Entscheidung des Trägers der Jugendhilfe oder eine Zulassung durch diesen vorangegangen ist. Der Übernahmeanspruch setzt nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

12

1. Die Klägerin, die als Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und mithin Leistungsberechtigte ist, hat die Beklagte zu Beginn des Zeitraums, für den die Übernahme der Aufwendungen beansprucht wird, von dem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt (§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII). Dies geschah spätestens mit dem Antrag der Klägerin vom 12. Mai 2011, mit dem diese die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei der Beklagten beantragt hat.

13

2. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen im streitgegenständlichen Zeitraum vor. Der Klägerin stand ein Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege (§§ 27, 33, 39 SGB VIII) zu.

14

§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gewährt dem Personensorgeberechtigten bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet (a) und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet (b) und notwendig (c) ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Nach § 33 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege Kindern oder Jugendlichen unter anderem entsprechend den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen (§ 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII). Wird Hilfe zur Erziehung unter anderem in Form der Vollzeitpflege gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Danach konnte die Klägerin die Gewährung von Vollzeitpflege einschließlich des Unterhalts für ihre Enkel beanspruchen.

15

a) Ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war gegeben. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Sie verlangt damit, dass infolge einer erzieherischen Defizit- bzw. Mangelsituation ein entsprechender erzieherischer Bedarf begründet worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 5 B 56.05 - JAmt 2005, 524 f.; OVG Münster, Beschluss vom 22. September 2011 - 12 A 1596/10 - juris Rn. 18). Dabei ist danach zu fragen, ob diese Mangelsituation infolge des erzieherischen Handelns bzw. Nichthandelns der leiblichen Eltern des Minderjährigen eingetreten ist, diese also nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 19).

16

Nicht maßgeblich für die Feststellung des erzieherischen Bedarfs im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, ob ein Verwandter - wie hier die Klägerin als Großmutter - den Bedarf des Kindes (im Einvernehmen mit den Eltern) freiwillig deckt. Dadurch kann nicht der aus der Mangelsituation in der Herkunftsfamilie herrührende Bedarf als solcher, sondern nur die Notwendigkeit seiner Deckung durch den Träger der Jugendhilfe entfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <437> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.). Soweit der Senat in dem vorgenannten Urteil vom 12. September 1996 (a.a.O.) für die soeben bezeichnete Konstellation der freiwilligen Verwandtenpflege auch schon ein Entfallen des erzieherischen Bedarfs erwogen bzw. angenommen hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Die Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation besteht, ist nicht mit Blick auf denjenigen zu beantworten, der sich als Verwandter um das Kind kümmert und der deshalb ggf. die elterliche Sorge vom Familiengericht übertragen bekommen und ein Kind in Pflege genommen hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die vor dem In-Pflege-Nehmen oder einer sorgerechtlichen Entscheidung des Familiengerichts verantwortlichen Eltern oder anderen Sorgeberechtigten eine dem Wohl des Kindes förderliche Erziehung gewährleistet haben (vgl. etwa Schmid-Obkirchner, in: Wiesner , SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 16 m.w.N.).

17

Gemessen daran lag hier ein erzieherischer Bedarf im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vor. Die Beteiligten gehen - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu Recht übereinstimmend davon aus, dass sich weder die Väter noch die alleinstehende und zunächst sorgeberechtigte Mutter der Kinder tatsächlich in dem erforderlichen Maße um die Pflege und Erziehung der Kinder gekümmert haben, so dass eine erzieherische Mangelsituation in der Herkunftsfamilie bestand.

18

b) Die Hilfe durch die Klägerin war auch geeignet im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, den bestehenden erzieherischen Bedarf im Hinblick auf die Entwicklung der Kinder zu decken.

19

Die Geeignetheit ist dabei nicht nur allgemein, sondern auch im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zur Erziehung - hier der in Rede stehenden Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) - zu überprüfen. Dabei kann die Vollzeitpflege durch Großeltern nur dann ein geeignetes Mittel zum Ausgleich eines Erziehungsdefizits sein, wenn die Großeltern ihrerseits als Pflegepersonen geeignet sind. Zur Geeignetheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gehört also auch, dass die Pflegepersonen zum einen eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten können und sich zum anderen auf die Kooperation mit dem Jugendamt einlassen und gegebenenfalls zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sind (DIJUF-Rechtsgutachten vom 1. März 2006, JAmt 2006, 129; Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 27 Rn. 36 jeweils m.w.N.). Dies folgt auch ausdrücklich aus § 27 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VIII, wonach die Person geeignet und bereit sein muss, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu decken. Großeltern - wie die Klägerin - bedürfen zwar keiner Pflegeerlaubnis (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII), ihre persönliche Eignung ist jedoch anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und damit insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet ist.

