Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 01. Sept. 2015 - 2 E 4806/15
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der zulässige Antrag, mit dem der am 26. August 19... geborene Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihn zum Beginn des Schuljahres 2015/2016 vorläufig in die zehnte Klasse zurückzustufen und seiner Umschulung in die private Stadtteilschule Y zuzustimmen, hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Vor-aussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller Umstände glaubhaft macht, aufgrund derer er dringend auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen ist (Anordnungsgrund) und aus denen er in der Hauptsache einen Anspruch herleitet (Anordnungsanspruch).
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Vorliegend ist weder für den Zurückstufungsantrag, der eine Wiederholung der Klassenstufe 10 beinhaltet (1.), noch für den Umschulungsantrag (2.) ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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1. Die Antragsgegnerin hat den von der sorgeberechtigten Mutter unter dem 2. Juli 2015 gestellten Antrag auf Wiederholung der Klasse 10 auf der Stadtteilschule Y mit Bescheid vom 17. Juli 2015 zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller, der den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss erworben und im Schuljahr 2014/2015 die Klasse 10 besucht hat ohne den Mittleren Schulabschluss zu erwerben, besitzt keinen Anspruch auf Fortsetzung seines Schulverhältnisses. Gemäß § 1 Satz 4 HmbSG ergeben sich individuelle Ansprüche aus dem in § 1 Satz 1 HmbSG beschriebenen Recht auf schulische Bildung nur dann, wenn diese nach Voraussetzungen und Inhalt in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes bestimmt sind. Der Antragsteller kann nach den Vorgaben der einschlägigen Ausbildungs- und Prüfungsordnung in der zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gültigen Fassung (a.) nicht zurückgestuft werden, um die Klasse 10 zu wiederholen (b.). Auch nach der bis zum 31. Juli 2015 gültigen Rechtslage hatte der Antragsteller keinen Anspruch auf Wiederholung der 10. Klassenstufe (c.).
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a. Ob der Antragsteller die Jahrgangsstufe 10 im Schuljahr 2015/2016 wiederholen kann, bemisst sich nach einer aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung des § 45 Abs. 4 HmbSG erlassenen Rechtsverordnung, der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (vom 22.7.2011, HmbGVBl S. 325, zuletzt geändert am 16.7.2015 mit Wirkung vom 1.8.2015, HmbGVBl S. 178, APO-GrundStGy). Maßgeblich für die Beurteilung des vorliegenden Antrags ist die APO-GrundStGy in der seit dem 1. August 2015 geltenden Fassung, wonach die Anforderungen an die Wiederholung der 10. Klassenstufe durch verschiedene Neuregelungen verschärft worden sind (z.B. Streichung des § 12 Abs. 3 APO-GrundStGy a.F.; Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeit in § 12 Abs. 3 APO-GrundStGy n.F. auf einmaliges Wiederholen; Erhöhung der Mindestanforderungen nach § 12 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 APO-GrundStGy n.F.; Ausschluss der Wiederholung nach § 12 Abs. 3 Satz 5 APO-GrundStGy n.F. in den Fällen des § 4 Abs. 3 oder § 25 Abs. 2). Denn bei dem gestellten Antrag auf Rückstufung, d.h. auf Wiederholung einer Klassenstufe, handelt es sich um ein Verpflichtungsbegehren, bei dessen Beurteilung in der Hauptsache in der Regel die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts maßgeblich ist (BVerwG, Urt. v. 13.6.2013, 10 C 25/12, juris Rn. 8; Urt. v. 14.3.1961, I C 48.57, juris Rn. 8), d.h. im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der gegenwärtige Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Anderes gilt, wenn sich aus den im Einzelfall anzuwendenden materiell-rechtlichen Vorschriften ergibt, dass auf einen früheren Zeitpunkt - z.B. auf den Zeitpunkt der Antragstellung - abzustellen ist (stRspr. BVerwG, Beschl. v. 30.1.2014, 7 B 21/13, juris Rn. 8 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Gesetzesänderung zum 1. August 2015 - d.h. gemäß § 36 Abs. 1 HmbSG zum Beginn des neuen Schuljahrs - in Kraft tritt, beinhaltet keine Regelung für noch nicht bestandskräftig beschiedene Anträge auf Wiederholung einer Klassenstufe aus dem Schuljahr 2014/2015 wie den hier vorliegenden Fall. Insoweit fehlen entsprechende Übergangsvorschriften.
