Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 28. Juni 2016 - 3 A 525/14 HGW

bei uns veröffentlicht am28.06.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen Ausbaubeitrag.

2

Der Kläger war Eigentümer des Grundstücks G1 mit einer Größe von 2.060 qm. Das Grundstück liegt an der Waldstraße an, die die Gemeinde Züssow im Zeitraum 2010 im Bereich zwischen dem Kreisverkehr und der Gleisanlage mit den Teileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg und Straßenentwässerung ausbaute. Ein Kostenspaltungsbeschluss und ein Abschnittsbildungsbeschluss wurden von der Gemeindevertretung am 21. Juni 2012 gefasst. Das Vorhaben wurde nach der Richtlinie für die Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung gefördert. Der Vermerk über das Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung datiert vom 26. September 2012. Mit Bescheid vom 14. August 2013 (Nummer 17-7/2013/...) setzte der Beklagte gegen den Kläger einen Ausbaubeitrag in Höhe von 5.100,62 Euro fest. Auf Nachfrage des Klägers übersandte der Beklagte diesem am 20. September 2013 eine Kopie des Bescheides. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2013, das am 7. Oktober 2013 beim Beklagten einging, legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er habe sich vom 11. Juni bis zum 2. September 2013 wiederholt in stationärer ärztlicher Behandlung befunden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2014, zugestellt am 16. Mai 2014, als unzulässig zurück. Der Beitragsbescheid sei am 15. August 2014 verschickt worden und gelte als am 18. August 2014 zugegangen.

3

Am 16. Juni 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe den Bescheid vom 14. August 2013 nicht erhalten. Von den Bescheiden (mit einem weiteren Bescheid für ein zweites Grundstück sei er einverstanden) habe er erst über Nachbarn erfahren und sie deshalb durch seinen Sohn am 20. September 2013 telefonisch angefordert. Dies spreche dafür, dass der Bescheid tatsächlich nicht zugegangen sei. Sein Sohn habe während des Krankenhausaufenthaltes die gesamte Post in Empfang genommen und ihn von wichtiger Behördenpost in Kenntnis gesetzt. Erst auf die Nachfrage seines Sohnes sei ihm am 23. September 2013 eine Kopie des angefochtenen Bescheides übersandt worden. Der Bescheid sei in der Sache fehlerhaft, von der Grundstücksfläche hätte lediglich das Bauland mit 430 qm berücksichtigt werden dürfen. Zudem sei der Bescheid nicht prüffähig, die Ausdehnung der Anlage sei nicht erkennbar. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit sei angesichts der einkommensschwachen Anlieger verletzt worden. Ein Kreisverkehr sei nicht notwendig gewesen. Die Straße sei zu schmal ausgeführt worden. Zudem habe der Ausbau nur erfolgen müssen, weil zuvor die Instandhaltung der alten Straße versäumt worden sei.

4

Der Kläger beantragt,

5

den Bescheid des Beklagten vom 14. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2014 aufzuheben,

6

Der Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Die Klage sei unzulässig. Ein einfaches Bestreiten lasse die Zugangsvermutung nicht entfallen. Die Klage sei auch unbegründet. Der Abgabenbescheid sei mit seiner Regelungswirkung aus sich heraus verständlich, die genauen Umstände der Abrechnung hätten sich über eine Akteneinsicht erkennen lassen. Das Grundstück des Klägers profitiere insgesamt von der Erschließungswirkung der abgerechneten Maßnahme. Die Tiefenbegrenzungsregelung greife nicht ein. Das Grundstück liege vollständig im Bereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB. Die Beurteilung der Notwendigkeit der Ausbaumaßnahme stehe im Ermessen der Gemeindevertretung.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Das Gericht durfte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Darauf war in der rechtzeitig bewirkten Ladung hingewiesen worden.

11

Die Klage ist unzulässig und daher abzuweisen.

12

Es muss für diese Entscheidung nicht geklärt werden, ob der Vortrag des Klägers, ihm sei der Bescheid des Beklagten vom 14. August 2013 nicht zugegangen, zutrifft. Sollte das der Fall sein, wäre allein eine Feststellungsklage und nicht eine Anfechtungsklage statthaft (OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2015 – 1 L 313/11 –, juris Rn. 33; VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, juris Rn. 25), da es an einem wirksamen Verwaltungsakt und damit am Gegenstand der Anfechtungsklage fehlen würde. Der fragliche Bescheid wäre in diesem Fall mangels einer Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht wirksam geworden. Ein Ausbaubeitragsbescheid wird gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Eine Bekanntgabe setzt voraus, dass der Verwaltungsakt mit Bekanntgabewillen derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich ist und unter gewöhnlichen Umständen auch erwartet werden darf (OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2015 – 1 L 313/11 –, juris Rn. 57 und Beschl. v. 14.05.2001 – 1 M 68/00 –, juris Rn. 43). Das bestreitet der Kläger. Der Bekanntmachungsmangel wäre nicht durch die Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2014 geheilt worden, weil der Widerspruchsbescheid den Widerspruch des Klägers ausschließlich als unzulässig zurückwies. Eine Bekanntgabe des Abgabenbescheides läge schließlich auch nicht in der Übersendung einer Kopien des Bescheides mit Schreiben vom 20. September 2013, weil insoweit kein Bekanntgabewillen bestand (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2015 – 1 L 313/11 –, juris Rn. 57 f.).

13

Eine Umdeutung des Anfechtungsantrags in einen Feststellungsantrag gemäß § 88 VwGO musste ausscheiden, da eine solche bei von Rechtsanwälten gestellten Anträgen nur ausnahmsweise in Betracht kommt (OVG Greifswald, Beschl. v. 16.03.2005 – 1 L 597/04 –, juris Rn. 5). Ist ein Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Die Auslegung darf nur dann vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.01.2012 – 9 B 56/11 –, juris Rn. 8). Für ein Feststellungsbegehren lässt sich der Klageschrift vom 16. Juni 2014 jedoch nichts entnehmen.

14

Sollte der angefochtene Bescheid dagegen dem Kläger tatsächlich zugegangen sein oder gemäß in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gelten, wäre die Anfechtungsklage unzulässig, weil der Kläger dann nicht innerhalb der Frist nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt hätte. Dann wäre die Klage unzulässig, weil das Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Das Gericht musste dieser Frage deshalb nicht weiter nachgehen.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Es bestehen keine Gründe, die Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO zuzulassen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 70


(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu e

Abgabenordnung - AO 1977 | § 124 Wirksamkeit des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 24. März 2015 - 1 L 313/11

bei uns veröffentlicht am 24.03.2015

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – geändert und festgestellt, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amtes Darß/Fischland vom 11. Dez

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 13. Jan. 2012 - 9 B 56/11

bei uns veröffentlicht am 13.01.2012

Gründe 1 Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Zwar rechtfertigt das Beschwerdevorbringen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – geändert und festgestellt, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amtes Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12, nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Straßenbaubeiträgen.

2

Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2008 zog der Beklagte die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke G1 und G2 in der Gemarkung D., P. Straße in D., zu Straßenbaubeiträgen für Baumaßnahmen in der P. Straße in der Gemeinde D. heran, für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12). Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde D. vom 30. April 2003. Für die weiteren Einzelheiten der Beitragsberechnung wird auf die Begründung der Beitragsbescheide verwiesen. In den angefochtenen Bescheiden heißt es, die Anlage sei im Jahre 2004 endgültig hergestellt worden. In beiden Bescheiden ist als Sachbearbeiterin Frau R. ausgewiesen. Auf beiden bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopien der Bescheide ist jeweils handschriftlich unter dem Bescheiddatum vermerkt: „PA 12.12.08“. Die Bescheide sind im Adressfeld jeweils gerichtet an „Frau M. B., A. Weg, R.“.

3

Jeweils mit Schreiben vom 30. Januar 2009 mahnte der Beklagte gegenüber „Frau M. B.“ die Zahlung der offenen Beitragsforderungen an. Am 16. Februar 2009 ging daraufhin beim Beklagten das Schreiben der Klägerin – „M. L.“ – vom 11. Februar 2009 ein. In der Betreffzeile wird Bezug genommen auf die zwei Mahnungen vom 30. Januar 2009 (HHST-NR.: 19/6320.3500/00008, HHST-Nr.: 19/6320.3500/00009). In dem Schreiben heißt es, die Mahnungen habe die Klägerin durch eine private Briefbeförderung zugestellt bekommen. Die Mahnungen seien für sie vollkommen unverständlich, da sie die den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide nicht bekommen habe. Sie bitte um die Übersendung der den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide, um gegebenenfalls rechtliche Schritte unternehmen zu können.

