Tenor

Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 21. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 sind rechtswidrig gewesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Einziehung ihres Reisepasses und ihres Personalausweises vor dem Hintergrund des Verlustes ihrer deutschen Staatsangehörigkeit.

2

Sie wurde am ... Januar 1952 in Boyabat in der Türkei geboren. Im Alter von 6 Monaten verlor sie ihre Eltern und wuchs fortan zusammen mit ihrer älteren Schwester bei Verwandten auf. Die Mädchen mussten schon früh in der Landwirtschaft arbeiten und erhielten keine angemessene Schulbildung. 1969 heiratete die Klägerin ihren ebenfalls in der Türkei geborenen Ehemann C..., mit dem zusammen sie seit 1971 in Deutschland lebt und drei erwachsene Söhne hat. Beide waren in Deutschland als Arbeitnehmer tätig. Herr C... ist bereits seit Ende der Neunzigerjahre schwer an Schizophrenie erkrankt und deshalb vermutlich geschäftsunfähig. Allerdings wurde erst im April 2013 für ihn ein Betreuer, einer seiner Söhne, bestellt.

3

Am 19. Oktober 2001 wurde die Klägerin zugleich mit ihrem Ehemann auf ihren Antrag hin in Deutschland eingebürgert. Am 22. Oktober 2001 erhielt sie sowohl einen deutschen Personalausweis als auch einen deutschen Reisepass.

4

Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, das den jüngsten Sohn der Eheleute, C..., betraf, wurde der Behörde für Inneres ein türkischer Einwohnermelderegisterauszug (Nüfus Kayit Örnegi) der Stadt Bursa/Landkreis Osmangazi vom 21. November 2006 vorgelegt. Hierin war angegeben, dass die Klägerin am 20. April 2001 die Erlaubnis erhalten hatte, die türkische Staatsangehörigkeit abzulegen, und dass ihr am 22. November 2001 eine Bescheinigung über den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit ausgehändigt worden sei. Am 9. März 2002 sei sie unter Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen worden.

5

Mit Schreiben vom 21. Mai 2007 teilte die Beklagte die Klägerin mit, ihr sei von der Behörde für Inneres mitgeteilt worden, dass sie wieder die türkische Staatsangehörigkeit erworben habe. Damit habe sie nach § 25 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Die Angabe zu ihrer Staatsangehörigkeit sei im Melderegister nach § 5 b Abs. 1 Hamburgisches Meldegesetz (HmbMG) berichtigt worden. Aufgrund des Verlustes der Staatsangehörigkeit seien die auf sie ausgestellten Personaldokumente der Bundesrepublik Deutschland nach § 7 Nr. 3 Hamburgisches Personalausweisgesetz (in der bis 8. Februar 2011 geltenden Fassung - HmbPersAuswG) bzw. § 11 Nr. 2 Passgesetz (in der bis 31. Oktober 2010 geltenden Fassung - PassG) ungültig geworden. Sie fordere die Klägerin nach § 8 Nr. 1 HmbPersAuswG bzw. § 15 Nr. 1 PassG auf, die beiden auf sie ausgestellten deutschen Personaldokumente unverzüglich abzugeben.

6

Mit Schreiben vom 25. Mai 2007 bestritt die anwaltlich vertretene Klägerin, einen Antrag auf die Wiedererteilung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt zu haben. Sie habe keine Kenntnis von dem Vorgang und schon gar kein Ausweispapier der Türkei erhalten. Ihr sei auch nicht mitgeteilt worden, dass ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden sei.

7

Unter dem 18. Juni 2007 erwiderte die Beklagte, dass ihr ein türkischer Familienregisterauszug vorliege, der den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit der Klägerin am 9. März 2002 bestätige. Nach § 25 Abs. 1 StAG sei damit die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch untergegangen.

8

Unter dem 26. Juli 2007 teilte die Klägerin mit, sich mit der Bitte um Aufklärung wegen des vermeintlichen Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit an das türkische Generalkonsulat gewandt zu haben. Dieses beantwortete ihre Anfrage aber nicht.

9

Mit Schreiben vom 8. Mai 2008 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Abgabe ihrer deutschen Personalpapiere und drohte Vollstreckung an.

10

Am 27. Februar 2009 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und legte eine beglaubigte Übersetzung eines Auszugs aus dem türkischen Personenstandsregister mit Datum vom 11. August 2008 vor, wonach hinsichtlich beider Ehegatten unter dem 3. Oktober 2007 das türkische Innenministerium die Genehmigung zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit erteilt habe und am 1. Februar 2008 – mit Aushändigung der Austrittsurkunde – der Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit eingetreten sei. Anlässlich dieser Vorsprache wurde der Klägerin ihr deutscher Personalausweis abgenommen und in Verwahrung genommen.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009, zugestellt am 29. Mai 2009, wies die Beklagte den Widerspruch unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück: Der Widerspruch vom 21. Mai 2007 sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin sei verpflichtet, ihre deutschen Personalpapiere zum Zwecke der Einziehung abzugeben. Hinsichtlich des Reisepasses folge dies aus §§ 11 Nr. 2, 12 Abs. 1 PassG. Gemäß § 11 Nr. 2 PassG sei ein Pass ungültig, wenn Eintragungen unzutreffend seien. Dies sei hier zu bejahen, weil ein deutscher Pass grundsätzlich nur einem Deutschen erteilt werden dürfe (§ 1 Abs. 4 S. 1 PassG), so dass Personaleintragungen in einem solchen Pass im Sinne von § 11 Nr. 2 PassG unzutreffend würden, wenn der Passinhaber kein deutscher Staatsangehöriger mehr sei. Das sei vorliegend der Fall, weil die Klägerin ihre durch Einbürgerung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren habe. Gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StAG verliere ein Deutscher grundsätzlich seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf Antrag erfolge; die Ausnahmeregelungen des § 25 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 StAG kämen hier nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 StAG seien erfüllt, da die Klägerin ausweislich des türkischen Melderegisterauszugs aus dem Jahr 2006 bereits 2002 wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen und ausweislich des Auszugs von 2009 im Jahr 2008 daraus wieder entlassen worden sei. Über den Anlass der Wiederaufnahme in die türkische Staatsangehörigkeit gebe das Dokument zwar keine Auskunft. Es bestehe aber kein Grund zur Annahme, dass die Wiedereinbürgerung ohne Zutun oder gegen den Willen der Klägerin erfolgt sei. Möglicherweise sei der Antrag auf spätere Wiedererteilung der türkischen Staatsangehörigkeit bereits anlässlich des Antrags auf Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt worden. auch könne die erneute Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit zum 1. Februar 2008 den zwischenzeitlich eingetretenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht mehr revidieren. Gemäß § 12 Abs. 1 PassG könne ein ungültiger Pass eingezogen werden. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei eine Einziehung auch vorzunehmen, denn es widerspreche öffentlichem Interesse, wenn Personen nicht deutscher Staatsangehörigkeit sich durch Vorlage eines deutschen Passes Dritten gegenüber amtlich als vermeintliche Deutsche auswiesen. Ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Klägerin am Fortbesitz des unrichtig gewordenen Passes sei demgegenüber nicht zu erkennen. Bezüglich des Personalausweises ergebe sich die Verpflichtung zur Herausgabe aus dem Umstand, dass gemäß § 1 PersAuswG ausschließlich für Personen deutscher Staatsangehörigkeit die Inhaberschaft eines Personalausweises vorgesehen sei. Ein Nichtdeutscher dürfe daher keinen auf ihn lautenden Personalausweis besitzen.

12

Am 29. Juni 2009 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben: Die Forderung der Beklagten, ihre deutschen Personalpapiere abzugeben, sei rechtswidrig, denn es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, ihr die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Sie versichere an Eides statt, dass sie im Rahmen der Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft 2002 die türkische Botschaft nur aufgesucht habe, um dort die türkische Staatsbürgerschaft abzulegen. Im Rahmen dieses Termins seien ihre türkischen Ausweisdokumente ungültig gemacht worden. Sie habe zu keinem späteren Zeitpunkt die türkische Botschaft aufgesucht und zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt. Dieses könne ein instruierter Vertreter der Republik Türkei bezeugen. Sie habe auf dem Konsulat einfach die Zettel, die sie in Hamburg von der Einbürgerungsstelle erhalten habe, vorgelegt und gesagt, dass sie in Deutschland eingebürgert werden wolle. Der Konsulatsbeamte habe dann Formulare ausgefüllt und ihr die Stelle gezeigt, wo sie unterschreiben solle. Sie könne nicht lesen und schreiben und habe deshalb die Formulare nicht lesen können. Sie habe in ihrem Leben lediglich ein Jahr eine Dorfschule besucht und schon als Kind in der Landwirtschaft arbeiten müssen. Sie habe auch später nur einfache Arbeiten ausgeübt und sei schon mit 17 Jahren die Ehe eingegangen. Die Formulare seien ihr auch nicht vorgelesen worden. Aus Scham habe sie nicht auf ihr Analphabetentum hingewiesen. Auch habe es keine ausführliche Besprechung im Konsulat aus Anlass der Ausbürgerung gegeben. Sollte man sie auf eine Wiedereinbürgerung in die Türkei hingewiesen haben, habe sie das nicht verstanden. Ihr seien auch keine Kopien von Unterlagen mitgegeben worden. Einige Zeit später habe sie Post vom Konsulat bekommen, sei hiermit zum Einbürgerungsamt gegangen und habe alles dort abgegeben. Papiere, die die Einbürgerung in Deutschland hätten hindern können, könnten nicht dabei gewesen sein. Sie sei damals in Begleitung ihres Ehemannes, der aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen vermutlich noch weniger verstanden habe als sie, auf dem Konsulat gewesen. Seit 2001 sei sie nicht wieder im Konsulat gewesen. Sie habe auch keine Einbürgerungsurkunde und keinen neuen Ausweis oder Pass erhalten. Erst als sie im Jahr 2007 aufgefordert worden sei, ihre deutschen Papiere abzugeben, habe sie sich wieder an das Konsulat gewandt, diesmal mithilfe ihres Anwalts. Auch jetzt habe das Konsulat keine Unterlagen oder Passdokumente hinsichtlich der Wiedereinbürgerung im Jahr 2001 herausgegeben. Wiederum habe man ihr Formulare vorgelegt, die sie habe unterschreiben sollen. Vermutlich sei ihr deshalb später ein Nüfus erteilt worden. Spätere anwaltliche Versuche, Information vom Konsulat zu bekommen, hätten bisher nichts erbracht. Anlässlich zweier Vorsprachen mit ihrer Anwältin und ihrem Sohn als Dolmetscher im September 2013 und im März 2014 sei ihr gesagt worden, dass sie keine Akteneinsicht bekommen könne, denn sie sei ja nicht mehr türkische Staatsangehörige und die Akten seien geschlossen. Ihr sei lediglich ein Melderegisterauszug ausgehändigt worden, der die schon bekannten Daten wiedergebe.

13

Die Klägerin beantragt nunmehr,

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festzustellen, dass der Bescheid vom 21. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 rechtswidrig gewesen sind.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung machte sie ergänzend geltend, dass der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch Dokumente amtlich bestätigt worden sei. aus welchen Gründen die Wiedereinbürgerung erfolgt sei, entziehe sich ihrer Kenntnis, sei aber auch unerheblich. Der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit führe automatisch zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Einer Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit bedürfe es dabei nicht. Im Übrigen sei die Beklagte nicht davon überzeugt, dass die Klägerin tatsächlich Analphabetin sei. Sie habe im Einbürgerungsverfahren einen handschriftlich verfassten Lebenslauf eingereicht. Aus wessen Hand er stamme, könne ihm allerdings nicht entnommen werden. Selbst wenn sie Analphabetin sei, sei ihr nicht zu glauben, dass sie über einen Wiedereinbürgerungsantrag nicht informiert gewesen sei oder ihn nicht jedenfalls billigend in Kauf genommen habe. Sie sei offenbar selbstständig in der Lage gewesen, für sich und ihren Ehemann ein Einbürgerungsverfahren in Gang zu setzen und erfolgreich zu betreiben. Dies sei kaum vorstellbar, wenn sie tatsächlich des Lesens und Schreibens vollständig unkundig sei. Auch sei davon auszugehen, dass sie sich bei Angehörigen oder Bekannten erkundigt habe und deshalb bei der Vorsprache im Konsulat nicht völlig ahnungslos gewesen sei. Es sei damals dort Praxis gewesen, den türkischen Staatsangehörigen bei Beantragung der Ausbürgerung die sofortige Stellung eines Wiedereinbürgerungsantrages zu raten. Es sei nicht ersichtlich, warum nicht auch die Klägerin einen derartigen Hinweis erhalten habe. Auch sei ihr nicht zu glauben, dass sie die ihr vorgelegten Dokumente unterschrieben habe, ohne sich zuvor über deren Inhalt Gewissheit zu verschaffen. Mittlerweile dürften die zurückgeforderten Papiere ohnehin abgelaufen sein, so dass dem Rechtsstreit kaum noch Bedeutung zukomme.

18

Am 27. September 2013 stellte die Klägerin einen erneuten Antrag auf Einbürgerung, über den noch nicht entschieden wurde.

19

Mit Beschluss vom 7. März 2014 ist der Rechtsstreit auf die Vorsitzende als Einzelrichterin übertragen worden.

20

Am 3. April 2014 ist in der Sache mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen. Die Sachakten der Beklagten sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage der Klägerin ist mittlerweile als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthaft, da sich die ursprüngliche Anfechtungsklage erledigt hat. Sie ist auch zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes hat.

22

Die ursprünglich gegen die Einziehung der deutschen Personalpapiere aufgrund Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit gerichtete Anfechtungsklage hat sich aufgrund des Ablaufes jener Ausweispapiere der Klägerin am 22. Oktober 2011 erledigt. Sowohl der Personalausweis als auch der deutsche Pass der Klägerin waren auf 10 Jahre befristet. Nach Ablauf dieser Frist ist sowohl der Personalausweis als auch der Pass ungültig. Nach § 29 Abs. 1 des ab 2010 geltenden Personalausweisgesetzes des Bundes - PAuswG - wie auch nach § 12 PassG können die ungültigen Ausweispapiere eingezogen werden. Allein die Ungültigkeit rechtfertigt somit jetzt die angegriffene Einziehung und hat sich damit vor das hier im Zentrum des Rechtsstreits stehende Problem der Staatsangehörigkeit der Klägerin geschoben, auf dass es deshalb nicht mehr ankäme. Es ist auch nicht zu erkennen, welches rechtliche Interesse die Klägerin jetzt noch am Behalt der abgelaufenen Ausweispapiere haben sollte, so dass der Anfechtungsklage kein Rechtsschutzinteresse mehr zur Seite steht (vgl. entsprechend OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.11.1985, 18 A 823/84, NJW 86, 2590 f.).

23

Effektiver Rechtsschutz verlangt allerdings, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet ist, die Position eines Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (BVerwG, Urteile vom 20.6.2013, 8 C 39/12, juris Rn. 19, und vom 16.5.2013, 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 ff., juris Rn. 32).

