Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wird hinsichtlich der unter Ziffer 3 des Bescheides vom 27. April 2017 vorgenommenen Zwangsgeldfestsetzung angeordnet, soweit sich diese auf die in diesem Bescheid unter Ziffer 2 getroffene Anordnung erstreckt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen eine zwangsmittelbewehrte Anordnung der Antragsgegnerin, für die Teilnahme seiner Tochter an einer Klassenreise zu sorgen.

2

Die im April 2005 geborene Tochter des Antragstellers besucht die sechste Klasse einer Stadtteilschule in Hamburg. Für den Zeitraum vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2017 ist eine Klassenreise nach Teterow in Mecklenburg-Vorpommern geplant.

3

Nachdem an der Stadtteilschule pädagogische und normverdeutlichende Gespräche mit der Tochter des Antragstellers, dem Antragsteller und seiner Ehefrau geführt worden waren, beantragte der Schulleiter der Stadtteilschule bei der Antragsgegnerin die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen der drohenden Nichtteilnahme der Antragstellerin an der geplanten Klassenfahrt.

4

Mit dem an den Antragsteller gerichteten Bescheid vom 27. April 2017 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Tochter des Antragstellers verpflichtet sei, regelmäßig am Unterricht und an den pflichtmäßigen Schulveranstaltungen der Schule teilzunehmen, insbesondere an der Klassenreise. Sie verfügte:

5

„1. Ihnen wird aufgegeben, dafür zu sorgen, dass Ihr Kind an der Klassenreise der Klasse 6a der o.g. Bildungseinrichtung vom 29.5.207 bis 2.6.2017 (nach Teterow) teilnimmt.

6

2. Sollte Ihr Kind wegen Krankheit daran gehindert sein, an der o.g. Klassenreise teilzunehmen, wird ihnen auferlegt, die Krankheit umgehend durch Vorlage eines schulärztlichen Attests nachzuweisen. Zuständig für die Erteilung dieser Atteste ist das Gesundheitsamt Bezirksamt … – schulärztlicher Dienst, … Hamburg.

7

3. Für den Fall, dass Sie dieser Anordnung nicht nachkommen, wird hiermit gem. §§ 11,14 des Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 04.12.2012 (Hamburgisches Gesetz- u. Verordnungsblatt S. 510 – HmbVwVG in der jeweils geltenden Fassung) ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro gegen Sie festgesetzt.“

8

4. Die sofortige Vollziehung zu Ziffer 1 dieses Bescheides wird angeordnet.“

9

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller sei als Sorgeberechtigter nach § 41 Abs. 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) dafür verantwortlich, dass die Schulpflichtige am Unterricht und an den Unterrichtsveranstaltungen (Klassenreise) der Schule regelmäßig teilnehme. Darüber hinaus begründete sie die Erforderlichkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes damit, dass der Antragsteller zuvor seiner Tochter verboten habe, an der Fahrt teilzunehmen. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung betonte die Antragsgegnerin das gewichtige öffentliche Interesse an der Erfüllung der Schulpflicht. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

10

Der Antragsteller legte persönlich am 22. April 2017 bei der Antragsgegnerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und gab an, seine Tochter habe Angst, an der bevorstehenden Reise teilzunehmen. Denn ihr sei bereits im vergangenen Jahr vor einer anderen Reise von einem Mitschüler angedroht worden, sie während der Reise zu vergewaltigen. Die Angst sei nun so stark, dass der Reiseantritt nicht erfolgen werde. Ausweislich eines Gesprächsvermerks eines Mitarbeiters der Antragsgegnerin gab die Tochter des Antragstellers darüber hinaus an, dass Taschenmesser auf die Reise mitgenommen werden dürften, um Flöße zu bauen. Vor diesem Hintergrund befürchte sie erst recht, dass der Mitschüler seine Drohung tatsächlich wahr mache und das Messer zu Hilfe nehme. Selbst wenn der Mitschüler nicht mitreisen würde, habe sie Angst, beim Bau der Flöße ins Wasser zu fallen und zu ertrinken.

11

Am selben Tag hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Hamburg - ausdrücklich handelnd in Vollmacht für seine Frau wiederum für die gemeinsame Tochter - einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bis zur rechtskräftigen Entscheidung gestellt. Zur Begründung nimmt er auf seinem Widerspruch Bezug. Er erklärt ferner, dass der Antrag ausschließlich als für seine Person gestellt anzusehen sei, wenn sich der Bescheid nur gegen ihn richte.

12

Die Antragsgegnerin hat telefonisch angegeben, dass ausweislich der Schülerakten der Antragstellerin und des benannten Mitschülers keine Hinweise auf eine Bedrohungssituation ersichtlich seien.

II.

13

Der Antrag wird zunächst gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller selbst für sich und nicht in Vollmacht für seine Tochter tätig werden möchte. Denn der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. April 2017 ist ausdrücklich an den Antragsteller als Inhaltsadressaten gerichtet und er allein hat Widerspruch eingelegt.

14

Darüber hinaus wird der Antrag dahingehend verstanden, dass der Antragsteller insoweit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt, wie diese von der Antragsgegnerin durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausgeschlossen worden ist - nämlich hinsichtlich der Ziffer 1 des ergangenen Bescheides vom 27. April 2017. Hinsichtlich der Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides ist dagegen kein einstweiliger Rechtsschutz erforderlich, weil die Antragsgegnerin insoweit ausweislich des Tenors die sofortige Vollziehung nicht angeordnet hat und der Widerspruch des Antragstellers insoweit aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO besitzt. Zwar hat sich die Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auch auf Ziffer 2 des Bescheides bezogen, jedoch - zusätzlich zum klar gefassten Tenor - auch in einem weiteren Hinweis auf Seite 2 des Bescheides klargestellt, dass ein Widerspruch nur hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides und der Zwangsgeldfestsetzung keine aufschiebende Wirkung besitzt.

15

Vor dem Hintergrund, dass hinsichtlich der unter Ziffer 3 verfügten Zwangsgeldfestsetzung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs von Gesetzes wegen gemäß § 29 HmbVwVG ausgeschlossen ist, entspricht es dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, dass er auch insoweit einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Da hier ein gesetzlicher Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO vorliegt, ist sein Antrag bezogen auf die Zwangsgeldfestsetzung dahingehend zu verstehen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt.

III.

16

Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, aber nur teilweise begründet. Sofern Widerspruch und Anfechtungsklage aufgrund gesetzlicher Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 - 3 VwGO) keine aufschiebende Wirkung haben, unterscheidet sich die gerichtliche Interessenabwägung bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung über die Aussetzung des Sofortvollzugs von der Abwägung, wie sie in den Fällen einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stattfindet. So ist im Anwendungsbereich dieser Bestimmung bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) von besonderer Bedeutung, während in den Fällen der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs zu berücksichtigen ist, dass - umgekehrt - der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Interesses am Vollzug des Bescheides ungeachtet eines noch schwebenden Widerspruchs- oder Klageverfahrens angeordnet hat. Im Hinblick auf unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe ist somit zwischen dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1.) und dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (2.) zu differenzieren.

17

1. Soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die unter Ziffer 1 erlassene Verfügung, dafür zu sorgen, dass sein Kind an der Klassenreise teilnehme, begehrt, ist der Antrag unbegründet.

18

a. Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 27. April 2017 ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der in der Ziffer 1 des Bescheidtenors getroffenen Entscheidung angenommen und dieses besondere Interesse in einer den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechenden Weise begründet. Bei der Prüfung dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Erwägungen in der Sache zutreffend sind. Erforderlich ist vielmehr, dass die Anordnung überhaupt mit einer auf die Umstände des Einzelfalles bezogenen Begründung versehen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2012, 2 Bs 14/12, juris Rn. 10). Diesen Anforderungen genügt die knappe Begründung, mit der die Antragsgegnerin die öffentlichen Interessen an der Erfüllung der Schulpflicht und der Teilnahme der Schülerin an der Klassenreise betont und gegenüber den persönlichen Belangen als vorrangig angesehen hat.

19

b. Die vom Gericht gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung bezieht sich hinsichtlich des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung allein auf das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2017 verschont zu bleiben. Die Abwägung dieses Interesses und dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Ziffer 1 dieser Verfügung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung erweist sich nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein vorzunehmenden summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig (aa.) und es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung (bb.).

20

aa. Der Widerspruch des Antragstellers dürfte gegenüber der Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2017 erfolglos bleiben.

21

(1) Die konkretisierende Verfügung der Antragstellerin findet ihre Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 Satz 1 HmbSG. Danach sind die Sorgeberechtigten dafür verantwortlich, dass die Schulpflichtigen am Unterricht und an den Unterrichtsveranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen. Die Rechtsnorm des § 41 Abs. 1 Satz 1 HmbSG stellt eine taugliche Ermächtigungsgrundlage (Befugnisnorm) für den Erlass eines Verwaltungsakts dar, obwohl die Befugnis, einen Verwaltungsakt in Gestalt eines normkonkretisierenden Bescheides zu erlassen, dort nicht ausdrücklich geregelt ist. Vielmehr regelt diese Norm nur die Verantwortung der Sorgeberechtigten für die Einhaltung der Schulpflicht. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt (vgl. Beschl. der Kammer v. 23.5.2017, 2 E 4284/17 zu § 13 MZG und v. 5.5.2015, 2 E 2501/15 zu § 34 HmbSG), ist jedoch anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktsbefugnis) nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb für die Qualität einer Ermächtigungsgrundlage im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Urt. v. 10.12.2014, 1 C 11/14, juris Rn. 13; Urt. v. 7.12.2011, 6 C 39/10, BVerwGE 141, 243, juris Rn. 14; ebenso VG Leipzig, Beschl. v. 22.9.2016, 4 L 585/16, juris Rn. 15). Dies ist vorliegend der Fall.

22

Zwar gibt der Wortlaut keinen ausdrücklichen Hinweis darauf. Demgegenüber zeigt die Systematik des Hamburgischen Schulgesetzes, dass gesetzestechnisch grundsätzlich keine gesonderten Befugnisnormen vorgesehen sind, um normierte Pflichten der Sorgeberechtigten durch einen Verwaltungsakt umzusetzen. Ebenso wie bei § 41 Abs. 1 HmbSG verhält es sich nämlich mit der in § 34 Abs. 2 HmbSG enthaltene Verpflichtung, Angaben für schulärztliche, schulpsychologische und sonderpädagogische Untersuchungen zu machen. Auch hier sieht das Hamburgische Schulgesetz keine gesonderte Befugnisnorm vor, um eine Regelung im Einzelfall zu erlassen (vgl. dazu Beschl. der Kammer v. 5.5.2015, a.a.O.). Dasselbe gilt für die Verpflichtung der Sorgeberechtigten nach § 42 Abs. 1 Satz 1 HmbSG, die Kinder vor der Einschulung an einer regional zuständigen Grundschule vorzustellen, wo eine Überprüfung des Entwicklungsstandes stattfinden soll, und für die Verpflichtung der Sorgeberechtigten nach § 42 Abs. 2 HmbSG, das jeweilige Kind nach öffentlicher Bekanntmachung rechtzeitig vor Beginn der Schulpflicht an einer regional zuständigen Grundschule anzumelden. Insofern liegt hier keine Situation vor, in der hinsichtlich einzelner Pflichten gesonderte Befugnisnormen bestehen, hinsichtlich anderer jedoch nicht (vgl. dazu VG Leipzig, Beschl. v. 22.9.2016, a.a.O., juris Rn. 16).

23

Diese Auslegung entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers, der z.B. auch anlässlich der zum 18. Mai 2005 vorgenommenen Einfügung des § 41a HmbSG zum Schulzwang keine gesonderten Befugnisnormen für die verschiedenen Verpflichtungen der Sorgeberechtigten in das Hamburgische Schulgesetz aufgenommen hat. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass nach bisher geltendem Recht Anordnungen zur Durchsetzung von Schulpflicht und Vorstellung getroffen und mit Zwangsmitteln versehen werden können (vgl. Bü.-Drs. 18/1962 v. 15.3.2005, S. 2 und 4), dass diese Maßnahmen jedoch ohne den einzuführenden Schulzwang nicht ausreichen würden. Der Schulzwang sei erst als „ultima ratio“ einzusetzen.

24

Auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wurde in der Vergangenheit fast durchgängig die Norm des § 41 Abs. 1 HmbSG - allerdings ohne ausdrückliche Infragestellung - als ausreichende Befugnisnorm angesehen, um eine gegen die Sorgeberechtigten gerichtete Maßnahme anzuordnen, mit der diese zur Einhaltung der Schulpflicht einer Schülerin oder eines Schülers verpflichtet wurden - und nicht etwa die polizeiliche Generalklausel des § 3 Abs. 1 HmbSOG (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.7.2006, 1 So 105/06; Beschl. v. 24.4.2006, 1 So 56/06; st. Rspr. der Kammer 15 des VG Hamburg, vgl. z.B. Beschl. v. 20.4.2012, 15 E 1056/12, juris; a.A.: VG Hamburg, Beschl. v. 6.2.2015, 2 E 651/15, n.v., S. 4 BA).

25

(2) Die Anwendung der Befugnisnorm des § 41 Abs. 1 HmbSG ist vorliegend nicht zu beanstanden; die Tochter des Antragstellers ist hinsichtlich der Klassenfahrt schulpflichtig und der Antragsteller kann zur Einhaltung dieser Schulpflicht herangezogen werden.

26

Die in Hamburg wohnhafte zwölfjährige Tochter des Antragstellers ist schulpflichtig gemäß § 28 Abs. 2 i.V.m. §§ 37 Abs. 1 und 3, 38 Abs. 1 HmbSG. Gemäß § 28 Abs. 2 HmbSG sind Schülerinnen und Schüler verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den pflichtgemäßen Schulveranstaltungen teilzunehmen. Schülerinnen und Schüler müssen daher auch an den Exkursionen und Klassenfahrten teilnehmen, welche von der Schule organisiert und durchgeführt werden, sofern sie zu dem Teilnehmerkreis dieser Veranstaltungen gehören (vgl. z.B. Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, S. 77 Rn. 276). Dass die Tochter des Antragstellers zum allgemeinen Teilnehmerkreis der Klassenreise gehört, wurde vom Antragsteller nicht bestritten.

