Verwaltungsgericht Halle Beschluss, 26. Okt. 2016 - 4 B 251/16

ECLI:ECLI:DE:VGHALLE:2016:1026.4B251.16.0A
bei uns veröffentlicht am26.10.2016

Gründe

1

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

2

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 11. Dezember 2015 (Bescheid-Nr.: 5010600983 N) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016 anzuordnen,

3

hat keinen Erfolg.

4

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 (1.Var.) VwGO in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.

5

Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus, da ihr Interesse, vom Vollzug des streitbefangenen Beitragsbescheids vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug nicht überwiegt.

6

Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nur in Betracht, wenn entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine – hier nicht geltend gemachte – unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Denn bei der Erhebung öffentlicher Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gesetzlich ausgeschlossen. Damit hat der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug generell höher bewertet als das private Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht. Er hat zudem durch § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zum Ausdruck gebracht, dass Abgaben im Zweifel zunächst zu erbringen sind und der Zahlungspflichtige das Risiko zu tragen hat, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen. Diese gesetzgeberische Wertung ist auch bei der gerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.

7

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Das ist hier nicht der Fall.

8

Der angegriffene Beitragsbescheid ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

9

Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist nicht wegen einer fehlerhaften Adressierung inhaltlich unbestimmt und deshalb rechtswidrig oder gar nichtig (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG-LSA i. V. m. § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1 AO).

10

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG-LSA i.V.m. § 119 Abs. 1 AO muss ein Bescheid hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis ist bei einem Bescheid, der einen Beitrag festsetzt, nur gewahrt, wenn angegeben ist, wer den Beitrag schuldet (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Lässt ein Bescheid den Schuldner nicht erkennen oder bezeichnet er ihn so ungenau, dass Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind, kann er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht befolgt werden und ist unwirksam.

11

Auch wenn der Bescheid des Antragsgegners vom 11. Dezember 2015 nach dem Wortlaut seiner Adressierung (Gemeinde {B.} c/o Stadt Weißenfels) an eine nicht mehr existierende juristische Person gerichtet ist, lässt sich vorliegend im Auslegungswege zweifelsfrei die Antragstellerin als Inhaltsadressatin ermitteln.

12

Zum Zeitpunkt des Zugangs des genannten Bescheides war die im Anschriftenfeld genannte "Gemeinde {B.}" bereits nicht mehr existent. Sie wurde zum 1. September 2010 gesetzlich in die Stadt Weißenfels eingemeindet und zugleich aufgelöst (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis {C.} vom 8. Juli 2010 – GemNeuglG BLK – [GVBl. LSA 2010, 413]). Die Stadt Weißenfels ist gesetzliche Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Gemeinde {B.} (§ 2 Abs. 1 Gesetz zur Ausführung der Gemeindegebietsreform vom 8. Jul 2010 [GVBl LSA 2010, 406] - i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 2 des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz vom 14. Februar 2008 [GVBl LSA 2008, 40]). Nach dem Wortlaut seiner Adressierung – wonach der im Adresszusatz "c/o" Genannte für den Adressaten den Bescheid lediglich entgegennimmt und an diesen weiterleitet – ist der Bescheid vom 11. Dezember 2015 damit an eine nicht mehr existierende juristische Person des öffentlichen Rechts gerichtet.

13

Jenseits des Wortlauts der Adressierung sind darüber hinaus jedoch auch alle Umstände im Auslegungswege einzubeziehen, die einen Schluss auf den Sinngehalt einer Regelung zulassen. Selbst ein klarer Wortlaut einer Regelung stellt keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände dar (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7/11 – juris, Rn. 17). Unter Berücksichtigung aller Umstände konnte die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides entsprechend ihrem objektiven Verständnishorizont auf der Grundlage der für sie ohne weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben den Bescheid nur so verstehen, dass sie als aktuelle Eigentümerin des Grundstücks zum Beitrag herangezogen werden sollte.