4

Mit zwei Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils bezogen auf einen der beiden Ausgangsbescheide bestätigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Eingang ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 und übersandte ihr jeweils „eine Kopie des Bescheides, der am 12.12.08 an sie versandt wurde“. Eine Rücksendung durch den Postzusteller habe man nicht erhalten, so dass davon ausgegangen werde, dass der Klägerin der Bescheid zugestellt worden sei.

5

Am 23. März 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen beide Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008, „jeweils zugestellt am 23.02.2009“. Im Widerspruchsverfahren machte sie im Wesentlichen geltend, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Festsetzungsfrist sei nur gewahrt, wenn der vor Ablauf der Frist zur Post gegebene Steuerbescheid den Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugehe. Schlage der Bekanntgabeversuch fehl und werde der Bescheid später – nach Ablauf der Festsetzungsfrist – bekannt gegeben, werde er erst mit dieser Bekanntgabe wirksam.

6

Jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2009 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück und führte zur Begründung übereinstimmend im Wesentlichen aus: Der Widerspruch sei nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 VwGO erhoben und damit unzulässig. Der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid sei am 11. Dezember 2008 erstellt und laut schriftlichem Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin am 12. Dezember 2008 der Post übergeben worden. Nach § 41 Abs. 2 VwVfG M-V gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt werde, mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese gesetzliche Bekanntgabevermutung greife nur dann nicht, wenn berechtigte Zweifel daran bestünden, dass im konkreten Fall die auf den Erfahrungen des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreiche, zutreffe. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reiche regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung zu entkräften. Die von der Klägerin vorgebrachte einfache Behauptung, den Bescheid nicht erhalten zu haben, reiche nicht aus, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass der Bescheid der Klägerin am 15. Dezember 2008 zugegangen sei. Die Widerspruchsfrist sei am 15. Januar 2009 abgelaufen, ohne dass bis dahin Widerspruch erhoben worden sei. Beide Widerspruchsbescheide wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß jeweiligem Empfangsbekenntnis am 26. August 2009 zugestellt.

7

Am 23. September 2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage erhoben.

8

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen,
ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Klage sei zulässig und begründet. Insbesondere sei jeweils innerhalb der Monatsfrist Widerspruch eingelegt worden, da die Bescheide der Klägerin erst mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 bekanntgegeben worden seien. Insoweit sei die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die Beitragspflicht sei 2004 entstanden, da am 26. Januar 2004 die letzte Unternehmerrechnung bei dem Beklagten eingegangen sei, so dass die Frist am 31. Dezember 2008 geendet habe. Vorliegend gehe es um die Anwendung des § 122 Abs. 2 AO. Wenn die in Frage stehenden Bescheide überhaupt nicht zugegangen seien, bleibe der Klägerin nichts anderes übrig, als den Zugang zu bestreiten. Es sei jedoch insbesondere der Umstand zu beachten, dass sie mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2009 selbst den Anstoß für die Überprüfung des Vorgangs gegeben habe. Hierin liege ein substantiiertes Bestreiten der Klägerin. Sie habe darüber hinaus um Übersendung der Bescheide gebeten. Damit lägen ernstliche Zweifel hinsichtlich des Zugangs der Bescheide am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post vor. In der Akte sei offenbar lediglich ein Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin vorhanden. Dieser Vermerk dokumentiere nur, dass die Sachbearbeiterin die Bescheide gefertigt und zum Versand bereitgelegt habe. Hinsichtlich der Postaufgabe sei anzunehmen, dass die Bescheide zunächst in den Räumlichkeiten des Beklagten verblieben, eingesammelt, zur Poststelle verbracht, dort frankiert und dem Beförderungsunternehmer übergeben worden seien. Der Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten. Es lägen somit viele Arbeitsschritte zwischen dem Aufgabevermerk und dem Verlassen der Amtsverwaltung vor, so dass es auch wahrscheinlich sei, dass die Bescheide untergegangen oder verloren gegangen seien. Was mit dem auf den Kopien der Bescheide aufgebrachten Vermerk „PA 12.12.2008“ gemeint sei, erschließe sich nicht ohne Weiteres. Sofern dieser Vermerk von der zuständigen Sachbearbeiterin gefertigt worden sei, werde der Vermerk so zu verstehen seien, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid nicht selbst zur Post aufgegeben, sondern vielmehr der Poststelle des Amtes zur Versendung übergeben habe. Damit liege kein ausreichender Ab-Vermerk vor. Ein Postausgangsbuch führe der Beklagte offensichtlich nicht. Noch nicht einmal die Art der Versendung der Bescheide trage der Beklagte vor. Ob mit der Versendung von Beitragsbescheiden durch einen privaten Zustelldienst überhaupt eine Übermittlung der Bescheide „durch die Post“ im Sinne von § 122 Abs. 2 AO erfolgt wäre, sei bereits fraglich. Darüber hinaus sei auf den angefochtenen Bescheiden nicht der richtige Name der Klägerin vermerkt. Die Aussage des Beklagten, eine Rücksendung durch den Postzusteller sei nicht erfolgt, sei unerheblich. Nach alldem könne der Beklagte den Zugang der Bescheide nicht beweisen. Die Bescheide gelten gegenüber der Klägerin nicht als am 15. Dezember 2008 bekannt gegeben. Mangels Bekanntgabe habe die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Klägerin habe erst durch die Übersendung von Kopien Kenntnis von den Bescheiden erlangt. Es sei äußerst fraglich, ob mit der Übersendung der ursprünglichen Bescheide als Kopie überhaupt eine wirksame Bekanntgabe vorliege. Die Behörde habe insoweit keinen Bekanntgabewillen. Auch nicht wirksame Verwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde Rechtswirkungen aus, so dass sie gleichwohl angefochten und aufgehoben werden könnten.

9

Die Klägerin hat beantragt,

10

die Straßenbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 11.12.2008 – Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12 – in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 19.08.2009 aufzuheben.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung hat er auf seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.

14

In der mündlichen Verhandlung am 23. September 2011 ist die Sachbearbeiterin Frau R. vom Verwaltungsgericht – informatorisch – befragt worden. Auf Nachfrage, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat sie erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip, ich habe den Bescheid gefertigt, habe ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“.

15

Mit Urteil vom 25. Oktober 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

16

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei bereits mangels Durchführung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens unzulässig. Die Klägerin habe erst am 23. März 2009 Widerspruch eingelegt, also außerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Widerspruchsfrist habe vorliegend gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO und §§ 187 ff. BGB am 16.Dezember 2008 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 15. Januar 2009 geendet. Vorliegend stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Vermerks „PA 12.12.2008“ auf den Bescheiden und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 1. Halbsatz AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V eingreife. Die Sachbearbeiterin Frau R. habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie immer dann einen solchen Vermerk auf einen Bescheid mache, wenn sie diesen zur Poststelle des Amtes gebe, wo es zum Tagesgeschäft gehöre, dass die Bescheide am gleichen Tag abgeschickt und demnach zur „Post“ gegeben würden. Zweifel daran, dass dies im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, bestünden nicht. Auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Die Bescheide hätten folglich am 15. Dezember 2008 als bekannt gegeben gegolten. Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Ob der Zugang entgegen der Vermutung des § 122 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz AO nicht oder später eingetreten sei, sei grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln; Anlass gebe es hierzu jedoch nur, wenn der Empfänger den Nichtzugang bzw. den verspäteten Zugang behaupte. Dabei müsse der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang bzw. dessen Zeitpunkt begründet würden. Das reine Behaupten eines unterbliebenen Zugangs reiche nicht aus, um Zweifel am Zugang zu wecken; erforderlich sei der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs, sonst bleibe es bei der Fiktion. Vorliegend habe die Klägerin lediglich behauptet, die Bescheide nicht erhalten zu haben. Einen atypischen Geschehensablauf trage sie nicht vor. Die Bescheide wie auch die Mahnungen und weitere Schreiben des Beklagten wiesen als Anschrift immer den A. Weg in R. aus. Unter dieser Anschrift sei die Klägerin auch derzeit noch zu erreichen. Warum der Klägerin die Postsendung unter dieser Anschrift nicht zugegangen sein sollte, sei nicht nachvollziehbar. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Jahr 2008/2009 erfolgten Nachnamensänderung der Klägerin von B. in L. Zum einen habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, wann die Namensänderung konkret erfolgt sei. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass sowohl die angefochtenen Beitragsbescheide als auch die Mahnungen an „Frau M. B.“ unter der oben genannten Anschrift adressiert gewesen seien, wobei der Klägerin jedenfalls die – zeitlich späteren – Mahnungen unstreitig übermittelt worden seien. Die Nachnamensänderung habe demnach einer Zusendung der Bescheide nicht entgegen gestanden.