27

Entgegen der Auffassung des Antragstellers besitzt die Tochter des Antragstellers keinen Anspruch auf Befreiung von einer bestimmten Unterrichtsveranstaltung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 HmbSG. Danach kann die Schule auf Antrag Schülerinnen und Schüler aus wichtigem Grund von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsveranstaltungen befreien, ohne dass das Schulverhältnis unterbrochen wird. Ob die Tochter des Antragstellers den hierfür erforderlichen Antrag ausdrücklich oder konkludent und zudem wirksam vertreten gestellt hat, kann dahinstehen. Denn ein wichtiger Grund im Sinne der oben genannten Vorschrift ist von dem insoweit darlegungspflichtigen Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.

28

Die vom staatlichen Erziehungsauftrag umfasste Schulpflicht in der Gestalt der Teilnahmepflicht an einer Klassenfahrt hat eine ganz besondere pädagogische Bedeutung. Die Klassenfahrt ist, anders als der herkömmliche Schulunterricht, nicht auf die Vermittlung von schulischem Wissen, sondern auf die Einübung sozialer Verhaltensweisen im Klassenverband und die Verfestigung der Klassengemeinschaft gerichtet. Insofern ist die Klassenreise eine pädagogische Veranstaltung, in welcher der Staat seinen in Art. 7 Abs. 1 GG verankerten Anspruch, auch an der Formung des Persönlichkeitsbildes der ihm anvertrauten Schüler mitzuwirken, konkretisiert. Die vorstehend skizzierten Hauptfunktionen einer mehrtägigen Klassenreise sind an dem Menschenbild des Grundgesetzes, nämlich der eigenverantwortlich handelnden, der sozialen Gemeinschaft verpflichteten und auf Toleranz und Respekt gerichteten Persönlichkeit, orientiert (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 7.4.2009, 15 K 3337/08, juris Rn. 27). Bei der Durchsetzung der Schulpflicht muss der Staat generell und auch bezogen auf besondere Veranstaltungen wie eine Klassenfahrt seinen in Art. 7 Abs. 1 GG verankerten Erziehungsauftrag unter Beachtung dieser prinzipiell gleichrangigen Grundrechte der Eltern und Schüler konkretisieren und dabei einen schonenden Ausgleich im Sinne „praktischer Konkordanz“ beider Rechtspositionen herstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.1993, 6 C 8/91, BVerwGE 94, 82 ff., juris Rn. 14, 18; VG Hamburg, Urt. v. 7.4.2009, 15 K 3337/08, juris Rn. 25; Beschl. v. 20.4.2012, 15 E 1056/12, juris Rn. 13). Dabei sind die im Einzelfall vom staatlichen Erziehungsauftrag umfassten Belange und die betroffenen Rechtspositionen der Eltern und Schüler konkret zu gewichten und einander gegenüberzustellen.

29

Im vorliegenden Verfahren macht der Antragsteller sinngemäß geltend, seine Tochter fürchte Gefahren für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf sexuelle Selbstbestimmung, da ein Mitschüler sie bedrohe. Um gegenüber dem staatlichen Erziehungsauftrag und der oben geschilderten Bedeutung von Klassenfahrten das erforderliche berücksichtigungsfähige Gewicht zu erreichen, müssen die entgegenstehenden persönlichen Belange jedoch hinreichend substantiiert dargelegt werden. Denn allein der Umstand, dass eine zwölfjährige Schülerin auf einer Klassenfahrt in einer gemeinsamen Unterkunft mit weiteren Mitschülerinnen und Mitschülern übernachten wird, begründet die konkrete Gefahr eines Übergriffs nicht. Es ist darzulegen, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte die geltend gemachte Gefahr zu befürchten ist, sowie, weshalb die mitreisenden Lehrer und gegebenenfalls weitere Aufsichtspersonen nicht in der Lage seien, die Schülerin vor den beschriebenen Gefahren zu schützen. Anderenfalls kann nicht von einer hinreichend wahrscheinlichen Gefährdung der schulpflichtigen Schülerin ausgegangen werden, die einen Befreiungsanspruch rechtfertigen würde.

30

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die vorgetragene Bedrohung durch den Mitschüler das maßgebliche Motiv für die vorgetragene Weigerung seiner Tochter darstellt, mitzureisen. Denn die Tochter des Antragstellers hat gegenüber der Antragsgegnerin auch angegeben, nicht am Bau von Flößen teilnehmen zu wollen, weil sie Angst habe, zu ertrinken. Darüber hinaus steht im Raum, dass der Antragsteller selbst gegenüber seiner Tochter ein Verbot ausgesprochen habe, mitzureisen. Doch selbst wenn nur auf die geltend gemachte Bedrohung abzustellen wäre, würde der Vortrag mangels hinreichender Substantiierung nicht ausreichen. Der Antragsteller hat sich allein darauf bezogen, dass seiner Tochter vor etwa einem Jahr - zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt - von einem Mitschüler gedroht worden sei, er werde sie (auf einer anderen Klassenfahrt) vergewaltigen. Dieser Mitschüler belästige sie weiterhin. Der Vortrag des Antragstellers ist bereits hinsichtlich einer gegenwärtigen, konkreten Bedrohungssituation, die zumindest durch die Angabe von Daten und Fakten hätte substantiiert werden müssen, nicht ausreichend. Auch benennt der Antragsteller nicht, wann und bei wem konkret seine Tochter um Hilfe nachgesucht hat, in welchem Umfang er sich als Sorgeberechtigte eingeschaltet hat, welche Maßnahmen von Seiten der Schule ergriffen worden seien etc. Er macht auch keine Angaben dazu, weshalb seine Tochter trotz der üblichen Unterbringung mit mehreren Mitschülerinnen in Gruppenzimmern und der Anwesenheit von Aufsichtspersonal einen Übergriff fürchtet. Ausweislich der Angaben der Antragsgegnerin sind in den Schulakten der Tochter des Antragstellers und des benannten Schülers, von dem die Bedrohung ausgehen soll, zudem keine dementsprechenden Hinweise zu finden. Die Angst, beim Bau von Flößen in tiefes Wasser zu fallen, stellt keinen hinreichen Grund für eine Befreiung dar, denn es ist weder glaubhaft gemacht worden noch ernstlich zu befürchten, dass mitreisende Lehrkräfte die Tochter des Antragstellers veranlassen würden, ohne hinreichende Sicherung ein Floß zu betreten, wenn sie ihnen gegenüber zu erkennen gibt, dass sich nicht schwimmen kann.

31

Der Antragsteller durfte auch als Adressat der erlassenen Verfügung zu Ziffer 1 in Anspruch genommen werden. Denn er ist Sorgeberechtigter seiner schulpflichtigen Tochter.

32

Soweit die Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 41 Abs. 1 HmbSG berechtigt ist, eine konkretisierende Verfügung hinsichtlich der Pflicht der Sorgeberechtigten zur Einhaltung der Schulpflicht zu erlassen, hat sie jedenfalls ein Entschließungsermessen auszuüben und ihr Auswahlermessen hinsichtlich des oder der in Anspruch genommenen Sorgeberechtigten rechtmäßig zu betätigen. Ausweislich des vorliegenden Bescheides vom 27. April 2017 bestehen keine Zweifel daran, dass sich die Antragsgegnerin dieses Ermessens bewusst war. Sie hat nicht nur abgewogen, ob die entsprechende Verfügung zu erlassen ist, sondern hat sich auch bewusst an den Antragsteller als einen von zwei Sorgeberechtigten gewandt, da er sich zuvor gegen eine Teilnahme seiner Tochter an der Klassenfahrt ausdrücklich ausgesprochen und ihr diese verboten hat. Dieser Feststellung ist der Antragsteller nicht entgegen getreten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung der Teilnahme an der Klassenfahrt nicht verhältnismäßig sei. Sie dient - wie oben ausgeführt - dem legitimen Ziel der Durchsetzung der Schulpflicht und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich.

33

Unschädlich ist für die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung, dass die Antragsgegnerin lediglich einen von beiden Sorgeberechtigten, und nicht auch die Mutter des schulpflichtigen Mädchens in Anspruch genommen hat. Denn dass ein weiterer Sorgeberechtigter existiert, berührt nicht die Rechtmäßigkeit der Verfügung etwa im Rahmen der Störerauswahl, sondern wirkt sich allenfalls auf der Ebene der Vollstreckung aus.

34

bb. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen und der Eilbedürftigkeit der Entscheidung ist auch ein besonderes Vollzugsinteresse, das im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderlich ist, vorliegend zu bejahen. Denn über den eingelegten Widerspruch bzw. über eine gegebenenfalls noch zu erhebende Klage wäre in keinem Fall vor dem Beginn der am 29. Mai 2017 beginnenden streitigen Klassenfahrt entschieden worden. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung hätte die Antragsgegnerin die Schulpflicht der Tochter des Antragstellers nicht effektiv durchsetzen können.

35

2. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Ziffer 3 der Verfügung vorgenommene Zwangsgeldfestsetzung begehrt, hat sein Antrag teilweise Erfolg.

36

Die in der Verfügung vom 27. April 2017 unter Ziffer 3 vorgenommene Zwangsgeldfestsetzung bezieht sich ihrem Wortlaut laut nach auf „diese Anordnung“ und differenziert nicht nach der unter Ziffer 1 vorgenommen Verpflichtung, seine Tochter zur Einhaltung der Schulpflicht anzuhalten, und der unter Ziffer 2 verfügten Auflage, im Krankheitsfall der Tochter einen Schularzt aufzusuchen. Der Adressat kann die Zwangsgeldfestsetzung daher nur umfassend dahingehend verstehen, dass jeder Verstoß gegen eine der beiden Teilanordnungen dazu führen würde, dass das Zwangsgeld verwirkt ist.

37

Soweit sich die Zwangsgeldfestsetzung auf Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2017 bezieht, ist sie nicht zu beanstanden. Sie stützt sich auf § 14 HmbVwVG. Nach § 14 Abs. 2 HmbVwVG kann das Zwangsgeld zugleich mit dem durchzusetzenden Verwaltungsakt festgesetzt werden. Es wird in diesem Fall wirksam, wenn die pflichtige Person die ihr obliegende Handlung nicht fristgemäß vorgenommen hat oder gegen eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht verstößt und die Voraussetzungen des § 8 HmbVwVG vorliegen. Darüber hinaus muss ein zu vollstreckender Titel im Sinne des § 3 HmbVwVG vorliegen. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung zu Ziffer 1 des Bescheides erfüllt. Insbesondere handelt es sich bei dieser Verfügung um einen vollstreckbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVG, da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsakts angeordnet und die Kammer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht wiederhergestellt hat.

38

Die Zwangsgeldfestsetzung ist hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der sorgeberechtigten Ehefrau keine ausdrückliche Verpflichtung auferlegt wurde, die Veranlassung ihres Ehemanns zur Einhaltung der Schulpflicht der gemeinsamen Tochter zu dulden und dadurch ein Vollstreckungshindernis bestehen könnte. Denn eine Duldungsverfügung darf nicht rein vorsorglich ausgesprochen werden; ein Bedarf dafür besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Duldungsverfügung der gegen den Vollzug aus „eigenem“ Recht Einwände erheben oder sich widersetzen wird (OVG Schleswig, Beschl. v. 17.11.2015, 1 MB 25715, juris Rn. 22 m.w.N.). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.

39

Soweit die Zwangsgeldfestsetzung sich jedoch auf Ziffer 2 des Bescheides vom 27. April 2017 bezieht, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVG nicht vor: wie bereits oben ausgeführt, hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieser Regelung nicht angeordnet.

IV.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Dem Antragsteller waren die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen, da die Antragsgegnerin nur zu einem sehr geringen Teil - hinsichtlich eines Teils der Zwangsgeldandrohung - unterlegen war.

41

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer legt in der Hauptsache für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs den Auffangstreitwert zugrunde, der in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (NordÖR 2014, 14 ff.) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Hälfte in Ansatz gebracht wird. Nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013 erhöht der zugleich verfolgte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs den Streitwert nicht, da die Höhe des festgesetzten Zwangsgelds geringer ist.

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(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Heranziehung der Antragstellerin zu 1. zur Erteilung von Auskünften im Rahmen des Mikrozensus 2017.

2

Die Antragsgegnerin führt die Mikrozensuserhebung jährlich als repräsentative Befragung von 1 % der Bevölkerung durch. Die Auswahl der befragten Haushalte erfolgt mittels eines mathematisch-statistischen Zufallsverfahrens. Die Haushalte werden in der Regel in vier aufeinander folgenden Jahren befragt. Bei der Befragung werden flächendeckend Erhebungsbeauftragte eingesetzt, die die mitgeteilten Angaben meistens sofort in einen Computer eingeben. Daneben gibt es für die Auskunftspflichtigen die Möglichkeiten einen Fragebogen auszufüllen, die Auskünfte dem Statistischen Landesamt telefonisch mitzuteilen oder sich durch ein Mitglied des Haushalts vertreten zu lassen (Proxy-Interview).

3

Im Februar 2017 wurde die Antragstellerin zu 1. von der Antragsgegnerin angeschrieben und darüber informiert, dass ihr Haushalt nach dem Mikrozensusgesetz ausgewählt worden sei und dass sie die angefragten Auskünfte zu erteilen hätte. Zuständig sei ein benannter Erhebungsbeauftragter, der einen Termin für die Erhebung vorgeschlagen habe. Sollte der Antragstellerin zu 1. der Termin nicht zusagen oder sie die Fragen auf anderem Wege (z.B. telefonisch) beantworten wollen, wurde sie gebeten, den Erhebungsbeauftragten schnellstmöglich zu kontaktieren. Hinweise zu den Rechtsgrundlagen, der Auskunftspflicht, zum Datenschutz und zu weiteren Informationen seien der beigefügten „Kurzinformation für die Befragten“ zu entnehmen; außerdem wurde auf die Homepage der Antragsgegnerin verwiesen. Für weitere Fragen stehe der benannte Erhebungsbeauftragte zur Verfügung. Anfang März 2017 erhielt die Antragstellerin zu 1. den Erhebungsbogen, der binnen 10 Tagen ausgefüllt zurückgesandt werden sollte. Auf die Auskunftspflicht des Adressaten wurde im Anschreiben in fett gedruckter Schrift erneut hingewiesen.