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Verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung der nachteiligen Rechtsänderungen auf Schüler, die im Schuljahr 2015/2016 die 10. Klassenstufe wiederholen möchten und deren Anträge nach der Rechtsänderung noch anhängig sind.
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Zwar dürfte der Fall einer unechten Rückwirkung, d.h. der tatbestandlichen Rückanknüpfung vorliegen, da die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen, d.h. vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. August 2015 liegenden Verhaltens nachträglich belastend geändert wird, aber die Rechtsfolgen erst nach der Verkündung der geänderten Norm eintreten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.5.2012, 2 BvL 5/10, juris Rn. 73). Denn die Möglichkeit der Wiederholung der 10. Klassenstufe hängt nach § 12 APO-GrundStGy von Ereignissen und Leistungen ab, die im vergangenen Schuljahr, das bis zum 31. Juli 2015 lief, erbracht wurden, somit von einem in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Sachverhalt. Die Rechtsfolge, d.h. die Umsetzung der begehrten Wiederholung der Klassenstufe tritt jedoch erst nach dem 1. August 2015 ein.
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Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 2.5.2012, a.a.O., juris Rn. 73 – 74) hat zur Zulässigkeit der unechten Rückwirkung ausgeführt:
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„Dagegen ist die "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung") nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).
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Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Dabei sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <18>).“
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Im vorliegenden Fall begegnet die Zulässigkeit der Rechtsänderung unter tatbestandlicher Rückanknüpfung keinen rechtlichen Bedenken, denn ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere für die Gewährung von Ansprüchen (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2012, 1 BvR 488/10 u.a., juris Rn. 28). Dem Normgeber ist es nach diesen Maßstäben nicht verwehrt, angesichts der Kosten des Schulbesuchs und des nicht unstreitigen pädagogischen Nutzens einer Rückstufung die Voraussetzungen für die Wiederholung der 10. Klasse für Schülerinnen und Schüler, die bereits einen Schulabschluss erreicht haben, zu erschweren. Demgegenüber ist ein schutzwürdiges Vertrauen der Schüler auf die Beibehaltung der bisherigen Wiederholungsmöglichkeiten nicht zu erkennen, da sie allein durch den Schulbesuch und die Erbringung bestimmter Leistungen keine schutzwürdigen Dispositionen im Hinblick auf die Wiederholungsmöglichkeiten getroffen haben. Vor diesem Hintergrund war der Normgeber auch nicht verpflichtet, für den Anspruch auf Wiederholung einer Klasse im Schuljahr 2015/2016 nach § 12 APO-GrundStGy eine Übergangsregelung zu treffen.
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Die Verschärfung des § 12 APO-GrundStGy zum 1. August 2015 verstößt auch nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze des Prüfungsrechts.
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So liegt eine gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßende und damit unzulässige wesentliche Änderung von Prüfungsbedingungen in einem laufenden Prüfungsverfahren im Sinne der im Prüfungsrecht gebildeten Maßstäbe nicht vor (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14.6.1963, VII C 32.74, juris). Zwar würde die Wiederholung der 10. Klassenstufe auch eine Wiederholung des Mittleren Schulabschlusses ermöglichen, da nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrundStGy am Ende der Jahrgangsstufe 10 alle Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule und des Gymnasiums mit positivem Prognosevermerk im Halbjahreszeugnis an der Prüfung zum Mittleren Schulabschluss teilnehmen, so dass die Rechtsänderung auch als eine Änderung der Prüfungsanforderungen anzusehen sein dürfte. Die hohen Maßstäbe der zum Prüfungsrecht bei berufsbezogenen Prüfungen ergangenen Rechtsprechung sind jedoch nicht unmittelbar anwendbar, da es sich bei dem angestrebten Mittleren Schulabschluss an einer allgemeinbildenden Schule nicht um eine berufsbezogene Prüfung handelt. Denn der Erwerb des Mittleren Schulabschlusses ist auch auf anderem Weg als durch die Wiederholung der 10. Klassenstufe an einer allgemeinbildenden Schule möglich, etwa durch die Absolvierung einer Berufsausbildung und Erfüllung bestimmter Anforderungen an den Abschluss an der Berufsschule (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 2 HmbSG) oder durch den Besuch einer Abendschule (§ 25 Satz 2 HmbSG).
