Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. März 2016 - 7 K 5470/15
Tenor
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der 1922 geborene Kläger wendet sich dagegen, dass die Einbeziehung seines Enkels B. L. in seinen Aufnahmebescheid zurückgenommen wurde.
3Dem Kläger wurde im Februar 1997 ein Aufnahmebescheid erteilt. Er reiste im August 1997 in das Bundesgebiet ein und erhielt im Dezember 1997 eine Spätaussiedlerbescheinigung.
4Im November 2013 beantragte er die nachträgliche Einbeziehung seines 1983 in Turuchansk, Gebiet Krasnojarsk/Russland geborenen Enkels B. L. . Dessen Ehefrau und Sohn sollten ebenfalls zu ihm ins Bundesgebiet nachreisen. Sein Enkel sei in Komsomolsk, Gebiet Poltawa/Ukraine wohnhaft. In der Rubrik des Antragsformulars, die für Angaben zu Schul- und Berufsausbildung sowie sämtlichen beruflichen Tätigkeiten des Einzubeziehenden vorgesehen ist, befindet sich der Eintrag „arbeitslos“. Im Oktober 2014 unterzog sich Herr L. in der Botschaft der Beklagten in Kiew mit Erfolg einem Sprachstandstest. Mit Bescheid vom 03.02.2015 bezog das Bundesverwaltungsamt B. L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ein.
5Im Rahmen des sich anschließenden Visumsverfahrens des Herrn L. unterrichtete die Botschaft der Beklagten in Kiew das Bundesverwaltungsamt im März 2015 darüber, dass dessen Fingerabdrücke mit verschiedenen Namen und Staatsangehörigkeiten (25 verschiedene Identitäten) gespeichert seien. Im Bundesgebiet sei er wegen besonders schweren Diebstahls und Verstoßes gegen das AsylVfG inhaftiert gewesen. Er habe Asyl beantragt und sei 2013 abgeschoben worden. Das Bundesverwaltungsamt bat die Botschaft, das Visumsverfahren auszusetzen.
6Herr L. erklärte daraufhin, er sei erstmals in 2002 zum Besuch seiner Verwandten in Deutschland gewesen. Von 2009 bis Ende 2010 habe er sich zu einer medizinischen Behandlung hier aufgehalten; dabei sei er gezwungen gewesen, Asyl zu beantragen. 2013 sei er bei einem weiteren Einreiseversuch wegen der Verletzung von Visabestimmungen inhaftiert worden. 2014 habe er sich erneut besuchsweise in Deutschland aufgehalten. Er sei seit 1995 in Komsomolsk gemeldet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte, dessen Enkel sei als Flüchtling aus dem Kriegsgebiet Lugansk nach Deutschland gekommen. Das Bundesverwaltungsamt zog im Juni 2015 die bei der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen geführten Akten betreffend B. L. bei. Daraus ergeben sich folgende Informationen:
7Im September und Oktober 2002 wurde Herr L. im Bundesgebiet aus Anlass eines unerlaubten Aufenthalts und einer Rückübernahme erkennungsdienstlich behandelt. Er war im Besitz einer schwedischen Asylbewerberkarte.
8Im Juli 2009 reiste er ins Bundesgebiet ein. Er erhielt eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender und erklärte, er habe bereits Asylanträge 2001 und 2002 in Norwegen, 2002 in Schweden, sowie 2003 und 2009 in der Schweiz gestellt. Termine zur Aufnahme seines Asylbegehrens nahm er nicht wahr. Zwischen Dezember 2009 und April 2010 soll er in eine Klinik in Ansbach aufgenommen worden sein. Nach Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vom 26.05.2010 reiste er im November 2010 aus dem Bundesgebiet aus.
9Im November 2012 wurde er wegen Verdachts der Erschleichung eines Aufenthaltstitels festgenommen und war in der JVA Dresden zum Abbüßen von Ersatzfreiheitsstrafen vom 30.11.2012 bis 19.03.2013 inhaftiert. Im April 2013 verließ er das Bundesgebiet.
10Bei erneuter Einreise in das Bundesgebiet im April 2014 meldete er sich als Asylsuchender. Im Mai 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für Herrn L. als dessen Bevollmächtigter bei der Kreisverwaltung Euskirchen eine Aufenthaltserlaubnis. Nach Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung reiste Herr L. im Juli 2014 aus dem Bundesgebiet aus.
11Mit Bescheid vom 22.06.2015 nahm das Bundesverwaltungsamt den Einbeziehungsbescheid für B. L. unter Anordnung sofortiger Vollziehung zurück. Der Einbeziehungsbescheid sei rechtswidrig, da der Enkel des Klägers nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Nach den inzwischen gewonnenen Erkenntnissen habe er sich zur Durchführung von Asylverfahren von 2001 bis 2002 in Norwegen, 2002 in Schweden und Deutschland, 2003 und im August 2009 in der Schweiz sowie ab September 2009 in Deutschland aufgehalten. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Aufhebung des rechtswidrigen Bescheids gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Aufrechterhaltung. Die Aufhebung diene der gleichmäßigen Gesetzesanwendung und beseitige eine ungerechtfertigte Bevorzugung gegenüber anderen Antragstellern.
12Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, der behauptete, lange zurückliegende Asylantrag stehe in keinem Zusammenhang mit der Einbeziehung seines Enkels nach dem BVFG. Es sei aus der Luft gegriffen, dass sein Enkel sich ab 2009 in Deutschland aufgehalten habe; allenfalls sei er kurzzeitig hier gewesen. Seinen Wohnsitz in der Ukraine habe er jedenfalls nie aufgegeben. Soweit das Bundesverwaltungsamt das Vorliegen der für die Einbeziehung erforderlichen Voraussetzungen nicht ausreichend ermittelt habe, könne es seine Bearbeitungsfehler nicht im Nachhinein durch eine Rücknahme korrigieren. Es dürfe bei der Entscheidung über die Rücknahme der Einbeziehung keinen strengeren Maßstab anlegen als bei der Einbeziehung selbst. Das Bundesverwaltungsamt habe sein Rücknahmeermessen fehlerhaft ausgeübt.
13Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2015 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch unter Verweis auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid zurück. Der Bescheid wurde am 19.08.2015 zugestellt.
14Der Kläger hat am 17.09.2015 Klage erhoben.
15Zur Klagebegründung macht er ergänzend geltend, sein Enkel sei nach Norwegen, Schweden, in die Schweiz und nach Deutschland nur zu kurzzeitigen Auslandsaufenthalte wegen der politischen Lage bzw. eines Krankenhausaufenthaltes gereist; er habe sich dort nicht angemeldet. Richtige Asylanträge habe er nicht gestellt; seine Rückkehr sei von vornherein bekannt gewesen. Seine Familie lebe bis heute in der Ukraine. Dort habe er aktuell seinen Wohnsitz angemeldet. Die Rücknahmemöglichkeit sei verjährt. Die Umstände, mit denen das Bundesverwaltungsamt die Rücknahme begründe, seien sämtlich vor Erteilung des Einbeziehungsbescheides entstanden und bekannt gewesen. Dem Bundesverwaltungsamt habe die Akte der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen mit Angaben über die Aufenthalte seines Enkels in Westeuropa und dessen diversen Strafverfahren bereits bei Erlass des Einbeziehungsbescheides vorgelegen. Jedenfalls habe es vor der Einbeziehung eine Sicherheitsüberprüfung vornehmen sowie das Ausländerzentralregister einsehen müssen und daraus die Erkenntnisse gewinnen können, die es nun für deren Rücknahme heranziehe. Soweit das Bundesverwaltungsamt Antragsformulare verwende, in denen bestimmte Angaben nicht vorgesehen seien, könne deren Fehlen den Verfahrensbeteiligten nicht zum Vorwurf gemacht werden.
16Der Kläger beantragt,
17den Rücknahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.08.2015 aufzuheben.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie nimmt auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 22.06.2015 Bezug und führt ergänzend aus, das Bundesverwaltungsamt sei erst durch die Mitteilung der Auslandsvertretung in Kiew im März 2015 auf die Existenz eines ausländerrechtlichen Vorgangs betreffend den Enkel des Klägers aufmerksam gemacht worden und habe die Akte in der Folge beigezogen. Eine Beteiligung der Sicherheitsbehörden habe am 15.01.2015 stattgefunden. Deren Rückmeldung erfolge jedoch lediglich bei Erkenntnissen zu Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 d) und e) Bundesvertriebenengesetz - BVFG -; von einem Inlandsaufenthalt der überprüften Person erlange das Bundesverwaltungsamt auf diesem Wege nicht automatisch Kenntnis. Das BVFG verpflichte das Bundesverwaltungsamt auch nicht, vor Erteilung eines Einbeziehungsbescheids das Ausländerzen-tralregister zu überprüfen. Dagegen hätte das Bundesverwaltungsamt rechtzeitig vor Erteilung des Einbeziehungsbescheids von der Existenz des ausländerrechtlichen Vorgangs erfahren, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers seiner Mitwirkungspflicht im Einbeziehungsverfahren nachgekommen wäre und vollständige Angaben gemacht hätte. Er habe den Enkel des Klägers bei dessen Inlandsaufenthalt im Frühjahr 2014 als Bevollmächtigter gegenüber der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen vertreten, dem Bundesverwaltungsamt aber gleichzeitig verschwiegen, dass dieser der Einladung zum Sprachtest in der Auslandsvertretung in Kiew im Mai 2014 wegen seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht habe folgen können.