4

Nachdem keine Auskünfte erteilt wurden, erließ die Antragsgegnerin unter dem 21. März 2017 einen an die Antragstellerin zu 1. adressierten Heranziehungsbescheid. Sie forderte die Antragstellerin zu 1. auf, alle auf ihren Haushalt zutreffenden Angaben in dem Erhebungsbogen, der beigefügt sei, vollständig und wahrheitsgemäß zu erteilen und diesen bis zum 4. April 2017 an die Antragsgegnerin zurückzusenden. Alternativ könne die Antragstellerin zu 1. von der Möglichkeit Gebrauch machen, unter angegebenen Telefonnummern ihre Auskünfte zu erteilen. Falls die Antragstellerin zu 1. der vorstehenden Aufforderung zuwiderhandele, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,- Euro fällig. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin an, dass eine Befragung durch die Interviewer nicht zu Stande gekommen und dass der Fragebogen nicht abgegeben worden sei. Sie wies auf die Auskunftspflicht nach dem zum 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Mikrozensusgesetz vom 7. Dezember 2016 (MZG 2017) und dem Bundesstatistikgesetz in der Fassung vom 20. Oktober 2016 (BStatG) i.V.m. der EU-Verordnung 2016/8 hin, sofern auch Angaben über Selbständigkeit erhoben würden. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei nach dem Hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HmbVwVG) zulässig.

5

Mit dem am 4. April 2017 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Widerspruch beider Antragsteller, über den noch nicht entschieden worden ist, haben diese geltend gemacht, die Vorgehensweise und die Höhe des Betrages seien unangemessen, zumal keine vorherige schriftliche Aufklärung stattgefunden habe.

6

Mit dem am selben Tag bei Gericht eingegangenen Eilantrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs und rügen eine unzureichende Informationspolitik. Sie seien im ersten Anschreiben nicht genügend darauf hingewiesen worden, dass auch eine Alternative zum Interview bestehe. Es fehle der Hinweis, dass der Bogen auch selbstständig schriftlich eingereicht werden könne. Insbesondere habe der Hinweis gefehlt, dass bei Nichterfüllung ein entsprechendes Bußgeld festgesetzt werden könne. Auch mit der Übersendung des Erhebungsbogens habe es keinerlei Informationen darüber gegeben, welche Folgen eine Nichteinreichung bzw. Verspätung habe. Hinsichtlich der angefragten Daten vertreten die Antragsteller die Auffassung, dass eine Anonymisierung nicht gegeben sei. Schon die Abfrage des Wohnorts, des Geburtsmonats, des Geburtsjahres und des Geschlechts ließen eindeutige Rückschlüsse auf die Person zu, erst recht, wenn dazu noch die Meldedaten zugeordnet würden. Es gebe keinen Hinweis im Gesetz, was mit freiwillig mitgeteilten Telefonnummern geschehe. Darüber hinaus hätten die Antragsteller eine weitere Aufforderung über ein Stichprobenverfahren von der Universität Hamburg bekommen, über die „Mikrozensus“ sie nicht informiert habe. Es werde auch nicht erwähnt, dass ab 2020 höchstpersönliche private Daten über den Lebensstil erhoben werden sollten. Dies widerspreche zutiefst dem Schutz des Privatlebens gemäß dem Grundgesetz. „Mikrozensus“ könne ohne Einwilligung von den Antragstellern deren Daten an andere Stellen weitergeben, was unzulässig sei.

7

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

8

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist nur teilweise zulässig (1.) und - soweit zulässig - unbegründet (2.).

9

1. Der Antrag ist hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. in vollem Umfang und hinsichtlich des Antragstellers zu 2. nur teilweise zulässig.

10

a. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist statthaft, weil dem rechtzeitig erhobenen Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Dies folgt hinsichtlich der Verpflichtung zur Auskunftserteilung aus § 15 Abs. 7 BStatG und hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung aus § 29 Abs. 1 HmbVwVG. Dessen Anwendbarkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Satz 3 des Staatsvertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein über die Errichtung eines gemeinsamen statistischen Amtes als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (Zustimmungsgesetz v. 13.11.2003, HmbGVBl. S. 543), wonach vorbehaltlich abweichender Bestimmung im Staatsvertrag für die Errichtung und Betrieb der Anstalt hamburgisches Landesrecht gilt (ebenso VG Schleswig, Beschl. v. 17.2.2014, 12 B 65/13, juris Rn. 24).

11

b. Die Antragsteller sind nicht beide in vollem Umfang antragsbefugt.

12

Die Antragstellerin zu 1. ist als Adressatin sowohl hinsichtlich begehrten Anordnung der der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung als auch hinsichtlich des festgesetzten Zwangsgeldes antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO.

13

Der Antragsteller zu 2. ist jedoch nur hinsichtlich des Auskunftsverlangens analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, weil nur insoweit eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte möglich erscheint. Diese mögliche Rechtsverletzung folgt trotz fehlender Adressatenstellung daraus, dass die Antragstellerin zu 1. verpflichtet worden ist, alle auf ihren Haushalt zutreffenden Angaben, die auch personenbezogene Daten im Sinne des § 4 Abs. 1 HmbDSG enthalten, in dem übersandten Erhebungsbogen zu erteilen, somit auch Angaben über ihn, den Antragsteller zu 2. als Haushaltsangehörigen. Damit greift der Bescheid in seine subjektiven Rechte als Dateninhaber und Betroffener im Sinne des § 6 HmbDSG ein. Die Rechte des haushaltsangehörigen Dateninhabers bzw. Betroffenen werden über die hier relevanten öffentlich-rechtlichen Rechtsvorschriften z.B. in § 14 MZG 2017 und § 12 BStatG (zur Trennung und Löschung von Erhebungsdaten von Hilfsmerkmalen) oder über die in § 16 BStatG enthaltene Verpflichtung zur Geheimhaltung sowie über das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 150) ebenso geschützt wie die des in Anspruch genommenen Auskunftsverpflichteten. Mit der Eröffnung der Möglichkeit, die Auskunftspflicht bezogen auf die Daten für alle Haushaltsangehörigen nur einem Auskunftspflichtigen aufzuerlegen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 8 MZG 2017), begründet das Mikrozensusgesetz 2017 somit zugleich eine Klagebefugnis für von einem Auskunftsverlangen drittbetroffene Dateninhaber. Es handelt sich nicht lediglich um eine reflexartige Auswirkung des Heranziehungsbescheides.

14

Allerdings ist nicht ersichtlich, inwieweit der Antragsteller zu 2. hinsichtlich der gegenüber seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 1., festgesetzten Zwangsgeldes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes antragsbefugt ist. Die Auferlegung eines Zwangsgeldes gegenüber seiner Ehefrau berührt seine subjektiven Rechte nicht.

15

2. Der Antrag ist unbegründet.

16

Sofern Widerspruch und Anfechtungsklage aufgrund gesetzlicher Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 VwGO) keine aufschiebende Wirkung haben, unterscheidet sich die gerichtliche Interessenabwägung bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung über die Aussetzung des Sofortvollzugs von der Abwägung, wie sie in den Fällen einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stattfindet. So ist im Anwendungsbereich dieser Bestimmung bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) von besonderer Bedeutung, während in den Fällen der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs zu berücksichtigen ist, dass - umgekehrt - der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Interesses am Vollzug des Bescheides ungeachtet eines noch schwebenden Widerspruchs- oder Klageverfahrens angeordnet hat. Allerdings gebietet es Art. 19 Abs. 4 GG, die sofortige Vollziehung eines kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes auszusetzen, wenn dies im Einzelfall zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Eine vom grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresse abweichende gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO daher dann - aber auch nur dann - in Betracht, wenn besondere Umstände es rechtfertigen, von dem grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses abzuweichen. Diese liegen bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts vor; wobei insbesondere die von den Antragstellern vorgebrachten Aspekte zu würdigen sind (vgl. VG Mainz, Beschl. v. 19.4.2016, 1 L 144/16.MZ, juris Rn. 5). Das Gericht nimmt insoweit die gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung vor.

17

Nach diesen Grundsätzen erweisen sich weder die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Heranziehungsbescheides vom 21. März 2017 (a.) noch die der Zwangsgeldfestsetzung (b.) als ernstlich zweifelhaft.

18

a. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Antragstellerin zu 1. zur Auskunftserteilung im angegriffenen Bescheid ist § 13 Abs. 1 Satz 1 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 BStatG. Nach § 15 Abs. 1 BStatG besteht eine Auskunftspflicht für die befragten Adressaten, soweit die eine Bundesstatistik anordnende Rechtsnorm dies festlegt. Für die im Rahmen des Mikrozensus abgefragten Erhebungsdaten besteht gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 MZG 2017 eine Auskunftspflicht, soweit in Abs. 7 nichts anderes bestimmt ist. In § 13 Abs. 7 MZG 2017 werden einige Angaben als freiwillig gekennzeichnet, so dass sie nicht der Auskunftspflicht unterliegen. Gemäß § 15 Abs. 2 BStatG besteht die Auskunftspflicht gegenüber den Erhebungsbeauftragten und den mit der Durchführung der Bundesstatistiken betrauten Stellen.

19

aa. Formelle Bedenken gegen den Heranziehungsbescheid bestehen nicht.

20

Die Antragsgegnerin ist gemäß § 5 Abs. 1 HmbStatG i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den oben genannten Staatsvertrag und § 15 Abs. 1 MZG 2017 für die Erhebung der Daten und damit für den Erlass des Heranziehungsbescheides zuständig.

21

Eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 HmbVwVfG ist bezüglich des Auskunftsverlangens im Februar 2017 erfolgt.

22

Auch liegt entgegen der Auffassung der Antragsteller kein Verstoß gegen die der Antragsgegnerin nach § 17 BStatG obliegenden Unterrichtungspflicht vor. Danach sind die zu Befragenden schriftlich oder elektronisch u.a. über Zweck, Art und Umfang der Erhebung zu unterrichten (§ 17 Nr. 1 BStatG). Insbesondere war die Antragstellerin zu 1. darüber unterrichtet worden, dass die Erteilung von Auskünften nicht nur gegenüber den Erhebungsbeauftragten, sondern auch schriftlich erfolgen kann. Zum einen befindet sich auf dem Anhörungsschreiben der fettgedruckte Hinweis, dass die Fragen auch auf anderem Weg beantwortet werden können (z.B. telefonisch), zum anderen enthält die zugleich übersandte „Kurzinformation für die Befragten“ (hellgelbes Schreiben) den Hinweis, dass Auskünfte durch ein persönliches Interview, in schriftlicher Form oder telefonisch erteilt werden können.

23

bb. Der auf § 13 Abs. 1 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 BStatG gestützte Heranziehungsbescheid unterliegt auch hinsichtlich seiner materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit keinen ernstlichen Zweifeln.

24

(1) Die Heranziehung zur Haushaltebefragung im Mikrozensus 2017 ist mit Verfassungsrecht, insbesondere mit dem Recht der Antragsteller auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar.

25

Die vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber normierte Auskunftspflicht nach § 13 MZG 2017 entspricht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil aufgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung zu den Anforderungen an den Schutz des Auskunftserteilenden (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209 u.a./83; BVerfGE 65, 1 und in juris - Volkszählungsurteil) festgestellt, dass der Staat, um seinen Aufgaben nachkommen zu können, Informationen über die Bürger benötigt, die er im Wege einer Befragung erheben kann. Der einzelne hat kein Recht auf „seine“ Daten im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, a.a.O., juris Rn. 150). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung in Übereinstimmung mit einer früheren, zum Mikrozensus ergangenen Entscheidung (BVerfG, Beschl. v. 16.7.1969, 1 BvL 19/63; BVerfGE 27, 1/7), festgestellt, dass bei solchen Befragungen eine Auskunftspflicht des Bürgers im Gesetz vorgesehen werden kann, um eine lückenlose Erfassung der Daten, die der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ferner ins Einzelne gehende Anforderungen aufgestellt, wie sicherzustellen sei, dass die Daten des Einzelnen anonymisiert werden (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, a.a.O., juris Rn. 163).

26

In der Rechtsprechung ist mehrfach bestätigt worden, dass die bisherigen Mikrozensusgesetze insbesondere die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Gleichbehandlung nicht verletzt haben (u.a. VGH München, Beschl. v. 24.9.2010, 5 ZB 10.1870, juris Rn. 8; VG Hamburg, Urt. v. 21.11.2014, 9 K 4926/13 n.v.; VG Hannover, Urt. v. 25.10.2016, 10 A 4657/16, juris Rn. 26; VG München, Beschl. v. 24.7.2014, M 7 S 14.2320, juris Rn. 14 zum MZG 2005; OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.1997 Bs III 154/96, juris Rn. 3 f. zum MZG 1996; BVerwG, Beschl. v. 9.7.1996, 3 B 34/96, juris Rn. 3-5 zum MZG 1985 v. 17.12.1990).

27

Die von den Antragstellern gegen das Mikrozensusgesetz 2017 erhobenen Rügen verfangen ebenfalls nicht; auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hat keine Bedenken gegen das Mikrozensusgesetz 2017 geäußert (vgl.:https://www.datenschutz-hamburg.de/news/detail/article/mikrozensus-2017.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D =157&cHash=042a7cf31e011b9f30540d743b318a43).