20

Hieran gemessen bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die in Rede stehende, von der Klägerin selbst geleistete Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) geeignet war, den erzieherischen Bedarf ihrer beiden Enkelkinder zu decken. Die Geeignetheit dieser Hilfeform lässt sich insbesondere aus den vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Umständen schließen, die im Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2012 und im Widerspruchsbescheid vom 9. März 2012 festgestellt worden sind. Danach waren die Kinder bei der Klägerin gut untergebracht und betreut und ihre Erziehung sichergestellt. An der persönlichen Eignung der Klägerin, für die Pflege und Erziehung der Kinder zu sorgen, hat auch die Beklagte weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren Zweifel aufkommen lassen. Ebenso wenig ist die Bereitschaft der Klägerin, die Vollzeitpflege ihrer Enkelkinder nach § 27 Abs. 2a SGB VIII in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Beklagten entsprechend einem Hilfeplan zu leisten, ernsthaft in Frage gestellt worden.

21

c) Die Hilfe durch die Klägerin in Form der Vollzeitpflege war auch zur Deckung des erzieherischen Bedarfs ihrer Enkelkinder notwendig im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

22

Notwendig ist die Hilfe zur Erziehung, wenn sie zur Bedarfsdeckung erforderlich ist, weil andere Leistungen oder Maßnahmen des SGB VIII, die Hilfe Dritter oder die Eigenhilfe der Eltern nicht ausreichen, um den festgestellten erzieherischen Bedarf zu decken (vgl. Nellissen, in: jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 27 Rn. 46; Tammen/Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek , Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 27 Rn. 12; Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 27 Rn. 11). An die Notwendigkeit sind im Fall der Verwandtenpflege - hier der Pflege durch die Großmutter - keine erhöhten Anforderungen zu stellen. Die gegenteilige entscheidungstragende Annahme des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (aa). Die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Vollzeitpflege lässt sich auch nicht aus anderen Gründen verneinen (bb).

23

aa) Großeltern können gegenüber dem Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Vollzeitpflege von Enkelkindern (§ 27 Abs. 1, § 33 Abs. 1 SGB VIII) auch dann haben, wenn sie das Jugendamt nicht ernsthaft vor die Alternative stellen, für ihre Entlohnung zu sorgen oder auf ihre Betreuungsdienste zu verzichten. Soweit - woran das Berufungsgericht anknüpft - in der früheren Rechtsprechung des Senats die Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII von dieser Anforderung abhängig gemacht worden ist (BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <437> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 10 f.; ebenso Urteil vom 4. September 1997 - 5 C 11.96 - Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 4), hält der Senat daran nicht mehr fest. Die vorgenannte Rechtsprechung verhielt sich zur früheren Gesetzeslage und ist jedenfalls aufgrund nachfolgender Änderungen, namentlich der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII und des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729), überholt. Dies erschließt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.

24

Zwar ergeben sich aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 SGB VIII, der durch das vorgenannte Änderungsgesetz nicht modifiziert worden ist, keine näheren Hinweise und Grenzen dafür, wie das Merkmal der Notwendigkeit im vorliegenden Zusammenhang zu verstehen ist. Dass an den erhöhten Anforderungen, welche der Senat in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellt hat, nicht mehr festzuhalten ist, folgt jedoch aus systematischen (1) und teleologischen Erwägungen (2) sowie insbesondere aus den Gesetzesmaterialien (3).

25

(1) Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts lassen sich die in der früheren Rechtsprechung des Senats aufgestellten erhöhten Anforderungen für die Notwendigkeit von Hilfe zur Erziehung nicht damit rechtfertigen, dass die Bereitschaft zur unentgeltlichen Pflege der Enkelkinder „aufgrund der engen familiären Verbundenheit zwischen Großeltern und ihren Enkeln regelmäßig erwartet werden“ könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 <439 f.> = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 S. 11). Dieser Erwägung liegt mehr eine ethische als eine rechtliche Bewertung zugrunde. Sie hat auch als solche im Gesetz keinen Niederschlag gefunden und vermag daher für sich genommen den rechtlichen Schluss nicht zu tragen. Rechtliche Wertungen, die sich unter anderem aus der Gesetzessystematik erschließen, legen vielmehr einen Verzicht auf die genannten Anforderungen nahe. Aussagekräftig ist dabei sowohl der Zusammenhang zwischen Absatz 1 und Absatz 2a des § 27 SGB VIII als auch der systematische Rückschluss aus § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII.

26

Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich - so stellt § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII klar -, entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Erhöhte Anforderungen dahingehend, die Notwendigkeit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Falle der Vollzeitpflege durch unterhaltspflichtige Großeltern von deren ernsthafter Bereitschaft, ohne wirtschaftliche Jugendhilfe die Betreuung der Enkel ganz zu beenden, abhängig zu machen, lassen sich weder dieser Regelung noch sonstigen Vorschriften des Achten Buches des Sozialgesetzbuches entnehmen. Derartige Anforderungen stünden vielmehr mit der Wertung des § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII in Widerspruch. Denn die Vorschrift erfasst mit dem Begriff der anderen unterhaltspflichtigen Personen gerade auch Großeltern und will mit der Festlegung, dass deren Unterhaltspflicht einem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung nicht entgegenstehen soll, die Gewährung an die Großeltern erleichtern, nicht aber durch erhöhte Voraussetzungen erschweren. Gleiches gilt für die ebenfalls mit § 27 Abs. 1 SGB VIII im Zusammenhang stehende Regelung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII. Danach ist, sofern die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind verwandt ist und diesem Unterhalt gewähren kann, die Höhe des zu gewährenden Pflegegeldes von einer Prüfung der Einkommensverhältnisse und gegebenenfalls von einer Ermessensentscheidung des Jugendhilfeträgers abhängig. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass die Unterhaltspflicht (und Fähigkeit zur Unterhaltsleistung) der Großeltern den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) grundsätzlich nicht ausschließen, sondern nur dazu führen soll, dass eine Kürzung des Pflegegeldes vorgenommen werden kann.

