Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 05. Aug. 2015 - 24 L 1670/15
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.592,50 Euro festgesetzt.
1
Gründe
21. Der Antrag der Antragstellerin,
3die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Vergnügungssteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2015, Kassenzeichen 000.000.000.000, anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig - insbesondere hat die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, bevor diese den vorliegenden Eilantrag gestellt hat (§ 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) – aber nicht begründet.
6Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO von Gesetzes wegen ausgeschlossene aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Abgabenbescheid – hier den Vergnügungssteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2015 – ganz oder teilweise anordnen. Dies kommt in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3, 1. Alternative VwGO dann in Betracht, wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, oder an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstliche Zweifel bestehen. Letzteres ist der Fall wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechts-lage ein Erfolg des Rechtsmittelführers im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich, d.h. wahrscheinlicher als sein Unterliegen, ist. Dies folgt daraus, dass der Gesetzgeber mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage bei der Anforderung öffentlicher Abgaben in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für diesen Bereich dem öffentlichen Interesse an einem Sofortvollzug grundsätzlich den Vorrang gegenüber dem privaten Interesse an einer vorübergehenden Befreiung von der Leistungspflicht zugestanden hat. Dieser gesetzgeberischen Wertung entspricht es, dass Abgaben im Zweifel zunächst zu erbringen sind und dass das Risiko, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen, den Zahlungspflichtigen trifft.
7Im gerichtlichen Verfahren über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sind ferner vornehmlich solche Einwände zu prüfen, die der Rechtsschutzsuchende selbst gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides erhebt, es sei denn, dass sich sonstige Mängel bei summarischer Prüfung als offensichtlich darstellen. Es können weder aufwendige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, noch sind schwierige Rechtsfragen abschließend zu klären,
8vgl. zum Ganzen nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 17. März 1994 - 15 B 3022/93 -, juris, Rn. 2-8.
9Ausgehend von diesen Maßstäben bestehen hier zum jetzigen Zeitpunkt keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin. Es spricht vielmehr nach der bisherigen Sach- und Rechtslage Überwiegendes für dessen Rechtmäßigkeit.
10Der im Hauptsacheverfahren angefochtene Bescheid beruht auf der „Satzung der Stadt Köln über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art vom 19. Mai 2010 in der Fassung der 2. Satzung zur Änderung der Satzung der Stadt Köln über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art vom 10. Oktober 2014“ (Im Folgenden: VStS).
11Danach erhebt die Beklagte unter anderem Vergnügungssteuer für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs sowie ähnlichen Einrichtungen (§ 2 Nr. 3 VStS) sowie das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt außerhalb der in Nr. 3 genannten Einrichtungen, zum Bespiel in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen (§ 2 Nr. 4 VStS).
12Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Bescheid sei bereits rechtswidrig, weil er nicht den Anforderungen des § 119 Abgabenordnung (AO) - welcher gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) vorliegend Anwendung findet - an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten stelle, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs,
13vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10 - juris, Rn. 30, m.w.N.; OVG Thüringen, Urteil vom 22. September 2008 – 3 KO 247/04 -, juris, Rn. 88,
14ist den Anforderungen des § 119 Abs. 1 AO Genüge getan, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den – dem Empfänger bekannten – näheren Umständen des Bescheiderlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit darüber gewonnen werden kann, welchen konkreten Regelungsinhalt ein Steuerbescheid hat.
15Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid. Die Antragsgegnerin hat, worauf in dem angefochtenen Bescheid hingewiesen wird, die Veranlagung der Antragstellerin an den Steuertatbestand des § 2 Nr. 3 VStS geknüpft. Steuermaßstab für die Veranlagung ist gemäß § 4 Abs 1 Nr. 1 VStS die Größe der Veranstaltungsfläche, wobei als Veranstaltungsfläche alle für das Publikum bestimmten Flächen mit Ausnahme der Toiletten und Garderobenräume gelten. Dementsprechend ist in dem angefochtenen Bescheid unter der Überschrift „Berechnung der Vergnügungssteuer“ für jeden Veranlagungszeitraum (Januar bis März 2015) dargelegt, welche Veranstaltungsfläche, wie viele Veranstaltungstage sowie welcher Steuersatz der Berechnung jeweils zu Grunde gelegt wurde. Zudem hat die Beklagte in der Anlage des Bescheides ausführlich dargelegt, wie sie die Veranstaltungsfläche (im Wege der Schätzung) berechnet hat, so dass nicht erkennbar ist, unter welchem Gesichtspunkt Zweifel an der Bestimmtheit des Bescheides bestehen könnten.
16Der Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung auch nicht deshalb als rechtwidrig, weil - worüber die Beteiligten im Wesentlichen streiten - die Antragsgegnerin der Veranlagung den falschen Steuergegenstand zu Grunde gelegt hat. Insoweit trägt die Antragstellerin vor, dass vorliegend die Besteuerung nach § 2 Nr. 4 VStS zu erfolgen habe und nicht nach § 2 Nr. 3 VStS, weil ihr Betrieb keine ähnliche Einrichtung im Sinne des § 2 Nr. 3 VStS, sondern ein Beherbergungsbetrieb i.S.d. § 2 Nr. 4 VStS sei. In dem Objekt I.---straße 00 würden Einzelzimmer tageweise angemietet wie bei jedem Hotel oder jeder Pension.
17Dem kann nach dem jetzigen Sach- und Streitstand nicht gefolgt werden. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Antragstellerin nicht – wie bisher erfolgt – als Vermieterin der Zimmer in der I.---straße 00 an Prostituierte, die in den Zimmern sexuelle Handlungen gegen Entgelt i.S.d. § 2 Nr. 4 VStS „anbieten“, gemäß § 3 Nr. 2 VStS neben den Prostituierten als Mitunternehmerin zu veranlagen ist, sondern als (alleinige) Steuerschuldnerin gemäß § 3 Nr. 1 VStS, weil sie ein Bordell betreibt und damit im Rahmen einer „ähnlichen Einrichtung“ i.S.d. § 2 Nr. 3 gezielt die Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen einräumt.
18Zur Abgrenzung der beiden Steuertatbestände hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) bezogen auf die Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin in dem Beschluss vom 21. August 2012,
19OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2012 - 14 B 835/12 -, juris, Rn. 9 ff., vorausgehend: Verwaltungsgericht (VG) Köln, Beschluss vom 29. Juni 2012- 24 L 1115/11 -, juris,
20betreffend die Satzung der Antragsgegnerin das Folgende ausgeführt:
21Das Verwaltungsgericht hat angenommen, es spreche vieles dafür, dass ein Bordellbetrieb als ähnliche Einrichtung im Sinne des § 2 Nr. 3 VS anzusehen sei, während die Antragsgegnerin hier den personenbezogenen Steuertatbestand nach § 2 Nr. 4 VS angewendet habe, der als Steuermaßstab nach § 5 Abs.1 VS eine Besteuerung der einzelnen Prostituierten mit einem Tagessatz von 6,00 Euro vorsehe.
22Hiergegen macht die Antragsgegnerin geltend, die Anwendungsbereiche von § 2 Nr. 3 und § 2 Nr. 4 VS seien exklusiv. § 2 Nr. 4 VS sei immer anwendbar, wenn Prostituierte gegen Entgelt etwa in einer Wohnung, in einem Beherbergungsbetrieb oder im Auto sexuelle Handlungen vornähmen. Ein Bordell, in dem die Prostituierten - wie hier - Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekämen, sei als ein Beherbergungsbetrieb anzusehen. § 2 Nr. 3 VS gelte demgegenüber, wenn der steuerbare Aufwand in dem entgeltpflichtigen Verweilen in einer Bar oder in einem Club bestehe, in dem vorgesehen sei, dass nach Bedarf von den Besuchern sexuelle Handlungen vorgenommen würden. Ähnliche Einrichtungen seien dann aber gerade nicht solche, in denen Prostituierte aufgrund eines Rechtsverhältnisses nach dem Prostitutionsgesetz verpflichtet würden, sich zur Prostitution bereit zu halten, sondern solche, in denen sich Gleichgesinnte träfen, die die Bereithaltung von Prostituierten nicht erwarteten.
23Die in der Beschwerdebegründung geäußerte Auffassung, dass Bordelle als Beherbergungsbetriebe anzusehen seien, überzeugt nicht. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird - soweit ersichtlich - unter dem Begriff Beherbergungsbetrieb nicht auch ein Bordell eingestuft. Gesetzliche Regelungen, wonach sich eine derartige Zuordnung ergeben soll, nennt die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht. Ihr weiterer Hinweis, dass Bordelle im Gewerberegister typischerweise als gewerbliche Zimmervermietung eingetragen seien, besagt nichts dazu, dass sie nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder aufgrund rechtlicher Zuordnung, die für die Auslegung der Satzung maßgebend ist, Beherbergungsbetriebe sind.
24So hat auch das Finanzgericht Düsseldorf,
25vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - 1 K 2723/10 U -, juris,
26die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes für Bordelle verneint. Das Finanzgericht hat hierzu ausgeführt, die Prostituierten zahlten ihre "Tagesmiete" nicht für den Empfang einer Beherbergungsleistung, sondern im Wesentlichen für die Bereitstellung einer Infrastruktur zur Ausübung ihres Gewerbes (juris Rn. 24). Beherbergen sei grundsätzlich nicht nur nach allgemeinem Sprachgebrauch das Bereitstellen einer Unterkunft oder Schlafstelle und nicht die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution (juris Rn. 26).
27Mangels weitergehender Erkenntnisse in diesem summarischen Verfahren teilt der Senat diesen Begriff der Beherbergung. Die bloße Meinung in der Beschwerdebegründung, ein Bordell, in dem Prostituierten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekämen, sei als Beherbergungsbetrieb anzusehen, ist nicht geeignet, die gegenteilige Auffassung in Frage zu stellen.
28Nicht nur der Wortlaut der Satzung, die in § 2 Nr. 4 VS nicht auf Bordelle, sondern auf Beherbergungsbetriebe, also etwa gewöhnliche Hotels, abstellt, spricht für die vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung, sondern auch die Systematik der Satzung. Diese differenziert mit den unterschiedlichen Steuertatbeständen nicht nach prostitutionsbezogenen und nichtprostitutionsbezogenen Steuergegenständen, sondern schafft in § 2 Nr. 3 VS einen einrichtungsbezogenen und in § 2 Nr. 4 VS einen einrichtungslosgelösten personenbezogenen Steuergegenstand zur Besteuerung des Aufwands für sexuelle Vergnügungen.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2012 - 14 B 1520/11 -, NRWE Rn. 27 ff.
30§ 2 Nr. 3 VS erfasst das Steuergut, den Konsumaufwand des sich sexuell Vergnügenden, soweit das sexuelle Vergnügen in einer dafür bestimmten Einrichtung stattfindet. § 2 Nr. 4 VS erfasst den Konsumaufwand des sich sexuell Vergnügenden, soweit das sexuelle Vergnügen auf einem Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt beruht und es nicht in den vorgenannten Einrichtungen, also einrichtungslosgelöst stattfindet (abgesehen von der steuerlichen Privilegierung der Straßenprostitution in Verrichtungsboxen). Die nur beispielhaft genannten Räumlichkeiten in § 2 Nr. 4 VS zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie nicht schon von ihrer Eigenart zur Veranstaltung sexueller Vergnügungen bestimmt sind.
31In einem Beherbergungsbetrieb nach gewöhnlichem Sprachgebrauch mag auch Prostitution stattfinden (Hotelprostitution), aber die Prostituierten haben dort in der Regel kein Zimmer angemietet, um ihre Leistungen anzubieten. Besondere Räumlichkeiten zu einer Anbahnung der sexuellen Kontakte finden sich dort typischerweise nicht. Eine Infrastruktur zur Ausübung der Prostitution ist nicht vorhanden.
32Vgl. zu diesem Begriff, FG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juni 2011 - 1 K 2723/10 U -, juris Rn. 24.
33Entsprechendes gilt für Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen. So können zwar Wohnwagen speziell für die Ausübung der Prostitution angeschafft und hergerichtet werden, aber üblicherweise werden Wohnwagen für Freizeitzwecke, insbesondere zum Camping, genutzt. Entsprechendes gilt für Wohnungen, die auch für Zwecke der Prostitution angemietet werden, aber in der Regel der Befriedigung des allgemeinen Wohnbedürfnisses dienen. In einem Bordell wird hingegen Prostitution erwartet, das Bordell dient von seiner Eigenart her der Ausübung der Prostitution, während die in § 2 Nr. 4 VS namentlich bezeichneten Einrichtungen gerade eine solche Zweckbestimmung nicht haben.
34Soweit die Antragsgegnerin für die Zuordnung von Bordellen unter den Tatbestand des § 2 Nr. 4 VS anführt, bei den in § 2 Nr. 3 VS genannten Einrichtungen werde die Bereithaltung von Prostituierten nicht erwartet, mag dies - wie die Antragsgegnerin vorträgt - für Swingerclubs zutreffen, erscheint aber für die anderen dort ausdrücklich genannten Einrichtungen in dieser Allgemeinheit zweifelhaft.
35Dass auch Prostitution in den von ihrer Eigenart zur Veranstaltung sexueller Vergnügungen bestimmten Einrichtungen systematisch nur durch § 2 Nr. 3 VS erfasst werden soll, belegt der ausdrückliche Ausschluss der Besteuerung der Prostitution in diesen Einrichtung in § 2 Nr. 4 VS. Es wäre unverständlich, wenn jedwede Prostitution unabhängig von dem Ort ihrer Ausübung (abgesehen von der privilegierten Straßenprostitution) von Nr. 4 erfasst werden soll, aber Prostitution gerade in solchen Einrichtungen, in denen angeblich Prostitution unüblich ist, unbesteuert bleiben soll. Jedenfalls erscheint die systematische Satzungsauslegung dahin, dass die beiden Tatbestände statt zwischen einrichtungs- und nichteinrichtungsgebundenen sexuellen Vergnügungen zwischen prostitutions- und nichtprostitutionsbezogenen sexuellen Vergnügungen unterscheiden, wenig überzeugend.
36Diese Auffassung hat das OVG NRW mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Dezember 2013, betreffend die insoweit wortgleiche Regelung der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Oberhausen, ausdrücklich bestätigt,
37OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2013, - 14 A 1948/13 -, juris; Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Beschluss vom 21. November 2014 - 9 B 20/14 - juris, zurückgewiesen.
38So liegt der Fall auch hier.
39Nach ihren eigenen Angaben vermietet die Antragstellerin tageweise Zimmer an Prostituierte und bietet in diesem Zusammenhang Dienstleistungen an, die sich von denen einer gewöhnlichen Zimmervermietung in einem Hotel oder einer Pension deutlich unterscheiden. Insbesondere stellt sie die Infrastruktur zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung.
40So wirbt die Antragstellerin für die Örtlichkeiten im Internet unter dem Begriff „F. -D. Köln, Das Bordell, I.---straße 00“. Dort heißt es: „Im Jahr 1997 in Betrieb genommen, bietet das F. D. Köln seit nunmehr 13 Jahren sowohl unseren Girls Schutz, als auch unseren Gästen Zugang zu Räumlichkeiten voller Lust, Leidenschaft und Züchtigung. Lassen sie sich auf einer der fünf Etagen unseres Laufhauses von Köln heißesten Girls verzaubern“. Unter der Rubrik „girls“ werden einzelne Prostituierte vorgestellt. Mit der Bar „Q. C. “ werden Räumlichkeiten für die Kontaktaufnahme bereit gestellt. Die Vermietung der Zimmer wird unter der Rubrik „for the girls“ unter anderem damit beworben, dass rund um die Uhr Sicherheitspersonal, ein Alarmknopf und ein nonstop Pornokanal zur Verfügung stehen,
41www.F. .de/ . bzw.
42Ferner hat die Antragstellerin in der von ihr im vorliegenden Verfahren vorgelegten Gewerbeummeldung von 29. Mai 2006 unter der Überschrift „Welche Tätigkeit wird nach der Änderung (...) neu ausgeübt“ eingetragen: „Schank- und Speisewirtschaft mit Biergarten und Beherbergung im Rahmen eines Bordells“. Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass die Antragstellerin kein Beherbergungsbetrieb i.S.d. § 2 Nr. 4 VStS ist, sondern als „ähnliche Einrichtung“ den Tatbestand des § 2 Nr. 3 VStS erfüllt.
43Nach summarischer Prüfung des bisherigem Sach- und Streitstandes steht der Veranlagung der Antragstellerin gemäß § 2 Nr. 3 VStS auch nicht die „tatsächliche Verständigung“ der Beteiligten im September 2004 entgegen, wonach sich die Beteiligten einig waren, dass eine pauschale Vergnügungssteuer von monatlich 4.500,00 € - vorläufig gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b), § 165 AO - erfolgen sollte. Dabei kann offen bleiben, ob die Vereinbarung den Anforderungen gerecht wird, die an eine tatsächliche Verständigung gestellt werden, damit diese wirksam und für die Beteiligten bindend ist,
44vgl. Finanzgericht (FG) Nürnberg, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 K 1034/12 -, juris, Rn. 25 m.w.N.
45Denn diese Vereinbarung bezog sich ausdrücklich nur auf den Besteuerungszeitraum 1. Mai 2004 bis 31. Dezember 2005. Zwar haben die Beteiligten seinerzeit erklärt, auch eine Regelung für die Zeit ab 1. Januar 2006 zu vereinbaren. Die Antragstellerin hat jedoch gegen den Steuerbescheid der Antragsgegnerin vom 5. April 2006 (pauschale Festsetzung Vergnügungssteuer für Januar bis Dezember 2006) Widerspruch erhoben und mit Schreiben vom 9. Mai 2006 ausdrücklich erklärt, dass sie kein Interesse mehr an einer pauschalen Festsetzung habe. Daraufhin hat die Antragsgegnerin mit Schreiben 9. Juni 2006 mitgeteilt, dass die Besteuerung ab Januar 2006 anhand monatlicher Steueranmeldungen erfolgen werde und die Antragstellerin hat in der darauffolgenden Zeit ausnahmslos für jeden Veranlagungsmonat Steueranmeldungen bzw. Steuererklärungen abgegeben.