14

Denn es ist nicht der erste Beitragsbescheid, den die Antragstellerin unter einer solchen Adressierung für ihren auf dem ehemaligen Gemeindegebiet der Gemeinde {B.} liegenden Grundbesitz erhalten hat. Bereits mit Abwasserbeitragsbescheid vom 28. November 2013 forderte der Antragsgegner unter derselben Adressierung "Gemeinde {B.} c/o Stadt Weißenfels" für das hier streitgegenständliche (und als Schulhof genutzte) Grundstück der Gemarkung {B.}, Flur 7, Flurstück 201 einen Herstellungsbeitrag in Höhe von 1.738,25 Euro. In diesem Bescheid - wie auch in dem hier streitgegenständlichen Nacherhebungsbescheid vom 11. Dezember 2015 - heißt es, dass Beitragspflichtige derjenige sei, der zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes sei. Auf den Bescheid vom 28. November 2013 und in Kenntnis ihrer Rechtsnachfolgerschaft der Gemeinde {B.} hat die Antragsstellerin den damals geforderten Herstellungsbeitrag an den Antragsgegner gezahlt. Dass die Antragstellerin sich auch selbst als Inhaltsadressaten des Nacherhebungsbescheides vom 11. Dezember 2015 ansah, wird ferner daran deutlich, dass sie im eigenen Namen mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 Widerspruch erhob und erst im Klageverfahren geltend gemacht hat, der Bescheid sei wegen unrichtiger Adressierung unwirksam.

15

Rechtliche Grundlage der Beitragserhebung dürfte § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in Verbindung mit der Satzung des Abwasserzweckverbandes A-Stadt über die Erhebung von Herstellungsbeiträgen für die zentrale Entwässerung im Gebiet des ehemaligen Abwasserzweckverbandes Obere {D.} (Beitragssatzung) vom 08. Juli 2015 (im Folgenden: BS 2015) sein, die nach ihrem § 14 zum 01. Januar 2011 in Kraft getreten ist und – wie in § 14 Abs. 1 der Verbandssatzung des Beklagten vom 18. Dezember 2014 vorgesehen – im {E.} Tageblatt/ Mitteldeutsche Zeitung (MZ) {F.}, MZ Ausgabe {G.} und MZ Ausgabe {H.} veröffentlicht wurde. Vorangegangenes Satzungsrecht des Antragsgegners bzw. seiner Rechtsvorgänger waren in Bezug auf die Beitragserhebung für die hier streitgegenständliche öffentliche Einrichtung im ehemaligen Gebiet des AZV Oberen {D.} nichtig.

16

Die Satzungen des AZV Obere Saalegemeinden vom 06. Oktober 1993, 26. November 1998, 05. Juli 2000 und vom 29. September 2004 waren unwirksam, weil hierin im Rahmen eines Vollgeschossmaßstabes in unzulässiger Weise eine Gleichbehandlung von eingeschossig bebaubaren Grundstücken mit solchen Grundstücken vorgesehen war, die zweigeschossig bebaubar sind (vgl. VG Halle, Urteil vom 17. Juli 2006 - 9 A 370/06 HAL -; OVG LSA, Beschluss vom 23. November 2006 - 4 L 359/06 -). Auch die BS 2008 (Satzung über die Erhebung von Herstellungsbeiträgen für die zentrale Entwässerung des Gebietes des Rechtsvorgängers des Beklagten, des Abwasserzweckverbandes Obere {D.} vom 17. Dezember 2008), die nach ihrem § 14 zum 01. Januar 2009 in Kraft treten sollte, erwies sich als unwirksam. Denn sie enthielt in § 4 Ziffer 4 Buchstabe c. bb. eine unwirksame Regelung, die zur Gesamtunwirksamkeit der BS 2008 führte (vgl. VG Halle, Urteil vom 28. April 2015 - 4 A 245/12 HAL -).

17

Dieser Feststellung in dem Urteil vom 28. April 2015 dürfte auch nicht die Regelung des von dem Antragsgegner im Zulassungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt – verfristet - herangezogenen § 6c Abs. 1 KAG-LSA entgegenstehen. Danach kann in einer Beitragssatzung bestimmt werden, dass Grundstücke bis zu ihrer Bebauung oder gewerblichen Nutzung nur mit dem auf die Grundstücksgröße entfallenden Betrag herangezogen werden können. § 4 Ziffer 4 Buchstabe c. bb. BS 2008 dürfte eine solche Regelung aber nicht darstellen, da die BS 2008 die Verteilung des Aufwandes nach dem (reinen) Vollgeschossmaßstab vornimmt (§ 4 Abs. 3 BS 2008). § 6c Abs. KAG-LSA hingegen stellt allein auf den auf die Grundstücksgröße entfallenden Beitrag ab, so dass diese Regelung bei der Anwendung des Vollgeschossmaßstab nicht einschlägig sein dürfte (vgl. Kirchmer/Schmidt/Haack, KAG-LSA, 2. Aufl., § 6c Anm. 1). Denn bei der Anwendung des Vollgeschossmaßstabs ist ein Grundflächenbeitrag nicht ausscheidbar; anders dürfte dies nur bei kombinierten Maßstäben, die auf die Grundfläche abstellen, sein.