27

(2) Zudem sprechen der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 SGB VIII gegen die erhöhten Anforderungen an die Notwendigkeit im Rahmen der Verwandtenpflege. Zweck der Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII ist die Gewährleistung einer dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechenden Erziehung. Sofern die Großeltern aus ideellen Motiven und persönlicher Verbundenheit die Pflege der Enkelkinder übernehmen, ist die Gewähr für die Orientierung am Kindeswohl grundsätzlich höher als in Fällen, in denen es ihnen vornehmlich um materielle bzw. finanzielle Aspekte geht. Mit der genannten Anforderung, dass ein ernsthafter Wille des Großelternteiles bestehen müsse, ohne Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe die weitere Pflege seines Enkels tatsächlich einzustellen, wird dieser finanzielle Aspekt jedoch gerade in den Vordergrund gerückt. Handeln Großeltern allein aus diesem Gesichtspunkt heraus, kann dies eher ihre Eignung für die Vollzeitpflege der Enkelkinder in Frage stellen. Mithin sprechen der Sinn und Zweck der Vorschrift in gewichtiger Weise gegen die Statuierung der genannten Anforderungen. Hierauf weist auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11) zu Recht hin, soweit es ausführt, dass danach Großeltern nur dann in den Genuss wirtschaftlicher Jugendhilfe gelangten, wenn sie unter allen Umständen allein gegen Entgelt bereit seien, ihre Enkel zu betreuen (oder wahrheitswidrig diesen Eindruck erweckten), obwohl wegen dieser Einstellung Zweifel an ihrer Geeignetheit als Pflegeperson bestünden, während Großeltern, die aus persönlichem Verantwortungsgefühl für ihre Enkelkinder notfalls auch bereit seien, diese unentgeltlich zu betreuen, und die sich deshalb als geeigneter erwiesen als erstere, keinen Anspruch auf wirtschaftliche Jugendhilfe hätten.

28

(3) Dieses Gesetzesverständnis, d.h. das Absehen von den genannten erhöhten Anforderungen bei der Verwandtenpflege, wird durch die Ziele bestätigt, die der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 27 Abs. 2a SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) verfolgt hat. Er wollte damit nämlich gerade die Verwandtenpflege unter erleichterten Bedingungen zulassen. In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/3676 S. 35) wird dazu ausgeführt, es entspreche einer jahrzehntelangen Praxis, Vollzeitpflege als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur in Haushalten von Personen zu gewähren, die mit dem Kind oder Jugendlichen nicht (näher) verwandt seien, sondern auch in Haushalten von nahen Verwandten wie insbesondere Großeltern. Überdies hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, von den erhöhten Anforderungen, welche die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Großelternpflege geknüpft hat (nämlich den im Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - FEVS 47, 433 = Buchholz 436.511 § 27 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 3 statuierten Erfordernissen, dass Großeltern die Betreuung ihres Enkelkindes nicht in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht leisten dürfen und zur unentgeltlichen Pflege nicht bereit sein müssen), Abstand nehmen zu wollen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil vom 12. September 1996 (a.a.O.) heißt es dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/3676 S. 35), dass gegen diese Rechtsprechung „unter fachlichen und rechtlichen Aspekten Kritik erhoben worden (dazu Happ, NJW 1998, 2409 = NDV 1998, 340)“ sei. Darüber hinaus führe der Ansatz dieser Rechtsprechung „zu kaum aufzulösenden Abgrenzungsproblemen mit der Sozialhilfe (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2003, 473)“. Daraus wird die Folgerung gezogen: „Der Entwurf will - anknüpfend an die Diskussion im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge - die Vollzeitpflege im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter den Voraussetzungen des § 27 auch für Großeltern offenhalten. Durch eine klarstellende Regelung soll künftig erreicht werden, dass allein die Bereitschaft von Großeltern und anderen unterhaltspflichtigen Personen den Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege bei diesen Personen nicht ausschließt.“ In dieselbe Richtung deuten die Ausführungen des Gesetzgebers zur Einfügung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII durch dasselbe Änderungsgesetz im Jahre 2005 (BT-Drs. 15/3676 S. 36). Dort wird ausgeführt, es solle sichergestellt werden, „dass auch künftig Großeltern die Aufgabe von Pflegeeltern im Rahmen von Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27, 33 übernehmen können, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach § 27 vorliegen und der Hilfebedarf auf diese Weise gedeckt werden kann.“

29

bb) Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das einen Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, zu Unrecht aufgrund der genannten überhöhten Anforderungen an die Verwandtenpflege abgelehnt hat, stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar. Zwar ist dem Träger der Jugendhilfe bei der Auswahl der notwendigen Hilfeleistung ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zuzuerkennen. Die Beklagte hat die Grenzen dieses Spielraums jedoch überschritten (1). Bei der Selbstbeschaffung der Jugendhilfeleistung durfte die Klägerin von der Notwendigkeit ihrer Hilfeleistung ausgehen (2).