46Weiterhin spricht Überwiegendes dafür, dass der Veranlagung der Antragstellerin nicht entgegen steht, dass die Antragsgegnerin sie auch nach Ergehen des Beschlusses des OVG NRW vom 21. August 2012 bzw. des Urteils des OVG NRW vom 11. Dezember 2013 bis einschließlich Dezember 2014 nach § 2 Nr. 4 VStS veranlagt hat.
47Im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung,
48BFH, Urteil vom 11. Dezember 1984 - VIII R 131/76 - juris, Rn. 31,
49war die Antragsgegnerin gehalten, ihre Verwaltungspraxis zu ändern und die Antragstellerin nach § 2 Nr. 3 VStS unter Anwendung des in § 4 Nr. 1 VStS für diese Fälle vorgesehenen Flächenmaßstabes, gegen den grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken bestehen,
50OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 56,
51zu besteuern.
52Zwar kann – wie die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend macht – der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unter dem auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall dazu führen, dass der Steuergläubiger gehindert ist, seinen Steueranspruch geltend zu machen.
53Dies kommt jedoch nur in besonderen Fällen in Betracht, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Voraussetzung für ein auf Treu und Glauben beruhendes Hindernis der Rechtsausübung ist, dass in einem konkreten Rechtsverhältnis eine Seite einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, auf Grund dessen die andere Seite Vermögensdispositionen getroffen hat, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, wobei der Vertrauenstatbestand auch in einem Schweigen oder Unterlassen bestehen kann,
54OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2015 - 14 A 2687/13 -, juris, Rn. 50 ff. m.w.N.
55Nach summarischer Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben. Es ist bereits nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Antragstellerin im Hinblick auf ihre in der Vergangenheit nach § 2 Nr. 4 VStS erfolgte Veranlagung nicht mehr rückgängig zu machende vermögensrechtliche Dispositionen für das Jahr 2015 getroffen hat. Zudem hat die Antragsgegnerin bereits im September 2014 anlässlich eines Gespräches an Amtsstelle darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, die Antragstellerin ab dem 1. Januar 2015 gemäß § 2 Nr. 3 VStS zu veranlagen und dieser mit Schreiben vom 5. November 2014 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG NRW mitgeteilt, dass die Veranlagung nunmehr nach dem Flächenmaßstab erfolgen werde.
56Schließlich bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der konkreten Festsetzung. Die Antragsgegnerin hat die Vergnügungssteuer ordnungsgemäß mit 3,00 € für jede angefangenen zehn Quadratmeter Veranstaltungsfläche berechnet (§ 4 Nr. 2 VStS). Dabei hat sie die Größe der Veranstaltungsfläche zu Recht geschätzt. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) KAG i.V.m. § 162 Abs. 1 und 2 AO sind erfüllt, denn die Antragstellerin hat (bis heute) unter Verstoß gegen die ihr obliegende Mitwirkungspflicht (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) i.V.m. § 90 Abs. 1 AO) trotz mehrfacher Aufforderung keine Angaben zur Größe der Veranstaltungsfläche gemacht. Konkrete Einwände gegen die Schätzmethode bzw. die Berechnung der Flächen hat die Antragstellerin nicht erhoben.
57Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen ferner keine Bedenken gegen die Höhe der Veranlagung, weil – wie die Antragstellerin vorträgt – die Besteuerung in auffälligem Missverhältnis zu der in der Vergangenheit entrichteten Steuer stehe und sich die Frage der Wirtschaftlichkeit mit der Folge etwaiger Schließung des Betriebes mit erheblichem Steuerausfall stelle. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, unter welchem rechtlich relevantem Gesichtspunkt dieser Vortrag erfolgt, ist er nicht substantiiert genug, um einer Prüfung im vorliegenden Verfahren zugänglich zu sein. Sollte die Antragstellerin damit sinngemäß geltend machen wollen, dass der Veranlagung erdrosselnde Wirkung zukomme, so dass die in Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) geschützte Berufsfreiheit verletzt wäre, steht dem bereits entgegen, dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin ankommt, sondern darauf, ob eine steuerbedingte Tendenz zum Absterben der Bordellbranche im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin erkennbar ist,
58OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 80.
59Anhaltspunkte hierfür hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
60Ebenso wenig sind dem Vortrag der Antragstellerin (substantiierte) Anhaltpunkte dafür zu entnehmen, dass die Einziehung der festgesetzten Steuer für die Antragstellerin zum jetzigen Zeitpunkt eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative VwGO zur Folge hätte.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
622. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Entsprechend Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 wurde ein Viertel des in einem Hauptsacheverfahren zugrundezulegenden Betrages (62.370,00 €) in Ansatz gebracht.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 05. Aug. 2015 - 24 L 1670/15
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Beschluss, 05. Aug. 2015 - 24 L 1670/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Streitjahren 1993 und 1994 Vermittlungsumsätze an die F-GmbH zuzurechnen sind.
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Der Kläger war zunächst als angestellter Handelsvertreter der F-GmbH im Bereich der Kundenakquisition und -beratung für …sanierungen tätig.
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Da ihm selbst ab dem 1. Juli 1991 öffentlich-rechtlich untersagt worden war, selbstständig eine Handelsvertretung zu betreiben, meldete auf seine Veranlassung ab Februar des Streitjahres 1993 seine frühere Lebensgefährtin A ein Einzelunternehmen mit dem Geschäftszweck "Altbausanierungsvertretung" an. Die F-GmbH rechnete gegenüber A die Provisionen zum Teil durch Gutschriften ab; teilweise wurden der F-GmbH Rechnungen im Namen der A erteilt. Die fälligen Beträge zahlte die F-GmbH auf ein hierfür auf Veranlassung des Klägers eröffnetes Konto der A, über das der Kläger verfügen konnte.
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Wegen der Vermittlungsumsätze für die F-GmbH erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber A auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhende Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre, wobei es die Zahlungen der F-GmbH an A zugrunde legte (1993: 222.487 DM und 1994: 344.413 DM).
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Der Kläger gab zunächst anhand entsprechend ausgestellter Lohnsteuerbescheinigungen für 1993 und 1994 vor, als Angestellter der A tätig gewesen zu sein und in dieser Funktion auf Rechnung der A für die F-GmbH Aufträge vermittelt zu haben.
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Im Jahr 1998 erklärte er u.a. für das Streitjahr 1994 nachträglich Betriebseinnahmen aus einer Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter (61.009,62 DM). Aufgrund dieser Angaben setzte das FA u.a. für das Streitjahr die Umsatzsteuer 1994 durch Bescheid vom 16. Dezember 1999 fest.
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Im Anschluss an das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts vom Juli 2004, das den Kläger wegen Einkommensteuerhinterziehung verurteilt hatte und dabei von Betriebseinnahmen in Höhe von 168.310,96 DM (1993) und 286.358,72 DM (1994) ausging, und unter Bezugnahme auf den Bericht der Steuerfahndung vom 31. August 2004, wonach die F-GmbH dem Kläger für seine Vermittlungen Vergütungen in Höhe von 112.389,21 DM (1993) und 306.959,81 DM (1994) bezahlt habe, ging das FA davon aus, tatsächlich habe der Kläger das Einzelunternehmen der A auf eigenes Vergütungsrisiko wie ein selbstständiger Handelsvertreter geführt, ohne an deren Weisungen gebunden zu sein. Der Kläger habe weitgehend über die eingehenden Zahlungen verfügen können, da er Zugriff auf die Konten der A gehabt und diese ihrerseits die auf ihrem Konto eingehenden Zahlungen als Mittel des Klägers angesehen habe. Das FA erließ daraufhin am 17. November 2005 ausgehend von Provisionen in Höhe von 112.389,21 DM (1993) und 306.959,81 DM (1994) die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und setzte für 1993 erstmals Umsatzsteuer in Höhe von 14.659,50 DM und für das Streitjahr 1994 nunmehr mit 40.038,20 DM fest.
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Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging aufgrund der Feststellungen im Strafurteil des Amtsgerichts S davon aus, dass der Kläger seine Anstellung bei der F-GmbH aufgegeben habe, weil er im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit einen höheren Verdienst habe erzielen können, dass er das Gewerbe ohne an Weisungen der A gebunden zu sein "faktisch ... selbständig" geführt und dessen Umsätze tatsächlich allein erwirtschaftet habe, während A selbst im Rahmen der Handelsvertretertätigkeit wesentliche Aufgaben weder wahrgenommen habe noch dazu in der Lage gewesen sei. Auch sah das FG als erwiesen an, dass der Kläger tatsächlich über die auf dem für A geführten Bankkonto gutgeschriebenen Provisionen der F-GmbH habe verfügen können und verfügt habe und in Übereinstimmung damit A ihrerseits die dort eingegangenen Geldbeträge als dem Kläger zustehend betrachtet habe. Da er tatsächlich auf eigenes Vergütungsrisiko als selbstständiger Handelsvertreter aufgetreten und nicht an Weisungen der A gebunden gewesen sei, habe er selbstständig eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und sei Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG). Offen bleiben könne, ob der Kläger oder A --Letztere auf Rechnung des Klägers-- gegenüber der F-GmbH aufgetreten sei. Im letzten Fall habe der Kläger im Innenverhältnis umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die A erbracht. Dem Erlass der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre stehe --wie zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig ist-- die Festsetzungsverjährung nicht entgegen.
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Die Entscheidung des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2011, 664 veröffentlicht.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das FG habe dem Kläger die bei A erfassten Umsätze nicht zurechnen dürfen, weil es ihn zu Unrecht als Unternehmer angesehen habe. Maßgeblich für die Zurechnung der Umsätze sei, ob im Außenverhältnis gegenüber der F-GmbH der Kläger oder A als Leistender aufgetreten sei.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2006 und die Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 vom 17. November 2005 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Im Streitfall liege kein schriftlicher Handelsvertretervertrag zwischen der F-GmbH und dem Kläger und der A vor. Der Kläger sei entweder selbst Vertragspartner der F-GmbH gewesen oder habe als Hintermann mit der F-GmbH vereinbart, dass die Rechtswirkungen aus den zwischen der A und der F-GmbH geschlossenen Rechtsgeschäften ihn treffen sollten. Es sei nach allen denkbaren Sachverhaltsabläufen zutreffend, dem Kläger die Vermittlungsumsätze zuzurechnen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision wegen Umsatzsteuer 1993 ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision wegen Umsatzsteuer 1994 führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger jedenfalls Umsätze in der vom FA festgesetzten Höhe zu versteuern hat. Hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 ist die Sache jedoch nicht spruchreif, denn die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob der angefochtene Änderungsbescheid vom 17. November 2005 inhaltlich bestimmt ist.
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1. Bei nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Leistungen bestimmt sich die Person des Leistenden nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.
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a) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, und vom 26. Juni 2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233, sowie BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, jeweils m.w.N.).
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b) Ohne Bedeutung ist, ob der im eigenen Namen Handelnde auch auf eigene Rechnung tätig ist.
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aa) Ein Kommissionär erbringt auch dann eigene Leistungen, wenn er bei der im Rahmen einer Verkaufskommission erfolgenden Lieferung eines Gegenstandes im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, der seines Kommittenten, handelt, wie sich aus § 3 Abs. 3 UStG ergibt. Zugleich liegt nach dieser Vorschrift auch eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär vor, obwohl es sich zivilrechtlich um eine Geschäftsbesorgung des Kommissionärs für den Kommittenten handelt. Ebenso geht Art. 5 Abs. 4 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) vom Vorliegen einer Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär bei der Übertragung eines Gegenstandes aufgrund einer Verkaufskommission aus. Das Entgelt für die Lieferung des Kommittenten richtet sich nach dem Entgelt für die Lieferung des Kommissionärs, von dem die dem Kommissionär zivilrechtlich vereinbarte Provision abzuziehen ist.
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Gleiches gilt auch in den Streitjahren für den "Verkauf" sonstiger Leistungen. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG erfasste § 3 Abs. 11 UStG auch in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung nicht nur den "Leistungseinkauf", sondern auch den "Leistungsverkauf" (BFH-Urteile vom 7. Oktober 1999 V R 79, 80/98, BFHE 190, 235, BStBl II 2004, 308; vom 25. Mai 2000 V R 66/99, BFHE 191, 458, BStBl II 2004, 310; vom 31. Januar 2002 V R 40, 41/00, BFHE 197, 377, BStBl II 2004, 315; vom 29. August 2002 V R 8/02, BFHE 199, 88, BStBl II 2004, 320; vom 28. November 2002 V R 6/02, BFH/NV 2003, 517).
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bb) Von einer Leistung durch denjenigen, der im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelt, ist auch bei Strohmann- und Treuhandgeschäften auszugehen. Sofern der Strohmann oder der Treuhänder Unternehmer i.S. des § 2 UStG ist und im Rahmen seines Unternehmens handelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), steht es einer einem Strohmann oder dem Treuhänder zuzurechnenden Leistung oder einem Leistungsbezug nach § 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG nicht entgegen, dass sie (Strohmann und Treuhänder) auf fremde Rechnung tätig sind (BFH-Urteile vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628; in BFH/NV 2004, 233, und in BFH/NV 2006, 139, und BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622). Die gegenteilige Rechtsprechung des XI. Senats des BFH hat der im Zeitpunkt der Entscheidung ausschließlich für die Umsatzsteuer zuständige V. Senat ausdrücklich aufgegeben (BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.b für BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168). Dabei ist zwischen der Leistungserbringung und dem Leistungsbezug durch Treuhänder oder Strohmänner nicht zu differenzieren, da die Bestimmung von Leistendem und Leistungsempfänger nach einheitlichen Grundsätzen erfolgt (vgl. BFH-Urteile vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, und vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876).
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Entsprechend der Anwendung des § 3 Abs. 3 UStG und § 3 Abs. 11 UStG auf Kommissionsverhältnisse kann es auch bei Strohmann- und Treuhandgeschäften zu einer Verdoppelung der Leistungsbeziehungen kommen, so dass z.B. der "Hintermann" an den "Strohmann" und dieser an den Abnehmer liefert oder leistet.
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Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der "Hintermann" als tatsächlich Handelnder die Leistungen im Namen des Strohmannes ausgeführt hat, z.B. gegenüber dem Leistungsempfänger als Angestellter des Vertragspartners (des Strohmannes oder Treuhänders) oder als dessen Subunternehmer aufgetreten ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. März 2010 VIII ZR 65/09, BFH/NV 2010, 1597).
- 23
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c) Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft aber, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--; ausführlich BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c; vgl. auch BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass derjenige, mit dem oder in dessen Namen das Rechtsgeschäft abgeschlossen wird (sog. Strohmann), selbst keine eigene --ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende-- Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622; BFH-Urteil vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259).
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2. Im Streitfall kann offen bleiben, ob der Kläger die Leistungen unmittelbar an die F-GmbH erbracht hat, weil Vereinbarungen zwischen der GmbH und A nur zum Schein getroffen wurden und den unmittelbaren Leistungsbezug vom Kläger verdecken sollten, oder ob der Kläger entgeltliche Leistungen im Rahmen eines Kommissions- oder Strohmannverhältnisses an A erbracht hat.
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Denn in jedem der beiden Fälle liegen entgeltliche Leistungen des Klägers vor, für die er nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG Steuerschuldner ist. In beiden Fällen hat der Kläger auch als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG gehandelt. Sind die Kommissionsgrundsätze maßgebend, gelten für die Leistungen des "Hintermannes" dieselben Kriterien, die für die Beurteilung der Leistungen des Kommissionärs bzw. Strohmannes maßgeblich sind. Ist die Tätigkeit für den Auftraggeber (Kommittent oder "Hintermann") nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, hat auch dieser die ihm nach § 3 Abs. 3 UStG oder § 3 Abs. 11 UStG zuzurechnenden Leistungen als Unternehmer erbracht. Davon abgesehen ist auch nach den vom FG getroffenen Feststellungen im Streitfall nicht davon auszugehen, dass der Kläger in einem Abhängigkeitsverhältnis zu A stand und er daher unselbständig tätig gewesen wäre.
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Ob der Kläger bei einer unmittelbaren Leistung an die F-GmbH höhere Entgelte --entsprechend den Steuerfestsetzungen für A-- zu versteuern hätte, ist im Hinblick auf das Verböserungsverbot unerheblich. Denn Bemessungsgrundlage der Leistungen des Klägers ist im Fall eines Kommissions- oder Strohmannverhältnisses der Betrag, den der Kläger aufgrund der Tätigkeit der A erhalten hat. Das FG geht insoweit mit dem FA davon aus, dass der Kläger von den in den Umsatzsteuerbescheiden der A erfassten Provisionen von 222.487 DM (1993) und 344.413 DM (1994) nur 112.389,21 DM (1993) und 306.995,89 DM (1994) erhalten hat. In Bezug auf diese Feststellungen hat der Kläger mit der Revision keine Rügen erhoben.
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3. Der Senat kann --anders als für das Streitjahr 1993, für das die Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger erstmals festgesetzt worden ist--, nicht abschließend über den Umsatzsteuerbescheid für 1994 vom 17. November 2005 entscheiden. Denn die Feststellungen des FG erlauben keine Entscheidung darüber, ob dieser Änderungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt ist.
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a) Ein Verwaltungsakt ist nach § 125 Abs. 1 AO nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss von Fall zu Fall anhand der einschlägigen materiell-rechtlichen oder verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsvorschriften beurteilt werden (z.B. BFH-Urteile vom 26. September 2006 X R 21/04, BFH/NV 2007, 186; vom 31. August 1994 X R 2/93, BFH/NV 1995, 467).