17

Das Urteil ist der Klägerin am 02. November 2011 zugestellt worden. Mit am 28. November 2011 beim Verwaltungsgericht Greifswald eingegangenem Schriftsatz hat sie beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Mit am 23. Dezember 2011 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie ihren Zulassungsantrag begründet. Mit Beschluss vom 09. Juli 2012 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Der Zulassungsbeschluss ist der Klägerin am 13. Juli 2012 zugestellt worden.

18

Mit am 13. August 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie die Berufung begründet und dazu im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

19

Die Klägerin beantragt zuletzt,

20

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – festzustellen, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amts Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten,

21

hilfsweise,

22

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – die Straßenbaubeitragesbescheide des Beklagten vom 11. Dezember 2008 Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 und die Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Der Beklagte trägt vor, er habe den Nachweis der Aufgabe der Bescheide zur Post am 12. Dezember 2008 geführt. Für den Zugang der Bescheide am 15. Dezember 2008 spreche folgerichtig die mit deren Aufgabe zur Post am 12. Dezember 2008 ausgelöste Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Ebenso beanstandungsfrei habe das Verwaltungsgericht das schlichte Bestreiten der Klägerin, die Beitragsbescheide nicht erhalten zu haben, als nicht ausreichend erachtet, die Zugangsvermutung zu erschüttern.

26

Mit gerichtlicher Verfügung vom 08. Januar 2015 ist der Beklagte um Stellungnahme gebeten worden, ob im Zeitpunkt der von ihm behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass der Bescheid die Poststelle verlassen habe. Ferner werde um Mitteilung gebeten, ob eine Anweisung oder Verwaltungsvorschrift für die Arbeit der Poststelle existiere; gegebenenfalls werde um deren Übersendung gebeten.

27

Zur Erledigung dieser Verfügung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Zur Arbeit in der Poststelle/Sekretariat werde die Dienstanweisung Nr. 26 vom 30. Januar 2001 – Registrierung des Postein- und Ausganges im Amt Darß/Fischland – sowie die Dienstanweisung zur Änderung der Dienstanweisung Nr. 26 vom 23. Oktober 2007 übersandt; für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigefügten Dienstanweisungen verwiesen. Die Postein- und -ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Aus einer im Weiteren übersandten Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen, sei zu entnehmen, dass von 48 Bescheiden 15 mit dem privaten Zustelldienst R. und 33 mit der Deutschen Post versandt worden seien. Auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, über die Firma R.. Aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift (K. Straße, R.) seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift (A. Weg, R.) am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden. Diese Bescheide seien vom Zustelldienst nicht zurückgelangt, so dass seitens des Beklagten von einer erfolgreichen Zustellung ausgegangen werde.

28

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

30

Die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist gewahrt und das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO bezeichnet. Auch die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO sind erfüllt. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die von der Klägerin übermittelte Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen, enthält insbesondere den erforderlichen Antrag. Zwar wiederholt sie im Wesentlichen – wortlautidentisch – ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dies ist aber jedenfalls deshalb ausnahmsweise unschädlich, weil die Klägerin darin ausführlich die Frage der Aufgabe der Bescheide zur Post thematisiert und geltend gemacht hat, der Aufgabevermerk beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten, der Beklagte müsse aber den Beweis der Absendung erbringen. Da sich das Verwaltungsgericht hierzu nicht bzw. nur kursorisch und – wie noch zu zeigen sein wird – unzutreffend verhalten hat, ergibt sich aus der Wiederholung des umfänglichen erstinstanzlichen Vorbringens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen hinreichend deutlich, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung der Berufungsführerin unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, NordÖR 2011, 493).

II.

31

Die Berufung ist begründet. Die im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig (1.) und begründet (2.).

32

1. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bei unverändertem Klagegrund von ihrem zunächst angekündigten Anfechtungsantrag im Hauptsantrag auf eine Feststellungsklage übergegangen ist, ist dies nach Maßgabe von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 91 Rn. 9). Dies gilt auch in Ansehung der daraus wegen des im Falle der Feststellungsklage geltenden Rechtsträgerprinzips resultierenden Änderung des Passivrubrums. Im Übrigen hat der Beklagte seine Zustimmung zu einer in der Antragsumstellung etwaig zu erblickenden Klageänderung erklärt (§ 91 Abs. 1 VwGO).

33

Die Feststellungsklage – und nicht eine Anfechtungsklage – ist in Ansehung des zentralen Vortrags der Klägerin, die Abgabenbescheide seien ihr nicht zugegangen bzw. nicht wirksam bekanntgegeben worden, statthaft. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung angenommen wird, auch Nichtverwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde scheinbar Rechtswirkungen aus und könnten deshalb aus praktischen Gründen gleichwohl angefochten und aufgehoben werden bzw. sei eine Anfechtungsklage statthaft (vgl. etwa FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 – juris unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 07.08.1985 – I R 309/82 –, BStBl II 1986, 42; ebenso Niedersächsisches FG, Urt. v. 23.02.2000 – 3 K 91/94 –, juris), folgt der Senat dem nicht.

34

Vielmehr ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft bzw. zulässig. Durch Klage kann gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Ebenso wie in dem Fall, dass der Kläger einen Bescheid für nichtig hält, gilt dies in gleicher Weise, soweit der Kläger einen Bescheid für nicht wirksam geworden hält. Wäre ein Abgabenbescheid gar nicht oder mit der Folge fehlerhaft bekanntgegeben worden, dass er nach § 124 Abs. 1 AO dem Adressaten gegenüber Wirksamkeit nicht erlangt hätte, handelte es sich um einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Nichtakt), der in seiner rechtlichen Unwirksamkeit einem nichtigen Verwaltungsakt gleicht. Den Erfordernissen eines hinreichenden Rechtsschutzes entspricht es, auch mit Blick auf ihn die Feststellungsklage des § 43 Abs. 1 VwGO für statthaft zu halten. Die Frage der Wirksamkeit der Beitragsbescheide stellt namentlich ein Rechtsverhältnis dar, dessen Bestehen oder Nichtbestehen Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein kann. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 – 8 C 19.94 –, BVerwGE 100, 262 – zitiert nach juris). Mit einer solchen Feststellungsklage wird dann freilich nicht die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts – zweite Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO –, sondern die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses – erste Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO – begehrt, und zwar die Feststellung, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam (geworden) ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330; VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – jeweils zitiert nach juris; OVG Bautzen, Urt. v. 09.09.2014 – 2 A 56/12 –, juris, Rn. 25, 21 f.; OVG Schleswig, Urt. v. 17.08.2005 – 2 LB 59/04 –, juris; wohl auch VGH Mannheim, Beschl. v. 07.12.1990 – 10 S 2466/90 – juris (LS); VG Cottbus, Beschl. v. 08.02.2007 – 6 L 152/06 –, juris). Die Feststellungsklage der Klägerin ist nach diesem Maßstab statthaft. Sie begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in Gestalt der Feststellung, dass die Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008 nicht wirksam geworden sind und deshalb die mit ihnen beabsichtigte Regelung nicht erreicht bzw. die Klägerin durch sie nicht wirksam zur Beitragszahlung verpflichtet worden ist.