21Mit Beschluss vom 07.01.2016 hat die Kammer dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie der von der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen beigezogenen Akten des B. L. Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die Klage ist zulässig und begründet.
25Der Bescheid vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Absatz 5 VwGO).
26Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines rechtswidrigen Einbeziehungsbescheids ist § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Da der Einbeziehungsbescheid keine Geld- oder Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, greift § 48 Abs. 2 VwVfG nicht ein. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Einbeziehungsbescheids richtet sich somit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie 4 VwVfG.
27Es spricht Einiges dafür, dass der Einbeziehungsbescheid vom 03.02.2015 zum maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war, weil der einbezogene Enkel des Klägers nicht, wie § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG es verlangt, „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Aus Sicht der Kammer liegt es nahe, diese Formulierung wegen ihres Wortlauts und aufgrund systematischer sowie entstehungsgeschichtlicher Auslegung dahin zu verstehen, dass nur solche Personen das Tatbestandsmerkmal erfüllen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz im Herkunftsgebiet ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben,
28so VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 3385/12 -, 30.07.2014 - 10 K 3558/13 - und vom 03.09.2014 - 10 K 8156/13 -; a.A. OVG NRW, Urteile vom 16.09.2015 - 11 A 1747/14 - und 11 A 1882/14 -, wonach der Einzubeziehende nur zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss.
29Die vorhandenen Erkenntnisse über die Aufenthaltsverhältnisse des Herrn L. dürften einer Feststellung, dass er seit der Aussiedlung des Klägers durchgehend seinen Wohnsitz in der Ukraine gehabt hat, entgegenstehen. Sein Verhalten während der verschiedenen Aufenthalte in Deutschland lässt erkennen, dass er sich darum bemüht hat, jeweils so lange wie möglich im Bundesgebiet zu bleiben; mehrfach ist er erst unter dem Druck drohender Abschiebung ausgereist. Dass er nach eigenen Angaben in Norwegen, Schweden und der Schweiz Asylanträge gestellt hat, legt eine ähnliche Vorgehensweise in anderen Staaten nahe. Sie spricht gegen eine klare und eindeutige Aufenthaltsbegrenzung durch einen feststehenden Endzeitpunkt und damit für eine Wohnsitzverlagerung in den Einreisestaat. Angesichts der Häufigkeit des Aufenthaltswechsels, der Vielzahl der verschiedenen Aufenthaltsorte sowie der erheblichen Anzahl der bei seinen Aufenthaltsverlagerungen verwendeten Identitäten und wegen der Tatsache, dass Herr L. seinen Zugang zu westeuropäischen Staaten seit Jahren nicht mehr über die Beantragung deutscher Visa organisiert, ist ungeklärt, wo er in den Zeiträumen zwischen den bekanntgewordenen Aufenthalten in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten gelebt hat. Dementsprechend lässt sich nicht feststellen, wann und für welche jeweilige Dauer Herr L. sich an dem angeblichen Wohnort in Komsomolsk tatsächlich aufgehalten hat. Selbst für die Annahme, dass er zumindest bei Erteilung des Einbeziehungsbescheides dort seinen Wohnsitz hatte, fehlen verlässliche Anknüpfungspunkte, zumal er nach Mitteilung der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen vor dem 25.02.2015 erneut in Deutschland gewesen sein soll. Allein der behördlichen Meldung in der Ukraine dürfte sich nicht entnehmen lassen, wo sich der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse befunden hat. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Herr L. tatsächlich mit seiner Ehefrau und seinem Sohn, die in der Ukraine wohnen sollen, zusammengelebt hat.
30Soweit die Voraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vorgelegen haben, lässt sich der Einbeziehungsbescheid auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG stützen. Danach kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Sonstige Voraussetzung ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG unter anderem, dass der Abkömmling „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen wird und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt. Unabhängig von sonstigen Anforderungen fehlt es hier schon an dem erforderlichen Antrag, weil der Kläger vor seiner Ausreise im Jahr 1997 die Einbeziehung seines Enkels zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung nicht beantragt hat. Ein Antrag auf Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung setzt begrifflich voraus, dass er vor Ausreise der Bezugsperson gestellt wird, weil das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ nach der Ausreise der Bezugsperson nicht mehr erfüllt werden kann,
31vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.08.2014 - 11 A 496/14 - m.w.N.; VG Köln, Urteil vom 15.12.2015 - 7 K 2878/15 -.
32Jedoch bedarf es keiner abschließenden Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Einbeziehung, weil sich der Rücknahmebescheid jedenfalls aus anderen Gründen als fehlerhaft erweist. Auch wenn die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls nicht vor dem Erhalt des ausländerrechtlichen Vorgangs im Juni 2015 zu laufen begann und dementsprechend bei Erlass des Rücknahmebescheids noch nicht abgelaufen war, ist dieser Bescheid aufzuheben, weil das Bundesverwaltungsamt bei der Rücknahmeentscheidung das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
33Da die Rücknahme in den Fällen des § 48 Abs. 3 VwVfG an keine weiteren Voraussetzungen als die Rechtswidrigkeit geknüpft wird, kommt dem Ermessen hier eine erhebliche Bedeutung zu; durch die Ermessensausübung können die beiden Elemente des Rechtsstaatsprinzips, das Prinzip der Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung auf der einen Seite und das Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf der anderen Seite, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Der Gesetzgeber hat zwar in § 48 Abs. 3 VwVfG zum Ausdruck gebracht, dass dem Prinzip der Gesetzesmäßigkeit im Grundsatz der Vorrang eingeräumt werden soll, durch die Einräumung des Ermessens aber zugleich der Behörde die Verpflichtung zu einer abwägenden Entscheidung im Einzelfall auferlegt. Hierbei spielen für das Gewicht des Vertrauensschutzes die Möglichkeit eines nach § 48 Abs. 3 VwVfG zu gewährenden Vermögensausgleichs und die Frage, ob ein solcher Ausgleich die für den Betroffenen entstehenden Nachteile aufwiegen kann, eine wichtige Rolle,
34vgl. Kopp, VwVfG,14. Auflage, § 48 Rdnrn. 135, 136.
35Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie gem. § 40 VwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Hierzu gehört, dass die Behörde alle maßgeblichen Tatsachen und sonstigen wesentlichen Gesichtspunkte in Ansatz bringt und in die Abwägung einbezieht,
36vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.02.1997 - 2 A 45/97 -; Kopp a.a.O. § 40 Rdnr. 83.
37Diesen Anforderungen wird der angegriffene Bescheid nicht gerecht. Das Bundesverwaltungsamt hat sich bei seiner Ermessensentscheidung mit einem für die Gewichtung des Vertrauensschutzes wesentlichen Gesichtspunkt nicht auseinandergesetzt. Es ist unberücksichtigt geblieben, dass die Behörde die Rücknahme auf das Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung gestützt hat, zu der sie im Ausgangsverfahren keinerlei Feststellungen getroffen hat und deren Bedeutung dem Kläger im Einbeziehungsverfahren auch nicht auf sonstige Weise erkennbar gemacht worden ist. Weder ist der Kläger durch eine entsprechende Fassung des Antragsformulars oder auf andere Weise zu den Aufenthaltsverhältnissen seines Enkels befragt worden, noch hat das Bundesverwaltungsamt hierzu sonstige Ermittlungen angestellt. Dass das BVFG eine solche Ermittlung nicht ausdrücklich vorgibt, ist dabei irrelevant. Da das Bundesverwaltungsamt der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG das Erfordernis des durchgehenden Wohnsitzes im Herkunftsgebiet entnimmt, unterliegt diese Anforderung ebenso wie sonstige Tatbestandsvoraussetzungen der Amtsermittlung. Daran ändert es nichts, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter des Enkels des Klägers offensichtlich von einem Deutschlandaufenthalt des Enkels informiert war. Für eine Pflicht, dies im Einbeziehungsverfahren unaufgefordert mitzuteilen, ist keine Grundlage ersichtlich.