30

(1) Die Beklagte hat die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege (§ 27 Abs. 1, § 33 Satz 1 SGB VIII) nicht mit Erwägungen abgelehnt, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Zwar ist die gerichtliche Kontrolldichte aufgrund der Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) beschränkt. Weil danach der Hilfeplan eine unverzichtbare Voraussetzung der Gewährung von Jugendhilfe bildet, ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit entscheidend, ob die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. des Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1999 - 5 C 24.98 - BVerwGE 109, 155 <167> und vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 32).

31

Auch bei Zugrundelegung dieses Einschätzungsspielraums erweist sich die Ablehnungsentscheidung der Beklagten jedoch als rechtswidrig. Diese ist nicht durchweg von fachlichen Gründen getragen, welche die Geeignetheit oder die Notwendigkeit der von der Klägerin geleisteten Hilfe nachvollziehbar verneinen. Vielmehr hat sich das Jugendamt der Beklagten an unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgerichtet, indem es die Gewährung von Hilfe zur Erziehung maßgeblich mit der Erwägung abgelehnt hat, dass kein Hilfebedarf bestehe, weil die Kinder schon vor Antragstellung von der Klägerin gut betreut worden seien. Damit hat das Jugendamt der Beklagten verkannt, dass es - wie oben dargelegt - bei der Frage, ob eine erzieherische Mangelsituation vorliegt und damit ein erzieherischer Bedarf besteht, nicht auf die Situation in der Pflegefamilie, sondern auf diejenige in der Herkunftsfamilie (der Eltern) ankommt. Weil auch sonst fachlich durchgreifende Gründe für die Verweigerung der Leistung fehlten, war die Hilfeplanung der Beklagten insoweit als defizitär anzusehen, so dass die Steuerungsverantwortung des Jugendamts der Aufwendungserstattung für die selbst beschaffte Hilfe hier nicht entgegensteht.

32

(2) Bei der Selbstbeschaffung durfte die Klägerin von der Notwendigkeit der geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege ausgehen.

33

Hat das Jugendamt nicht rechtzeitig oder - wie hier - nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise über eine begehrte Hilfeleistung entschieden und beschafft sich ein Leistungsberechtigter daraufhin die begehrte Leistung im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII selbst, so kann er an Stelle des Jugendamtes den sonst diesem zustehenden und nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation ist er - obgleich ihm der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen mit der Folge, dass sich die Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung des Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung des Leistungsberechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr im Nachhinein nicht etwa mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet oder notwendig gehalten (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 34 m.w.N.).

34

Daran gemessen bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Klägerin von der Notwendigkeit der Hilfe zur Erziehung ausgegangen ist. Sie durfte die Aufnahme der Kinder in ihren Haushalt und die Gewährung von Vollzeitpflege als erforderlich ansehen, um das bestehende erzieherische Defizit in der Herkunftsfamilie (ihrer Tochter) zu decken.

35

3. Die von der Klägerin erbrachte Vollzeitpflege duldete auch keinen zeitlichen Aufschub im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Der erkennende Senat ist im Zusammenhang mit der sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt stets davon ausgegangen, dass schon während des Verwaltungsverfahrens ein unaufschiebbarer Bedarf vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 5 C 26.92 - BVerwGE 96, 152 <158>). Nichts anderes gilt, wenn es - wie hier - um die Deckung des erzieherischen Bedarfs von Kleinkindern durch jugendhilferechtliche Maßnahmen und die Sicherstellung des Unterhalts geht (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 21).

36

4. Was die Rechtsfolge des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII betrifft, so ist die Klägerin danach so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die (selbst beschaffte) Jugendhilfeleistung, auf die ein Anspruch bestand, rechtzeitig bewilligt worden wäre. Denn in Fällen der vorliegenden Art entspricht der Umfang der nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII von der Beklagten zu übernehmenden erforderlichen Aufwendungen dem Betrag, der bei rechtzeitiger Gewährung der Leistung vom Jugendhilfeträger nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 22 f.).

37

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in der Form von Vollzeitpflege.

Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts R. Abteilung für Familiensachen vom 14.2.2013 zum Vormund des am ... 2011 geborenen Kindes 1. bestellt. Das Kind 1. hält sich seit dem 28.11.2012 im Haushalt seiner Großmutter mütterlicherseits G. auf. Der Großmutter war mit seit 1.12.2006 rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts S. die elterliche Sorge für die Mutter von 1., M., teilweise entzogen worden. Im Haushalt der Großmutter leben drei weitere eigene Kinder im Alter von 11, 5 und 1 Jahren. Das ältere Kind ist lernbehindert, das mittlere geistig behindert. Ferner hat die Großmutter noch einen weiteren volljährigen Sohn.