35

Das insoweit im Besonderen in den Blick zu nehmende Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330 – zitiert nach juris) der Klägerin ist jedenfalls mit Blick auf die an sie gerichteten Mahnungen ohne Weiteres zu bejahen, da diese offensichtlich von scheinbar rechtwirksam gewordenen Beitragsbescheiden ausgingen bzw. der Beklagte danach an letztere Rechtsfolgen knüpfen will.

36

Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung liegt ebenfalls vor. Es ist nicht gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Daraus folgt indessen nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Auf diese Klage ist vielmehr die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO) sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen. Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die an die Frage der Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Beitragsbescheide unmittelbar anknüpfenden belastenden oder eben nicht belastenden Folgen offensichtlich vor.

37

2. Die Feststellungsklage ist begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 11. Dezember 2008 für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12) sind nicht wirksam geworden, die Klägerin ist nicht verpflichtet, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

38

Die Bescheide sind mangels Bekanntgabe gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.

39

Der Beklagte macht durchgängig geltend, die streitgegenständlichen Bescheide seien zum Zwecke der Bekanntgabe am 12. Dezember 2008 an die Klägerin versandt worden. Die Klägerin bestreitet indes den Zugang und damit die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide. Ihr Zugang konnte durch das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden; der materiell beweispflichtige Beklagte konnte den Zugang nicht nachweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

40

Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass für die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts § 130 BGB analog anzuwenden und darauf abzustellen ist, wann bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse des Empfängers mit der Kenntnisnahme durch ihn zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1994 – 4 B 212/93 –, juris). Da die Behörde die Kenntnisnahme selbst nicht bewirken kann, reicht insoweit wie bei der zivilrechtlichen Willenserklärung die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus. Zentrale Voraussetzung ist deshalb bei schriftlichen Verwaltungsakten ihr Zugang gemäß § 130 BGB. Ein Schriftstück ist bereits dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (vgl. BFH, Urt. v. 09.12.1999 – III R 37/97 –, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 14.05.2001 – 1 M 68/00 –, juris Rn. 43).

41

Die Klägerin bestreitet, dass ihr die angefochtenen Bescheide zugegangen bzw. in ihren Machtbereich gelangt sind. Tatsachen und insbesondere bestimmte Verhaltensweisen der Klägerin, aus denen (indiziell) zu schließen wäre, sie habe die Beitragsbescheide tatsächlich erhalten, konnte der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht feststellen. Umstände, aus denen auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten der Empfängerin (etwa im Zusammenhang mit der Namensänderung der Klägerin) geschlossen werden könnte, sind substantiiert weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Widersprüchliches Verhalten der abgabepflichtigen Klägerin ist ebenso wenig feststellbar (vgl. zu diesen Kriterien VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris). Sie hat sich im Gegenteil insbesondere in Ansehung ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 „folgerichtig“ verhalten. Nach Lage der Dinge ist der tatsächliche Zugang der streitgegenständlichen Bescheide bei der Klägerin für den Senat nicht aufklärbar; nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten sind keine weiteren Beweismittel benannt oder ersichtlich, die den Zugang als aufklärbar erscheinen ließen. Der Beklagte ist mit Blick auf die ihn treffende materielle Beweislast nicht dazu in der Lage, den tatsächlichen Zugang zu beweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

42

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts liegen auch die Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V nicht vor. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, zu seiner Überzeugung stehe aufgrund des Vermerkes auf den Bescheiden „PA 12.12.2008“ und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung eingreife, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

43

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

44

Für das Eingreifen der Fiktion kommt es dabei grundsätzlich nicht darauf an, ob die Bescheide an die „Deutsche Post AG“ oder einem privaten Postdienstleister übergeben werden (vgl. BFH, Beschl. v. 18.04.2013 – X B 47/12 –, juris).

45

Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierzu voraus, dass die Aufgabe zur Post erfolgt ist bzw. feststeht, an welchem Tag die Aufgabe zur Post erfolgt ist. Die Vermutung des Zuganges knüpft also an das Datum der Aufgabe des Bescheides zur Post an, die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn der Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts nicht feststeht; dieses ergibt sich insbesondere nicht zwingend aus dem Bescheiddatum (vgl. BFH, Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; Urt. v. 22.05.2002 – VIII R 53/00 –, juris; Urt. v. 03.05.2001 – III R 56/98 –, BFH/NV 2001, 1365, 1366 – zitiert nach juris). Insoweit ist die Behörde – materiell – beweispflichtig, dass der Abgabenbescheid ihren Bereich rechtzeitig bzw. zu dem von ihr behaupteten Datum verlassen hat (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211 zitiert nach juris). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Bescheid nach feststehender Aufgabe zur Post tatsächlich zugegangen ist. Nur in diesem Zusammenhang kann sich die weitere Frage stellen, ob insbesondere die Abgabenpflichtige den Zugang derart in Zweifel gezogen hat, dass die Nachweispflicht der Behörde gemäß § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO greift.

46

Diese Systematik hat das Verwaltungsgericht verkannt, wenn es ausführt, Zweifel daran, dass die Handhabung durch den Beklagten im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte als in der mündlichen Verhandlung geschildert, bestünden nicht, auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Nicht die Klägerin muss entsprechend vortragen, vielmehr muss der Beklagte die Aufgabe zur Post bzw. das Aufgabedatum nachweisen.

47

Auch eine Behörde ist insoweit zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet (BFH, Beschl. v. 07.12.1982 – VIII R 77/79 –, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229 – zitiert nach juris). Dafür reichen die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Vielmehr ist regelmäßig ein Absendevermerk der Poststelle erforderlich. Liegt ein solcher Vermerk nicht vor, muss das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält oder nicht (vgl. BFH, Beschl. v. 19.08.2002 – IX B 179/01 –, BFH/NV 2003, 138 – zitiert nach juris); die Regeln des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211; v. 16.01.2007 – IX R 41/05 –, BFH/NV 2007, 1508 – jeweils zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen BFH, Beschl. v. 03.07.2009 – IX B 18/09 –, juris; Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; vgl. auch zu § 41 Abs. 2 VwVfG und der Notwendigkeit eines ordnungsgemäßen Postaufgabevermerks auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 41 Rn. 43; OVG Greifswald, Beschl. v. 19.10.2011 – 2 L 101/09 –, juris, Rn. 9; OVG Bautzen, Beschl. v. 05.09.2014 – 3 A 722/12 –, juris: „… durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post …“; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.3012 – 23 K 5262 –, juris, Rn. 23; zu § 37 Abs. 2 SGB X VG Trier, Urt. v. 14.04.2011 – 2 K 1082/10.TR –, juris; OVG Münster, Beschl. v. 07.03.3001 – 19 A 4216/99 –, NVwZ 2001, 1171 – zitiert nach juris).

48

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes steht die Aufgabe bzw. der Tag der Aufgabe der streitgegenständlichen Bescheide zur Post nicht fest (insoweit liegt der Fall insbesondere anders als im Verfahren Az. 1 O 46/06, Beschl. v. 11.04.2006); folglich greift die Fiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO nicht ein.

49

Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip ich hab den Bescheid gefertigt, hab ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“. Bei dem Vermerk „PA 12.12.2008“ handelt es sich hiervon ausgehend also um einen bloßen Abgangsvermerk der sachbearbeitenden Stelle beim Beklagten, die die Bescheide an die Postausgangsstelle weitergeleitet hat. Der anschließend regelmäßig erforderliche Absendevermerk der Postausgangsstelle fehlt hingegen. Der Erklärung der Sachbearbeiterin lässt sich auch nicht die Versicherung eines bestimmten Absendedatums entnehmen; sie teilt nur das Datum der Übergabe an die Poststelle mit.

50

Ein solcher Absendevermerk lässt sich auch nicht den beim Beklagten – nach Maßgabe einer Dienstanweisung vom 30. Oktober 2001 – geführten Postein- und -ausgangsbüchern entnehmen. Auf die gerichtliche Nachfrage, ob im Zeitpunkt der vom Beklagten behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch (vgl. dazu, ob und inwieweit der notwendige Nachweis mit einem Postausgangsbuch geführt werden kann, VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169) geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass die Bescheide die Poststelle verlassen haben, hat der Beklagte mitgeteilt, die Postein- und Ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Damit hat sich der Beklagte der für an sich ohne Weiteres bestehenden Möglichkeit, die Absendung zu beweisen, selbst beraubt.