24

Ein solches Feststellungsinteresse ist hier gegeben. Es folgt daraus, dass nach Erledigung des mit dieser Klage angefochtenen Verwaltungsaktes eine andere Behörde über die bereits hier entscheidungserhebliche Frage des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin auf deren Antrag hin eine gesetzlich gebotene Entscheidung zu treffen hätte (vgl. dazu m.w.N. BVerwG, Beschluss vom 27.9.1993, 1 B 73/93, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 261, juris Rn. 6). Das Feststellungsinteresse lässt sich in einem solchen Fall regelmäßig daraus herleiten, dass ein obsiegendes Urteil auch gegenüber der nunmehr zuständigen Behörde von Nutzen wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behörde durch das Urteil gebunden wird, wenn jedenfalls zu erwarten ist, dass sie der Entscheidung des Gerichts folgt (BVerwG a.a.O.). Hier stünde der Klägerin zwar die Möglichkeit offen, von der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, die Feststellung zu fordern, dass sie weiterhin die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Dieses Begehren ist gegebenenfalls durch eine Verpflichtungsklage geltend zu machen (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.2.2014, 19 E 51/14, juris Rn. 5 ff.). Dieselbe Rechtsfrage steht jedoch bereits im Zentrum dieses Verfahrens, das schon fast fünf Jahre bei Gericht anhängig ist. Auch steht der Behörde insoweit kein Ermessensspielraum zu, da der Verlust der Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 S. 1 StAG von Gesetzes wegen eintritt. Da Beklagte in jedem Fall die Freie und Hansestadt Hamburg ist und schon deshalb erwartet werden kann, dass die Behörde für Inneres die Feststellungen eines stattgebenden Urteils gegenüber dem Bezirksamt Bergedorf beachten wird, bedarf es keines weiteren, möglicherweise wiederum langwierigen Rechtsstreits, sondern die Rechtsfrage kann im anhängigen Verfahren abschließend geklärt werden.

II.

25

Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid vom 21. Mai 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 sind rechtswidrig gewesen (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Denn die Klägerin war nicht verpflichtet, ihren deutschen Pass und ihren Personalausweis zum Zwecke der Einziehung an die Beklagte herauszugeben, da sie ihre durch Einbürgerung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nicht wieder verloren hat.

26

Als Verlusttatbestand kommt lediglich § 25 Abs. 1 S. 1 StAG in Betracht. Hiernach verliert ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt ist.

27

Unzweifelhaft und unstreitig ist die Klägerin durch Einbürgerung am 19. Oktober 2001 deutsche Staatsangehörige geworden.

28

Außerdem steht aufgrund der vorliegenden türkischen Einwohnermelderegisterauszüge (Nüfus Kayit Örnegi) fest, dass sie am 9. März 2002 unter Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen worden ist. Dass die Klägerin glaubhaft vorträgt, ihr sei keinerlei Nachweis der Wiedereinbürgerung (zum Beispiel ein Einbürgerungsbescheid oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde) zugestellt worden, steht dem nicht entgegen, da nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsgesetz die Wirkung der Einbürgerungsentscheidung mit dem Datum der Entscheidung des Ministerrats eintritt und nicht von einer Zustellung eines Einbürgerungsbescheids abhängt (ausführlich dazu: VG München, Urteil vom 5.10.2009, M 25 K 08.2073, juris Rn. 19). Auch macht der spätere nochmalige Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit im Jahr 2008 den vorherigen Wiedererwerb nicht rückwirkend ungeschehen. Selbst dann, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit rückwirkend aufgegeben wird, lebt die deutsche Staatsangehörigkeit nicht automatisch wieder auf, sondern ihr Verlust bleibt vom späteren Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit unberührt (vgl. Marx, GK-StAR § 25 Rn. 43, 46).

29

Die Klägerin vermochte das Gericht jedoch davon zu überzeugen, dass die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit nicht auf einen Antrag im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StAG zurückzuführen war:

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1. Insoweit stehen dem Gericht als Erkenntnismittel allerdings lediglich die Aussagen der Klägerin selbst sowie einige allgemein bekannte Umstände der damaligen Einbürgerungspraxis der Türkei zur Verfügung. Auf Beweismittel aus der Sphäre des türkischen Generalkonsulats hat das Gericht keinen Zugriff. Nach Art. 44 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen sind Mitglieder eines konsularischen Postens nicht verpflichtet, Zeugenaussagen über Angelegenheiten zu machen, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen oder die darauf bezüglichen amtlichen Korrespondenzen und Schriftstücke vorzulegen. Sie sind auch berechtigt, die Aussage als Sachverständige über das Recht des Staates zu verweigern. Ausländische Behörden sind deshalb nur dann zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet, wenn – was im Hinblick auf die Türkei nicht der Fall ist - völkerrechtliche Vereinbarungen bestehen (BVerwG, Beschluss vom 22.5.2008, 5 B 27/08, juris Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 22.9.2008, 5 ZB 07.1031, juris Rn. 11; Beschluss vom 28.1.2009, 5 ZB 07. 2080, juris Rn. 10). Entsprechend ist kein Fall bekannt, in dem ein türkisches Konsulat in Deutschland die Umstände der Wiedereinbürgerung eines türkischen Staatsangehörigen durch Zeugenaussagen oder Vorlage von Originalen oder Kopien der maßgeblichen Antragsformulare konkretisiert hätte (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16.9.2008, 5 ZB 07.243, juris Rn 10, Beschluss vom 22.9.2008, 5 ZB 07.1031, juris Rn. 10, Beschluss vom 28.1.2009, 5 ZB 07. 2080, juris Rn. 10; VG Würzburg, Urteil vom 15.10.2008, W 6 K 07.1028, juris Rn. 20).

31

Da somit die Aufklärung der maßgeblichen Vorgänge, die zudem lange zurückliegen, weitgehend auf der Grundlage bloßen Klägervortrags erfolgen muss, gewinnt die Darlegungs- und Beweislast an Bedeutung. Zwar gilt allgemein der Grundsatz, dass für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der Bürger beweispflichtig ist, für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in der Regel aber die Behörde die objektive Beweislast trägt (m.w.N. BVerwG, Urteil vom 29.9.2010, 5 C 20/09, NVwZ-RR 2011, 212 ff., juris Rn. 24; Beschluss vom 16.1.1992, 9 B 192/91, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 46, juris Rn. 14). Deshalb wird auch vertreten, dass die materielle Beweislast für die Erweislichkeit der Freiwilligkeit der Antragstellung i.S. von § 25 Abs. 1 S. 1 StAG bei der Behörde liegen soll (Marx, GK-StAR § 25 Rn. 57 m.w.N.). Insoweit ist die Beweislast aber umzukehren und vorrangig der Bürger hat die für die Unfreiwilligkeit der Wiedereinbürgerung sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen:

32

Die Möglichkeiten, eine innere Tatsache, wie es die Freiwilligkeit meist ist, zu beweisen, sind für die Gegenseite ohnehin beschränkt. Zudem ist davon auszugehen, dass die allermeisten in Deutschland eingebürgerten Türken ihren Antrag auf Wiedereinbürgerung in die Türkei bewusst und freiwillig - wenn vielleicht häufig auch in Verkennung der Folgen für den Erhalt der gerade erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit - gestellt haben, weil sie über beide Staatsangehörigkeiten verfügen wollten. Eine unfreiwillige Antragstellung ist deshalb ein seltener Ausnahmefall, so dass hier die Regeln des Anscheinsbeweises heranzuziehen sind. Dieser greift bei formelhaften, typischen Geschehensabläufen, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Ablauf hinweist. Der Beweispflichtige braucht in diesen Fällen nur diesen Tatbestand darzutun. Es ist dann Sache desjenigen, der einen vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Gang des Geschehens behauptet, die ernstliche Möglichkeit eines solchen darzulegen, wobei eine bloße vage, nicht ernstliche Möglichkeit eines derart abweichenden Verlaufs den Anscheinsbeweis nicht zu entkräften vermag (vgl. BayVGH, Urteil vom 22.3.1999, 11 B 96.2183, DVBl. 199, 1218 f., juris Rn. 42). Hat ein türkischer Staatsangehöriger jedoch greifbare Anhaltspunkte für einen irrtümlichen oder rechtswidrig aufgedrängten Staatsangehörigkeitserwerb geliefert, ist dies geeignet, den mit der Vorlage des türkischen Personenstandsregisterauszugs bewirkten Beweis des ersten Anscheins durch die ernsthafte Möglichkeit eines vom Regelfall abweichenden Geschehensablaufs im konkreten Fall zu entkräften. Damit muss das Verwaltungsgericht mangels weiterer Aufklärung des Sachverhalts nach der materiellen Beweislast entscheiden. Hat der betroffene Kläger alles ihm zumutbare zur Aufklärung der Umstände beigetragen, liegt diese bei der Behörde (so auch BayVGH, Beschluss vom 28.1.2009, 5 ZB 07.2080, juris Rn. 11 f.)

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2. In Anwendung dieser Grundsätze kommt das Gericht in tatsächlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im türkischen Generalkonsulat einen förmlichen Wiedereinbürgerungsantrag unterzeichnet hat, ohne dies zu wissen und zu wollen. Zweifelsfrei nachweisen lässt sich dieses naturgemäß nicht, da objektive Beweismittel nicht zugänglich sind. Die besonderen Umstände dieses Falles genügen jedoch, um einen besonders gelagerten Einzelfall annehmen zu können, in dem die Vermutung einer freiwilligen Antragstellung nicht greift. Etwaige verbleibende Zweifel gehen damit zulasten der Beklagten.

34

Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin nur einmal - am 20. April 2001 - zusammen mit ihrem kranken Mann beim Generalkonsulat der Republik Türkei in Hamburg vorgesprochen hat. Grund für den Besuch war, dass sie im Hinblick auf die damals begehrte Einbürgerung eine Bescheinigung über den Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit vorzulegen hatte. Das Ausscheiden aus der türkischen Staatsangehörigkeit musste sie förmlich beantragen. Da der Ehemann der Klägerin bereits schwer geistig erkrankt war und sie selbst nicht lesen und schreiben kann, trug sie ihr Begehren mündlich vor. Mehrere Formulare wurden von den Mitarbeitern des Generalkonsulats für die Eheleute ausgefüllt und mussten nur noch unterschrieben werden. Aufgrund der vorbezeichneten Einschränkungen konnten beide Eheleute die Formulare nicht lesen und verstehen, sondern haben sich darauf verlassen, dort die zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit notwendigen Unterschriften geleistet zu haben.

35

Der Umstand, dass die Klägerin nach der beantragten Ausbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit wieder erlangt hat, ist dadurch zu erklären, dass sie neben dem Ausbürgerungsformular auch ein Wiedereinbürgerungsformular unterzeichnet hat. Zwar ist nicht gänzlich auszuschließen, dass die Klägerin sogar ohne Antrag wieder eingebürgert wurde (siehe so z.B. Senol in Jurblog.de, 26.5.2005). Dies ist aber sehr unwahrscheinlich. Zuverlässige Quellen bestätigen ein solches Handeln der türkischen Konsulate nicht. Praktisch auszuscheiden hat auch, dass allein eine einzige Unterschrift sowohl die Ausbürgerung als auch die Einbürgerung deckte, so dass die Stellung des Wiedereinbürgerungsantrags praktisch unvermeidlich war. Denn dann müssten praktisch alle Türken, die in jener Zeit ausgebürgert worden sind, hiernach auch wieder eingebürgert worden sein, was wiederum zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt hätte. Dies ist aber nicht der Fall gewesen. In fünf Jahren (2000 – 2004) sollen 40.000 – 50.000 Türken einen Wiedereinbürgerungsantrag gestellt haben (Deutscher Bundestag, Drs. 15, 4496 S. 1 f., und Drs. 15/5006, S. 3). Bei damals knapp 800.000 Einbürgerungen und einem Anteil der Türken von etwa ¼ sind in jenem Zeitraum jedoch rund 200.000 türkische Staatsangehörige deutsche Staatsangehörige worden (vgl. zu den Zahlen Worbs, Die Einbürgerung von Ausländern in Deutschland, Working Paper 17 des Forschungsgruppe des Bundesamtes, 2. Aufl. 2008, Internet), also die vierfache Menge an Personen. Deshalb ist auch hier anzunehmen, dass die Klägerin einen separaten förmlichen Antrag auf Wiedereinbürgerung unterzeichnet hat.

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Der Klägerin ist jedoch zu glauben, dass sie nicht gemerkt hat, einen solchen Antrag unterschrieben zu haben, und ein solches auch nicht gewollt hat.

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Dass ihr ein solcher Antrag unaufgefordert vorgelegt wurde, erscheint nicht als zweifelhaft. Seit jeher ist ein großes Interesse vieler türkischer Staatsangehöriger zu erkennen, neben der deutschen ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit zu behalten. Allein dies rechtfertigte es damals aus türkischer Sicht, das Wiedereinbürgerungsformular auch ohne besonderen Antrag anzubieten. Hinzu kam das große Interesse des türkischen Staates, seine Staatsangehörigen nicht gänzlich zu verlieren. So ist bekannt geworden, dass ausgebürgerten türkischen Staatsangehörigen sogar von offizieller Seite geholfen wurde, den Wiedererwerb ihrer Staatsangehörigkeit den deutschen Behörden gegenüber zu verschleiern. Zu diesem Zweck sollen türkische Meldebestätigungen herausgegeben worden sein, die die doppelte Staatsangehörigkeit nicht auswiesen, um den Betroffenen in Deutschland keine Probleme zu bereiten (Deutscher Bundestag, Drs. 15/4496 S. 1 f., spricht davon, dass laut Focus die türkischen Gouverneursämter im September 2001 angewiesen worden seien, die in Deutschland verlangten Registerauszüge zu manipulieren und den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu verschleiern). Bereits Anfang der Neunzigerjahre hatte sich in den Auslandsvertretungen die Praxis herausgebildet, den Ausbürgerungsantragstellern sofort die Wiedereinbürgerung anzubieten. In „Der Spiegel“ 24/1993, Seite 26 heißt es zur damaligen Praxis der türkischen Konsulate: „Im türkischen Generalkonsulat in Hamburg gibt es zwei Büroräume, in denen Türken nacheinander vorsprechen, wenn sie Deutsche werden wollen. Im ersten Zimmer beantragen sie ihre Ausbürgerung aus der Türkei. Im zweiten beantragen sie kurz danach ihre Wiedereinbürgerung. …. In dem anderen Zimmer, zweiter Schritt, wird wenig später dieser Grundsatz praktisch außer Kraft gesetzt. Der Bewerber, inzwischen Deutscher geworden, beantwortet 12 Fragen zur Person und zahlt eine Bearbeitungsgebühr von etwa 40 DM. Dann erhält der deutsche Ex-Türke seinen Pass mit dem Halbmond zurück.“ Später dürfte sich dann die Praxis durchgesetzt haben, das Wiedereinbürgerungsformular zugleich mit dem Austrittsformular zu überreichen. So heißt es im Internet in Bezug auf einen Fall aus dem September 1999 (frag-einen-Anwalt.de, Frage vom 20.8.2010): „Leider wurde mir beim türkischen Konsulat in Hamburg, während ich die Bescheinigung vom Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit in Empfang nahm, ohne mein Wissen während ich die Papiere unterschrieb, die ich zum Erhalt der Entlassungsurkunde Schreibens bekam ein Antrag auf Wiedereinbürgerung in die türkische untergejubelt, ohne mich zu informieren bzw. zu sagen dass ich die deutsche automatisch verliere habe ich unwissend diesen Antrag unterschrieben.“ Ähnliches schilderte auch die hier zur mündlichen Verhandlung geladene Dolmetscherin in Bezug auf ihre Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, die etwa zur gleichen Zeit erfolgte. Auch in der Literatur (Marx, GK-StAR § 25 Rn. 62) ist diese Praxis bekannt. Danach soll es bis in das Jahr 2004 Praxis der türkischen Konsulate gewesen sein, dem Betroffenen bei der Antragstellung auf Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit mit dem Entlassungsantragsformular zugleich ein Antragsformular auf Wiedererwerb ohne ausdrückliche Belehrung über die doppelte Antragstellung zur Unterschrift vorzulegen. Aus der Rechtsprechung ist aus einer Reihe von Fällen betreffend das türkische Generalkonsulat in Nürnberg bekannt, dass die Betroffenen bei Abholung ihrer Entlassungspapiere überredet wurden, einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu stellen (VG Würzburg, Urteil vom 15.10.2008, W 6 K 07.1028, juris Rn. 20; BayVGH, Urteil vom 14.11.2007, 5 B 05.2958, juris Rn. 2, Urteil vom 14.11.2007, 5 B 05.3039, juris Rn. 3, und Urteil vom 14.11.2007, 5 B 06.2769, juris Rn. 2 f.; VG Darmstadt, Urteil vom 3.11.2006, 5 E 1807/05 (3), 5 E 1805 E 1807/05, juris Rn. 1 f.; VG Ansbach, Urteil vom 14.12.2005, AN 15 K 05.02076, juris Rn. 2 ff.).