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Dementsprechend besteht auch anders als bei berufsbezogenen Prüfungen, deren Nichtbestehen für den Prüfling eine subjektive Berufszulassungsschranke und damit einen erheblichen Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit darstellt, kein Anspruch auf zumindest einmalige Wiederholung des Mittleren Schulabschlusses unter fortgesetzter Beschulung an einer allgemeinbildenden Schule (vgl. zum Wiederholungsanspruch bei berufsbezogenen Prüfungen Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 48 m.w.N.).
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Ob der Zeitpunkt der Antragstellung im Einzelfall maßgeblich sein kann, wenn die Behörde die begehrte Erlaubnis nach bisheriger Rechtslage pflichtwidrig verzögert hat (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 24.6.2014, 4 Bs 279/13, juris Rn. 7), kann dahinstehen. Denn hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat den am 2. Juli 2015 gestellten Antrag auf Wiederholung der Klassenstufe 10 mit Bescheid vom 17. Juli 2015, also ohne pflichtwidrige Verzögerung, abgelehnt.
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b. Unter Anwendung der seit dem 1. August 2015 maßgeblichen Fassung der APO-GrundStGy besitzt der Antragsteller keinen Anspruch auf Wiederholung der 10. Jahrgangsstufe. Weder erfüllt er wegen des bereits erreichten Leistungsstands die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 APO-GrundStGy (aa.), noch kann er wegen einer erheblichen Erschwernis im vergangenen Schuljahr seinen Wiederholungsanspruch auf § 12 Abs. 2 APO-GrundStGy stützen (bb.).
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aa. Der Antragsteller kann die Jahrgangsstufe 10 nicht nach § 12 Abs. 4 APO-GrundStGy wegen des bereits erreichten Leistungsstands wiederholen. Der Wiederholungsanspruch erfordert nach § 12 Abs. 3 Satz 1 APO-GrundStGy die Prognose, dass der Schüler die bisher nicht erreichte Versetzung in die gymnasiale Oberstufe bzw. – hier relevant – einen höheren Schulabschluss erreichen wird. Dies setzt nach § 12 Abs. 3 Satz 2 APO-GrundStGy voraus, dass die Leistungen des Antragstellers 1. in zwei der Fächer Deutsch, Mathematik und einer an der Stadtteilschule spätestens ab Jahrgangsstufe 9 unterrichteten Sprache mindestens mit der Note „ausreichend“ (4), 2. in insgesamt höchstens vier Fächern mit der Note „mangelhaft“ (5) und 3. in keinem Fach mit der Note „ungenügend“ (6) bewertet wurden. Die Note „mangelhaft“ (5) in einem naturwissenschaftlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Lernbereich entspricht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 APO-GrundStGy der Note „mangelhaft“ in zwei Fächern. Die an der Stadtteilschule in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 vergebenen Noten, die sich auf die erste Anforderungsebene der Bildungspläne beziehen (G-Noten), sind bei der Beurteilung des Anspruchs auf Wiederholung einer Klassenstufe nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 7 APO-GrundStGy auf die abschlussbezogenen Noten des Mittleren Schulabschlusses (MSA) umzurechnen.