51

Der Vortrag, es gehöre in der Kanzlei zum Tagesgeschäft, dass die die dorthin gebrachten Bescheide am gleichen Tag abgeschickt werden, ist zu pauschal und unkonkret, um mit hinreichender Gewissheit annehmen zu können, die streitgegenständlichen Bescheide seien tatsächlich am 12. Dezember 2008 an den beauftragten Postdienstleister übergeben worden. Dazu ist anzumerken, dass insoweit z. B. offen geblieben ist, wie die Absendung am selben Tag bewerkstelligt wird, wenn die zu versendenden Bescheide erst am Ende des Arbeitstages („Dienstschluss“) auf der Kanzlei eingehen.

52

Im Hinblick auf die in Erledigung der erwähnten gerichtlichen Verfügung ferner übersandte – handschriftliche – Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen ist schon nicht ersichtlich, wann, von wem und zu welchem Zweck die Aufstellung gefertigt worden ist. Insbesondere sind die darin dokumentierten „Postausgangsdaten“ nicht nachvollziehbar. Gemeint sind hier offensichtlich wieder die Daten, unter denen die Bescheide an die Postausgangsstelle übergeben worden sind, also nicht etwa die tatsächlichen Absendedaten.

53

Zudem kann der Vortrag des Beklagten, auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden, dahingehend bewertet werden, dass gerade in Ansehung dieser Bescheide nicht alles „normal“ gelaufen ist. Der Umstand für sich allein gesehen, dass es keinen Rücklauf seitens des beauftragten Postunternehmens gab, ist offensichtlich kein hinreichendes Indiz für eine erfolgte Absendung: Auch im Falle der unterbliebenen Absendung hätte es keinen Rücklauf geben können.

54

Weitere Beweismittel für eine Absendung sind vom Beklagten weder benannt worden noch wären solche ersichtlich. Schließlich handelte es sich bei der Beitragserhebung anlässlich der Ausbaumaßnahme nicht um ein Massenverfahren, das ggf. möglicherweise eine weniger strenge Betrachtung erforderte.

55

Nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten stehen demnach auch die Aufgabe der Bescheide zur Post und das behauptete Absendedatum nicht fest bzw. ist es dem insoweit materiell beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen, den entsprechenden Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bzw. der Zugangsvermutung zu erbringen. Auch dies wirkt sich unter Zugrundelegung des „Günstigkeitsprinzips“ zu Lasten des Beklagten aus.

56

Fehlt es damit bereits an den Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion, kommt es auf die nachrangige Frage, ob eine Ausnahme von der Zugangsvermutung anzunehmen ist, weil es der Klägerin gelungen wäre, mit ihrem Vorbringen Zweifel an einem Zugang zu wecken, nicht mehr an.

57

Der nach alledem zugrunde zu legenden Bekanntgabemangel ist auch nicht durch den Erlass und die Zustellung der Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 geheilt worden, weil der Widerspruchsbescheid die Widersprüche der Klägerin ausschließlich als unzulässig zurückwies, sich daher nicht mit dem Inhalt der Beitragsbescheide befasst hat und jegliche inhaltliche Bezugnahme auf die nicht wirksam gewordene Beitragsfestsetzung, ggf. deren inhaltliche Wiederholung etc. vermissen lässt (vgl. VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris; FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris; BFH, Urt. v. vom 25.01.1994 – VIII R 45/92 –, BFHE 173, 213 – zitiert nach juris). Insoweit kann der erforderliche Bekanntgabewillen nicht festgestellt werden. Die Annahme eines solchen scheidet auch deshalb aus, weil der Beklagte ausweislich der Begründung der Beitragsbescheide (endgültige Herstellung der Anlage in 2004) und der Verwaltungsvorgänge (Eingang der letzten Unternehmerrechnung in 2004) offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Zustellung der Widerspruchsbescheide könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens gerade aus seiner Sicht keinen Sinn.

58

Eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Abgabenbescheide kann auch nicht in der Übersendung von Kopien der Bescheide an die Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 erblickt werden (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris). Auch insoweit gilt, dass ein ohne Bekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt keine Wirksamkeit erlangt (vgl. hierzu näher BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 310; Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Der Bekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll (vgl. BFH, Urt. v. 04.10.1989 – V R 39/84 – BFH/NV 1990, 409 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Ob die nochmalige Bekanntgabe einer behördlichen Verfügung als anfechtbarer Verwaltungsakt oder nur als Übersendung einer Zweitschrift ohne selbständig anfechtbare Regelung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH, Beschl. v. 24.11.1999 – V B 137/99 –, BFH/NV 2000, 550 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris).

59

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei den übersandten Bescheidkopien weder um gesondert anfechtbare Verwaltungsakte noch sollte mit ihnen eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide nachgeholt bzw. ein Bekanntgabemangel geheilt werden. Der Beklagte hat dies schon äußerlich dadurch dokumentiert, dass er die Ablichtungen der Klägerin mit dem Begleitschreiben vom 23. Februar 2009 ausdrücklich als "Kopie" übersandte. Er hat insbesondere das Datum der Bescheide nicht auf den Tag der nochmaligen Versendung geändert. Zudem hat er zum Ausdruck gebracht, er gehe davon aus, dass die Bescheide der Klägerin bereits zuvor „zugestellt“ worden seien. Auch inhaltlich hat der Beklagte durch sein weiteres Vorgehen im Verwaltungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung der Kopien nicht zur Auslösung der an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen diente. Insbesondere wollte er keine neue Rechtsbehelfsfrist in Gang setzen, wie sich aus der nachfolgenden Widerspruchszurückweisung ergibt. Wären die mit Schreiben vom 23. Februar 2009 übersandten Bescheidkopien mit Bekanntgabewillen erfolgt, wäre der jeweils am 23. März 2009 offensichtlich binnen Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhobene Widerspruch fristgerecht eingegangen und die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig hätte nicht erfolgen dürfen/können. Die Annahme eines solchen Bekanntgabewillens scheidet auch in diesem Zusammenhang deshalb aus, weil der Beklagte wie ausgeführt ersichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Übersendung der Bescheidkopien könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens wiederum schon aus seiner eigenen Sicht keinen Sinn.

60

Materiell-rechtliche Fragen, insbesondere ob tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten ist, sind nicht zu erörtern.

61

Da die Klägerin bereits mit ihrem Hauptantrag voll obsiegt hat und keine wirksamen und damit aufhebbaren Bescheide existieren, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über den gestellten Hilfsantrag.

III.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, § 167 Abs. 2 analog VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

64

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – geändert und festgestellt, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amtes Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12, nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Straßenbaubeiträgen.

2

Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2008 zog der Beklagte die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke G1 und G2 in der Gemarkung D., P. Straße in D., zu Straßenbaubeiträgen für Baumaßnahmen in der P. Straße in der Gemeinde D. heran, für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12). Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde D. vom 30. April 2003. Für die weiteren Einzelheiten der Beitragsberechnung wird auf die Begründung der Beitragsbescheide verwiesen. In den angefochtenen Bescheiden heißt es, die Anlage sei im Jahre 2004 endgültig hergestellt worden. In beiden Bescheiden ist als Sachbearbeiterin Frau R. ausgewiesen. Auf beiden bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopien der Bescheide ist jeweils handschriftlich unter dem Bescheiddatum vermerkt: „PA 12.12.08“. Die Bescheide sind im Adressfeld jeweils gerichtet an „Frau M. B., A. Weg, R.“.

3

Jeweils mit Schreiben vom 30. Januar 2009 mahnte der Beklagte gegenüber „Frau M. B.“ die Zahlung der offenen Beitragsforderungen an. Am 16. Februar 2009 ging daraufhin beim Beklagten das Schreiben der Klägerin – „M. L.“ – vom 11. Februar 2009 ein. In der Betreffzeile wird Bezug genommen auf die zwei Mahnungen vom 30. Januar 2009 (HHST-NR.: 19/6320.3500/00008, HHST-Nr.: 19/6320.3500/00009). In dem Schreiben heißt es, die Mahnungen habe die Klägerin durch eine private Briefbeförderung zugestellt bekommen. Die Mahnungen seien für sie vollkommen unverständlich, da sie die den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide nicht bekommen habe. Sie bitte um die Übersendung der den Mahnungen zugrunde liegenden Bescheide, um gegebenenfalls rechtliche Schritte unternehmen zu können.