18

Erstmals mit der BS 2015 liegt damit eine Beitragssatzung vor, die als wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung in Betracht kommt.

19

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BS 2015 erhebt der Antragsgegner zur Deckung des Aufwandes, der dem ehemaligen AZV Obere {D.} für die Errichtung der benannten öffentlichen Einrichtung entstanden ist, für die erstmalige Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage Herstellungsbeiträge zur Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme erwachsenen Vorteile, die für das Kalkulationsgebiet Obere {D.} 4,09 Euro/m² betragen (§ 5 BS 2015) und nach einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab (§ 4 BS 2015) berechnet werden. Diese Regelungen unterliegen nach dem im Eilverfahren geltenden Prüfungsmaßstab keinen rechtlichen Bedenken.

20

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterliegt das streitgegenständliche Grundstück der Beitragspflicht nach § 3 Ziff. 1 Buchst. b) BS 2015. Nach dieser Regelung unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werden können und für die eine bauliche, gewerbliche, industrielle oder sonstige Nutzung nicht festgesetzt ist, der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung in der betreffenden Gemeinde zur Bebauung oder gewerblichen, industriellen oder sonstigen Nutzung anstehen.

21

Diese Voraussetzungen liegen vor. Zum einen hat das Grundstück Baulandqualität. Diese kommt Grundstücken, die im unbeplanten Innenbereich liegen, wegen ihrer generellen Bebaubarkeit grundsätzlich zu, es sei denn, es liegen besondere Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Grundstück trotz seiner Lage im unbeplanten Innenbereich nicht bebaubar ist. Das ist hier nicht der Fall und wird von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt.

22

Zum anderen steht das Grundstück nach der geordneten baulichen Entwicklung in der Gemeinde zur Bebauung an. Das ist dann der Fall, sobald das Grundstück in zulässiger Weise einer Bebauung zugeführt werden kann (BVerwG, Urteil vom 16. September 1977 - BVerwG IV C 71.74 -, Juris Rn. 20). Die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides ist insoweit nicht erforderlich. Denn der abzugeltende beitragsrechtliche Vorteil nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA besteht bereits dann, wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung geschaffen wird. Er besteht darin, dass die bauliche Nutzbarkeit und damit der Wert eines Grundstücks erhöht wird, wenn es durch einen Abwasserkanal erschlossen wird. Mit der Anschlussmöglichkeit an den Kanal entfällt die Notwendigkeit, auf dem Grundstück selbst eine Grundstücksentwässerungsanlage (Sammelgrube oder Kleinkläranlage) zu schaffen, um eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung sicherstellen zu können. Dieser den Gebrauchswert des Grundstücks erhöhende Vorteil wird dem Grundstück unabhängig von dessen aktueller Nutzung mit der Schaffung der Anschlussmöglichkeit vermittelt. Denn daran, dass das baulich nutzbare Grundstück mit der Erschließung durch den Kanal in seiner Nutzbarkeit und damit in seinem Wert steigt, ändert sich nichts dadurch, dass es nach dem Willen der derzeitigen Eigentümerin jedenfalls in absehbarer Zeit nicht bebaut werden soll.

23

Durchgreifende Bedenken an die bauplanungsrechtliche Bebaubarkeit mit einem abwasserrelevanten Gebäude bestehen nicht und wurden von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht.

24

Der Abgabenbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner möglicherweise von einer Nacherhebungspflicht ausgegangen sein und damit die Vorschrift des § 13a Abs. 6 KAG-LSA, welche mit Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2014 (GVGl. 2014, 522) ins KAG-LSA eingefügt und am 24. Dezember 2014 in Kraft getreten ist, übersehen haben könnte. Denn hieraus könnte die Antragstellerin – jedenfalls nach vorläufiger summarischer Prüfung – keinen Anspruch für sich herleiten.