Mit Schreiben vom 14.3.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form der Verwandtenpflege. Die Beklagte bat das Kreisjugendamt J. unter dem 12.3.2013 im Rahmen der Amtshilfe, die Großelternpflegestelle zu überprüfen. Mit Schreiben vom 22.11.2013 übermittelte das Landratsamt J. der Beklagten den Abschlussbericht zur Überprüfung der Familie ... In diesem kommt der Pflegekinderdienst zu einer negativen Einschätzung bezüglich der Eignung.

Mit Bescheid vom 3.12.2014 lehnte die Beklagte die beantragte Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bei Verwandten ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, vor allem durch den Hinweis auf eine zurückliegende Gefährdungsmeldung von Mitte Juni 2013 und die schließlich notwendige Unterbringung der beiden Kinder 1. und 2. in einem hohen Stundenumfang in Tageseinrichtungen, werde die nicht ausreichende Erziehungskompetenz der Großmutter bestätigt. Unterstrichen werde die Nichteignung der Großmutter durch die eigene Biographie und die Entwicklungsgeschichte der eigenen Kinder. Weiterhin sei das Belastungspotential bei zwei behinderten, noch relativ bedürftigen kleinen leiblichen Kindern, sowie einem straffällig gewordenen, derzeit anscheinend mit im Haushalt lebenden erwachsenen Sohn begrenzt und eine Überforderung durch die Gesamtsituation zu erwarten. Frau G. begehre ausschließlich finanzielle Leistungen. Es wäre nicht zu erwarten, dass die Großmutter Frau G. offen und in notwendiger Form in Fragen der Erziehung und in Konfliktsituationen mit dem Jugendamt zusammenarbeiten würde. Dem Vergleich mit einer nichtverwandten Pflegestelle halte das Familiensystem ... nicht stand. Die Jugendämter würden kein familienfremdes Kind bei dieser Familie unterbringen.

Unter dem 20.12.2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. Zur Begründung machte er geltend, die besonderen Beziehungen des Kindes zu den sich als Pflegepersonen bewerbenden Verwandten seien bei der Pflegestellenprüfung besonders zu berücksichtigen. 1. sei durch die Mutter bereits im November 2012 bei der Großmutter untergebracht worden. Er habe darüber hinaus bereits ab der Geburt für einen längeren Zeitraum -Februar 2011 bis Mai 2011 und Dezember 2011 bis Juni 2012- mit seiner Mutter im Haushalt der Großmutter gelebt und habe auch in der dazwischen liegenden Zeit regelmäßige Kontakte zu dieser gehabt. Für 1. sei die Großmutter erkennbar eine wichtige - und seit der Aufnahme im November 2012 - die wichtigste und bedeutendste Bezugsperson. Im Bericht des Jugendamtes J. sei keinerlei Bewertung dieser gegebenen engen Bindung zwischen 1. und zumindest der Großmutter und deren besonderen Bedeutung für die weitere Entwicklung erfolgt. Die seitens der Jugendämter vorgetragenen Ablehnungsgründe seien nicht ausreichend mit dem grundsätzlich anzuerkennenden Interesse des Kindes, in seiner Herkunftsfamilie aufzuwachsen, in Abwägung gebracht worden. Wie das Jugendamt J. angegeben habe, habe lediglich ein Hausbesuch stattgefunden, weitere für die Beurteilung der Eignung zugrunde gelegte Informationen hätten sich nur durch Telefonate, E-Mail-Kontakte und Angaben Dritter ergeben. Eine Beurteilung einer Erziehungskompetenz sei ausschließlich anhand der dem Jugendamt vorliegenden Unterlagen aus der Vorgeschichte der Großmutter erfolgt. Diese ließen keine Rückschlüsse auf eine aktuell gegebene mangelnde Erziehungskompetenz zu. Im Ablehnungsbescheid werde auf die nicht verifizierte Gefährdungsmitteilung vom Juni 2013 verwiesen und die schließlich notwendige Unterbringung der beiden Kinder 1. und 2. in einem hohen Stundenumfang. Zum einen werde hiermit der falsche Eindruck vermittelt, dass als Folge einer Gefährdungsmitteilung eine Fremdbetreuung der Kinder erforderlich geworden sei und zum anderen werde dies als Bestätigung einer nicht ausreichenden Erziehungskompetenz gesehen, was ebenso nicht zutreffe. Die Partnerschaft von Frau G. und Herrn ... bestehe zutreffender Weise erst über einen relativ kurzen Zeitraum. Es sei jedoch zu würdigen, dass beide Partner bereits 40 und 37 Jahre alt seien und somit über eine entsprechende Lebenserfahrung und Reife verfügten. Dass derzeit in der Familie auch der finanzielle Aspekt im Vordergrund stehe, sei zum einen in jeder Hinsicht nachvollziehbar, zum anderen kein Ablehnungsgrund für eine Pflegestelle. Die Befürchtungen zur mangelnden Zusammenarbeit und Kooperationsbereitschaft seien ebenfalls nicht nachvollziehbar. Im Rahmen der Kooperationsbereitschaft sei auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie zu bewerten.