28

(a) So rügen die Antragsteller zu Unrecht eine nicht hinreichende Anonymisierung der erhobenen Daten. § 12 BStatG und § 14 Abs. 1 MZG 2017 tragen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen durch die dort vorgeschriebene Trennung und Löschung bestimmter Merkmale über persönliche und sachliche Verhältnisse der Befragten Rechnung. So sind Hilfsmerkmale nach § 11 Abs. 1 MZG 2017 wie Vor- und Familiennamen der Haushaltsmitglieder, Kontaktdaten der Haushaltsmitglieder (z.B. auch die Telefonnummer), Wohnanschrift etc. von den Erhebungsdaten zu trennen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern nach der Vorschrift des § 14 MZG 2017 der Anspruch auf Anonymisierung in geringerer Weise verwirklicht würde als gemäß dem in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht beanstandeten § 8 MZG 2005.

29

Soweit die Antragsteller eine (Re-)Identifizierung befürchten, da ihren Daten die Meldedaten zugeordnet würden, begründet dies ebenfalls keinen Verstoß gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Denn die in § 15 Abs. 1 MZG 2017 vorgesehene Übermittlung der Meldedaten an die Antragsgegnerin dient der organisatorischen Vorbereitung und Durchführung des Mikrozensus (zuvor in vergleichbarer Weise geregelt in § 10 MZG 2005). Soweit Hilfsmerkmale im Sinne des § 11 Abs. 1 MZG 2017 übermittelt worden sind (Namen und Anschriften der Haushaltsmitglieder), sind sie gemäß § 14 Abs. 1 MZG 2017 unverzüglich nach Abschluss der Erhebung und der Schlüssigkeitsprüfung von den z.T. in den Meldedaten enthaltenen Erhebungsmerkmalen nach § 6 Abs. 1 MZG 2017 (Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsstaat etc.) zu trennen. Es ist nicht ersichtlich, dass vor diesem Hintergrund die Verwendung von Meldedaten zur Vorbereitung des Mikrozensus die Anonymisierung gefährdet. Die Erhebungsmerkmale des Kernprogramms nach § 6 MZG sind im Vergleich zum Merkmalsumfang nach dem MZG 2005 im Übrigen deutlich reduziert (vgl. Gesetzesbegründung zum MZG 2017 vom 17.8.2016, BT-Drs. 18/9418, S. 31). Auch ist die Beurteilung des Mikrozensusgesetzes 2017 ebenso wie die der vorherigen Mikrozensusgesetze an der Lebenswirklichkeit zu orientieren, der rechtswidrige bzw. ggf. strafbare Handlungen nicht entsprechen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.1997, a.a.O.). Nach § 1 MZG 2017, §§ 21, 22 BStatG ist die Zusammenführung von Merkmalen, die aufgrund des Mikrozensusgesetzes erhoben wurden, mit Daten aus anderen statistischen Erhebungen zum Zweck der Herstellung eines Personenbezugs außerhalb der statistischen Aufgabenstellung des Bundesstatistikgesetzes verboten und ein Verstoß dagegen unter Strafe gestellt.

30

Zwar ist nicht auszuschließen, dass - wie die Antragsteller befürchten - allein aus den für die Statistik verwendeten Erhebungsmerkmalen nach § 6 Abs. 1 MZG 2017 (z.B. Wohnort, Geburtsmonat, Geburtsjahr und Geschlecht) der erforderliche Personenbezug herstellen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat im Kammerbeschluss vom 28. September 1987 (1 BvR 1063/87, juris Rn. 10) das nach faktischer Anonymisierung bestehende Reidentifizierungsrisiko für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt (vgl. dazu auch VGH München, Beschl. v. 24.9.2010, a.a.O., juris Rn. 9; OVG Hamburg, 22.1.1997, a.a.O. m.w.N.):

31

„Die Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebotes eines möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Reanonymisierung, wird weiter nicht durch die selbst nach Entfernung von Identifikatoren verbleibenden Möglichkeiten in Frage gestellt, anhand der Erhebungsmerkmale eine Reidentifizierung vorzunehmen. Von Verfassungs wegen gefordert ist lediglich eine faktische Anonymität der Daten. Diese kann - in Anlehnung an § 16 Abs. 6 BStatG - allenfalls dann als gegeben angesehen werden, wenn Datenempfänger oder Dritte eine Angabe nur mit einem - im Verhältnis zum Wert der zu erlangenden Information nicht zu erwartenden - unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten, Arbeitskraft und sonstigen Ressourcen (etwa Risiko einer Bestrafung) einer Person zuordnen können. Die von dem Beschwerdeführer vorgetragenen Reidentifizierungsmöglichkeiten vernachlässigen dabei durchgängig die tatsächlichen Bedingungen und Möglichkeiten einer solchen Reidentifizierung, insbesondere die Maßnahmen zur Datensicherung und das Erfordernis, daß Zusatzwissen verfügbar zu sein hat. Für die statistischen Landesämter bleiben die Daten allerdings durchgängig personenbezogen, weil personenbeziehbar. Dies ist bei einer auf Individualdaten aufbauenden, kleinräumig zu gliedernden Statistik allein durch gesetzliche Ge- und Verbote nicht vermeidbar. Das hiernach verbleibende Reidentifizierungsrisiko hat der Einzelne grundsätzlich als notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik hinzunehmen, wenn und soweit auch innerhalb der statistischen Ämter interne organisatorische Vorkehrungen neben den Trennungs- und Löschungsgeboten die Beachtung des Zweckbindungsgebotes und des Reidentifizierungsverbotes sicherstellen.“

32

(b) Die von den Antragstellern beanstandete, in § 8 MZG 2017 geregelte Verpflichtung der Befragten, ab dem Erhebungsjahr 2020 Angaben in Bezug auf ihr Einkommen und ihre Lebensbedingungen zu machen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Denn das Verwaltungsgericht überprüft Rechtsnormen nur inzident im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits, der eine Einzelfallmaßnahme oder ein individuellen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten betrifft. Da der vorliegend angegriffene Verwaltungsakt vom 21. März 2017 keine in § 8 MZG 2017 genannten Angaben betrifft, weil diese Daten nicht in dem Erhebungsbogen abgefragt wurden, auf den sich der Heranziehungsbescheid bezieht, ist die gerügte gesetzlich geregelte Auskunftspflicht ab 2020 vom Verwaltungsgericht nicht zu überprüfen.

33

(c) Soweit die Antragsteller sich gegen das Mikrozensusgesetz 2017 wenden, weil dieses eine Weitergabe der erhobenen Daten ohne Einwilligung der Betroffenen ermögliche, sind diese Bedenken nicht begründet. Das Gesetz hat die Zwecke der Verwendung der Daten geregelt, darüber hinaus ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin und einzelner Amtsträger und Amtsträgerinnen zur Geheimhaltung in § 16 BStatG geregelt.

34

(2) Der Heranziehungsbescheid ist bezogen auf die Verwaltungsaktsbefugnis der Antragsgegnerin (a), das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage (b) und die Rechtsfolge (c) nicht zu beanstanden. Weitere Gründe für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sind nicht ersichtlich (d).

35

(a) Die Rechtsnormen der § 13 Abs. 1 und 2 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 BStatG stellen eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts dar, obwohl die Befugnis, einen Verwaltungsakt in Gestalt eines Heranziehungsbescheides zu erlassen, dort nicht ausdrücklich geregelt ist. Vielmehr regeln diese Normen nur die Auskunftspflicht. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt, ist anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktsbefugnis) nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, Urt. v. 7.12.2011, 6 C 39/10, BVerwGE 141, 243, juris Rn. 14 zu Auskunftsbescheiden nach §§ 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG). Sofern eine Norm - wie hier die herangezogenen Vorschriften der §§ 13 Abs. 1 und 2 MZG 2017 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 BStatG - eine Auskunftspflicht bestimmter Adressaten gegenüber der handelnden Behörde bzw. dem öffentlichen Rechtsträger begründet, kann auf eine entsprechende, in der Form des Verwaltungsakts wahrnehmbare behördliche Auskunftserhebungsbefugnis geschlossen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.12.2011, a.a.O. Rn. 17). Darüber hinaus geht der Gesetzgeber in § 15 Abs. 7 BStatG davon aus, dass ein Auskunftsverlangen mit Verwaltungsaktsqualität ausgesprochen werden kann, da er dem dagegen gerichteten Widerspruch und der Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung beimisst.

36

(b) Der Tatbestand der benannten Ermächtigungsgrundlage ist erfüllt. Die Antragstellerin zu 1. ist als volljährige Angehörige eines ausgewählten Haushalts (Erhebungseinheit) nach § 13 Abs. 2 für die nach §§ 6 Abs. 1 und 7 Abs. 1 und 5 MZG 2017 angefragten Erhebungsmerkmale sowie für die Hilfsmerkmale nach § 11 Abs. 1 MZG 2017 auskunftspflichtig; dies gilt auch für Erhebungsmerkmale, die nicht ihre Person, sondern andere Haushaltsangehörige betreffen, soweit sie über die Daten Kenntnisse hat (§ 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 8 MZG 2017).

37

Der Tenor des Bescheides ist auch bestimmt genug im Sinne des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Zwar wurde sie aufgefordert, den „beigefügten“ Erhebungsbogen auszufüllen und zurückzusenden, der nicht beigefügt, sondern vorab bereits übersandt worden war. Nach dem objektiven Erklärungswert aus der Sicht der Antragstellerin zu 1. erscheint diese Formulierung jedoch unproblematisch, da die Antragstellerin zu 1. nach ihrem eigenen Vortrag keine Zweifel hatte, welchen Erhebungsbogen sie ausfüllen sollte.

38

(c) Auch die angeordnete Rechtsfolge, d.h. die Auswahl der Antragstellerin zu 1. unter mindestens zwei Auskunftsverpflichteten und die Geltendmachung des Auskunftsverlangens mit Hilfe des Erhebungsbogens unter Fristsetzung von (knapp) zwei Wochen, ist nicht zu beanstanden.

39

Nach der Auswahl des zu befragenden Haushalts standen der Antragsgegnerin als Adressaten für den Heranziehungsbescheid beide Antragsteller zur Verfügung, da auch der Antragsteller zu 2. ein volljähriges Haushaltsmitglied nach § 13 Abs. 2 MZG 2017 ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl ermessensfehlerhaft erfolgt ist, sind nicht ersichtlich.

40

Die gesetzte Frist von knapp zwei Wochen für die Übersendung des wahrheitsgemäß ausgefüllten Erhebungsbogens stellt keine unverhältnismäßige Belastung der Antragstellerin zu 1. dar. Denn diese war bereits im Februar 2017 auf ihre Auskunftspflicht hingewiesen worden und hatte auch die zuvor zur Einreichung des Fragebogens gesetzte Frist verstreichen lassen. Ohne eine zeitnahe Umsetzung der Datenerhebungen kann die Antragsgegnerin nicht ihrer Aufgabe nachkommen, zusammen mit dem Statistischen Bundesamt die für eine am Sozialstaatsprinzip orientierte staatliche Politik unentbehrlichen Handlungsgrundlagen zu erstellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, a.a.O., juris Rn. 159). Die Bedeutung der zeitnahen Realisierung der Auskunftspflicht zeigt sich auch in dem vom Gesetzgeber angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gemäß § 15 Abs. 7 BStatG.

41

(d) Soweit die Antragsteller rügen, die Antragsgegnerin hätte sie über eine zeitgleiche Datenerhebung der Universität Hamburg informieren müssen, berührt dieser Einwand nicht den vorliegenden Streitgegenstand. Dieser betrifft allein das einstweilige Rechtsschutzbegehren im Hinblick auf den gegenüber der Antragstellerin zu 1. erlassenen Heranziehungsbescheid vom 21. März 2017.

42

b. Auch die bedingte Festsetzung eines Zwangsgeldes von 300,- Euro zur Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 5.10.2009, 5 So 157/09, n.v.; VG Hamburg, Urt. v. 21.11.2014, a.a.O.). Sie beruht auf § 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG, der gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 des o.g. Staatsvertrages als hamburgisches Landesrecht anwendbar ist. Danach kann ein Zwangsgeld zugleich mit dem Verwaltungsakt festgesetzt werden, dessen Umsetzung es erzwingen soll. Wirksam wird die Zwangsgeldfestsetzung erst mit dem fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist.

43

Das Hamburgische Verwaltungsvollstreckungsgesetz fordert vor der aufschiebend bedingten Festsetzung des Zwangsgeldes nach § 14 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG keine gesonderte Anhörung Mit dem festgesetzten Zwangsgeld wird auch kein Fehlverhalten geahndet. Es handelt sich vielmehr um ein gesetzlich vorgesehenes, wiederholt einsetzbares Beugemittel, dass dem Zweck dient, dem zu einer Handlung Verpflichteten zu der auferlegten Handlung zu veranlassen (vgl. VG München, Urt. v. 15.7.2015, M 7 K 15.1746, juris Rn. 17). Der Heranziehungsbescheid vom 21. März 2017 ist aufgrund der von Gesetzes wegen ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen, die auch nicht von Gerichts wegen angeordnet worden ist, ein vollstreckbarer Titel gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 HmbVwVG.

III.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig halbierte Regelstreitwert war jeweils für beide Antragsteller anzusetzen.

(1) Für den Mikrozensus besteht Auskunftspflicht, soweit in Absatz 7 nichts anderes bestimmt ist. Die Auskunftspflicht über Dritte erstreckt sich nur auf die Angaben, die der auskunftspflichtigen Person bekannt sind.

(2) Auskunftspflichtig sind für die Angaben zu den Erhebungsmerkmalen nach § 6 Absatz 1, § 7 Absatz 1 und 3 sowie § 8 Absatz 1 sowie für die Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 11 Absatz 1 Nummer 1, 3, 4, 6 und 7 alle volljährigen Haushaltsmitglieder und alle einen eigenen Haushalt führenden Minderjährigen, jeweils auch für minderjährige Haushaltsmitglieder.