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b) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Die Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit eines Änderungsbescheids zu richten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 186; vom 12. Oktober 1983 II R 56/81, BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140).
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c) Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein --wirksamer-- Steuerbescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht (BFH-Urteil vom 23. August 2000 X R 27/98, BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662). Denn der Steuerpflichtige muss erkennen können, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang eine bisherige Festsetzung geändert worden ist. Hierzu genügt es jedoch, dass aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus dem Zusammenhang, aus der von der Behörde gegebenen Begründung oder aus den --dem Empfänger bekannten-- näheren Umständen des Bescheiderlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 186; vom 26. März 1981 VII R 3/79, BFHE 133, 163; BFH-Beschluss vom 29. Juni 2006 VII B 328/04, juris; vgl. auch BFH-Urteile vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4; vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791; vom 6. Juli 1994 II R 126/91, BFH/NV 1995, 178; BFH-Beschlüsse vom 8. Februar 2001 VII B 82/00, BFH/NV 2001, 1003, sowie Beschluss vom 11. August 2006 V B 205/04, BFH/NV 2007, 5). Dass das Datum des geänderten Bescheides nicht genannt wird, ist daher nicht allein entscheidend.
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d) Im Streitfall weist zwar der Umsatzsteuerbescheid vom 17. November 2005 für 1994 nicht ausdrücklich darauf hin, dass es sich um einen Änderungsbescheid handelt; er erging jedoch im Anschluss an ein auch Umsatzsteuer 1994 betreffendes Steuerstrafverfahren und den Bericht der Steuerfahndung, auf den in den Erläuterungen des Bescheides vom 17. November 2005 ausdrücklich hingewiesen wird. Danach konnte der Kläger unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände keine vernünftigen Zweifel daran haben, dass es sich um einen (Umsatzsteuer 1994 betreffenden) Änderungsbescheid handelt. Auch Zweifel daran, dass dadurch der auf seiner Selbstanzeige für 1994 beruhende Umsatzsteuerbescheid des FA vom 16. Dezember 1999 geändert werden sollte, wären zu verneinen, wenn es sich bei diesem Umsatzsteuerbescheid vom 16. Dezember 1999 um den einzigen dem Kläger gegenüber ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 1994 gehandelt hat. Denn dann wäre der Bezug zu einem anderen Umsatzsteuerbescheid für 1994 ausgeschlossen. Den Feststellungen des FG lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei entnehmen, ob dem Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 16. Dezember 1999 ein Umsatzsteuerbescheid vorausging. Die Sache war daher hinsichtlich Umsatzsteuer 1994 zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).
(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:
- 1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände; - 2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände; - 3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere; - 4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen; - 5.
(weggefallen); - 6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte; - 7.
- a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler - b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden, - c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben, - d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
- 8.
- a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht, - b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
- 9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist; - 10.
die Beförderungen von Personen - a)
im Schienenbahnverkehr, - b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr - aa)
innerhalb einer Gemeinde oder - bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
- 11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind; - 12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände; - 13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen - a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder - b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände - aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden, - bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder - cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
- 14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten; - 15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
- *)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung: - "10.
- a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen, - b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr - aa)
innerhalb einer Gemeinde oder - bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."
(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:
- 1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird; - 2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen; - 3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen; - 4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.
Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das angegriffene Urteil wirkungslos.
Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.
Unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger übt in der G.------straße in Oberhausen die Tätigkeit einer gewerblichen Zimmervermietung an Prostituierte aus. Insgesamt befinden sich dort sechzehn Häuser mit etwa 230 Zimmern, die von Prostituierten angemietet werden können.
3Mit Ratsbeschluss vom 15. Dezember 2008 erließ die Stadt Oberhausen erstmalig eine Vergnügungssteuersatzung, mit der die Besteuerung des Angebots sexueller Handlungen gegen Entgelt vergnügungssteuerpflichtig wurde. Die Satzung sollte am 1. Januar 2009 in Kraft treten.
4Nach § 1 der Vergnügungssteuersatzung unterliegen die im Gebiet der Stadt Oberhausen veranstalteten nachfolgenden Vergnügungen (Veranstaltungen) der Vergnügungssteuer. In der folgenden Auflistung ist unter Nr. 6 genannt die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs sowie ähnlichen Einrichtungen. Steuermaßstab ist nach § 4 der Satzung hier der Flächenmaßstab. Nr. 7 betrifft das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt außerhalb der in Nr. 6 genannten Einrichtungen, zum Beispiel in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen. In diesem Fall beträgt die Steuer nach § 8 der Satzung für jede/n Prostituierte/n 6,00 Euro pro Veranstaltungstag.
5Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach § 3 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung auch derjenige Steuerschuldner sei, der die Räume für die Veranstaltung zur Verfügung stelle. Abweichend von der grundsätzlichen Regelung, dass jede Prostituierte eine Steueranmeldung monatlich einreichen müsse, werde ihm - dem Kläger - als gewerblichem Zimmervermieter die Möglichkeit angeboten, für den Betrieb eine zusammengefasste Steueranmeldung je Kalendermonat einzureichen. In der Folgezeit reichte der Kläger zusammengefasste Vergnügungssteueranmeldungen für die Monate Januar bis Juni 2009 ein. In den diesbezüglichen Vordrucken sind unter anderem die Namen der einzelnen Prostituierten sowie die diesen zuzurechnenden Veranstaltungstage aufgeführt.
6Gegen die Anmeldungen hat der Kläger Klage erhoben.
7Die Beklagte hob nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts die eingereichten Vergnügungssteueranmeldungen/Vergnügungssteuerbescheide wegen einer widersprüchlichen Fälligkeitsregelung auf.
8Durch Urteil vom 18. Juni 2009 ‑ 14 A 1577/07 ‑ hat der Senat entschieden, dass die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Vergnügungen der ministeriellen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ KAG ‑ bedarf.
9Nachdem das Innenministerium und das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 10. Mai 2010 zwei Satzungen, die eine Steuer auf sexuelle Vergnügungen vorsahen, genehmigt hatten, beschloss der Rat der Beklagten am 12. Juli 2010 eine Vergnügungssteuersatzung (VS), die auch die Besteuerung sexueller Vergnügungen vorsah, erneut. Die Satzung wurde am 2. August 2010 bekanntgemacht. Sie sollte rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Diese Satzung ist, was die hier in Rede stehende Besteuerung betrifft, wortgleich mit den entsprechenden Regelungen in der Satzung vom Dezember 2008.
10Mit drei Vergnügungssteuerbescheiden vom 29. September 2010 zog die Beklagte den Kläger für die Monate Januar 2009 bis August 2010 zu einer Vergnügungssteuer in Höhe von 46.554,00 Euro für die Veranstaltungen (Angebot sexueller Handlungen in Beherbergungsbetrieben nach § 1 Nr. 7 VS) heran.
11Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat.
12Nachdem der Senat in einem zu einem Parallelverfahren gehörenden Aussetzungsverfahren die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet und einen Erörterungstermin durchgeführt hatte, hob die Beklagte die drei Vergnügungssteuerbescheide vom 29. September 2010 auf.
13Mit Schreiben vom 6. Juli 2012 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass das von ihm betriebene Bordell als ähnliche Einrichtung nach § 1 Nr. 6 VS der Vergnügungssteuersatzung vom 12. Juli 2010 nach dem Flächenmaßstab zu besteuern sei. Es wurden Verhandlungen auch über die Frage geführt, ob die Flächen der Flure in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen seien. Nachdem der Kläger angegeben hatte, er werde die Veranstaltungsfläche nicht mitteilen, zog die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 11. Dezember 2012 für den Zeitraum vom 3. August 2010 bis zum 31. Oktober 2012 für das Haus G.------straße zu einer Vergnügungssteuer in Höhe von 90.576,00 Euro heran. Hierbei legte er den Flächenmaßstab nach § 4 VS zugrunde. § 4 Abs. 1 VS ordnet die Erhebung der Steuer für Veranstaltungen unter anderem nach § 1 Nr. 6 nach der Größe der Veranstaltungsfläche an. Als Veranstaltungsfläche gelten alle für das Publikum zugänglichen Flächen mit Ausnahmen der Toiletten und Garderobenräume. Gemäß § 4 Abs. 3 VS beträgt die Steuer für die Veranstaltungen nach § 1 Nr. 6 je Veranstaltungstag für jede angefangenen 10 qm Veranstaltungsfläche 3,00 Euro. Die Beklagte schätzte die Fläche auf 367 qm. Hierbei wurden die Flure ganz berücksichtigt und die Zimmer entsprechend einer geschätzten Belegungsquote.
14Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, in dem genannten Erörterungstermin sei der Beklagten vom OVG NRW nahegelegt worden, eine neue Satzung zu erlassen. Dies sei nicht geschehen. § 1 Nr. 6 VS sei unbestimmt. Bordelle als klassische Form von Einrichtungen, in denen sexuelle Vergnügungen angeboten würden, seien in der Aufzählung gerade nicht genannt. § 1 Nr. 6 und Nr. 7 VS, im Zusammenhang betrachtet, lasse als folgerichtig erscheinen, dass der Satzungsgeber Bordelle als Beherbergungsbetriebe habe erfassen wollen. Mit Beherbergungsbetrieben seien vor allem Bordelle gemeint. Die Schätzung sei nicht nachvollziehbar. Es dürften nur die von den Prostituierten gemieteten Zimmer in Ansatz gebracht werden, weil nur diese unmittelbar dem sexuellen Vergnügen dienten.
15Der Kläger hat beantragt,
16den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2012 aufzuheben.
17Die Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hat geltend gemacht, nach der Rechtsprechung des OVG NRW sei das Bordell als ähnliche Einrichtung nach dem einrichtungsbezogenen Steuertatbestand des § 1 Nr. 6 VS zu besteuern. Unter Beherbergungsbetrieben nach § 1 Nr. 7 VS seien Hotels und Pensionen zu verstehen. Dort stattfindende Prostitution werde auch besteuert. Der Flächenmaßstab sei als Wahrscheinlichkeitsmaßstab sachlich gerechtfertigt. Da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 VS nicht nachgekommen sei, sei eine Schätzung notwendig geworden, wobei die Flächen aus den Bauakten ermittelt worden seien.
20Durch das angegriffene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
21Hiergegen hat der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 26. September 2013 entsprochen hat.
22Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor: Der Flächenmaßstab in Form einer Pauschbesteuerung sei kein geeignetes Kriterium, Steuergerechtigkeit herzustellen. Ein lockerer Bezug des Vergnügungsaufwands zu dem gewählten Ersatzmaßstab sei nicht feststellbar. Wenn alle Zimmer vermietet worden seien, könne der Umsatz nicht mehr steigen, auch wenn die anderen Flächen des Beherbergungsbetriebes vergrößert würden. Zu Unrecht werde der Steuertatbestand des § 1 Nr. 6 VS angewandt. Anders als bei den dort aufgezählten Clubs und sonstigen Einrichtungen stehe bei Einrichtungen, in denen das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt besteuert werden solle, nicht das Vergnügen beider im Vordergrund, sondern das Austauschgeschäft der Prostituierten mit dem Gast. Dieser Vergnügungsaufwand sei genau kalkulierbar. Es würden wegen der Besteuerung nach dem Düsseldorfer Verfahren Listen geführt, die für das Steueraufkommen von der Beklagten in der Vergangenheit auch anerkannt worden seien. Bei den in § 1 Nr. 6 VS aufgezählten Etablissements sei hingegen der Konsumaufwand schwer zu greifen, so dass hier eine pauschale Flächenbesteuerung geeignet sei. Nach dem Willen des Satzungsgebers sei ein Bordell unter Beherbergungsbetrieb im Sinne der Satzung zu subsumieren. Es komme auf den milieutypischen Sprachgebrauch an. Die Tatbestände des § 1 Nr. 6 und Nr. 7 VS seien danach abzugrenzen, ob entweder die sich Vergnügenden üblicherweise kein Entgelt für die Vergnügung entrichteten oder die sexuellen Handlungen gegen Entgelt stattfänden. Hier sei daher § 1 Nr. 7 VS anzuwenden. Da die Zimmer regelmäßig größer als 10 qm seien und auch noch die Fläche für die Flure in Ansatz gebracht worden sei, werde durch die Anwendung des falschen Tatbestands des § 1 Nr. 6 VS der in Wirklichkeit anzuwendende Steuersatz von 6 Euro nach § 8 VS regelmäßig überschritten. Jedenfalls dürften die Flure nicht mit berücksichtigt werden, da diese nicht der Kontaktaufnahme dienten. Dort finde insoweit kein Konsumaufwand statt.
23Die Steuer sei nicht abwälzbar. Da das Zimmerentgelt, die Miete, nur von den Prostituierten erhoben werde, könne die Steuer nicht auf die sich Vergnügenden abgewälzt werden. Eine mittelbare Abwälzung von ihm, dem Kläger, über die Prostituierten auf die Freier sei nur in engen Grenzen möglich. Der wirtschaftliche Vorteil bei der Vermietung der Räume an Prostituierte ergebe sich nicht aus der Beziehung zum Steuergegenstand, sondern knüpfe an die Verhältnisse des Immobilienmarkts an. Zwischen Vermieter und Freier bestünden keine vertraglichen Beziehungen, die es dem Kläger erlaubten, von dem Freier etwas zu erlangen.
24Es liege ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung in der Stadt Oberhausen vor. Es sei nicht richtig, dass sich aus den Gewerbeanmeldungen Rückschlüsse auf die Anzahl der Prostituierten herleiten ließen. Das Gewerbe "Prostitution" oder ähnliches werde nämlich in der Regel nicht bei einer Gewerbeanmeldung akzeptiert. Eine Liste von Wohnungsprostituierten habe die Beklagte nicht von der Kriminalpolizei erhalten. Hier werde der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt. Die Beklagte habe nichts unternommen, um eine steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten zu schaffen. Eine Steuererklärungspflicht begründe die Satzung nicht. Die Beklagte habe erst kürzlich in Erwägung gezogen, wegen illegal tätiger Prostituierten mit der Kriminalpolizei Kontakt aufzunehmen. Informationen habe die Beklagte jedoch dann nicht eingeholt. Die spärlich durchgeführten Außendienstkontrollen hätten nicht mehr als Alibiqualität. Bei einer Kalkulation des beabsichtigen zusätzlichen Steueraufkommens seien mindestens 80 bis 100 illegal tätige Prostituierte nicht berücksichtigt worden, wie sich aus der in der G.------straße tätigen Anzahl der Prostituierten und dem Steueraufkommen hierfür ergebe. Ausweislich einer Veröffentlichung in der "Welt" vom 4. November 2013 habe die Beklagte auf Anfrage der Zeitung die Anzahl der in Oberhausen tätigen Prostituierten mit 180 angegeben. Weitere Prostituierten seien nicht einkalkuliert worden und die Beklagte habe auch keine Vorkehrungen getroffen, die illegal tätigen Prostituierten zur Vergnügungssteuer heranzuziehen. Die Satzung sei ausschließlich gemacht worden, um die Vermieter in der G.------straße zur Vergnügungssteuer heranzuziehen. Auch nur diese seien zu einem Informationstreffen Anfang des Jahres 2009 eingeladen worden.
25Der Begriff "illegal" bezeichne in erster Linie solche Prostituierten, die von der Beklagten nicht zur Vergnügungssteuer herangezogen würden. Aus Sicht der Finanzverwaltung sei ein Teil dieser Prostituierten nicht als illegal anzusehen, weil sie am Düsseldorfer Verfahren teilnähmen. Andere Prostituierte hätten keine Arbeitserlaubnis oder gefälschte Ausweispapiere.
26Die Steuer habe erdrosselnde Wirkung. Die vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung zeige, dass die Überschüsse durch die Steuer aufgezehrt würden. Ein angemessener Unternehmerlohn entsprechend einem Geschäftsführergehalt im Hotelgewerbe verbleibe nicht.
27Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte einen geänderten Vergnügungssteuerbescheid für den Zeitraum vom 3. August 2010 bis 31. Oktober 2012 vom 24. September 2013 erlassen, mit dem der Kläger zu einer Vergnügungssteuer in Höhe von 75.735,00 Euro veranlagt wurde. Dieser Bescheid änderte die Steuerfestsetzung vom 11. Dezember 2012 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ‑ AO ‑. Der Bescheid berücksichtigte die nachgereichten Angaben des Klägers zu der Fläche der Zimmer, die kalendertäglich von den Prostituierten in dem oben genannten Zeitraum belegt waren.
28Der Kläger beantragt,
29das angegriffene Urteil zu ändern und den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 24. September 2013 aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie macht geltend: Eine Besteuerung nach der Veranstaltungsfläche sei zulässig, weil die Größe eines Bordells einen Rückschluss auf die Attraktivität und die Besucherzahlen zulasse. Der Vermieter der Zimmer profitiere davon, wenn dort der Prostitution nachgegangen werde. Die Miete werde nämlich deutlich gesenkt, wenn die Prostituierten nicht ihrer Arbeit nachgingen und tatsächlich vorübergehend nur dort wohnten. Da das Bordell als Ganzes besteuert werde, seien auch die Flure zu berücksichtigen. Es hätten auch sämtliche Zimmer täglich der Besteuerung unterworfen werden können. Dennoch habe sie - die Beklagte - nur die täglich konkret zum Zwecke der Prostitution vermieteten Zimmer berücksichtigt.
33Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor. Die Prostituierten könnten sich in der Gewerbekartei der Stadt Oberhausen anmelden. Auf diese Gewerbekartei könne zurückgegriffen werden. Die mannigfachen Suchergebnisse seien vom Fachbereich Steuern zusammengestellt worden und könnten vorgelegt werden. In der G.------straße gebe es seit jeher 18 Häuser mit einer Gesamtveranstaltungsfläche von 2.015 qm. Vor Einführung der Steuer im Jahre 2009 sei von 250 bis 300 tätigen Prostituierten im Bereich G.------straße mit rückläufiger Tendenz auszugehen. Grundlage der Erkenntnis seien Zahlen aus dem Gesundheitsamt aus Zeiten, in denen noch Untersuchungen nach dem Infektions- und Seuchenschutzgesetz für Prostituierte vorgeschrieben gewesen seien. Im Jahre 2009 seien in der G.------straße ca. 200 Prostituierte monatlich beschäftigt gewesen. Da nicht alle Prostituierten täglich arbeiteten, habe die Zahl der Aktiven pro Kalendertag zwischen 90 und 125 gelegen. Diese Zahlen hätten sich aus den ursprünglichen Steueranmeldungen ergeben. Im Jahre 2010 seien noch ca. 150 Prostituierte gemeldet gewesen. Im Zeitraum 2009 bis 2013 seien im Stadtgebiet außerhalb der G.------straße zwei weitere Bordelle erfasst gewesen, in denen jeweils durchschnittlich fünf Prostituierte monatlich beschäftigt gewesen seien. Außerdem habe es in dem Zeitraum zwei Bars mit einer Veranstaltungsfläche von 60 qm und 76 qm und drei Massagestudios mit einer Fläche von jeweils 50 qm gegeben. 2009 seien fünfzehn Prostituierte in Wohnungen gemeldet gewesen, im Zeitraum 2010 bis 2013 seien etwa zehn Wohnungsprostituierte steuerlich erfasst worden. Die Erfassung neuer Steuerfälle erfolge durch Ermittlungen im Internet durch den Fachbereich Steuern, Ermittlungen über Kontakte mit der Polizei, über Gewerbeanmeldungen und den kommunalen Ordnungsdienst. Ferner werde Hinweisen von Steuerpflichtigen und Informanten nachgegangen. Seit dem Jahr 2009 seien dem kommunalen Ordnungsdienst ca. 30 Aufträge erteilt worden, in denen Ermittlungen durchgeführt worden seien.
34Ferner hat der Senat Auskünfte zu der Anzahl der in Oberhausen vorhandenen Bordelle oder bordellähnlichen Betrieben und der in Oberhausen tätigen Prostituierten durch die Finanzverwaltung und die Kriminalpolizei erbeten. Auf die übersandten Auskünfte wird verwiesen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37Soweit die Parteien im Hinblick auf die Reduzierung der Steuerforderung von 90.576,00 Euro auf 75.735,00 Euro durch den Bescheid vom 24. September 2013 die Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen und die teilweise Unwirksamkeit des erstinstanzlichen Urteils auszusprechen.
38Die Berufung im Übrigen hat keinen Erfolg.
39Der Steuerbescheid vom 11. Dezember 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 24. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
40Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 12. Juli 2010, die am 2. August 2010 bekannt gemacht worden ist, und den hier in Rede stehenden Steuerzeitraum vom 3. August 2010 bis zum 31. Oktober 2012 erfasst.
41Das von dem Kläger betriebene Bordell in der G.------straße in Oberhausen erfüllt den Steuertatbestand des § 1 Nr. 6 VS. Es handelt sich um eine Einrichtung, in der gezielt die Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen eingeräumt wird. Bordelle sind zwar in der Aufzählung in § 1 Nr. 6 VS nicht ausdrücklich genannt, sie sind aber als Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs ähnliche Einrichtungen anzusehen. Entgegen der Auffassung des Klägers erfüllt hingegen der Betrieb des Bordells nicht den Steuertatbestand des § 1 Nr. 7 VS, weil dort - wie der Kläger meint - in einem Beherbergungsbetrieb sexuelle Handlungen gegen Entgelt angeboten würden. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Systematik der in § 1 Nr. 6 und 7 VS genannten, sich gegenseitig ausschließenden Steuertatbestände. § 1 Nr. 6 VS schafft einen einrichtungsbezogenen Steuergegenstand. Er erfasst das Steuergut, den Konsumaufwand des sich sexuell Vergnügenden, soweit das sexuelle Vergnügen in dafür bestimmten Einrichtungen stattfindet. § 1 Nr. 7 VS erfasst hingegen den Konsumaufwand des sich sexuell Vergnügenden, soweit das sexuelle Vergnügen auf einem Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt beruht und es nicht in den vorgenannten Einrichtungen, also einrichtungslosgelöst stattfindet. Der allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet mit dem Begriff Beherbergungsbetrieb kein Bordell, sondern eine Unterkunft, namentlich ein Hotel.
42Vgl. zur Herkunft des Begriffs Herberge und zu seiner Verfestigung auf "Gasthaus" und "Unterkunft" Grimm, Deutsches Wörterbuch, 1877, Nachdruck 1984, Bd. 10, Sp. 1060 ff. (Stichwort: Herberge).
43So ist auch der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, auf Bordelle nicht anzuwenden.
44Vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 1.6.2012 ‑ 1 K 2723/10 ‑, juris.
45Das Finanzgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, die Prostituierten zahlten ihre "Tagesmiete" nicht für den Empfang einer Beherbergungsleistung, sondern im Wesentlichen für die Bereitstellung einer Infrastruktur zur Ausübung ihres Gewerbes (juris Rn. 24). Beherbergen sei grundsätzlich nicht nur nach allgemeinem Sprachgebrauch das Bereitstellen einer Unterkunft oder Schlafstelle und nicht die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution (juris Rn. 26). Der Einwand des Klägers, im "Milieu" sei der Begriff Beherbergungsbetrieb als Bordell zu verstehen, verfängt nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer unter Bordellbetreibern und Prostituierten geäußerten Erklärung nach deren Empfängerhorizont, sondern um die Auslegung einer Satzung, also von Ortsrecht. Dafür mag ein dem Regelungsgegenstand angepasster spezieller juristischer Sprachgebrauch zu berücksichtigen sein, nicht aber der Sprachgebrauch des Rotlichtmilieus.
46Auch die Systematik der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Oberhausen vom 12. Juli 2010 spricht gegen die Annahme, Bordelle seien Beherbergungsbetriebe im Sinne des § 1 Nr. 7 VS. Die Satzung differenziert mit den unterschiedlichen Steuertatbeständen nicht nach prostitutionsbezogenen und nicht prostitutionsbezogenen Steuergegenständen, sondern schafft in § 1 Nr. 6 VS einen einrichtungsbezogenen und in § 1 Nr. 7 VS einen einrichtungslosgelösten personenbezogenen Steuergegenstand zur Besteuerung des Aufwandes für sexuelle Vergnügungen. Die in § 1 Nr. 7 VS nur beispielhaft genannten Räumlichkeiten zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie nicht schon von ihrer Eigenart zur Veranstaltung sexueller Vergnügungen bestimmt sind. In einem Beherbergungsbetrieb nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch mag auch Prostitution stattfinden (Hotelprostitution), aber die Prostituierten haben dort in der Regel kein Zimmer angemietet, um ihre Leistungen anzubieten. Besondere Räumlichkeiten zu einer Anbahnung der sexuellen Kontakte finden sich dort typischerweise nicht. Eine Infrastruktur zur Ausübung der Prostitution ist nicht vorhanden.
47Vgl. zu diesem Begriff, FG Düsseldorf, Urteil vom 1.6.2012, juris Rn. 24.
48Entsprechendes gilt für Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen. So können zwar Wohnwagen speziell für die Ausübung der Prostitution angeschafft und hergerichtet werden, aber üblicherweise werden Wohnwagen für Freizeitzwecke, insbesondere zum Camping genutzt. Entsprechendes gilt für Wohnungen, die auch für Zwecke der Prostitution angemietet werden, aber in der Regel der Befriedigung des allgemeinen Wohnbedürfnisses dienen. In einem Bordell wird hingegen die Prostitution erwartet, das Bordell dient von seiner Eigenart her der Ausübung der Prostitution, während die in § 1 Nr. 7 VS namentlich bezeichneten Einrichtungen eine solche begriffliche Zweckbestimmung nicht haben.
49Die Meinung des Klägers, der von § 1 Nr. 6 VS nicht prostitutionsbezogene Vergnügungen und von § 1 Nr. 7 VS prostitutionsbezogene Vergnügungen erfasst sieht, überzeugt nicht. So findet in den in § 1 Nr. 6 VS genannten Bars Prostitution und nicht etwa Sexualverkehr unter Gleichgesinnten statt. In § 1 Nr. 7 VS wird ausdrücklich Prostitution in den in Nr. 6 erwähnten Einrichtungen als nicht Nr. 7 unterfallend ausgeschlossen und damit anerkannt, dass in solchen Einrichtungen Prostitution zu erwarten ist und nur nach Nr. 6 zu besteuern ist.
50Zur Stützung seiner Meinung, der Begriff des Beherbergungsbetriebes erfasse auch Bordelle, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, der Rat der Beklagten habe bei Erlass der Satzung eine solche Einstufung vornehmen wollen, wie auch der zunächst unternommene Versuch der Verwaltung zeige, eine Besteuerung nach § 1 Nr. 7 VS für seinen Betrieb durchzusetzen. Es kommt nämlich für die Auslegung nicht auf die subjektiven Meinungen der Ratsmitglieder oder der Verwaltung an. Für den Inhalt einer Norm ist vielmehr entscheidend der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.
51Vgl. BVerfG, Urteil vom 20.3.2002 ‑ 2 BvR 794/95 ‑, BVerfGE 105, 135 (157).
52Materialien zum Willen des historischen Gesetzgebers bei der Normsetzung, hier der Satzung, sollen mit Vorsicht, lediglich unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen objektiven Norminhalt schließen lassen. Der sogenannte Wille des Normgebers bzw. der am Normerlassverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der normgebenden Instanzen dem objektivem Norminhalt gleichzusetzen.
53Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.2.1983 ‑ 2 BvE 1‑4/83 ‑, BVerfGE 62, 1 (45); OVG NRW, Urteil vom 15.9.2004 ‑ 15 A 4544/02 ‑, NRWE Rn. 25 ff.
54Einen solchen Niederschlag im Normtext hat die Auffassung, Bordelle seien als Beherbergungsbetriebe im Sinne der Satzung anzusehen, nicht gefunden. Im Gegenteil sprechen Wortlaut und Sinnzusammenhang gerade für die Verneinung einer solchen Einordnung. Daher kommt es auf die subjektiven Vorstellungen der am Erlass der Satzung Beteiligten nicht an.
55Die Steuer ist der Höhe nach richtig festgesetzt worden. Nach § 4 VS richtet sich die Steuer bei der gezielten Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen nach der Größe der Veranstaltungsfläche. § 4 Abs. 1 Satz 2 VS bestimmt, dass als Veranstaltungsfläche alle für das Publikum zugänglichen Flächen mit Ausnahme der Toiletten und Garderobenräume gelten. Die Steuer beträgt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VS je Veranstaltungstag für jede angefangenen 10 qm Veranstaltungsfläche 3,00 Euro. Endet eine Veranstaltung erst am Folgetag, wird ein Veranstaltungstag für die Berechnung zugrunde gelegt (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 VS).
56Dieser Maßstab erfasst den Vergnügungsaufwand nicht genau. Eigentliches Steuergut ist der Vergnügungsaufwand des einzelnen Besuchers, weil die Steuer darauf abzielt, die mit der Einkommensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Da eine konkrete Besteuerung des Aufwandes des sich Vergnügenden, insbesondere des sich vergnügenden Freiers, (Wirklichkeitsmaßstab) praktisch nicht möglich ist,
57vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.4.2012 ‑ 14 B 1520/11 ‑, NRWE Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (233),
58kann die Steuer pauschal bei dem Veranstalter des Vergnügens erhoben werden. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss aber jedenfalls einen lockeren Bezug zum individuellen Vergnügungsaufwand haben.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.7.2011‑ 9 B 78.10 ‑, juris, Rn. 5 m. w. N.
60Der Satzungsgeber ist dabei nicht gehalten, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, ihm steht vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der erst dann überschritten wird, wenn ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und die Steuererhebung daher willkürlich wäre.
61Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2009 ‑ 1 BvL 8/05 ‑, NVwZ 2009, 968 (971); OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 ‑ 14 A 597/09 ‑, NRWE Rn. 68.
62Diesen Anforderungen genügt der hier zu beurteilende Flächenmaßstab. Er weist den erforderlichen lockeren Bezug auf, weil es wahrscheinlich ist, dass der Umfang des Vergnügungsaufwands mit der Größe eines Betriebes wächst. Zwar steht die Größe der Veranstaltungsfläche ersichtlich in keinem direkten Zusammenhang mit dem Aufwand der Besucher der Veranstaltung. Mit der Größe der Veranstaltungsfläche werden typischerweise aber die Einnahmen steigen, weil mehr Freier aufgenommen werden können und so im Regelfall insgesamt auch ein höherer Aufwand betrieben wird. Es ist einleuchtend, dass je mehr Raum für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen zur Verfügung steht, ihn auch desto mehr Personen gleichzeitig nutzen können. Außerdem kann die Größe des zur gezielten Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen zur Verfügung gestellten Raumes auch ein Merkmal großzügig-gehobener Ausstattung sein, die sich in einem tendenziell höheren Aufwand zur Erlangung des Vergnügens niederschlägt. Die Größe des genutzten Raums ist deshalb als zulässiger Vergnügungssteuermaßstab seit langem üblich und anerkannt.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2004 ‑ 9 C 3.03 ‑, BVerwGE 120, 175 (185 f.).
64Bei der Berücksichtigung der Veranstaltungsfläche hat die Beklagte zutreffend nicht nur die Zimmer, sondern auch die Flure einbezogen. Diese sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VS Veranstaltungsfläche, weil sie für das Publikum zugänglich sind. Dies ist im Sinne der grundsätzlich gestatteten Pauschalierung zulässig, auch wenn die Flure ausschließlich dem bloßen Zu- und Abgang zu und von den Zimmern dienen sollten. Feinsinnige satzungsrechtliche Unterscheidungen etwa zwischen Bettbereichen, Aufenthaltsräumen, Kontaktzonen, Ruhezonen, Fluren mit und ohne Aufenthaltsfunktion müssen nach höherrangigem Recht nicht vorgenommen werden. Im Übrigen stehen auch die Flure in Zusammenhang mit der Zimmerzahl, weil um so mehr Flure erforderlich sind, je mehr Zimmer zu erschließen sind. Damit haben die Flure grundsätzlich einen ähnlichen Bezug zum individuellen Vergnügungsaufwand wie die Zimmer selbst.
65Vgl. zur Zulässigkeit eines pauschalierenden Flächenmaßstabs VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (233).
66Es ist nicht erkennbar und wird von dem Kläger auch nicht gerügt, dass die Flächen unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien im konkreten Fall, also bei Berücksichtigung der je Tag genutzten Zimmer und der Flurflächen in dem Bordell, falsch berechnet worden wären. Die Beklagte hat in dem die Steuer ermäßigenden Bescheid vom 24. September 2013 entsprechend den Angaben des Klägers nur die Fläche der Zimmer in Ansatz gebracht, die tageweise an die Prostituierten vermietet und damit dem Publikum zugänglich waren. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte - wie sie und das Verwaltungsgericht meinen - alle Zimmer, auch dann, wenn sie nicht an Prostituierte vermietet waren, hätte berücksichtigen dürfen. Gegen eine solche Annahme spricht, dass der Steuermaßstab (Größe der dem Publikum zugängliche Fläche) nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VS je Veranstaltungstag anzuwenden ist. Die Steuer erhöht sich nach § 4 Abs. 3 VS bei über 1.00 Uhr nachts hinausgehenden Veranstaltungen. Für mehrtägige Veranstaltungen enthält § 4 Abs. 3 VS ebenfalls eine Sonderregelung. Hiervon ausgehend dürften ‑ wie in dem Bescheid vom 24. September 2013 geschehen ‑ tägliche Einzelveranstaltungen anzunehmen sein mit der Folge, dass auch die jeweils täglich dem Publikum zugängliche, nicht etwa die für das Publikum bestimmte Fläche maßgeblich ist und damit täglich variieren kann. Dass eine solche Abhängigkeit der Steuer von nur schwer überprüfbaren Angaben des Steuerpflichtigen wenig praktikabel und zuverlässig ist, liegt auf der Hand und hat der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg zutreffend beschrieben. Die Beklagte hat sich jedoch mit ihrer Satzung für diesen Steuermaßstab entschieden.
67Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ liegt nicht deshalb vor, weil Prostituierte, die nicht in einer Einrichtung nach § 1 Nr. 6 VS tätig sind, gemäß § 1 Nr. 7 VS i. V. m. § 8 VS je Person und Tag mit einem Steuersatz von 6,00 Euro veranlagt werden. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Normgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Normgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Artikels 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können ‑ insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen ‑ durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerliche Vorteilen der Typisierung steht. Die mit der Typisierungsbefugnis einhergehende Gestaltungsfreiheit muss der Normgeber allerdings sachgerecht ausüben. Eine von der Norm vorgenommene ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelenden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht allgemein und abstrakt feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt wird.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2000 ‑ 11 C 8.99 ‑, BVerwGE 110, 265 (272).
69Hier erfasst die Satzung ‑ wie dargelegt wurde ‑ einrichtungsgebundene und einrichtungslosgelöste Prostitution. Bei einer einrichtungsgebundenen Prostitution ist der Flächenmaßstab wie allgemein bei einrichtungsgebundenen Vergnügungen ein geeigneter Maßstab, während er bei einer Prostitution außerhalb von Einrichtungen nicht sinnvoll anwendbar ist. Dies rechtfertigt die Anwendung eines anderen, ebenfalls pauschalen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs, nämlich den eines festen Satzes pro Veranstaltungstag.