Am 15.4.2014 erfolgte ein Hausbesuch zweier Fachkräfte des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Regensburg.

Mit Schreiben vom 2.7.2014 gab die Beklagte den Widerspruch an die Regierung der Oberpfalz ab. Die Nichtabhilfe wurde u. a. wie folgt begründet: Verwandtenpflege sei im vorliegenden Fall keine geeignete Hilfe. Es werde die Einschätzung des Jugendamtes J. geteilt. Auch wenn das Amt für Jugend und Familie der Beklagten die von Frau G. in der Vergangenheit erbrachten Bemühungen um ihren Enkelsohn 1. anerkenne, bestünden weiterhin Zweifel daran, dass eine am Wohl des Kindes orientierte Erziehung konstant gewährleistet, eine konstruktive und vertrauensvolle Kooperation mit dem Jugendamt gegeben und die Pflegeperson zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sei.

Die Regierung der Oberpfalz wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29.1.2015 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Betreuung von 1. im Haushalt der Großmutter G. trage einem erzieherischen Bedarf nicht angemessen Rechnung. Das Amt für Jugend und Familie habe die Eignung der Großmutter als Pflegeperson zu Recht abgelehnt. Der erzieherische Bedarf sei nicht mit dem bloßen Betreuungsbedarf des Kindes gleichzusetzen. Bei der Frage der Eignung der Großmutter G. habe das Amt für Jugend und Familie der Stadt Regensburg die gewichtigen Gründe einer bereits langfristig bestehenden intensiven Bindung zwischen 1. und seiner Großmutter G. berücksichtigt. Dem habe das Amt für Jugend und Familie der Stadt Regensburg die Erkenntnisse hinsichtlich der Eignung zur Erziehung der Pflegemutter G. gegenüber gestellt, die aus dem langjährigen Kontakt zur Familie ... selbst und im Wege der Amtshilfe durch das Jugendamt J... gewonnen worden seien. Die Bedenken, dass bei Nichteignung der Großmutter G. die Herausnahme von 1. aus dem großmütterlichen Haushalt folgen müsse, seien vom Amt für Jugend und Familie berücksichtigt und Alternativen aufgezeigt worden. Die Ablehnung des Antrags auf Hilfe zur Erziehung in Form einer Vollzeitpflege im Haushalt der Großmutter G. sei daher rechtmäßig.

Mit Schriftsatz vom 20.2.2015, bei Gericht eingegangen am 24.2.2015, erhob der Kläger Klage. Vorgetragen wird:

Der Kläger habe einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß §§ 27 i. V. m. 33 SGB VIII. Unstreitig sei in der Herkunftsfamilie des Mündels der erzieherische Bedarf für dieses nicht gedeckt, so dass eine andere Form der Unterbringung bei der Großmutter des Mündels notwendig geworden sei. Die Hilfe durch die Großmutter sei auch geeignet den bestehenden erzieherischen Bedarf zu decken. Es sei davon auszugehen, dass das Kindeswohl in der Familie der Großmutter gewährleistet sei. Es werde nur vermutet, dass die Großmutter keine Kooperationsbereitschaft mit der Beklagten zeigen würde. Die Großmutter habe sämtliche Kontakte mit dem Jugendamt stets zuverlässig wahrgenommen, insbesondere hätten auch die Überprüfungskontakte ohne jegliche Beanstandung durchgeführt werden können. Dass die Großmutter möglicherweise manchmal eine ablehnende Haltung gegenüber Jugendbehörden zeige, sei aus der Chronologie ihrer Erfahrungen zu erklären. Dem Vorbringen der Beklagten, dass die Großmutter nicht als Pflegemutter geeignet sei, weil ihr im Jahre 2006 aufgrund eines Erziehungsversagens die elterliche Sorge für die Mutter des Mündels entzogen worden sei, sei entgegenzuhalten, dass die Großmutter nun in ihrem eigenen Haushalt auch ihre weiteren Kinder erziehe.

Der Kläger habe einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 36 a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Übernahme seiner erforderlichen Aufwendungen für die ab der Antragstellung erbrachte Vollzeitpflege des Mündels aufgrund einer Selbstbeschaffung der Leistung. Bei der Selbstbeschaffung habe der Kläger von der Notwendigkeit der geleisteten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege ausgehen dürfen.

Der Kläger beantragt:

1. Der Bescheid der Stadt Regensburg vom 3.12.2013 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2015 wird aufgehoben.