4

Mit zwei Schreiben vom 23. Februar 2009 jeweils bezogen auf einen der beiden Ausgangsbescheide bestätigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Eingang ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 und übersandte ihr jeweils „eine Kopie des Bescheides, der am 12.12.08 an sie versandt wurde“. Eine Rücksendung durch den Postzusteller habe man nicht erhalten, so dass davon ausgegangen werde, dass der Klägerin der Bescheid zugestellt worden sei.

5

Am 23. März 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen beide Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008, „jeweils zugestellt am 23.02.2009“. Im Widerspruchsverfahren machte sie im Wesentlichen geltend, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Festsetzungsfrist sei nur gewahrt, wenn der vor Ablauf der Frist zur Post gegebene Steuerbescheid den Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugehe. Schlage der Bekanntgabeversuch fehl und werde der Bescheid später – nach Ablauf der Festsetzungsfrist – bekannt gegeben, werde er erst mit dieser Bekanntgabe wirksam.

6

Jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2009 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück und führte zur Begründung übereinstimmend im Wesentlichen aus: Der Widerspruch sei nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 VwGO erhoben und damit unzulässig. Der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid sei am 11. Dezember 2008 erstellt und laut schriftlichem Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin am 12. Dezember 2008 der Post übergeben worden. Nach § 41 Abs. 2 VwVfG M-V gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt werde, mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese gesetzliche Bekanntgabevermutung greife nur dann nicht, wenn berechtigte Zweifel daran bestünden, dass im konkreten Fall die auf den Erfahrungen des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreiche, zutreffe. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reiche regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung zu entkräften. Die von der Klägerin vorgebrachte einfache Behauptung, den Bescheid nicht erhalten zu haben, reiche nicht aus, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass der Bescheid der Klägerin am 15. Dezember 2008 zugegangen sei. Die Widerspruchsfrist sei am 15. Januar 2009 abgelaufen, ohne dass bis dahin Widerspruch erhoben worden sei. Beide Widerspruchsbescheide wurden dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß jeweiligem Empfangsbekenntnis am 26. August 2009 zugestellt.

7

Am 23. September 2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage erhoben.

8

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen,
ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Klage sei zulässig und begründet. Insbesondere sei jeweils innerhalb der Monatsfrist Widerspruch eingelegt worden, da die Bescheide der Klägerin erst mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 bekanntgegeben worden seien. Insoweit sei die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die Beitragspflicht sei 2004 entstanden, da am 26. Januar 2004 die letzte Unternehmerrechnung bei dem Beklagten eingegangen sei, so dass die Frist am 31. Dezember 2008 geendet habe. Vorliegend gehe es um die Anwendung des § 122 Abs. 2 AO. Wenn die in Frage stehenden Bescheide überhaupt nicht zugegangen seien, bleibe der Klägerin nichts anderes übrig, als den Zugang zu bestreiten. Es sei jedoch insbesondere der Umstand zu beachten, dass sie mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2009 selbst den Anstoß für die Überprüfung des Vorgangs gegeben habe. Hierin liege ein substantiiertes Bestreiten der Klägerin. Sie habe darüber hinaus um Übersendung der Bescheide gebeten. Damit lägen ernstliche Zweifel hinsichtlich des Zugangs der Bescheide am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post vor. In der Akte sei offenbar lediglich ein Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin vorhanden. Dieser Vermerk dokumentiere nur, dass die Sachbearbeiterin die Bescheide gefertigt und zum Versand bereitgelegt habe. Hinsichtlich der Postaufgabe sei anzunehmen, dass die Bescheide zunächst in den Räumlichkeiten des Beklagten verblieben, eingesammelt, zur Poststelle verbracht, dort frankiert und dem Beförderungsunternehmer übergeben worden seien. Der Aufgabevermerk der Sachbearbeiterin beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten. Es lägen somit viele Arbeitsschritte zwischen dem Aufgabevermerk und dem Verlassen der Amtsverwaltung vor, so dass es auch wahrscheinlich sei, dass die Bescheide untergegangen oder verloren gegangen seien. Was mit dem auf den Kopien der Bescheide aufgebrachten Vermerk „PA 12.12.2008“ gemeint sei, erschließe sich nicht ohne Weiteres. Sofern dieser Vermerk von der zuständigen Sachbearbeiterin gefertigt worden sei, werde der Vermerk so zu verstehen seien, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid nicht selbst zur Post aufgegeben, sondern vielmehr der Poststelle des Amtes zur Versendung übergeben habe. Damit liege kein ausreichender Ab-Vermerk vor. Ein Postausgangsbuch führe der Beklagte offensichtlich nicht. Noch nicht einmal die Art der Versendung der Bescheide trage der Beklagte vor. Ob mit der Versendung von Beitragsbescheiden durch einen privaten Zustelldienst überhaupt eine Übermittlung der Bescheide „durch die Post“ im Sinne von § 122 Abs. 2 AO erfolgt wäre, sei bereits fraglich. Darüber hinaus sei auf den angefochtenen Bescheiden nicht der richtige Name der Klägerin vermerkt. Die Aussage des Beklagten, eine Rücksendung durch den Postzusteller sei nicht erfolgt, sei unerheblich. Nach alldem könne der Beklagte den Zugang der Bescheide nicht beweisen. Die Bescheide gelten gegenüber der Klägerin nicht als am 15. Dezember 2008 bekannt gegeben. Mangels Bekanntgabe habe die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Klägerin habe erst durch die Übersendung von Kopien Kenntnis von den Bescheiden erlangt. Es sei äußerst fraglich, ob mit der Übersendung der ursprünglichen Bescheide als Kopie überhaupt eine wirksame Bekanntgabe vorliege. Die Behörde habe insoweit keinen Bekanntgabewillen. Auch nicht wirksame Verwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde Rechtswirkungen aus, so dass sie gleichwohl angefochten und aufgehoben werden könnten.

9

Die Klägerin hat beantragt,

10

die Straßenbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 11.12.2008 – Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 11 und Az. B. 1522.05 lfd. Nr. 12 – in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 19.08.2009 aufzuheben.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung hat er auf seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.

14

In der mündlichen Verhandlung am 23. September 2011 ist die Sachbearbeiterin Frau R. vom Verwaltungsgericht – informatorisch – befragt worden. Auf Nachfrage, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat sie erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip, ich habe den Bescheid gefertigt, habe ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“.

15

Mit Urteil vom 25. Oktober 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

16

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei bereits mangels Durchführung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens unzulässig. Die Klägerin habe erst am 23. März 2009 Widerspruch eingelegt, also außerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Widerspruchsfrist habe vorliegend gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 ZPO und §§ 187 ff. BGB am 16.Dezember 2008 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 15. Januar 2009 geendet. Vorliegend stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Vermerks „PA 12.12.2008“ auf den Bescheiden und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 1. Halbsatz AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V eingreife. Die Sachbearbeiterin Frau R. habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie immer dann einen solchen Vermerk auf einen Bescheid mache, wenn sie diesen zur Poststelle des Amtes gebe, wo es zum Tagesgeschäft gehöre, dass die Bescheide am gleichen Tag abgeschickt und demnach zur „Post“ gegeben würden. Zweifel daran, dass dies im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, bestünden nicht. Auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Die Bescheide hätten folglich am 15. Dezember 2008 als bekannt gegeben gegolten. Das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, die Zugangsvermutung zu erschüttern. Ob der Zugang entgegen der Vermutung des § 122 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz AO nicht oder später eingetreten sei, sei grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln; Anlass gebe es hierzu jedoch nur, wenn der Empfänger den Nichtzugang bzw. den verspäteten Zugang behaupte. Dabei müsse der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang bzw. dessen Zeitpunkt begründet würden. Das reine Behaupten eines unterbliebenen Zugangs reiche nicht aus, um Zweifel am Zugang zu wecken; erforderlich sei der substantiierte Vortrag eines atypischen Geschehensablaufs, sonst bleibe es bei der Fiktion. Vorliegend habe die Klägerin lediglich behauptet, die Bescheide nicht erhalten zu haben. Einen atypischen Geschehensablauf trage sie nicht vor. Die Bescheide wie auch die Mahnungen und weitere Schreiben des Beklagten wiesen als Anschrift immer den A. Weg in R. aus. Unter dieser Anschrift sei die Klägerin auch derzeit noch zu erreichen. Warum der Klägerin die Postsendung unter dieser Anschrift nicht zugegangen sein sollte, sei nicht nachvollziehbar. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Jahr 2008/2009 erfolgten Nachnamensänderung der Klägerin von B. in L. Zum einen habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, wann die Namensänderung konkret erfolgt sei. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass sowohl die angefochtenen Beitragsbescheide als auch die Mahnungen an „Frau M. B.“ unter der oben genannten Anschrift adressiert gewesen seien, wobei der Klägerin jedenfalls die – zeitlich späteren – Mahnungen unstreitig übermittelt worden seien. Die Nachnamensänderung habe demnach einer Zusendung der Bescheide nicht entgegen gestanden.