(3) Für volljährige Haushaltsmitglieder, die insbesondere wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht selbst Auskunft geben können, ist jedes andere auskunftspflichtige Haushaltsmitglied auskunftspflichtig. Gibt es kein anderes auskunftspflichtiges Haushaltsmitglied und ist für die nicht auskunftsfähige Person ein Betreuer oder eine Betreuerin bestellt, so ist dieser oder diese auskunftspflichtig, soweit die Auskunft in seinen oder ihren Aufgabenkreis fällt. Benennt eine nicht auskunftsfähige Person eine Vertrauensperson, die für sie die erforderliche Auskunft erteilt, erlischt die Auskunftspflicht nach den Sätzen 1 und 2.

(4) In Gemeinschaftsunterkünften ist die Leitung der Einrichtung auskunftspflichtig. Diejenigen Personen, über die Auskunft zu erteilen ist, sind von der Leitung über die Auskunftserteilung zu informieren.

(5) Für die Angaben zu den Erhebungsmerkmalen nach § 6 Absatz 2 Nummer 1 sowie für die Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 11 Absatz 1 Nummer 5 sind die Wohnungsinhaber oder Wohnungsinhaberinnen auskunftspflichtig, ersatzweise die nach den Absätzen 2 und 3 Auskunftspflichtigen.

(6) Werden Erhebungsbeauftragte eingesetzt, sind ihnen von den angetroffenen Auskunftspflichtigen auf Verlangen die folgenden Angaben mündlich mitzuteilen:

1.
Angaben zu den Erhebungsmerkmalen nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a und
2.
Angaben zu den Hilfsmerkmalen nach § 11 Absatz 1 Nummer 1, 3, 4 und 5.
Diese Angaben sind den Erhebungsbeauftragten von den angetroffenen Auskunftspflichtigen auch für andere in derselben Wohnung wohnende Personen auf Aufforderung mündlich mitzuteilen.

(7) Die Angaben zu § 6 Absatz 2 Nummer 3, § 7 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 2 und 5, § 8 Absatz 2 sowie § 9 und zu den Hilfsmerkmalen nach § 11 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 4 und 5 sind freiwillig. Die Erhebungseinheiten nach § 8 Absatz 3 sind nicht auskunftspflichtig.

(8) Soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, wird vermutet, dass alle auskunftspflichtigen Personen eines Haushalts befugt sind, Auskünfte auch für die jeweils anderen Personen des Haushalts zu erteilen. Dies gilt entsprechend für die Bestätigung der im Vorjahr erhobenen Angaben nach § 14 Absatz 2.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein nigerianischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten einer (versuchten) Zurückschiebung.

2

Der Kläger wurde im August 2009 von der Bundespolizei kontrolliert. Dabei gab er sich unter falschen Personalien als kamerunischer Staatsangehöriger aus. Wegen des Verdachts der illegalen Einreise verfügte die Bundespolizei am 6. August 2009 die Zurückschiebung des Klägers ohne Benennung eines Zielstaats und dann am 13. August 2009 unter Bezeichnung des Zielstaats Kamerun. Das Amtsgericht verhängte mit Beschluss vom 7. August 2009 für die Dauer von längstens 90 Tagen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung. Mit Beschluss vom 4. November 2009 verlängerte es die Sicherungshaft bis längstens 6. Februar 2010. Mit Beschluss vom 5. Februar 2010 verfügte es die (weitere) Fortdauer der Sicherungshaft bis längstens 6. Mai 2010. Die gegen diesen Beschluss vom Kläger eingelegte Beschwerde erledigte sich mit seiner krankheitsbedingten Entlassung aus der Haft. Mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 stellte das Landgericht fest, dass die Freiheitsentziehung ab 6. Februar 2010 rechtswidrig war.

3

Mit Leistungsbescheid vom 4. April 2011 setzte die Bundespolizeidirektion Berlin die aus Anlass der eingeleiteten Zurückschiebungsmaßnahmen entstandenen Kosten auf 30 349,30 € fest und forderte den Kläger zur Erstattung binnen eines Monats auf. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 ermäßigte das Bundespolizeipräsidium Potsdam die Forderung wegen der ab 6. Februar 2010 rechtswidrigen Inhaftierung auf 27 067,52 €.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide aufgehoben, soweit sie den Betrag von 15 477,43 € übersteigen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 11. Dezember 2013 zurückgewiesen und dies wie folgt begründet: Die Kostenforderung der Beklagten sei jedenfalls materiell rechtswidrig. Zwar habe der Kläger grundsätzlich gemäß § 66 Abs. 1, § 67 Abs. 1 AufenthG die Kosten der versuchten Zurückschiebung zu tragen. Dies gelte aber nicht für die ab 5. November 2009 entstandenen Kosten der gegen ihn verhängten Sicherungshaft. Die ab diesem Tag wirksame Haftanordnung vom 4. November 2009 sei rechtswidrig gewesen, weil dem Kläger keine Abschrift des Haftantrags ausgehändigt worden sei. Ausweislich der Sitzungsniederschrift sei ihm der Haftantrag nur vorgehalten und erläutert worden. Die Rechtskraft der Haftanordnung stehe ihrer Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte im ausländerrechtlichen Kosteneinziehungsverfahren nicht entgegen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG habe das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit grundsätzlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Dies gelte mangels entgegenstehender gesetzlicher Anordnung auch in Bezug auf rechtswegfremde Vorfragen, sofern die an sich zuständigen Gerichte hierüber noch nicht rechtskräftig entschieden hätten und die Beurteilung der Vorfrage keine Einwirkung auf den Bestand der anderen Entscheidung habe. Das Amtsgericht habe nur den zulässigen Rahmen der Haftdauer abgesteckt. Eine Aufhebung der Freiheitsentziehung wäre jederzeit möglich gewesen. Das Landgericht habe nicht zur Haftanordnung vom November 2009 entschieden und nur festgestellt, dass die Anordnung der Haft „jedenfalls“ seit dem 6. Februar 2010 rechtswidrig gewesen sei. Im Übrigen seien Beschlüsse in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur der formellen Rechtskraft fähig. Es entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn dem Kläger die infolge der Nichtaushändigung des Haftantrags fehlende Verteidigungsmöglichkeit im Haftverfahren zugutegehalten, er im Kosteneinziehungsverfahren jedoch auf die Rechtskraft des dort ergangenen Beschlusses verwiesen oder ihm eine ungenügende Verteidigung vorgehalten würde. Die Auferlegung der Haftkosten stelle eine neue Beschwer dar, die dem Kläger während seiner Inhaftierung möglicherweise nicht vor Augen gestanden habe. Von einer zurechenbaren Versäumung eigener Rechtsverteidigung könne nur gesprochen werden, wenn der Regelungsgehalt und die Folgen eines Hoheitsaktes innerhalb der für die Einlegung des Rechtsbehelfs vorgesehenen Frist erkennbar seien.

5

Die Beklagte macht mit ihrer Revision vor allem geltend, das Verhalten des Klägers sei rechtsmissbräuchlich und stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die noch im Streit befindlichen Kosten wären nicht entstanden, wenn er seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen wäre. Eine Inzidentprüfung sei auch unter Berücksichtigung verfassungsgerichtlicher Erwägungen nicht geboten. Die Überprüfung von Haftanordnungen obliege der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die formelle Rechtskraft der dortigen Entscheidungen dürfe nicht durchbrochen werden. Im Übrigen führe nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags nur dann zur Rechtswidrigkeit der Haft, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

6

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend macht er geltend, die Haftanordnung vom November 2009 sei auch rechtswidrig, weil der ihr zugrunde liegende Haftantrag nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen entsprochen habe und deshalb unzulässig gewesen sei. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffe einen anderen Fall und widerspreche dem Gesetzesvorbehalt des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass die Aushändigung des Haftantrags zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen. Der Kläger haftet nicht für die nur noch im Streit befindlichen Kosten seiner Haftunterbringung in der Zeit vom 5. November 2009 bis 5. Februar 2010. Die angefochtenen Bescheide sind in dem Umfang, in dem das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Auf der Grundlage der von der Bundespolizei erlassenen Zurückschiebungsverfügung durfte der Kläger zwar zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Sicherungshaft genommen werden (1.). Für den hier streitigen Zeitraum fehlt es aber an einer rechtmäßigen Haftanordnung (2.). Einer inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der ab dem 5. November 2009 wirksamen Haftanordnung steht nicht entgegen, dass die Anordnung einer Freiheitsentziehung zur Sicherung einer Zurückschiebung den ordentlichen Gerichten obliegt und der Kläger gegen die Haftverlängerung vom November 2009 kein Rechtsmittel eingelegt hat (2.1). Diese Haftverlängerung war rechtswidrig, weil sie auf einem unzulässigen Haftantrag beruhte (2.2) und dem Kläger nicht spätestens zu Beginn seiner Anhörung vor dem Amtsgericht im November 2009 eine Abschrift des Antrags ausgehändigt worden war (2.3). Unerheblich ist, ob die Sicherungshaft ohne Verstoß des Klägers gegen seine ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten schon eher hätte beendet werden können (3.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Bescheide ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung (hier: Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012). Mithin findet das Aufenthaltsgesetz - AufenthG - in der Fassung des am 1. April 2012 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 3044) Anwendung. Die im Rahmen der Prüfung des Leistungsbescheids inzident zu beurteilende Rechtmäßigkeit der Haftverlängerung vom November 2009 bestimmt sich hingegen nach der im Zeitpunkt der Maßnahme geltenden Rechtslage (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012 - BVerwG 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 = Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 14, jeweils Rn. 29).

9

Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Bescheide der Beklagten, soweit sie noch im Streit stehen, materiell rechtswidrig sind. Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer die Kosten zu tragen, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer Zurückschiebung entstehen. Den Umfang der zu erstattenden Kosten bestimmt § 67 Abs. 1 AufenthG. Danach umfassen die Kosten einer Zurückschiebung auch die bei der Vorbereitung dieser Maßnahme angefallenen Kosten einer Haftunterbringung. Soweit § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nur die Kosten der „Abschiebungshaft“ erwähnt, handelt es sich um eine beispielhafte Aufführung der bei der Vorbereitung einer Abschiebung entstehenden Verwaltungskosten („einschließlich“). Dass es zu einer Zurückschiebung des Klägers nicht gekommen ist, ändert ebenfalls nichts daran, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist (Urteil vom 8. Mai 2014 - BVerwG 1 C 3.13 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, InfAuslR 2014, 328 Rn. 18 zu den Kosten einer versuchten Abschiebung).

10

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haftet der Ausländer für die Kosten einer Abschiebung - und damit auch einer Zurückschiebung - nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Insoweit trifft das Aufenthaltsgesetz für Maßnahmen, die - wie die Sicherungshaft - selbständig in Rechte des Ausländers eingreifen, eine eigenständige und vorrangige Regelung gegenüber den Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes, auf die § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur verweist, soweit das Aufenthaltsgesetz keine abweichende Regelung enthält (Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 = Buchholz 402.242 § 66 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 20). Folglich können nur die Kosten einer rechtmäßigen Sicherungshaft geltend gemacht werden. Deren Rechtmäßigkeit ist aus der behördlichen Sicht bei ihrer Durchführung - also ex ante - zu beurteilen (Urteil vom 16. Oktober 2012 a.a.O., jeweils Rn. 22).

11

1. Die Sicherungshaft des Klägers fand im streitigen Zeitraum ihre Rechtsgrundlage in § 57 i.V.m. § 62 Abs. 3 AufenthG in der seinerzeit anwendbaren Fassung des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl I S. 2586) - AufenthG a.F. -. Danach sollte ein Ausländer, der unerlaubt eingereist war, innerhalb von sechs Monaten nach dem Grenzübertritt zurückgeschoben werden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F.). Lagen die Voraussetzungen für eine Zurückschiebung vor, war der Ausländer nach § 57 Abs. 3 AufenthG a.F. in entsprechender Anwendung des § 62 Abs. 3 AufenthG a.F. bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft).

12

Ob nach damaliger Rechtslage die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zurückschiebung des Klägers durch die Bundespolizei vorlagen, kann dahinstehen. Denn der Kläger hat gegen die Zurückschiebungsverfügung vom 13. August 2009 keinen Rechtsbehelf eingelegt, so dass die Verfügung in Bestandskraft erwachsen ist. Dieser vollstreckbare Verwaltungsakt bildete die Grundlage für die von der Bundespolizei eingeleiteten Maßnahmen; die Bestandskraft umfasst auch die materiellrechtliche Dimension des Verwaltungshandelns und begrenzt die verwaltungsgerichtliche Prüfungsreichweite im nachfolgenden Kostenerstattungsverfahren. Damit hätte der Kläger etwaige Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Zurückschiebung durch Anfechtung der Zurückschiebungsverfügung geltend machen müssen (allgemein zum Verhältnis einer Grundverfügung zu nachfolgenden Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung vgl. Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 m.w.N.).

13

Unerheblich ist, dass § 57 AufenthG a.F. bei unerlaubt eingereisten Ausländern eine Aufenthaltsbeendigung durch unmittelbare Vollstreckung der tatbestandlich vorausgesetzten und im genannten Kontext kraft Gesetzes vollziehbaren Ausreisepflicht ermöglichte, ohne dass es eines Grundverwaltungsaktes bedurfte. Es ist der Verwaltung nicht verwehrt, die Zurückschiebung im Vorfeld ihrer tatsächlichen Durchführung gegenüber dem Betroffenen in Form eines Verwaltungsakts zu verfügen und ihm auf diese Weise eine gerichtliche Klärung der für die Zurückschiebung relevanten und zwischen den Beteiligten streitigen Rechts- oder Tatsachenfragen zu ermöglichen (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Mai 2013, § 57 AufenthG Rn. 17; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2012, § 57 AufenthG Rn. 4). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsaktes zu bedienen, nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt werden muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (Urteil vom 7. Dezember 2011 - BVerwG 6 C 39.10 - BVerwGE 141, 243 = Buchholz 442.09 § 5a AEG Nr. 1, jeweils Rn. 14 m.w.N.).