2. Die Stadt Regensburg wird verurteilt, ab dem 14.3.2013 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege bei Frau G. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bestehe kein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Verwandtenpflege bei Frau G. Das Tatbestandsmerkmal Notwendigkeit sei unstreitig gegeben. Das Tatbestandsmerkmal Geeignetheit sei aus jugendfachlicher Sicht im Sinne des Jugendhilferechts nicht erfüllt. Dabei seien bei der Überprüfung von Pflegestellen bei Verwandten dieselben Kriterien heranzuziehen wie bei der Überprüfung von Pflegestellen bei familienfremden Personen. Die Frage der Eignung von Pflegepersonen als Leistungserbringer im Rahmen der Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff SGB VIII unterliege Anforderungen, die deutlich oberhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung lägen. Auch wenn die Großmutter von 1. keiner Pflegeerlaubnis bedürfe, könne als sachlicher Maßstab für die Beurteilung der Eignung zur Pflege von Kindern Art 35 AGSG herangezogen werden. Im Hinblick auf die 2006 gerichtlich festgestellte Erziehungsunfähigkeit von Frau G. werde bezweifelt, dass sie den erzieherischen Bedarf von 1. decken könne. In allen mit Frau G. geführten Gesprächen zeige diese eine deutliche Ablehnung gegen das Jugendamt als Institution. Neben der Betreuung von 1. müsse sich Frau G. intensiv um ihre beiden weiteren Töchter 3. und 2. kümmern. 3. sei schwer geistig behindert. 2. sei lernbehindert. Zudem erwarte Frau G. ein weiteres Kind von ihrem Lebensgefährten. Ein weiteres Kind werde möglicherweise zu einer erneuten Überforderung führen. Eine Kindeswohlgefährdung werde dadurch sehr wahrscheinlich. Von der Geeignetheit der Pflegestelle könne nicht ausgegangen werden, wenn Zweifel bestünden, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle dauerhaft gewährleistet sei. Bei den Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII handle es sich um Annexleistungen, die nicht isoliert, sondern immer nur aufgrund einer Hilfegewährleistung geleistet werden könnten. Eben diese Hilfegewährung werde jedoch abgelehnt. Hinsichtlich der Ausführungen des Klägers zur Vereinbarkeit des § 39 SGB VIII mit dem Grundgesetz werde festgestellt, dass im Haushalt von Frau G. zwei weitere kleine Kinder leben würden. Sofern Frau G. keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, könne dies nicht der Betreuung von 1. angelastet werden. Was die Selbstbeschaffung der Jugendhilfe betreffe, werde angezweifelt, dass es sich überhaupt um eine solche handle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten, sowie die Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei Verwandten ( § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).

1. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 36a Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches VIII (SGB VIII). Demgemäß ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wenn Hilfen vom Leistungsberechtigten selbst beschafft werden, zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1) bzw. falls ihm dies unmöglich war, dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt hat (§ 36a Abs. 3 Satz 2 SGB VIII), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3). Die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Hilfe -Vollzeitpflege bei Verwandten- lagen hier nicht vor.

2. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter, hier der Kläger, bei der Erziehung eines Kindes einen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Nach § 33 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Die Geeignetheit der Hilfe ist dabei nicht nur allgemein, sondern auch im Hinblick auf die konkrete Form der Hilfe zur Erziehung zu überprüfen. Dabei kann die Vollzeitpflege durch Großeltern nur dann ein geeignetes Mittel zum Ausgleich eines Erziehungsdefizits sein, wenn die Großeltern ihrerseits als Pflegepersonen geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 9.12.2014, Az.: 5 C 32/13- juris). Hier fehlt es an einer Eignung der Großmutter als Pflegeperson.

3. Zur Geeignetheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gehört auch, dass die Pflegepersonen zum einen eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten können und sich zum anderen auf die Kooperation mit dem Jugendamt einlassen und gegebenenfalls zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sind. Dies folgt auch ausdrücklich aus § 27 Abs. 2a Halbs. 2 SGB VIII, wonach die Person geeignet und bereit sein muss, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu decken. Großeltern bedürfen zwar keiner Pflegeerlaubnis (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII), ihre persönliche Eignung ist jedoch anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet ist (BVerwG a. a. O.).

Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung mehrere Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Daraus folgt, dass die verwaltungsgerichtliche Überprüfung sich darauf zu beschränken hat, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Adressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (BayVGH, Beschluss vom 16.10.2013, Az.: 12 C 13.1599).