70Vgl. dazu, dass dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab angesichts des für unterschiedliche Prostituierte unterschiedlich hohen täglichen Aufwands ebenfalls sehr pauschal ist, OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2012 - 14 B 835/12 ‑, NRWE Rn. 36.
71Auch die weitere Voraussetzung für die Erhebung der Sexsteuer als Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, dass der Steuerschuldner die Steuer auf den sich Vergnügenden abwälzen kann, ist gegeben. Steuergegenstand (Steuerobjekt) ist das Steuergut mit dem Inhalt und Umfang der Tatbestandsverwirklichung. Steuergut ist hier der Konsumaufwand in Form des vom Steuerträger, dem sich sexuell Vergnügenden, aufgewandten Betrags zur Erlangung der Gelegenheit des sexuellen Vergnügens.
72Vgl. zum Begriff Steuergegenstand und Steuergut Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Auflage, § 6 Rn. 36 ff., und Hey, ebd., § 3 Rn. 52, 70 ff.
73Daraus ergibt sich, dass der Steuerschuldner (Betreiber der Einrichtung), der keinen besteuerbaren Aufwand betreibt, die Steuer grundsätzlich auf den Steuerträger abwälzen können muss. Der verfassungsrechtliche Begriff der Aufwandsteuer, soweit sie indirekt erhoben wird, gebietet somit die Abwälzbarkeit der Steuer.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2009 ‑ 9 C 12/08 ‑, NVwZ 2010, 784 Rn. 28 ff.
75Diese Abwälzbarkeit der Steuer vom Steuerschuldner auf den Steuerträger hat aber nicht zum Inhalt, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten werden muss, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag ‑ etwa wie einen durchlaufenden Posten ‑ von dem von der Steuernorm ins Auge gefassten Steuerträger auch ersetzt erhalten. Es genügt vielmehr die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und die hiernach zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen ‑ Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der Kosten ‑ treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt.
76Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2009 ‑ 1 BvL 8/05 ‑ , NVwZ 2009, 968 (972)
77Die Abwälzbarkeit setzt nicht voraus, dass der Unternehmer die Steuer im Voraus exakt berechnen kann. Entscheidend ist vielmehr, dass er die abzuführende Steuer anhand langfristiger Erfahrungs- und Durchschnittswerte verlässlich kalkulieren kann.
78Vgl. BVerwGE, Urteil vom 10. Dezember 2009 ‑ 9 C 12.08 -, NVwZ 2010, 784 Rn. 30.
79Diese Überwälzung ist hier möglich, weil der Bordellbesitzer die Steuer, die er sogar im Voraus exakt berechnen kann, in den Mietpreis der Zimmer, die er den Prostituierten zur Verfügung stellt, einkalkulieren kann. Die Prostituierten ihrerseits können über eine Erhöhung der Preise für ihre Dienstleistungen die Steuer auf die Steuerträger, ihre Kunden, abwälzen. Der Bordellbetreiber kann die Steuer auch unmittelbar auf die Steuerträger abwälzen, indem er einen Eintritt für den Bordellbesuch verlangt. Das alles unterliegt der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den drei beteiligten Personengruppen der Bordellbetreiber, der Prostituierten und der Kunden.
80Die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung wird nicht unter dem Gesichtspunkt der Erdrosselungswirkung der Steuer in Frage gestellt. Eine erdrosselnde Steuer verletzt die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Das ist dann der Fall, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.4.1971 ‑ 1 BvL 22/67‑, BVerfGE 31, 8 (29); Urteil vom 22.5.1963 ‑ 1 BvR 78/56 ‑, BVerfGE 16, 147 (165).
82Daraus folgt, dass es nicht auf die wirtschaftliche Situation des Klägers ankommt, so dass dessen vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung rechtlich irrelevant ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine steuerbedingte Tendenz zum Absterben der Bordellbranche in Oberhausen erkennbar ist. Hierfür ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, ist die Zahl der Bordellbetriebe in der G.------straße seit langer Zeit unverändert. Außerhalb der G.------straße ist es zwar zu einem Rückgang bordellähnlicher Betriebe in Oberhausen gekommen. Diese Entwicklung setzte jedoch schon vor Erhebung der hier in Rede stehenden Sexsteuer ein.
83Legt man die nicht verifizierten Angaben des Klägers zu Grunde, so ergibt sich, dass die Sexsteuer in Oberhausen weit von jeder Erdrosselungswirkung entfernt ist. Veranlagt wurde der Kläger für sein Bordell zu einer Steuer von 75.735 Euro für 27 Monate. Unter Berücksichtigung der Schließungszeiten des Bordells ergibt dies eine Steuer von etwa 94 Euro pro Tag. Bei der von dem Kläger angegebenen Belegungsquote von durchschnittlich neun Zimmern folgt daraus eine Steuer von etwas mehr als zehn Euro pro Tag und Zimmer. Wird angenommen, dass durchschnittlich nur fünf Kunden eine Prostituierte aufsuchen, so beträgt die Steuer pro Kunde etwa 2,00 Euro, bewegt sich also in der Preisklasse eines Bieres. Tatsächlich dürfte die Steuer pro Kunde sogar niedriger liegen. Nach der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung, die sicher nicht zu hohe Erlöse ausweist, erzielte der Kläger 1.108.160,50 Euro in 34 Monaten. Pro Tag wurden somit 1.086 Euro eingenommen, was bei durchschnittlich neun vermieteten Zimmern einem Mietpreis von 120 Euro pro vermietetem Zimmer und Tag entspricht. Legt man einen Preis von 30,00 Euro für die sexuelle Dienstleistung zugrunde, sind allein vier Kunden erforderlich, um überhaupt die Miete zu erwirtschaften. Hinzu kommen Umsatz- und Einkommensteuer bei Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren, wie es hier der Fall ist.
84Vgl. dazu das Merkblatt des Finanzministeriums NRW, Grundlegende Informationen zur Besteuerung für ein verschwiegenes Gewerbe, Januar 2010.
85Dies zeigt, dass entweder mehr Kunden bedient werden oder von weniger Kunden höhere Entgelte für die sexuellen Dienstleistungen entrichtet werden. In jedem Falle ist die auf den Kunden abgewälzte Steuer bei großer Kundenanzahl absolut und bei geringer Kundenzahl relativ zum an die Prostituierte gezahlten Gesamtentgelt vernachlässigbar. Ein in das Gewand einer Steuernorm gekleidetes Berufsverbot für Bordellbetreiber ist danach mit Sicherheit auszuschließen.
86Die Steuererhebung ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil ein gleichheitswidriges strukturelles Vollzugsdefizit vorläge. Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht auch, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.
87Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (Leitsatz 1).
88Die steuerliche Lastengleichheit fordert mithin, dass das materielle Steuergesetz die Gewähr einer regelmäßigen Durchsetzbarkeit soweit wie möglich in sich selbst trägt. Der Gesetzgeber hat demgemäß die Besteuerungstatbestände und die ihnen entsprechenden Erhebungsregelungen aufeinander abzustimmen. Führen Erhebungsregelungen dazu, dass ein gleichmäßiger Belastungserfolg prinzipiell verfehlt wird, kann die materielle Steuernorm nicht mehr gewährleisten, dass die Steuerpflichtigen nach Maßgabe gleicher Lastenzuteilung belastet werden; sie wäre dann gerade umgekehrt Anknüpfungspunkt für eine gleichheitswidrige Lastenverteilung.
89Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (271 f.).
90Regelungen, die die Durchsetzung des Steueranspruchs sichern und Steuerverkürzungen verhindern sollen, müssen auf die Eigenart des konkreten Lebensbereichs und des jeweiligen Steuertatbestands ausgerichtet werden. Wird eine Steuer nicht an der Quelle erhoben, hängt ihre Festsetzung vielmehr von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip.
91Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (273).
92Verfassungsrechtlich verboten ist der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregelungen. Die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen ist für die Gleichheitswidrigkeit unerheblich; erheblich wäre erst das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
93Vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 ‑ 2 BvL 17/02 ‑, BVerfGE 110, 94 (113).
94Für die hier in Rede stehenden Einrichtungen ist die Steuerpflicht leicht feststellbar, da diese bekannt sind und auf Bekanntheit angewiesen sind. Für sie besteht eine Anmelde- und Anzeigepflicht nach § 12 VS. Der Kläger behauptet noch nicht einmal, dass es in Oberhausen Einrichtungen im Sinne des § 1 Nr. 6 VS gibt, die von der Beklagten nicht zur Steuer veranlagt wurden.
95Für die einrichtungslosgelöst tätigen Einzelprostituierten gilt, dass sie nach § 12 VS die Veranstaltung anmelden und nach § 8 VS die Steuer selbst errechnen müssen. Ob die Beklagte über die Begründung solcher Erklärungspflichten hinaus bezüglich der Einzelprostituierten ausreichend Kontrollen durchführt, um hinsichtlich des Kreises der Einzelprostituierten eine gleiche Besteuerung durchzusetzen, kann dahinstehen. Defizite bei der Durchsetzung gleichmäßiger Besteuerung bezüglich des Steuergegenstandes nach § 1 Nr. 7 VS können von vorneherein keine Unwirksamkeit des gleichheitsgerecht durchgesetzten einrichtungsbezogenen Steuergegenstands nach § 1 Nr. 6 VS begründen. Da der Satzungsgeber nicht verpflichtet ist, den Aufwand für jegliches sexuelle Vergnügen im Stadtgebiet der Besteuerung zu unterwerfen, könnte er sich auch auf solche in dazu bestimmten Einrichtungen beschränken, so wie es auch tatsächlich praktiziert wird.
96S. etwa § 1a der Satzung über die Erhebung einer Steuer für sexuelle Vergnügungen in der Stadt Dorsten vom 20. Mai 2010.
97Daher kann ein - unterstelltes ‑ strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Einzelprostituierten unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zur Verfassungswidrigkeit der ‑ gleichheitsgerecht durchgesetzten ‑ Steuervorschriften führen, die die Besteuerung von zu sexuellem Vergnügen bestimmten Einrichtungen regeln.
98Der Kläger durfte gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VS als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden. Nach dieser Vorschrift ist der Unternehmer der Veranstaltung Steuerschuldner. Der Kläger ist Unternehmer der Veranstaltung "gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen" in der von ihm betriebenen, dem Steuertatbestand unterfallenden Einrichtung.
99Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 1 AO bestimmt die Satzung, wer Steuerschuldner ist. Dem Satzungsgeber wird damit ein Spielraum eröffnet. Allerdings ist er begrenzt: Der Satzungsgeber ist an die Grundentscheidungen des Kommunalabgabengesetzes gebunden, insbesondere daran, dass es für das Entstehen der Abgabeschuld an einen Abgabetatbestand anknüpft.
100Vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2013), § 2 Rn. 52; Lenz in: Hamacher u. a., KAG NRW, Loseblattsammlung (Stand: März 2013), § 2 Rn. 50 f.
101Das gilt auch für die Steuer. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daher muss die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben. Diese Grundentscheidung des Kommunalabgabengesetzes, das Entstehen der Steuerschuld an die Verwirklichung eines Steuertatbestands zu knüpfen, begrenzt den Kreis der in der Satzung zu bestimmenden möglichen Steuerschuldner. Nur wem die Erfüllung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, darf zum Steuerschuldner bestimmt werden. Daher ist es zumindest erforderlich, dass der Steuerschuldner in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet.
102Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2013 ‑ 14 A 316/13 ‑, NRWE Rn. 121 ff. m. w. N.
103Hier geht es um den Konsumaufwand des sich in einer zu sexuellem Vergnügen bestimmten Einrichtung Vergnügenden. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger als Betreiber der Einrichtung, des Bordells, zu diesem Steuergegenstand die notwendige enge Beziehung aufweist. Das ergibt sich im übrigen auch daraus, dass er mit der Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren die Einkommen- und Umsatzsteuer der Prostituierten abwickelt.
104Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, waren dem Kläger die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge aufzuerlegen, weil er sich trotz Aufforderung (ausdrücklich) geweigert hat, die notwendigen Angaben zur Besteuerung nach dem Flächenmaßstab zu machen. Die Beklagte war deshalb gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 AO zur Schätzung berechtigt, wie es geschehen ist.
105Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
106Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gründe
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I
- 1
-
Der Rechtsstreit betrifft die Heranziehung eines Bordellbetreibers zu einer Vergnügungsteuer.
- 2
-
Nach § 1 der Vergnügungsteuersatzung (VStS) der Beklagten vom 12. Juli 2010 unterliegen bestimmte im Gemeindegebiet veranstaltete Vergnügungen (Veranstaltungen) der Besteuerung. Hierzu zählen u.a.:
-
- die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs sowie ähnlichen Einrichtungen (§ 1 Nr. 6 VStS)
-
sowie
-
- das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt außerhalb der in Nr. 6 genannten Einrichtungen, zum Beispiel in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen (§ 1 Nr. 7 VStS).
- 3
-
Die Satzung sieht vor, dass für Veranstaltungen nach Nr. 6 der Flächenmaßstab gilt (3 € für jede angefangenen 10 qm Veranstaltungsfläche, § 4 Abs. 2 Nr. 3 VStS); für solche nach Nr. 7 beträgt die Steuer für jede/n Prostituierte/n 6 € pro Veranstaltungstag (§ 8 VStS).
- 4
-
Nachdem der Kläger zunächst für Zeiträume in den Jahren 2009 bis 2010 auf Zahlung einer Vergnügungsteuer nach § 1 Nr. 7 VStS in Anspruch genommen worden war und er hiergegen erfolgreich um Rechtsschutz nachgesucht hatte, zog die Beklagte ihn mit Bescheid vom 11. Dezember 2012 für den Zeitraum vom 3. August 2010 bis zum 31. Oktober 2012 nach § 1 Nr. 6 VStS zu einer Vergnügungsteuer in Höhe von 90 576 € heran. Dabei legte sie den Flächenmaßstab nach § 4 VStS zugrunde; mangels näherer Angaben des Klägers schätzte sie die Veranstaltungsfläche auf 367 qm, wobei die Flure ganz und die Zimmer entsprechend einer ebenfalls geschätzten Belegungsquote berücksichtigt wurden. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren wurde der Bescheid in Bezug auf die Belegungsquote aufgrund nachträglicher Angaben des Klägers geändert und der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
-
II
- 5
-
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 6
-
1. Die Sache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
- 7
-
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
- 8
-
Die von ihr aufgeworfenen Fragen,
-
ob der Flächenmaßstab auch dann geeignet ist, Steuergerechtigkeit herzustellen, wenn durch den Ersatzmaßstab der Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a GG unzulässig ausgedehnt wird, weil die steigende Fläche nicht allein, sondern nur mit steigender Anzahl von an Prostituierte vermieteten Zimmern ursächlich für einen steigenden Umsatz ist,
-
ob der gewählte Ersatzmaßstab bei der Steuerbemessung zumindest einen lockeren Bezug zu dem Benutzungsaufwand der Konsumenten als eigentlichem Ziel der Vergnügungsteuer hat, wenn zwischen dem Steuerschuldner, auf den der Ersatzmaßstab angewendet wird, und dem Konsumenten keinerlei Vertragsbeziehung besteht und die Ausgestaltung der Veranstaltung, in der der eigentliche Benutzungsaufwand anfällt, allein einer dritten Person obliegt, zu ausschließlich der der Konsument in einem entgeltlichen Austauschverhältnis steht,
-
und ob die Verwendung zweier unterschiedlicher Ersatzmaßstäbe für die Besteuerung von Prostitution, der jeder für sich steuergerecht ist, das Gebot der steuerlichen Leistungsfähigkeit in seiner Ausprägung von Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn der jeweilige Benutzungsaufwand der Konsumenten als eigentliches Ziel der Vergnügungsteuer und Spiegelbild deren Leistungsfähigkeit gleich ist oder sogar der höhere Benutzungsaufwand niedriger besteuert wird,
-
betreffen die Auslegung und Anwendung der Vergnügungsteuersatzung (VStS) der Beklagten vom 12. Juli 2010 und damit Landesrecht. Die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Bundes(verfassungs)recht - hier unter Verletzung der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG und des Aufwandsbegriffs nach Art. 105 Abs. 2a GG - angewandt worden, zeigt für sich genommen noch keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts auf. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kann der Kläger nur erreichen, wenn er darlegt, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschlüsse vom 7. Januar 2008 - BVerwG 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 Rn. 6, vom 19. September 2007 - BVerwG 9 B 22.06 - juris Rn. 6 und vom 3. Februar 2012 - BVerwG 9 BN 3.11 - juris Rn. 3). Dies ist nicht der Fall.
- 9
-
a) Die Grundsätze der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht. Die mit der Typisierungsbefugnis einhergehende Gestaltungsfreiheit muss der Gesetzgeber allerdings sachgerecht ausüben. Eine vom Gesetz vorgenommene ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht allgemein und abstrakt feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt wird (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - NVwZ 2014, 1084 Rn. 53 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - BVerwG 11 C 8.99 - BVerwGE 110, 265 <272>).
