Verwaltungsgericht Halle Urteil, 09. Apr. 2015 - 7 A 117/14

ECLI:ECLI:DE:VGHALLE:2015:0409.7A117.14.0A
09.04.2015

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten veranlasste Eintragung des Verzichts auf die Fahrerlaubnis im Verkehrszentralregister.

2

Am 13. September 2012 sprach der Kläger beim Beklagten vor. In diesem Rahmen erklärte er, seinen Führerschein abgeben zu wollen. Dazu kam es aber nicht. Der Beklagte händigte dem Kläger ein Formular zur Abgabe einer Erklärung über den Verzicht auf die Fahrerlaubnis aus. Damit verließ der Kläger die Besprechung und stellte in Aussicht, seinen Führerschein später abzugeben.

3

Der Beklagte fertigte hierüber einen Aktenvermerk. Danach habe der Kläger die Unterzeichnung der vom Beklagten hierzu gewünschten formularmäßigen, unmissverständlichen Verzichtserklärung zunächst deshalb abgelehnt, weil er mit dem Auto da sei und dieses heute noch fahren müsse. Er habe angekündigt, die Verzichtserklärung mit seinem Führerschein am kommenden Montag beim Beklagten abzugeben.

4

Tatsächlich gab der Kläger seinen Führerschein zusammen mit einer eigenständig formulierten Erklärung noch am selben Tag bei der Information des Beklagten ab. Sie lautete: „A., – natürliche Person, freier Souverän […] Rückgabe des Führerscheins der Bundesrepublik Deutschland / Auflösung des Vertrages [–] Hiermit wird vom Landkreis Wittenberg bestätigt, dass Herr A., den Führerschein der Bundesrepublik Deutschland mit dem heutigen Datum zurückgab und die Vertraglichkeit, die durch Antragstellung bestand, damit aufgelöst ist.“

5

Im Mai 2013 meldete sich der anwaltlich vertretene Kläger beim Beklagten, weil ihm durch die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau aus Anlass eines Ermittlungsverfahrens wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Az. 394 Js 6771/13) bekannt geworden sei, dass der Beklagte die Rückgabe des Führerscheins als Verzicht auf die Fahrerlaubnis gewertet habe. Eine derartige Erklärung habe er aber nicht abgegeben. Vorsorglich lege er gegen eine mögliche Entziehung oder Rücknahme seiner Fahrerlaubnis Widerspruch ein.

6

Mit Schreiben vom 04. Juni 2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er keine Veranlassung sehe, die Eintragungen im Verkehrszentralregister ändern zu lassen und dass er den Widerspruch für unstatthaft halte. Die Entgegennahme einer Verzichtserklärung stelle keinen Verwaltungsakt dar und sei deshalb nicht rechtsbehelfsfähig.

7

Mit weiterem Schreiben vom 19. Februar 2014 vertrat der Beklagte unter anderem die Auffassung, dass sein vorangegangenes Schreiben hinsichtlich des Erlöschens der Fahrerlaubnis nach Verzicht eine Feststellung zur Rechtslage enthalte, und bat um Mitteilung, ob der Kläger seinen Widerspruch als gegen den feststellenden Bescheid gerichtet aufrecht erhalten wolle.

8

Daraufhin legte der Kläger mit Schreiben vom 04. Juni 2014 (erneut) Widerspruch gegen den feststellenden Bescheid des Beklagten vom 04. Juni 2013 ein, weil es an einer eindeutigen Verzichtserklärung fehle.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2014 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt beide Widersprüche zurück. Der Widerspruch des Klägers vom Mai 2013 sei unstatthaft, weil der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt keinen (feststellenden) Verwaltungsakt erlassen habe. Der weitere Widerspruch vom 04. Juni 2014 sei unbegründet, weil der Verwaltungsakt des Beklagten vom 04. Juni 2013, mit dem dieser festgestellt habe, dass die Fahrerlaubnis des Klägers infolge seines Verzichts hierauf erloschen sei, rechtmäßig sei.

10

Bereits am 05. Juni 2014 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe weder am 13. September 2012 noch zu einem späteren Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent auf seine Fahrerlaubnis verzichtet. Er habe am 13. September 2012 den Fachbereichsleiter des Beklagten, Herrn C., aufgesucht, um die von ihm vorbereitete Erklärung zusammen mit dem Führerschein der Bundesrepublik Deutschland abzugeben. In diesem Rahmen habe er erklärt, dass er beabsichtige, in den nächsten Tagen einen Staat zu gründen und deshalb „keine bestehende Vertraglichkeit mehr mit der Bundesrepublik in Deutschland“ wünsche. Auf die Frage wie er reagieren würde, wenn er seinen Führerschein auf dem Tisch liegen lassen würde, habe der Mitarbeiter des Beklagten angekündigt, dem Kläger den Führerschein voraussichtlich zurückzusenden. Hierzu habe er – der Kläger – darauf verwiesen, dass er über keine ladungsfähige Anschrift in der Bundesrepublik Deutschland verfüge. Die im Anschluss daran hinzugezogene Mitarbeiterin des Beklagten, Frau D., habe auf das Formular über den Verzicht auf die Fahrerlaubnis aufmerksam gemacht. Die Unterzeichnung einer solchen Erklärung habe er abgelehnt, weil er auf die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht habe unwiderruflich verzichten wollen, zumal er den Beklagten mit seinem Auto aufgesucht habe. Er habe wiederholt erklärt, dass er lediglich „das Vertragsverhältnis mit der Bundesrepublik in Deutschland beenden“ wolle. Da ihm Herr C. den Eindruck vermittelt habe, den Führerschein nur zusammen mit einer formularmäßigen Verzichtserklärung annehmen zu wollen, dessen Annahme mit der vorbereiteten Erklärung aber ablehne, habe er seine Unterlagen zunächst behalten. Im Anschluss daran habe er seine vorbereitete Erklärung zusammen mit seinem Führerschein der Bundesrepublik Deutschland an der Informationsstelle des Beklagten abgegeben. Dies habe der Beklagte nicht als Verzicht werten dürfen. Mit der Wertung der Erklärung als Verzicht habe der Beklagte ihm seine Fahrerlaubnis ohne Rechtsgrund entzogen. Zu diesem Verwaltungsakt sei er weder angehört noch sei ihm dieser bekanntgegeben worden.

11

Der Kläger beantragt,

12

den Bescheid des Beklagten vom 04. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 16. Oktober 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass seine Fahrerlaubnis nicht infolge Verzichts erloschen ist.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Er meint, der Kläger habe von seiner Berechtigung, auf ein ihm gewährtes subjektives Recht zu verzichten, Gebrauch gemacht. Bei der Auslegung der klägerischen Erklärung vom 13. September 2012 sei insbesondere zu berücksichtigen, dass er sich selbst als Souverän bezeichnet habe. Damit bringe er zum Ausdruck, dass er sich der Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland nicht unterworfen sehe. Vor diesem Hintergrund mache die Erklärung sein Bestreben deutlich, die übliche Terminologie zur Formulierung eines Verzichts auf die Fahrerlaubnis durch eine andere Ausdrucksweise zu ersetzen. Die von ihm gewählte Formulierung erhalte hierdurch aber keinen anderen Inhalt. Vielmehr ergebe sich bei verständiger Würdigung auch aus dem Begehren, die durch Antragstellung begründete Vertraglichkeit aufzulösen, dass der Kläger das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis in Gestalt der ihm auf seinen Antrag hin erteilten Fahrerlaubnis beseitigen möchte. Zudem sei im Hinblick auf vorangegangene Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis in den Jahren 1997 und 2008 sowie deren Neuerteilung in den Jahren 2003 und 2009 davon auszugehen, dass dem Kläger der Unterschied zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein bekannt sei.

16

Den Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kammer mit Beschluss vom 20. Mai 2014 abgelehnt (Az. 7 B 48/14 HAL). Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 01. Juli 2014 verworfen (Az. 3 M 408/14). Seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger zurückgenommen (Az. 3 M 429/14).

17

In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Mitarbeiter des Beklagten, Frau D. und Herrn C., informatorisch befragt.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage hat keinen Erfolg.

20

Sie ist als Verpflichtungsklage zulässig. Denn der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid des Beklagten vom 04. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 16. Oktober 2014 getroffene negative Feststellung über das Erlöschen seiner Fahrerlaubnis und begehrt die gegenteilige Feststellung.

21

Gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist Gegenstand der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Eine Gestaltänderung in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2011 – 9 C 2/11 –, juris).

22

So liegt der Fall auch hier. Denn ursprünglich handelte es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 04. Juni 2013 lediglich um die Mitteilung, dass er die Abgabe des Führerscheins unter Beifügung der schriftlichen Erklärung des Klägers zu einem früheren Zeitpunkt als Verzicht auf die Fahrerlaubnis gewertet und diesen Sachverhalt zur Eintragung ins Verkehrszentralregister gebracht habe. Das klägerische Vorbringen vom Mai 2013 gebe ihm keinen Anlass, die Eintragungen im Verkehrszentralregister über das Erlöschen der Fahrerlaubnis ändern zu lassen. Das Schreiben war formlos abgefasst und enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

23

Im Gegensatz dazu ist die Widerspruchsbehörde in ihrem Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2014 davon ausgegangen, dass es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 04. Juni 2013 um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt, und hat den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 04. Juni 2014 als unbegründet zurückgewiesen.

24

Die Klage ist aber unbegründet.

25

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit der für ihn positiven Feststellung des Fortbestehens seiner Fahrerlaubnis, denn der streitbefangene Bescheid, der die Feststellung des Erlöschens der Fahrerlaubnis infolge Verzichts enthält, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

26

Für den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts bedarf es jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage, wenn sein Inhalt etwas als rechtmäßig feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen nicht für rechtens hält. Eine Ermächtigungsgrundlage muss nicht ausdrücklich vorliegen. Es genügt, wenn sie durch Auslegung des Gesetzes ermittelt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2003 – 6 C 23.02 –, juris, Rdnr. 14).

27

Unter Anlegung dieses Maßstabes lässt sich der streitbefangene Bescheid auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in der Fassung des Gesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 747) stützen. Danach bedarf, wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). Die Fahrerlaubnis wird in bestimmten Klassen erteilt; sie ist durch eine amtliche Bescheinigung (Führerschein) nachzuweisen (§ 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StVG). Aus dieser Regelung ergibt sich zugleich die Befugnis der Fahrerlaubnisbehörde, eine verbindliche Feststellung über das Bestehen der erforderlichen Berechtigung zu treffen. Denn die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs hängt davon ab, dass der Betroffene im Besitz einer Fahrerlaubnis ist. Steht die Existenz dieser Berechtigung im Streit, besteht nicht nur auf Seiten des Betroffenen ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Im Hinblick darauf, dass im Zusammenhang mit einer Fahrerlaubnis stehende, wesentliche Daten im Verkehrszentralregister gespeichert (vgl. unter anderem § 28 Abs. 3 Nr. 7 StVG) und von verschiedenen Behörden genutzt werden, besteht auch insofern ein Bedürfnis, diese Daten zutreffend und rechtssicher zu ermitteln.

28

Auf dieser Grundlage ist der Beklagte bei der Beantwortung der Frage, ob der Kläger über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügt, zutreffend davon ausgegangen, dass sie infolge seines Verzichts hierauf erloschen ist.

29

Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist zwar gesetzlich nicht geregelt, nach allgemeinen Grundsätzen aber möglich und wird in § 2a Abs. 1 Satz 6 StVG vorausgesetzt. Bei der Verzichtserklärung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde zugeht. Der Verzicht muss zwar nicht ausdrücklich, aber eindeutig und unmissverständlich erklärt werden und darauf gerichtet sein, das Erlöschen der Fahrerlaubnis herbeizuführen (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, 1 § 2 Rdnr. 25).

30

Ob dies der Fall ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind im Bereich des revisiblen Rechts öffentlich-rechtliche Willenserklärungen entsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen. Danach ist bei der Auslegung nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf abzustellen, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 8 B 100/13 –, Rn. 13, juris). Der Empfänger darf der Erklärung allerdings nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Er ist nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. Palandt, BGB, Kommentar, 73. Auflage 2014, § 133 Rdnr. 7, 9, m.w.N.).

31

Unter Anlegung dieses Maßstabes durfte der Beklagte die Abgabe des Führerscheins zusammen mit der vom Kläger verfassten Erklärung als Verzicht des Klägers auf seine Fahrerlaubnis werten.

32

Mit der Erklärung, dass „die durch Antragstellung begründete Vertraglichkeit“ aufgelöst sein soll, und der gleichzeitigen Abgabe des Führerscheins hat der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Rechtsverhältnis, das durch die Beantragung der Fahrerlaubnis entstanden ist, zum Erlöschen bringen will. Das entstandene Rechtsverhältnis besteht in einer entsprechenden Berechtigung des Klägers, nämlich der ihm erteilten Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Fahrerlaubnis). Dass der Kläger dieses Rechtsverhältnis als Vertragsverhältnis bezeichnet, liegt offenkundig am Selbstverständnis des Klägers, der sich als Souverän betrachtet und wohl deshalb eine Terminologie meidet, die ein Unterworfensein ausdrücken könnte. Dass er den Begriff des Verzichts nicht verwendet, ist unschädlich. Denn der Sache nach bringt er mit der Abgabe des Führerscheins und seiner beigefügten Erklärung eindeutig zum Ausdruck, dass die mit dem Führerschein dokumentierte, auf seinen Antrag hin erteilte Berechtigung zum Erlöschen gebracht werden soll.

33

Dass der Kläger die Unterzeichnung einer formularmäßigen Verzichtserklärung im persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitern des Beklagten abgelehnt hat, steht der Annahme eines Verzichts auf die Fahrerlaubnis ebenso wenig entgegen, wie die im Verlauf des Gesprächs gefallene Äußerung des Klägers, dass er lediglich den Führerschein abgeben, die Fahrerlaubnis aber behalten wolle. Denn nach den diesbezüglich übereinstimmenden Ausführungen des Klägers und der Mitarbeiter des Beklagten, Herrn C. und Frau D., haben Letztgenannte im persönlichen Gespräch deutlich gemacht, dass eine Abgabe des Führerscheins nur bei gleichzeitigem Verzicht auf die Fahrerlaubnis sinnvoll sei, weil die Fahrerlaubnisbehörde ohne das Vorliegen eines Fahrverbots oder einer Fahrerlaubnisentziehung keine Veranlassung zur Entgegennahme eines Führerscheins habe. Dennoch hat der Kläger noch am selben Tag nicht nur seinen Führerschein, sondern zudem seine ohne Einschränkung auf das Erlöschen der „durch Antragstellung begründeten Vertraglichkeit“ gerichtete Erklärung abgegeben. Der Beklagte musste daher davon ausgehen, dass der Kläger sich schließlich doch entschieden hatte, nicht nur den Führerschein abzugeben, sondern auch auf die Fahrerlaubnis zu verzichten. Der Beklagte musste die Erklärung auch deswegen in diesem Sinne verstehen, weil der Kläger während des Gesprächs darauf hingewiesen hatte, mit dem Auto unterwegs zu sein, und ihm von den Mitarbeitern des Beklagten freigestellt worden war, die Verzichtserklärung später abzugeben. Dass der Kläger sich dabei dann nicht des entsprechenden Formulars der Fahrerlaubnisbehörde bediente, ließ sich – wie schon dargelegt – ohne Weiteres auf sein Selbstverständnis als Souverän zurückführen.