38

Es spricht deshalb alles dafür, dass auch die Klägerin im Jahr 2001 zugleich mit ihrem Austrittsformular ein Wiedereinbürgerungsformular erhalten und auch unterschrieben hat, auch wenn sie sich hieran selbst nicht erinnern und dieses nicht bestätigen kann.

39

Glaubhaft ist, dass die Klägerin nicht bemerkt hat, dass ihr ein Wiedereinbürgerungsantrag untergeschoben wurde. Weder sie noch ihr Ehemann konnten damals die vorgelegten Formulare lesen und verstehen. Das Gericht glaubt der Klägerin auch, dass ihr nicht in verständlicher Weise mündlich erläutert wurde, dass ihr mit einem weiteren Formular die Möglichkeiten eröffnet werden sollte, die türkische Staatsangehörigkeit nach Erwerb der deutschen wiederzuerlangen. Sie selbst macht hierzu geltend, mit ihr sei gar nicht weiter gesprochen worden sei, sondern sie sei gebeten worden, sich zu beeilen, da viele Menschen warteten. Dass türkische Auslandsvertretungen meist überarbeitet und wenig kooperativ sind, ist aus vielen Verfahren gerichtsbekannt. Für die Mitarbeiter des Generalkonsulats gab es vermutlich auch keinen Grund, sich mit der Klägerin und ihrem Ehemann näher zu beschäftigen. Dass die Klägerin damals auf den Umstand, dass sie nicht lesen kann und ihr Mann krankheitsbedingt die Formulare auch nicht versteht, ausdrücklich hingewiesen hat, ist eher unwahrscheinlich. Zwar hat sie auf Befragen berichtet, dass sie andere Menschen schon darauf hinweist, nicht lesen und schreiben zu können. Gerade Analphabeten sind im Umgang mit Behörden aber noch verunsicherter als andere Bürger, geraten häufig in Stress und wollen den Behördenbesuch meist möglichst schnell und unauffällig hinter sich bringen. Deshalb spricht viel dafür, dass die Mitarbeiter des Generalkonsulats keinen Anlass sahen, der Klägerin und ihrem Mann den Vorgang näher zu erläutern, da - wenn man lesen kann - aus den Antragsformularen selbst ersichtlich ist, welchem Zweck sie dienen. Irgendwelche Überzeugungsarbeit war auch nicht zu leisten, da die Eheleute den Wiedereinbürgerungsantrag sofort kritiklos unterschrieben haben werden. Die Klägerin wiederum vertraute darauf, dass das Generalkonsulat ihr genau jene Formulare zur Unterschrift vorgelegt hatte, die sie für ihr Begehren, deutsche Staatsangehörige zu werden, benötigte, und sah deshalb keinen Grund, sich nach dem genauen Inhalt der für sie völlig unverständlichen Formulare zu erkundigen. Es erscheint als glaubhaft, dass sie hinsichtlich des Einbürgerungsverfahrens keine konkreten Rechtskenntnisse besaß und sich auch nicht mit interessierten oder fachkundigen Landsleuten darüber ausgetauscht hatte, da sie sich fast nur ihrem Haushalt, ihrer Familie und insbesondere ihrem kranken Mann widmete.

40

Brauchbare Hinweise darauf, dass die Klägerin damals entgegen ihrer heutigen Beteuerung doch wieder die türkische Staatsangehörigkeit erlangen wollte und deshalb den Wiedereinbürgerungsantrag bewusst und gewollt unterzeichnet hat, gibt es nicht. Zwar hatte sich die Klägerin nicht in einer Weise vom türkischen Staat abgewandt, wie dies zum Beispiel bei politisch Verfolgten oder Systemkritikern der Fall ist. Gleichwohl ist ihr zu glauben, dass sie kein Interesse daran hatte, die türkische Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben, da sie wie auch ihr Mann und ihre drei Söhne ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet gefunden hatte und für den Rest ihres Lebens in Deutschland bleiben wollte, in der Türkei keine eigenen Verwandten mehr hatte und es ihr genügte, die Türkei als deutsche Touristin zu besuchen. Dafür, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit weder wieder erlangen wollte noch darum wusste, dass dieses gleichwohl geschehen war, spricht auch, dass sie sich nach der Wiedereinbürgerung keine türkischen Personalpapiere ausstellen ließ, sondern mit deutschen Ausweispapieren in die Türkei reiste (so z.B. aber der Antragsteller im Beschluss des VG Saarlouis vom 29.4.203, 3 L 559/13, juris Rn. 6).

41

3. Ein solcher lediglich untergeschobener Antrag ist nicht geeignet, den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zu bewirken.

42

Ein Antrag im Sinne des § 25 Abs. 1 StAG ist jede freie Willensbetätigung, die unmittelbar auf den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet ist (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2006, 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441 ff., juris Rn. 13; so auch BVerfG, Beschluss vom 22..6.1990, NJW 1990, 2193 f., juris Rn. 32; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 13.10.2000, 1 B 53/00, Buchholz 130 § 25 StAG Nr. 11, juris Rn. 12; entsprechend Abschnitt 25.1.3 Abs. 1 S. 1 der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000 (StAR-VwV) ebenso wie Abschnitt 25.1.1. Abs. 2 S. 5 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 17. April 2009). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Denn der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt aufgrund von Handlungen des Betroffenen ein, die auf einem selbstverantwortlichen und freien Willensentschluss gegründet sind (BVerfG, Beschluss vom 8.12.2006, 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441 ff., juris Rn. 13; so auch BVerfG, Beschluss vom 22..6.1990, NJW 1990, 2193 f., juris Rn. 32). Er stellt damit keine grundgesetzliche verbotene Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit dar (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, 2 BvR 669/04, BVerfGE 116, 24 ff., juris Rn. 50).

43

An der somit verfassungsrechtlich zu fordernden Freiwilligkeit der Antragstellung fehlt es jedenfalls dann, wenn ein Betroffener die förmlich abgegebene Erklärung gar nicht hat abgeben wollen (§ 119 S. 1 BGB,offen in Bezug auf Willensmängel, da solche dort erkennbar nicht vorlagen, BVerwG, Urteil vom 21.5.1985, 1 C 12/84, Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr.5, juris Rn. 35; BVerwG, Beschluss vom 13.10.2000, 1 B 53/00, Buchholz 130 § 25 StAG Nr. 11, juris Rn. 11). Ein solches ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Antragsformular für eine Wiedereinbürgerung ohne Hinweis und ohne Erkennbarkeit für den Betroffenen zusammen mit einem Antrag auf Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit überreicht und in Verkennung seines Inhalts unterschrieben wurde (Marx, GK-StAR § 25 Rn. 62).

44

Allerdings obliegen dem Betroffenen in staatsbürgerlichen Angelegenheiten gewisse Sorgfaltspflichten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.12.2006, 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441 ff., juris Rn. 38). Grundsätzlich ist deshalb zu verlangen, dass ein vorgelegtes Formular vor der Unterschrift durchgelesen und auf seinen Inhalt überprüft wird. Auch genügt es nicht, wenn ein Betroffener geltend macht, einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auf Anregung der türkischen Behörden gestellt zu haben (BVerfG a.a.O.). Denn es kann von Einbürgerungsbewerbern in gesteigertem Maße erwartet werden, dass sie sich über die staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einer sofort nach der Ausbürgerung beantragten Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsangehörigkeit informieren (VG München, Urteil vom 5.10.2009, M 25 K 08.2073, juris Rn. 20). Hier indes ist nicht erkennbar, dass die Klägerin ihre Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Als Analphabetin wusste sie gar nicht darum, dass sie auch einen Wiedereinbürgerungsantrag unterschreibt. Sie musste auch nicht befürchten, dass ihr von einer staatlichen Stelle ein solcher unverlangt untergeschoben wird, wenn sie lediglich darum nachsucht, jene Formalien erfüllen zu dürfen, die für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlich sind. Glaubhaft ist ihr Vortrag, dass sie nicht durch Gespräche mit Landsleuten darüber unterrichtet war, dass den Ausbürgerungsanträgen riskante Wiedereinbürgerungsanträge beigefügt werden können. Da sie somit gar nicht bemerkt hatte, dass ihr zugleich ein bereits für sie ausgefüllter Wiedereinbürgerungsantrag vorgelegt worden war, oblag der Kläger auch nicht die Pflicht, sich mit der Frage zu befassen, ob die Stellung eines solchen im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit rechtlich zulässig ist (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.3.2011, OVG 5 S 31.10, juris Rn. 6).

III.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i. V. m. § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Bundesvertriebenengesetz - BVFG | § 1 Vertriebener


(1) Vertriebener ist, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger seinen Wohnsitz in den ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten oder in den Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach de

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 25


(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzu

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten

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(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit - in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2007 für die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 sind insoweit wirkungslos.

Im Übrigen wird das genannte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geändert, soweit es den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2007 betrifft. Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 zurückgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beteiligten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin und der Freistaat Bayern je zur Hälfte. Der Freistaat Bayern trägt die Hälfte der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin, die Klägerin trägt die Hälfte der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Freistaats Bayern. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung, im Gebiet der Beklagten Sportwetten ohne eine im Inland erteilte Erlaubnis zu vermitteln.

2

Die Klägerin ist seit 2007 im Besitz einer Buchmachererlaubnis zur Vermittlung von Pferdewetten. In ihrer Betriebsstätte in der B.straße … in M. vermittelte sie darüber hinaus (sonstige) Sportwetten an die I. Ltd. (I. Ltd.) in G., ohne dafür über eine im Inland erteilte Erlaubnis zu verfügen. Nach Anhörung der Klägerin untersagte die Beklagte ihr mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 28. November 2007 die Annahme, Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten bzw. die Bereitstellung einer diesbezüglichen Einrichtung (Internetanschluss) in der B.straße … in M. sowie in allen anderen bisher nicht bekannten und zukünftigen Betriebsstätten im Bereich der Beklagten ohne die erforderliche Erlaubnis. Außerdem forderte sie die Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 25 000 € auf, diese Tätigkeiten mit Ablauf des 30. November 2007 einzustellen. Die Beklagte stützte die Untersagung auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) i.V.m. § 284 Abs. 1, § 27 StGB und führte aus, das Verbot sei verhältnismäßig, da eine Erlaubnis wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nicht erteilt werden könne.

3

Bei einer Überprüfung am 1. Dezember 2007 wurde festgestellt, dass die Klägerin in der B.straße … weiterhin einen Terminal betrieb, mit dem die Internetseite der Firma "b." aufgerufen werden konnte. Daraufhin stellte die Beklagte unter dem 3. Dezember 2007 das Zwangsgeld fällig und erließ mit Bescheid vom 5. Dezember 2007 eine neue, weitgehend wortgleiche Untersagungsverfügung mit einer Zwangsgeldandrohung in Höhe von 50 000 €.

4

Am 19. Dezember 2007 hat die Klägerin gegen die Bescheide vom 28. November und 5. Dezember 2007 Anfechtungsklage erhoben. Außerdem beantragte sie vergeblich vorläufigen Rechtsschutz. Mit einer weiteren Klage begehrte sie die Feststellung, das im ersten Bescheid angedrohte Zwangsgeld sei nicht fällig geworden. Diese Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. März 2009 - M 22 K 08.4647 - abgewiesen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Klägerin habe die untersagten Tätigkeiten trotz sofortiger Vollziehbarkeit des Verbots nicht fristgerecht eingestellt. Auf die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung und der Untersagung komme es für die Fälligkeit des Zwangsgeldes nach Art. 38 Abs. 3 i.V.m. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 des bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) nicht an. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das genannte Urteil wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. April 2010 zurück. Daraufhin wurde das Zwangsgeld eingezogen.

5

Die Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 28. November und 5. Dezember 2007 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 31. Juli 2008 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte geltend gemacht, die Untersagungsverfügungen seien schon wegen der formellen Illegalität der Vermittlung rechtmäßig. Gegen deren Erlaubnisfähigkeit bestünden ebenfalls Bedenken, da der Veranstalter Internet- und Live-Wetten anbiete. Einer abschließenden Prüfung der Erlaubnisvoraussetzungen durch die Ordnungsbehörde stehe die Zuständigkeit verschiedener Behörden für die Erlaubnis und die Untersagung entgegen. In ihrer Berufungserwiderung hat die Beklagte unter Berufung auf § 114 Satz 2 VwGO erklärt, sie ergänze die Ermessenserwägungen im streitgegenständlichen Bescheid wie folgt: Die Klägerin und die I. Ltd. in G. hätten keine Erlaubnis beantragt. Für eine materielle Erlaubnisfähigkeit fehlten ausreichende Anhaltspunkte. Insbesondere sei nicht ersichtlich, wie die Klägerin die Vorschriften zum Jugendschutz nach § 4 Abs. 3 des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) und zur Spielersperre nach § 21 Abs. 3 GlüStV einhalten wolle. Auch ein Sozialkonzept nach § 6 GlüStV sei nicht bekannt. Bedenken gegen die Erlaubnisfähigkeit bestünden auch für den Fall, dass die Klägerin nunmehr an die I. E. Ltd. mit Sitz in M. vermitteln wolle, da deren Erlaubnisantrag mit Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 27. Juli 2011 unter anderem wegen Verstößen gegen das Internet- und das Live-Wetten-Verbot abgelehnt worden sei. Trotz des erheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Klägerin müssten deren wirtschaftliche Interessen hinter die Interessen der Allgemeinheit, insbesondere den Jugend- und Spielerschutz und die Betrugsprävention, zurücktreten. Die Untersagung sei verhältnismäßig, weil mildere Maßnahmen nicht ersichtlich seien und bei Abwägung aller Interessen der Schutz der Allgemeinheit vor Suchtgefahren überwiege.

6

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klage gegen die zweite Untersagungsverfügung auf gerichtlichen Hinweis für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umgestellt und an der Anfechtung dieses Bescheides nur für die Zukunft festgehalten.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 26. Juni 2012 die Bescheide der Beklagten vom 28. November 2007 und vom 5. Dezember 2007 - letzteren nur mit Wirkung für die Zukunft - aufgehoben und festgestellt, der Bescheid vom 5. Dezember 2007 sei vom Zeitpunkt seines Erlasses bis zum Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung rechtswidrig gewesen. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. November 2007 sei statthaft. Dieser habe sich weder mit der Beitreibung des Zwangsgeldes noch mit dem Einstellen der Vermittlungstätigkeit oder dem Erlass des Bescheides vom 5. Dezember 2007 erledigt. Letzterer könne ebenfalls angefochten werden, allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft, da die zweite, nicht vollzogene Untersagung und die zugehörige Zwangsgeldandrohung sich in der Vergangenheit fortlaufend erledigt hätten. Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung sei die Untersagung ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Monopolregelung des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV ausgegangen sei. Diese Regelung verletze Unionsrecht. Sie schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein. Wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels sei sie nicht geeignet, kohärent und systematisch zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes beizutragen. Die im Berufungsverfahren nachgeschobene Begründung habe den Ermessensfehler nicht geheilt. Sie ersetze die bisherige, auf das Monopol gestützte Begründung durch völlig neue Erwägungen, die allein auf die formelle und materielle Illegalität der Vermittlung abstellten. Einen solchen Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen lasse § 114 Satz 2 VwGO nicht zu. Unabhängig davon sei die nachgeschobene Begründung auch materiell-rechtlich fehlerhaft. Verhältnismäßig sei eine Untersagung nur, wenn feststehe, dass die Tätigkeit materiell nicht erlaubnisfähig sei. Zweifel reichten insoweit nicht aus. Das Ermessen habe sich auch nicht zulasten der Klägerin auf Null reduziert. Ein Verstoß gegen das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV liege nicht vor. Die Untersagung im Bescheid vom 28. November 2007 leide am selben Ermessensfehler, da auch sie sich maßgeblich auf das Sportwettenmonopol stütze. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagungen könnten die damit verbundenen Zwangsgeldandrohungen ebenfalls keinen Bestand haben. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag bezüglich des Zeitraums vom 5. Dezember 2007 bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts sei zulässig und begründet. Die Klägerin könne sich wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit der Vermittlung auf ein Rehabilitierungsinteresse berufen. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung sei außerdem wegen des tiefgreifenden Eingriffs in ihre Berufsfreiheit und in unionsrechtliche Grundfreiheiten gegeben. Wegen der Verletzung der Dienstleistungsfreiheit durch das Sportwettenmonopol sei die Untersagung im gesamten Zeitraum rechtswidrig gewesen.