38Anlass, die Aufenthaltsverhältnisse des Enkels des Klägers vor einer Einbeziehung zur Sprache zu bringen, hatte das Bundesverwaltungsamt umso mehr, als das Erfordernis eines ununterbrochenen Aufenthalts des Einzubeziehenden im Herkunftsgebiet für den Antragsteller zumindest nicht auf der Hand liegt. Dies zeigen schon die zu dem Merkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ in der Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen. Zwar befindet sich auf der Rückseite des Vollmachtsformulars für die Durchführung des Einbeziehungsverfahrens, das der Kläger verwendet hat, der Hinweis, dass der Einzubeziehende bis zum Schluss des Einbeziehungsverfahrens seinen Wohnsitz im Herkunftsgebiet beibehalten müsse. Dieser Hinweis bringt aber nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass von jedem Einzubeziehenden ein ununterbrochener Aufenthalt im Herkunftsgebiet verlangt wird. Er könnte auch so verstanden werden, dass der Einzubeziehende sich lediglich für die Dauer des Einbeziehungsverfahrens im Herkunftsgebiet aufhalten muss, er also nicht schon bei Antragstellung vorzeitig ins Bundesgebiet kommen darf. Der Passus lässt dagegen nicht erkennen, dass ein Einbeziehungsantrag für einen Angehörigen, der in der Vergangenheit schon einmal im Ausland gewohnt hat, von vornherein ohne Erfolg bleiben wird. Hierzu hätte das Antragsformular selbst entsprechende Fragestellungen nach den bisherigen Aufenthaltsorten des Einzubeziehenden enthalten müssen, wie es auch im Vordruck für den Aufnahmebewerber üblich ist. Nicht jeder Spätaussiedler benutzt das Vollmachtsformular, auf dessen Rückseite sich der fragliche Hinweis befindet. Zudem wurden noch alte Antrags- und Vollmachtsformulare verwendet, die sich auf die nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 3 BVFG in der bis 2013 geltenden Fassung beziehen, die anderen Voraussetzungen unterlag. Das kann weitere Unklarheiten bezüglich etwaiger Wohnsitzerfordernisse nach sich ziehen.
39Hat das Kriterium des ununterbrochenen Aufenthalts bei der Erteilung des Einbeziehungsbescheids offensichtlich überhaupt keine Rolle gespielt, war es demgegenüber der maßgebliche Grund für seine Rücknahme. Dieser Umstand erfordert eine Berücksichtigung bei der Ermessensentscheidung. Unterlässt das Bundesverwaltungsamt vor einer Aufnahmeentscheidung die gebotene Sachaufklärung, darf es das sich daraus ergebende Risiko nicht ohne weitere Erwägungen auf den Antragsteller abwälzen; dem Umstand ist bei der Ausübung des Rücknahmeermessens Rechnung zu tragen,
40vgl. VG Köln, Urteil vom 03.05.1995 - 9 K 5082/93 -; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 21.02.1995 - 2 A 45/95 -; ähnliche Überlegungen BVerwG, Urteil vom 06.06.1991 - 3 C 46/86 -.
41Dies hat das Bundesverwaltungsamt in dem Rücknahmebescheid und dem Widerspruchsbescheid versäumt. Auch im Gerichtsverfahren hat es diesen Gesichtspunkt nicht in eine Interessenabwägung eingestellt sondern lediglich bestritten, zu entsprechenden Ermittlungen vor der Einbeziehung verpflichtet gewesen zu sein. Dieser Ermessensfehler führt zur Aufhebung, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Abwägung sämtlicher entscheidungserheblicher Umstände auch zu einer rechtmäßigen Rücknahmeentscheidung führen könnte.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. März 2016 - 7 K 5470/15
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die 1936 geborene Klägerin und ihr 1971 geborener Sohn Q. erhielten unter dem 01.06.1994 einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz und reisten aus Kasachstan kommend am 30.11.1994 nach Deutschland ein. Sie wurden im Verteilungsverfahren registriert und beantragten unter dem 27.12.1994 beim Landkreis Hildesheim Spätaussiedlerbescheinigungen nach § 15 Abs. 1 BVFG; dem Antrag wurde mit der Ausstellung der Bescheinigungen am 10.07.1995 entsprochen.
3Bereits im Januar 1995 war der Sohn der Klägerin nach Kasachstan zurückgekehrt. Ab 1997 bemühte er sich vergeblich, zur ständigen Wohnsitznahme nach Deutschland zurückzukehren. Die Deutsche Botschaft in Almaty lehnte mit Bescheid vom 22.01.1998 seinen Antrag auf Ausstellung eines Visums zur ständigen Wohnsitznahme ab, weil er den zunächst erworbene Status als Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit nach Art 116 Abs. 1 GG durch die freiwillige Rückkehr in das Herkunftsgebiet wieder verloren habe.
4Unter dem 18.03.2012 beantragte die Klägerin, ihren Sohn nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Sie gab an, sie leide – auch aufgrund der Trennung von ihrem Sohn – an verschiedenen, teils schwerwiegenden Erkrankungen, u.a. an einer Depression.
5Mit Bescheid vom 10.04.2013 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag ab, weil der Sohn der Klägerin aufgrund seiner früheren Wohnsitznahme in Deutschland nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei.
6Mit den dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend: Ihr Sohn sei im Januar 1995 zu seiner schwangeren Lebensgefährtin und späteren Frau in Kasachstan zurückgekehrt, habe zu diesem Zeitpunkt aber die feste Absicht gehabt, bald wieder nach Deutschland zu kommen. Das gemeinsame Kind sei kurz nach der Geburt verstorben. Am 28.04.1995 habe er geheiratet und ein nichteheliches Kind seiner Ehefrau adoptiert. Im März 1997 hätten die Eheleute sich getrennt; im August 1998 sei die Ehe geschieden worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das im Auftrag der Klägerin zum Verwaltungsvorgang gereichte Schreiben des Herrn G. L. vom 31.05.2013 (Seite 59 ff.) der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
7Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruch Bescheid vom 03.12.2013 zurück.
8Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren; sie hat weitere fachärztliche Atteste vorgelegt. Ergänzend macht sie geltend: Bei der Einreise ihres Sohnes im November 1994 habe sich noch nicht um eine Wohnsitznahme in Deutschland gehandelt, da die Lebensführung des Sohnes noch nicht gefestigt gewesen sei; er habe sich damals nicht zwischen seiner Herkunftsfamilie, mit der er in die Bundesrepublik eingereist sei, und seiner gerade in Gründung befindlichen eigenen Familie entscheiden können. Aufgrund der geschilderten Umstände liege ein Härtefall vor. Die Auffassung der Beklagten, eine nachträgliche Einbeziehung setze voraus, dass der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet ununterbrochen Bestand gehabt habe, sei unzutreffend. Dies stehe so nicht im Gesetz. Im Gegenteil ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, dass die Familieneinheit in möglichst vielen Fällen wiederhergestellt werden solle.
9Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 10.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2013 zu verpflichten, der Klägerin einen nachträglichen Einbeziehungsbescheid für ihren Sohn Q. Lang zu erteilen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
14Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter einverstanden erklärt.
15Entscheidungsgründe:
16Mit Einverständnis der Beteiligten kann die Kammer durch den Vorsitzenden als Berichterstatter entscheiden (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).
17Die Klage ist unbegründet.
18Der Bescheid der Beklagten vom 10.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
19Sie hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes Q. in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der mit Wirkung vom 14.09.2013 in Kraft getretenen Fassung des 10. BVFG-Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I 3554). Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
20Die Kammer hat zum grammatikalischen Verständnis der Formulierung „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 31 f. ausgeführt:
21„Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
22Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.“
23Die Kammer hält hieran nach nochmaliger Überprüfung fest. Sie teilt nicht die Auffassung der Klägerin, wonach ein Verständnis im zuvor zitierten Sinne so nicht im Gesetz stehe. Eines Zusatzes wie „ununterbrochen“ oder „durchgängig“ bedarf es für das vorgenannte Verständnis angesichts des bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ zu verstehenden Begriffs „verbleiben“ nicht.
24Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Die Kammer hat hierzu in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 34 ausgeführt:
25„Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.“
26Auch die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG bzw. der Vorgängervorschrift des früheren § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG belegt das vorstehende Normverständnis. Die Kammer hat hierzu in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 juris Rdnr. 40-48 ausgeführt:
27„Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
28„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
29Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
30Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
31Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
32Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
33Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
34„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dementsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
35Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.“
36Auch hieran hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest. Das Vorbringen der Klägerin, nach dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG solle die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederhergestellt und die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen ermöglicht werden, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Kammer hat diese Argumentation bereits in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 48 gewürdigt. Auf den zuletzt zitierten Absatz wird verwiesen.
37Vgl. zum Ganzen auch VG Köln, Urt. vom 9. April 2014 – 4 K 1743/13 – juris.
38Das zuvor dargelegte Verständnis des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zugrunde gelegt scheidet eine nachträgliche Einbeziehung des Sohnes Q. der Klägerin in ihren Aufnahmebescheid aus, da er nicht im Sinne der Vorschrift „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Er hat seit der Aussiedlung der Klägerin seinen Wohnsitz nicht ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt, sondern diesen im November 1994 nach Deutschland verlegt: Er ist mit Aufnahmebescheid eingereist, im Verteilungserfahren registriert worden, hat eine Spätaussiedlerbescheinigung beantragt und sich jedenfalls mehrere Wochen in Deutschland aufgehalten, bevor er – nach den eigenen Angaben der Klägern zunächst mit der Absicht der kurzfristigen Rückkehr nach Deutschland – wieder nach Kasachstan ausreiste.