34

Ohne Erfolg hält der Kläger einer Auslegung als Verzichtserklärung ferner entgegen, dass ihm trotz der Ausführungen der Mitarbeiter des Beklagten der Unterschied zwischen dem Führerschein als Dokument und der Fahrerlaubnis als der diesem Dokument zugrunde liegenden Berechtigung nicht klar gewesen sei. Zum einen widerspricht dieses Vorbringen dem vom Kläger selbst geschilderten Gesprächsinhalt, wonach er im persönlichen Gespräch geäußert habe, nur den Führerschein als Dokument der Bundesrepublik Deutschland abgeben, die Fahrerlaubnis aber behalten und auf dieser Grundlage (mit einem eigenen Führerschein) weiter fahren zu wollen. Zum anderen wäre die Erklärung auch dann unmissverständlich als Verzicht zu werten, wenn der Unterschied zwischen Dokument und Berechtigung dem Kläger nicht in jeder Hinsicht vollständig bewusst gewesen wäre. Denn seine mit dem Führerschein abgegebene Erklärung bezog sich mit dem Begehren auf „Auflösung der durch Antragstellung begründeten Vertraglichkeit“ der Sache nach eindeutig auf die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen, also auf die ihm erteilte Fahrerlaubnis.

35

Schließlich war der Beklagte auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht gehindert, die vom Kläger abgegebene Erklärung als Verzicht auf die Fahrerlaubnis auszulegen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger – wie von ihm behauptet – die vorbereitete Erklärung zum Gegenstand des persönlichen Gesprächs gemacht und der Mitarbeiter des Beklagten, Herr C., die Entgegennahme dieser Erklärung abgelehnt hat. Denn selbst der Kläger macht nicht geltend, dass ein Mitarbeiter des Beklagten erklärt habe, diese Erklärung nicht als Verzicht zu werten.

36

Die Verzichtserklärung des Klägers hat unmittelbar zum Erlöschen seiner Fahrerlaubnis geführt.

37

Die Verzichtserklärung ist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung, die entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie der Fahrerlaubnisbehörde zugeht. Mit dem Wirksamwerden der Verzichtserklärung erlischt die Fahrerlaubnis unmittelbar. Von diesem Zeitpunkt an ist der Verzicht unwiderruflich (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., m.w.N.).

38

Da gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 7 StVG im Verkehrszentralregister auch Daten über Verzichte auf die Fahrerlaubnis gespeichert werden, hat der Beklagte die Meldung dorthin zu Recht veranlasst.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 2 Fahrerlaubnis und Führerschein


(1) Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). Die Fahrerlaubnis wird in bestimmten Klassen erteilt. Sie ist durch eine amtliche Bescheinigung (Führersche

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(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

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(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Wide

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Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen einen Wasser- und Abwassergebührenbescheid. 2

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(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Wasser- und Abwassergebührenbescheid.

2

Er wurde mit Bescheid vom 28. Februar 2006, der mit Hilfe einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage erstellt wurde, keine Unterschrift trägt und im Briefkopf und der Grußformel den beklagten Zweckverband als erlassende Behörde ausweist, für sein Grundstück in T. zu Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von 607,12 € herangezogen. Auf seinen Widerspruch hin teilte der Beklagte unter dem 23. Juni 2006 mit, dass nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne und dieser zuständigkeitshalber an das Landratsamt G. als Widerspruchsbehörde abzugeben sei. Das Landratsamt G. wies den Widerspruch zurück. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

4

Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil er zwar formal den Zweckverband als erlassende Behörde ausweise, aber inhaltlich von dem privatrechtlich organisierten Geschäftsbesorger des Beklagten, der S. GmbH, erlassen worden sei. Die S. GmbH habe nahezu lückenlos alle Aufgabenbereiche des Beklagten, der über kein eigenes Personal verfüge, übernommen und eigenständig bearbeitet. Da sie im Außenverhältnis nicht als selbständig handelnder Hoheitsträger in Erscheinung getreten sei, sei sie jedoch nicht als Beliehene tätig geworden. Eine Beleihung wäre zudem unzulässig gewesen, weil die Aufgabe der Abwasserbeseitigung nach dem Thüringer Wassergesetz nur auf Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen werden könne. Auch für ein Mandat fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Eine Verwaltungshilfe scheide ebenfalls aus, da der Geschäftsbesorger nicht nur einzelne Hilfstätigkeiten, sondern die gesamte öffentliche Aufgabe übernommen habe. In der Mitteilung des Beklagten über die Abgabe des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde liege keine eigenständige Einzelfallregelung des Abgabenschuldverhältnisses. Der Erlass des Widerspruchsbescheids führe zu keiner anderen Beurteilung. Dieser könne zwar grundsätzlich gestaltbildend auf den Ausgangsbescheid einwirken. Es fehle aber schon an einer von der Ausgangsbehörde selbst getroffenen Regelung, die hätte bestätigt oder umgestaltet werden können. Im Widerspruchsbescheid erstmals einen Verwaltungsakt zu sehen, scheide auch deshalb aus, weil es sich bei der Erhebung von Wasser- und Abwassergebühren um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handele, bei der die Aufsichtsbehörde auf die bloße Rechtsaufsicht beschränkt sei. Der Rechtsfehler, dass der Bescheid nicht durch den Beklagten erlassen worden sei, könne nicht durch Umdeutung ausgeräumt werden.

5

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte im Wesentlichen, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Bescheid sei entgegen dem äußeren Anschein inhaltlich nicht von dem Beklagten erlassen worden, verkenne die bundesrechtlichen Voraussetzungen des Vorliegens und der Wirksamkeit eines (Abgaben-)Verwaltungsakts. Durch die Nichtabhilfeentscheidung des Beklagten, jedenfalls aber durch die Zurückweisung des Widerspruchs durch die Widerspruchsbehörde sei eine etwa fehlende Regelung der Ausgangsbehörde ersetzt worden.

6

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2009 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 8. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat, indem es davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem angefochtenen Gebührenbescheid um einen Verwaltungsakt handelt, den Verwaltungsaktsbegriff, der als Begriff des Prozessrechts der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 42, 68, 70, 75, 79 VwGO) auch dem Bundesrecht angehört (Urteil vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <306>), nicht verkannt. Bei dem Gebührenbescheid handelt es sich um eine auf unmittelbare Außenwirkung gerichtete Entscheidung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Sinne des bundesrechtlichen Verwaltungsaktsbegriffs, wie er in § 35 Satz 1 VwVfG definiert ist. Sein Erlass ist auch dem Beklagten und damit einer Behörde im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG) zuzurechnen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Beklagte den für ihn tätig gewordenen privatrechtlich organisierten Geschäftsbesorger vertraglich ausdrücklich ermächtigt, Veranlagungen zu Gebühren und Beiträgen durchzuführen und Gebühren- und Beitragsbescheide zu erstellen und zu versenden. Anders als in dem von der Revision zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2006 - BVerwG 10 B 38.06 - (juris Rn. 6) ist hier die Mitwirkung des Privaten nach außen nicht erkennbar geworden, sondern allein im internen Bereich geblieben. Als Entscheidungsträger ist nach außen nicht der Geschäftsbesorger, sondern ausschließlich der Beklagte aufgetreten. Der angefochtene Bescheid hat daher nicht den Charakter einer allein von einer Privatperson getroffenen Maßnahme. Dass der Beklagte den Inhalt des Gebührenbescheids nicht kannte und ihn vor seinem Erlass nicht auf seine Richtigkeit hin überprüfen konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung der Verwaltungsaktsqualität. Erforderlich, aber auch genügend für die Annahme eines Verwaltungsakts in Abgrenzung von einem Nichtakt (Scheinverwaltungsakt) ist dann, wenn die betreffende Maßnahme eine Behörde als Entscheidungsträger ausweist, intern jedoch ein Privater sie getroffen hat, dass die nach außen in Erscheinung tretende Behörde das Tätigwerden des Privaten als Geschäftsbesorger veranlasst hat, der Geschäftsbesorger also mit ihrem Wissen und Wollen tätig geworden ist. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn die von dem Geschäftsbesorger durchzuführende Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach so hinreichend genau bestimmt ist, dass ohne Weiteres feststellbar ist, ob er sich im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit gehalten hat. Dies war hier nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der Fall. Durch den Geschäftsbesorgungsvertrag und die von ihm erlassenen satzungsrechtlichen Regelungen hat der Beklagte die Grundlagen für das Tätigwerden des Geschäftsbesorgers geschaffen und gleichzeitig den Umfang der Aufgabenwahrnehmung im Einzelnen festgelegt. Innerhalb dieses Rahmens hat sich der Geschäftsbesorger bewegt, so dass sein Tätigwerden dem beklagten Zweckverband als eigenes Handeln zuzurechnen ist.

10

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Bescheid sei inhaltlich von dem privaten Geschäftsbesorger erlassen worden, steht nicht im Widerspruch zur Qualifizierung des Gebührenbescheids als Verwaltungsakt und ist nicht willkürlich. Widersprüchlich und willkürlich wäre das Berufungsurteil nur dann, wenn die Formulierung, der Bescheid sei formal dem Beklagten zuzurechnen, inhaltlich aber nicht von ihm, sondern dem Geschäftsbesorger erlassen worden, so verstanden werden müsste, dass es nach Auffassung des Berufungsgerichts schon an einer dem Beklagten zurechenbaren Entscheidung, die die Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, fehlt. Das ist indes nicht der Fall.

11

Das Oberverwaltungsgericht prüft und bejaht in dem angegriffenen Urteil zunächst die Zuständigkeit des Beklagten zum Erlass von Wasser- und Abwassergebührenbescheiden und stellt dann fest, dass der Beklagte nach der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB dem objektiven Erklärungswert des angegriffenen Bescheids nach formal als diejenige Körperschaft anzusehen sei, die den Bescheid erlassen habe. Damit geht es der Sache nach davon aus, dass es sich bei dem Gebührenbescheid um eine dem Beklagten zurechenbare Einzelfallregelung im Sinne des bundesrechtlichen Verwaltungsaktsbegriffs handelt. Mit der dann folgenden Gegenüberstellung von formaler Zurechnung und inhaltlichem Erlass des Bescheids stellt das Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht das Vorliegen eines Verwaltungsakts wieder in Frage. Mit dieser Gegenüberstellung will das Oberverwaltungsgericht vielmehr deutlich machen, dass mit der Feststellung der Verwaltungsaktsqualität des Bescheids aufgrund der Zurechenbarkeit zum Beklagten nicht schon über dessen Rechtmäßigkeit entschieden ist. Dies lässt einen Bundesrechtsverstoß nicht erkennen. Von der Prüfung der Handlungsform, also vorliegend der Frage, ob überhaupt ein im Wege der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt vorliegt, ist die Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns zu unterscheiden. Die Rechtmäßigkeitskontrolle behördlichen Handelns setzt voraus, dass die gewählte Handlungsform bestimmt ist. Aus der Unterscheidung zwischen der Bestimmung der Handlungsform und der Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlung folgt, dass dann, wenn eine behördliche Handlung die Begriffsmerkmale des Verwaltungsaktsbegriffs erfüllt, Verstöße gegen Vorschriften des Verfahrens- und des sachlichen Rechts und selbst besonders schwere Fehler, die den Verwaltungsakt nichtig machen und zu seiner Unwirksamkeit führen (vgl. §§ 44, 43 Abs. 3 VwVfG), nichts daran ändern, dass begrifflich ein - wenn auch rechtswidriger oder nichtiger - Verwaltungsakt vorliegt.

12

2. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen Bundesrecht verstoßen, indem es in Auslegung und Anwendung von Thüringer Landesrecht zu dem Ergebnis gekommen ist, eine gesetzliche Ermächtigung für die Aufgabenwahrnehmung durch den privaten Geschäftsbesorger habe nicht existiert und der Beklagte habe gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft und die sich daraus ergebende Pflicht verstoßen, das zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ganges der Geschäfte erforderliche Personal einzustellen.

13

Der vom Beklagten hierin gesehene Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG scheidet schon deswegen aus, weil der Beklagte keine Gemeinde ist. Er ist aber auch kein Gemeindeverband im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG. Gemeindeverbände sind kommunale Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder denen Selbstverwaltungsaufgaben obliegen, die nach Gewicht und Umfang denen der Gemeinden vergleichbar sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 <112>). Der Beklagte ist dagegen als Zweckverband auf den Zweck der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung beschränkt (ebenso ThürVerfGH, Urteil vom 23. April 2009 - VerfGH 32.05 - ThürVBl 2009, 197 <198>).

14

Selbst wenn mit dem Beklagten eine mittelbare Schutzwirkung des Art. 28 Abs. 2 GG zugunsten gemeindlicher Zweckverbände anzunehmen wäre, würde es nicht zu dem in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden gewährleisteten Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, und dem nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG den Gemeindeverbänden im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs zustehenden Recht auf Selbstverwaltung gehören, die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung einer privatrechtlichen Gesellschaft zu überlassen. Zu der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Befugnis der eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte gehört auch die Organisationshoheit (Urteil vom 6. April 2005 - BVerwG 8 CN 1.04 - BVerwGE 123, 159 <162> m.w.N.). In eingeschränktem Umfang gilt dies auch für die Gemeindeverbände nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 - BVerfGE 119, 331 <352 f.>). Die Organisationshoheit umfasst die Befugnis der Gemeinde, sich dafür zu entscheiden, eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrzunehmen. Hieraus folgt jedoch kein Recht der Gemeinde, Verwaltungstätigkeiten ohne gesetzliche Ermächtigung auf Private zu übertragen. Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, der die Gemeinde verpflichtet, ihre Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 a.a.O. S. 367, 372 f.), steht einem so weitgehenden Verständnis der Organisationsfreiheit entgegen. Im Übrigen würde, selbst wenn die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für eine Privatisierung von Verwaltungstätigkeiten den Garantiegehalt der kommunalen Selbstverwaltung berührte, nichts für einen Eingriff in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie für Gemeinden und Gemeindeverbände durch eine Beschränkung der Einschaltung privater Dritter bei der Erledigung von Selbstverwaltungsangelegenheiten sprechen (hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 - BVerfGE 91, 228 <238> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 6. April 2005 a.a.O.).