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Danach erfüllt der Antragsteller die genannten Anforderungen nicht, denn er hat nach dem Jahrgangszeugnis vom 15. Juli 2015 im Schuljahr 2014/2015 folgende Noten erzielt:
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Deutsch:
G2 - entspricht im MSA: 4
Mathematik:
G3 - entspricht im MSA: 5
Englisch:
G2 - entspricht im MSA: 4
Biologie:
G4 - entspricht im MSA: 6
Chemie:
G4 - entspricht im MSA: 6
Physik:
G3 - entspricht im MSA: 5
Arbeit und Beruf:
G2 - entspricht im MSA: 4
Lernbereich Gesellschaft:
G2 - entspricht im MSA: 4
Philosophie:
G4 - entspricht im MSA: 6
Sport:
E4 - entspricht im MSA: 3
Natur und Technik:
G4 - entspricht im MSA: 6
Kunst:
G2 - entspricht im MSA: 4
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Auch ohne die doppelte Wertung der Noten „mangelhaft“ und „ungenügend“ nach § 12 Abs. 3 Satz 3 APO-GrundStGy sind die Voraussetzungen der Ziffern 2 und 3 des § 12 Abs. 3 Satz 2 APO-GrundStGy nicht gegeben. Denn die Leistungen des Antragstellers wurden nicht nur viermal, sondern sechsmal mit „mangelhaft“ (5) oder schlechter bewertet, davon in vier Fällen mit „ungenügend“ (6).
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bb. Der Antragsteller kann eine Wiederholung auch nicht aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 1 APO-GrundStGy beanspruchen. Nach dieser Vorschrift können Schülerinnen und Schüler eine Jahrgangsstufe wiederholen, wenn ihre bisherige Lern- und Leistungsentwicklung aufgrund längerer Krankheit oder wegen anderer schwerwiegender Belastungen erheblich erschwert war und zu erwarten ist, dass sie in der nachfolgenden Jahrgangsstufe besser gefördert werden können und den bisher noch nicht erreichten Schulabschluss bzw. die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe erreichen.
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Aufgrund der zur Begründung des Wiederholungsantrags und der ergänzenden Begründung des Widerspruchs und des Eilantrags vorgebrachten Umstände ist bereits nicht glaubhaft gemacht, dass die bisherige Lern- und Leistungsentwicklung aufgrund längerer Krankheit oder wegen anderer schwerwiegender Belastungen erheblich erschwert war. Soweit die Mutter des Antragstellers im Antrag vom 2. Juli 2015 vorgetragen hat, der Antragsteller sei aus psychischen Gründen nicht in der Lage gewesen, sein Leistungspotential abzurufen, da er u.a. von seinem älteren Bruder für dumm erklärt worden sei und sein Vater beruflich bedingt häufig abwesend gewesen sei, genügen diese Ausführungen nicht, um die geforderte einen Leistungseinbruch verursachende schwerwiegende Belastung glaubhaft zu machen. Die im Schuljahr 2014/2015 aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach einer Polypenoperation sind nicht glaubhaft gemacht worden; insoweit sind entsprechende Fehlzeiten nicht ersichtlich. Da sich bereits aus dem Halbjahreszeugnis der 9. Jahrgangsstufe vom 29. Januar 2014 die Prognose ergibt, der Antragsteller werde bei gleichbleibender Leistungsentwicklung voraussichtlich den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss erreichen, drängt sich auch kein unerwarteter, krankheitsbedingter Leistungsabfall in der 10. Jahrgangsstufe auf. Im Übrigen wäre auch unter Berücksichtigung des unter aa. geschilderten Leistungsstands eine positive Prognose für das Erreichen des Mittleren Schulabschlusses im Schuljahr 2015/2016 zweifelhaft.
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c. Auch nach der bis zum 31. Juli 2015 gültigen Fassung des § 12 APO-GrundStGy besäße der Antragsteller keinen Anspruch auf Genehmigung der Klassenwiederholung.
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Die Anforderungen des § 12 Abs. 2 APO-GrundStGy a.F. erfüllt er – wie dargestellt – schon mangels glaubhaft gemachten deutlichen Leistungsabfalls aufgrund besonderer Belastung nicht, so dass es auf die zum 1. August 2015 eingeführte Leistungsprognose nicht ankommt.