25

§ 13a Abs. 6 KAG-LSA besagt, dass Beitragspflichtige, die auf Grundlage einer unwirksamen Satzung bestandskräftig zu Beiträgen herangezogen worden sind, nicht erneut zu Beiträgen herangezogen werden müssen, wenn die unwirksame Satzung durch eine Satzung ersetzt wird, nach der zur Vorteilsabgeltung höhere Beiträge zu erheben sind, als in der unwirksamen Satzung vorgesehen waren. Dies gilt nicht, wenn durch den Verzicht auf eine Beitragserhebung im Sinne des Satzes 1 eine Finanzierung durch Beiträge oder Gebühren nicht mehr gewährleistet ist.

26

Die Vorschrift zielt auf die Fälle der sog. unechten Nacherhebung ab, die davon gekennzeichnet sind, dass die Veranlagung der Abgabenschuldner auf der Grundlage einer unwirksamen Satzung erfolgt ist, in der ein geringerer Beitragssatz als derjenige, der in der (ersten) wirksamen Satzung enthalten ist, vorgesehen war. In diesen Fällen war und ist eine Nacherhebung gemäß § 99 KVG LSA und § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA grundsätzlich nicht nur zulässig, sondern immer auch geboten. Bei leitungsgebundenen Einrichtungen sind die Aufgabenträger daher berechtigt und verpflichtet, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen weder der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides noch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes entgegen.

27

Abweichend davon gestattet § 13 a Abs. 6 KAG-LSA der abgabenerhebenden Körperschaft nunmehr in den Fällen einer bestandskräftigen Veranlagung, von der Ausschöpfung des entstandenen Beitragsanspruchs abzusehen und insoweit dem Prinzip der Rechtssicherheit ein höheres Gewicht beizumessen als der gleichmäßigen Abgabenerhebung.

28

Damit entbindet die Vorschrift die Kommunen von der strikten Einhaltung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA statuierten Pflicht zur Deckung der Herstellungskosten durch die Erhebung von Beiträgen. Insoweit richtet sich die Regelung einzig an die Kommunen und räumt ihnen ein "kommunalpolitisches Ermessen" ein. Sie begründet dagegen kein subjektiv-öffentliches Recht des Abgabepflichtigen und vermittelt insbesondere keine Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Betragserhebung im Einzelfall (vgl. auch Haak in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand 03/2016, § 8 Rn.2255).

29

Dass sie systematisch in § 13a KAG-LSA angesiedelt ist, der ansonsten Billigkeitsmaßnahmen und insoweit Ansprüche des Abgabenpflichtigen regelt, steht dem nicht entgegen. Denn bei der Entscheidung nach § 13a Abs. 6 KAG-LSA handelt es sich nicht um eine Billigkeitsentscheidung im Einzelfall, sondern um eine Suspendierung der Beitragserhebungspflicht, von der nur insgesamt und für alle Fälle der bereits erfolgten bestandskräftigen Veranlagung Gebrauch gemacht werden kann und die eine Gesamtbetrachtung- bzw. -ermittlung und -bewertung der durch die Beitragsausfälle entstehenden Finanzierungslücke erfordert.

30

Selbst wenn man abweichend von Vorstehendem annähme, die Vorschrift begründe einen Anspruch des Abgabepflichtigen auf eine Billigkeitsentscheidung im Einzelfall, stünde dies der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beitragsfestsetzung nicht entgegen. Dieser Anspruch dürfte vielmehr – wie die übrigen Billigkeitsmaßnahmen – in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen sein.

31

Der im angegriffenen Bescheid festgesetzte Beitrag ist auch nicht überhöht. Insoweit rügt die Antragstellerin zu Unrecht den Ansatz des Vollgeschossfaktors für zwei Vollgeschosse. Gemäß § 4 Abs. 4 Buchst. c) Unterbuchst. bb) BS 2015 gilt als Zahl der Vollgeschosse bei unbebauten, jedoch bebaubaren Grundstücken, die außerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplans liegen oder bei denen im Bebauungsplan die Zahl der Geschosse nicht bestimmt ist, die Zahl der Geschosse, welche in der Umgebungsbebauung überwiegend vorhanden sind. Da sich das Grundstück der Antragstellerin unbestritten im unbeplanten Innenbereich befindet und sich die Umgebungsbebauung – wiederum unbestritten – als überwiegend zweigeschossig darstellt, hat der Antragsgegner die Grundstücksfläche fehlerfrei mit einem Vollgeschossfaktor von 1,0 (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SBS 2015) und mit dem Beitragssatz von 4,09 Euro/m² (§ 5 BS 2015) vervielfacht.