15

3. Ein Bundesrechtsverstoß liegt auch nicht darin begründet, dass das Berufungsgericht der Nichtabhilfeentscheidung und der Abgabenachricht des Beklagten vom 23. Juni 2006 nicht die Bedeutung einer eigenständigen Einzelfallregelung beigemessen hat.

16

Bundesrecht ist insoweit berührt, als das Abhilfeverfahren in §§ 72, 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO geregelt ist. Insoweit wird das Verfahren bundesrechtlich bestimmt. Ausdrücklich geregelt ist in § 72 VwGO nur die Abhilfeentscheidung. Mit ihr ändert die Ausgangsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt ganz oder teilweise ab und gestaltet damit das Verwaltungsrechtsverhältnis. Der Abhilfebescheid ist selbst Verwaltungsakt (vgl. statt vieler Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 72 Rn. 14). Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch dagegen für nicht zulässig oder nicht begründet, so ist sie zur Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde verpflichtet. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 4. Februar 2011 - BVerwG 9 B 55.10 - (juris Rn. 10), mit dem er die Nichtzulassungsbeschwerde in einem weiteren Klageverfahren gegen den Beklagten zurückgewiesen hat, ausgeführt, dass die in § 72 VwGO nicht vorgeschriebene Abgabenachricht eine unselbständige Verfahrenshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und keine Regelung im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs (des Bundesrechts) darstellt. Daran hält er fest. Dafür, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist ausschlaggebend, ob die Behörde nach dem objektiven Sinngehalt ihrer Entscheidung, d.h. wie sie der Empfänger bei objektiver Würdigung aller Umstände verstehen konnte, Rechte des Betroffenen im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs "regelt", d.h. begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich feststellt oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte verbindlich ablehnt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <364>). Die Abgabenachricht enthält keine solche verbindliche Ablehnung. Sie erschöpft sich vielmehr in der Mitteilung der Ausgangsbehörde, auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens an ihrer Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids festzuhalten und den Widerspruch deshalb der Widerspruchsbehörde zur abschließenden Entscheidung weiterleiten zu wollen.

17

Die an den Kläger gerichtete Nichtabhilfemitteilung vom 23. Juni 2006 hat keinen darüber hinausreichenden rechtlichen Gehalt. Der äußere Aufbau des Schreibens weist zwar mit seiner Unterscheidung in einen "Tenor" und eine Begründung Ähnlichkeiten mit einem Verwaltungsakt auf. Es fehlt aber an einer Einzelfallregelung. Der "Tenor" zu I beschränkt sich im Gegensatz zu dem "Tenor" zu II, mit dem der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO ausdrücklich abgelehnt wird, auf die ausdrücklich als solche bezeichnete Mitteilung, dass dem Widerspruch nach eingehender Prüfung nicht abgeholfen werden könne. Der fehlende Regelungscharakter des Schreibens wird durch den Hinweis in der Begründung unterstrichen, der Widerspruch sei "zuständigkeitshalber" an das Landratsamt G. abzugeben, wegen der Kostenpflichtigkeit des Widerspruchsverfahrens werde mit der Abgabe aber noch einen Monat gewartet.

18

4. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Erlass des Widerspruchsbescheids führe zu keiner anderen Beurteilung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Gebührenbescheids, verletzt Bundesrecht im Ergebnis ebenfalls nicht.

19

Die Begründung des Berufungsurteils, dass es an einer von der Ausgangsbehörde selbst getroffenen Regelung fehle, die bestätigt oder umgestaltet werden könnte, steht allerdings mit § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht in Einklang (a). Dagegen ist die weitere Begründung, der Erlass des Widerspruchsbescheids führe auch deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil es sich bei der Erhebung von Wasser- und Abwassergebühren um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handele, bei der die Aufsichtsbehörde auf die bloße Rechtsaufsicht beschränkt sei, bundesrechtlich nicht zu beanstanden (b).

20

a) Das in §§ 68 ff. VwGO normierte Widerspruchsverfahren ist unbeschadet seiner Eigenschaft als Sachurteilsvoraussetzung für die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Verwaltungsverfahren im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen (Urteile vom 18. April 1986 - BVerwG 8 C 81.83 - Buchholz 316 § 3 VwVfG Nr. 2 S. 3 und vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 14.88 - BVerwGE 84, 178 <181>). Auch im gerichtlichen Verfahren setzt sich die Einheit fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1978 - BVerwG 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <145> und vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280>). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (Urteile vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <307 f.>, vom 6. Dezember 1978 - BVerwG 8 C 24.78 - BVerwGE 57, 158 <161>, vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 18.79 - BVerwGE 61, 164 <168> und vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - BVerwGE 78, 3 <5>; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 79 Rn. 1; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 79 Rn. 2; kritisch dagegen Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 79 Rn. 24; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 79 Rn. 3; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 79 Rn. 11 - jeweils m.w.N.). Hieran gemessen steht der Umstand, dass der Beklagte die Prüfung der Gebührenforderung und die Erstellung der Bescheide dem privaten Geschäftsbesorger übertragen hat, einer Gestaltung des Ausgangsbescheids nicht entgegen. Wenn selbst eine Willenserklärung ohne Verwaltungsaktsqualität durch einen Widerspruchsbescheid in einen Verwaltungsakt umgestaltet werden kann, muss es erst recht möglich sein, einen bloß formal der Behörde zurechenbaren Verwaltungsakt durch Nachholen einer materiellen, behördlich verantworteten Regelung zu gestalten. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts verletzt mithin Bundesrecht.

21

b) Die grundsätzliche Zulässigkeit einer Gestaltänderung des bloß formalen Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde schließt allerdings Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit der Widerspruchsbehörde durch Bundes- oder Landesrecht nicht aus. § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VwGO ermächtigt den Landesgesetzgeber, die in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgeschriebene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren auszuschließen. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO ist der Landesgesetzgeber zudem befugt, von der dort normierten Zuständigkeit der Selbstverwaltungsbehörde für den Erlass des Widerspruchsbescheids in Selbstverwaltungsangelegenheiten durch eine andere Zuständigkeitsbestimmung abzuweichen. Von diesen Ermächtigungen hat der Thüringer Landesgesetzgeber durch die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen landesrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 2, § 117 Abs. 1 ThürKO, § 43 Abs. 1 Satz 2, § 46 Nr. 1 ThürKGG) Gebrauch gemacht, indem er bei Widersprüchen gegen den Verwaltungsakt eines Zweckverbandes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises grundsätzlich der staatlichen Aufsichtsbehörde die Zuständigkeit zum Erlass von Widerspruchsbescheiden übertragen, sie aber dabei auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt hat. In für das Revisionsgericht verbindlicher Auslegung dieser landesrechtlichen Vorschriften hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Überprüfungsrecht und die Entscheidungskompetenz der durch § 46 Nr. 1 ThürKGG zum Erlass des Widerspruchsbescheids berufenen Aufsichtsbehörde auf die ihr als solche zukommenden Befugnisse beschränkt ist. Dazu gehöre nicht die Befugnis zu einer eigenen Sachentscheidung (vgl. auch zur reformatio in peius OVG Weimar, Urteil vom 21. Juli 2010 - 4 KO 173/08 - LKV 2011, 92 <95>). Diese Auffassung des Berufungsgerichts steht nicht im Widerspruch zu Bundesrecht.

22

§ 68 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VwGO ermöglicht dem Landesgesetzgeber nicht nur den gänzlichen Ausschluss des Widerspruchsverfahrens, sondern auch eine Beschränkung der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Widerspruchsbehörde (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <48>; BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 C 28.83 - BVerwGE 70, 4 <9 f.>; Beschluss vom 5. Mai 1988 - BVerwG 7 B 76.88 - NJW 1988, 2632; ebenso Geis, in: Sodan/Ziekow a.a.O. § 68 Rn. 185; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner a.a.O. § 68 Rn. 11; Rennert, in: Eyermann a.a.O. § 68 Rn. 15; Funke-Kaiser, in: Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 18; Kopp/Schenke a.a.O. § 68 Rn. 18). Ob der Widerspruchsbehörde eine erstmalige materielle Regelung des Rechtsverhältnisses zu Lasten des Widerspruchsführers aufgrund einer Einschränkung ihrer grundsätzlich umfassenden Kontroll- und Ersetzungsbefugnis verwehrt ist, richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht einschließlich seiner Zuständigkeitsvorschriften (vgl. Urteil vom 29. August 1986 - BVerwG 7 C 51.84 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 83 S. 55 zur reformatio in peius).

23

Die Annahme einer Einschränkung der Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde steht auch nicht im Widerspruch zur Aussage des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - (BVerwGE 78, 3 <5 f.>), dass die sich aus § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ergebende Möglichkeit zu einer Gestaltänderung durch die Widerspruchsbehörde keine Rücksicht darauf nehme, ob die Widerspruchsbehörde rechtmäßig gehandelt habe. Diese Aussage ist im Zusammenhang mit der prozessualen Ausgangssituation des damaligen Falles zu sehen, die dadurch gekennzeichnet war, dass die Klägerin eine ihrem objektiven Erklärungsinhalt nach missverständliche Willensäußerung der Verwaltung erhalten hatte und ihre hiergegen gerichtete Anfechtungsklage daher nicht zuletzt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) als zulässig angesehen werden musste. Nur vor dem Hintergrund, dass es nicht zu Lasten des Bescheidempfängers gehen dürfe, wenn er Anfechtungsklage erhebe und sich damit so verhalte, "wie sich zu verhalten ihm der Widerspruchsbescheid - bei objektiver Würdigung - nahegelegt hat" (Urteil vom 26. Juni 1987 a.a.O. S. 5), ist die Formulierung zu verstehen, dass die Frage, ob die Widerspruchsbehörde so handeln durfte, wie sie gehandelt hat, keine Rolle spiele. Eine vergleichbare Konstellation, bei der die Schutzwürdigkeit der Erstbehörde vor Eingriffen in ihre Rechte durch die Widerspruchsbehörde abzuwägen wäre mit der prozessualen Schutzwürdigkeit des Betroffenen, liegt im Fall des Klägers nicht vor. Hinzu kommt ein weiterer Unterschied, der eine Übertragung der Aussagen des Urteils vom 26. Juni 1987 auf den vorliegenden Fall ausschließt. Im damaligen Fall lag mit der in einen Bescheid umgestalteten Rechnung materiell eine Sachentscheidung über die Wasseranschlusskosten durch die für den Bescheiderlass sachlich zuständige Ausgangsbehörde vor; hieran fehlt es im vorliegenden Fall aufgrund der umfassenden Aufgabenübertragung auf den privaten Geschäftsbesorger. Die Widerspruchsbehörde hätte mithin mit einer Umgestaltung des Ausgangsverwaltungsakts erstmals eine materiell behördlich verantwortete Entscheidung getroffen, wozu sie nach der irrevisiblen Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht nicht zuständig gewesen wäre.

24

5. Ein Bundesrechtsverstoß liegt auch nicht in der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der angegriffene Gebührenbescheid sei einer Umdeutung nicht zugänglich. Das Oberverwaltungsgericht ist zu diesem Ergebnis in Auslegung der Vorschriften des Thüringer Landesrechts (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ThürKAG i.V.m. §§ 125, 128 AO) und damit irrevisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gekommen. Das Revisionsgericht ist daher auf eine Überprüfung darauf beschränkt, ob der durch die Auslegung ermittelte Inhalt der nicht revisiblen Normen mit Bundesrecht, insbesondere mit den Grundrechten und den bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 55.96 - BVerwGE 106, 177 <180>). Das ist hier der Fall. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der Umdeutung nach § 47 VwVfG verkannt, erschöpft sich in der Kritik der Auslegung des Thüringer Landesrechts durch das Berufungsgericht, ohne darzutun, inwiefern Bundesrecht einer solchen Auslegung entgegensteht. Gleiches gilt für die Kritik an der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Erklärung des Beklagten, er mache sich "den Bescheid seinem Inhalt nach vollumfänglich zu eigen", sei nicht ausreichend, um den Mangel des Ausgangsbescheids zu heilen. Das Berufungsurteil verweist insoweit zutreffend auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1970 - BVerwG 7 C 10.70 - (BVerwGE 35, 334 <343>), wonach die Zustimmung der zuständigen Behörde zu einer von einem Privaten getroffenen Maßnahme nicht ausreicht, um die fehlende hoheitliche Anordnung zu ersetzen.

25

6. Die Verfahrensrügen haben ebenfalls keinen Erfolg.

26

Weder hat das Berufungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen noch hat es seine Aufklärungspflicht verletzt. Als aktenwidrig rügt die Revision die Feststellung des Berufungsgerichts, eine eigenständige Einzelfallregelung sei dem Schreiben des Beklagten vom 23. Juni 2006 nicht zu entnehmen. Diese Rüge greift nicht durch. Ihr Erfolg setzt voraus, dass ein zweifelsfreier, also offensichtlicher Widerspruch zwischen den Feststellungen der Vorinstanz und dem Akteninhalt besteht (stRspr; Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 m.w.N.). Ein solcher Widerspruch liegt, wie sich aus den Ausführungen oben unter 3. ergibt, nicht vor. Die Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) kann schon deswegen nicht durchgreifen, weil es darauf, ob die im Schreiben vom 23. Juni 2006 behauptete eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage durch die dort angegebene Bearbeiterin stattgefunden hat, nach der maßgeblichen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Schreibens durch das Oberverwaltungsgericht nicht ankam.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). Die Fahrerlaubnis wird in bestimmten Klassen erteilt. Sie ist durch eine amtliche Bescheinigung (Führerschein) nachzuweisen. Nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung auf Grund des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und Absatz 3 Nummer 2 kann die Gültigkeitsdauer der Führerscheine festgelegt werden.