14

2. Die Sicherungshaft beruhte im streitigen Zeitraum aber nicht auf einer rechtmäßigen richterlichen Anordnung.

15

2.1 Einer inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sicherungshaft im Kostenerstattungsverfahren steht nicht entgegen, dass sich das Verfahren bei aufenthaltsrechtlich begründeten Freiheitsentziehungen seit dem 1. September 2009 nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG - richtet (vgl. § 106 Abs. 2 AufenthG). Der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist in seinem Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 C 6.12 - (BVerwGE 144, 326 = Buchholz 402.242 § 66 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 22) davon ausgegangen, dass die Verwaltungsgerichte bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Haftanordnung jedenfalls dann nicht an die Entscheidungen der nach dem FamFG zuständigen ordentlichen Gerichte gebunden sind, wenn sie über die Kostenhaftung von Drittverpflichteten zu entscheiden haben, die nicht am Verfahren zur Verhängung der Haft beteiligt waren. Offengelassen wurde, ob dies auch bei Entscheidungen über die Kostenhaftung des Ausländers selbst gilt. Der Senat beantwortet diese Frage nunmehr dahingehend, dass auch in diesen Fällen keine Bindung besteht.

16

Ergibt sich bei einer Kette von Hoheitsakten eine Rechtswegaufspaltung, hat dies nicht automatisch zur Folge, dass es dem angerufenen Gericht verwehrt ist, Vorfragen zu prüfen, die, wären sie die Hauptfrage, in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichts fielen. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies schließt nach allgemeinem Verständnis auch rechtswegfremde Vorfragen ein, soweit gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist und die an sich zuständigen Gerichte über die streitige Vorfrage nicht mit materieller Rechtskraftbindung entschieden haben (vgl. Urteil vom 13. April 1978 - BVerwG 2 C 7.75 - Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 11).

17

Für eine gesetzliche Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Inzidentprüfung auch rechtswegfremder Vorfragen ist in Freiheitsentziehungssachen nichts ersichtlich. Der Gesetzgeber hat den ordentlichen Gerichten mit dem FamFG neben der Zuständigkeit für die Anordnung von Freiheitsentziehungen zwar auch den nachträglichen, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung gerichteten Rechtsschutz zugewiesen. Unmittelbarer Gegenstand im vorliegenden - nach § 40 Abs. 1 VwGO den Verwaltungsgerichten zugewiesenen - Verfahren ist aber nicht die amtsgerichtliche Haftverlängerung vom November 2009 und deren Rechtmäßigkeit, sondern die nachgelagerte Prüfung der Rechtmäßigkeit des gemäß §§ 66, 67 AufenthG erlassenen Leistungsbescheids über die Kosten der auf dieser richterlichen Anordnung beruhenden Haftunterbringung. Den einschlägigen Regelungen im FamFG zur Anordnung und Überprüfung von Freiheitsentziehungen ist nicht zu entnehmen, dass die Befugnis zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Haftanordnung auch dort, wo sie nur Vorfrage ist, generell dem Rechtsschutzverfahren vor den ordentlichen Gerichten vorbehalten ist. Hierfür finden sich auch in der Gesetzesbegründung zum FamFG keinerlei Anhaltspunkte. Danach sollte lediglich das FGG-Verfahren von Grund auf neu geregelt und auf den Standard eines modernen Prozessgesetzes gebracht werden (BTDrucks 16/6308 S. 1). Für eine Einschränkung der verwaltungsgerichtlichen Inzidentprüfungskompetenz besteht auch kein Bedürfnis, da die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung im Kostenerstattungsverfahren nur als Vorfrage zu prüfen ist und deren verwaltungsgerichtliche Beurteilung im Erstattungsverfahren weder in Rechtskraft erwächst noch sonst eine irgendwie geartete Gestaltungs- oder Feststellungswirkung äußert. Insbesondere ist ausgeschlossen, dass die Haftanordnung über die Inzidentkontrolle aufgehoben oder ihre Rechtswidrigkeit verbindlich festgestellt wird. Allein Erwägungen der Prozessökonomie und die größere Sach- und Ortsnähe der Amtsgerichte vermögen eine den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmende Ausnahme nicht zu rechtfertigen.

18

Auch die Rechtskraft steht einer Inzidentkontrolle der Haftanordnung im verwaltungsgerichtlichen Kostenerstattungsverfahren nicht entgegen, da die der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen nur in formelle (vgl. § 45 FamFG), nicht aber in materielle Rechtskraft erwachsen. Formelle Rechtskraft bedeutet, dass die Entscheidung durch ordentliche Rechtsmittel oder sonstige Rechtsbehelfe nicht oder nicht mehr angefochten werden kann. Das FamFG enthält hingegen keine den §§ 322, 325 ZPO entsprechende Vorschriften zur materiellen Rechtskraft. Erwächst eine Entscheidung in materielle Rechtskraft, hat das zur Folge, dass die entschiedene Frage von den an die Rechtskraft gebundenen Personen nicht einer neuerlichen richterlichen Nachprüfung unterbreitet werden darf („ne bis in idem-Gebot“). Sie dient der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden und der sinnvollen Begrenzung der Inanspruchnahme gerichtlicher Ressourcen, erstreckt sich auf den Inhalt der Entscheidung und legt fest, in welchem Umfang das Gericht und die Beteiligten in einem neuerlichen, auf dem gleichen Lebenssachverhalt beruhenden gerichtlichen Verfahren um dieselbe Rechtsfrage an die rechtskräftige Entscheidung gebunden sind. Inwieweit Entscheidungen nach dem FamFG der materiellen Rechtskraft fähig sind, muss nach überwiegender Auffassung von Fall zu Fall entschieden werden (vgl. im Einzelnen: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 45 FamFG Rn. 24 ff.). Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen erwachsen jedenfalls nicht in materielle Rechtskraft, denn eine sachlich nicht gerechtfertigte Inhaftierung ist zur Verwirklichung der Freiheitsgarantien des Art. 104 GG umgehend zu beenden, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die fehlende Berechtigung der Inhaftierung aus neuen Umständen oder daraus ergibt, dass sie nicht hätte angeordnet werden dürfen (BGH, Beschlüsse vom 18. September 2008 - V ZB 129/08 - InfAuslR 2010, 35 zum FEVG und vom 28. April 2011 - V ZB 292/10 - FGPrax 2011, 200 zum FamFG).

19

Damit ist im vorliegenden Kostenerstattungsverfahren unerheblich, dass der Kläger gegen den Haftverlängerungsbeschluss des Amtsgerichts vom November 2009 keine Beschwerde beim Landgericht eingelegt hat. Mit Ablauf der Rechtsmittelfrist ist die Entscheidung des Amtsgerichts lediglich in formelle Rechtskraft erwachsen, konnte also nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden. Eine inhaltliche Bindung an den Haftverlängerungsbeschluss des Amtsgerichts ist nicht eingetreten, so dass mangels einer materiell rechtskräftigen Entscheidung die Rechtmäßigkeit der Sicherungshaft im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bezüglich des Kostenheranziehungsbescheids zu überprüfen ist.

20

2.2 Zu Recht weist der Kläger daraufhin, dass die Haftunterbringung im hier streitigen Zeitraum schon deshalb rechtswidrig war, weil der Haftverlängerung vom November 2009 kein zulässiger Haftantrag zugrunde lag.

21

Nach § 417 Abs. 1 FamFG darf das für die Haftanordnung zuständige Gericht eine Freiheitsentziehung nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur dann, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Der Gesetzgeber hat sich - abweichend vom Vorschlag der Bundesregierung (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG, BTDrucks 16/6308 S. 291) - dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG, BTDrucks 16/9733 S. 299).

22

Nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG muss der Haftantrag Darlegungen zur Ausreisepflicht, zu den Ab- bzw. Zurückschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung/Zurückschiebung und zur notwendigen Haftdauer enthalten. Die vorgeschriebene Begründung muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen dürfen knapp sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Rückführung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in welches der Betroffene ab- bzw. zurückgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Rückführungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Notwendig sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11 - InfAuslR 2012, 25, vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10 - FGPrax 2012, 82, vom 20. März 2014 - V ZB 169/13 - juris und vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13 - InfAuslR 2014, 384).

23

Diesen gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt der Haftverlängerungsantrag der Bundespolizei vom 28. Oktober/3. November 2009 nicht. Er enthält keinerlei Angaben zur Durchführbarkeit der Zurückschiebung, insbesondere fehlen Darlegungen, welches Land für eine Zurückschiebung in Betracht kommen könnte und innerhalb welchen Zeitraums eine Zurückschiebung dorthin möglich wäre. Allein der pauschale Hinweis, dass weiterhin die Haftgründe gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 AufenthG vorlägen und die beantragte Haftdauer über die Frist von sechs Monaten auch verhältnismäßig sei, da der Betroffene nicht gewillt sei, an der Passersatzbeschaffung mitzuwirken, genügt hierfür nicht.

24

Mängel in der Antragsbegründung führen grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 a.a.O. m.w.N.). Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als eine Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist. Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum FGG-ReformG, BTDrucks 16/9733 S. 299). Die Begründung des Haftantrags ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags eine unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für die Entscheidung des Richters über den Haftantrag. Unvollständige, auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte Haftanträge sind vom Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BTDrucks 16/9733 S. 299).

25

Die Voraussetzungen, unter denen Mängel des Haftantrags nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 16. Juli 2014 a.a.O.) im gerichtlichen Verfahren - mit Wirkung für die Zukunft - geheilt werden können, liegen nicht vor. Weder hat die Beklagte ausweislich des Sitzungsprotokolls die fehlende Begründung durch ergänzende Angaben im Termin zur persönlichen Anhörung am 4. November 2009 nachgeholt noch hat das Amtsgericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in seinem Beschluss festgestellt. Dort findet sich lediglich die nicht näher dargelegte Behauptung, dass „nach den überzeugenden Ausführungen der Bundespolizei“ zu erwarten sei, dass die erneute Haft ausreichen werde, das erstrebte Ziel der Zurückschiebung durchzusetzen, und eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate möglich erscheine. Diese Leerformel sagt über die Durchführbarkeit der Zurückschiebung im konkreten Fall nichts aus. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss des Landgerichts vom 6. Oktober 2010 schon deshalb nicht geeignet ist, eine Heilung der Haftverlängerung vom November 2009 herbeizuführen, da er auf die Beschwerde des Klägers gegen die weitere Haftverlängerung vom Februar 2010 ergangen ist und folglich nicht die hier maßgebliche erste Haftverlängerung vom November 2009 betrifft.

26

2.3 Außerdem hätte dem Kläger spätestens zu Beginn seiner Anhörung im November 2009 eine Abschrift des Antrags der Bundespolizei ausgehändigt werden müssen.

27

Diese auch in Verfahren der Zurückschiebungshaft geltende Pflicht ergibt sich aus der allgemeinen Regelung in § 23 Abs. 2 FamFG. Danach soll das Gericht verfahrenseinleitende Anträge den übrigen Beteiligten übermitteln. Die Aushändigung des Antrags ist im Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich zu protokollieren (BGH, Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 222/09 - BGHZ 184, 323 <330>, vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11 - InfAuslR 2012, 369 und vom 11. Oktober 2012 - V ZB 274/11 - InfAuslR 2013, 77). Auch dieser Mangel kann im weiteren Verfahren - mit Wirkung für die Zukunft - geheilt werden, indem dem Betroffenen der Haftantrag nachträglich übermittelt und ihm durch eine erneute persönliche Anhörung Gelegenheit gegeben wird, sich zu dem ihm nunmehr bekannten Haftantrag zu äußern (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 127/12 - FGPrax 2014, 39).

28

Zu welchem Zeitpunkt das Amtsgericht hiernach dem Kläger den Verlängerungsantrag der Bundespolizei spätestens hätte übermitteln müssen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 1. Juli 2011 - V ZB 141/11 - InfAuslR 2011, 399 und vom 4. März 2010 a.a.O.), bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, da nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht grundsätzlich bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Berufungsgerichts dem Kläger der Antrag weder vor noch zu Beginn der Anhörung und auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt, unter Eröffnung einer Möglichkeit zur erneuten persönlichen Anhörung, übermittelt worden ist.

29

Die Nichtaushändigung des Haftverlängerungsantrags führt, jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen, ebenfalls zur Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den sich aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (Rückführungsrichtlinie) ergebenden Anforderungen an die richterliche Kontrolle der von einem Drittstaatsangehörigen gerügten Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör bei Entscheidungen zur Inhaftnahme nach Art. 15 dieser Richtlinie - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung - entschieden, dass die unterbliebene Aushändigung des Haftantrags nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit) führt, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Beschluss vom 16. Juli 2014 -V ZB 80/13 - InfAuslR 2014, 384). Es kann dahinstehen, ob eine derartige Kausalitätsprüfung auch in Altfällen geboten ist, in denen - wie im Fall des Klägers - die maßgebliche Haftentscheidung vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Rückführungsrichtlinie (24. Dezember 2010, vgl. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) ergangen ist. Denn angesichts der Mangelhaftigkeit des Haftantrags ist davon auszugehen, dass das Verfahren bei ordnungsgemäßer Aushändigung einer Abschrift dieses Antrags an den Kläger zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, die unterbliebene Aushändigung hier also selbst nach der einschränkenden neueren Rechtsprechung des BGH beachtlich ist. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den vom Kläger gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwänden.

30

3. Die Berufung des Klägers auf die Rechtswidrigkeit der Haftunterbringung ist entgegen der Auffassung der Beklagten weder rechtsmissbräuchlich noch stellt sie eine unzulässige Rechtsausübung dar.