- 10
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Daran gemessen zeigt die Beschwerde keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Der Kläger räumt selbst ein, dass der Beklagten bei Erlass ihrer Vergnügungsteuersatzung grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Steuermaßstäbe zusteht. Es geht ihm letztlich darum, geklärt zu wissen, ob die Beklagte von diesem Gestaltungsspielraum im Einzelfall zutreffend Gebrauch gemacht hat, insbesondere ob eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Besteuerung der verschiedenen Arten der Prostitutionsausübung nach § 1 Nr. 6 und § 1 Nr. 7 VStS besteht. Dass der auf die einrichtungsgebundene Prostitution (§ 1 Nr. 6 VStS) bezogene Flächenmaßstab für die Beklagte zur Verwaltungsvereinfachung führt, wird auch vom Kläger nicht bestritten. Ob ein anderer Maßstab, insbesondere der für die Besteuerung der Einzelprostitution nach § 1 Nr. 7 VStS vorgesehene, auch für Bordelle geeignet wäre und ob er möglicherweise im Sinne der Rechtsprechung sachnäher wäre, ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Dasselbe gilt für die Frage, ob die gewählten unterschiedlichen Maßstäbe zu Ungleichheiten führen, die durch die Verwaltungsvereinfachung nicht mehr zu rechtfertigen sind, also ein einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung fehlt und diese daher willkürlich wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <20>). Diese Frage ist unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen einem Bordell auf der einen Seite, das für den Kunden zu festgelegten Öffnungszeiten ein Angebot an verschiedenen Prostituierten bereit hält und der Einzelprostitution, bei der keine zusätzliche „Infrastruktur“ geboten wird, auf der anderen Seite anhand der oben dargestellten Maßstäbe zu beurteilen; ein darüber hinausgehender allgemeiner Klärungsbedarf ist nicht erkennbar.
- 11
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b) Die Frage, ob auch die Besteuerung der Flure mit dem Aufwandsbegriff nach Art. 105 Abs. 2a GG vereinbar ist, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles ebenfalls keiner grundsätzlichen Klärung. Denn auch der Aufwandsbegriff im Zusammenhang mit einer Vergnügungsteuer ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt. Eigentliches Steuergut ist der Vergnügungsaufwand des Einzelnen, weil die Vergnügungsteuer darauf abzielt, die mit der Einkommensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Damit ist der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer. Der Gesetzgeber ist indessen von Verfassungs wegen nicht auf einen derartigen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Wählt er im Vergnügungsteuerrecht statt des Wirklichkeitsmaßstabs einen anderen (Ersatz- oder Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht. Dabei muss der gewählte Maßstab einen zumindest lockeren Bezug zu dem Vergnügungsaufwand aufweisen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 a.a.O. S. 16 ff. und BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 22 jeweils zur Spielgerätesteuer).
- 12
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Diesen zumindest lockeren Bezug stellt der Flächenmaßstab bei der Vergnügungsteuer grundsätzlich her, da bei pauschalierender und typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden kann, dass der Umfang des Vergnügungsaufwands mit der Größe eines Betriebes wächst (vgl. Urteil vom 3. März 2004 - BVerwG 9 C 3.03 - BVerwGE 120, 175 <185 f.>; vgl. außerdem Beschluss vom 25. April 2012 - BVerwG 9 B 10.12 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 55 Rn. 7
sowie VGH Mannheim, Urteil vom 23. Februar 2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 57 ff. , nachgehend BVerwG, Beschluss vom 1. März 2012 - BVerwG 9 B 57.11 - juris). Aus denselben Erwägungen der Pauschalierung und Typisierung dürfen auch für das Publikum zugängliche Flächen grundsätzlich als zu besteuernde Veranstaltungsfläche angesehen werden, wie es hier § 4 Abs. 1 Satz 2 VStS vorsieht, ohne dass es einer satzungsrechtlichen Unterscheidung zwischen solchen Flächen mit und ohne Aufenthaltsfunktion bedarf.
- 13
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c) Die Beschwerde zeigt auch keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf, soweit sie den „erforderlichen lockeren Bezug zu dem Benutzungsaufwand der Konsumenten“ mit dem Argument in Frage stellt, zwischen Steuerschuldner (Bordellbetreiber) und Konsument (Freier) bestehe keinerlei Vertragsbeziehung und die Ausgestaltung der Veranstaltung obliege allein einer dritten Person (hier: der Prostituierten).
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Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass es hierbei entgegen der Annahme der Beschwerde nicht um das unter b) dargestellte Erfordernis des zumindest lockeren Bezugs zwischen dem gewählten Steuermaßstab - hier Flächenmaßstab - zu dem Vergnügungsaufwand geht, sondern um ein hiervon zu unterscheidendes weiteres Erfordernis der Vergnügungsteuer, deren Abwälzbarkeit vom Steuerschuldner auf den Steuerträger, sofern die Steuer - wie hier - indirekt, also beim Veranstalter der Vergnügung erhoben wird. Auch die hiermit verbundenen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt: Danach genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - etwa Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 a.a.O. S. 22 f.; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 28; Beschluss vom 24. Februar 2012 - BVerwG 9 B 80.11 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 54 Rn. 7).
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Die Beschwerde zeigt auch insoweit keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf in Bezug auf den bundesrechtlichen Maßstab für das Landesrecht auf. Vielmehr kritisiert sie lediglich die Annahme des Berufungsgerichts, ein Bordellbetreiber könne die Steuer in den Mietpreis der den Prostituierten zur Verfügung gestellten Zimmer einkalkulieren, wobei die Prostituierten ihrerseits den erhöhten Zimmerpreis auf ihre Kunden abwälzen könnten oder der Bordellbetreiber könne die Steuer unmittelbar abwälzen, indem er einen Eintrittspreis für den Bordellbesuch verlange.
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2. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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a) Soweit die Beschwerde eine Verletzung ihres Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend macht, fehlt es schon an einer hinreichenden Darlegung, inwiefern eine Berücksichtigung des Vorbringens auf der Grundlage der materiellen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts eine günstigere Entscheidung hätte herbeiführen können (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 15 m.w.N.).
- 18
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aa) Auf den klägerischen Vortrag, es habe an einem Schätzungsanlass gefehlt, kam es schon deshalb nicht an, weil dieser Vortrag erkennbar auf unzutreffenden Angaben beruhte.
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Der Kläger hatte seine Rechtsauffassung gegenüber dem Oberverwaltungsgericht wie folgt begründet: Die Beklagte habe ihn im Aufforderungsschreiben vom 6. Juli 2012 lediglich gebeten, die Veranstaltungsfläche und die Öffnungszeiten mitzuteilen. Da er nicht zur Angabe sämtlicher Besteuerungsgrundlagen aufgefordert worden sei, habe die Behörde diese nicht - wie geschehen - schätzen dürfen. Mit der Beschwerde trägt der Kläger nun vor, das Berufungsgericht habe diesen Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen. Ein Eingehen darauf sei auch nicht dadurch entbehrlich geworden, dass der geänderte Bescheid die nachgereichten Angaben des Klägers zu der Fläche der Zimmer, die kalendertäglich von den Prostituierten in dem vom Bescheid erfassten Zeitraum belegt waren, berücksichtigt habe. Denn die sonstigen, nicht vom Kläger mitgeteilten Flächen seien weiterhin geschätzt worden.
- 20
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Entgegen der Darstellung der Beschwerde enthält das Schreiben vom 6. Juli 2012 jedoch offenkundig die Aufforderung an den Kläger, sämtliche Besteuerungsgrundlagen anzugeben. Schon dem Wortlaut zufolge („...bitte ich Sie, mir die für die Vergnügungssteuerveranlagung notwendigen Angaben zur Größe der am jeweiligen Veranstaltungstag zur Verfügung stehenden Veranstaltungsfläche und der Öffnungszeiten der ab dem 03.08.2010 durchgeführten Veranstaltungen, mitzuteilen“ - Hervorh. im Original) sollte der Kläger der Beklagten nicht nur die Veranstaltungsfläche und die allgemeinen Öffnungszeiten der Einrichtung, sondern auch die Belegung der einzelnen Zimmer an den verschiedenen Daten in dem genannten Zeitraum mitteilen. Diese Auslegung ergibt sich erst recht, wenn man den weiteren Text des Schreibens hinzunimmt, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass am Veranstaltungstag nicht vermietete Flächen (Zimmer) und so genannte Freizimmer nicht zur Veranstaltungsfläche zählen. Des Weiteren wird in dem Schreiben - ebenfalls unter optischer Hervorhebung - mitgeteilt, dass zu den Veranstaltungsflächen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VStS alle dem Gast frei zugänglichen Flächen zählen; nicht zugängliche Flächen seien beispielsweise Toiletten und Garderobenräume sowie ausschließlich den Prostituierten oder dem Personal vorbehaltene Zimmer wie Küchen oder Fitnessräume. Da der Kläger der Aufforderung unstreitig nicht fristgerecht nachgekommen war, musste sich das Berufungsgericht zu dem Schätzungsanlass nicht näher äußern.
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bb) Auch auf die Ausführungen, die der Kläger im gerichtlichen Verfahren zum Problem der Rückwirkung gemacht hat, musste das Berufungsgericht nicht eingehen.
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Der Kläger hatte mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung vorgetragen, erst durch das Aufforderungsschreiben vom 6. Juli 2012 habe die Beklagte erstmals für zurückliegende Zeiträume bestimmte Erklärungen von ihm verlangt, nachdem sie die Steuerpflicht zuvor auf eine andere Rechtsgrundlage (§ 1 Nr. 7 VStS) gestützt habe. Auch aus der Satzung selbst ergebe sich keine Erklärungspflicht. Rückwirkend habe die Beklagte damit etwas rechtlich Unmögliches von ihm verlangt. In der Beschwerdebegründung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe keine Aufzeichnungen über die Belegungsquoten der einzelnen Zimmer seit Geltung der Satzung (3. August 2010); eine Pflicht zu solchen Aufzeichnungen ergebe sich weder aus der Satzung selbst, noch aus einer frühzeitigen Aufforderung der Beklagten. Deshalb habe die Beklagte ihn frühestens ab Zugang des Schreibens vom 6. Juli 2012 zu einer Vergnügungsteuer heranziehen dürfen.
- 23
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Das Berufungsgericht, das auf das Problem der Rückwirkung weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen des Urteils eingeht, hat hierdurch keinen Verfahrensfehler begangen, denn der diesbezügliche Vortrag des Klägers war von vornherein unplausibel und ist es weiterhin. Zum einen hatte der Kläger durchaus Unterlagen zu vergangenen Zeiträumen, wie sich an dem inzwischen geänderten Bescheid zeigt; die Änderung wurde gerade aufgrund seiner nachträglichen Angaben zu dem zurückliegenden Zeitraum vorgenommen. Zum anderen hat der Kläger selbst wiederholt darauf hingewiesen, dass er an dem „Düsseldorfer Modell“ teilnehme und deshalb eine Besteuerung nach § 1 Nr. 7 VStS, also nach der Anzahl der für ihn tätigen Prostituierten, praktikabel sei. Auch hiervon unabhängig musste der Kläger sich auf eine Veranlagung nach Veranstaltungstagen in jedem Fall einstellen, denn die Satzung stellt sowohl für Veranstaltungen nach § 1 Nr. 6 als auch für solche nach § 1 Nr. 7 auf Veranstaltungstage ab (s. § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 8 VStS).
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b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass - wie die Beschwerde geltend macht - das Berufungsgericht bei der Auslegung der Vergnügungsteuersatzung anerkannte Auslegungsmethoden von Verfassungsrang bzw. die Grundsätze über das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) unbeachtet gelassen hat. Die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen im Rahmen der Sachprüfung gehören zum Kern materieller Rechtsfindung. Sie berühren nicht den Verfahrensablauf und die ihn regelnden Vorschriften des Verfahrensrechts. Unterlaufen dem Richter Fehler bei der Auslegung und Anwendung materiellen Rechts, so handelt es sich nicht, auch nicht ausnahmsweise im Fall objektiver Willkür, um Verfahrensfehler (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 16. Februar 2012 - BVerwG 9 B 71.11 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 42 Rn. 8 m.w.N.).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfest-setzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn
- 1.
ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung (§ 2), die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden, - 2.
das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist, - 2a.
sich auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung ergeben kann, - 3.
die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist oder - 4.
die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist.
(2) Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären; eine ausgesetzte Steuerfestsetzung ist nachzuholen. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 4 endet die Ungewissheit, sobald feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden sind. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 muss eine vorläufige Steuerfestsetzung nach Satz 2 nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.
(3) Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden.
Tenor
Tatbestand
Gründe
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger betrieb seit dem 15.8.2004 die Gaststätte E. in Köln, die er anfänglich von der E1. GmbH gepachtet hatte. Nach Auslaufen des Pachtvertrags pachtete der Kläger die Gaststätte vom Eigentümer. Nach § 17 des Pachtvertrags vom 11.8.2004 mit der E1. durften Automaten und Spielgeräte nur nach vorheriger Genehmigung der Verpächterin aufgestellt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift wird der Aufsteller von der Verpächterin bestimmt. Der Kläger beließ die bereits von Herrn D. aufgestellten Geldspielgeräte im Pachtobjekt.
3Zwischen dem Aufsteller D. und dem Kläger wurde mündlich vereinbart, dass vom Kasseninhalt die zu zahlenden Steuern (Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer) abgezogen werden. Diesen Betrag behielt der Aufsteller. Der Rest wurde zwischen Aufsteller und Kläger hälftig aufgeteilt. Regelmäßig erschien der Aufsteller am Ende des Monats, um mit einem Schlüssel die Automaten zu öffnen und den Kasseninhalt zu entnehmen. Über einen solchen Schlüssel verfügte der Kläger nicht. Zum Teil rechnete der Aufsteller sofort mit dem Kläger ab, zum Teil aber auch nachträglich. Der Aufsteller gab Steuererklärungen bezüglich des Aufstellorts "E. " für die Zeiträume 31.3. bis 30.4. und 1.7. bis 30.9.2007 unter dem 12.11.2007 und weitere Erklärungen unter dem 28.4.2008 ab. Mit Bescheid vom 14.5.2009 setzte die Beklagte gegen den Aufsteller Vergnügungssteuer für das Jahr 2007 in einer Gesamthöhe von 39.765,04 Euro fest, davon für den Aufstellort "E. " 4.368,04 Euro. Mit Bescheid vom 20.5.2009 setzte die Beklagte gegenüber dem Aufsteller für den Zeitraum Juli bis Dezember 2006 Vergnügungssteuern in einer Gesamthöhe von 1.710,82 Euro fest, davon für den Aufstellort "E. " 1.003,65 Euro. Zahlungen leistete der Aufsteller nie mit vier Ausnahmen: Am 26.8.2009 zahlte er an einen Vollstreckungsbeamten der Beklagten 14.975,50 Euro auf seine gesamten Steuerschulden bei der Beklagten, und am 6.5. und 8.6.2011 zog die Beklagte im Wege der Vollstreckung jeweils 150 Euro ein. Weitere 4.147,37 Euro erhielt die Beklagte aus dem Insolvenzverfahren des Aufstellers für ihre gesamten Steuerforderungen. Von diesen Zahlungen, die die Beklagte auch auf Steuerforderungen für andere Aufstellorte anrechnete, rechnete sie bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat 2.403,52 Euro auf den Aufstellort "E. " für das Jahr 2007 an.
4Im September 2009 wurden in einer landesweiten Aktion u. a. alle Geldautomaten des Aufstellers D. beschlagnahmt und ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet.
5Mit Schreiben vom 24.8.2010 setzte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis, dass gegen den Aufsteller D. für den Aufstellort "E. " für den Zeitraum Mai 2006 bis Dezember 2008 Vergnügungssteuern in Höhe von 44.874,17 Euro festgesetzt worden seien, die jedoch nicht hätten eingezogen werden können. Daher prüfe sie, die Beklagte, ob der Kläger als Mitunternehmer gesamtschuldnerisch für die Steuerschulden heranzuziehen sei. Die Beklagte bat den Kläger um Darlegung der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Aufsteller. Mit Bescheid vom 14.12.2010 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Vergnügungssteuer für den Aufstellort "E. " für den Zeitraum 1.5.bis 31.12.2006 in Höhe von 1.003,65 Euro fest, mit Bescheid vom 20.7.2011 für das Jahr 2007 in Höhe von 4.368,04 Euro, wobei darauf (damals noch nur) eine Zahlung von 1.677,96 Euro angerechnet wurde. Die Restsumme von 2.690,08 Euro bat die Beklagte bis zum 30.7.2011 zu überweisen.
6Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen den letztgenannten Bescheid gewandt. Er hat vorgetragen: Die Vergnügungssteuersatzung messe sich unzulässigerweise Rückwirkung zu. Nach den ihm vom Aufsteller ausgestellten Abrechnungen habe dieser 3.971,82 Euro Vergnügungssteuer für das Jahr 2007 einbehalten. Richtig sei das im angefochtenen Bescheid vermerkte Jahreseinspielergebnis von 33.394,84 Euro. Angesichts des vom Aufsteller einbehaltenen Betrages für die Steuer seien somit nur noch 696,22 Euro offen. Erst infolge der Beschlagnahme der Spielgeräte habe er, der Kläger, erfahren, dass der Aufsteller wohl verhaftet worden sei. Erst Ende 2010/Anfang 2011 habe er davon erfahren, dass Steuerforderungen gegen ihn erhoben würden. Die Beklagte hätte daher früher einschreiten müssen. Die Steuerforderung bedrohe ihn in seiner Existenz, so dass im Ermessenswege eine Beschränkung auf den oben genannten Differenzbetrag geboten sei. Jedenfalls hätte dies im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden müssen. Auch die Anrechnung erzielter Einnahmen sei fehlerhaft, da Geräte und Automatengelder beschlagnahmt worden seien.