8

Die Beteiligte macht mit ihrer Revision geltend, das Berufungsurteil wende das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unrichtig an. Außerdem gehe es unzutreffend davon aus, dass ein Verbot erst in Betracht komme, wenn das Fehlen der materiellen Erlaubnisvoraussetzungen abschließend geklärt sei. Darüber hinaus verletze es § 114 Satz 2 VwGO. Bezüglich der zweiten Untersagung bejahe es zu Unrecht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin.

9

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

10

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Anfechtung des Bescheides vom 5. Dezember 2007 für die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

11

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

12

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung des Bescheides vom 5. Dezember 2007 dessen Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

13

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, die Liberalisierung des Glücksspielrechts in Schleswig-Holstein zum 1. Januar 2012 habe die Inkohärenz des Sportwettenmonopols noch verstärkt. Die Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse dürften schon wegen ihrer Kostenbelastung durch das mehrjährige Verfahren nicht überspannt werden.

Entscheidungsgründe

14

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit - für die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es hierfür nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2008 wirkungslos geworden.

15

Im Übrigen ist die zulässige Revision nur teilweise begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, soweit es davon ausgeht, die Klage gegen die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 sei bezüglich des bereits abgelaufenen Zeitraums zulässig, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Verfügung habe. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig (1.). Die weitergehende Revision ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil in Bezug auf die Anfechtung des Bescheides vom 28. November 2007 im Ergebnis zu Recht stattgegeben (2.). Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung - teilweise - zurückweisen (3.).

16

1. Soweit das Verfahren die Klage gegen die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 bezüglich des Zeitraums bis zum 30. Juni 2012 betrifft, ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den es für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen ankommt, nicht mehr die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, sondern allein die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse geltend machen kann.

17

a) Im noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 hat die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 sich von Tag zu Tag fortlaufend erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Die Untersagung für den abgelaufenen Zeitraum entfaltet hier gegenwärtig auch keine sonstigen nachteiligen Rechtswirkungen mehr, die eine Erledigung ausschließen könnten (vgl. zu diesem Kriterium die Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 - juris Rn. 15 und vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Rn. 18; Beschluss vom 5. Januar 2012 - BVerwG 8 B 62.11 - NVwZ 2012, 510 = Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 39 Rn. 13). Insbesondere hat die Beklagte die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt, die noch rückgängig zu machen wären. Die Zwangsgeldeinziehung im Jahr 2009 schloss lediglich die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 28. November 2007 und der damit verbundenen Zwangsgeldandrohung ab (zur Aufhebbarkeit dieser Vollstreckungsmaßnahmen vgl. unten 2. ).

18

Auch für den - viertägigen - Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum 30. Juni 2012 konnte die Klägerin ihr Klagebegehren betreffend den Bescheid vom 5. Dezember 2007 auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umstellen. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, bei Erledigung eines angefochtenen Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dies gilt auch für eine zeitabschnittsweise, fortlaufende Erledigung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung wie der glücksspielrechtlichen Untersagung.

19

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unzulässig, weil die Klägerin entgegen dem angegriffenen Urteil kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Das ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz nicht der Fall.

20

aa) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu müssten die rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die für die Beurteilung einer vergleichbaren Untersagungsverfügung maßgeblich wären, im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Diese Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Zwar gelten der allgemeine Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Untersagungsermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fort. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es aber auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 51 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

21

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

22

bb) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

23

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

24

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>). Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben.

25

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. April 2013 in das Verfahren eingeführten Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

26

cc) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses hinaus (1) verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (2). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (3).

27

(1) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 19 ff.). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

28

(2) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

29

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

30

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

31

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung der Klägerin mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

33

(3) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

34

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991, I-2925 Rn. 42), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

35

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter (1) und (2) (Rn. 27 und 28 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

36

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991, I-3783 Rn. 24 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009, I-6653 Rn. 49; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. Rn. 39 f.).

37

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005, I-2301 Rn. 43). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

38

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 60 und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. Rn. 39 f.). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 61; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. Rn. 41). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

39

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. Rn. 43). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für die Klägerin allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992, I-4897 Rn. 5). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

40

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. - Slg. 1982, I-3415 Rn. 16 ff.). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

41

dd) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

42

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991, I-5357 Rn. 35) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

43

(1) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8099; - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010, I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft-fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

44

(a) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 Rn. 22 ff.), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof der Europäischen Union stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

45

(b) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 51 und 55). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

46

(2) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

47

(a) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

48

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. Rn. 51). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

49

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich.

50

(b) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 Rn. 54 f., vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

51

(c) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

52

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

53

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 Tenorziffer 4 und Rn. 68 ff. sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012, 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. Rn. 39, 44, 46 ff.). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

54

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols konnte durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung getragen werden. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

55

(d) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

56

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

57

(3) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

58

ee) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

59

2. In Bezug auf den Bescheid vom 28. November 2007 hat die Revision der Beklagten dagegen keinen Erfolg.

60

Insoweit ist die Klage als Anfechtungsklage unverändert zulässig. Dieser Bescheid erledigte sich nicht endgültig mit Erlass des weiteren Bescheides vom 5. Dezember 2007, weil dieser ihn nicht rückwirkend aufgehoben, sondern nur für die nachfolgende Zeit ersetzt hat. Der erste Bescheid lag nach den Feststellungen der Vorinstanz auch weiterhin der Vollstreckung durch die Einziehung des bereits fällig gestellten Zwangsgeldes zugrunde. Da die Klägerin das Zwangsgeld gezahlt hat, gehen von diesem Bescheid als Rechtsgrund der Vermögensverschiebung unverändert nachteilige Rechtswirkungen für sie aus. Die Anfechtungsklage bleibt daher statthaft; bei einer Aufhebung der Untersagung und Zwangsgeldandrohung vom 28. November 2007 kann die Klägerin die Rückabwicklung der Vollstreckung verlangen.

61

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anfechtungsklage auch - im Ergebnis - zu Recht für begründet gehalten. Seine Annahme, die Untersagungsverfügung vom 28. November 2007 sei während ihrer Wirksamkeit bis zum 5. Dezember 2007 rechtswidrig gewesen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

62

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Untersagung der Sportwettenvermittlung nach dem - irrevisiblen - Landesrecht erfüllt waren, weil weder die Klägerin noch das Wettunternehmen, an das sie Sportwetten vermittelte, über eine inländische Erlaubnis verfügte (vgl. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz i.V.m. §§ 284, 27 StGB). Mangels europarechtlicher Harmonisierung musste die Beklagte die dem Wettunternehmen im EU-Ausland erteilte Konzession nicht als solche Erlaubnis anerkennen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 112). Die Entscheidung, die hiernach unerlaubte Tätigkeit zu untersagen, stellte das Landesrecht in das Ermessen der Beklagten. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass diese ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg (a). Eine Ermessensausübung war nicht etwa entbehrlich, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert und diese zu einer Untersagung verpflichtet gewesen wäre (b). Die Beklagte hat die Defizite ihrer Ermessenserwägungen auch nicht nachträglich geheilt (c).

63

a) Die Beklagte hat ihre Ermessensentscheidung, die unerlaubte Tätigkeit der Klägerin zu verbieten, im angegriffenen Bescheid maßgeblich damit begründet, dass die erforderliche Erlaubnis wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nicht erteilt werden könne. Diese Erwägung war rechtsfehlerhaft, da sie zu Unrecht von der Anwendbarkeit der Monopolregelung (vgl. § 5 Abs. 4 Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland - LottStV) ausging. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausführt, war die Monopolregelung unanwendbar, weil sie den unionsrechtlichen Kohärenzanforderungen nicht genügte und deshalb die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig beschränkte (aa). Zwar hat das Berufungsgericht insofern allein auf Umstände abgestellt, die diesen Schluss nicht rechtfertigen (bb). Seine Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (cc). Das kann der Senat beurteilen, ohne dass es einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedürfte (dd).

64

aa) Der persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungs- wie der Dienstleistungsfreiheit ist eröffnet, da die Klägerin nach deutschem Recht gegründet wurde und ihren Sitz im Inland hat. Ob der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 Abs. 1 AEUV einschlägig ist oder - sofern das Wettbüro der Klägerin nicht als inländische Präsenz des Wettunternehmers anzusehen war - subsidiär die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 und 3 AEUV eingreift, kann offenbleiben. Die Monopolregelung beschränkt beide Freiheiten. In ihrem räumlichen, inländischen Geltungsbereich schließt sie das Veranstalten von Wetten durch andere als den Monopolträger aus. Darüber hinaus lässt sie eine Wettvermittlung an andere Wettunternehmen als den Monopolanbieter nicht zu. Die unionsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung der Beschränkung sind ebenfalls für beide Grundfreiheiten deckungsgleich. Die Beschränkung muss das Diskriminierungsverbot beachten sowie nach Art. 51 f. i.V.m. Art. 62 AEUV oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten. Außerdem darf sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 ).

65

Das staatliche Sportwettenmonopol, das im Freistaat Bayern im hier maßgeblichen Zeitraum vom 28. November bis zum 4. Dezember 2007 nach Maßgabe des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13. Februar 2004 (Lotteriestaatsvertrag) - LottStV - (BayGVBl S. 230) und des Gesetzes über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten vom 29. April 1999 - Staatslotteriegesetz - (BayGVBl S. 226) ausgestaltet war, beschränkte die Dienstleistungsfreiheit. Da es die Veranstaltung von Sportwetten dem staatlichen Monopolträger vorbehielt, ließ es eine Vermittlung von Sportwetten an Wettanbieter im EU-Ausland nicht zu.

66

Zu Recht ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass diese Beschränkung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden konnte, weil sie unverhältnismäßig war. Er hat auch zutreffend angenommen, dass das unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot eine kohärente Ausgestaltung des Monopols verlangt, und dass sich innerhalb des Kohärenzgebots zwei Anforderungen unterscheiden lassen. Der Mitgliedstaat muss zum einen unionsrechtlich legitime Ziele - wie etwa den Schutz der Verbraucher, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen - im Anwendungsbereich der Regelung tatsächlich verfolgen. Er darf nicht "scheinheilig" legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können (EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1999 - Rs. C-67/98, Zenatti - Slg. 1999, I-7289 Rn. 35 ff., vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01, Gambelli u.a. - Slg. 2003, I-13031 Rn. 67 ff. und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 88 ff. sowie Rs. C-46/08, Carmen Media - Slg. 2010, I-8175 Rn. 55, 64 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 45). Zum anderen darf die in Rede stehende Regelung nicht durch die mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert werden. Damit verlangt das Kohärenzgebot weder eine Uniformität der Regelungen noch eine Optimierung der Zielverwirklichung (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 95 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 62 f.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 45 m.w.N.). Bedeutung gewinnt das namentlich in Mitgliedstaaten wie Deutschland, zu deren Verfassungsgrundsätzen eine bundesstaatliche Gliederung in Bund und mehrere Länder mit je eigener Gesetzgebungsautonomie gehört (vgl. Abs. 1, Abs. 3, ). Jedoch führt es zur Inkohärenz der Monopolregelung, wenn in anderen Glücksspielsektoren - auch wenn für sie andere Hoheitsträger desselben Mitgliedstaates zuständig sind - Umstände durch entsprechende Vorschriften herbeigeführt oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die - sektorenübergreifend - zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele tatsächlich nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 106 und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 68 f.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O.; vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 82 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272).

67

bb) Das Berufungsgericht hat allein auf die zweite Anforderung des Kohärenzgebots abgestellt, dabei aber unzutreffend angenommen, dass sie eine systematisch am Monopolziel der Suchtbekämpfung orientierte, aufeinander abgestimmte Regelung sämtlicher Glücksspielbereiche verlangt. Diese Annahme findet in Art. 56 AEUV und dessen Auslegung durch die einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union keine Grundlage. Zwar reicht zur Prüfung der Geeignetheit des Monopols eine sektorale, auf den Monopolbereich beschränkte Kohärenzprüfung nicht aus. Vielmehr sind auch die Auswirkungen einer etwa gegenläufigen Regelung anderer Glücksspielsektoren mit mindestens gleich hohem Suchtpotenzial zu berücksichtigen. Damit wird der Prüfungsgegenstand jedoch weder von der Verhältnismäßigkeit der Monopolregelungen auf die Verhältnismäßigkeit der anderen Regelungen erweitert, noch setzt die Kohärenz des Monopols eine kohärente Regelung der anderen Bereiche voraus. Erst recht bedarf es keines gebiets- und zuständigkeitsübergreifend konzipierten Systems aufeinander abgestimmter Regelungen im Sinne einer sämtliche Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz. Eine solche Konkretisierung ließe unberücksichtigt, dass die Verhältnismäßigkeit für jede Beschränkung gesondert zu prüfen ist (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2004, I-1932 Rn. 49 und vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 93), und verlöre den Gegenstand der Prüfung - die Geeignetheit der Monopolregelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele - aus dem Blick. Außerdem stieße sie auf verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken. Wegen des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung der Europäischen Union ist der demokratisch legitimierte, mitgliedstaatliche Gesetzgeber im nicht harmonisierten Glücksspielrecht grundsätzlich frei, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen, die mit der Glücksspielpolitik verfolgten Ziele festzulegen und einzelne Glücksspielbereiche aufgrund seiner parlamentarischen Einschätzungsprärogative entsprechend auszugestalten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 76 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 45 f., 58). Dies gilt bei bundesstaatlich verfassten Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer föderalen Kompetenzordnung für jeden im Mitgliedstaat tätigen Gesetzgeber. Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten begrenzen diese Befugnis und verbieten unverhältnismäßige Beschränkungen. Sie verpflichten den Mitgliedstaat jedoch nicht dazu, ein sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifendes, in seiner Gesamtheit stimmiges Schutzkonzept aufzustellen und umzusetzen.

68

Nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Inkohärenz wegen konterkarierender Regelungen nicht schon vor, wenn in einem anderen Glücksspielbereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Politik verfolgt wird, sondern ausdrücklich nur, wenn dies zur Folge hat, dass das der Errichtung des Monopols zugrunde liegende Ziel mit diesem nicht mehr wirksam verfolgt werden kann (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 106 und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 68). Entgegen der Annahme des Berufungsurteils und der Auffassung der Klägerin ist eine Folgenbetrachtung also nicht entbehrlich. Da die Monopolregelung allein in ihrem Anwendungsbereich wirksam werden kann, können Beeinträchtigungen ihrer Wirksamkeit nur dort ermittelt werden. Danach kommt es auf die Rückwirkungen der gegenläufigen Glücksspielpolitik im anderen Glücksspielsektor auf den Monopolbereich an. Festgestellt werden muss, inwieweit diese Glücksspielpolitik die Wirksamkeit der Monopolregelung und deren Beitrag zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele beeinträchtigt. Darin liegt keine Rückkehr zu einer unzureichenden sektoralen Kohärenzprüfung. Diese blendete mögliche Folgen einer Expansionspolitik in anderen Glücksspielbereichen für den Bereich der Sportwetten aus; die intersektorale Kohärenzprüfung bezieht sie dagegen mit ein. Sie lehnt nur die weitergehende Forderung nach einer alle Glücksspielbereiche überspannenden Gesamtkohärenz ab, da für die Geeignetheit der Monopolregelung nur ihr eigener Beitrag zur Zielverwirklichung maßgeblich ist.