(2) Die Fahrerlaubnis ist für die jeweilige Klasse zu erteilen, wenn der Bewerber

1.
seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des Artikels 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 vom 30.12.2006, S. 26) im Inland hat,
2.
das erforderliche Mindestalter erreicht hat,
3.
zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist,
4.
zum Führen von Kraftfahrzeugen nach dem Fahrlehrergesetz und den auf ihm beruhenden Rechtsvorschriften ausgebildet worden ist,
5.
die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in einer theoretischen und praktischen Prüfung nachgewiesen hat,
6.
Erste Hilfe leisten kann und
7.
keine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilte Fahrerlaubnis dieser Klasse besitzt.
Nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b können als weitere Voraussetzungen der Vorbesitz anderer Klassen oder Fahrpraxis in einer anderen Klasse festgelegt werden. Die Fahrerlaubnis kann für die Klassen C und D sowie ihre Unterklassen und Anhängerklassen befristet erteilt werden. Sie ist auf Antrag zu verlängern, wenn der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist und kein Anlass zur Annahme besteht, dass eine der aus den Sätzen 1 und 2 ersichtlichen sonstigen Voraussetzungen fehlt.

(3) Nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und b kann für die Personenbeförderung in anderen Fahrzeugen als Kraftomnibussen zusätzlich zur Fahrerlaubnis nach Absatz 1 eine besondere Erlaubnis verlangt werden. Die Erlaubnis wird befristet erteilt. Für die Erteilung und Verlängerung können dieselben Voraussetzungen bestimmt werden, die für die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftomnibussen gelten. Außerdem kann ein Fachkundenachweis verlangt werden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen für Fahrerlaubnisse entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(4) Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Ist der Bewerber auf Grund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, so erteilt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist.

(5) Befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer

1.
ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat,
2.
mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist,
3.
die zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs, gegebenenfalls mit Anhänger, erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist und
4.
über ausreichende Kenntnisse einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist.

(6) Wer die Erteilung, Erweiterung, Verlängerung oder Änderung einer Fahrerlaubnis oder einer besonderen Erlaubnis nach Absatz 3, die Aufhebung einer Beschränkung oder Auflage oder die Ausfertigung oder Änderung eines Führerscheins beantragt, hat der Fahrerlaubnisbehörde nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und Absatz 3 Nummer 1 mitzuteilen und nachzuweisen

1.
Familiennamen, Geburtsnamen, sonstige frühere Namen, Vornamen, Ordens- oder Künstlernamen, Doktorgrad, Geschlecht, Tag und Ort der Geburt, Anschrift, Staatsangehörigkeit, Art des Ausweisdokumentes und
2.
das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 und Satz 2 und Absatz 3
sowie ein Lichtbild abzugeben. Außerdem hat der Antragsteller eine Erklärung darüber abzugeben, ob er bereits eine in- oder ausländische Fahrerlaubnis der beantragten Klasse oder einen entsprechenden Führerschein besitzt.

(7) Die Fahrerlaubnisbehörde hat zu ermitteln, ob der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen, gegebenenfalls mit Anhänger, geeignet und befähigt ist und ob er bereits eine in- oder ausländische Fahrerlaubnis oder einen entsprechenden Führerschein besitzt. Sie hat dazu Auskünfte aus dem Fahreignungsregister und dem Zentralen Fahrerlaubnisregister nach den Vorschriften dieses Gesetzes einzuholen. Sie kann außerdem insbesondere entsprechende Auskünfte aus ausländischen Registern oder von ausländischen Stellen einholen sowie die Beibringung eines Führungszeugnisses zur Vorlage bei der Verwaltungsbehörde nach den Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes verlangen.

(8) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung des Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde anordnen, dass der Antragsteller ein Gutachten oder Zeugnis eines Facharztes oder Amtsarztes, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung oder eines amtlichen anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr innerhalb einer angemessenen Frist beibringt. Anstelle eines erneuten Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung genügt zum Nachweis der Wiederherstellung der Eignung in der Regel die Vorlage einer Bescheinigung über die Teilnahme an einem amtlich anerkannten Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung, wenn

1.
auf Grund eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung die Teilnahme des Betroffenen an dieser Art von Kursen als geeignete Maßnahme angesehen wird, bestehende Eignungsmängel zu beseitigen,
2.
der Betroffene nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis ist und
3.
die Fahrerlaubnisbehörde der Kursteilnahme zugestimmt hat.
Satz 2 gilt nicht, wenn die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 4 Absatz 10 Satz 4 oder wegen erheblichen oder wiederholten Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze angeordnet wird.

(9) Die Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse dürfen nur zur Feststellung oder Überprüfung der Eignung oder Befähigung verwendet werden. Sie sind nach spätestens zehn Jahren zu vernichten, es sei denn, mit ihnen im Zusammenhang stehende Eintragungen im Fahreignungsregister oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister sind nach den Bestimmungen für diese Register zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt zu tilgen oder zu löschen. In diesem Fall ist für die Vernichtung oder Löschung der frühere oder spätere Zeitpunkt maßgeblich. Die Zehnjahresfrist nach Satz 2 beginnt mit der rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung oder mit der Rücknahme des Antrags durch den Antragsteller. Die Sätze 1 bis 4 gelten auch für entsprechende Unterlagen, die der Antragsteller nach Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 beibringt. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen ist die Verarbeitung der darin enthaltenen Daten einzuschränken, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(10) Bundeswehr, Bundespolizei und Polizei können durch ihre Dienststellen Fahrerlaubnisse für das Führen von Dienstfahrzeugen erteilen (Dienstfahrerlaubnisse). Diese Dienststellen nehmen die Aufgaben der Fahrerlaubnisbehörde wahr. Für Dienstfahrerlaubnisse gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf ihm beruhenden Rechtsvorschriften, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Mit Dienstfahrerlaubnissen dürfen nur Dienstfahrzeuge geführt werden.

(10a) Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren, der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste, des Technischen Hilfswerks und sonstiger Einheiten des Katastrophenschutzes, die ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben, Fahrberechtigungen zum Führen von Einsatzfahrzeugen auf öffentlichen Straßen bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 4,75 t – auch mit Anhängern, sofern die zulässige Gesamtmasse der Kombination 4,75 t nicht übersteigt – erteilen. Der Bewerber um die Fahrberechtigung muss

1.
mindestens seit zwei Jahren eine Fahrerlaubnis der Klasse B besitzen,
2.
in das Führen von Einsatzfahrzeugen bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 4,75 t eingewiesen worden sein und
3.
in einer praktischen Prüfung seine Befähigung nachgewiesen haben.
Die Fahrberechtigung gilt im gesamten Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Aufgabenerfüllung der in Satz 1 genannten Organisationen oder Einrichtungen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Erwerb der Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 7,5 t – auch mit Anhängern, sofern die zulässige Gesamtmasse der Kombination 7,5 t nicht übersteigt.

(11) Nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 3 Nummer 1 und 2 berechtigen auch ausländische Fahrerlaubnisse zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.

(12) Die Polizei hat Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Soweit die mitgeteilten Informationen für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten.

(13) Stellen oder Personen, die die Eignung oder Befähigung zur Teilnahme am Straßenverkehr oder Fachkundenachweise zwecks Vorbereitung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung beurteilen oder prüfen oder die in Erster Hilfe (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6) ausbilden, müssen für diese Aufgaben gesetzlich oder amtlich anerkannt oder beauftragt sein. Personen, die die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 2 Abs. 5 prüfen, müssen darüber hinaus einer Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr nach § 10 des Kraftfahrsachverständigengesetzes angehören. Voraussetzungen, Inhalt, Umfang und Verfahren für die Anerkennung oder Beauftragung und die Aufsicht werden - soweit nicht bereits im Kraftfahrsachverständigengesetz oder in auf ihm beruhenden Rechtsvorschriften geregelt - durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c und d in Verbindung mit Absatz 3 Nummer 3 näher bestimmt. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 sind Personen, die die Voraussetzungen des Absatzes 16 für die Begleitung erfüllen, berechtigt, die Befähigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der in Absatz 10a Satz 1 genannten Organisationen oder Einrichtungen zu prüfen.

(14) Die Fahrerlaubnisbehörden dürfen den in Absatz 13 Satz 1 genannten Stellen und Personen die Daten übermitteln, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Die betreffenden Stellen und Personen dürfen diese Daten und nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c und d in Verbindung mit Absatz 3 Nummer 3 die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben anfallenden Daten verarbeiten.

(15) Wer zur Ausbildung, zur Ablegung der Prüfung oder zur Begutachtung der Eignung oder Befähigung ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen führt, muss dabei von einem Fahrlehrer oder einem Fahrlehreranwärter im Sinne des Fahrlehrergesetzes begleitet werden. Bei den Fahrten nach Satz 1 sowie bei der Hin- und Rückfahrt zu oder von einer Prüfung oder einer Begutachtung gilt im Sinne dieses Gesetzes der Fahrlehrer oder der Fahrlehreranwärter als Führer des Kraftfahrzeugs, wenn der Kraftfahrzeugführer keine entsprechende Fahrerlaubnis besitzt.

(16) Wer zur Einweisung oder zur Ablegung der Prüfung nach Absatz 10a ein entsprechendes Einsatzfahrzeug auf öffentlichen Straßen führt, muss von einem Fahrlehrer im Sinne des Fahrlehrergesetzes oder abweichend von Absatz 15 Satz 1 von einem Angehörigen der in Absatz 10a Satz 1 genannten Organisationen oder Einrichtungen, der

1.
das 30. Lebensjahr vollendet hat,
2.
mindestens seit fünf Jahren eine gültige Fahrerlaubnis der Klasse C1 besitzt und
3.
zum Zeitpunkt der Einweisungs- und Prüfungsfahrten im Fahreignungsregister mit nicht mehr als zwei Punkten belastet ist,
begleitet werden. Absatz 15 Satz 2 gilt entsprechend. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann überprüfen, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind; sie kann die Auskunft nach Satz 1 Nummer 3 beim Fahreignungsregister einholen. Die Fahrerlaubnis nach Satz 1 Nummer 2 ist durch einen gültigen Führerschein nachzuweisen, der während der Einweisungs- und Prüfungsfahrten mitzuführen und zur Überwachung des Straßenverkehrs berechtigten Personen auszuhändigen ist.

(1) Das Kraftfahrt-Bundesamt führt das Fahreignungsregister nach den Vorschriften dieses Abschnitts.

(2) Das Fahreignungsregister wird geführt zur Speicherung von Daten, die erforderlich sind

1.
für die Beurteilung der Eignung und der Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen oder zum Begleiten eines Kraftfahrzeugführers entsprechend einer nach § 6e Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung,
2.
für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen,
3.
für die Ahndung der Verstöße von Personen, die wiederholt Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, begehen oder
4.
für die Beurteilung von Personen im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der ihnen durch Gesetz, Satzung oder Vertrag übertragenen Verantwortung für die Einhaltung der zur Sicherheit im Straßenverkehr bestehenden Vorschriften.

(3) Im Fahreignungsregister werden Daten gespeichert über

1.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte wegen einer Straftat, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist, soweit sie auf Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen Schuldspruch enthalten,
2.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte, die die Entziehung der Fahrerlaubnis, eine isolierte Sperre oder ein Fahrverbot anordnen, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, sowie Entscheidungen der Strafgerichte, die die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen,
3.
rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit
a)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist und gegen die betroffene Person
aa)
ein Fahrverbot nach § 25 angeordnet worden ist oder
bb)
eine Geldbuße von mindestens sechzig Euro festgesetzt worden ist und § 28a nichts anderes bestimmt,
b)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit kein Fall des Buchstaben a vorliegt und ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
c)
nach § 10 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist,
4.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
5.
unanfechtbare Versagungen einer Fahrerlaubnis,
6.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare
a)
Entziehungen, Widerrufe oder Rücknahmen einer Fahrerlaubnis,
b)
Feststellungen über die fehlende Berechtigung, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen,
7.
Verzichte auf die Fahrerlaubnis,
8.
unanfechtbare Ablehnungen eines Antrags auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis,
9.
die Beschlagnahme, Sicherstellung oder Verwahrung von Führerscheinen nach § 94 der Strafprozessordnung,
10.
(weggefallen)
11.
Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2,
12.
die Teilnahme an einem Aufbauseminar, an einem besonderen Aufbauseminar und an einer verkehrspsychologischen Beratung, soweit dies für die Anwendung der Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe (§ 2a) erforderlich ist,
13.
die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, soweit dies für die Anwendung der Regelungen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4) erforderlich ist,
14.
Entscheidungen oder Änderungen, die sich auf eine der in den Nummern 1 bis 13 genannten Eintragungen beziehen.

(4) Die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden teilen dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach Absatz 3 zu speichernden oder zu einer Änderung oder Löschung einer Eintragung führenden Daten mit. Die Datenübermittlung nach Satz 1 kann auch im Wege der Datenfernübertragung durch Direkteinstellung unter Beachtung des § 30a Absatz 2 bis 4 erfolgen.

(5) Bei Zweifeln an der Identität einer eingetragenen Person mit der Person, auf die sich eine Mitteilung nach Absatz 4 bezieht, dürfen die Datenbestände des Zentralen Fahrerlaubnisregisters und des Zentralen Fahrzeugregisters zur Identifizierung dieser Personen verwendet werden. Ist die Feststellung der Identität der betreffenden Personen auf diese Weise nicht möglich, dürfen die auf Anfrage aus den Melderegistern übermittelten Daten zur Behebung der Zweifel verwendet werden. Die Zulässigkeit der Übermittlung durch die Meldebehörden richtet sich nach den Meldegesetzen der Länder. Können die Zweifel an der Identität der betreffenden Personen nicht ausgeräumt werden, werden die Eintragungen über beide Personen mit einem Hinweis auf die Zweifel an deren Identität versehen.

(6) Die regelmäßige Verwendung der auf Grund des § 50 Abs. 1 im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten ist zulässig, um Fehler und Abweichungen bei den Personendaten sowie den Daten über Fahrerlaubnisse und Führerscheine der betreffenden Person im Fahreignungsregister festzustellen und zu beseitigen und um das Fahreignungsregister zu vervollständigen.

(1) Bei erstmaligem Erwerb einer Fahrerlaubnis wird diese auf Probe erteilt; die Probezeit dauert zwei Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung an. Bei Erteilung einer Fahrerlaubnis an den Inhaber einer im Ausland erteilten Fahrerlaubnis ist die Zeit seit deren Erwerb auf die Probezeit anzurechnen. Die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe finden auch Anwendung auf Inhaber einer gültigen Fahrerlaubnis aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die ihren ordentlichen Wohnsitz in das Inland verlegt haben. Die Zeit seit dem Erwerb der Fahrerlaubnis ist auf die Probezeit anzurechnen. Die Beschlagnahme, Sicherstellung oder Verwahrung von Führerscheinen nach § 94 der Strafprozessordnung, die vorläufige Entziehung nach § 111a der Strafprozessordnung und die sofort vollziehbare Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde hemmen den Ablauf der Probezeit. Die Probezeit endet vorzeitig, wenn die Fahrerlaubnis entzogen wird oder der Inhaber auf sie verzichtet. In diesem Fall beginnt mit der Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis eine neue Probezeit, jedoch nur im Umfang der Restdauer der vorherigen Probezeit.