32

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin dürfte kein Fall des § 4 Abs. 4 Buchst. d) BS 2015 vorliegen mit der Folge, dass lediglich der Vollgeschossfaktor 0,75 anzuwenden wäre. Diese Norm bestimmt, dass bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist oder die außerhalb von Bebauungsgebieten tatsächlich so genutzt werden (auch z.B. Sport-, Fest- und Campingplätze, Freibäder, Friedhöfe), ein Geschoss angesetzt wird. Diesen Nutzungen ist eigen, dass einerseits die betroffenen Grundstücke typischerweise sehr großflächig sind und andererseits die zur Erfüllung des Nutzungszwecks erforderlichen Baulichkeiten keine oder eine nur untergeordnete Bedeutung haben. Ein Schulhof im unbeplanten Innenbereich besitzt typischerweise keine derartige Grundstücksgröße, so dass für eine derartige Privilegierung hier kein Raum sein dürfte.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die Streitwertfestsetzung auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. In Orientierung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bewertet die Kammer das Interesse eines Antragstellers in abgabenrechtlichen Eilverfahren mit einem Viertel des Betrags, der als Streitwert für das Hauptsacheverfahren anzunehmen wäre.


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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.

(2) Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die ein Kalkwerk im Gebiet der beklagten Gemeinde betreibt, wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen durch die Beklagte.

2

Mit zwei Bescheiden vom 27. Dezember 2006 setzte die Beklagte Abwasserbeiträge in Höhe von insgesamt 1 004 000,45 € fest. Adressiert waren die Beitragsbescheide unter der Anschrift der Klägerin an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH". Als Beitragsschuldner wird "die in der Anschrift genannte Person" bezeichnet. In einem der Bescheide brachte die Beklagte 127 822,97 € Vorausleistung in Abzug, die von der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" aufgrund eines an sie adressierten Vorausleistungsbescheides vom 14. Dezember 2001 entrichtet worden waren.

3

Die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 28. August 2001 gemeinsam mit (vier) weiteren Gesellschaften der ...-Gruppe zum 27. Dezember 2001 durch Eintragung in das Handelsregister mit der "Heidelberger ... GmbH" als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. Die Beklagte teilte der "Heidelberger ... GmbH" unter dem 28. August 2002 mit, dass die Bauarbeiten zum Anschluss der M. Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des örtlichen Zweckverbandes abgeschlossen seien und es daher möglich sei, die Grundstücke der "Heidelberger ... GmbH" an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anzuschließen. Ferner enthält das Schreiben einen Hinweis, dass über die zu entrichtenden Beiträge gesonderte Bescheide ergehen werden. Die Firma der "Heidelberger ... GmbH" wurde im Dezember 2002 in "... Deutschland GmbH" geändert. Die Klägerin ist im Wege einer weiteren Verschmelzung am 20. Juli 2009 als übernehmender Rechtsträger Rechtsnachfolgerin der "... Deutschland GmbH" und damit Eigentümerin der beitragspflichtigen Grundstücke geworden.

4

Der von der "... Deutschland GmbH" gegen die Bescheide eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 28. April 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Aus den Bescheiden ergebe sich insbesondere eindeutig, an wen sie sich richteten; danach schulde die "... Deutschland GmbH" die festgesetzten Abwasserbeiträge und nicht deren im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide erloschene Rechtsvorgängerin. Die Bescheide führten zwar im Adressfeld die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin auf, die lediglich bis zum 27. Dezember 2001 Eigentümerin der im Bescheid genannten Grundstücke des Kalkwerks gewesen sei. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide hätten die Organe der "... Deutschland GmbH" die Bescheide auf Grundlage der für sie ohne Weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben aber nur so verstehen können, dass die "... Deutschland GmbH" als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte. Eine andere Entscheidung rechtfertige auch nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach ein Verwaltungsakt unwirksam sei, wenn er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existentes Steuersubjekt richte. Ob sich ein Verwaltungsakt gegen ein nicht existentes Steuersubjekt richte, könne erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des Adressfeldes gesagt werden.