69

Zur Widerlegung dieser speziell zum Glücksspielrecht entwickelten Konkretisierung des Kohärenzgebots ist die im angegriffenen Urteil zitierte ältere Rechtsprechung zur Dienstleistungsfreiheit nicht geeignet. Auch auf den Vortrag der Klägerin, der Pressemitteilung des Gerichtshofs sei Gegenteiliges zu entnehmen, kommt es mangels rechtlicher Verbindlichkeit solcher Mitteilungen nicht an. Maßgebend sind die einschlägigen Entscheidungen selbst. Ihre Tenorierung lässt keinen Zweifel daran, dass aus der Feststellung einer gegenläufigen Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial noch keine Inkohärenz der Monopolregelung folgt. Den Entscheidungsformeln zufolge kann das vorlegende Gericht, wenn es eine den Monopolzielen zuwiderlaufende Expansionspolitik im Bereich anderer, nicht monopolisierter Glücksspiele mit höherem Suchtpotenzial feststellt, berechtigten Anlass zur Schlussfolgerung haben, das Monopol sei nicht mehr geeignet, das Erreichen des mit ihm verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (jeweils a.a.O. Leitsatz 1 d) bzw. Leitsatz 2). Danach ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend, sondern nur möglicherweise gerechtfertigt. Ob sie zu ziehen ist, ergibt sich nach den Entscheidungsgründen erst aus der Prüfung, ob das Monopol trotz der gegenläufigen Regelung des anderen Glücksspielbereichs noch wirksam zur Verwirklichung der mit ihm verfolgten Ziele beitragen kann. Dies festzustellen, hat der Gerichtshof den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 98, 106 f. und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 65, 68, 71).

70

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Monopolregelung sei inkohärent gewesen, trifft für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 28. November bis zum 4. Dezember 2007 jedoch aus anderen Gründen zu. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (- BVerfG 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276) ist davon auszugehen, dass das bayerische Sportwettenmonopol unter dem Lotteriestaatsvertrag schon die erste der beiden Kohärenzanforderungen nicht erfüllte, weil es nach seiner normativen Ausgestaltung und der damaligen Praxis nicht die vorgeblichen, unionsrechtlich legitimen Ziele der Suchtbekämpfung und des Spieler- und Jugendschutzes verfolgte. Zwar nahmen § 1 Nr. 1 und 2, § 4 LottStV diese Ziele auf. Es fehlten jedoch Regelungen, die gewährleisteten, dass das Monopol auch in der Praxis konsequent an den mit ihm verfolgten legitimen Zielen ausgerichtet wurde (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O.). Solcher Regelungen hätte es auch zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit bedurft. Unionsrechtlich muss die Schaffung eines Monopols mit der Errichtung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010, I-8069 Rn. 83). Daran fehlte es im verfahrensgegenständlichen Zeitraum.

71

Wie das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen ausführt, gewährleistete die rechtliche Ausgestaltung des Wettmonopols unter dem Lotteriestaatsvertrag nicht ausreichend, dass das staatliche Wettangebot konsequent in den Dienst einer aktiven Suchtbekämpfung gestellt wurde und ein Konflikt mit fiskalischen Interessen des Staates nicht zu deren Gunsten ausging. Art. 4 des bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 (BayGVBl S. 226) enthielt nur rudimentäre Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Monopolangebots, wobei die Verpflichtung zur Ausschüttung von mindestens der Hälfte des Spielkapitals für Oddset-Wetten nicht galt (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 12). Den Vorschriften des Lotteriestaatsvertrags, der in Bayern mit Ausführungsgesetz vom 23. November 2004 (BayGVBl S. 442) umgesetzt wurde, waren ebenfalls keine ausreichenden Regelungen zur konsequenten Ausrichtung des Monopols an den Zielen der Suchtbekämpfung und des Jugend- und Spielerschutzes zu entnehmen. Insbesondere fehlten Vorschriften, die eine Beachtung der Grenzen zulässiger Werbung gewährleisteten. Verfassungs- wie unionsrechtlich war Werbung für das Monopolangebot mit den legitimen Zielen des Monopols nur zu vereinbaren, wenn sie sich auf sachliche Hinweise und Informationen über legale Gelegenheiten zum Wetten beschränkte und die vorhandene Nachfrage kanalisierte. Dagegen durfte sie nicht expansiv auf eine Vergrößerung der Nachfrage gerichtet sein und zur Teilnahme am Glücksspiel ermuntern oder anreizen. Unzulässig war deshalb insbesondere, dem Wetten durch Hinweise auf eine gemeinnützige Verwendung der Einnahmen ein positives Image zu verleihen oder die Anziehungskraft des Wettens durch zugkräftige Werbebotschaften zu erhöhen, die bedeutende Gewinne in Aussicht stellten (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - a.a.O. Rn. 103, 106 und - Rs. C-46/08, Carmen Media - a.a.O. Rn. 68 f. sowie vom 15. September 2011 - Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer - juris Rn. 68 f.; BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 313 f., 318; vgl. zum Gleichlauf der verfassungs- und unionsrechtlichen Anforderungen a.a.O. S. 316). Die Erfüllung dieser Anforderungen war seinerzeit rechtlich nicht gesichert. Die einschlägigen Regelungen in § 4 LottStV verboten zwar irreführende und unangemessene Werbung, schlossen eine ausschließlich am Ziel expansiver Vermarktung orientierte Werbung jedoch nicht aus (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 313).

72

Die erheblichen normativen Defizite der Monopolregelung wurden bis zum 30. Dezember 2007 nicht beseitigt. Zwar änderte § 5 des bayerischen Nachtragshaushaltsgesetzes - NHG - vom 9. Mai 2006 (BayGVBl S. 193) Art. 2 Abs. 5 des bayerischen Staatslotteriegesetzes vom 29. April 1999 (BayGVBl S. 226) insoweit, als der staatlichen Lotterieverwaltung die Übertragung der Durchführung von Glücksspielen auf eine juristische Person des Privatrechts nicht mehr nur unter der Bedingung erlaubt wurde, dass der Freistaat Bayern deren alleiniger Gesellschafter war. Die Regelungen zum staatlichen Veranstaltungsmonopol in Art. 2 Abs. 1 und 4 des Staatslotteriegesetzes blieben jedoch unverändert. Das Monopol wurde - unstreitig - auch faktisch aufrechterhalten. Die unzureichenden Regelungen zur Ausgestaltung des Lotterie- und Wettangebots, zum Vertrieb und zur zulässigen Werbung blieben unverändert. Sie konnten damit nach wie vor nicht sicherstellen, dass die Monopolpraxis den legitimen Monopolzielen entsprach. Schließlich war mangels Einschaltens einer neutralen Kontrollinstanz (dazu BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 312) weiterhin nicht gewährleistet, dass fiskalische Interessen hinter das Ziel der Suchtbekämpfung zurücktraten.

73

Dass das Bundesverfassungsgericht die Monopolregelung nicht für nichtig, sondern nur für verfassungswidrig erklärt und ihre übergangsweise Anwendung bis längstens zum 30. Dezember 2007 unter bestimmten Maßgaben zugelassen hat (BVerfG a.a.O. S. 319), kann die Anwendung der Regelung vor dem Unionsrecht nicht rechtfertigen. Auf den Vortrag der Revisionsführerin und der Beklagten, der Freistaat Bayern habe die bundesverfassungsgerichtlichen Maßgaben rechtzeitig und vollständig umgesetzt, kommt es deshalb nicht an. Die Erfüllung dieser Maßgaben konnte die Defizite der normativen Ausgestaltung des Monopols weder beheben noch vollständig kompensieren. Die Maßgaben zielten allein darauf, ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen legitimen gesetzlichen Zielen und tatsächlicher Ausübung des Monopols herzustellen. Im Übrigen beschränkten sie sich auf die Forderung, in der Übergangszeit bereits mit einer konsequenten Ausrichtung des Monopols an der Suchtbekämpfung zu beginnen (BVerfG a.a.O.). Das lässt erkennen, dass ihre Erfüllung auch nach der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts noch keinen verfassungsmäßigen Zustand herstellte. Sie ließ nur eine befristete weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm als verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen (BVerfG a.a.O. S. 317, 319; vgl. Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - NVwZ 2009, 1221 ).

74

Unionsrechtlich war die übergangsweise Anwendung der unverhältnismäßigen Monopolregelung ohnedies nicht gerechtfertigt. Die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts reichte dazu nicht aus. Die übergangsweise Anwendung unionsrechtswidriger Vorschriften kann nur nach Maßgabe des Unionsrechts legitimiert werden. Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010, I-8015 Rn. 60 ff., 67 ff.). Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin und der Beklagten ergibt sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Januar 2013 (- Rs. C-186/11 u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 46 ff.) keine solche unionsrechtliche Rechtfertigung. Diese Entscheidung bestätigt vielmehr unter Hinweis auf das eben zitierte Urteil vom 8. September 2010 ausdrücklich, dass ein unionsrechtswidriges Glücksspielmonopol auch nicht übergangsweise weiter angewendet werden darf (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O. Rn. 38 f., 42). Der Mitgliedstaat ist allerdings nicht zu einer Liberalisierung verpflichtet. Er kann sich auch dafür entscheiden, das Monopol unionsrechtskonform zu reformieren (a.a.O. Rn. 46). Jedenfalls ist er aber bei Unionsrechtswidrigkeit des Monopols verpflichtet, Erlaubnisanträge anderer Glücksspielanbieter auch während der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung zu prüfen und gegebenenfalls nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu bescheiden (a.a.O. Rn. 39, 48).

75

Da die unionsrechtliche Unverhältnismäßigkeit der Monopolregelung im Übergangszeitraum sich schon aus ihren normativen Defiziten ergibt, kann die Reichweite der Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 im Übrigen dahinstehen. Insbesondere muss nicht geklärt werden, ob sie sich nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) auf dessen Einschätzung erstreckt, die breit angelegte Werbung im Rahmen der über den Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von ODDSET habe die Grenzen zulässiger Werbung auch faktisch nicht gewahrt, da sie das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung darstellte und eine fiskalische Ausrichtung des Monopols erkennen ließ (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 a.a.O. S. 314).

76

Auf die Verfahrensrügen gegen die Annahme einer intersektoralen Inkohärenz kommt es nicht an, weil die Rechtswidrigkeit des Monopols sich bereits unabhängig von der Glücksspielpolitik in anderen Glücksspielsektoren aus der rechtswidrigen Ausgestaltung des Monopols selbst ergibt.

77

dd) Zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV auch bezüglich der Auslegung des Art. 56 AEUV kein Anlass. Die Anforderungen, die danach an die normative Ausgestaltung des Sportwettenmonopols zu stellen sind, und die Grenzen zulässiger Werbung sind in der oben dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs so weit geklärt, dass in den hier entscheidungserheblichen Fragen kein Raum für vernünftige Zweifel bleibt. Auch das Erfordernis intersektoraler Kohärenz einer Monopolregelung ist in der unionsgerichtlichen Rechtsprechung klar und eindeutig konkretisiert. Im Übrigen kommt es auf dieses Erfordernis für die Entscheidung nicht an, da das Urteil des Berufungsgerichts sich bezüglich der Anfechtung des Bescheides vom 28. November 2007 aus anderen, davon unabhängigen Gründen als richtig erwiesen hat. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Niederlassungsfreiheit eine Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 verboten habe, ist mangels Entscheidungserheblichkeit ebenfalls nicht dem Gerichtshof vorzulegen. Die angegriffene Untersagungsverfügung wurde im hier maßgeblichen Zeitraum Ende 2007 nicht mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts, also der formellen und materiellen Illegalität der konkreten Tätigkeit begründet, sondern mit dem verfassungs- und unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopol. Sofern die Beklagte die Ermessenserwägungen mit Schriftsatz vom 21. September 2011 rückwirkend auswechseln wollte, wäre dies verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig (dazu sogleich unter c). Auf Bedenken, ob die Untersagung bei Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit des Monopols trotz Fehlens eines unionsrechtskonformen Erlaubnisverfahrens für Private im Übergangszeitraum mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts hätte begründet werden dürfen, kommt es nicht an. Selbst wenn eine solche Untersagung rechtmäßig möglich gewesen wäre, würde dies die tatsächlich getroffene, fehlerhafte Ermessensentscheidung noch nicht rechtmäßig machen.

78

b) Die Beklagte meint, auf etwaige Fehler ihrer Ermessensausübung komme es nicht an, weil ihr Ermessensspielraum ohnehin dahin eingeschränkt gewesen sei, dass nur eine Untersagung rechtmäßig gewesen wäre. Dieser Vortrag kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

79

Eine Rechtfertigung der Untersagung vom 28. November 2007 wegen intendierten Ermessens hat der Verwaltungsgerichtshof revisionsrechtlich fehlerfrei verneint. Er musste auch nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null zulasten der Klägerin ausgehen. Zwar war die Beklagte befugt, die unerlaubte Wettvermittlung zur Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts zu verbieten, wenn die materielle Erlaubnisfähigkeit - monopolunabhängig - nicht offensichtlich war (vgl. oben Rn. 51 f.). Zu einer Untersagung verpflichtet war sie aber nur, wenn der Zweck der Ermächtigung und die gesetzlichen Ermessensgrenzen keine andere Entscheidung zuließen (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273 Rn. 72 ff., 88). Das setzte jedenfalls voraus, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerin gegen monopolunabhängige, rechtmäßige Beschränkungen der Vermittlungstätigkeit verstieß und dass Nebenbestimmungen oder - bei Fehlen eines Erlaubnisantrags - ein Teilverbot nicht ausreichten, die Erfüllung der rechtmäßigen materiell-rechtlichen Anforderungen zu gewährleisten. Die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs tragen einen solchen Schluss nicht. Wirksame Verfahrensrügen wurden insoweit nicht erhoben. Insbesondere ist ein Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsaufklärung gemäß § 86 VwGO nicht substantiiert geltend gemacht.

80

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde der Ermessensfehler schließlich nicht durch die mit Schriftsatz der Beklagten vom 21. September 2011 nachgeschobenen Erwägungen geheilt. Dabei kann offenbleiben, ob ein Nachschieben von Ermessenserwägungen hinreichend deutlich auch in Bezug auf diesen Bescheid - und nicht nur bezüglich des ihn ersetzenden Bescheides vom 5. Dezember 2007 - erklärt wurde. Dahinstehen kann auch, ob im ersten Fall das Nachschieben von Gründen schon wegen der Aufhebung der ersten Untersagungsverfügung durch die zweite im Dezember 2007 ausgeschlossen war. Jedenfalls lag ein Auswechseln wesentlicher Ermessenserwägungen vor, das die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung erheblich beeinträchtigte, soweit es sich auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum bezog.

81

Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (stRspr, Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <218> = Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 14, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Diese Grundsätze gelten auch bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung wie der glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung, wenn deren Begründung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum geändert werden soll.