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Auch nach § 12 Abs. 4 APO-GrundStGy a.F. könnte er keine Wiederholung der 10. Klasse beanspruchen. Zwar sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 Satz 2 APO-GrundStGy a.F. im Fall des Antragstellers gegeben, da seine Leistungen in den Fächern Deutsch und Englisch mit „ausreichend“ bewertet worden sind. Da die Voraussetzungen in § 12 Abs. 4 Satz 2 APO-GrundStGy a.F. jedoch als Mindestvoraussetzungen für die nach § 12 Abs. 4 Satz 1 APO-GrundStGy a.F. zu treffende Leistungsprognose bezogen auf den angestrebten Schulabschluss bzw. die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe zu verstehen sind (ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 7.10.2014, 1 Bs 192/14 und ausführlich VG Hamburg, Beschl. v. 28.8.2014, 2 E 3929/14), kommt es maßgeblich darauf an, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller nach dem zuletzt gezeigten Leistungsstand im folgenden Schuljahr den Mittleren Schulabschluss erreichen wird. Eine positive Prognose dieser Art dürfte nicht zu treffen sein. Denn weder nach den in § 30 APO-GrundStGy a.F. noch nach den Voraussetzungen der (für den vorliegenden Fall zum 1.8.2015 nicht entscheidungserheblich geänderten) Fassung des § 30 APO-GrundStGy vom 1. August 2015 wäre eine positive Prognose zu treffen. Der Antragsteller ist nach dem gezeigten, oben beschriebenen Leistungsstand weit davon entfernt, in allen Fächern die Note „ausreichend“ zu erhalten (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 APO-GrundStGy). Eine Bewertung mit „ungenügend“ dürfte er nur ausgleichen, wenn er daneben keine Bewertung mit „mangelhaft“ oder schlechter hätte (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 APO-GrundStGy). Dies würde einen erheblichen Leistungssprung erfordern, da der Antragsteller von den zwölf Bewertungen vier mit „ungenügend“ und zwei mit „mangelhaft“ erhalten hat.
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2. Auch hinsichtlich seines Begehrens auf vorläufige Genehmigung des Schulwechsels zu einer privaten allgemeinbildenden Schule besitzt der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch. Gemäß § 42 Abs. 7 Satz 4 HmbSG kann die Antragsgegnerin Schülerinnen und Schüler aus schulorganisatorischen Gründen unter Berücksichtigung altersangemessener Schulwege in die gleiche Klasse einer gleichartigen Schule umschulen. Unter welchen Voraussetzungen danach oder nach anderen Normen ein Anspruch eines Schülers auf den gewünschten Schulwechsel besteht und ob diese im Fall des Antragstellers erfüllt wären, kann vorliegend dahinstehen. Denn der Antragsteller ist zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr Schüler einer allgemeinbildenden Schule. Er ist vielmehr gemäß § 28 Abs. 6 Satz 1 und 3 HmbSG nach dem Besuch der 10. Jahrgangsstufe der Z-Schule und dem Erreichen des ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses aus einer allgemeinbildenden Schule entlassen worden und hat ein Abschlusszeugnis erhalten. Die Wiederholung der 10. Jahrgangsstufe mit dem Ziel, den Mittleren Schulabschluss zu erreichen, wurde ihm zu Recht versagt; auf eine vorläufige Zurückstufung in die Klassenstufe 10 hat der Antragsteller keinen Anspruch (siehe oben unter 1.). Ohne den Verbleib an einer allgemeinbildenden Schule kommt jedoch kein Schulwechsel in Betracht.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die Kammer bewertet die Begehren auf Klassenwiederholung und auf Umschulung als jeweils selbständig im Sinne des 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (i.d.F. vom 19.7.2013, NVwZ-Beil. 2013, 57). In Anlehnung an Nr. 38.4, 38.5, 1.5 des Streitwertkatalogs werden die Einzelstreitwerte in der Hauptsache mit dem Regelstreitwert bemessen und wird der sich nach der Addition der Einzelstreitwerte ergebende Betrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Hälfte angesetzt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.8.2009, 1 Bs 159/09, juris Rn. 10).
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Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.