17

Das Urteil ist der Klägerin am 02. November 2011 zugestellt worden. Mit am 28. November 2011 beim Verwaltungsgericht Greifswald eingegangenem Schriftsatz hat sie beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Mit am 23. Dezember 2011 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie ihren Zulassungsantrag begründet. Mit Beschluss vom 09. Juli 2012 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen. Der Zulassungsbeschluss ist der Klägerin am 13. Juli 2012 zugestellt worden.

18

Mit am 13. August 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie die Berufung begründet und dazu im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

19

Die Klägerin beantragt zuletzt,

20

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – festzustellen, dass die Straßenbaubeitragsbescheide des Amtsvorstehers des Amts Darß/Fischland vom 11. Dezember 2008, Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 nicht wirksam geworden sind und die Klägerin nicht verpflichtet ist, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten,

21

hilfsweise,

22

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. Oktober 2011 – 3 A 1225/09 – die Straßenbaubeitragesbescheide des Beklagten vom 11. Dezember 2008 Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 11 und Az.: B. 1522.05 lfd Nr. 12 und die Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Der Beklagte trägt vor, er habe den Nachweis der Aufgabe der Bescheide zur Post am 12. Dezember 2008 geführt. Für den Zugang der Bescheide am 15. Dezember 2008 spreche folgerichtig die mit deren Aufgabe zur Post am 12. Dezember 2008 ausgelöste Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V. Ebenso beanstandungsfrei habe das Verwaltungsgericht das schlichte Bestreiten der Klägerin, die Beitragsbescheide nicht erhalten zu haben, als nicht ausreichend erachtet, die Zugangsvermutung zu erschüttern.

26

Mit gerichtlicher Verfügung vom 08. Januar 2015 ist der Beklagte um Stellungnahme gebeten worden, ob im Zeitpunkt der von ihm behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass der Bescheid die Poststelle verlassen habe. Ferner werde um Mitteilung gebeten, ob eine Anweisung oder Verwaltungsvorschrift für die Arbeit der Poststelle existiere; gegebenenfalls werde um deren Übersendung gebeten.

27

Zur Erledigung dieser Verfügung hat der Beklagte im Wesentlichen vorgetragen: Zur Arbeit in der Poststelle/Sekretariat werde die Dienstanweisung Nr. 26 vom 30. Januar 2001 – Registrierung des Postein- und Ausganges im Amt Darß/Fischland – sowie die Dienstanweisung zur Änderung der Dienstanweisung Nr. 26 vom 23. Oktober 2007 übersandt; für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigefügten Dienstanweisungen verwiesen. Die Postein- und -ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Aus einer im Weiteren übersandten Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen, sei zu entnehmen, dass von 48 Bescheiden 15 mit dem privaten Zustelldienst R. und 33 mit der Deutschen Post versandt worden seien. Auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, über die Firma R.. Aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift (K. Straße, R.) seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift (A. Weg, R.) am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden. Diese Bescheide seien vom Zustelldienst nicht zurückgelangt, so dass seitens des Beklagten von einer erfolgreichen Zustellung ausgegangen werde.

28

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

30

Die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist gewahrt und das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO bezeichnet. Auch die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO sind erfüllt. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die von der Klägerin übermittelte Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen, enthält insbesondere den erforderlichen Antrag. Zwar wiederholt sie im Wesentlichen – wortlautidentisch – ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dies ist aber jedenfalls deshalb ausnahmsweise unschädlich, weil die Klägerin darin ausführlich die Frage der Aufgabe der Bescheide zur Post thematisiert und geltend gemacht hat, der Aufgabevermerk beweise lediglich, dass die Bescheide den Bereich des Bauamtes verlassen hätten, der Beklagte müsse aber den Beweis der Absendung erbringen. Da sich das Verwaltungsgericht hierzu nicht bzw. nur kursorisch und – wie noch zu zeigen sein wird – unzutreffend verhalten hat, ergibt sich aus der Wiederholung des umfänglichen erstinstanzlichen Vorbringens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen hinreichend deutlich, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung der Berufungsführerin unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, NordÖR 2011, 493).

II.

31

Die Berufung ist begründet. Die im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig (1.) und begründet (2.).

32

1. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bei unverändertem Klagegrund von ihrem zunächst angekündigten Anfechtungsantrag im Hauptsantrag auf eine Feststellungsklage übergegangen ist, ist dies nach Maßgabe von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO ohne Weiteres zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 91 Rn. 9). Dies gilt auch in Ansehung der daraus wegen des im Falle der Feststellungsklage geltenden Rechtsträgerprinzips resultierenden Änderung des Passivrubrums. Im Übrigen hat der Beklagte seine Zustimmung zu einer in der Antragsumstellung etwaig zu erblickenden Klageänderung erklärt (§ 91 Abs. 1 VwGO).

33

Die Feststellungsklage – und nicht eine Anfechtungsklage – ist in Ansehung des zentralen Vortrags der Klägerin, die Abgabenbescheide seien ihr nicht zugegangen bzw. nicht wirksam bekanntgegeben worden, statthaft. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung angenommen wird, auch Nichtverwaltungsakte lösten als Äußerung einer mit staatlicher Autorität ausgestatteten Behörde scheinbar Rechtswirkungen aus und könnten deshalb aus praktischen Gründen gleichwohl angefochten und aufgehoben werden bzw. sei eine Anfechtungsklage statthaft (vgl. etwa FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 – juris unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 07.08.1985 – I R 309/82 –, BStBl II 1986, 42; ebenso Niedersächsisches FG, Urt. v. 23.02.2000 – 3 K 91/94 –, juris), folgt der Senat dem nicht.

34

Vielmehr ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft bzw. zulässig. Durch Klage kann gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Ebenso wie in dem Fall, dass der Kläger einen Bescheid für nichtig hält, gilt dies in gleicher Weise, soweit der Kläger einen Bescheid für nicht wirksam geworden hält. Wäre ein Abgabenbescheid gar nicht oder mit der Folge fehlerhaft bekanntgegeben worden, dass er nach § 124 Abs. 1 AO dem Adressaten gegenüber Wirksamkeit nicht erlangt hätte, handelte es sich um einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Nichtakt), der in seiner rechtlichen Unwirksamkeit einem nichtigen Verwaltungsakt gleicht. Den Erfordernissen eines hinreichenden Rechtsschutzes entspricht es, auch mit Blick auf ihn die Feststellungsklage des § 43 Abs. 1 VwGO für statthaft zu halten. Die Frage der Wirksamkeit der Beitragsbescheide stellt namentlich ein Rechtsverhältnis dar, dessen Bestehen oder Nichtbestehen Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein kann. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 – 8 C 19.94 –, BVerwGE 100, 262 – zitiert nach juris). Mit einer solchen Feststellungsklage wird dann freilich nicht die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts – zweite Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO –, sondern die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses – erste Alternative des § 43 Abs. 1 VwGO – begehrt, und zwar die Feststellung, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam (geworden) ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330; VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – jeweils zitiert nach juris; OVG Bautzen, Urt. v. 09.09.2014 – 2 A 56/12 –, juris, Rn. 25, 21 f.; OVG Schleswig, Urt. v. 17.08.2005 – 2 LB 59/04 –, juris; wohl auch VGH Mannheim, Beschl. v. 07.12.1990 – 10 S 2466/90 – juris (LS); VG Cottbus, Beschl. v. 08.02.2007 – 6 L 152/06 –, juris). Die Feststellungsklage der Klägerin ist nach diesem Maßstab statthaft. Sie begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in Gestalt der Feststellung, dass die Beitragsbescheide vom 11. Dezember 2008 nicht wirksam geworden sind und deshalb die mit ihnen beabsichtigte Regelung nicht erreicht bzw. die Klägerin durch sie nicht wirksam zur Beitragszahlung verpflichtet worden ist.