5

Mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 28. April 2011 zugelassenen Revision macht die Klägerin in erster Linie geltend: Die Beitragsbescheide seien inhaltlich unbestimmt und damit nichtig, da vor ihrem Erlass das Vermögen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" einschließlich der beitragspflichtigen Grundstücke durch Verschmelzung auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übergegangen und die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" erloschen sei. Darauf, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte wissen müssen, dass die Bescheide an sie gerichtet gewesen seien, komme es nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof habe durch seine Auslegung die Bescheide in Wahrheit umgedeutet und deren Unbestimmtheit erst herbeigeführt. Tatsächlich habe seitens der Beklagten auch kein Erklärungsirrtum vorgelegen, da der Sachbearbeiter den Bescheid bewusst an die noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" adressiert habe.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. April 2009 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Bescheide seien auslegungsfähig. Dabei komme es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene sie nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Der Klägerin sei sofort klar gewesen, dass sie die Adressatin der Bescheide und Beitragsschuldnerin gewesen sei. Aus der den Bescheiden beigefügten Liste der der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke und der Vorkorrespondenz hätte sie dies jedenfalls ohne Weiteres erkennen können und müssen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, auf die das Abgabenschuldverhältnis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO) und die das Verfahren ihrer Rechtsvorgängerin aufgenommen hat (§ 173 VwGO i.V.m. den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO), ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist mit Bundesrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, die Beitragsbescheide der Beklagten, die an eine schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtssubjekt nicht mehr existente GmbH adressiert sind, seien inhaltlich hinreichend bestimmt, weil sich die Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft als Inhaltsadressatin ansehen musste, betrifft im Ausgangspunkt irrevisibles Landesrecht. Denn die Anforderungen an die Bestimmtheit von Heranziehungsbescheiden zu Abwasserbeiträgen ergeben sich hier zunächst aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4 Buchst. c des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes in Verbindung mit § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 der kraft Verweisung im Kommunalabgabengesetz ebenfalls nur als Landesrecht zur Anwendung kommenden Abgabenordnung (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Juli 1990 - BVerwG 5 B 37.90 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 160 S.10 und vom 25. März 1996 - BVerwG 8 B 48.96 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 79 S. 53; Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 Rn. 9). Unter bundesrechtlichen und damit revisiblen Gesichtspunkten ist deshalb lediglich fraglich, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit den Anforderungen, die das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) an die Bestimmtheit von Abgabenbescheiden stellt, vereinbar ist. Dies ist der Fall.

11

1. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Adressat eines Verwaltungsakts zwar einerseits hinreichend bestimmt bezeichnet sein muss, dass aber andererseits ein Verwaltungsakt mit Blick auf die Bezeichnung des Inhaltsadressaten auslegungsfähig sein und die Auslegung etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Die Annahme der Nichtigkeit eines Abgabenbescheides wegen Unbestimmtheit scheidet danach aus, wenn die (vorrangige) Auslegung des Bescheides etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt (Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 8 C 2.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 4; Beschlüsse vom 25. März 1996 a.a.O. S. 53 f. und vom 6. September 2008 - BVerwG 7 B 10.08 - juris Rn. 24). Diese Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt.

12

Weiter gehende Anforderungen an die Auslegung von Bescheiden aufgrund des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots folgen nicht aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Unbestimmtheit und Nichtigkeit von an den nicht mehr existenten Rechtsvorgänger des Steuerschuldners adressierten Steuerbescheiden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts die Angabe des Inhaltsadressaten ist, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IV R 91/05 - juris Rn. 14). Weiterhin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten lässt der Bundesfinanzhof es grundsätzlich genügen, wenn die Identität des Inhaltsadressaten eines Steuerverwaltungsakts durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände einschließlich dem Bescheid beigefügten Unterlagen und zeitlich vorhergehender Bescheide hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH, Beschluss vom 29. Juni 1988 - IV B 70/88 - juris Rn. 22 und Urteil vom 1. Dezember 2004 - II R 10/02 - juris Rn. 9 m.w.N. ). Diese Grundsätze erfahren nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch dann eine Einschränkung, wenn sich der in seiner Bezeichnung des Adressaten eindeutige Abgabenbescheid gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Adressat des Abgabenbescheides eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des Bescheides durch Umwandlung erloschen war (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 21. Oktober 1985 - GrS 4/84 - BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; Urteil vom 25. Januar 2006 - I R 52/05 - juris Rn. 9, 13). Ferner können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Fall der Rechtsnachfolge im weiteren Verfahren nicht geheilt werden (BFH, Großer Senat, Beschluss vom 21. Oktober 1985 a.a.O.). Die Tatsache, dass sich der Empfänger eines Bescheides mit unrichtiger Bezeichnung des Steuerschuldners als Adressat angesehen hat, sei unbeachtlich, weil die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängen könne. Eine Auslegung eines Steuerbescheides hinsichtlich des Inhaltsadressaten kommt danach nur dann in Betracht, wenn dessen Bezeichnung im Bescheid selbst mehrdeutig ist (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 16, 19).