82

Hier liegt ein Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen vor. Die Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols, auf das die Untersagung ursprünglich gestützt wurde, ist für die nachgeschobene Begründung der Untersagung mit der formellen und materiellen Illegalität der Wettvermittlung unerheblich. Gegen einen Austausch der wesentlichen Erwägungen spricht auch nicht, dass beide Begründungen an das Fehlen einer Erlaubnis anknüpfen. Die formelle Illegalität erfüllt den Tatbestand der Untersagungsermächtigung und eröffnet damit nur das Ermessen. Dessen Ausübung muss sich daher nach anderen Kriterien richten. Ob im Austausch der wesentlichen Ermessenserwägungen schon eine Wesensänderung der Untersagung selbst liegt, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Rechtsverteidigung des Betroffenen erheblich beeinträchtigt, wenn die maßgeblichen Erwägungen rückwirkend ausgewechselt werden. Die neue Begründung der Untersagung stellt erstmals auf die monopolunabhängigen Anforderungen an die Vermittlung und das Wettangebot ab. Dem Betroffenen bleibt nur, diese Anforderungen zu prüfen und für den bereits abgelaufenen Zeitraum entweder darzulegen, dass sie rechtswidrig waren, oder darzutun, dass seine Tätigkeit mit ihnen übereinstimmte. Soweit die rückwirkende Änderung der Begründung die Erfolgsaussichten der Klage entfallen lässt, kann er darauf nur nachträglich reagieren.

83

3. Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden. Wegen der Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage war das Berufungsurteil insoweit - teilweise - zu ändern und die Berufung insoweit zurückzuweisen. Damit wird das erstinstanzliche, klageabweisende Urteil wieder hergestellt, soweit es die Untersagungsverfügung vom 5. Dezember 2007 bezüglich des Zeitraums bis zum 30. Juni 2012 betrifft. Die Umstellung des Klageantrags wegen der endgültigen Erledigung dieser Verfügung mit Ablauf des genannten Zeitraums steht dem nicht entgegen, weil der klageabweisende Tenor auch auf den umgestellten Klageantrag zu beziehen ist.

84

Der nicht nachgelassene, nach Schluss der mündlichen Verhandlung übermittelte Schriftsatz der Beklagten vom 22. April 2013 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

85

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 161 Abs. 2 VwGO. Die Kosten bezüglich des erledigten Teils des Rechtsstreits waren mangels übereinstimmenden Vorschlags der Hauptbeteiligten wegen der insoweit offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache beiden Hauptbeteiligten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Die auf die streitige Revisionsentscheidung entfallenden Kosten sind nach § 154 Abs. 2 VwGO von der Beteiligten zu tragen, soweit ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist. Im Übrigen fallen sie nach § 154 Abs. 1 VwGO der Klägerin zur Last.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.

2

In der G.straße ... in M. und in drei weiteren Betriebsstätten im Stadtgebiet der Beklagten vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Die Beklagte untersagte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Verfügung vom 18. Juni 2008 die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet für jede Betriebsstätte in M. Sie gab der Klägerin auf, den Betrieb mit Ablauf des 19. Juni 2008 einzustellen, und drohte ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 € an. Die Untersagung stützte sie auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 und 4 des Glücksspielstaatsvertrages in der seinerzeit geltenden Fassung (GlüStV). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Wettangebot der Klägerin erfülle den Straftatbestand unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Wettmonopols nach § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV nicht erteilt werden. Bei sachgerechter Ermessensausübung komme keine andere Entscheidung als eine Untersagung in Betracht. Diese sei auch verhältnismäßig.

3

Am 23. Juni 2008 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht München Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Wenige Tage später wurde bei einer Polizeikontrolle in der G.straße ... die Vermittlung von Sportwetten der I. festgestellt. Daraufhin stellte die Beklagte das Zwangsgeld fällig und verfügte die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Am 26. Juni 2008 wurde das Wettbüro der Klägerin polizeilich geschlossen und versiegelt. Dagegen erhob die Klägerin - in einem anderen Verfahren - ebenfalls Klage und bat um vorläufigen Rechtsschutz.

4

Das Verwaltungsgericht München lehnte mit Beschluss vom 3. Juli 2008 den Eilantrag betreffend die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung ab. Mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2008 ordnete es die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs unter der Auflage an, dass in der G.straße ... keine unerlaubte Sportwettenvermittlung mehr durchgeführt werde. Die Beklagte setzte das fällig gestellte Zwangsgeld vom Soll ab und hob die Versiegelung auf. Das Eilverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt; der Klage gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs wurde im Januar 2009 stattgegeben.

5

Die Klage gegen die Untersagungsverfügung und die Zwangsgeldandrohung hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und an der Anfechtung nur für den anschließenden Zeitraum festgehalten. Sie meint, ihr Feststellungsinteresse für die Vergangenheit ergebe sich aus der Versiegelung ihrer Betriebsstätte in der Zeit vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 sowie aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus bestehe eine Wiederholungsgefahr und - wegen des Vorwurfes strafrechtswidrigen Verhaltens - ein Rehabilitierungsinteresse. Die Beklagte hat in ihrer Berufungserwiderung die Auffassung vertreten, die formelle Illegalität der Vermittlung rechtfertige die Untersagung auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Monopols. Mit Bezug darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2010 die Ermessenserwägungen des angegriffenen Bescheides ausdrücklich um Ausführungen zur - nach ihrer Ansicht fehlenden - materiellen Erlaubnisfähigkeit der Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten ergänzt.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Januar 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert, den angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2008 aufgehoben und dessen Rechtswidrigkeit im Zeitraum bis zur Berufungsentscheidung festgestellt. Die in die Zukunft gerichtete, zulässige Anfechtungsklage sei begründet, weil die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft sei. Sie stütze sich maßgeblich auf das staatliche Sportwettenmonopol, das seinerseits gegen Unionsrecht verstoße. Es schränke die Dienstleistungsfreiheit unverhältnismäßig ein, da es nicht den Anforderungen der Geeignetheit und dem daraus abzuleitenden Erfordernis der Kohärenz entspreche. Dass es irgendeinen Beitrag zur Verwirklichung der mit dem Monopol verfolgten Ziele leiste, reiche nicht aus. Zu fordern sei vielmehr ein glücksspielsektorenübergreifender, konzeptionell und inhaltlich aufeinander bezogener, systematischer Regelungszusammenhang, mit dem diese Ziele konsequent verfolgt würden. Daran fehle es im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung schon wegen der gegenläufigen Regelung des gewerblichen Automatenspiels. Die Expansionspolitik in diesem Bereich führe dazu, dass die Monopolziele der Suchtbekämpfung und des Spielerschutzes nicht mehr wirksam verfolgt werden könnten. Auf Interdependenzen zwischen den beiden Glücksspielsektoren komme es dabei nicht an. Bei einem derartig widersprüchlichen Regelungs- und Schutzkonzept sei nicht nur die Geeignetheit der Beschränkung in einem Teilsegment, sondern ihre Verhältnismäßigkeit insgesamt in den Blick zu nehmen.

7

Die Untersagungsverfügung könne auch nicht mit dem Hinweis auf die formelle Illegalität und die fehlende materielle Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlung aufrechterhalten werden. Eine vollständige Untersagung sei nur bei fehlender Erlaubnisfähigkeit gerechtfertigt. Außerdem stehe § 114 Satz 2 VwGO einer Berücksichtigung der nachgeschobenen Ermessenserwägungen entgegen. Diesen sei auch kein Neuerlass der Untersagungsverfügung unter konkludenter Rücknahme des Ausgangsbescheides zu entnehmen. Wegen der Rechtswidrigkeit der Untersagung könne die Zwangsgeldandrohung ebenfalls keinen Bestand haben.

8

Der Antrag, die Rechtswidrigkeit der Untersagung für die Vergangenheit festzustellen, sei zulässig und begründet. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung bestehe jedenfalls in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses. Dieses ergebe sich schon aus dem Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens. Im Übrigen sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit zu bejahen, da andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet sei. Auf das Vorliegen eines Präjudizinteresses komme es danach nicht an. Die Begründetheit des Fortsetzungsfeststellungsantrags ergebe sich aus den Urteilserwägungen zur Anfechtungsklage.

9

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision macht die Beteiligte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an. Unabhängig davon werde die Untersagung auch von den nachgeschobenen Gründen getragen. Außerdem macht die Beteiligte Verfahrensmängel geltend.

10

Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat die Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung ab dem 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herzuleiten. Daraufhin haben die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

11

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Januar 2009 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit noch nicht - in Bezug auf die Zeit seit dem 1. Juli 2012 - in der Hauptsache erledigt ist, sowie der Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens insgesamt aufzuerlegen.

12

Die Beklagte schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beteiligten an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass anstelle der Aufhebung der Untersagungsverfügung deren Rechtswidrigkeit - auch - in der Zeit von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bis zum 30. Juni 2012 festgestellt wird, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens insgesamt dem Freistaat Bayern aufzuerlegen.

14

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, ein ideelles Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus dem tiefgreifenden Eingriff in unionsrechtliche Grundfreiheiten in Verbindung mit der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC). Dazu regt die Klägerin eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union an. Für die von ihr formulierte Vorlagefrage wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Ferner macht die Klägerin ein Präjudizinteresse wegen unionsrechtlicher Staatshaftungsansprüche geltend. Die formelle Illegalität ihrer Tätigkeit könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil ihr die Erlaubnis zur Vermittlung an private Wettanbieter unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Ein Verneinen des Feststellungsinteresses entwerte ihren prozessualen Aufwand und bringe sie um die Früchte des mehr als vierjährigen Verfahrens. Materiell-rechtlich hält die Klägerin den Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV für unionsrechtswidrig und die Monopolregelung für inkohärent.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 15. und 23. November 2012 übereinstimmend - bezüglich der Zeit seit dem 1. Juli 2012 - für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer Zustimmung des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses bedurfte es nicht. Im Umfang der Teilerledigung sind das erstinstanzliche und das Berufungsurteil wirkungslos geworden.

16

Im Übrigen - soweit die Klägerin begehrt, die Rechtswidrigkeit der Untersagung bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts und darüber hinaus bis zum 30. Juni 2012 festzustellen - ist die zulässige Revision begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den bereits abgelaufenen Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag umgestellt wurde.

17

1. In Bezug auf den noch verfahrensgegenständlichen, bereits abgelaufenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 kann die Untersagungsverfügung nur mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angegriffen werden.

18

a) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Antrag der Klägerin für die Zeit bis zur Berufungsentscheidung für statthaft gehalten, da die Untersagung sich als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung grundsätzlich fortlaufend für den jeweils abgelaufenen Zeitraum erledigt. Ein Verbot wird durch Zeitablauf gegenstandslos, weil es nicht rückwirkend befolgt oder durchgesetzt werden kann. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung schließen eine Erledigung nur aus, wenn sie bei Aufhebung der Grundverfügung noch rückgängig zu machen sind. Das ist bei der Schließung der Betriebsstätte durch unmittelbaren Zwang vom 26. Juni bis zum 8. Juli 2008 nicht der Fall.

19

b) Für den Zeitraum von der Berufungsentscheidung bis zum Ablauf der Wirkung der Untersagung infolge ihrer nachträglichen Befristung zum 30. Juni 2012 hat die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren im Revisionsverfahren zulässig auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Das Verbot der Klageänderung gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht nur einer Änderung des Streitgegenstandes entgegen. Es schließt jedoch nicht aus, von der Anfechtung eines Verwaltungsakts zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag überzugehen. Dieser Antrag ist für die Zeit bis zum 30. Juni 2012 auch statthaft, da sich die angegriffene Untersagung bis zu diesem Tag weiter fortlaufend und mit seinem Ablauf endgültig erledigt hat. Vorher ist keine endgültige Erledigung eingetreten, weil die Klägerin ihre Betriebsstätte nach der vorübergehenden polizeilichen Schließung wieder zur Vermittlung von Pferdewetten nutzte und auch die Vermittlung von Sportwetten dort jederzeit hätte wieder aufnehmen können.

20

2. Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.

21

a) Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (Urteil vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. Dezember 2011 (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum 1. Juli 2012 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom 25. Juni 2012 (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; dazu näher unten Rn. 54 f.). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

22

Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

23

b) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

24

Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; BGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - VI ZR 102/85 - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

25

Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom 4. März 1976 a.a.O. S. 138 f. und vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 - 1 BvR 197/53 - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).

26

Einen solchen Vorwurf hat die Beklagte nach der revisionsrechtlich fehlerfreien Auslegung der Untersagungsverfügung durch die Vorinstanz hier nicht erhoben. Vielmehr bleibt offen, ob angesichts der umstrittenen und seinerzeit ungeklärten Rechtslage ein Entschuldigungsgrund in Gestalt eines unvermeidbaren Verbotsirrtums vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 - NJW 2007, 3078 zur Rechtslage unter dem Lotteriestaatsvertrag). Die Einschätzung, die untersagte Tätigkeit sei objektiv strafbar, hat überdies keine Außenwirkung erlangt. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen.

27

Der vorübergehenden polizeilichen Schließung des Wettlokals kam zwar Außenwirkung zu, sie hatte jedoch keinen diskriminierenden Charakter. Aus dem Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme lässt sich nur ableiten, dass dem Betroffenen ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften und Anordnungen vorgeworfen wird. Ein solcher Vorwurf bewirkt jedoch im Gegensatz zum Vorwurf schuldhafter Verletzung von Strafgesetzen keine Stigmatisierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1952 a.a.O.). Sie ergibt sich hier auch nicht aus der Art und Weise der Schließung des Lokals.

28

Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

29

c) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (aa) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (bb). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (cc).

30

aa) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 20). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

31

bb) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

32

Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

33

Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar (Beschluss vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

34

Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 BvR 1023/08 - NJW 2011, 137 m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

35

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird deren prozessualer Aufwand mit der endgültigen Erledigung des Verfahrens, wenn kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen ist, auch nicht entwertet. Das ursprüngliche Klageziel, die Beseitigung der Untersagung, wird infolge der zur Erledigung führenden Befristung durch das Unwirksamwerden der Verbotsverfügung mit Fristablauf erreicht. Das prozessuale Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung kann sich bei der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken. Eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet.

36

cc) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

37

Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - Rs. C-260/89, ERT - Slg. 1991 I-2951 ), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 ). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

38

Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-279/09, DEB - EuZW 2011, 137 und Beschluss vom 13. Juni 2012 - Rs. C-156/12, GREP - juris ). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter aa) und bb) (Rn. 30 und 31 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

39

Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 - Rs. C-87/90 u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783 und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ).

40

Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (EuGH, Urteil vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301 ). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

41

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. und Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 a.a.O. ; Beschluss vom 13. Juni 2012 a.a.O. ). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

42

Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert (EuGH, Urteile vom 11. Juli 1991 a.a.O. und vom 13. März 2007 a.a.O. ). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom 8. April 1992, Slg. 1992 I-4897 ). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

43

An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. u.a. -, Slg. 1982, S. 3415 ). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

44

d) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

45

Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357 ) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

46

aa) Für den Zeitraum vom Erlass der Untersagung bis zum Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen (EuGH, Urteile vom 8. September 2010 - Rs. C-316/07 u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041) scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

47

(1) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; BGH, Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren - unabhängig von der Wirksamkeit und Anwendbarkeit des Monopols - für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. VGH München, Urteile vom 18. Dezember 2008 - 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom 8. September 2010 (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben (VGH München, Beschluss vom 21. März 2011 - 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 196/11 - EuZW 2013, 194 ), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

48

(2) Im Zeitraum bis zum Herbst 2010 fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 ). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

49

bb) Für den anschließenden Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Untersagung am 30. Juni 2012 bedarf es keiner Prüfung, ob eine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung der Behörden oder ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zu bejahen ist. Jedenfalls fehlt offensichtlich die erforderliche Kausalität zwischen einer etwaigen Rechtsverletzung und dem möglicherweise geltend zu machenden Schaden. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen zur Kausalität von fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen etwaigen Schaden.

50

(1) Die Amtshaftung setzt gemäß § 839 BGB voraus, dass der Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln des Amtsträgers verursacht wurde. Bei Ermessensentscheidungen ist das zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178).

51

Die unionsrechtliche Staatshaftung greift nur bei einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverletzung und dem Schaden ein. Diese unionsrechtlich vorgegebene Haftungsvoraussetzung ist im mitgliedstaatlichen Recht umzusetzen (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 a.a.O. ). Sie ist erfüllt, wenn ein unmittelbarer ursächlicher und adäquater Zusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß und dem Schaden besteht (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91 - BGHZ 134, 30 <39 f.>; Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 101). Bei Ermessensentscheidungen ist dieser Kausalzusammenhang nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Amtshaftung. Er fehlt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schaden auch bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung eingetreten wäre.