31

Der Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit der Sicherungshaft im Kostenerstattungsverfahren steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit verschwiegen und bei der Beschaffung von Identitätspapieren nicht mitgewirkt hat. Selbst wenn der Kläger durch sein Verhalten mit dazu beigetragen haben sollte, dass er in Sicherungshaft genommen wurde, ist ihm eine Berufung auf die bei der Verlängerung der Freiheitsentziehung einzuhaltenden Verfahrensgarantien im nachgelagerten Kostenverfahren nicht verwehrt. Denn die Verletzung ausländerrechtlicher Mitwirkungspflichten enthebt die zuständige Behörde und das die Freiheitsentziehung anordnende Gericht nicht von der Verpflichtung zu rechtmäßigem Handeln (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn es darum geht, welche rechtlichen Konsequenzen hieraus gezogen werden dürfen. Insbesondere enthebt das Verhalten des Klägers die staatlichen Stellen nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der bei der Anordnung oder Verlängerung einer Freiheitsentziehung zum Schutz des Betroffenen einzuhaltenden verfahrensrechtlichen Garantien.

32

Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger gegen die Haftverlängerung vom November 2009 kein Rechtsmittel eingelegt hat. Schließt das einschlägige Recht eine Inzidentprüfung der Haftanordnung nicht aus, kann dem Betroffenen im Kostenerstattungsverfahren nicht entgegengehalten werden, dass er zuvor von der Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Haftanordnung keinen Gebrauch gemacht hat.

33

Dass der Kläger nicht zu den Kosten der rechtswidrigen Haftunterbringung herangezogen werden darf, führt auch nicht zu einer übermäßigen Belastung der Behörden. Ihren Interessen wird vor allem dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass im Kostenerstattungsverfahren die Rechtmäßigkeit der kostenverursachenden Amtshandlungen ex-ante aus Sicht der handelnden Behörde zu beurteilen ist.

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Befugnis des Eisenbahn-Bundesamtes, von der Klägerin, der ... , durch vollstreckbaren Bescheid Auskünfte einzufordern, um überprüfen zu können, ob die Klägerin entgegen dem in § 9 Abs. 1b AEG geregelten Verbot öffentliche Gelder aus ihrem Infrastrukturbereich in den Verkehrsbereich des DB Konzerns übergeleitet hat.

2

Nach dem Geschäftsbericht 2006 des DB Konzerns erhielten die Klägerin und zwei weitere Infrastrukturunternehmen des Konzerns im Berichtsjahr Investitionszuschüsse in einer Höhe von insgesamt 3,683 Milliarden Euro, wovon auf die Klägerin 3,226 Milliarden Euro entfielen. Nach den textlichen Erläuterungen dieser Zahlen handelte es sich um Zuschüsse von Dritten sowie um Bundeszuschüsse und Zuschüsse der Europäischen Union. Im Hinblick auf die Zuschüsse von Dritten unterschieden die Erläuterungen zwischen "Zuschüsse(n) von Dritten - AHK-mindernd" und "Zuschüsse(n) Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG (außer Bund)". Diese Darstellung wich von der Art der Zuschussausweisung im Geschäftsbericht 2005 des DB Konzerns ab. Dort waren die Zuschüsse zwar nicht bestimmten Unternehmen des DB Konzerns zugeordnet, im Übrigen aber nach ihren Beträgen in einer differenzierteren Weise ausgewiesen worden.

3

Auf Nachfrage des Eisenbahn-Bundesamtes legte die Klägerin zunächst eine Übersicht vor, in der die Zuschüsse für das Jahr 2006 in Anlehnung an die Darstellung in dem Geschäftsbericht 2005 ausgewiesen waren. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 bat das Eisenbahn-Bundesamt unter Verweis auf seine Aufgabe, die Einhaltung des Verbots der Überleitung öffentlicher Gelder aus § 9 Abs. 1b AEG aufsichtsbehördlich zu überwachen, um eine weitergehende Aufschlüsselung der Zuschüsse von Dritten des Geschäftsjahres 2006 nach Zuschussgebern und geförderten Projekten. Dies lehnte die Klägerin ab.

4

Daraufhin verpflichtete das Eisenbahn-Bundesamt die Klägerin mit auf § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG und §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1b AEG gestütztem Bescheid vom 28. Januar 2008 dazu, binnen eines Monats schriftlich Auskunft über die im Jahr 2006 erhaltenen "Zuschüsse von Dritten", "Zuschüsse von Dritten - AHK mindernd" und "Zuschüsse GVFG (außer Bund)", jeweils aufgeschlüsselt nach Zuschussgebern und der Nutzung in Einzelprojekten zu erteilen (Ziffern 1 bis 3 des Bescheids). Die in dem Bescheid ferner enthaltenen Anordnungen zur Angabe von Zahlungen im DB Konzern (Ziffern 4 und 5 des Bescheids) hat das Eisenbahn-Bundesamt im weiteren Verlauf des Verfahrens aufgehoben.

5

Die nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil und den angefochtenen Auskunftsbescheid aufgehoben: Für den Erlass dieses Bescheids stehe dem Eisenbahn-Bundesamt keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Die Vorschrift des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG verleihe ihm nicht die Befugnis, eine Auskunftsverpflichtung mit Hilfe eines Verwaltungsakts durchzusetzen. Auf § 5a Abs. 2 AEG könne es sein Auskunftsverlangen nicht stützen, da sich dieses im vorliegenden Fall als anlasslose Gefahrenabwehr- bzw. Gefahrerforschungsmaßnahme darstelle und als solche von der allgemeinen Befugnisnorm der Eisenbahnaufsichtsbehörde nicht gedeckt werde.

6

Zur Begründung ihrer von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend: Der angefochtene Auskunftsbescheid werde entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durch § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG getragen. Die Vorschrift ermächtige zum Erlass von Verwaltungsakten. Hierdurch werde dem in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91/440/EWG enthaltenen Verbot, zu Gunsten des Infrastruktur- oder des Verkehrsbereichs eines Eisenbahnunternehmens ausgekehrte öffentliche Gelder auf den jeweils anderen Bereich zu übertragen, zu praktischer Wirksamkeit verholfen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 2010 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. November 2009 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor, § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG sei keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Auskunftsbescheiden, sondern begründe nur Handlungspflichten der Aufsichtsadressaten, die der behördlichen Sachverhaltsermittlung zugeordnet seien und nur durch Erlass einer Ordnungsverfügung nach § 5a Abs. 2 AEG einseitig durchgesetzt werden könnten. Auch auf diese allgemeine Befugnisnorm könne der angegriffene Auskunftsbescheid aber nicht gestützt werden, weil die Vorschrift nicht zu einer verdachtsunabhängigen Kontrolle ermächtige, wie sie das Eisenbahn-Bundesamt vornehmen wolle. Zulässig seien allenfalls Gefahrerforschungseingriffe bei Anhaltspunkten für einen Gefahrenverdacht, an denen es hier fehle. Unabhängig von alledem erweise sich das Auskunftsverlangen als unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt den Ausführungen der Beklagten bei.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Auslegung des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG in seiner hier anwendbaren Fassung durch Art. 1 Nr. 3 des Fünften Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 16. April 2007 (BGBl I S. 522) hätte das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückweisen müssen.

12

Die mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Verpflichtung zur Auskunftserteilung berührt den Rechtskreis der Klägerin in Gestalt der ihr als Eisenbahninfrastrukturunternehmen zustehenden Handlungs- und Organisationsfreiheit, die von dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vorausgesetzt wird (vgl. Urteil vom 18. Mai 2010 - BVerwG 3 C 21.09 - BVerwGE 137, 58 = Buchholz 442.09 § 9a AEG Nr. 1 Rn. 20). Die gesetzliche Grundlage, die hierfür nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erforderlich ist, bildet die Vorschrift des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG. Diese Bestimmung ermächtigt das gemäß § 5 Abs. 1a Nr. 1a, Abs. 2 Satz 1 AEG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEVVG für die Eisenbahnaufsicht über die Eisenbahnen des Bundes zuständige Eisenbahn- Bundesamt zum Erlass von Auskunftsbescheiden (1.). Sie verpflichtet die Klägerin auch materiell-rechtlich, die verlangten Auskünfte zu erteilen (2.).

13

1. Die Berechtigung des Eisenbahn-Bundesamtes, auf der Grundlage des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG Auskünfte durch Verwaltungsakt einzufordern, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (a)). Bereits der Wortlaut des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG legt die Annahme dieser Befugnis nahe (b)). Nach der historischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Norm unterliegt sie keinem Zweifel (c) bis e)).

14

a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26. Januar 1993 - BVerwG 1 C 25.91 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 5 S. 8, Beschluss vom 5. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 5.10 - juris Rn. 11 - für Handlungs- und Duldungspflichten; Urteile vom 22. November 1994 - BVerwG 1 C 22.92 - BVerwGE 97, 117 <119 ff.> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 12 S. 25 ff., vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <3 f.> = Buchholz 402.240 § 84 AuslG Nr. 2 S. 6 f. und vom 3. März 2011 - BVerwG 3 C 19.10 - NVwZ 2011, 1193 ff. - für Leistungsbescheide; Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 8 C 105.83 - BVerwGE 72, 265 <266 ff.> = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 94 S. 13 ff., Beschluss vom 10. Oktober 1990 - BVerwG 1 B 131.90 - Buchholz 451.20 § 34c GewO Nr. 4 S. 2 f.; Urteile vom 9. Mai 2001 - BVerwG 3 C 2.01 - BVerwGE 114, 226 <227 f.> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 187 S. 22 f., vom 24. Oktober 2002 - BVerwG 7 C 9.02 - BVerwGE 117, 133 <134 f.> = Buchholz 406.25 § 18 BImSchG Nr. 2 S. 2 und vom 22. Oktober 2003 - BVerwG 6 C 23.02 - BVerwGE 119, 123 <124 f.> = Buchholz 442.066 § 90 TKG Nr. 1 S. 2 - für feststellende Verwaltungsakte) ist anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktbefugnis), nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt.

15

Dieses Verständnis steht nicht in Widerspruch zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Gesetzesbestimmtheit, das den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ergänzt und konkretisiert (vgl. Urteil vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <349> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 71 S. 25). Diesem Gebot ist Genüge getan, wenn die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise den Regelungsinhalt einer Rechtsnorm erkennen können. Auch hierfür ist hinreichend, dass sich der Norminhalt im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1977 - 1 BvR 799/76 - BVerfGE 45, 400 <420>; BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2003 a.a.O. S. 128 bzw. S. 4 f.).

16

b) Wenngleich § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG nicht ausdrücklich zum Erlass von Auskunftsbescheiden ermächtigt, weist doch bereits der Gesetzeswortlaut deutlich in diese Richtung.

17

Die Vorschrift ist aus der Sicht der von ihr in Anspruch genommenen Adressaten - das sind diejenigen des § 5a Abs. 2 AEG, die in der hier anwendbaren Gesetzesfassung noch im Einzelnen aufgezählt werden - formuliert. Diese und die für sie tätigen Personen haben den Eisenbahnaufsichtsbehörden und ihren Beauftragten alle für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Es liegt nahe, von der derart beschriebenen Auskunftspflicht der verantwortlichen Unternehmen bzw. der für sie tätigen Personen auf eine entsprechende, in der Form des Verwaltungsakts wahrnehmbare behördliche Auskunftserhebungsbefugnis zu schließen (so Hermes/Schweinsberg, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2006, § 5a Rn. 44 f.; dem Sinn nach auch: Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2004, § 5a Rn. 14).

18

Dieser Schluss wird für vergleichbar formulierte Vorschriften - etwa § 29 Abs. 1 GewO und § 12 Abs. 5 GüKG - ohne Weiteres gezogen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Bd. 1, Stand: Mai 2011, § 29 Rn. 13; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 29 Rn. 12; Hein/Eichhoff/Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsrecht, 4. Aufl., Bd. 3, Stand 2010, § 12 GüKG Anm. 16). Der Umstand, dass nach diesen Vorschriften Auskünfte nur auf behördliches Verlangen erteilt werden müssen, stellt keinen erheblichen Unterschied im Vergleich zum Gesetzeswortlaut des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG dar. Denn durch die in dieser Vorschrift nicht enthaltene Wendung wird lediglich klargestellt, dass die Auskunftsverpflichteten nicht von sich aus tätig werden müssen (vgl. Ennuschat, a.a.O. § 29 Rn. 12; Marcks, a.a.O. § 29 Rn. 6). Sie stellt zwar ein Indiz für die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis dar, ist für deren Annahme jedoch nicht ausschlaggebend.

19

Hinzu kommt, dass § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG die Pflicht zur Erteilung von Auskünften als Mittel zur Durchführung der Eisenbahnaufsicht umschreibt. Dem Rechtsbegriff der Aufsicht entspricht es, dass Pflichten von Privatpersonen gegenüber der Aufsichtsbehörde von dieser in der Form des Verwaltungsakts durchgesetzt werden können. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 13. Oktober 1994 - BVerwG 7 VR 10.94 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 3 S. 7) für die Eisenbahnaufsicht bereits vor Erlass der Auskunftsnorm des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG der Sache nach festgestellt.

20

c) Entstehungsgeschichtlich kann die Einfügung des § 5a Abs. 5 AEG in das Allgemeine Eisenbahngesetz durch Art. 1 Nr. 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2191) als Reaktion des Gesetzgebers auf die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die die mangelnde Stringenz der bis dahin geltenden Regelungen hinsichtlich der Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden verdeutlicht hatte, angesehen werden (zu diesem Zusammenhang: Kramer, in: Kunz , Eisenbahnrecht, Bd. 1, Stand: 1. Juni 2011, § 5a AEG Rn. 1; Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger, a.a.O. § 5a Rn. 11).