(2) Ist gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, die nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c in das Fahreignungsregister einzutragen ist, so hat, auch wenn die Probezeit zwischenzeitlich abgelaufen oder die Fahrerlaubnis nach § 6e Absatz 2 widerrufen worden ist, die Fahrerlaubnisbehörde

1.
seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat,
2.
ihn schriftlich zu verwarnen und ihm nahezulegen, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung nach Absatz 7 teilzunehmen, wenn er nach Teilnahme an einem Aufbauseminar innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat,
3.
ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er nach Ablauf der in Nummer 2 genannten Frist innerhalb der Probezeit eine weitere schwerwiegende oder zwei weitere weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.
Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei den Maßnahmen nach den Nummern 1 bis 3 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden.

(2a) Die Probezeit verlängert sich um zwei Jahre, wenn die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 angeordnet worden ist. Die Probezeit verlängert sich außerdem um zwei Jahre, wenn die Anordnung nur deshalb nicht erfolgt ist, weil die Fahrerlaubnis entzogen worden ist oder der Inhaber der Fahrerlaubnis auf sie verzichtet hat.

(3) Ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 in der festgesetzten Frist nicht nachgekommen, so ist die Fahrerlaubnis zu entziehen.

(4) Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 bleibt unberührt; die zuständige Behörde kann insbesondere auch die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anordnen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der Probezeit Zuwiderhandlungen begangen hat, die nach den Umständen des Einzelfalls bereits Anlass zu der Annahme geben, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Hält die Behörde auf Grund des Gutachtens seine Nichteignung nicht für erwiesen, so hat sie die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis an einem solchen Kurs nicht bereits teilgenommen hatte. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Ist eine Fahrerlaubnis entzogen worden

1.
nach § 3 oder nach § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 dieses Gesetzes, weil innerhalb der Probezeit Zuwiderhandlungen begangen wurden, oder nach § 69 oder § 69b des Strafgesetzbuches,
2.
nach Absatz 3, weil einer Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht nachgekommen wurde,
oder wurde die Fahrerlaubnis nach § 6e Absatz 2 widerrufen, so darf eine neue Fahrerlaubnis unbeschadet der übrigen Voraussetzungen nur erteilt werden, wenn der Antragsteller nachweist, dass er an einem Aufbauseminar teilgenommen hat. Das Gleiche gilt, wenn der Antragsteller nur deshalb nicht an einem angeordneten Aufbauseminar teilgenommen hat oder die Anordnung nur deshalb nicht erfolgt ist, weil die Fahrerlaubnis aus anderen Gründen entzogen worden ist oder er zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet hat. Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens drei Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden; die Frist beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins. Auf eine mit der Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gemäß Absatz 1 Satz 7 beginnende neue Probezeit ist Absatz 2 nicht anzuwenden. Die zuständige Behörde hat in diesem Fall in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.

(6) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung des Aufbauseminars nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 4 Satz 2 sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 und Absatz 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(7) In der verkehrspsychologischen Beratung soll der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe veranlasst werden, Mängel in seiner Einstellung zum Straßenverkehr und im verkehrssicheren Verhalten zu erkennen und die Bereitschaft zu entwickeln, diese Mängel abzubauen. Die Beratung findet in Form eines Einzelgesprächs statt. Sie kann durch eine Fahrprobe ergänzt werden, wenn der Berater dies für erforderlich hält. Der Berater soll die Ursachen der Mängel aufklären und Wege zu ihrer Beseitigung aufzeigen. Erkenntnisse aus der Beratung sind nur für den Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe bestimmt und nur diesem mitzuteilen. Der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe erhält jedoch eine Bescheinigung über die Teilnahme zur Vorlage bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde. Die Beratung darf nur von einer Person durchgeführt werden, die hierfür amtlich anerkannt ist. Die amtliche Anerkennung ist zu erteilen, wenn der Bewerber

1.
persönlich zuverlässig ist,
2.
über den Abschluss eines Hochschulstudiums als Diplom-Psychologe oder eines gleichwertigen Masterabschlusses in Psychologie verfügt und
3.
eine Ausbildung und Erfahrungen in der Verkehrspsychologie nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c in Verbindung mit Absatz 3 Nummer 3 nachweist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gründe

I

1

Die Beigeladenen wenden sich mit ihrer Beschwerde - ebenso wie in den Parallelverfahren BVerwG 8 B 99.13, 8 B 101.13, 8 B 102.13, 8 B 3.14 und 8 B 4.14 - gegen die in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts erfolgte Nichtzulassung der Revision.

2

Das Verfahren betrifft das 4 851 qm große Flurstück ... der Flur ... im Gemeindegebiet der Klägerin, die dessen Eigentümerin und Verfügungsberechtigte ist. Das Grundstück gehörte zum historischen Gutsgelände ... der Brüder Albert und Max S., die von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen beerbt wurden. Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2006 übertrug das Bundesamt das Grundstück auf die Beigeladenen in ungeteilter Erbengemeinschaft.

3

Nachdem das Verwaltungsgericht zunächst mit Urteil vom 13. November 2008 - VG 1 K 1401/06 - den streitgegenständlichen Bescheid vom 31. Mai 2006 aufgehoben hatte, hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen mit Beschluss vom 28. März 2011 (BVerwG 8 B 44.10) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat dann mit dem angegriffenen, am 24. September 2013 zugestellten Urteil vom 18. April 2013 - VG 1 K 840/11 - den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2006 erneut aufgehoben und die Revision nicht zugelassen.

II

4

Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt diese in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sowie in ihren Verfahrensrechten aus § 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO sowie aus § 86 Abs. 1 VwGO. Es ist deshalb aufzuheben. Das Verfahren wird gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam zurückverwiesen.

5

1. Die Grundsatzrügen sind allerdings nicht begründet. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kommt der Streitsache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

6

a) Hinsichtlich der ersten von den Beigeladenen aufgeworfenen Rechtsfrage (S. 18 ff. der Beschwerdebegründung)

„Ist es für die Annahme 'anderer Tatsachen' im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1  2. Variante REAO, die für die ungerechtfertigte Entziehung eines Vermögenswertes im Sinne des Art. 2 REAO sprechen, erforderlich, dass Indizien im Sinne von Beweisanzeichen als Hilfstatsachen des Beweises vorliegen, die sich in Form einer Indizienkette dergestalt aneinanderreihen, dass sie sich in ansteigend gestufter Abfolge bis hin zu der ungerechtfertigten Entziehung als zu beweisender Tatsache erstrecken, also eine lückenlos gesicherte Schlussfolgerung von bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen auf die ungerechtfertigte Entziehung ermöglichen?“

fehlt es bereits an ihrer Klärungsbedürftigkeit in dem angestrebten Revisionsverfahren.

7

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass bei entgeltlichen Rechtsgeschäften die Kausalität zwischen Verfolgung und Vermögensverlust - und damit der Zwangscharakter des Rechtsgeschäfts - nach Maßgabe des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 REAO vermutet wird. Danach wird zu Gunsten des Berechtigten ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust vermutet, wenn die Veräußerung des Vermögensgegenstandes in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 durch jemanden erfolgt ist, der zu einem von der deutschen Regierung oder den Nationalsozialisten kollektiv verfolgten Personenkreis gehörte (Abs. 1). Die gesetzliche Vermutung ist nur dann widerlegt, wenn die in Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO aufgeführten Hilfstatsachen zur Überzeugung des Gerichts und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sind. Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung durch die Führung des Beweises des Gegenteils genügt es nicht, dass ein anderer möglicher Hergang des Geschehens dargetan wird. Es ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils zu führen (vgl. u.a. Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 8 C 10.03 - BVerwGE 119, 232 <237 f.>). Die gesetzliche Vermutung kann für Veräußerungen vor dem 15. September 1935 nur durch den Beweis widerlegt werden, „dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und dass er über ihn frei verfügen konnte“ (§ 1 Abs. 6 Satz 2 VermG, Art. 3 Abs. 2 REAO). Ist die gesetzliche Vermutung widerlegt worden, so kann der Berechtigte dennoch gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG, Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO die Rückübertragung beanspruchen, wenn „andere Tatsachen eine ungerechtfertigte Entziehung beweisen“ (Alt. 1) oder „für eine solche Entziehung sprechen“ (Alt. 2).

8

In seinem Urteil vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - (BVerwGE 108, 157 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167) hat der Senat außerdem bereits geklärt, dass für die zweite Alternative des nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG anzuwendenden Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO zugunsten der Anspruchsteller die bloße Darlegung genügt, dass die Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlustes überwiegend wahrscheinlich ist (a.a.O., S. 168 f.). Ein Vollbeweis ist damit nicht erforderlich. Jedoch geht eine unzureichende Glaubhaftmachung dieser Voraussetzungen zu Lasten des Anspruchstellers. Die Frage, ob „andere Tatsachen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 Alt. 2 REAO für eine ungerechtfertigte Entziehung sprechen, lässt sich dabei nur anhand des konkreten Falles beurteilen. Generelle Maßstäbe, wann solche Tatsachen anzunehmen sind, wären nicht geeignet, der mit dieser Regelung angestrebten Einzelfallgerechtigkeit im Verhältnis von gesetzlicher Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes und der Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung zu dienen. Auch dies ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (vgl. u.a. Beschluss vom 28. März 2011 - BVerwG 8 B 44.10 - ZOV 2011, 131 = juris Rn. 4 und 6). Mit der Beschwerde wird kein darüber hinausgehender rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf dargetan.

9

b) Die beiden nachfolgend in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen (zu „tagtäglichen Anfeindungen und Abgrund der Judenverfolgung“, S. 27 ff. der Beschwerdebegründung)

„Kann bei der Prüfung 'anderer Tatsachen' im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO, welche die ungerechtfertigte Entziehung eines Vermögenswertes im Sinne des Art. 2 REAO belegen, abstrakt zwischen solchen unterschieden werden,

- die tagtägliche Anfeindungen gegenüber jüdischen Mitbürgern darstellen und daher einer allgemeinen Verfolgungssituation zuzuordnen sind, die nicht als 'andere Tatsachen' im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO zu werten ist,

und solchen,

- die unabweislich den letztlich erreichten Abgrund der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten erkennen lassen und einen unmittelbar erfolgten oder bevorstehenden Übergriff auf Personen aus der Gruppe der Kollektivverfolgten belegen und daher als 'andere Tatsachen' im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO zu berücksichtigen sind?“

sowie

„Ist ein im Wege der nur eingeschränkt der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterlegenen Tatsachenwürdigung festgestellter, adäquat kausaler Zusammenhang zwischen einem Veräußerungsgeschäft und der durch den allgemeinen Verfolgungsdruck auf Juden zwischen dem 30.01.1933 und dem 14.09.1935 entstandenen wirtschaftlichen Notlage der jüdischen Bevölkerung aus Rechtsgründen keine 'andere Tatsache' im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO?“

lassen eine Klärungsbedürftigkeit in dem angestrebten Revisionsverfahren ebenfalls nicht erkennen. Auch insoweit gilt, was der Senat bereits in seinem Beschluss vom 28. März 2011, a.a.O., klargestellt hat: Die Frage, ob „andere Tatsachen“ eine ungerechtfertigte Entziehung eines Vermögenswertes beweisen oder für eine solche Entziehung sprechen, lässt sich nur anhand des Einzelfalles beurteilen und ist einer grundsätzlichen Definition nicht zugänglich. Dementsprechend hat der Senat in jenem Verfahren zu der Frage

„Ist der allgemeine wirtschaftliche Druck, der auf einem Personenkreis in seiner Gesamtheit gemäß Art. 3 Abs. 1b) REAO infolge diskriminierender Maßnahmen des NS-Regimes lastete, in Verbindung mit den konkreten Inhalten eines Veräußerungsgeschäfts ungeeignet, als andere Tatsache im Sinne der zweiten Alternative des Art. 3 Abs. 2 REAO herangezogen zu werden?“,

die in der Sache mit der ersten der beiden vorstehend aufgeworfenen Fragen inhaltsgleich ist, ausgeführt, dass sie sich letztlich gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts im Einzelfall wendet und versucht, aus dieser einen allgemeinen Rechtssatz abzuleiten. Das kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

10

Im Übrigen ist hinsichtlich der vorgenannten und auch der angeschlossenen weiteren Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass „andere Tatsachen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 REAO sich aus dem konkreten Sachverhalt ergebende individuelle Ereignisse sein müssen und eine allgemeine Verfolgungssituation des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO beschriebenen Personenkreises auch dann nicht generell als „andere Tatsachen“ angesehen werden kann, wenn sie mit wirtschaftlichem Druck verbunden ist (Beschluss vom 28. März 2011 , a.a.O. Rn. 11).

11

c) Die vierte mit der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage (S. 36 ff. der Beschwerdebegründung)

„Setzt die Annahme 'anderer Tatsachen' im Sinne von Art. 3 Abs. 2 REAO zwingend einen gezielten diskriminierenden Zugriff auf den konkret streitgegenständlichen entzogenen Vermögenswert voraus oder können hierfür auch andere Umstände ausreichen, die anderweitige unmittelbare, persönlich wirkende Repressalien gegen Beruf und Vermögen eines Verfolgten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 REAO darstellen, wie namentlich

- die bereits wegen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft des betreffenden Eigentümers erfolgte Entziehung anderer in seinem Eigentum gestandener Vermögenswerte und damit ggf. auch anderer Teile seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage

oder

- Maßnahmen, welche trotz der bis dato belassenen formellen Eigentümerposition des jüdischen Eigentümers die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Nutzung des betreffenden Vermögensgegenstandes beeinträchtigten oder gänzlich verhinderten,

oder

- Maßnahmen, die sich zwar nicht gegen den konkret streitgegenständlichen Vermögensbestand des betreffenden mit jüdischen Eigentümers, aber gegen diesen persönlich - wie etwa personenbezogene Schikanen - richteten?“

ist in dem angestrebten Revisionsverfahren ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Es ergibt sich bei Anwendung der üblichen Auslegungsregeln unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf damit keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung, dass die Annahme „anderer Tatsachen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 REAO, die eine ungerechtfertigte Entziehung des fraglichen Vermögensgegenstandes beweisen oder für eine solche Entziehung sprechen, nicht zwingend den Nachweis eines gezielten diskriminierenden Zugriffs auf den konkret streitgegenständlichen entzogenen Vermögenswert voraussetzt. Vielmehr können hierfür auch andere Umstände ausreichen, die anderweitige unmittelbare, persönlich wirkende Repressalien gegen Beruf und Vermögen eines Verfolgten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 REAO darstellen. Im Übrigen gilt auch hier, dass sich die Frage, ob „andere Tatsachen“ eine ungerechtfertigte Entziehung eines Vermögenswertes beweisen oder für eine solche Entziehung sprechen (Art. 3 Abs. 2 REAO), nur anhand des Einzelfalles beantworten lässt und einer grundsätzlichen Definition nicht zugänglich ist (Beschluss vom 28. März 2011 a.a.O.).