7Der Kläger hat beantragt,
8den Vergnügungssteuerbescheid vom 20. Juli 2011 aufzuheben.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat vorgetragen: Die Satzung messe sich zulässigerweise Rückwirkung zu. Die Vergnügungssteuer habe vom Aufsteller nicht vollständig beigetrieben werden können. Die Zahlung des Aufstellers vom 26.8.2009 sei anteilig auf alle vom Aufsteller betriebenen Aufstellorte aufgeteilt worden. Der Inhaber der Räume, in denen die Veranstaltung stattfinde, sei nach der Satzung bei einer Ertragsbeteiligung als gesamtschuldnerischer Mitunternehmer steuerpflichtig. Bei erfolgloser oder aussichtsloser Inanspruchnahme des Aufstellers werde nach der Ermessenspraxis der Beklagten der Rauminhaber herangezogen. Dabei werde nicht weiter nach der Ausgestaltung der Ertragsbeteiligung des Gastwirts differenziert. Das sei im Interesse der Steuergerechtigkeit und Einnahmesicherung zulässig. Wenn dabei Härten für den Gastwirt entstünden, könne im Einzelfall an eine Stundung gedacht werden. Einnahmen aus den Beschlagnahmen durch die Staatsanwaltschaft habe die Beklagte nicht gehabt.
12Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil die Steuerpflicht des Gastwirts gegen das rechtsstaatliche Gebot der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast und das Gebot der Besteuerungsgleichheit verstoße. Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt: Zu Unrecht stelle das Verwaltungsgericht in Abrede, dass der Gastwirt zum Steuerschuldner der Vergnügungssteuer für die in seiner Gaststätte betriebenen Geldspielgeräte bestimmt werden dürfe. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Gastwirt in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand stehe oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des Tatbestands leiste. Das sei bei einem Gastwirt, der die Räumlichkeiten für das Automatenspiel zur Verfügung stelle, der Fall. Außerdem bestehe auch eine wirtschaftliche Beziehung, wenn er ‑ wie hier ‑ am Ertrag beteiligt sei. Die steuerlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten könne der Gastwirt erfüllen, denn er habe zivilrechtlich wegen seiner Ertragsbeteiligung einen Anspruch auf Auskunft und Belegerteilung, notfalls sogar auf eine eidesstattliche Versicherung. Für den Fall einer Umsatzmiete sei dies etwa anerkannt. Im Übrigen könne er sich die entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten auch vertraglich einräumen lassen. Die Tatsache, dass die Zählwerksausdrucke der Automaten nur einmal existierten, hinderten die Steuerschuldnerschaft nicht, da es sich um ein allgemeines Problem von Gesamtschuldnern bei nur einmal vorhandenen Belegen handele. Die steuerlichen Informationen befänden sich jedenfalls in der auch dem Gastwirt zuzurechnenden Sphäre. Die Belege könne der Gastwirt im Fall seiner Inanspruchnahme vom Aufsteller einfordern. Im Einzelfall möge die Forderung gegenüber dem Gastwirt, Belege vorzulegen, ermessenwidrig sein, das stehe aber der Begründung der Steuerschuldnerschaft des Gastwirts nicht entgegen.
13Die Beklagte beantragt,
14das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
15Der Kläger beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Er trägt vor: Zu Recht habe das Verwaltungsgericht die Möglichkeit verworfen, den Gastwirt zum Steuerschuldner zu bestimmen. Er könne weder die anfallende Steuer vorhersehen, noch habe er die Möglichkeit, eine Steuererklärung abzugeben. Er könne das Einspielergebnis nicht verifizieren. Der Verweis auf die Beschaffung der Unterlagen vom Aufsteller auf dem Zivilrechtsweg sei lebensfremd. Der Kläger könne nicht garantieren, dass der Aufsteller seine steuerlichen Pflichten erfülle. Vielmehr habe er, der Kläger, sich darauf verlassen dürfen, dass der Aufsteller die von ihm einbehaltenen Steuerbeträge auch abführe. Der Kläger habe alles seinerseits Erforderliche getan, dass die Vergnügungssteuer gezahlt werde. Die für einen späteren Steuerzeitraum vorgenommene Schätzung sei unrealistisch.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die zulässige Klage ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihr zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
21Der Bescheid kann sich allerdings auf § 3 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ KAG ‑ i. V. m. der Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005 i. d. F. der 4. Änderungssatzung vom 12.3.2008 (VS) stützen. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a VS wird die entgeltliche Benutzung von Geldspielgeräten u. a. in Gastwirtschaften besteuert. Steuerschuldner ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VS der Unternehmer der Veranstaltung (Veranstalter). Nach Abs. 2 der Vorschrift gilt als Unternehmer (Mitunternehmer) der Veranstaltung auch der Inhaber der Räume, in denen die Veranstaltung stattfindet, wenn er im Rahmen der Veranstaltung an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt ist. Die Personen, die nebeneinander die Steuer schulden, sind nach § 6 Abs. 3 VS Gesamtschuldner. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VS das Einspielergebnis als - näher beschriebener ‑ Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Die Steuer beträgt vierteljährlich 13,08 vom Hundert dieser Bemessungsgrundlage (§ 5 Nr. 1 VS). Bis zum 15. Tag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres ist eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen, für das 1. bis 4. Kalendervierteljahr 2006 und das 1. und 2. Kalendervierteljahr 2007 hatte dies bis spätestens 15.4.2008 zu geschehen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 3 VS). Nach Satz 4 der Vorschrift sind der Beklagten auf Anforderung sämtliche bzw. ausgewählte Zählwerkausdrucke (Kassenstreifen) der Geräte für den Besteuerungszeitraum vorzulegen. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist Veranlagungszeitraum das Kalendervierteljahr, wobei die Steuer durch Steuerbescheid festgesetzt wird.
22In der Fassung der Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005 (VS 2006) war ebenfalls die Vergnügungssteuerpflicht auch des Gastwirts geregelt, allerdings betrug die Steuer noch 5 vom Hundert von der Bemessungsgrundlage des Spieleinsatzes (§§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 VS 2006), den vierteljährlichen Steuererklärungen waren zwingend die Zählwerksausdrucke beizufügen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VS 2006). Es waren vierteljährliche Vorauszahlungen zu leisten (§ 8 Abs. 2 VS 2006), die Jahressteuerschuld war nach Vorlage der Steuererklärung für das vierte Kalendervierteljahr (abzugeben bis zum 15. Januar des Folgejahres) und Erlass des daraufhin ergehenden Steuerbescheides unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen auszugleichen (§ 8 Abs. 4 VS 2006). Diese Vorauszahlungspflicht mit Jahressteuerbescheid wurde rückwirkend mit der 2. Änderungssatzung vom 7.5.2007 zugunsten einer vierteljährlichen Steuerfestsetzung beseitigt. Mit der 3. Änderungssatzung vom 13.9.2007 (VS 2007) wurden die nach der geltenden Satzungsfassung maßgeblichen Regelungen getroffen, die mit der 4. Änderungssatzung vom 12.3.2008 um die Regelung zur Vorlage von Steuerklärungen für 2006 und das erste Halbjahr 2007 ergänzt wurden.
23Hier wurde im maßgeblichen Steuerzeitraum 2007 in der vom Kläger betriebenen Gaststätte vom Aufsteller D. die entgeltliche Benutzung von Geldspielgeräten angeboten. An den Einnahmen aus der Benutzung der Geldspielgeräte war der Kläger insofern beteiligt, als nach der Absprache zwischen Aufsteller und Kläger von den Einnahmen die zu zahlende Umsatz- und Vergnügungssteuer vorweg abgezogen wurden und der Rest sodann hälftig geteilt wurde. Damit wurde der Steuertatbestand erfüllt, und der Kläger war als Mitunternehmer neben dem Aufsteller Steuerschuldner für die angefallene Vergnügungssteuer.
24Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gibt es gegen die Steuerschuldnerschaft des Klägers nach den genannten satzungsrechtlichen Vorschriften nichts zu erinnern. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG schreibt vor, dass die Satzung den Kreis der Abgabeschuldner angeben muss. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) bestimmt die Satzung, wer Steuerschuldner ist. Dem Satzungsgeber wird damit ein Spielraum eröffnet. Allerdings ist er begrenzt: Der Satzungsgeber ist an die Grundentscheidungen des Kommunalabgabengesetzes gebunden, insbesondere daran, dass es für das Entstehen der Abgabeschuld an einen Abgabetatbestand anknüpft.
25Vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2014), § 2 Rn. 52; Lenz in: Hamacher u. a., KAG NRW, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 2 Rn. 50 f.
26Das gilt auch für die Steuer. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daher muss die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben. Diese Grundentscheidung des Kommunalabgabengesetzes, das Entstehen der Steuerschuld an die Verwirklichung eines Steuertatbestands zu knüpfen, begrenzt den Kreis der in der Satzung zu bestimmenden möglichen Steuerschuldner. Nur wem die Erfüllung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, darf zum Steuerschuldner bestimmt werden. Daher ist es zumindest erforderlich, dass der Steuerschuldner in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2013 ‑ 14 A 316/13 ‑, NRWE Rn. 123 f.; ähnlich schon Urteil vom 2.10.1957 ‑ III A 1779/56 ‑, KStZ 1957, 271 (272), zur Zulässigkeit der Haftung der verpachtenden Brauerei für die Schankerlaubnissteuerschuld des Gastwirts; dazu BVerwG, Urteil vom 14.8.1959 ‑ VII CB 231.57 ‑, KStZ 1959, 228 (229); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (235); ähnlich bereits RVerwG, Entscheidung vom 24.2.1942 ‑ VIII C 18/41 ‑, RVBl. 1943, 74 (75).
28Steuergegenstand ist das Steuergut mit dem Inhalt und Umfang der Tatbestandsverwirklichung. Steuergut ist hier der Aufwand des Spielers, den er treibt, um sich durch die entgeltliche Benutzung der Geldspielgeräte zu vergnügen,
29vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.2010 ‑ 9 CN 1.09 ‑, BVerwGE 137, 123 (129), Rn. 13; Beschluss vom 26.1.2010 ‑ 9 B 40.09 ‑, Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 6,
30hier repräsentiert durch das erzielte Einspielergebnis. Dem Kläger kann die Erfüllung des Tatbestands zugerechnet werden, weil er dadurch, dass er dem Aufsteller vertraglich das Recht einräumt, das Vergnügen durch Aufstellung der Geldspielgeräte in den Räumen der Gaststätte zu veranstalten, dem Spieler die Gelegenheit gibt, den steuerlich relevanten Aufwand durch Benutzung der Geldspielgeräte zu treiben. Der Kläger steht dadurch in einer besonderen rechtlichen Beziehung zum Steuergegenstand und leistet einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des Steuertatbestands. Er steht auch in einer besonderen wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand, da er am aus dem Aufwand der Spieler generierten Einspielergebnis als Ertrag der Geldspielgeräte beteiligt ist.
31Richtig ist es, wenn das Verwaltungsgericht im Tatsächlichen annimmt, dass der Kläger auf die für die Steuerpflicht maßgebenden Daten keinen Zugriff hatte, da allein der Aufsteller vermittels des dazu erforderlichen Schlüssels das Gerät öffnen und sich damit Zugriff auf die Zählwerksausdrucke mit den dort vermerkten Daten verschaffen konnte. Dennoch war auch für den Kläger die Abgabenlast vorhersehbar. Für alle Abgaben muss der abgabenbegründende Tatbestand so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallenden Abgaben ‑ in gewissem Umfang ‑ vorausberechnen kann.
32Vgl. BVerfG, Urteil vom 17.7.2003 ‑ 2 BvL 1/99 ‑, NVwZ 2003, 1241 (1247); BVerwG, Urteil vom 27.6.2012 ‑ 9 C 7/11 ‑, NVwZ 2012, 1413 (1415).
33Bei der Forderung der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast geht es somit um die hinreichende Bestimmtheit einer Abgabennorm, um ein Mindestmaß an Orientierungssicherheit, nicht aber um arithmetische Berechenbarkeit.
34Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3, Rn. 246,
35Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit einer Norm,
36zu dem dazu anzulegenden Maßstab vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.11.2006 ‑ 2 BvR 578, 796/02 ‑, BVerfGE 117, 71 (111),
37gibt es gegen den Steuertatbestand der §§ 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 VS nichts zu erinnern. Anhand des Einspielergebnisses lässt sich die Steuer sogar exakt vorausberechnen. Richtig ist alleine, dass bei der Ausgestaltung des konkreten Vertragsverhältnisses zwischen Kläger und Aufsteller der Kläger nicht über die erforderlichen Informationen für die Steuerschuld verfügte. Es kommt jedoch für die Frage, wer zum Steuerschuldner bestimmt werden darf, nicht darauf an, ob der Steuerschuldner infolge der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zu einem anderen Steuerschuldner nicht in die Lage versetzt ist, die Höhe der Steuerschuld zu erkennen, sondern darauf, ob es dem Steuerschuldner prinzipiell unmöglich ist, seine wirkliche Steuerschuld festzustellen.
38So etwa bei der Zurechnung des Steuergegenstands der sog. Bettensteuer an den Hotelier, da die Steuerbarkeit von dem inneren Umstand beim Gast über den Zweck der Übernachtung abhängt, vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2013 ‑ 14 A 316/13 ‑, NRWE Rn. 128 ff.
39Dem Gastwirt ist es möglich, seine Steuerschuld festzustellen. Es hängt ausschließlich von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Gastwirt und Aufsteller ab, ob ersterer hinsichtlich der Steuerschuld in dieselbe Lage versetzt wird wie der Aufsteller selbst. Der Gastwirt kann vertraglich vereinbaren, dass das Gerät nur in seiner Anwesenheit geöffnet wird und er die Kontrollstreifen aufbewahrt. Letztlich kann er sich sogar die Abwicklung der Steuerschulden gegenüber der Beklagten vorbehalten.
40Der Gastwirt ist aber zur Verhinderung eines Steuerschadens ohnehin nicht auf eine derartig vollständige Übernahme der Abwicklung des Steuerschuldverhältnisses angewiesen. Der Gastwirt kann sich nämlich vertraglich Kontrollrechte einräumen lassen, ob der Aufsteller den steuerlichen Verpflichtungen nachkommt. Schließlich sind auch alternative Sicherungsmöglichkeiten denkbar, die zwar den Gastwirt weder in dieselbe Lage versetzen wie den Aufsteller, noch es ihm ermöglichen, den Aufsteller hinsichtlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten effektiv zu kontrollieren, ihn aber im Falle einer Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Aufsteller sichern (Sicherheitsleistung durch den Aufsteller). Ob dies so praktiziert wird oder auch nur am Markt von den Gastwirten gegenüber den Aufstellern durchsetzbar ist, ist unerheblich. Es ist Sache des Gastwirtes zu entscheiden, ob er einen Aufstellvertrag nur unter solchen Kautelen abzuschließen bereit ist. Wenn er auf solche Kautelen verzichtet, geht er damit das Risiko eines Steuerschadens ein, kann aber nicht die Zurechenbarkeit des Steuergegenstands an ihn verhindern. Daraus ergibt sich auch, dass es unerheblich ist, ob ‑ wie hier ‑ der pachtende Gastwirt von der verpachtenden Brauerei gezwungen wird, den vom Verpächter benannten Aufsteller zu wählen. Es ist Sache des Gastwirtes zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Kautelen er sich einem solchen Bestimmungsrecht des Verpächters unterwirft.
41Schließlich stehen auch die in der Satzung geregelten Steuererklärungspflichten einer Steuerschuldnerschaft des Gastwirts nicht entgegen. Die steuerlichen Erklärungspflichten treffen auch den Gastwirt. Der Wortlaut der Normen ergibt zwar, dass die Steuererklärung nur eines der Steuerschuldner ausreicht, nicht aber, dass nur der Aufsteller erklärungspflichtig sein soll. Es ist auch der Sache nach nicht anzunehmen, dass eine Besteuerung des Gastwirts unabhängig von der durch die Kontrollstreifen feststellbaren und durch eine Steuererklärung anzugebenden Bemessungsgrundlage erfolgen soll. Richtig ist im Tatsächlichen allein, dass dann, wenn ‑ wie regelmäßig ‑ der Aufsteller die Erfüllung der steuerlichen Pflichten übernommen hat, der Gastwirt kaum oder überhaupt nicht in der Lage ist, seinen Erklärungspflichten zu genügen: Wenn keine Auszüge aus den oder Ablichtungen der Kontrollstreifen gefertigt werden, ist der Gastwirt auf die Kooperation des Aufstellers angewiesen. Hinsichtlich der Vorlage der Originale der Kontrollstreifen kann er dies ohnehin nur tun, wenn der Aufsteller sie ihm aushändigt. All dies führt jedoch nur dazu, dass im Regelfall zuerst der Aufsteller als derjenige, der mutmaßlich im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Gastwirt die Erfüllung der steuerlichen Pflichten übernommen hat, von der Beklagten in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens heranzuziehen ist.
42Vgl. zu den Ermessensgesichtspunkten bei der Auswahl zwischen mehreren Gesamtschuldnern Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 44 AO Rn. 46 ff.
43Scheitert diese Heranziehung ‑ wie hier ‑, verbleibt es bei dem anderen Gesamtschuldner. Umständen, die diesen Steuerschuldner im Einzelfall an der Erfüllung seiner Pflichten hindern, ist mit dem gewöhnlichen steuerrechtlichen Instrumentarium zu begegnen: Wenn der Gastwirt seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllen kann, darf die Mitwirkung von ihm nicht verlangt werden. Unmögliches darf nicht verlangt werden.
44Vgl. zur Beschränkung der Auskunftspflicht auf dem Verpflichteten im Gedächtnis vorhandene oder ihm aus zur Verfügung stehenden Unterlagen zugängliche Informationen BFH, Urteil vom 23.8.1994 ‑ VII R 134/92 ‑, juris Rn. 16 f.; zur Beschränkung der Pflicht zur Vorlage von Urkunden auf solche, die sich in der Verfügungsmacht des Verpflichteten befinden, vgl. Wünsch in: Koenig, AO, 3. Aufl., § 97 Rn. 6; Rätke in: Klein, AO, 12. Aufl., § 97 Rn. 12.