21

Dementsprechend lassen die Gesetzesmaterialien das Ziel des Gesetzgebers, § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG als eine den Erlass von Verwaltungsakten umfassende Befugnisnorm auszugestalten, deutlich erkennen. Die Begründung des Gesetzentwurfs bezeichnet in ihrem allgemeinen Teil die Normierung der bisher nur bruchstückhaft geregelten Eingriffskompetenzen der Eisenbahnaufsichtsbehörden als eines der mit der Novellierung verfolgten wesentlichen Ziele. Sie wendet sich sodann diesen Kompetenzen im Einzelnen zu und benennt als erstes § 5a Abs. 2 AEG, der den Behörden die Befugnis verleihe, den Eisenbahnen zur Durchführung der Aufsicht die erforderlichen Anweisungen zu geben. In der Reihung folgt § 5a Abs. 4 AEG mit der Anmerkung, die Eisenbahnen müssten den Aufsichtsbehörden das Betreten ihrer Räumlichkeiten und Anlagen und die Einsichtnahme in ihre Geschäftsunterlagen gestatten. Sie hätten zudem - so die anschließende Beschreibung des nicht ausdrücklich bezeichneten § 5a Abs. 5 AEG - alle für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Nachweise zu erbringen, Hilfsmittel zu stellen und Hilfsdienste zu leisten. Die Aufzählung schließt mit dem Hinweis auf das - in dem wiederum nicht ausdrücklich benannten § 5a Abs. 7 AEG (nunmehr: § 5a Abs. 9 AEG) - vorgesehene Zwangsgeld zur Durchsetzung der erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen (BTDrucks 14/6929 S. 12).

22

Für den gesetzgeberischen Willen, eine Verwaltungsaktbefugnis - auch - für die behördliche Erhebung von Auskünften zu verleihen, spricht ferner, dass in dem besonderen Teil der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, die Regelung des § 5a Abs. 5 AEG entspreche derjenigen des § 12 Abs. 5 GüKG, wobei das Verlangen der Eisenbahnaufsichtsbehörden durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das jeweils Erforderliche eingeschränkt sei (BTDrucks 14/6929 S. 15). Wie bereits dargelegt, wird die derart in Bezug genommene Vorschrift des § 12 Abs. 5 GüKG, nach deren Nr. 1 den Beauftragten des Bundesamts für Güterverkehr auf Verlangen Auskünfte zu erteilen sind, als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Verwaltungsakten verstanden. Beachtenswert ist weiter, dass der im Normtext des § 5a Abs. 5 AEG nicht verwandte, für die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis indizielle Begriff des Verlangens jedenfalls in die Gesetzesbegründung für diese Vorschrift Eingang gefunden hat.

23

d) Aus der Gesetzessystematik ergibt sich ebenfalls, dass § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG zum Erlass von Auskunftsverwaltungsakten ermächtigt.

24

Nach der Überschrift des § 5a AEG regelt diese Bestimmung einerseits die Aufgaben und andererseits die Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden. Während die Aufgaben in Absatz 1 umschrieben werden, findet sich in Absatz 2 zunächst die allgemeine Befugnisnorm der Eisenbahnaufsicht, auf deren Grundlage nach einhelliger Ansicht eisenbahnspezifische Rechtspflichten durch den Erlass von gebietenden oder verbietenden Verwaltungsakten durchgesetzt werden können (vgl. nur: Hermes/Schweinsberg, a.a.O. § 5a Rn. 33; Kramer, a.a.O. § 5a AEG Rn. 9). Das Vorhandensein einer solchen ausdrücklichen Ermächtigungsnorm steht allgemein (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 1994 a.a.O. S. 8, Urteil vom 22. November 1994 a.a.O. S. 121 bzw. S. 26 f.) und so auch hier der Auslegung weiterer Vorschriften im Sinne impliziter Ermächtigungen nicht entgegen. Sie finden sich in § 5a AEG für spezielle Regelungsbereiche in den Absätzen 4, 5 und 6 und enthalten ebenso wie die allgemeine Eingriffsbefugnis des Absatzes 2 die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten. Dies verdeutlicht § 5a Abs. 7 AEG (nunmehr: § 5a Abs. 9 AEG), der ohne Unterschied die Eisenbahnaufsichtsbehörden zur Durchsetzung ihrer Anordnungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung ermächtigt. Als weiterer, in dieselbe Richtung weisender Aspekt aus der Binnensystematik des § 5a AEG tritt hinzu, dass Absatz 3, der sich mit den kompetenzmäßigen Auswirkungen der in § 5 Abs. 1c AEG geregelten sog. netzbezogenen Aufsicht befasst, unter anderem ausdrücklich die Befugnisse nach § 5a Abs. 5 AEG in Bezug nimmt.

25

Das Gebot zur Auskunftserteilung in § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG ist danach systematisch als eine in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren in der Form des Verwaltungsakts isoliert durchsetzbare Pflicht und nicht als bloße Mitwirkungslast oder Obliegenheit im Rahmen eines anderen, etwa auf der Grundlage des § 5a Abs. 2 AEG durchzuführenden Verfahrens ausgestaltet.

26

Etwas anderes folgt nicht aus einem gesetzessystematischen Vergleich mit den regulierungsrechtlichen Auskunftsnormen des Telekommunikations-, Post- und Energierechts, die in Gestalt der §§ 127 Abs. 2 TKG, 45 Abs. 2 PostG und 69 Abs. 7 EnWG die Befugnis zum Erlass von Auskunftsbescheiden ausdrücklich einräumen (vgl. zu § 45 Abs. 2 PostG: Urteil vom 20. Mai 2009 - BVerwG 6 C 14.08 - Buchholz 442.041 PostG Nr. 10 Rn. 10). Ein hieran geknüpfter Umkehrschluss, aus § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG könne eine solche Befugnis mangels wörtlicher Erwähnung nicht hergeleitet werden, ginge bereits im Ansatz fehl. Zwar steht das eisenbahnrechtliche Verbot der Überleitung öffentlicher Gelder, auf das sich das behördliche Auskunftsverlangen im vorliegenden Fall bezieht, als Teil der Entflechtungsvorschriften der §§ 9, 9a AEG in einem auch regulierungsrechtlichen Kontext. Der Gesetzgeber hat die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften gleichwohl nicht nach Maßgabe der §§ 14b ff. AEG, 4 Abs. 1 BEVVG der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen als Regulierungsbehörde übertragen, sondern der allgemeinen Eisenbahnaufsicht anheimgegeben, für die auf Bundesebene das Eisenbahn-Bundesamt zuständig ist. Dem Gesetzgeber stand diese Entscheidung frei. Es stünde in Widerspruch zu ihr, im Rahmen der Ausübung der allgemeinen Eisenbahnaufsicht auf spezifisch regulierungsrechtliche Verfahrensvorschriften abzustellen. Denn diese Aufsicht ist nicht regulierungsrechtlich geprägt, sondern besteht gemäß § 5a Abs. 1 AEG "insbesondere" in der Gefahrenabwehr und der Untersuchung gefährlicher Ereignisse. Sie ist nach hierauf ausgerichteten einheitlichen Maßstäben wahrzunehmen.

27

e) Auch nach dem Sinn und Zweck des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG ist die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis zur Erhebung von Auskünften sinnvoll und geboten.

28

§ 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG erlegt den Aufsichtsunterworfenen die Pflicht zur Erteilung der für die Aufsichtsdurchführung erforderlichen Auskünfte auf. Die Vorschrift wurde, wie dargelegt, zum Zweck der Effektuierung der Eingriffskompetenzen der Aufsichtsbehörden geschaffen. In Anbetracht dieses Gesetzeszwecks ist nicht nachvollziehbar, dass es den Aufsichtsbehörden verwehrt sein sollte, sich die Informationen, ohne die sie ihrer gesetzlichen Überwachungsaufgabe nicht nachkommen können, auf möglichst einfache, effektive und zugleich einen wirksamen Rechtsschutz gewährleistende Weise - eben durch den Erlass von vollstreckbaren Auskunftsbescheiden - zu verschaffen. In einer Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen sind diese Informationen notwendig, um den zuständigen Behörden überhaupt erst die Prüfung zu ermöglichen, ob es geboten ist, auf der Grundlage des § 5a Abs. 2 AEG Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die eisenbahnrechtlichen Vorschriften im Sinne des § 5 Abs. 1 AEG zu treffen.

29

Der auf die Stärkung der Eisenbahnaufsicht zielende Normzweck des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG, der die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis rechtfertigt, erlangt dann besondere Bedeutung, wenn die Aufsicht auf die Einhaltung eisenbahnrechtlicher Vorschriften des Unionsrechts oder in Umsetzung des Unionsrechts ergangener Regelungen gerichtet ist. Nach dem Grundsatz des effet utile ist dem Unionsrecht praktische Wirksamkeit zu verschaffen (zum effet utile im Eisenbahnrecht: Urteil vom 18. Mai 2010 a.a.O. Rn. 28). In dem zur Entscheidung stehenden Fall ist eine solche Konstellation gegeben, da das in § 9 Abs. 1b AEG enthaltene eisenbahnrechtliche Verbot der Überleitung öffentlicher Gelder in Umsetzung der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl Nr. L 237 S. 25) ergangen ist.

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2. Die Klägerin ist nach § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG materiell-rechtlich zur Erteilung der Auskünfte verpflichtet, die das Eisenbahn-Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid eingefordert hat. Für den Erlass eines solchen Bescheids bedarf es keines konkreten Anlasses bzw. Verdachts (a)). Die von dem Eisenbahn-Bundesamt begehrten Auskünfte sind auch im Sinne der Vorschrift für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlich (b)).

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a) Ein Auskunftsverlangen der Eisenbahnaufsichtsbehörde nach § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG setzt nicht voraus, dass ein konkreter Anlass im Sinne des Verdachts einer Verletzung der dem Verlangen zu Grunde liegenden Verpflichtung - hier des Verbots der Überleitung öffentlicher Gelder aus § 9 Abs. 1b AEG - besteht.

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Nach dem Wortlaut der Vorschrift besteht eine derartige Voraussetzung nicht. Aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt sich ebenfalls kein Anhalt dafür, dass über den Gesetzeswortlaut hinaus in dem beschriebenen Sinn ein besonderer Anlass als Anknüpfungspunkt für ein Auskunftsbegehren zu fordern wäre.

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Die Gesetzessystematik spricht deutlich gegen eine entsprechende Verengung des Anwendungsbereichs der Auskunftsnorm. Die Eisenbahnaufsicht ist zwar, wie bereits ausgeführt, gefahrenabwehrrechtlich geprägt, jedoch nicht entsprechend beschränkt. Aus der Verwendung der Formulierung "insbesondere" in der Beschreibung der Aufgaben der Eisenbahnaufsichtsbehörden in § 5a Abs. 1 AEG ergibt sich für die in den folgenden Absätzen der Vorschrift geregelten Befugnisse, dass über den Kernbereich der reinen Gefahrenabwehr hinausgehend systematische, stichprobenartige Überprüfungen sowie verdachts- und anlass-unabhängige Kontrollen zulässig und geboten, weil dem Begriff der Aufsicht immanent sind (Hermes/Schweinsberg, a.a.O., § 5a Rn. 5, 7 und 43; Kramer, a.a.O., § 14c AEG Rn. 6; der Sache nach bereits: Beschluss vom 13. Oktober 1994 a.a.O. S. 7). Diese Gesetzesverständnis wird durch den Umstand bestätigt, dass die Auskunftspflicht aus § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG zwar in der Regel diejenigen Unternehmen und Personen treffen wird, die auch Adressaten der jeweils durchzusetzenden materiellen Verpflichtungen - hier des § 9 Abs. 1b AEG - sind, dass dieser Zusammenhang jedoch nicht zwingend ist, vielmehr Auskünfte auch bei Dritten erhoben werden können (Hermes/Schweinsberg, a.a.O., § 5a Rn. 46).

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Nur die Annahme einer Kompetenz der Eisenbahnaufsichtsbehörden zur anlasslosen Auskunftserhebung sichert schließlich die Wirksamkeit der Aufsicht und entspricht damit dem Normzweck des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG. Je nach dem Ergebnis der ohne Anlass durchgeführten Auskunftserhebung wird in der Folge ein Anlass für weitere Maßnahmen nach § 5a Abs. 2 AEG bestehen oder aber von ihnen abzusehen sein.

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b) Indem § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG die Auskunftspflicht der Normadressaten auf die für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte beschränkt, nimmt er auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne Bezug (vgl. BTDrucks 14/6929 S. 15).

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Die mit dem noch streitgegenständlichen Teil des angefochtenen Bescheids verlangten Auskünfte sind für die Kontrolle des Überleitungsverbots öffentlicher Gelder aus § 9 Abs. 1b AEG geeignet, weil die Zuordnung empfangener Zuschussbeträge an bestimmte Zuschussgeber und an konkrete Nutzungen jedenfalls den Ausgangspunkt einer Überprüfung im Hinblick auf einen eventuellen Mittelabfluss aus dem Infrastrukturbereich der Klägerin in den Verkehrsbereich des DB Konzerns bildet.

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Die geforderten Auskünfte sind auch für die Aufsichtstätigkeit des Eisenbahn-Bundesamts erforderlich, weil sie mit dieser in einem innerem Zusammenhang stehen und die behördliche Aufgabenerfüllung erleichtern (vgl. zu diesem Maßstab: Kramer, a.a.O., § 5a AEG Rn. 24). Die Auskunftserhebung führt nicht dazu, dass die Verwendung, der die Klägerin die empfangenen Zuschüsse zugeführt hat, einer doppelten Kontrolle - zunächst nach haushaltsrechtlichen Vorschriften und sodann im Hinblick auf das Überleitungsverbot des § 9 Abs. 1b AEG - unterzogen wird. Bei der haushaltsrechtlichen Verwendungsprüfung einerseits und der Kontrolle des Verbots der Überleitung öffentlicher Gelder im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Entflechtungsvorschriften andererseits handelt es sich um selbstständige Rechtsinstitute mit einem jeweils eigenen Prüfungsansatz. Zur Einführung des letztgenannten Instituts war der nationale Gesetzgeber auf Grund des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91/440/EWG unionsrechtlich verpflichtet. Eine Rechtfertigung dafür, seine Anwendung im Wege einer teleologischen Reduktion einzuschränken, ist nicht erkennbar.

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Schließlich besteht kein Anhaltspunkt für eine Unangemessenheit der Auskunftserhebung. Die mit ihr verbundene Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Klägerin ist von geringer Intensität. Auf Grund der erhaltenen Informationen kann das Eisenbahn-Bundesamt weitere Maßnahmen nur nach Maßgabe der einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen - insbesondere des § 5a Abs. 2 AEG - ergreifen.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.