12

d) Auch die fünfte mit der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage (S. 46 ff. der Beschwerdebegründung)

„Ist auch bei öffentlich-rechtlichen Verträgen, namentlich Aufschließungsverträgen (Verträgen über Erschließungsmaßnahmen oder -flächen), von dem Grundsatz auszugehen, dass auch das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten vor Vertragsschluss haben kann?“

ist in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig.

13

In der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass im Bereich des revisiblen Rechts öffentlich-rechtliche Willenserklärungen entsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 BGB auszulegen sind (vgl. u.a. Urteile vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 <307> = Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7 S. 6, vom 11. November 2004 - BVerwG 3 C 4.04 - BVerwGE 122, 166 <170> = Buchholz 428.21 KVG Nr. 2 S. 13, vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 52 und vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 = Buchholz 451.902 Europ Ausl- u. Asylrecht Nr. 47 Rn. 15 f.). Für die Ermittlung dieser Rechtsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB kommt damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine maßgebliche Bedeutung zu. Danach ist bei der Auslegung nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf abzustellen, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird (vgl. u.a. Urteile vom 27. April 1990 - BVerwG 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 1<5> m.w.N., vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 <307 f.> = Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7, vom 14. Februar 2007 - BVerwG 6 C 28.05 - Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 3 Rn. 24 und vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 29; Beschluss vom 22. September 2011 - BVerwG 6 B 19.11 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 176 m.w.N.). Entscheidend ist damit der Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung. Das nachträgliche Verhalten der Parteien kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten (BGH, Urteil vom 24. Juni 1988 - V ZR 49/87 - NJW 1988, 2878, unter 2 b; Beschluss vom 24. November 1993 - BLw 57/93, WM 1994, 267 unter III, Urteile vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96 - NJW-RR 1998, 259 = WM 1997, 2305, unter II 3 b und vom 26. November 1997 - XII ZR 308/95 - NJW-RR 1998, 801, unter II 5). Ein weitergehender Klärungsbedarf wird mit der Beschwerde nicht aufgezeigt.

14

2. Die mit der Beschwerde erhobenen Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) haben ebenfalls keinen Erfolg. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung der Beschwerdeführer divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 = juris Rn. 15). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. u.a. Beschluss vom 17. Januar 1995 - BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342). So liegt der Fall hier.

15

a) Soweit die Beigeladenen rügen (S. 56 ff. der Beschwerdebegründung), das Verwaltungsgericht habe in dem angegriffenen Urteil einen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz zu Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 Alt. 2 REAO aufgestellt, der dem nachstehenden, vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 16. Dezember 1998 (a.a.O., S. 168 f.) aufgestellten Rechtssatz

„Dabei geht der Senat davon aus, dass für die zweite Alternative zugunsten der Berechtigten die bloße Darlegung genügt, dass die Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlustes überwiegend wahrscheinlich ist“

widersprochen habe, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (UA S. 12, dritter Absatz, unter 3 b) im Hinblick auf die zweite Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO gerade diesen Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Denn es hat ausgeführt:

„Dabei genügt für die zweite Alternative zu Gunsten der Berechtigten die bloße Darlegung, dass die Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlustes überwiegend wahrscheinlich ist. Im Fall der Unerweislichkeit bzw. der unzureichenden Glaubhaftmachung dieser beiden Voraussetzungen geht dies zu ihren Lasten.“.

16

Auch bei der Subsumtion ist das Verwaltungsgericht von diesem abstrakten Rechtssatz ausgegangen und ist zu dem Ergebnis gelangt, zur vollen Überzeugung der erkennenden Kammer rechtfertigten die angeführten Tatsachen „nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit“ die Schlussfolgerung auf eine „ungerechtfertigte Entziehung im Sinne der zweiten Alternative des Art. 3 Abs. 2 REAO“ (UA, S. 23, dritter Absatz). Die von den Beigeladenen vorgebrachten Tatsachen seien weder einzeln noch in einer Gesamtschau geeignet, als Hinweis bzw. Beweisanzeichen eine ungerechtfertigte Entziehung zu belegen.

17

Gegenteiliges folgt auch nicht aus der im Rahmen der Subsumtion vom Verwaltungsgericht verwendeten Formulierung, bei einer Gesamtbetrachtung wäre dies, nämlich die Erfüllung der in Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 Alt. 2 REAO normierten Tatbestandsvoraussetzungen, „allenfalls dann der Fall, wenn sich die einzelnen Beweisanzeichen gewissermaßen in Form einer Indizienkette aneinanderreihen würden, so dass sie sich in ansteigend gestufter Abfolge bis hin zu der zu beweisenden Tatsache hin erstrecken“. Diese Formulierung ist zwar ersichtlich missverständlich, was bereits darin zum Ausdruck kommt, dass nicht von einer überwiegend wahrscheinlichen, sondern von einer „zu beweisenden“ Tatsache die Rede ist. Sie negiert aber nicht den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten und vom Verwaltungsgericht auch als maßgeblich herausgestellten abstrakten Rechtssatz oder ersetzt diesen durch einen anderen. Es handelt sich allenfalls um eine fehlerhafte oder unzureichende Anwendung desselben, die aber keine Divergenz zu begründen vermag.

18

b) Auch soweit die Beigeladenen auf S. 59 ff. der Beschwerdebegründung einen Widerspruch zu dem vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 28. März 2011 - BVerwG 8 B 44.10 - (Teltow-Seehof IV) (ZOV 2011, 131 = juris in Rn. 4) aufgestellten abstrakten Rechtssatz

„Die Frage, ob 'andere Tatsachen' im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO für eine ungerechtfertigte Entziehung sprechen, lässt sich nur anhand des konkreten Falles beurteilen. Generelle Maßstäbe, wann solche Tatsachen anzunehmen sind, wären nicht geeignet, der mit dieser Regelung angestrebten Einzelfallgerechtigkeit im Verhältnis von gesetzlicher Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes und der Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung zu dienen.“

geltend machen, ist eine Divergenz im Hinblick auf die zweite Alternative des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO (ob „andere Tatsachen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO für eine ungerechtfertigte Entziehung „sprechen“) nicht ersichtlich. Der in der Beschwerdebegründung unter C II.1 (S. 62, dritter Absatz) formulierte abstrakte Rechtssatz lässt sich - bezogen auf die vorgenannte Bestimmung - in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts auch der Sache nach so nicht finden. In der Beschwerde wird hierzu auch keine diesbezügliche Stelle des Urteils präzise angegeben. Soweit sich das Vorbringen in der Beschwerdebegründung auf Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Abschnitt 3. b) aa) (UA S. 13 bis 23) beziehen sollte, geht es dabei nicht um die mit dem angeführten, als divergent bezeichneten Rechtssatz in Bezug genommene zweite, sondern um die erste Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO.

19

3. Mit der Beschwerde werden jedoch zu Recht Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügt, auf denen das angegriffene Urteil beruhen kann.

20

a) Zu Recht rügen die Beigeladenen, dass das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dadurch verletzt hat, dass es Vorbringen zu dem seitens der Stadt T. veranlassten Flächentausch aus dem Jahre 1937 und der Umwidmung des streitgegenständlichen Grundstücks von Bauland in eine im Sinne des Aufschließungsvertrages vom 16. Mai 1934 unentgeltlich abzutretende Straßen- oder Grünfläche ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Beigeladenen hatten im Verfahren VG 1 K 1401/06 vor dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 15. Juni 2009 (Nichtzulassungsbeschwerde) unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 4. November 2008 (Seite 13 ff.) vorgetragen:

„Die Veräußerung der Grundstücke der Gemarkung T. durch die Erbengemeinschaft S., die Gegenstand der Verfahren - 1 K 1396/06 - (Flur ... Flurstück a), - 1 K 1400/06 - (Flur ..., Flurstück b), - 1 K 1401/06 - (Flur ..., Flurstück c) und - 1 K 2299/07 - (Flur ..., Flurstück d) sind, ist in der zweiten Verkaufsperiode im Sinne des Vermögensgesetzes erzwungen worden. Die Widerlegung der Vermutung der ungerechtfertigten Entziehung richtet sich hier deshalb nach Art. 3 Abs. 3 REAO.

Da die Klägerin nicht bewiesen hat, dass die der Abtretung der Grundstücke zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte ihrem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wären und dieser Beweis - wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil ‚Teltow-Seehof III‘ entschieden hat - im Fall Seehof auch nicht geführt werden kann, sind die Klagen in den genannten Verfahren schon deshalb zwingend als unbegründet abzuweisen.

...

Der Siedlungsplan vom 15.12.1933 weist die oben ... bezeichneten Grundstücke fast vollständig als Bauland aus, nicht als Grün- oder Straßenland. Die erforderliche hinreichend konkrete Bezeichnung der Grundstücke als Flächen, die an die Klägerin als Grün- oder Straßenland abgetreten werden müssen, ist erst im Jahre 1937 erfolgt. Erst zu diesem Zeitpunkt ist entschieden worden, dass diese Abtretung vorzunehmen ist.

Mit Abschluss des Aufschließungsvertrages war die Erbengemeinschaft S. weder vertraglich verpflichtet, der Klägerin die oben genannten Grundstücke abzutreten, noch war die Abtretung zu diesem Zeitpunkt überhaupt vorgesehen. Der Siedlungsplan vom 15.12.1933 weist die Grundstücke weder als Grün- noch als Straßenland aus. Wie der Plan belegt, sollten die Grundstücke der Flur ..., Flurstück d sowie die der Flur ..., Flurstücke b und a vielmehr eindeutig als Bauland verkauft werden... Die Bezeichnung des Grundstücks der Flur ..., Flurstück c lautete 'Wald anzuforsten'.

Wie der Parzellierungsplan Zone 1 A aus dem November 1934 belegt, bestand auch zu diesem Zeitpunkt keine Verpflichtung der Erbengemeinschaft S., die genannten Grundstücke an die Klägerin abzutreten. ... Auch dieser Parzellierungsplan weist die Flächen als Bauland aus.

...

Die erforderliche konkrete Bestimmung der Grundstücke als abzutretendes Grünland hat erst nach dem oben beschriebenen erzwungenen Flächentausch im Jahre 1937 stattgefunden. Erst zu diesem Zeitpunkt hat der Vertreter der Erbengemeinschaft S. - B. - bewilligt, dass die genannten Grundstücke nicht, wie bis zu diesem Zeitpunkt vorgesehen und im Aufschließungsvertrag vertraglich fixiert, durch die Erbengemeinschaft als Bauland verkauft, sondern als Grünland an die Klägerin abgetreten werden. Zum Nachweis überreichen wir in Kopie die Bewilligungen vom 09.02.1937 und vom 06.04.1937, mit denen B. die Grundstücke abgetreten hat. ... Mit der Vereinbarung hat B. u.a. die Parzelle Nr. ... des Planblattes ... abgetreten.

...

Die heutige Bezeichnung der Parzelle ... des Planblattes ... lautet Flur ..., Flurstück c. ...“.

21

Das Verwaltungsgericht ist hierauf im angegriffenen Urteil nicht näher eingegangen, obwohl der Schriftsatz vom 15. Juni 2009 und der darin enthaltene Tatsachenvortrag Bestandteil der Akten war. Stattdessen hat es unter Zitierung einer auf andere Flurstücke bezogenen Passage aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Teltow-Seehof I) ausgeführt:

„Besteht der zu restituierende Vermögensverlust in der Übereignung von Teilflächen eines zu parzellierenden Grundstücks, die im Rahmen der Parzellierung aufgrund eines Aufschließungsvertrages mit der Gemeinde an diese zum Ausgleich für die Befreiung vom ortsstatuarischen Bauverbot und die Erteilung der Parzellierungsgenehmigung als Straßen- oder Grünflächen 'unentgeltlich' abgetreten worden sind, so ist der Aufschließungsvertrag das für die gesetzliche Vermutung und ihre Widerlegung maßgebliche entgeltliche Rechtsgeschäft.“ (UA, S. 10, erster Absatz).

22

Das angegriffene Urteil lässt dabei nicht erkennen, aus welchem Grund es im vorliegenden Verfahren das Vorbringen der Beigeladenen zu der gegenüber dem Aufschließungsvertrag vom 16. Mai 1934 durch einen Flächentausch im Jahre 1937 veränderten Situation nicht in dem gebotenen Maße in Erwägung gezogen hat. Insbesondere ist es nicht darauf eingegangen, ob durch den offenbar 1937 erfolgten Flächentausch das ursprüngliche Kausalgeschäft (Aufschließungsvertrag vom 16. Mai 1934) abgeändert wurde oder ob es dabei lediglich um den dinglichen Vollzug des vor dem 15. September 1935 verbindlich abgeschlossenen Kausalgeschäftes ging. Gleiches gilt hinsichtlich der von den Beigeladenen in der Beschwerdebegründung (S. 125) zitierten Passagen im angegriffenen Urteil auf der Seite 24 (im ersten und im letzten Absatz). Zu einer näheren Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beigeladenen bestand für das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die von ihm herangezogene gesetzliche Vermutungsregelung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 2 und 3 REAO Veranlassung. Denn es war jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass es bei pflichtgemäßer Kenntnisnahme zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass vorliegend für die rechtliche Beurteilung der Entziehung des Grundstücks nicht der Zeitraum vor dem 15. September 1935, sondern der Zeitraum danach maßgeblich war, so dass für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 REAO nicht nur die Maßstäbe des Art. 3 Abs. 2 REAO, sondern auch diejenigen des Art. 3 Abs. 3 REAO anzuwenden sind. Das Vorbringen konnte sich damit auf die Entscheidung über das Klagebegehren auswirken und war damit entscheidungserheblich. Denn die gesetzliche Vermutung kann für Veräußerungen vor dem 15. September 1935 durch den Beweis widerlegt werden, „dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und dass er über ihn frei verfügen konnte“ (§ 1 Abs. 6 Satz 2 VermG, Art. 3 Abs. 2 REAO). Demgegenüber kann gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alt. a) REAO bei Veräußerungen, welche in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 vorgenommen worden sind, die sich aus Art. 3 Abs. 1 REAO ergebende gesetzliche Vermutung nur durch den Beweis widerlegt werden, dass außer den in Absatz 2 bezeichneten Voraussetzungen das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre.