45Solche Hinderungsgründe führen jedoch nicht dazu, dass eine Besteuerung zu unterbleiben hätte. Soweit der Gastwirt mangels entsprechender Vereinbarung nicht selbst über die notwendigen Informationen verfügt, ist die Beklagte im Rahmen ihrer Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO) gehalten, den Aufsteller zu Auskünften oder zur Urkundsvorlage heranzuziehen (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i. V. m. §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 AO). Bleibt dies unergiebig, hat die Gemeinde die Besteuerungsgrundlagen nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen, wenn sie sie nicht ermitteln kann. Das gilt auch dann, wenn auf Unterlagen unverschuldet nicht zugegriffen werden kann.
46Vgl. für Verlust durch Hochwasser vgl. BFH, Beschluss vom 26.10.2011 ‑ X B 44/11 ‑, juris Rn. 12, und Seer in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 162 AO Rn. 37, durch Brand Trzaskalik in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 162 AO Rn. 25.
47Der Unterschied zu den üblichen Schätzungsfällen wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht besteht allein darin, dass kein Zuschlag dadurch angesetzt werden darf, dass sich die Schätzung an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientiert.
48Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 1903/13 ‑, NRWE Rn. 3 ff.; zu Sicherheitszu‑ und ‑abschlägen vgl. Trzaskalik in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 162 AO Rn. 39.
49Das gibt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch keinen Anlass, am Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) zu zweifeln. Zwar umfasst dieses Gebot nicht nur die Gleichheit bei der Rechtssetzung, sondern auch die Gleichheit in der Rechtsanwendung, Dieses Gebot ist verletzt, wenn die Ungleichbehandlung auf einem strukturellen, dem Gesetzgeber zurechenbaren Vollzugsdefizit beruht.
50Vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 3 Rn. 111 ff.
51Davon kann bei der Besteuerung der Gastwirte keine Rede sein. Hier richtet sich die Besteuerung nach denselben Maßstäben wie die Besteuerung der Aufsteller. Sie ist insbesondere nicht darauf angelegt, in Abweichung von der Bemessungsgrundlage des in der Steuererklärung anzugebenden und durch Kontrollstreifen feststellbaren Einspielergebnisses nur auf Schätzungsbasis zu besteuern. Wenn dies erforderlich wird, ist dies Folge der tatsächlichen Konstellation im Einzelfall, was die Gleichheit in der Rechtsanwendung nicht in Frage stellt.
52Stehen somit der Heranziehung des Gastwirts als Gesamtschuldner für die Vergnügungssteuer nach dem Satzungsrecht und höherrangigem Recht keine Hindernisse entgegen, so erweist sich jedoch die Heranziehung hier als rechtswidrig, da sie treuwidrig ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Er wird unmittelbar aus der Gerechtigkeitsidee abgeleitet und ist ungeschriebenes Recht mit Rechtsquelleneigenschaft. Der Grundsatz von Treu und Glauben gibt nur Richtlinien, aus denen nach den Umständen des Einzelfalles Tatbestand und Rechtsfolgen hergeleitet werden müssen. Er bringt nicht etwa Steueransprüche und ‑schulden zum Entstehen oder zum Erlöschen; er kann allenfalls das Steuerrechtsverhältnis modifizieren und verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden darf. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann indes nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen.
53Vgl. BFH, Urteil vom 15.5.2013 ‑ VII R 18/10 ‑, BFHE 241, 206 Rn. 14; Urteil vom 30.3.2011 ‑ XI R 30/09 ‑, BFHE 233, 18 Rn. 28 f.; Urteil vom 29.11.2000 ‑ X R 25/97 ‑, juris Rn. 18; Urteil vom 9.8.1989 ‑ I R 181/85 ‑, BFHE 158, 31 (33 f.) m. w. N.
54Voraussetzung für ein auf Treu und Glauben beruhendes Hindernis der Rechtsausübung ist somit, dass in einem konkreten Rechtsverhältnis eine Seite einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, auf Grund dessen die andere Seite nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat.
55Vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 4 AO Rn. 138 ff.; Koenig in: ders., AO, 3. Aufl. § 4 Rn. 25 ff.; Gersch in: Klein, AO, 12. Aufl., § 4 Rn. 15 ff.
56Das Vertrauen begründende Verhalten kann auch in einem Schweigen oder Unterlassen bestehen, wenn Erklärungen oder Handlungen erwartet werden konnten und durften.
57Vgl. BFH, Urteil vom 4.7.1979 ‑ II R 74/77 ‑, BFHE 129, 201 (202); Drüen in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 4 AO Rn. 142.
58So können sich etwa Hinweispflichten des Steuergläubigers gegenüber Steuerpflichtigen ergeben, die erfahrungsgemäß mit Buchführungs- und Steuerfragen nicht sehr vertraut sind.
59BFH, Urteil vom 9.5.1957 ‑ IV 383/55 U ‑, BFHE 65, 151, (154), zur Pflicht auf einen Hinweis auf den Eintritt der Buchführungspflicht für einen Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
60Die Beklagte war nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehalten, nach einer Störung bei der gewöhnlichen, nach dem Satzungsrecht der Beklagten vorgesehenen Vergnügungssteuerfestsetzung und ‑erhebung im Verhältnis zum erstrangig in Anspruch zu nehmenden Aufsteller rechtzeitig zur Prüfung der Gesamtschuldnerstellung an den Kläger heranzutreten und ihn bejahendenfalls auf die offenen Steuerforderungen hinzuweisen. Mit einem solchen Herantreten an den Kläger wäre diesem Gelegenheit gegeben, den Aufsteller zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu veranlassen oder anstelle des Aufstellers die Erfüllung der steuerlichen Pflichten in die Hand zu nehmen oder sich sonst für den Fall des Einstehenmüssens für weiter anfallende Steuerschulden zu sichern, in letzter Konsequenz auch durch Beendigung des zur Steuerpflicht führenden Aufstellvertrags.
61Die sich so aus Treu und Glauben ergebenden Hindernisse der Rechtsausübung ähneln damit denen der Verwirkung, die aber im Unterschied zum vorliegenden Fall davon gekennzeichnet ist, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit und bei einem entsprechenden Verhalten des Berechtigten (auch einem Unterlassen gebotenen Handelns) ein Vertrauen begründet wurde, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde, und der Begünstigte sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, so dass deshalb die spätere Rechtsausübung als treuwidrig erscheint.
62Vgl. BFH, Urteil vom 14.9.1978 ‑ IV R 89/74 ‑, BFHE 126, 130 (137 ff.); Gersch in: Klein, AO, 12. Aufl., § 4 Rn. 21.
63Hier liegt die Treuwidrigkeit nicht in der späten Geltendmachung des Steueranspruchs, sondern in der fehlenden Warnung vor dem Auflaufen einer beträchtlichen Steuerschuld im Vorfeld der Geltendmachung des Steueranspruchs und damit in der Inanspruchnahme gleichsam "aus heiterem Himmel". Es geht nicht um Schutz des Vertrauens darauf, dass ein Steueranspruch nicht mehr geltend gemacht wird, sondern um den Schutz des Vertrauens darauf, dass die ständig neu entstehenden Steueransprüche satzungsgemäß getilgt werden.
64Diese Pflicht zum rechtzeitigen Herantreten an den Gastwirt als Gesamtschuldner ergibt sich aus Folgendem: Der Beklagten musste bekannt sein, dass der Kläger als Gastwirt regelmäßig und so auch hier im Verhältnis zum Aufsteller nicht mit der Abwicklung der vergnügungssteuerlichen Angelegenheiten in Bezug auf die in seiner Gaststätte aufgestellten Geldspielgeräte betraut war. Gleichzeitig war ihr ‑ wie sich schon aus ihrer Satzungsvorschrift des § 6 Abs. 2 VS ergibt ‑ bekannt, dass der Gastwirt, sofern er an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt ist, ebenfalls die steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen hatte. Der Gastwirt erfährt von Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung der steuerlichen Pflichten durch den Aufsteller im Allgemeinen erst, wenn die Geschäftsbeziehung zu ihm zusammengebrochen ist (etwa wegen Insolvenz des Aufstellers oder gar wie hier durch strafprozessuale Beschlagnahme der Geräte) oder wenn der Steuergläubiger an ihn zwecks Inanspruchnahme herantritt. Erfolgt diese Inanspruchnahme warnungslos erst zu einem Zeitpunkt, in dem der Steuergläubiger nach Auflaufen beträchtlicher Steuerschulden sich nicht mehr beim Aufsteller befriedigen kann, hat der Gastwirt somit erst weit nach Entstehen der Steuerschulden überhaupt Veranlassung, sich in die Abwicklung der steuerlichen Pflichten einzuschalten, und muss darüber hinaus den Steuerschaden im Verhältnis zum Aufsteller tragen. Diese spezifischen Belange des Gastwirts als Steuerschuldner für die Vergnügungssteuer erfordern eine entsprechende Rücksichtnahme des Steuergläubigers, wenn er sich dessen Inanspruchnahme offen halten will. Dem Steuergläubiger ist es nach Treu und Glauben verwehrt, die Erfüllung der Steuerschulden über längere Zeit erfolglos beim Aufsteller zu versuchen und erst spät ‑ möglicherweise erst kurz vor der Festsetzungsverjährung ‑ und ohne Warnung den Gastwirt in Anspruch zu nehmen. Vielmehr ist er gehalten, auf dessen Belange in der Form Rücksicht zu nehmen, dass er nach einer Störung der Abwicklung des Steuerverhältnisses, wie es die jeweilige Satzung vorsieht, rechtzeitig an den Gastwirt herantritt, um dessen Steuerschuldnerschaft festzustellen und ihm bejahendenfalls dann Gelegenheit zu geben, auf die Störung in seinem Rechtsverhältnis zum Aufsteller zu reagieren, um dem Auflaufen weiterer Steuerschulden entgegenzuwirken.
65Dieses rechtzeitige Herantreten an den Kläger hat die Beklagte verabsäumt. Im Jahre 2006 waren in der Gaststätte des Klägers Geldspielgeräte aufgestellt, wie der Beklagten durch Überprüfung ihres Ermittlungsbeamten vom 7.8.2006 bekannt war. Nach der seinerzeit maßgeblichen Satzung (Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005) war eine kalendervierteljährliche Steuervorauszahlung mit Abrechnung der Jahressteuerschuld nach Abgabe der letzten Quartalssteuererklärung vorgesehen, die bis zum 15. Januar des Folgejahres abzugeben war. Das war der Regelungszustand bis zur 2. Änderungssatzung vom 7.5.2007, die mit Rückwirkung zum 1.1.2006 die Vorauszahlungspflicht abschaffte und einen vierteljährlichen Veranlagungszeitraum einführte. So wurde aber die Steuerschuld nie erfüllt. Der Aufsteller hat Steuererklärungen überhaupt erstmals unter dem 12.11.2007 und sodann unter dem 28.4.2008 abgegeben (nach der 4. Änderungssatzung vom 12.3.2008 waren die Steuererklärungen für 2006 und die beiden ersten Kalendervierteljahre 2007 bis spätestens 15.4.2008 einzureichen), nachdem die Bemessungsgrundlage mit der 3. Änderungssatzung vom 13.9.2007 rückwirkend geändert worden war. Festgesetzt wurde die Steuer für 2006 erst mit Bescheid vom 20.5.2009, für 2007 mit Bescheid vom 14.5.2009. Gezahlt hat der Aufsteller auf seine gesamte Vergnügungssteuerschuld bis zur Einschaltung eines Vollstreckungsbeamten im August 2009 gar nichts. Die Beklagte ist an den Kläger erstmals mit Schreiben vom 24.8.2010 herangetreten, mit dem sie unter Hinweis auf den erfolglosen Versuch der Realisierung der Steuerschuld des Aufstellers in die Prüfung der Schuldnerschaft des Klägers eingetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger allerdings wegen der Beschlagnahme der Geräte im September 2009 bereits von Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf die Geräte.
66Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) steht dem geforderten Herantreten an den Gastwirt nicht entgegen. Zwar dürfen dem Gastwirt, wenn dessen Steuerschuldnerschaft nicht feststeht, die Verhältnisse des Aufstellers nicht offenbart werden (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 AO). Daher kann im ersten Schritt nur die Stellung des Gastwirts als Steuerschuldner neben dem Aufsteller geprüft werden. Ergibt die Prüfung sodann die Gesamtschuldnerstellung des Gastwirts, darf er in die auch ihn betreffenden Steuerschuldverhältnisse des Aufstellers eingeweiht werden (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO).
67Vgl. zur beschränkten Bedeutung des Steuergeheimnisses unter Gesamtschuldnern BFH, Beschluss vom 15.6.2000 ‑ IX B 13/00 ‑, BFHE 191, 247 (249); Rüsken in: Klein, AO, 12. Aufl., § 30 Rn. 44a; Koenig in: ders., AO, 3. Aufl. § 30 Rn. 58; Alber in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2014), § 30 AO Rn. 82; Drüen in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 30 AO Rn. 22; Tormöhlen in: Beermann/Gosch, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: 1.8.2013), § 30 AO Rn. 38.
68Durch das Unterlassen eines Herantretens an den Kläger für die Steuerschuld 2006 spätestens ab dem 16.1.2007 zur Prüfung der Gesamtschuldnerstellung des Klägers hat die Beklagte ihm gegenüber einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass hinsichtlich der Vergnügungssteuer für die in seiner Gaststätte aufgestellten Geräte "alles in Ordnung" sei und ein Einstehen für sie nicht drohe. Der Kläger durfte darauf vertrauen, dass die Erfüllung der Steuerschulden so verlief, wie es die sich damals Geltung beimessende Vergnügungssteuersatzung vorsah, nämlich durch kalendervierteljährliche Steuervorauszahlungen mit Jahresabrechnung zu Beginn des Folgejahres. Darauf hat er auch vertraut, denn er hat keinerlei Sicherungsmaßnahmen getroffen für die Erfüllung der ständig weiter anfallenden, jedoch nicht beglichenen Steuerschulden, auch der hier in Rede stehenden aus dem Jahre 2007. Er hat solche mangels Kenntnis der Unregelmäßigkeiten bei der bisherigen Erfüllung der Steuerschulden gar nicht treffen können. Wäre die Beklagte an ihn herangetreten, hätte der Kläger das Auflaufen weiterer Steuerschulden nicht so hingenommen, wie er es arglos objektiv getan hat. Die Beklagte hat den Kläger für den Fall seiner Inanspruchnahme bei einem Ausfall des Aufstellers für die hier in Rede stehende Steuerschuld sehenden Auges "ins Messer laufen lassen". Ein solches Verhalten ist treuwidrig, wie in der Rechtsprechung für ähnliche Fallkonstellationen anerkannt ist.
69Etwa bei der Inanspruchnahme eines Haftenden, wenn der für den späteren Steuerausfall Haftende Gründe hatte anzunehmen, dass die Steuer vom Schuldner längst gezahlt sei oder sie bei ordnungsgemäßem Ablauf hätte gezahlt sein müssen, und wenn ihn das Finanzamt trotzdem nicht rechtzeitig auf seine mögliche Inanspruchnahme hingewiesen hat, BFH, Urteil vom 28.2.1973 ‑ II R 57/71 BFHE 109, 164 (166 f.); bei Unterlassen einer gebotenen Information des Schuldners über seine mögliche Inanspruchnahme, BFH, Urteil vom 4.7.1979 ‑ II R 74/77 ‑, BFHE 129, 201 (202 f.); bei der Grunderwerbsteuer, wenn der Erwerber als erstrangiger Steuerschuldner bei Fälligkeit keine Zahlung leistet und das Finanzamt nicht unverzüglich den Veräußerer als zweiten Gesamtschuldner in Anspruch nimmt, BFH, Urteil vom 16.5.1962 ‑ II 67/61 U ‑, BFHE 75, 128 (133); wenn das Finanzamt den Veräußerer über Hindernisse, die der Grunderwerbsteuerzahlung durch den Erwerber entgegenstehen, oder eine etwaige Stundung nicht unterrichtet, BFH Urteil vom 12.5.1976 ‑ II R 187/72 ‑, BFHE 119, 188 (189).
70Auch hier hindert die Tatsache, dass die Beklagte nicht rechtzeitig an den Kläger wegen einer eventuellen Inanspruchnahme herangetreten ist und dadurch die hier in Rede stehenden Steuern als Schaden des Klägers angefallen sind, die Beklagte nach Treu und Glauben, ihn noch in Anspruch nehmen.
71Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie keine Veranlassung hatte, an der Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Aufstellers zu zweifeln, da im hier in Rede stehenden Zeitraum das Vergnügungssteuerrecht wegen der Kommunalisierung des Rechtsgebiets mit der Folge, dass die Beklagte eine eigenständige Vergnügungssteuersatzung erlassen musste, und wegen der von der Rechtsprechung erzwungenen Aufgabe des Stückzahlmaßstabs ständig im Fluss war und daher erst bei einer geklärten Rechtslage von den Aufstellern Steuererklärungen und Zahlungen erwartet werden konnten. Es kommt nicht darauf an, worauf die Beklagte vertrauen konnte, sondern worauf der Kläger als weiterer Gesamtschuldner vertrauen konnte. Das war ‑ unbeschadet aller rechtlichen Schwierigkeiten ‑ die Abwicklung des Steuerrechtsverhältnisses nach den von der Beklagten gesetzten Regeln. Wenn dieses Vertrauen enttäuscht wurde, war es nicht Sache der Beklagten, das Risiko eines letztlichen Einstehenmüssens des Klägers einzuschätzen und davon ihr Verhalten hinsichtlich einer Prüfung der Inanspruchnahme des Klägers abhängig zu machen. Vielmehr war es ausschließlich Sache des Klägers zu entscheiden, wie er auf die Störung des Steuerrechtsverhältnisses reagieren wollte. An dieser Entscheidung hat ihn die Beklagte durch die warnungslose späte Inanspruchnahme treuwidrig gehindert.
72Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
73Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.
(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.
(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.
(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.