13

Die Frage, ob das Berufungsgericht bei seiner Auslegung diesen vom Bundesfinanzhof für die Fälle der Rechtsnachfolge entwickelten Grundsätzen gerecht geworden ist, stünde einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nur dann offen, wenn die vom Bundesfinanzhof vorgenommenen Einschränkungen der allgemeinen Auslegungsregeln bei der Ermittlung des Inhaltsadressaten eines Abgabenverwaltungsakts durch den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz geboten und damit Teil des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) wären. Dies ist nicht der Fall.

14

Das Bundesverfassungsgericht hat das im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Bestimmtheitsgebot vor allem im Zusammenhang mit der hinreichenden Bestimmtheit von Gesetzen konturiert. Danach sind gesetzliche Tatbestände so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen sind, lässt sich indes nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt auch von der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und dem Zweck der betroffenen Norm (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <235> und vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396 f.>) sowie den jeweiligen Grundrechtsauswirkungen und der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab (BVerfG, Beschluss vom 24. November 1981 - 2 BvL 4/80 - BVerfGE 59, 104 <114>; Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <375 f.>; BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - BVerwG 8 B 170.97 - BVerwGE 105, 144 <147>). Auch bei öffentlich-rechtlichen Abgaben kommt es für die hinreichende Bestimmtheit des Gesetzes auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs wie auf das Betroffensein von Grundrechten an. Für alle Abgaben gilt als allgemeiner Grundsatz, dass abgabenbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen kann. Dabei genügt es im Bereich des Gebühren- und Beitragsrechts, dass für den Abgabenschuldner die Höhe der zu erwartenden Abgabe im Wesentlichen abschätzbar ist, so dass für ihn unzumutbare Unsicherheiten nicht entstehen können (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 a.a.O. S. 236; BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 a.a.O. S. 148 f.).

15

Aus diesen Grundsätzen lassen sich Rückschlüsse auf die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit von Verwaltungsakten ziehen. Auch bei ihnen dient das Bestimmtheitsgebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und verlangt, dass ein rechtsstaatlicher Mindeststandard eingehalten wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 2). Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 = Buchholz 401.0 § 191 AO Nr. 7). Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot lässt sich von daher nicht entnehmen, dass es in Fällen der Rechtsnachfolge von Verfassungs wegen ausgeschlossen ist, einen an ein erloschenes Rechtssubjekt als Beitragsschuldner adressierten Abgabenbescheid im Wege der Auslegung als an den Rechtsnachfolger des Adressaten gerichtet zu verstehen. Bei Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze ist auch in diesen Fällen in einer dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügenden Weise gesichert, dass für den durch Auslegung des Bescheides ermittelten Inhaltsadressaten keine unzumutbaren Unsicherheiten über seine Betroffenheit sowie über Grund, Höhe und Fälligkeit der Abgabenschuld entstehen. Die von dem Bundesfinanzhof in Auslegung einfach-rechtlicher Normen der Abgabenordnung vertretene Auffassung, ein im Fall der Rechtsnachfolge an den Rechtsvorgänger gerichteter Abgabenbescheid sei unwirksam und könne nicht dahin ausgelegt werden, dass Inhaltsadressat der Rechtsnachfolger sei, geht mithin über das durch Bundes(verfassungs)recht Gebotene hinaus und ist damit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung hier entzogen.

16

2. Die Auslegung der angefochtenen Beitragsbescheide durch das Berufungsgericht hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Dabei kann offen bleiben, ob das Revisionsgericht zur selbständigen Auslegung von Verwaltungsakten befugt ist (so Urteile vom 14. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 6.04 - BVerwGE 125, 9 Rn. 19 und vom 25. Februar 1994 a.a.O.) oder ob es jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht ein Auslegungsergebnis - wie hier - näher begründet hat, darauf beschränkt ist, die Auslegung des Tatrichters daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt oder einen umstrittenen Prozessstoff zu Unrecht unberücksichtigt gelassen hat (Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>; vgl. auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 166 ff.). Denn die Vorinstanz ist ohne Verstoß gegen die anerkannten Auslegungsregeln oder einen sonstigen Rechtsverstoß zu einer Auslegung der angegriffenen Beitragsbescheide gelangt, die der Senat teilt.