23

b) Soweit die Beigeladenen mit der Beschwerde (S. 83 ff. der Beschwerdebegründung) geltend machen, das Verwaltungsgericht habe dem angegriffenen Urteil „weiterhin an verschiedenen Stellen“ die Tatsachenwürdigung aus dem Revisionsurteil „Teltow-Seehof I“ des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - (BVerwGE 108, 157 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167), zugrunde gelegt und zugleich „sämtlichen Tatsachenvortrag der Beigeladenen seit dem Urteil ‚Teltow-Seehof I‘ vollständig ignoriert“, erfüllt dies nicht die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sowie gegen die Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Zu Recht weisen die Beigeladenen zwar darauf hin, dass das Verwaltungsgericht damit in der Sache seine vom Bundesverwaltungsgericht im Teltow-Seehof-I-Urteil vom 16. Dezember 1998 revisionsrechtlich nicht beanstandete Tatsachenwürdigung im Urteil vom 15. Dezember 1997 - VG 1 K 267/97 - wiederholt hat (UA S. 11 f. unter 3.a). Sie legen aber in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar dar, welches konkrete entscheidungserhebliche Vorbringen der Beigeladenen das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat.

24

Auch eine Verletzung der Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ist insoweit nicht ersichtlich, weil sich dem angegriffenen Urteil jedenfalls entnehmen lässt, aus welchem Grund das Verwaltungsgericht weiterhin von seiner Tatsachenwürdigung in seinem früheren Urteil vom 15. Dezember 1997 - VG 1 K 263/97 und VG 1 K 267/97 - ausgegangen ist.

25

c) Auch soweit die Beigeladenen rügen (S. 65 bis 83 der Beschwerdebegründung, „Besonderer Vortrag ...“), das Verwaltungsgericht habe sich mit - bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung - entscheidungserheblichem Vorbringen der Beigeladenen zu „anderen Tatsachen“, die im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO für „eine ungerechtfertigte Entziehung ... sprechen“ (Alt. 2), nicht in dem nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO gebotenen Maße auseinander gesetzt und dieses damit nicht in Erwägung gezogen, trifft dies zu. Das Tatsachengericht hat nicht nachvollziehbar dargelegt, welche rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen es veranlasst haben, von einer Auseinandersetzung mit entscheidungserheblichem Parteivorbringen abzusehen, und aus welchen Gründen eine weitere Sachaufklärung unterbleiben durfte.

26

Dies betrifft insbesondere das im Ausgangsbescheid erwähnte und von den Beigeladenen im Verfahren aufgegriffene Schreiben des „Ariseurs“ G. an das US-Generalkonsulat vom 8. Dezember 1980, die von den Beigeladenen im Beweisantrag vom 26. April 2012 in Bezug genommenen Aussagen dieses „Ariseurs“ gegenüber dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (ARoV) vom 13. April 1992, das von den Beigeladenen mit Schriftsatz vom 29. April 2008 in das Verfahren eingeführte Schreiben des Kaufmanns Georg B. an die Landesregierung Brandenburg vom 20. Dezember 1947 sowie den mit Schriftsatz vom 4. November 2008 vorgelegten Lebenslauf der Urenkelin (der ursprünglichen Eigentümer) Ilse T.

27

Das diesbezügliche Vorbringen der Beigeladenen war bei Zugrundelegung des Rechtsstandpunktes des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Hinblick auf die zweite Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO entscheidungserheblich.

28

Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil zunächst geprüft, ob „andere Tatsachen“ im Sinne der ersten Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 Alt. 1 RAEO eine ungerechtfertigte Entziehung der in Rede stehenden Grundstücksfläche durch den von den Erben der Brüder S. mit der Stadt T. abgeschlossenen Aufschließungsvertrag vom 16. Mai 1934 „beweisen“ (UA S. 13 ff.). Dabei hat es sich (1.) mit dem Vortrag der Beigeladenen zu dem unmittelbar Geschädigten Paul M., (2.) mit dem Lebenslauf von Arthur So., (3.) mit den Auswirkungen des Reichserbhofgesetzes vom 29. September 1933 und des Vorläufergesetzes vom Mai 1933, (4.) mit dem Gutachten aus dem Zentrum für Antisemitismusforschung vom 31. März 2000 und vom 28. Dezember 2006 sowie (5.) mit dem Vorbringen der Beigeladenen befasst, im Ergebnis seien mehr als die vereinbarten 25% der Fläche tatsächlich an die Stadtgemeinde T. abzutreten gewesen und aufgelassen worden. Es hat dazu im Einzelnen ausgeführt, allein aus den von den Beigeladenen angeführten Tatsachen lasse sich die Feststellung, der Aufschließungsvertrag stelle eine ungerechtfertigte Entziehung dar, bereits deshalb nicht beweisen, weil die denklogisch erforderliche Verknüpfung zwischen der Beweistatsache und dem zu beweisenden Sachverhalt ersichtlich fehle. Denn selbst wenn man in diesem Zusammenhang annehme, dass die genannten Tatsachen gezielte Repressalien der Nationalsozialisten gegen die Erben S. gewesen seien, „wäre damit allein noch nichts darüber gesagt, ob es deshalb - und nur darauf käme es in diesem Zusammenhang hier an - zum Abschluss des Aufschließungsvertrages gekommen wäre.“ (UA S. 13). Für den von den Beigeladenen vorgetragenen Lebenslauf des Herrn Arthur So. hat das Verwaltungsgericht diese Verknüpfung deshalb nicht gesehen, weil darin „von dem Aufschließungsvertrag schon gar keine Rede ist“ (UA S. 14). Die Berücksichtigung mehrerer Stellungnahmen und Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung hat es ebenfalls mit der Begründung abgelehnt, diese verhielten sich nicht zum Aufschließungsvertrag, sondern nur zu sonstigen Tatsachen (UA S. 15 f.). Das Verwaltungsgericht ist mithin davon ausgegangen, dass nur solche Tatsachen als „andere Tatsachen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO in Erwägung zu ziehen sind, die auf den Aufschließungsvertrag direkt Bezug nehmen. Genau das war aber jedenfalls zumindest bei dem Schreiben des Ariseurs G. an das US-Generalkonsulat vom 8. Dezember 1980 sowie bei dessen Aussagen gegenüber dem ARoV vom 13. April 1992 und dem Schreiben des Kaufmanns Georg B. an die Landesregierung Brandenburg vom 22. Dezember 1947 der Fall. Ungeachtet dessen hat es diese nicht in gebotenem Maße in Erwägung gezogen und sich mit ihnen auseinander gesetzt.

29

Daran anschließend und von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus (UA S. 23 ff.) hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil dann ausgeführt, diese „soeben angeführten Tatsachen“ sprächen auch nicht für eine ungerechtfertigte Entziehung im Sinne der zweiten Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO; zur vollen Überzeugung der Kammer rechtfertigten die angeführten Tatsachen eine solche Schlussfolgerung nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit (ebd., S. 23, dritter Absatz pp.). Denn die im vorliegenden Fall vorgetragenen Tatsachen bis einschließlich zum Abschluss des Aufschließungsvertrages am 16. Mai 1934 hätten nach Ansicht der erkennenden Kammer „noch nicht den Abgrund erkennen“ lassen, den die Judenverfolgung nach diesem Zeitpunkt, insbesondere ab dem 15. September 1935 „noch aufgeworfen“ habe (UA, S. 24, erster Absatz). Zwar hätten den Erben der Brüder S. die tagtäglichen Anfeindungen gegenüber jüdischen Mitbürgern bis zum Frühjahr 1934 „kaum verborgen geblieben sein“ können (ebd., S 24). Ein unmittelbar erfolgter oder bevorstehender Übergriff auf sie, der sie bewogen haben könnte, sich von dem Gut deshalb zu lösen, sei aber weder belegt noch vorgetragen (ebd., S. 24). Auch im Lebenslauf von Arthur So. finde sich „hierzu nichts“ (ebd., S. 24). Daher könne zur Überzeugung der erkennenden Kammer keine ungerechtfertigte Entziehung aufgrund einer Indizwirkung mehrerer Tatsachen mit der hierfür erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit geschlussfolgert werden (ebd., S. 24). Dies betreffe auch die sich aus den oben aufgeführten „Einzelheiten zu den Flächenangaben im Teilsiedlungsplan, dem Aufschließungsvertrag und in den Schriftstücken im Rahmen der Wertzuwachssteuer“ (ebd., S. 24, erster Absatz a.E.).

30

Die nicht näher konkretisierte und pauschalierende Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, „ein unmittelbar erfolgter oder bevorstehender Übergriff auf sie“, also die Erben der Brüder S., „der sie bewogen haben könnte, sich von dem Gut deshalb zu lösen“, sei bis zu dem am 16. Mai 1934 erfolgten Abschluss des Aufschließungsvertrages „weder belegt noch vorgetragen“, macht deutlich, dass das Verwaltungsgericht das diesbezügliche Vorbringen der Beigeladenen nur partiell, nicht aber in dem gebotenen Maße in Erwägung gezogen hat.

31

Soweit es einzelnes Vorbringen, etwa den schriftlichen Lebenslauf von Arthur So. und die darin mitgeteilten „täglichen Anfeindungen“ kurz erwähnt hat, ändert dies nichts daran, dass es damit jedenfalls gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 („Überzeugungsgrundsatz“) und Satz 2 VwGO (Begründungspflicht) verstoßen hat, was mit der Beschwerde jedenfalls sinngemäß gerügt wird. Zu einer näheren inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerde angeführten Vorbringen der Beigeladenen hätte für das Verwaltungsgericht schon deshalb Veranlassung bestanden, weil das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 8 C 10.03 - (Teltow-Seehof III) (BVerwGE 119, 232 = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 23), in Übereinstimmung mit den gerichtsbekannten vorliegenden Ergebnissen der historischen Forschung festgestellt hatte, dass die Judenverfolgung nicht erst nach dem 14. September 1935, sondern bereits unmittelbar nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 in massivem Umfang einsetzte und sich seit diesem Zeitpunkt stetig zulasten der jüdischen Bürger verschärfte (ebd., S. 239). Deshalb müssten auch die Regelungen des von der Erbengemeinschaft am 13. Oktober 1933 mit dem Parzellierer („Ariseur“) G. abgeschlossenen Parzellierungsvertrages daraufhin überprüft werden, ob sie Folge des Verfolgungsdrucks waren (ebd., S. 239). Aus der Fülle des Tatsachenmaterials und den verschiedenen Äußerungen der Verfolgten sei, so der Senat, jedenfalls der Lebenslauf von Arthur So. vom 17. Mai 1951 heranzuziehen, der im Entschädigungsverfahren zur Kenntnis der zuständigen Behörden gebracht worden sei. Der Verfasser Arthur So. lege darin die seit 1933 eingetretenen unerträglichen Schwierigkeiten geregelter Geschäftsführung für Juden, den Boykott jüdischer Bankiers an der Börse und das Bestehen von diskriminierenden „Sonderverordnungen“ dar, die sich u.a. auf die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes bezogen. Diese Maßnahmen hätten nach seiner Darstellung die erzwungene Aufteilung des landwirtschaftlichen Gutes ... in Baugelände zur Folge gehabt, wobei „nationalsozialistische Agenten“- offensichtlich der Parzellierer G. - mit der Aufteilung beauftragt worden seien, „die dann zu dem entsprechend großen Gewinn berechtigt waren.“ Auch im Schreiben des früheren Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft B. an die Landesregierung Brandenburg vom 22. Dezember 1947 werde, so der Senat, ausgeführt, dass durch Maßnahmen der Nazi-Regierung gegen jüdische Bürger die Erben des Gutes ... gezwungen gewesen seien, den Grundbesitz weit unter dem wirklichen Wert zu verkaufen. In ähnlicher Richtung seien die Äußerungen dieses Bevollmächtigten in einem an das Wiedergutmachungsamt Berlin gerichteten Schreiben vom 5. April 1950 („... haben die S. Erben der damaligen Not gehorchend den T...er Teil ihres Gutes ... bei T. parzelliert“) gegangen (ebd., S. 243). Auch aus den verschiedenen Erklärungen des Parzellierers G., der als NS-Parteigenosse unter Ausnutzung seiner bestehenden Kontakte zu bedeutenden Funktionsträgern der NS-Bewegung (nach seinen Angaben: zu Goebbels, zum Gauleiter, zum Bruder des SD-Chefs Heydrich) zum eigenen Vorteil maßgeblich zur Arisierung des Grundbesitzes beigetragen habe, gehe, so der Senat, hervor, dass auf den Angehörigen der Erbengemeinschaft Verfolgungsdruck lastete. So habe der „Ariseur“ G. in seinem an das US-amerikanische Generalkonsulat in Berlin gerichteten Schreiben vom 8. Dezember 1980 auf eine Anfrage bezüglich des Gutes ... unter anderem erklärt: „Da seinerzeit fast alle Angehörigen der Familie S.-So. beabsichtigten, aus Deutschland auszuwandern, hat sich die Erbengemeinschaft ... als Eigentümerin des Gutes entschlossen, das Gut zu verkaufen und zwar durch Parzellierung ...“. Damit werde die Verfolgungssituation gerade durch einen am damaligen Rechtsgeschäft Beteiligten belegt (ebd., S. 244). Ferner hatte der erkennende Senat in jenem Urteil vom 26. November 2003 ausgeführt, dass das für das Bestehen eines Verfolgungsdrucks sprechende Gesamtbild „durch die nicht angegriffenen Parteigutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung, u.a. vom 26. Oktober 2001 bestätigt“ werde (ebd., S. 244). Danach habe der Kommerzienrat Dr. Paul M. aus allen seinen Ämtern ausscheiden müssen. Die Häufung seines Ausscheidens aus verschiedenen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Institutionen in den Monaten Mai bis Juli 1933 ergebe einen eindeutigen Hinweis auf den verfolgungsbedingten Rückzug (ebd., S. 244). Ergänzend wies der Senat auf die allgemein bekannten zeithistorischen Fakten hin. Die zahlreichen auf Verdrängung der jüdischen Bürger aus dem beruflichen und gesellschaftlichen Leben gerichteten, bereits 1933 einsetzenden Maßnahmen habe der Senat u.a. in seinem Urteil vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 21.99 (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 8), zusammengestellt. Zahlreiche weitere berufliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Diskriminierungen der jüdischen Bürger ab 30. Januar 1933 ergäben sich aus den in der Literatur aufgelisteten Unrechtsnormen der NS-Zeit, wobei er u.a. auf die Schrift „Das Sonderrecht für die Juden im NS Staat“, Herausgeber Joseph Walk, Heidelberg/Karlsruhe 1981, S. 1 ff.) hinwies (ebd., S. 244).