Dies zugrunde legend steht dem Jugendamt auch hinsichtlich der Frage nach der Geeignetheit der Pflegeperson i. S. d. §§ 27, 33 SGB VIII im konkreten Einzelfall ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, nach der der Begriff der Eignung der Tagespflegeperson i. S.v. § 43 Abs. 2 SGB VIII ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, dessen Auslegung und Anwendung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ist im dortigen Kontext der Eignung als Tatbestandsvoraussetzung der (gebundenen) Erteilung von Erlaubnissen zur Tagespflege zu sehen; die genannte Rechtsprechung ist nicht übertragbar auf einen gegenüber dem Jugendamt geltend gemachten Anspruch auf Hilfe zur Erziehung i. S. d. §§ 27, 33, 39 SGB VIII (Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 23.10.2015, Az.: Au 3 K 15.1172- juris mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Aus Sicht der Kammer entspricht die Einschätzung des Jugendamtes, bei der Großmutter handle es sich nicht um eine geeignete Pflegeperson, diesen genannten fachlichen Maßstäben und ist daher nicht zu beanstanden. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Beklagte zumindest seit Antragstellung am 14.3.2013 und somit seit einem Zeitraum von zweidreiviertel Jahren die Betreuung des Kindes durch die Großmutter hinnimmt und nicht von einer Gefährdung des Kindeswohls ausgeht. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zwischen der Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die eine Inobhutnahme des Kindes nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII zur Folge haben kann, und der Definition des Kindeswohls bei der Prüfung der Geeignetheit einer Pflegeperson zu unterscheiden (so auch BayVGH a. a. O). Die Beklagtenseite hat hier ausführlich dargelegt, warum sie die Großmutter nicht für geeignet erachtet. Neben der eigenen Vorgeschichte der Großmutter wurde dabei auch die derzeitige Familiensituation eingehend beleuchtet. Insbesondere durch die überzeugenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung wurde die Einschätzung der Beklagten nochmals untermauert. Für die Beklagte ist ein entscheidendes Kriterium, das gegen die Großmutter als geeignete Pflegeperson spricht, die mangelnde Kooperationsbereitschaft mit dem Jugendamt. Auch diese Einschätzung ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Sie wurde insbesondere dadurch belegt, dass die Beklagtenseite einzelne Vorfälle konkret benannt hat, aus denen sich die fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Großmutter und Jugendamt ergibt. Bei der Kooperationsbereitschaft handelt es sich um eine grundlegende Voraussetzung, um von einer Geeignetheit der Pflegeperson auszugehen. Bei der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege stellt die Pflegeperson eine Institution der öffentlichen Jugendhilfe dar. Es geht nicht nur darum, das Kind zu betreuen, vielmehr sollen erzieherische Defizite kompensiert werden. Dies kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten, d. h. Pflegeperson, Vormund und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zusammenwirken. Dies ergibt sich bereits aus § 36 Abs. 2 SGB VIII. Dort ist geregelt, dass als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe ein Hilfeplan aufzustellen ist, an dessen Aufstellung neben den Personensorgeberechtigten und dem Kind auch die Personen zu beteiligen sind, die die Hilfe durchführen, d. h. hier die Großmutter als Pflegeperson. Dafür ist es unabdingbar, dass zwischen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Pflegeperson ein Vertrauensverhältnis und die Bereitschaft besteht, sich zum Wohle des Kindes auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, hat die Großmutter durch ihr Verhalten gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe klar gezeigt, dass zumindest derzeit ihr Interesse an dieser Zusammenarbeit, wenn überhaupt vorhanden, doch zumindest äußerst gering ist. Entgegen der Auffassung des Klägers, ist es auch nicht Aufgabe der Beklagten, erst während der laufenden Hilfe zu der Großmutter eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Vielmehr muss diese Vertrauensbeziehung bereits im Zeitpunkt der Hilfegewährung vorhanden sein. Nur dann können die mit der Hilfegewährung verfolgten Ziele sinnvoll festgelegt und erreicht werden. Dies schließt es nicht aus, dass sich die Zusammenarbeit im Laufe der Zeit intensiviert, vielmehr dürfte dies die Regel sein. Eine Zusammenarbeit in diesem Sinne bedeutet aus Sicht des Gerichts insbesondere auch, dass ein Austausch zwischen Pflegeperson und Träger der öffentlichen Jugendhilfe stattfindet. Dieser Austausch darf sich dabei nicht auf die Klärung finanzieller Bedürfnisse beschränken, sondern muss insbesondere auch den erzieherischen Bedarf des Kindes mit umfassen. Auch muss dieser Austausch gegenseitig erfolgen. D. h. beide Seiten müssen die Gewissheit haben, dass sich die jeweils andere Seite gegebenenfalls zur Klärung einer Frage oder einer Änderung des Hilfebedarfs meldet. Es kann sich insoweit nicht um eine einseitige Kommunikation, Nachfragen des Jugendamtes, handeln. Die Einschätzung der Beklagten, dass die Großmutter dazu nicht bereit ist, wurde aus Sicht des Gerichts durch die Beklagtenseite umfassend ausgeführt und in Ansätzen auch durch die Angaben des Klägers belegt. Aus diesen ergibt sich, dass auch die Kontaktaufnahme zwischen Kläger und Großmutter überwiegend vom Kläger ausgeht, die Großmutter möchte durch den Kläger ihr Erziehungsverhalten bestätigt bekommen. Sie selbst hält einen weiteren Unterstützungsbedarf für 1. derzeit nicht für erforderlich.

Das Gericht weist auf folgendes hin: Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass es sich bei der Eignung der Pflegeperson um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, dessen Auslegung und Anwendung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, würde dies an der getroffenen Entscheidung nichts ändern. Die Kammer teilt die von der Beklagtenseite getroffene Einschätzung und deren Begründung hinsichtlich der fehlenden Eignung der Großmutter als Pflegeperson vollumfänglich.

4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

5. Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.