39Eine Möglichkeit, wegen Vorliegens einer besonderen Härte von dem Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG abzusehen, besteht nicht. Die vom OVG NRW in seinem Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13) aufgeworfene und letztlich offen gelassene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist zu verneinen.
40Näher dazu VG Köln, Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 5417/12 – juris Rdnr. 36 ff.; Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 6881/12 – juris Rdnr. 36 ff.; Urt. vom 15. April 2014 – 7 K 2829/13 – juris Rdnr. 28 ff.; Urt. vom 6. Mai 2014 – 7 K 5256/12 – juris Rdnr. 24 ff.
41Die Klägerin hat auch nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG keinen Anspruch auf Einbeziehung ihres Sohnes Q. in ihren Aufnahmebescheid. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
42Diese Voraussetzungen sind für den Sohn der Klägerin nicht gegeben. Der Einbeziehungsantrag wurde vorliegend nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung gestellt, weil die Klägerin und ihr Sohn bereits im November 1994 gemeinsam ausgereist waren und die Klägerin sich - anders als ihr ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrter Sohn -, seither in Deutschland aufhält. Der Einbeziehungsantrag vom 18.03.2012 konnte sich daher nicht mehr auf eine gemeinsame Ausreise beziehen,
43vgl. zu einer ähnlichen Konstellation: OVG NRW, Beschluss vom 19.08.2014 – 11 A 926/14 -, juris.
44In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die „sonstigen Voraussetzungen“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beanspruchen.
45Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
46Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist diese Rechtsprechung weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
47so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
48die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
49Vgl. VG Köln, Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/14 – juris Rdnr. 51 ff.; Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 6881/12 – juris Rdnr. 19 ff.; Urt. vom 6. Mai 2014 – 7 K 5256/12 – juris Rdnr. 42 ff.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
51Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich nach Deutschland oder in einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 13. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 verpflichtet, F. Q. in den der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993 einzubeziehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 18. November 1937 geborene Klägerin begehrte ursprünglich die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes X. Q. sowie dessen Ehefrau und ihrer beiden Kinder in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993.
3Die Klägerin reiste am 20. September 1993 nach Deutschland ein und erhielt am 30. November 1993 eine Spätaussiedlerbescheinigung.
4Der am 26. Juli 1965 geborene X. Q. hatte am 3. Januar 1994 einen Aufnahmeantrag gestellt, den das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 5. Februar 1996 abgelehnt hatte, weil dessen deutsche Sprachkenntnisse nicht ausgereicht hätten. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (VG Köln, Urteil vom 8. November 2000 ‑ 9 K 5815/97 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2001 ‑ 2 A 350/01 ‑).
5X. Q. reiste im September 1999 mit seiner Ehefrau S. Q. (geboren am 6. August 1966) und den gemeinsamen Kindern F. Q. (geboren am 2. Dezember 1987) und N. Q. (geboren am 6. April 1995) nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 11. Juli 2001 ablehnte.
6Am 29. Juni 2001 beantragte X. Q. mit seiner Familie die Aufnahme gemäß § 27 Abs. 2 BVFG sowie eine „Aufnahmegenehmigung“ nach dem Bundesvertriebenengesetz für Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit.
7Anfang 2004 wurde X. Q. mit seiner Familie nach Kirgisistan abgeschoben.
8Am 22. April 2004 beantragte X. Q. mit seiner Familie das Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 51 VwVfG. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 19. Mai 2004 ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (VG Minden, Urteil vom 27. April 2007 ‑ 5 K 1084/06 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2008 ‑ 2 A 1746/07 ‑).
9Am 8. Juni 2011 beantragte die Klägerin die Einbeziehung ihres Sohnes X. Q. , seiner Ehefrau und der beiden Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 13. November 2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, eine nachträgliche Einbeziehung komme nicht in Betracht, weil die einzubeziehenden Personen nicht seit der Ausreise des antragstellenden Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben seien, sondern sich von September 1999 bis Anfang 2004 in Deutschland aufgehalten hätten. Eine nachträgliche Einbeziehung des Enkels N. Q. scheitere schon daran, dass er erst nach der Ausreise der Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland geboren sei. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2013 zurück.
10Am 12. Juni 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Das Erfordernis eines ununterbrochenen Wohnsitzes der einzubeziehenden Familienmitglieder im Herkunftsgebiet ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Die einzubeziehenden Personen hätten auch keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Sie hätten sich in Deutschland aufgehalten und unter Androhung einer ausländerrechtlichen Abschiebung die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen. Im Übrigen gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, weil die einzubeziehenden Familienmitglieder während ihres Aufenthalts in Deutschland ein Härtefallverfahren betrieben hätten. Dass ein Asylantrag gestellt worden sei, sei irrelevant.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 zu verpflichten, ihren Sohn X. und ihre Enkeltochter F. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen sowie ihren Enkelsohn N. und ihre Schwiegertochter S. in das Verteilungsverfahren einzubeziehen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und insbesondere ihre Auffassung vertieft, dass die einzubeziehenden Familienangehörigen nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ seien, weil sie sich von September 1999 bis Anfang 2004 in Deutschland aufgehalten hätten.
16In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin für F. Q. ein Goethe-Zertifikat A1 vom 14. Juli 2014 mit dem Ergebnis „sehr gut“ vorgelegt sowie für X. Q. eine Teilnahmebestätigung vom 14. Juli 2014, nach deren Inhalt er 49 von 100 Punkten erreicht und die Prüfung damit nicht bestanden hat.
17Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Juli 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine nachträgliche Einbeziehung für X. Q. und F. Q. in den Aufnahmebescheid der Klägerin nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei nicht möglich, weil beide nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben seien, sondern zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hätten. § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG sei in diesem Fall nicht anwendbar. Die nachträgliche Einbeziehung von X. Q. scheitere außerdem daran, dass dieser die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht besitze. Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG sei nicht möglich, weil der Einbeziehungsantrag nicht vor der Ausreise der Klägerin gestellt worden sei. Da kein Anspruch auf Einbeziehung des Sohnes und der Enkelin bestehe, scheide auch die Eintragung des Enkels N. und der Schwiegertochter S. gemäß § 8 BVFG aus.
18Gegen das ihr am 1. August 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. August 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihre Auffassung wiederholt und vertieft, dass der vorübergehende Aufenthalt in Deutschland für eine nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG unschädlich sei. Es reiche aus, dass sich die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet aufgehalten habe und sich zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag wieder dort aufhalte.
19In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen, soweit sie die nachträgliche Einbeziehung von X. Q. sowie die Eintragung von S. Q. und N. Q. in ihren Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993 begehrt hat. Insoweit hat der Senat das Verfahren abgetrennt.
20Die Klägerin beantragt,
21das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 13. No-vember 2012 und seines Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 zu verpflichten, F. Q. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993 einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26Die Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 13. November 2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihrer Enkelin F. Q. in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993.
27Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Diese nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit ist durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) als § 27 Abs. 3 BVFG in das Bundesvertriebenengesetz eingefügt worden. Durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) ist die Regelung als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG übernommen worden, wobei das in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. noch enthaltene Erfordernis einer Härte entfallen, die Voraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ aber unverändert geblieben ist.
28I. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
291. F. Q. ist als Enkelin Abkömmling einer Spätaussiedlerin ‑ der Klägerin. Die Klägerin hat ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland. Auch die „sonstigen Voraussetzungen“ liegen vor. Insbesondere besitzt F. Q. Grundkenntnisse der deutschen Sprache, wie sich aus dem vorgelegten Goethe-Zertifikat A1 vom 14. Juli 2014 ergibt.
30Vgl. zu dieser Anforderung etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 27. April 2011 ‑ 12 A 1154/10 ‑, juris, und vom 25. Oktober 2009 ‑ 12 A 3169/08 ‑, juris, jeweils m. w. N.
312. F. Q. ist auch der „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ Abkömmling der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass sie sich von September 1999 bis Anfang 2004 in Deutschland aufhielt und ins Aussiedlungsgebiet abgeschoben wurde.
32Diese Beurteilung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
33a) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung erfasst, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
34Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
35Eine derartige Trennung liegt nicht vor, wenn die einzubeziehende Person sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Inwieweit ihr Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts in Deutschland bedeutet nicht, dass der Betreffende „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2014 ‑ 11 A 622/14 ‑, juris.
37b) Der Wortlaut der Tatbestandsvoraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ trägt die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung, dass die einzubeziehende Person seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt haben muss, schließt aber auch einen zwischenzeitlichen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ‑ oder einem anderen Staat außerhalb des Aussiedlungsgebiets ‑ nicht aus. „Verbleiben“ kann „bleiben“, aber auch das einfache „Zurückbleiben“ oder „Übrigbleiben“ meinen. Die letztgenannten Begriffe erfordern nicht notwendigerweise Kontinuität, sondern stellen auf den Zeitpunkt des Trennens oder Verlassens ab. „Verbleib“ kann auch den (unbekannten) Aufenthaltsort einer Person oder einer Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnen.
38Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichworte „Verbleib“ und „verbleiben“.
39Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin. Allein aus dem Wort „verblieben“ ergibt sich aber noch nicht, dass ein früherer (vorübergehender) Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebietes, insbesondere in Deutschland, den Anspruch entfallen lässt.
40c) Die historische Auslegung führt nicht zu einem dieser Wortlautauslegung entgegenstehenden Ergebnis. Es mag im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung zutreffen, dass dem Gesetzgeber andere Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, wenn er einen durchgängigen Wohnsitz der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet nicht hätte voraussetzen wollen. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aber aus den Gesetzesmaterialien keine Hinweise, dass der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland gesehen hat oder als anspruchsschädlich berücksichtigt wissen wollte. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
41vgl. BT-Drs. 17/5515,
42finden sich keine Ausführungen dazu, ob ein vorübergehender Aufenthalt der einzubeziehenden Person in Deutschland anspruchsschädlich sein soll. Zwar steht ‑ hierauf hat das Verwaltungsgericht hingewiesen ‑ unter der Überschrift „A. Problem und Ziel“ der Hinweis: „Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn sich diese zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben, ...“. Dieser kurze allgemeine Aufriss des durch die Gesetzesänderung zu lösenden Problems lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch einen vorübergehenden Aufenthalt der Familienangehörigen in Deutschland im Blick hatte und die nachträgliche Einbeziehung gerade dann ausschließen wollte. Auch die Passage „Nach dem Wortlaut von Absatz 3 Satz 1 kann nur der Ehegatte oder Abkömmling nachträglich einbezogen werden, der im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Eine nachträgliche Einbeziehung ist damit nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers die Ehe bereits bestanden hat (…) beziehungsweise der Abkömmling bereits geboren war“,
43vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 7,
44rechtfertigt nicht die Annahme, dass dem Gesetzgeber das Problem eines vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb des Aussiedlungsgebietes bewusst war und er den Einbeziehungsanspruch in diesem Fall ausschließen wollte. Als (alleiniges) Ziel betont wird vielmehr die Vermeidung einer „dauerhaften Familientrennung“.
45Nichts anderes ergibt sich auch mit Blick darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ und ein inhaltsgleicher Antrag des Landes Hessen, der alternativ statt der Streichung dieser Wörter den Zusatz „oder bereits ausgereiste“ vorschlug, abgelehnt wurden.
46Vgl. zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT-Drs. 17/7215; zum Antrag des Landes Hessen: BR-Drs. 57/2/11; zur Ablehnung der Anträge durch den federführenden Innenausschuss: BT-Drs. 17/7178, und zur Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der zweiten und dritten Beratung des Gesetzesentwurfs: Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 (15369).
47Aus der Begründung zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergibt sich, dass die Fraktion die Einbeziehung eines Familienmitglieds erreichen wollte, unabhängig davon, an welchem Ort es sich (aktuell) befindet (solange nach der damals vorgesehenen Normgestaltung ein Härtefall vorlag). Nach der weiteren Begründung sollten damit auch die Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung erfasst werden, „die ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben oder hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben“.
48Vgl. BT-Drs. 17/7215, S. 2.
49Ähnliches ergibt sich auch aus dem Antrag des Landes Hessen. Auch dieser zielte darauf ab, dass nicht diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Ein-beziehungsmöglichkeit ausgeschlossen werden sollten, die ihr Herkunftsland bereits verlassen haben und sich in Deutschland ohne einen gesicherten Aufenthalt aufhalten.
50Vgl. BR-Drs. 57/2/11, S. 2.
51Aus der Ablehnung dieser Anträge lässt sich nicht der Schluss herleiten, es sollte von der mit dem Änderungsgesetz vorgesehenen nachträglichen Einbeziehungs-möglichkeit nur derjenige erfasst werden, der seit der Ausreise der Bezugsperson ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Daraus lässt sich vielmehr nur entnehmen, die gesetzesverabschiedende Mehrheit habe dem Ansinnen der Antragsteller nicht folgen wollen, auch Familienangehörige nachträglich einzubeziehen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt das Aussiedlungsgebiet bereits verlassen haben und sich schon im Bundesgebiet aufhalten. (Nur) Das Vorgesagte findet seine Bestätigung in den parlamentarischen Äußerungen im die zweite und dritte Beratung des das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes betreffenden Plenarprotokoll.
52Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 ff.
53So erklärte etwa der Abgeordnete T. U. (FDP), die mit dem Änderungsantrag „geforderte Ausweitung der Härtefallregelung auf Familienangehörige“, „die nicht mehr im Aussiedlungsgebiet wohnhaft sind“, sei abzulehnen.
54Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15367.
55Dr. D. C. , Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, führte unmittelbar vor der Abstimmung über den Änderungsantrag und der Schlussabstimmung über das Gesetz aus: „Wenn mit dem Änderungsantrag auch diejenigen im Nachhinein noch eine vertriebenenrechtliche Aufnahme finden sollen, die bereits - womöglich auf ausländerrechtlicher Basis - in Deutschland leben, entspräche das nicht dem Sinn der Regelung. Die zu lösenden Fälle tragischer Familientrennungen - Härtefälle - sind nicht vorstellbar, wenn sämtliche Familienangehörigen bereits in Deutschland leben“.
56Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15369.
57Auch dass es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes keinen neuerlichen Vorstoß gegeben hat, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, spricht nicht gegen die vom Senat vertretene Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Die in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses enthaltene Begründung zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
58vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12,
59hebt wiederum allein den Trennungsaspekt hervor und fordert eine „… grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen …“. Die nachträgliche Einbeziehung werde so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trete; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutze, müsse daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ bewusst unberührt gelassen, um damit den ununterbrochenen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet als Tatbestandsvoraussetzung für die nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit zu definieren. Abgesehen davon wurde die Frage eines vorübergehenden Aufenthalts der einzubeziehenden Personen in Deutschland abermals nicht angesprochen; vielmehr wurde wiederum allein die Notwendigkeit betont, es müssten die durch die für das Aufnahmeverfahren maßgebliche „Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Fall einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich)“ „in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler“ beseitigt werden.
60Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
61d) Der im Rahmen der systematischen Auslegung vom Verwaltungsgericht angeführte Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG spricht nicht gegen das vorstehend erläuterte und vom Senat vertretene Normverständnis, sondern eher für ein solches Verständnis. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Wohnsitzes in Deutschland ausdrücklich berücksichtigt. Die Vorschrift regelt aber eine mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vegleich-bare Konstellation im Zusammenhang mit dem in § 4 Abs. 1 BVFG geregelten Wohnsitzerfordernis für Spätaussiedler und ist daher auf den Fall des nur Einzubeziehenden nicht übertragbar. Die Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber Fallgestaltungen mit einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets kennt; das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Aufenthalt im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG deshalb ausgeschlossen ist, weil sich hier keine Regelung für einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets findet. Vielmehr ist mit Blick auf den Regelungsinhalt des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG und den von ihm erfassten Personenkreis - die Wohnsitzfiktion gilt nur für die Bezugsperson, der Ehegatte oder Abkömmling, der mit der Bezugsperson vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig war und mit dieser wieder ins Aussiedlungsgebiet zurückkehrt ist, wird nicht miterfasst - eher Gegenteiliges anzunehmen. Denn im Gegensatz zu einem Spätaussiedler bedarf der Familienangehörige für die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid keiner Wohnsitzfiktion; er kann gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trotz vorangegangenen vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden, wenn er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) im Aussiedlungsgebiet lebt. Mit Blick darauf ergibt sich im Rahmen der systematischen Auslegung nicht der vom Verwaltungsgericht angenommene Widerspruch. Abgesehen davon erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, aus welchen Gründen der Gesetzgeber einerseits durch die die Einbeziehungsmöglichkeiten erweiternde Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG die darin vorgesehene nachträgliche Einbeziehung andererseits ‑ weil er von einer entsprechenden Regelung wie in § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG für Familienangehörige abgesehen hat - einschränkend an einen ununterbrochenen Aufenthalt des Familienangehörigen im Aussiedlungsgebiet geknüpft hätte oder hätte knüpfen wollen.
62e) Insbesondere die teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt dazu, einen vorübergehenden Aufenthalt des Familienangehörigen der Bezugsperson außerhalb des Aussiedlungsgebiets als unschädlich anzusehen, wenn dieser im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) dort wohnt. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG soll „eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden“.
63Vgl. die ausdrückliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drs. 17/5515, S. 7.
64Zur Verwirklichung dieses Ziels ist durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes das Erfordernis einer Härte weggefallen. Denn „die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wieder herzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben“.
65Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
66Aus der zitierten Begründung ergibt sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die Familienzusammenführung in möglichst vielen Fällen zuzulassen und so dauerhafte Trennungen der Familien der Spätaussiedler zu vermeiden. Eine Familientrennung liegt aber gleichermaßen vor, wenn einzubeziehende Familienmitglieder sich zwar vorübergehend - vertriebenenrechtlich oder ausländerrechtlich - in Deutschland aufgehalten haben, aber ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn auch in einem solchen Fall kommt es (wieder) zu einer Familientrennung, die der Gesetzgeber durch die Schaffung der unter erleichterten Voraussetzungen möglichen nachträglichen Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade verhindern wollte.