32

Ungeachtet dieser Umstände hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil ohne nähere konkrete Auseinandersetzung pauschal zum Ausdruck gebracht, dass diese auch von den Beigeladenen (erneut) vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit den sich aus den Akten ergebenden behördlichen Feststellungen und der allgemein bekannten historischen Faktenlage zur Judenverfolgung in Deutschland seit dem 30. Januar 1933 im Sinne der zweiten Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO nicht dafür „sprechen“, dass der Verfolgungsdruck die Erben der Brüder S. dazu „bewogen haben könnte, sich von dem Gut deshalb zu lösen“. Das ist mit dem Anspruch der Beigeladenen auf rechtliches Gehör und auf eine dem § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechende Würdigung des Vorbringens nicht vereinbar.

33

d) Zu Recht wird mit der Beschwerde auch gerügt, dass das Verwaltungsgericht mit der Ablehnung der Beweisanträge zu den Auswirkungen des Reichserbhofgesetzes (S. 90 ff. der Beschwerdebegründung) und zu den Belastungen der Erbengemeinschaft S.-So. mit der Verpflichtung zur unentgeltlichen Überlassung von Frei- und Straßenflächen von über 25% des Parzellierungsgebietes (S. 101 ff. der Beschwerdebegründung) seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt hat.

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aa) Das angegriffene Urteil verstößt jedenfalls deshalb gegen Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung am 26. April 2012 gestellten Beweisantrag zu den Auswirkungen des Reichserbhofgesetzes und dessen Vorläuferregelung mit Beschluss vom 18. April 2013 aus Gründen abgelehnt hat, die im Prozessrecht keine Stütze finden. Die Ablehnung des Beweisantrages hat das Verwaltungsgericht damit begründet, hier stehe eine diskriminierende Schädigung allein durch den Aufschließungsvertrag in Rede und ein Zugriff auf die streitgegenständlichen Flächen durch das benannte Gesetz und dessen Auswirkungen habe aus keinem Blickwinkel stattgefunden. Im angegriffenen Urteil wird ergänzend ausgeführt, es gehe in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes, sondern allein um eine Schädigung des Grundeigentums; einer unveränderten Fortführung des Betriebes hätten die Vorschriften des Reichserbhofgesetzes und des Vorläufergesetzes vom Mai 1933 deshalb nicht entgegen gestanden, weil damit noch nicht in die jüdischen Besitzstrukturen eingegriffen worden sei. Damit hat das Verwaltungsgericht, ohne zuvor Beweis zu erheben, unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) die mit dem Beweisantrag aufgestellte Beweisbehauptung als rechtlich unerheblich behandelt und zugleich deren Gegenteil als wahr angenommen, mithin als unzulässigerweise unterstellt. Hätte das Verwaltungsgericht - wie beantragt - Beweis erhoben, so hätte geklärt werden können, ob nach § 15 Abs. 3 des Reichserbhofgesetzes bei „Nichtbauernfähigkeit“, also im Falle jüdischer Eigentümer, das Eigentum an dem Hof auf Antrag des Reichsbauernführers auf eine von diesem vorgeschlagene „bauernfähige“ Person übertragen werden konnte und ob von dieser Vorschrift, wie von den Beigeladenen behauptet, in den ersten sechs Monaten nach dem am 1. Oktober 1933 erfolgten Inkrafttreten des Reichserbhofgesetzes bereits in mehr als 70 Fällen Gebrauch gemacht worden war sowie ob dadurch ein Verkaufsdruck auf sogenannte nicht-arische Hofeigentümer ausgelöst wurde, der dazu führte, dass innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über 85% sämtlicher in jüdischem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Flächengröße von mehr als 50 ha veräußert wurden. Das war entscheidungserheblich, weil nach dem rechtlichen Maßstab des Verwaltungsgerichts zu klären war, ob „andere Tatsachen“ im Zeitraum zwischen dem 30. Januar 1933 und dem Abschluss des Aufschließungsvertrages am 16. Mai 1934 im Sinne der zweiten Alternative des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 REAO für eine ungerechtfertigte Entziehung durch die mittels des Aufschließungsvertrages erfolgte Veräußerung „sprechen“.

35

bb) Zu Recht wird mit der Beschwerde auch gerügt, dass die durch Ziffer 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 5. April 2012 erfolgte Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2011 von den Beigeladenen gestellten Beweisanträge

- zu 3. (Einholung amtlicher Auskünfte des Katasteramtes und des Grundbuchamtes bzw. Gutachten dazu, dass die Flächengröße der vor dem 15. Mai 1934 veräußerten Grundstücke 30 000 qm ausmachten),

- zu 4.b und c (Einholung von Gutachten dazu, dass die in diesen Ziffern genannten Flächen weder nach der damaligen Erlasslage noch nach der Verwaltungspraxis nur zur Hälfte angerechnet werden konnten),

- zu 5.a und b (Einholung von Gutachten dazu, dass die Abtretung von Flächen für kirchliche Zwecke weder gesetzlich zugelassen war noch der damaligen Verwaltungspraxis entsprach) sowie

- zu 7. und 8. (Einholung von Gutachten dazu, dass die Abtretung für schulische Zwecke weder der Erlasslage noch der Verwaltungspraxis entsprach)

im Prozessrecht keine Stütze findet.

36

Die mit den Beweisanträgen unter Beweis gestellten Behauptungen waren entscheidungserheblich. Denn sie würden im Falle des erbrachten Beweises ihrer Richtigkeit belegen, dass den Rechtsvorgängern der Beigeladenen, die auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zu dem von Art. 3 Abs. 1 REAO erfassten Personenkreis gehörten, weitergehende Belastungen in Gestalt unentgeltlicher Abtretungen von Grundstücksflächen abverlangt wurden, als anderen Grundstückseigentümern, die zur damaligen Zeit Aufschließungsverträge mit Kommunen abschlossen, so dass in diesem Verlangen - im Sinne des vom Verwaltungsgericht aufgestellten Erfordernisses - ein gezielter Zugriff auf das entzogene Vermögen der damaligen jüdischen Eigentümer zu erblicken wäre.

37

Zudem hätte das Verwaltungsgericht die vorgenannten Beweisanträge auch nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass sich diese „als Ausforschungsanträge 'ins Blaue hinein' darstellen“.

38

Ein Beweisantrag ist zwar unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag handelt, wenn er also lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen (vgl. Beschlüsse vom 2. Juli 1998 - BVerwG 11 B 30.97 - Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 2 = NVwZ 1999, 654 und vom 2. April 1998 - BVerwG 7 B 79.98 - juris). Auch Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden (vgl. Beschlüsse vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 und vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266). Das ist dann der Fall, wenn für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsache nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, d.h. wenn sie mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ behauptet worden sind (vgl. Beschlüsse vom 29. April 2002 - BVerwG 1 B 59.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60, vom 30. Juni 2008 - BVerwG 5 B 198.07 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 98 Rn. 5 m.w.N. und vom 12. März 2010 - BVerwG 8 B 90.09 - juris; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 1996 - 2 BvR 1968/94 - juris und BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - MDR 1995, 738). Welche Anforderungen vom Tatsachengericht an die Substantiierung gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (vgl. Beschlüsse vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14 und vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 m.w.N.).

39

Das den Beweisanträgen zugrunde liegende Vorbringen der Beigeladenen war entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts hinreichend substantiiert, zumal die Beigeladenen nach Ergehen des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 5. April 2012 in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2012 Gegenvorstellung erhoben und darin substantiiert dargelegt haben, dass sie sich für ihre Beweisbehauptungen auf von Rechtsanwalt Dr. B. in den Jahren 2008 und 2009 durchgeführte diesbezügliche Recherchen in konkret benannten Archiven und deren Ergebnisse bezogen. Hätte das Verwaltungsgericht die beantragten Beweisaufnahmen durchgeführt, hätte geklärt werden können, ob die den Rechtsvorgängern der Beigeladenen seinerzeit abverlangte unentgeltliche, schulden-, lasten- und kostenfreie Abtretung von Grundflächen für kirchliche und/oder schulische Zwecke weder der damaligen Gesetzes- und Erlasslage noch der Verwaltungspraxis bei nichtjüdischen Vertragspartnern bei Aufschließungsverträgen entsprach und ob sie sich somit als gezielt gegen das Vermögen der Rechtsvorgänger der Beigeladenen gerichteter Zugriff darstellte. In diesem Falle wäre es möglicherweise überwiegend wahrscheinlich gewesen, dass - auch vom eigenen Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts - eine „andere Tatsache“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 Alt. 2 REAO vorgelegen hätte.

40

Das angefochtene Urteil kann damit auf den dargelegten Verfahrensmängeln beruhen. Hätte sich das Verwaltungsgericht mit den wesentlichen der in Rede stehenden, von den Beigeladenen vorgebrachten Tatsachen im Einzelnen in dem gebotenen Maße auseinandergesetzt, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass es die von ihm geforderte Indizienkette einzelner Beweisanzeichen als ausreichend angesehen hätte, um andere Tatsachen, die für eine ungerechtfertigte Entziehung sprechen, im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Halbs. 1 Alt. 2 REAO anzunehmen und damit zugunsten der Beigeladenen einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG zu bejahen.

41

Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht die Angemessenheit des Verkaufspreises verneint hätte, wenn es zu dem Ergebnis gekommen wäre, die Rechtsvorgänger der Beigeladenen hätten mehr als den gesetzlich zulässigen Anteil der Gesamtgrundstücksflächen unentgeltlich an die Klägerin abgetreten.

42

4. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung an die Vorinstanz gemäß § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch. Denn auch im Falle der Zulassung der Revision könnte er in einem Revisionsverfahren angesichts unzureichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

43

Im Hinblick auf den bisherigen Gang des Verfahrens erscheint es im Interesse des Vertrauens der Beigeladenen in die Rechtspflege und zur Vermeidung erneuter Verfahrensfehler angebracht, eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam mit der Sache zu befassen (§ 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. Urteil vom 25. Juni 1992 - BVerwG 3 C 16.90 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 68; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1988 - X ZB 30/87 - NJW-RR 1989, 826).

44

5. Die Kostenentscheidung muss der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.

45

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 4 GKG. Unter Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht in Ansatz gebrachten Grundstückswerts von 50 €/qm errechnet sich daraus für die Fläche von 4 851 qm ein Wert von 242 550 €.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

(1) Das Kraftfahrt-Bundesamt führt das Fahreignungsregister nach den Vorschriften dieses Abschnitts.

(2) Das Fahreignungsregister wird geführt zur Speicherung von Daten, die erforderlich sind

1.
für die Beurteilung der Eignung und der Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen oder zum Begleiten eines Kraftfahrzeugführers entsprechend einer nach § 6e Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung,
2.
für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen,
3.
für die Ahndung der Verstöße von Personen, die wiederholt Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, begehen oder
4.
für die Beurteilung von Personen im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der ihnen durch Gesetz, Satzung oder Vertrag übertragenen Verantwortung für die Einhaltung der zur Sicherheit im Straßenverkehr bestehenden Vorschriften.

(3) Im Fahreignungsregister werden Daten gespeichert über

1.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte wegen einer Straftat, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist, soweit sie auf Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen Schuldspruch enthalten,
2.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte, die die Entziehung der Fahrerlaubnis, eine isolierte Sperre oder ein Fahrverbot anordnen, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, sowie Entscheidungen der Strafgerichte, die die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen,
3.
rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit
a)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist und gegen die betroffene Person
aa)
ein Fahrverbot nach § 25 angeordnet worden ist oder
bb)
eine Geldbuße von mindestens sechzig Euro festgesetzt worden ist und § 28a nichts anderes bestimmt,
b)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit kein Fall des Buchstaben a vorliegt und ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
c)
nach § 10 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist,
4.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
5.
unanfechtbare Versagungen einer Fahrerlaubnis,
6.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare
a)
Entziehungen, Widerrufe oder Rücknahmen einer Fahrerlaubnis,
b)
Feststellungen über die fehlende Berechtigung, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen,
7.
Verzichte auf die Fahrerlaubnis,
8.
unanfechtbare Ablehnungen eines Antrags auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis,
9.
die Beschlagnahme, Sicherstellung oder Verwahrung von Führerscheinen nach § 94 der Strafprozessordnung,
10.
(weggefallen)
11.
Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2,
12.
die Teilnahme an einem Aufbauseminar, an einem besonderen Aufbauseminar und an einer verkehrspsychologischen Beratung, soweit dies für die Anwendung der Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe (§ 2a) erforderlich ist,
13.
die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, soweit dies für die Anwendung der Regelungen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4) erforderlich ist,
14.
Entscheidungen oder Änderungen, die sich auf eine der in den Nummern 1 bis 13 genannten Eintragungen beziehen.

(4) Die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden teilen dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach Absatz 3 zu speichernden oder zu einer Änderung oder Löschung einer Eintragung führenden Daten mit. Die Datenübermittlung nach Satz 1 kann auch im Wege der Datenfernübertragung durch Direkteinstellung unter Beachtung des § 30a Absatz 2 bis 4 erfolgen.

(5) Bei Zweifeln an der Identität einer eingetragenen Person mit der Person, auf die sich eine Mitteilung nach Absatz 4 bezieht, dürfen die Datenbestände des Zentralen Fahrerlaubnisregisters und des Zentralen Fahrzeugregisters zur Identifizierung dieser Personen verwendet werden. Ist die Feststellung der Identität der betreffenden Personen auf diese Weise nicht möglich, dürfen die auf Anfrage aus den Melderegistern übermittelten Daten zur Behebung der Zweifel verwendet werden. Die Zulässigkeit der Übermittlung durch die Meldebehörden richtet sich nach den Meldegesetzen der Länder. Können die Zweifel an der Identität der betreffenden Personen nicht ausgeräumt werden, werden die Eintragungen über beide Personen mit einem Hinweis auf die Zweifel an deren Identität versehen.

(6) Die regelmäßige Verwendung der auf Grund des § 50 Abs. 1 im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten ist zulässig, um Fehler und Abweichungen bei den Personendaten sowie den Daten über Fahrerlaubnisse und Führerscheine der betreffenden Person im Fahreignungsregister festzustellen und zu beseitigen und um das Fahreignungsregister zu vervollständigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.