17

Die Rüge der Revision, die Bescheide seien aufgrund der Adressierung an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" hinsichtlich ihres Inhaltsadressaten eindeutig und daher nicht der Auslegung zugänglich, übersieht, dass nach der Ermittlung des Wortlauts einer Erklärung in einem zweiten Schritt auch die außerhalb der Begleitumstände liegenden Umstände in die Auslegung einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Selbst ein klarer Wortlaut einer Erklärung stellt keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände dar. Die Feststellung, dass eine Erklärung eindeutig ist, lässt sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen (BGH, Urteile vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98 - NJW-RR 2000, 1002 <1003> und vom 19. Dezember 2001 - XII ZR 281/99 - NJW 2002, 1260 <1261>). Eine solche umfassende Auslegung hat der Verwaltungsgerichtshof vorgenommen, indem er berücksichtigt hat, dass der Klägerin ihre Eigentümerstellung hinsichtlich der in der Anlage zu den Bescheiden genau bezeichneten Grundstücke ebenso bekannt war wie ihre Beitragspflicht aufgrund des Anschlusses ihres Betriebs an die neu errichtete Schmutzwasserentsorgungsanlage der Beklagten. Als weiteren wesentlichen und der Klägerin bekannten Teil der Vorgeschichte der Bescheide hat der Verwaltungsgerichtshof den an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" gerichteten und beglichenen Vorausleistungsbescheid vom 14. Dezember 2001 und insbesondere das nach Erlöschen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" an deren Rechtsnachfolgerin gerichtete Schreiben der Beklagten vom 28. August 2002, mit dem die Klägerin als Grundstückseigentümerin über ihre bevorstehende Heranziehung zu den Kosten des Klärwerks informiert wurde, angesehen. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Rechtsvorgängerin der Klägerin habe aufgrund dieser Umstände bei Erhalt der Bescheide "auf den ersten Blick" klar sein müssen, dass sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks und nicht die bereits seit Jahren erloschene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" herangezogen werden sollte und lediglich die Adressierung versehentlich fehlerhaft war, weist einen Rechtsfehler nicht auf.

18

Die Rüge der Klägerin, bei einer eindeutigen Adressierung eines Bescheides könne sich aus einem zeitlich vorangehenden Bescheid allenfalls ergeben, dass unklar sei, welches Rechtssubjekt der später ergangene Bescheid betreffe, übersieht, dass die Auslegung stets einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls bedarf und das Berufungsgericht gerade nicht nur auf die Ankündigung der Beklagten, die Rechtsvorgängerin der Klägerin heranziehen zu wollen, sondern zusätzlich darauf abgestellt hat, dass für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar war, dass sie für den ihr gewährten Vorteil des Anschlusses an die kommunale Kläranlage beitragspflichtig und daher Adressatin der Beitragsforderung war. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, bei einer Auslegung nach § 133 BGB sei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und der Sachbearbeiter der Beklagten habe nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in den Bescheiden bewusst und gewollt die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin bezeichnet. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern - wie oben dargelegt - auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (stRspr, Urteil vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, Urteil vom 26. August 1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 133 Rn. 7, 9). Dass der Abgabenbescheid Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Abgabenschuldner ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf zivilrechtliche Grundsätze geltend macht, aufgrund der Formenstrenge des Zwangsvollstreckungsverfahrens komme eine Auslegung eines Titels durch außerhalb des Titels liegende Umstände nicht in Betracht, übersieht sie, dass auch im Zivilrecht Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden können, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen des Vollstreckungsschuldners entgegenstehen. Solche verneint der Bundesgerichtshof dann, wenn Prozess- und Vollstreckungsgericht identisch sind und daher auch das Vollstreckungsgericht über die für die Auslegung des Titels erforderlichen Kenntnisse verfügt (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - BGHZ 156, <339>). Hiermit vergleichbar ist die Situation bei der zwangsweisen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Abgaben durch die den Abgabenbescheid erlassende Behörde, die zudem bei der Vollstreckung weitergehenden rechtlichen Bindungen als ein privater Gläubiger unterworfen ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.