67Auch kann es mit Blick auf die zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers, die Einheit der Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen herzustellen, keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen freiwillig oder etwa wegen einer ihnen drohenden Abschiebung unfreiwillig in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn schon bei der Schaffung der Regelung über die nachträgliche Einbeziehung hat der Gesetzgeber das unfreiwillige und freiwillige Verbleiben der Familienangehörigen im Auge gehabt, welches zu einer Trennung der Familien der Spätaussiedler führt. In der Begründung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes lautet es: „Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
68Vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 1.
69Im Entwurf zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes heißt es zudem, wer die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG „aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten“.
70Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
71Aus diesen Begründungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht danach unterscheiden wollte, ob der Familienangehörige freiwillig, etwa weil er noch nicht mit ausreisen wollte, oder unfreiwillig, weil er die erforderlichen Aufnahmevoraussetzungen noch nicht erfüllte, zunächst im Aussiedlungsgebiet verblieben und so die Familientrennung herbeigeführt worden ist. Vielmehr sollte nach dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Chance zur nachträglichen Einbeziehung unabhängig davon bestehen, „aus welchen Gründen auch immer“ die Familientrennung verursacht worden ist. Mit Blick darauf kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen sich freiwillig entschieden haben, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, oder ob dies auf unfreiwilliger Basis geschehen ist. Denn in allen Fällen - ob der Verbleib im Aussiedlungsgebiet oder die Rückkehr dorthin aus Gründen der Frei- oder Unfreiwilligkeit der Familienangehörigen erfolgt ist - kommt es zu einer Familientrennung, auf deren Beseitigung die in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG geschaffene Regelung der nachträglichen Einbeziehung abzielt.
72II. Obwohl die Vorschrift ‑ anders als § 27 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 BVFG ‑ als Ermessensregelung ausgestaltet ist („kann“), besteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift - wie hier - erfüllt sind, für eine Ausübung des Ermessens in einem negativen Sinn in der Regel kein Raum mehr.
73Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1996 ‑ 2 A 1819/94 ‑, juris, Rdnr. 30.
74Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
75Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
76Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob jemand nur dann im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, wenn er seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers seinen Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet hatte, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 verpflichtet, den Sohn der Klägerin, Q. M. , in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994 einzubeziehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 28. April 1936 geborene Klägerin und der am 6. Juli 1971 geborene Sohn der Klägerin, Q. M. , waren am 28. November 1994 mit einem beiden erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994 nach Deutschland eingereist. Auf ihren Antrag vom 27. Dezember 1994 war beiden jeweils unter dem 10. Juli 1995 eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erteilt worden. Der Sohn der Klägerin war bereits im Januar 1995 nach Kasachstan zurückgekehrt.
3Durch Bescheid vom 22. Januar 1998 lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty den Antrag des Sohns auf Ausstellung eines Visums zur ständigen Wohnsitznahme in Deutschland und auf Ausstellung eines Reisepasses oder Reiseausweises zur Rückkehr nach Deutschland ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Ausreise im Wege des Aufnahmeverfahrens sei nur einmal möglich. Mit der Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland habe der Aufnahmebescheid hinsichtlich der Visaerteilung seine Wirkung verloren. Ein zweites Visum auf der Grundlage des Aufnahmebescheids könne nicht erteilt werden. Ein Pass könne ihm nicht erteilt werden. Die Rechtsstellung eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sei mit dem freiwilligen Verlassen Deutschlands und der dauernden Aufenthaltnahme im Herkunftsgebiet verloren gegangen.
4Die unter dem 18. März 2012 beantragte nachträgliche Einbeziehung des Sohns der Klägerin und weiterer Familienangehöriger in den ihr erteilten Aufnahmebescheid lehnte das Bundesverwaltungsamt durch Bescheid vom 10. April 2013 im Wesentlichen mit der Begründung ab: Der Sohn der Klägerin sei mit dem Aufnahmebescheid, den sie gemeinsam erhalten hätten, aus dem Aussiedlungsgebiet in das Bundesgebiet ausgereist und sei deshalb nicht dort verblieben, sondern im Jahr 1995 freiwillig dorthin zurückgekehrt.
5Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin insbesondere geltend: Ihr Sohn sei nur deshalb im Januar 1995 nach Kasachstan zurückgekehrt, weil seine damalige Lebensgefährtin schwanger gewesen sei. Am 28. April 1995 habe er seine Lebensgefährtin geheiratet. Das gemeinsame Kind sei kurz nach der Hochzeit im Mai 1995 verstorben. Im März 1997 hätten sich die Eheleute getrennt. Die Ehe sei im August 1998 geschieden worden. Seit 1997 bemühe sich der Sohn, wieder nach Deutschland zurückzukehren.
6Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück.
7Am 31. Dezember 2013 hat die Klägerin Klage erhoben.
8Die Klägerin hat beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 zu verpflichten, der Klägerin einen nachträglichen Einbeziehungsbescheid für ihren Sohn Q. M. zu erteilen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend vorgetragen, „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei nur eine Person, die seit der Ausreise des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Dies sei aber hinsichtlich des Sohns der Klägerin gerade nicht der Fall. Dieser sei auf der Grundlage des Aufnahmebescheids am 28. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist und im Januar 1995 noch vor Ausstellung der von ihm beantragten Spätaussiedlerbescheinigung wieder in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. September 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine nachträgliche Einbeziehung ihres Sohns Q. in ihren Aufnahmebescheid. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG seien nicht erfüllt, weil ihr Sohn nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei, sondern ‑ wenn auch nur vorübergehend - einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet habe. Für dieses Verständnis der Vorschrift spreche der Wortlaut. Die Wortlautauslegung werde durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeige der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetz ausdrücklich kenntlich mache, wann er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren wolle. Auch die Entstehungsgeschichte belege dieses Normverständnis. In der Gesetzesbegründung zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes sei ausdrücklich davon die Rede, die Aussiedlung nach Deutschland führe zu einer Trennung von Familienangehörigen, „wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier]“. Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion habe der Gesetzgeber nicht entsprochen. Im Gesetzgebungsverfahren des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes habe es einen neuerlichen Vorstoß, das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, nicht gegeben.
14Gegen das ihr am 8. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Der Auslegung der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch das Verwaltungsgericht sei nicht zu folgen. Der Gesetzgeber habe nicht klarstellend formuliert, dass die Einbeziehungsmöglichkeit nur bestehe, wenn der Ehegatte oder Abkömmling „durchgängig“ im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Die systematische Auslegung belege entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht dessen vorgenommene Wortlautauslegung. Die Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG gelte nicht für die Einbeziehung, sondern nur für die Erteilung eines originären Aufnahmebescheids. Die vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auslegung herangezogenen Gesetzesmaterialien sprächen für ihre, nicht aber für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch das Vorliegen einer besonderen Härte im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen gewesen.
15Die Klägerin beantragt,
16das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 zu verpflichten, ihren Sohn Q. M. nachträglich in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994 einzubeziehen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohns Q. M. in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994.
22Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Diese nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit ist durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) als § 27 Abs. 3 BVFG in das Bundesvertriebenengesetz eingefügt worden. Durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) ist die Regelung als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG übernommen worden, wobei das in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. noch enthaltene Erfordernis einer Härte entfallen, die Voraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ aber unverändert geblieben ist.
23I. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
241. Q. M. ist Abkömmling einer Spätaussiedlerin ‑ der Klägerin. Die Klägerin hat ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland. Auch die „sonstigen Voraussetzungen“ liegen vor. Insbesondere besitzt Q. M. Grundkenntnisse der deutschen Sprache, wie sich aus dem vorgelegten Goethe-Zertifikat A1 vom 21. Dezember 2012 ergibt.
25Vgl. zu dieser Anforderung etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 27. April 2011 ‑ 12 A 1154/10 ‑, juris, und vom 25. Oktober 2009 ‑ 12 A 3169/08 ‑, juris, jeweils m. w. N.
262. Q. M. ist auch der „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ Abkömmling der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass er mit dem ihm und der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid im November 1994 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, eine Spätaussiedlerbescheinigung beantragt hatte und vor deren Ausstellung wieder nach Kasachstan zurückgekehrt war.
27Diese Beurteilung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
28a) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung erfasst, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
29Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
30Eine derartige Trennung liegt nicht vor, wenn die einzubeziehende Person sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Inwieweit ihr Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts in Deutschland bedeutet nicht, dass der Betreffende „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2014 ‑ 11 A 622/14 ‑, juris.