52

Nach beiden Anspruchsgrundlagen käme daher eine Haftung nur in Betracht, wenn feststünde, dass der Schaden bei rechtmäßiger Ermessensausübung vermieden worden wäre. Das ist für den noch offenen Zeitraum vom Herbst 2010 bis zum 30. Juni 2012 offenkundig zu verneinen. In dieser Zeit war eine Untersagung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zur Durchsetzung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 4 Abs. 1 GlüStV ermessensfehlerfrei gemäß Art. 40 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) möglich. Es steht auch nicht fest, dass die Beklagte in Kenntnis dieser Befugnis von einer Untersagung abgesehen hätte.

53

(2) Der Erlaubnisvorbehalt selbst war unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols verfassungskonform (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 ; BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) und verstieß auch nicht gegen Unionsrecht. Er diente nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern auch unabhängig davon den verfassungs- wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung. Das in Art. 2 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (BayAGGlüStV) näher geregelte Erlaubnisverfahren ermöglichte die präventive Prüfung, ob unter anderem die für die Tätigkeit erforderliche persönliche Zuverlässigkeit vorlag (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayAGGlüStV) und die in Art. 2 Abs. 1 BayAGGlüStV in Bezug genommenen Anforderungen des Jugend- und Spielerschutzes nach §§ 4 ff. GlüStV sowie die besonderen Regelungen der gewerblichen Vermittlung und des Vertriebs von Sportwetten nach §§ 19, 21 GlüStV beachtet wurden. Diese gesetzlichen Anforderungen waren im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel verhältnismäßig und angemessen (Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 80 f., 83). Darüber hinaus waren sie hinreichend bestimmt, transparent und nicht diskriminierend. Gegen etwa rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen standen wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung (zu diesen Anforderungen vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2010 - Rs. C-64/08, Engelmann - Slg. 2010 I-8219 , vom 19. Juli 2012 - Rs. C-470/11, SIA Garkalns - NVwZ 2012, 1162 sowie vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 und C-209/11, Stanleybet Int. Ltd. u.a. - ZfWG 2013, 95 ).

54

(3) Weil die Klägerin nicht über die erforderliche Erlaubnis für die Veranstaltung und die Vermittlung der von ihr vertriebenen Sportwetten verfügte, war der Tatbestand der Untersagungsermächtigung offenkundig erfüllt. Art. 40 BayVwVfG ließ auch eine Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung zu. Sie entsprach dem Zweck der Norm, da die Untersagungsermächtigung dazu diente, die vorherige behördliche Prüfung der Erlaubnisfähigkeit der beabsichtigten Gewerbetätigkeit zu sichern und damit die mit einer unerlaubten Tätigkeit verbundenen Gefahren abzuwehren. Die Rechtsgrenzen des Ermessens schlossen ein Verbot ebenfalls nicht aus. Insbesondere verpflichtete das Verhältnismäßigkeitsgebot die Beklagte nicht, von einer Untersagung abzusehen und die formell illegale Tätigkeit zu dulden. Das wäre nur anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen - mit Ausnahme der möglicherweise rechtswidrigen Monopolvorschriften - erfüllte und dies für die Untersagungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung offensichtlich, d.h. ohne weitere Prüfung erkennbar war. Dann war die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich. Verbleibende Unklarheiten oder Zweifel an der Erfüllung der nicht monopolabhängigen Erlaubnisvoraussetzungen rechtfertigten dagegen ein Einschreiten. In diesem Fall war die Untersagung notwendig, die Klärung im Erlaubnisverfahren zu sichern und zu verhindern, dass durch die unerlaubte Tätigkeit vollendete Tatsachen geschaffen und ungeprüfte Gefahren verwirklicht wurden.

55

Aus dem Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 (BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55; vgl. die Parallelentscheidungen vom selben Tag - BVerwG 8 C 4.10 - ZfWG 2011, 341 und Urteile vom 11. Juli 2011 - BVerwG 8 C 11.10 und BVerwG BVerwG 8 C 12.10 - je juris Rn. 53) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Formulierung, der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige eine vollständige Untersagung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit, mag Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Sie ist aber nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit präventiver Untersagungen zu verstehen und behauptet keine Pflicht der Behörde, eine unerlaubte Tätigkeit bis zur Klärung ihrer Erlaubnisfähigkeit zu dulden. Das ergibt sich schon aus dem Zusammenhang der zitierten Formulierung mit der unmittelbar daran anschließenden Erwägung, bei Zweifeln hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kämen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Dies beschränkt die Durchsetzbarkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nicht auf Fälle, in denen bereits feststeht, dass die materielle Erlaubnisfähigkeit endgültig und unbehebbar fehlt. Hervorgehoben wird nur, dass eine vollständige Untersagung unverhältnismäßig ist, wenn Nebenbestimmungen ausreichen, die Legalität einer im Übrigen offensichtlich erlaubnisfähigen Tätigkeit zu sichern. Das setzt zum einen den Nachweis der Erlaubnisfähigkeit im Übrigen und zum anderen einen Erlaubnisantrag voraus, da Nebenbestimmungen sonst nicht erlassen werden können. Solange nicht offensichtlich ist, dass die materielle Legalität vorliegt oder jedenfalls allein mit Nebenbestimmungen gesichert werden kann, bleibt die Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Urteil vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09 a.a.O. ). Es erkennt eine Reduzierung des Untersagungsermessens zulasten des Betroffenen an, wenn feststeht, dass dessen unerlaubte Tätigkeit wesentliche Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt. Damit bietet es jedoch keine Grundlage für den - unzulässigen - Umkehrschluss, nur in diesem Fall sei eine Untersagung verhältnismäßig.

56

Die unionsgerichtliche Rechtsprechung, nach der gegen den Betroffenen keine strafrechtlichen Sanktionen wegen des Fehlens einer unionsrechtswidrig vorenthaltenen oder verweigerten Erlaubnis verhängt werden dürfen (EuGH, Urteile vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, Placanica u.a. - Slg. 2007 I-1932 sowie vom 16. Februar 2002 - Rs. C-72/10 und C-77/10, Costa und Cifone - EuZW 2012 275 ), schließt eine ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der - monopolunabhängigen - Erlaubnisfähigkeit ebenfalls nicht aus. Insbesondere verlangt das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - Rs. C-186/11 u. a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - a.a.O. ). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht.

57

Keiner näheren Prüfung bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts für den Fall, dass die Betroffenen keine Möglichkeit hatten, eine Erlaubnis zu erlangen. Der Freistaat Bayern hat nämlich die Entscheidungen des Gerichtshofs vom 8. September 2010 zum Anlass genommen, das Erlaubnisverfahren nach Art. 2 BayAGGlüStV für private Anbieter und die Vermittler an diese zu öffnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bot diese Regelung in Verbindung mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens. Die Zuständigkeit der Regierung der Oberpfalz ergab sich aus Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayAGGlüStV. Der möglichen Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols war durch Nichtanwenden der Monopol- und monopolakzessorischen Regelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlich normierten materiell-rechtlichen Anforderungen an das Wettangebot und dessen Vermittlung ließen sich entsprechend auf das Angebot privater Wettunternehmer und dessen Vertrieb anwenden. Einzelheiten, etwa die Richtigkeit der Konkretisierung einer solchen entsprechenden Anwendung in den im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochenen, im Verfahren BVerwG 8 C 15.12 vorgelegten Checklisten sowie die Frage, ob und in welcher Weise private Anbieter in das bestehende Spielersperrsystem einzubeziehen waren, müssen hier nicht erörtert werden. Aus verfassungs- und unionsrechtlicher Sicht genügt es, dass eine grundrechts- und grundfreiheitskonforme Anwendung der Vorschriften mit der Folge einer Erlaubniserteilung an private Anbieter und deren Vermittler möglich war und dass diesen gegen etwa rechtsfehlerhafte Ablehnungsentscheidungen effektiver gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stand. Der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, eine Erlaubniserteilung sei bisher nicht bekannt geworden, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwangsläufig auf systematische Rechtsverstöße zurückzuführen. Er kann sich auch daraus ergeben haben, dass in den zur Kenntnis des Berufungsgerichts gelangten Fällen mindestens eine wesentliche und auch nicht durch Nebenbestimmungen zu sichernde Erlaubnisvoraussetzung fehlte.

58

(4) Im vorliegenden Falle war die materielle Erlaubnisfähigkeit der unerlaubten Tätigkeit für die Behörde der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht offensichtlich. Vielmehr war für sie nicht erkennbar, inwieweit die gewerbliche Sportwettenvermittlung der Klägerin den ordnungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Jugend- und des Spielerschutzes genügte. Die Klägerin hatte dazu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, sondern meinte, ihre unerlaubte Tätigkeit müsse aus unionsrechtlichen Gründen hingenommen werden.

59

Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass diese die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Möglichkeit einer rechtsfehlerfreien Untersagung geduldet hätte.

60

cc) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

61

e) Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwältin I.          in C.         beigeordnet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beklagten ist eine Fassung des vorliegenden Beschlusses zu übermitteln, in welcher der zweite Absatz der Gründe gelöscht ist.


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(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren, in dem die Klägerin weiterhin eine Spätaussiedlerbescheinigung begehrt, um Rechtsfragen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit beim Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit.

2

Die am 21. Oktober 1957 in der Tschechoslowakei geborene Klägerin erhielt am 20. August 1969 eine vertriebenenrechtliche Übernahmegenehmigung, reiste aber erst im Jahre 2000 ins Bundesgebiet ein und beantragte am 30. Mai 2003 die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. Zur Begründung berief sie sich unter anderem darauf, dass ihr am 22. Juni 1925 in W. geborener Vater Josef R. die deutsche Staatsangehörigkeit im Oktober 1938 durch Sammeleinbürgerung erworben habe und sie als dessen eheliche Tochter ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Ihr Vater habe während des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Wehrmacht als Soldat gedient. Zum Nachweis legte die Klägerin Kopien des Arbeitsbuchs ihres Vaters vom 14. Juni 1940, in dem unter Staatsangehörigkeit "Deutsches Reich" vermerkt ist, und seines Soldbuches der Kriegsmarine, das zugleich als Personalausweis diente, vor. Auf Aufforderung legte die Klägerin auch einen Erlass des Bezirksnationalausschusses Liberec (Reichenberg) vom 13. April 1950 nebst Übersetzung vor. Darin wird ihrem Vater gemäß § 3 des Dekrets Nr. 33/1945 Sb. und § 1 der Anordnung Nr. 252/1949 Sb. die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zurückgegeben.

3

Mit Bescheid vom 28. März 2007 lehnte die Beklagte die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung ab, weil die Klägerin weder eine deutsche Volkszugehörige sei noch die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Durch den antragsgemäßen Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft im Jahre 1950 habe ihr Vater die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Folglich habe er der 1957 geborenen Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr vermitteln können. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2007 zurück.

4

Die von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat dagegen die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG zu erteilen. Die Klägerin falle unter die Übergangsregelung des § 100 Abs. 4 BVFG und könne nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F. anerkannt werden. Sie habe als deutsche Staatsangehörige Tschechien verlassen. Ihr Vater sei als Sudetendeutscher im Jahr 1938 rechtswirksam eingebürgert worden und habe die deutsche Staatsangehörigkeit beim Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1950 nicht verloren. Zwar beruhe der Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft auf einem Antrag, weil nach § 2 der Regierungsverordnung vom 29. November 1949 über die Rückgabe der Tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft an Personen Deutscher Nationalität (Nr. 252/1949 Sb.) ein "Gesuch" zwingend erforderlich gewesen sei. Für eine willentliche Entscheidung des Vaters über die Annahme der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit spreche auch der Vermerk auf dem Erlass vom 13. April 1950, wonach er den vorgeschriebenen staatsbürgerlichen Eid abgelegt habe. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit trete bei Annahme einer ausländischen Staatsbürgerschaft aber nur ein, wenn der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dem Betreffenden bekannt war oder bekannt sein musste, was nur bei grober Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Hierfür genüge die bloße Kenntnis der die Staatsangehörigkeit begründenden Tatsachen nicht. Erforderlich sei auch eine gewisse Rechtskenntnis, die das Niveau einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" nicht unterschreiten dürfe. Da keinerlei Nachforschungsobliegenheit bestehe, wirke sich jede Unkenntnis der deutschen Rechtslage zugunsten des Betroffenen aus. Der Vater der Klägerin habe jedoch im Jahr 1950 nicht mit Sicherheit wissen können, ob er die deutsche Staatsangehörigkeit noch besitze. Denn bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit am 26. Februar 1955 sei die Wirksamkeit der unter der nationalsozialistischen Herrschaft angeordneten Sammeleinbürgerungen umstritten gewesen. Es habe hinsichtlich der Anerkennung dieser Sammeleinbürgerungen eine unterschiedliche Behörden- und Gerichtspraxis gegeben. Deshalb sei auch der Gesetzgeber von einer unklaren Rechtslage ausgegangen (BTDrucks 2/44 S. 6, BTDrucks 2/849 S. 1). Daher habe sich dem Vater der Klägerin die Fortgeltung seiner deutschen Staatsangehörigkeit im Jahr 1950 nicht aufdrängen müssen.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 25 RuStAG (a.F.). Das Oberverwaltungsgericht habe sowohl an die Kenntnis als auch an das Kennenmüssen der deutschen Staatsangehörigkeit überzogene Anforderungen gestellt. Hinsichtlich der Kenntnis könne nicht gefordert werden, dass der Betroffene im Besitz einer Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland sei oder über Rechtskenntnisse verfüge. Vielmehr müsse es genügen, wenn der Betreffende um die Tatsachen wisse, aus denen sich für ihn die Bewusstseinslage ergebe, deutscher Staatsangehöriger zu sein.

6

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf einer unrichtigen Auslegung und Anwendung des § 25 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung vom 22. Juli 1913 (RGBl I S. 583; im Folgenden: RuStAG a.F.), der im vorliegenden Zusammenhang mit § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG übereinstimmt.

8

Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die begehrte Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG beanspruchen könnte, wenn sie bei ihrer Übersiedlung im Jahr 2000 als deutsche Staatsangehörige Aufnahme im Bundesgebiet gefunden hätte (§ 100 Abs. 4 BVFG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F.). Die Klägerin ist jedoch nicht mit ihrer Geburt im Jahr 1957 deutsche Staatsangehörige geworden, weil ihr Vater durch den antragsgemäßen Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft bereits im Jahr 1950 seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatte. Er konnte ihr damit die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. nicht mehr vermitteln.

9

1. Nach § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. verlor ein Deutscher, der im Inland weder einen Wohnsitz noch einen ständigen Aufenthalt hatte, seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit.

10

a) Dieser allgemeine Verlusttatbestand fand auch bei Sudetendeutschen Anwendung, die - wie der Vater der Klägerin - im Wege der Sammeleinbürgerung nach dem "Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen" vom 20. November 1938 (RGBl II S. 896) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten. Im Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StARegG) vom 22. Februar 1955 (BGBl I S. 65) wurde nicht nur die Rechtswirksamkeit dieses Staatsangehörigkeitserwerbs bestätigt. In § 2 StARegG wurde auch die Möglichkeit des zwischenzeitlichen Verlustes der Staatsangehörigkeit klargestellt. Der Gesetzgeber hielt insbesondere den Verlust nach § 25 RuStAG a.F. beim antragsgemäßen Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit für möglich (BTDrucks 2/44 S. 8). In diesem Punkt sollte keinerlei unterschiedliche Behandlung der kollektiv eingebürgerten Personen gegenüber anderen deutschen Staatsangehörigen erfolgen (vgl. BTDrucks 2/982 S. 2; Makarov, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl. 1971, S. 334 m.w.N.)

11

b) Der Vater der Klägerin hat die Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. erfüllt. Er hatte seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt nicht in Deutschland. Ferner hat das Oberverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt, dass der Erwerb der tschechischen Staatsangehörigkeit auf einem Antrag des Vaters der Klägerin beruhte und auch freiwillig erfolgt ist.

12

2. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Vater der Klägerin beim Antragserwerb der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit nicht die erforderliche Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit hatte. Die vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen lassen einen solchen Schluss nicht zu.

13

Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit nur verliert, wenn ihm im Zeitpunkt des Antragserwerbs der ausländischen Staatsbürgerschaft der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (Urteil vom 10. April 2008 - BVerwG 5 C 28.07 - BVerwGE 131, 121 Rn. 25). Diese Einschränkung gilt bei § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. ebenso wie bei der derzeit geltenden Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG. Das Berufungsgericht hat allerdings die bei der Prüfung dieser Kriterien anzulegenden Maßstäbe nicht richtig erfasst.

14

a) Die den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 Satz 1 RuStAG/StAG einschränkende Auslegung, nach der bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit nur verloren geht, wenn der Erwerber seine deutsche Staatsangehörigkeit kannte oder sie hätte kennen müssen, ergibt sich nicht nur aus der Vorschrift selbst, sondern ist zugleich mit Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG geboten (Urteil vom 10. April 2008 a.a.O.). Der mit § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. verbundene Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist verfassungsrechtlich nur unbedenklich, wenn der deutsche Staatsangehörige den Eintritt der gesetzlichen Rechtsfolge in zumutbarer Weise beeinflussen kann (s.a. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <44>). Hierfür muss er auf der Grundlage eines freien Willensentschlusses selbstverantwortlich auch darüber bestimmen können, dass mit der Entscheidung für den antragsabhängigen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit die daran geknüpfte gesetzliche Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit eintritt. Nur dann bringt der Antrag auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit objektiv die - die gesetzliche Verlustfolge legitimierende - selbstverantwortliche Entscheidung für die Hinwendung zu einer fremden Staatsangehörigkeit zum Ausdruck. Mit Rücksicht darauf ist die Kenntnis von der deutschen Staatsangehörigkeit grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass ein den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit beantragender deutscher Staatsangehöriger auf den Verlust seiner Staatsangehörigkeit Einfluss nehmen kann. Das Wissen um die deutsche Staatsangehörigkeit setzt ihn in die Lage, von der ihm in § 25 Abs. 2 Satz 1 RuStAG a.F. (= § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen und bis zu deren Erhalt auf den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit zu verzichten oder im Falle der Ablehnung der Beibehaltungsgenehmigung seinen Schritt noch einmal zu überdenken (zuletzt Urteile vom 29. April 2010 - BVerwG 5 C 5.09 - NVwZ-RR 2010, 658 und - BVerwG 5 C 4.09 - juris Rn. 9).

15

b) Für die Anforderungen, die im Einzelnen an die Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit im Rahmen des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. zu stellen sind, kommt es maßgeblich auf das (wie auch immer erlangte) Bewusstsein der deutschen Staatsangehörigkeit an. Für die Entscheidung des Betroffenen ist wesentlich, dass er um seine deutsche Staatsangehörigkeit weiß, nicht wie er zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Es kommt folglich nicht darauf an, dass der Antragsteller über ein vertieftes Wissen im Staatsangehörigkeitsrecht verfügt und zutreffend die rechtlichen Gründe für den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund einer juristischen Subsumtion oder Parallelwertung in der Laiensphäre darlegen kann. Es genügt das aufgrund von Erfahrungs- oder Indiztatsachen gewonnene Bewusstsein der staatsbürgerlichen Zugehörigkeit zum deutschen Staat. Denn die meisten Menschen gelangen zu der Überzeugung, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, nicht aufgrund rechtlicher Kenntnisse und Überlegungen. Der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit wird vielmehr regelmäßig aus Tatsachen gefolgert, wie vor allem aus dem Erhalt von amtlichen deutschen Urkunden und Ausweispapieren, die eine Person als deutschen Staatsangehörigen bezeichnen, oder z.B. aus Auskünften von Behörden, aber auch aus entsprechenden Belehrungen im Elternhaus und in der Schule, aus der Zugehörigkeit zu einer Familie mit deutscher Staatsangehörigkeit oder aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe von kollektiv eingebürgerten Personen.

16

Das Bewusstsein, deutscher Staatsangehöriger zu sein, erfordert als Voraussetzung dafür, auf den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit Einfluss nehmen zu können, eine hinreichende Überzeugungsgewissheit. Das Bewusstsein der bloßen Möglichkeit oder einer geringen Wahrscheinlichkeit, im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit zu sein, reicht nicht aus. Absolute Gewissheit hingegen muss nicht vorliegen. Gewisse Zweifel sind unschädlich. So bestanden zwar an der Rechtsgültigkeit der vom Staatsangehörigkeitsregelungsgesetz erfassten Sammeleinbürgerungen in der Nachkriegszeit objektiv rechtliche Zweifel. § 2 StARegG ist aber - wie gezeigt - gleichwohl von der Möglichkeit des Verlusts nach § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. durch Antragserwerb ausgegangen. Dementsprechend wollte der Gesetzgeber für die zurechenbare Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit das Bewusstsein des Betroffenen ausreichen lassen, dass die durch eine Sammeleinbürgerung vermittelte deutsche Staatsangehörigkeit fortbesteht. Rechtliche oder tatsächliche Zweifel am (Fort-)Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit berühren die erforderliche zurechenbare Kenntnis der deutschen Staatsangehörigkeit nur und erst dann, wenn sie dem Betroffenen auch bekannt und bei einer objektiven Betrachtung geeignet sind, sich auf sein Bewusstsein, dass die deutsche Staatsangehörigkeit (fort-)besteht, auszuwirken.

17

c) Diesen Maßstäben entspricht das Berufungsurteil nicht, soweit es im Hinblick auf denkbare Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Sammeleinbürgerung des Vaters der Klägerin allein darauf abgestellt hat, dass die Rechtslage im Jahr 1950 in der Bundesrepublik Deutschland noch ungeklärt und in der Rechtsprechung und Rechtspraxis der Besatzungszonen zwischen 1945 und 1955 umstritten war. Das Oberverwaltungsgericht hat damit allein objektive rechtliche Zweifel ausreichen lassen, ohne deren Eignung in den Blick zu nehmen, das subjektive Staatsangehörigkeitsbewusstsein des Vaters der Klägerin zu berühren.

18

d) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dem Vater der Klägerin hätte sich die Fortgeltung seiner deutschen Staatsangehörigkeit im Jahr 1950 nicht aufdrängen müssen, beruht auf diesem rechtlich unzutreffenden Ansatz. Die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, der Vater der Klägerin habe bei Erwerb der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit keine Kenntnis seiner deutschen Staatsangehörigkeit gehabt, erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als zutreffend. Vielmehr lassen die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nur den Schluss zu, dass der Vater der Klägerin bei der Beantragung der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit in dem Bewusstsein gehandelt hat, noch die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.

19

aa) Der Vater der Klägerin war nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ein deutscher Volkszugehöriger, der ausweislich der vorgelegten Schulzeugnisse die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschte. Ob er im Jahr 1938 als Dreizehnjähriger die Annexion des Sudetenlands bewusst miterlebt hat und ob ihm bereits in der deutschen Schule das Bewusstsein vermittelt worden ist, nunmehr zum Deutschen Reich zu gehören und die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, ist nicht festgestellt. Der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit musste sich dem Vater der Klägerin jedenfalls als Fünfzehnjährigem nach Abschluss des Schulbesuches aufdrängen, weil in seinem Arbeitsbuch unter Staatsangehörigkeit "Deutsches Reich" vermerkt war. Die Einberufung zur Deutschen Wehrmacht war ein weiteres Indiz. Schließlich wurde ihm in seinem Soldbuch, das als Personalausweis diente, der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bescheinigt. Ist aber ein deutscher Volkszugehöriger - wie der Vater der Klägerin - im Besitz von Dokumenten, die ihn als deutschen Staatsangehörigen ausweisen, dann lässt dies regelmäßig den Schluss zu, dass er das Bewusstsein hat, deutscher Staatsangehöriger zu sein. Auch das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Vater des Klägers während des Zweiten Weltkrieges um seine deutsche Staatsangehörigkeit wusste.

20

bb) Bei dieser Sachlage, die mit den vom Senat bislang entschiedenen Sachverhalten nicht vergleichbar ist, kann die nach den Umständen anzunehmende Kenntnis des Vaters der Klägerin, deutscher Staatsangehöriger zu sein, nur dann in einer für die Anwendung des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. beachtlichen Weise berührt werden, wenn sich aus anderen Tatsachen nicht nur objektiv, sondern auch aus Sicht des Betroffenen hinreichend gewichtige Zweifel am Fortbestand der bisherigen (deutschen) Staatsangehörigkeit ergeben. Solche Zweifel sind hier aber weder geltend gemacht noch erkennbar. Insbesondere musste sich bei deutschen Staatsangehörigen, die - wie der Vater der Klägerin - nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Tschechoslowakei verblieben sind, die Frage nach dem Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nicht ernsthaft stellen. Die Tschechoslowakei ging nämlich, wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, selbst von der Wirksamkeit der deutschen Sammeleinbürgerungen aus und betrachtete die verbliebenen Deutschen nicht als tschechoslowakische Staatsbürger. Aus dem Verhalten der tschechoslowakischen Behörden kann sich daher gegenüber dem Vater der Klägerin kein Indiz für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben haben.

21

Auch aus den Zweifeln, die sich vor allem in der amerikanischen Besatzungszone am Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben hatten, die aber z.B. in der britischen Besatzungszone nicht geteilt wurden (s. etwa Schätzel, AöR 74, 273 <299 f.>; s.a. Makarov, JZ 1952, 403 <405>; Augst, NJW 1950, 98), lässt sich entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht herleiten, dass der Vater der Klägerin hiervon Kenntnis hatte und dass dies sein Bewusstsein, Deutscher zu sein, erschüttert haben könnte.

22

Die Klägerin hat auch selbst keine Umstände vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass ihr Vater im Jahr 1950 das Bewusstsein verloren hätte, die deutsche Staatsangehörigkeit wahrscheinlich noch zu besitzen. Weder sie noch das Berufungsgericht haben behauptet oder gar belegt, dass der Vater der Klägerin im Jahr 1950 von der rechtlichen Diskussion in Deutschland über die generelle Rechtmäßigkeit der Sammeleinbürgerungen Kenntnis gehabt und sich die umstrittene Auffassung von der Völkerrechtswidrigkeit der Sammeleinbürgerungen zu eigen gemacht hätte.

23

cc) Selbst wenn aufgrund von - von dem Oberverwaltungsgericht nicht angenommenen und auch sonst nicht ersichtlichen - besonderen Umständen Rechtskenntnisse dahin unterstellt werden könnten, dass eine nach Besatzungszonen divergierende rechtliche Bewertung der auf einer Sammeleinbürgerung im Sudetenland gründenden deutschen Staatsangehörigkeit in der Nachkriegszeit bekannt gewesen ist, reichte dies für sich allein nicht aus. Denn dann wäre für den Regelfall davon auszugehen, dass eine Person, die aufgrund der Sammeleinbürgerung in der amerikanischen Zone mit Schwierigkeiten bei der Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit rechnete, auch darum wusste, dass z.B. in der britischen Besatzungszone ihre Anerkennung als deutscher Staatsangehöriger ohne weiteres zu erwarten war.

24

e) Im Übrigen ginge es hier ausnahmsweise nicht zu Lasten der Beklagten, wenn insoweit nicht ausräumbare Unklarheiten bestünden. Zwar gilt im Staatsangehörigkeitsrecht, dass der Bürger grundsätzlich für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit beweispflichtig ist, während die Behörde in der Regel die objektive Beweislast für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit trägt (Beschluss vom 16. Januar 1992 - BVerwG 9 B 192.91 - NVwZ-RR 1992, 439 <441>; BayVGH, Urteil vom 22. März 1999 - 11 B 96.2183 - DVBl 1999, 1218). Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist allerdings in Bezug auf Tatsachen, die sich in der für behördliche Ermittlungen nur schwer zugänglichen Sphäre des Einzelnen bewegen, jedenfalls dann nicht sachgerecht, wenn dem Erwerber positiv bekannt gewesen ist, die deutsche Staatsangehörigkeit besessen zu haben, und nur zu beurteilen ist, ob er in der Folgezeit aufgrund objektiv feststellbarer Umstände an deren Fortbestand beachtliche Zweifel gehabt hat. Zumindest in dieser besonderen Fallkonstellation kann der Behörde die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis der Kenntnis vom Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit allenfalls dann auferlegt werden, wenn bereits beachtliche Zweifel des Erwerbers an deren Fortbestand dargelegt und bewiesen sind. Letzteres wäre aber hier - wie dargelegt - nicht der Fall.

25

f) Auf die nur im Fall der fehlenden Kenntnis zu prüfende Frage, ob der Vater der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit hätte kennen müssen (vgl. dazu Urteil vom 29. April 2010 a.a.O.), kommt es nicht mehr an.

(1) Vertriebener ist, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger seinen Wohnsitz in den ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten oder in den Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstande vom 31. Dezember 1937 hatte und diesen im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges infolge Vertreibung, insbesondere durch Ausweisung oder Flucht, verloren hat. Bei mehrfachem Wohnsitz muss derjenige Wohnsitz verloren gegangen sein, der für die persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen bestimmend war. Als bestimmender Wohnsitz im Sinne des Satzes 2 ist insbesondere der Wohnsitz anzusehen, an welchem die Familienangehörigen gewohnt haben.

(2) Vertriebener ist auch, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger

1.
nach dem 30. Januar 1933 die in Absatz 1 genannten Gebiete verlassen und seinen Wohnsitz außerhalb des Deutschen Reiches genommen hat, weil aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen gegen ihn verübt worden sind oder ihm drohten,
2.
auf Grund der während des zweiten Weltkrieges geschlossenen zwischenstaatlichen Verträge aus außerdeutschen Gebieten oder während des gleichen Zeitraumes auf Grund von Maßnahmen deutscher Dienststellen aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten umgesiedelt worden ist (Umsiedler),
3.
nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen hat oder verlässt, es sei denn, dass er, ohne aus diesen Gebieten vertrieben und bis zum 31. März 1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 8. Mai 1945 einen Wohnsitz in diesen Gebieten begründet hat (Aussiedler),
4.
ohne einen Wohnsitz gehabt zu haben, sein Gewerbe oder seinen Beruf ständig in den in Absatz 1 genannten Gebieten ausgeübt hat und diese Tätigkeit infolge Vertreibung aufgeben musste,
5.
seinen Wohnsitz in den in Absatz 1 genannten Gebieten gemäß § 10 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Eheschließung verloren, aber seinen ständigen Aufenthalt dort beibehalten hatte und diesen infolge Vertreibung aufgeben musste,
6.
in den in Absatz 1 genannten Gebieten als Kind einer unter Nummer 5 fallenden Ehefrau gemäß § 11 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keinen Wohnsitz, aber einen ständigen Aufenthalt hatte und diesen infolge Vertreibung aufgeben musste.

(3) Als Vertriebener gilt auch, wer, ohne selbst deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger zu sein, als Ehegatte eines Vertriebenen seinen Wohnsitz oder in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 5 als Ehegatte eines deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen den ständigen Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten verloren hat.

(4) Wer infolge von Kriegseinwirkungen Aufenthalt in den in Absatz 1 genannten Gebieten genommen hat, ist jedoch nur dann Vertriebener, wenn es aus den Umständen hervorgeht, dass er sich auch nach dem Kriege in diesen Gebieten ständig niederlassen wollte oder wenn er diese Gebiete nach dem 31. Dezember 1989 verlassen hat.

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.