32b) Der Wortlaut der Tatbestandsvoraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ trägt die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung, dass die einzubeziehende Person seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt haben muss, schließt aber auch einen zwischenzeitlichen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ‑ oder einem anderen Staat außerhalb des Aussiedlungsgebiets ‑ nicht aus. „Verbleiben“ kann „bleiben“, aber auch das einfache „Zurückbleiben“ oder „Übrigbleiben“ meinen. Die letztgenannten Begriffe erfordern nicht notwendigerweise Kontinuität, sondern stellen auf den Zeitpunkt des Trennens oder Verlassens ab. „Verbleib“ kann auch den (unbekannten) Aufenthaltsort einer Person oder einer Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnen.
33Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichworte „Verbleib“ und „verbleiben“.
34Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin. Allein aus dem Wort „verblieben“ ergibt sich aber noch nicht, dass ein früherer (vorübergehender) Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebietes, insbesondere in Deutschland, den Anspruch entfallen lässt.
35c) Die historische Auslegung führt nicht zu einem dieser Wortlautauslegung entgegenstehenden Ergebnis. Es mag im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung zutreffen, dass dem Gesetzgeber andere Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, wenn er einen durchgängigen Wohnsitz der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet nicht hätte voraussetzen wollen. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aber aus den Gesetzesmaterialien keine Hinweise, dass der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland gesehen hat oder als anspruchsschädlich berücksichtigt wissen wollte. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
36vgl. BT-Drs. 17/5515,
37finden sich keine Ausführungen dazu, ob ein vorübergehender Aufenthalt der einzubeziehenden Person in Deutschland anspruchsschädlich sein soll. Zwar steht ‑ hierauf hat das Verwaltungsgericht hingewiesen ‑ unter der Überschrift „A. Problem und Ziel“ der Hinweis: „Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn sich diese zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben, ...“. Dieser kurze allgemeine Aufriss des durch die Gesetzesänderung zu lösenden Problems lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch einen vorübergehenden Aufenthalt der Familienangehörigen in Deutschland im Blick hatte und die nachträgliche Einbeziehung gerade dann ausschließen wollte. Auch die Passage „Nach dem Wortlaut von Absatz 3 Satz 1 kann nur der Ehegatte oder Abkömmling nachträglich einbezogen werden, der im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Eine nachträgliche Einbeziehung ist damit nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers die Ehe bereits bestanden hat (…) beziehungsweise der Abkömmling bereits geboren war“,
38vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 7,
39rechtfertigt nicht die Annahme, dass dem Gesetzgeber das Problem eines vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb des Aussiedlungsgebietes bewusst war und er den Einbeziehungsanspruch in diesem Fall ausschließen wollte. Als (alleiniges) Ziel betont wird vielmehr die Vermeidung einer „dauerhaften Familientrennung“.
40Nichts anderes ergibt sich auch mit Blick darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ und ein inhaltsgleicher Antrag des Landes Hessen, der alternativ statt der Streichung dieser Wörter den Zusatz „oder bereits ausgereiste“ vorschlug, abgelehnt wurden.
41Vgl. zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT-Drs. 17/7215; zum Antrag des Landes Hessen: BR-Drs. 57/2/11; zur Ablehnung der Anträge durch den federführenden Innenausschuss: BT-Drs. 17/7178, und zur Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der zweiten und dritten Beratung des Gesetzesentwurfs: Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 (15369).
42Aus der Begründung zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergibt sich, dass die Fraktion die Einbeziehung eines Familienmitglieds erreichen wollte, unabhängig davon, an welchem Ort es sich (aktuell) befindet (solange nach der damals vorgesehenen Normgestaltung ein Härtefall vorlag). Nach der weiteren Begründung sollten damit auch die Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung erfasst werden, „die ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben oder hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben“.
43Vgl. BT-Drs. 17/7215, S. 2.
44Ähnliches ergibt sich auch aus dem Antrag des Landes Hessen. Auch dieser zielte darauf ab, dass nicht diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehungsmöglichkeit ausgeschlossen werden sollten, die ihr Herkunftsland bereits verlassen haben und sich in Deutschland ohne einen gesicherten Aufenthalt aufhalten.
45Vgl. BR-Drs. 57/2/11, S. 2.
46Aus der Ablehnung dieser Anträge lässt sich nicht der Schluss herleiten, es sollte von der mit dem Änderungsgesetz vorgesehenen nachträglichen Einbeziehungsmöglichkeit nur derjenige erfasst werden, der seit der Ausreise der Bezugsperson ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Daraus lässt sich vielmehr nur entnehmen, die gesetzesverabschiedende Mehrheit habe dem Ansinnen der Antragsteller nicht folgen wollen, auch Familienangehörige nachträglich einzubeziehen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt das Aussiedlungsgebiet bereits verlassen haben und sich schon im Bundesgebiet aufhalten. (Nur) Das Vorgesagte findet seine Bestätigung in den parlamentarischen Äußerungen im die zweite und dritte Beratung des das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes betreffenden Plenarprotokoll.
47Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 ff.
48So erklärte etwa der Abgeordnete T. U. (FDP), die mit dem Änderungsantrag „geforderte Ausweitung der Härtefallregelung auf Familienangehörige“, „die nicht mehr im Aussiedlungsgebiet wohnhaft sind“, sei abzulehnen.
49Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15367.
50Dr. C. B. , Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, führte unmittelbar vor der Abstimmung über den Änderungsantrag und der Schlussabstimmung über das Gesetz aus: „Wenn mit dem Änderungsantrag auch diejenigen im Nachhinein noch eine vertriebenenrechtliche Aufnahme finden sollen, die bereits - womöglich auf ausländerrechtlicher Basis - in Deutschland leben, entspräche das nicht dem Sinn der Regelung. Die zu lösenden Fälle tragischer Familientrennungen - Härtefälle - sind nicht vorstellbar, wenn sämtliche Familienangehörigen bereits in Deutschland leben“.
51Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15369.
52Auch dass es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes keinen neuerlichen Vorstoß gegeben hat, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, spricht nicht gegen die vom Senat vertretene Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Die in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses enthaltene Begründung zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
53vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12,
54hebt wiederum allein den Trennungsaspekt hervor und fordert eine „… grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen …“. Die nachträgliche Einbeziehung werde so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trete; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutze, müsse daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ bewusst unberührt gelassen, um damit den ununterbrochenen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet als Tatbestandsvoraussetzung für die nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit zu definieren. Abgesehen davon wurde die Frage eines vorübergehenden Aufenthalts der einzubeziehenden Personen in Deutschland abermals nicht angesprochen; vielmehr wurde wiederum allein die Notwendigkeit betont, es müssten die durch die für das Aufnahmeverfahren maßgebliche „Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Fall einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich)“ „in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler“ beseitigt werden.
55Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
56d) Der im Rahmen der systematischen Auslegung vom Verwaltungsgericht angeführte Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG spricht nicht gegen das vorstehend erläuterte und vom Senat vertretene Normverständnis, sondern eher für ein solches Verständnis. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Wohnsitzes in Deutschland ausdrücklich berücksichtigt. Die Vorschrift regelt aber eine mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Konstellation im Zusammenhang mit dem in § 4 Abs. 1 BVFG geregelten Wohnsitzerfordernis für Spätaussiedler und ist daher auf den Fall des nur Einzubeziehenden nicht übertragbar. Die Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber Fallgestaltungen mit einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets kennt; das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Aufenthalt im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG deshalb ausgeschlossen ist, weil sich hier keine Regelung für einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets findet. Vielmehr ist mit Blick auf den Regelungsinhalt des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG und den von ihm erfassten Personenkreis - die Wohnsitzfiktion gilt nur für die Bezugsperson, der Ehegatte oder Abkömmling, der mit der Bezugsperson vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig war und mit dieser wieder ins Aussiedlungsgebiet zurückkehrt ist, wird nicht miterfasst - eher Gegenteiliges anzunehmen. Denn im Gegensatz zu einem Spätaussiedler bedarf der Familienangehörige für die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid keiner Wohnsitzfiktion; er kann gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trotz vorangegangenen vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden, wenn er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) im Aussiedlungsgebiet lebt. Mit Blick darauf ergibt sich im Rahmen der systematischen Auslegung nicht der vom Verwaltungsgericht angenommene Widerspruch. Abgesehen davon erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, aus welchen Gründen der Gesetzgeber einerseits durch die die Einbeziehungsmöglichkeiten erweiternde Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG die darin vorgesehene nachträgliche Einbeziehung andererseits ‑ weil er von einer entsprechenden Regelung wie in § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG für Familienangehörige abgesehen hat - einschränkend an einen ununterbrochenen Aufenthalt des Familienangehörigen im Aussiedlungsgebiet geknüpft hätte oder hätte knüpfen wollen.
57e) Insbesondere die teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt dazu, einen vorübergehenden Aufenthalt des Familienangehörigen der Bezugsperson außerhalb des Aussiedlungsgebiets als unschädlich anzusehen, wenn dieser im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) dort wohnt. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG soll „eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden“.
58Vgl. die ausdrückliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drs. 17/5515, S. 7.
59Zur Verwirklichung dieses Ziels ist durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes das Erfordernis einer Härte weggefallen. Denn „die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wieder herzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben“.
60Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
61Aus der zitierten Begründung ergibt sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die Familienzusammenführung in möglichst vielen Fällen zuzulassen und so dauerhafte Trennungen der Familien der Spätaussiedler zu vermeiden. Eine Familientrennung liegt aber gleichermaßen vor, wenn einzubeziehende Familienmitglieder sich zwar vorübergehend - vertriebenenrechtlich oder ausländerrechtlich - in Deutschland aufgehalten haben, aber ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn auch in einem solchen Fall kommt es (wieder) zu einer Familientrennung, die der Gesetzgeber durch die Schaffung der unter erleichterten Voraussetzungen möglichen nachträglichen Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade verhindern wollte.
62Auch kann es mit Blick auf die zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers, die Einheit der Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen herzustellen, keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen freiwillig oder etwa wegen einer ihnen drohenden Abschiebung unfreiwillig in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn schon bei der Schaffung der Regelung über die nachträgliche Einbeziehung hat der Gesetzgeber das unfreiwillige und freiwillige Verbleiben der Familienangehörigen im Auge gehabt, welches zu einer Trennung der Familien der Spätaussiedler führt. In der Begründung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes lautet es: „Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
63Vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 1.
64Im Entwurf zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes heißt es zudem, wer die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG „aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten“.
65Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
66Aus diesen Begründungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht danach unterscheiden wollte, ob der Familienangehörige freiwillig, etwa weil er noch nicht mit ausreisen wollte, oder unfreiwillig, weil er die erforderlichen Aufnahmevoraussetzungen noch nicht erfüllte, zunächst im Aussiedlungsgebiet verblieben und so die Familientrennung herbeigeführt worden ist. Vielmehr sollte nach dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Chance zur nachträglichen Einbeziehung unabhängig davon bestehen, „aus welchen Gründen auch immer“ die Familientrennung verursacht worden ist. Mit Blick darauf kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen sich freiwillig entschieden haben, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, oder ob dies auf unfreiwilliger Basis geschehen ist. Denn in allen Fällen - ob der Verbleib im Aussiedlungsgebiet oder die Rückkehr dorthin aus Gründen der Frei- oder Unfreiwilligkeit der Familienangehörigen erfolgt ist - kommt es zu einer Familientrennung, auf deren Beseitigung die in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG geschaffene Regelung der nachträglichen Einbeziehung abzielt.
67II. Obwohl die Vorschrift ‑ anders als § 27 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 BVFG ‑ als Ermessensregelung ausgestaltet ist („kann“), besteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift - wie hier - erfüllt sind, für eine Ausübung des Ermessens in einem negativen Sinn in der Regel kein Raum mehr.
68Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1996 ‑ 2 A 1819/94 ‑, juris, Rdnr. 30.
69Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
70Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
71Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob jemand nur dann im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, wenn er seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers seinen Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet hatte, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil die Rechtsverfolgung des Klägers aus den Gründen zu II. nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
41. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
6Der mit einer Übernahmegenehmigung vom 7. November 1957 am 12. September 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Kläger erhielt in Anwendung der Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 4 BVFG am 6. Februar 2002 von der Stadt P. eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG als Spätaussiedler. Unter dem 28. September 2012 hat er einen Aufnahmebescheid beantragt, damit seine im Jahr 2003 nach Deutschland übergesiedelte Ehefrau B. L. in diesen Aufnahmebescheid einbezogen werden kann. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass ein solcher Anspruch nicht besteht. Ernstliche Zweifel hiergegen legt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nicht dar.
7Das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Erteilung eines Aufnahmebescheides ‑ und damit auch die Einbeziehung seiner Ehefrau in diesen Aufnahmebescheid ‑ ist nach der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Rechtslage zu beurteilen.
8Vgl. speziell zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 ‑ 5 C 27.02 ‑, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11; ferner ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2014 ‑ 11 A 802/13 ‑, juris.
9Prüfungsmaßstab ist damit § 27 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554). Zwar kann der Kläger seine eigene Rechtsposition ‑ er ist bereits Spätaussiedler ‑ nicht mehr verbessern. Sein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich aber daraus, dass er sein Begehren auf Einbeziehung seiner Ehefrau anders nicht erreichen kann.
10Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 ‑ 5 C 32.00 ‑, NVwZ-RR 2002, 388 (389).
11Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger die Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nebst Einbeziehung seiner Ehefrau als Härtefall nicht mehr beanspruchen kann, weil die „sonstigen Voraussetzungen“ für eine Nachholung der Eintragung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht vorliegen. Es fehlt an einem vom Kläger als Bezugsperson vor seiner Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet ausdrücklich gestellten Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“. Ein Antrag „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ setzt begrifflich voraus, dass er vor der Ausreise der Bezugsperson gestellt wird, weil das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ nach Ausreise der Bezugsperson nicht mehr erfüllt werden kann.
12Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 ‑ 5 B 134.04 ‑, juris; ferner etwa OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2005 ‑ 2 A 2383/05 ‑, juris, Rdnr. 30; OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2008 ‑ 12 A 4479/06 ‑, juris, m. w. N. zu dem insoweit gleichlautenden § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.
13Einen solchen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.
14Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch daran scheitert, dass die Übersiedlung seiner Ehefrau in das Bundesgebiet seit Jahren abgeschlossen ist.
15Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (ebenso wenig wie § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrages. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. (jetzt wortgleich § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) gefolgert, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Härtefallantrags bestehen muss.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248.
17Nach § 26 BVFG können nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheids.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
19Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG betreffend den Härtefallantrag eines Spätaussiedlers für einen Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten (oder der Abkömmlinge) entsprechende Geltung beansprucht. Dem Spätaussiedler können hinsichtlich seines Antrags auf Einbeziehung seiner Familienangehörigen nicht weiter reichende Rechte zustehen als hinsichtlich seines Antrags auf eigene Aufnahme. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Bundesvertriebenengesetzes hergeleitet, dass Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten ausreisen, ohne zuvor ein Aufnahmeverfahren durchgeführt zu haben, nur dann einen Aufnahmebescheid erhalten können, wenn sie bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen und diesen Willen zeitnah zur Übersiedlung nach außen hin betätigt haben.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
21Ist aber der Spätaussiedlerwille im Falle des Härtefallantrags auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheids zwingende Tatbestandsvoraussetzung, kann für den Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge in einen Aufnahmebescheid nichts anderes gelten.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2014 ‑ 11 A 926/14 ‑, juris.
23Denn die Einbeziehung soll ein potenzielles Aussiedlungshindernis für den Spätaussiedler zu dessen Gunsten ausräumen; die einzubeziehenden Personen haben insoweit keinen eigenen Anspruch.
24So die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BR-Drs. 22/03 vom 16. Januar 2003, S. 291.
25Der Kläger kann diese zwingende Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf die Einbeziehung seiner Ehefrau nicht mehr erfüllen. Denn sein (heutiger) Spätaussiedlerwille kann sich nicht mehr darauf beziehen, dass seine Ehefrau die Aussiedlungsgebiete als Einzubeziehende verlässt und zum Zwecke der Herstellung der Einheit der Familie ins Bundesgebiet einreist. Vielmehr ist ihre Aussiedlung bereits seit dem Jahr 2003 abgeschlossen. Dabei ist unerheblich, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise im Jahr 2001 zusammen mit seiner Ehefrau nach den Möglichkeiten einer Übersiedlung erkundigt hat, dass und warum er vor seiner Ausreise keinen Aufnahmebescheid beantragt hat, und dass seine Ehefrau ursprünglich mit ihm zusammen ausreisen wollte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Spätaussiedlerwille nur durch einen Aufnahmeantrag nach außen hin betätigt werden.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (252).
27Einen Aufnahmeantrag bzw. Antrag auf Einbeziehung seiner Ehefrau hat der Kläger zeitnah weder zu seiner Übersiedlung im Jahr 2001 noch zu ihrer Übersiedlung im Jahr 2003 gestellt. Das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz hat nichts daran geändert, dass der Spätaussiedlerwille zeitnah zur Übersiedlung betätigt werden muss. Der Hinweis des Klägers auf die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG führt daher hier nicht weiter.
28Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers in einen ihm zu erteilenden Aufnahmebescheid auch gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ‑ insbesondere ohne Vorliegen eines Härtefalles ‑ der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die vorliegende Fallgestaltung wird von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfasst, weil die Ehefrau des Klägers nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, sondern seit 2003 in Deutschland lebt.
292. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
303. Die Sache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger formulierte Frage,
31„ob § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F. auch den Fall erfasst, dass eine Person, die sich ohne Aufnahmebescheid in Deutschland aufhält, auch dann eine Einbeziehung verlangen kann, wenn der Partner selbst in Deutschland lebt“,
32lässt sich ‑ wie unter 1. dargelegt ‑ aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
334. Der schließlich noch geltend gemachte Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wird mit dem Vortrag „das Gericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, weil es nämlich eine Antragstellung vor der Ausreise verneint“, bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
35Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
36Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.