35

Das insoweit im Besonderen in den Blick zu nehmende Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 – 8 C 127.84 –, NVwZ 1987, 330 – zitiert nach juris) der Klägerin ist jedenfalls mit Blick auf die an sie gerichteten Mahnungen ohne Weiteres zu bejahen, da diese offensichtlich von scheinbar rechtwirksam gewordenen Beitragsbescheiden ausgingen bzw. der Beklagte danach an letztere Rechtsfolgen knüpfen will.

36

Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung liegt ebenfalls vor. Es ist nicht gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Daraus folgt indessen nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Auf diese Klage ist vielmehr die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO) sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen. Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die an die Frage der Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Beitragsbescheide unmittelbar anknüpfenden belastenden oder eben nicht belastenden Folgen offensichtlich vor.

37

2. Die Feststellungsklage ist begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 11. Dezember 2008 für das Grundstück G1 in Höhe von 17.086,03 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 11) und für das Flurstück G2 in Höhe von 5.390,00 EUR (Az. B. 1522.05 – lfd. Nr.: 12) sind nicht wirksam geworden, die Klägerin ist nicht verpflichtet, die aufgrund der Bescheide geltend gemachten Beiträge zu entrichten.

38

Die Bescheide sind mangels Bekanntgabe gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.

39

Der Beklagte macht durchgängig geltend, die streitgegenständlichen Bescheide seien zum Zwecke der Bekanntgabe am 12. Dezember 2008 an die Klägerin versandt worden. Die Klägerin bestreitet indes den Zugang und damit die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide. Ihr Zugang konnte durch das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden; der materiell beweispflichtige Beklagte konnte den Zugang nicht nachweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

40

Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass für die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts § 130 BGB analog anzuwenden und darauf abzustellen ist, wann bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse des Empfängers mit der Kenntnisnahme durch ihn zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1994 – 4 B 212/93 –, juris). Da die Behörde die Kenntnisnahme selbst nicht bewirken kann, reicht insoweit wie bei der zivilrechtlichen Willenserklärung die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus. Zentrale Voraussetzung ist deshalb bei schriftlichen Verwaltungsakten ihr Zugang gemäß § 130 BGB. Ein Schriftstück ist bereits dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (vgl. BFH, Urt. v. 09.12.1999 – III R 37/97 –, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 14.05.2001 – 1 M 68/00 –, juris Rn. 43).

41

Die Klägerin bestreitet, dass ihr die angefochtenen Bescheide zugegangen bzw. in ihren Machtbereich gelangt sind. Tatsachen und insbesondere bestimmte Verhaltensweisen der Klägerin, aus denen (indiziell) zu schließen wäre, sie habe die Beitragsbescheide tatsächlich erhalten, konnte der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht feststellen. Umstände, aus denen auf eine Zugangsvereitelung und auf Verstöße gegen Mitwirkungspflichten der Empfängerin (etwa im Zusammenhang mit der Namensänderung der Klägerin) geschlossen werden könnte, sind substantiiert weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Widersprüchliches Verhalten der abgabepflichtigen Klägerin ist ebenso wenig feststellbar (vgl. zu diesen Kriterien VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris). Sie hat sich im Gegenteil insbesondere in Ansehung ihres Schreibens vom 11. Februar 2009 „folgerichtig“ verhalten. Nach Lage der Dinge ist der tatsächliche Zugang der streitgegenständlichen Bescheide bei der Klägerin für den Senat nicht aufklärbar; nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten sind keine weiteren Beweismittel benannt oder ersichtlich, die den Zugang als aufklärbar erscheinen ließen. Der Beklagte ist mit Blick auf die ihn treffende materielle Beweislast nicht dazu in der Lage, den tatsächlichen Zugang zu beweisen. Dies geht nach Maßgabe des „Günstigkeitsprinzips“ zu seinen Lasten.

42

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts liegen auch die Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion nach § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V nicht vor. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, zu seiner Überzeugung stehe aufgrund des Vermerkes auf den Bescheiden „PA 12.12.2008“ und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Bescheide am 12. Dezember 2008 in den Postlauf gelangt seien, so dass die Zugangsvermutung eingreife, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

43

Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

44

Für das Eingreifen der Fiktion kommt es dabei grundsätzlich nicht darauf an, ob die Bescheide an die „Deutsche Post AG“ oder einem privaten Postdienstleister übergeben werden (vgl. BFH, Beschl. v. 18.04.2013 – X B 47/12 –, juris).

45

Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierzu voraus, dass die Aufgabe zur Post erfolgt ist bzw. feststeht, an welchem Tag die Aufgabe zur Post erfolgt ist. Die Vermutung des Zuganges knüpft also an das Datum der Aufgabe des Bescheides zur Post an, die Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn der Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts nicht feststeht; dieses ergibt sich insbesondere nicht zwingend aus dem Bescheiddatum (vgl. BFH, Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; Urt. v. 22.05.2002 – VIII R 53/00 –, juris; Urt. v. 03.05.2001 – III R 56/98 –, BFH/NV 2001, 1365, 1366 – zitiert nach juris). Insoweit ist die Behörde – materiell – beweispflichtig, dass der Abgabenbescheid ihren Bereich rechtzeitig bzw. zu dem von ihr behaupteten Datum verlassen hat (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211 zitiert nach juris). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Bescheid nach feststehender Aufgabe zur Post tatsächlich zugegangen ist. Nur in diesem Zusammenhang kann sich die weitere Frage stellen, ob insbesondere die Abgabenpflichtige den Zugang derart in Zweifel gezogen hat, dass die Nachweispflicht der Behörde gemäß § 122 Abs. 2 2. Halbsatz AO greift.

46

Diese Systematik hat das Verwaltungsgericht verkannt, wenn es ausführt, Zweifel daran, dass die Handhabung durch den Beklagten im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte als in der mündlichen Verhandlung geschildert, bestünden nicht, auch die Klägerin habe keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, welche die Behauptung einer späteren Absendung schlüssig erscheinen ließen. Nicht die Klägerin muss entsprechend vortragen, vielmehr muss der Beklagte die Aufgabe zur Post bzw. das Aufgabedatum nachweisen.

47

Auch eine Behörde ist insoweit zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet (BFH, Beschl. v. 07.12.1982 – VIII R 77/79 –, BFHE 137, 221, BStBl II 1983, 229 – zitiert nach juris). Dafür reichen die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Vielmehr ist regelmäßig ein Absendevermerk der Poststelle erforderlich. Liegt ein solcher Vermerk nicht vor, muss das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält oder nicht (vgl. BFH, Beschl. v. 19.08.2002 – IX B 179/01 –, BFH/NV 2003, 138 – zitiert nach juris); die Regeln des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar (vgl. BFH, Urt. v. 28.09.2000 – III R 43/97 –, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211; v. 16.01.2007 – IX R 41/05 –, BFH/NV 2007, 1508 – jeweils zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen BFH, Beschl. v. 03.07.2009 – IX B 18/09 –, juris; Beschl. v. 06.07.2011 – III S 4/11 (PKH) –, BFH/NV 2011, 1717 – zitiert nach juris; vgl. auch zu § 41 Abs. 2 VwVfG und der Notwendigkeit eines ordnungsgemäßen Postaufgabevermerks auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 41 Rn. 43; OVG Greifswald, Beschl. v. 19.10.2011 – 2 L 101/09 –, juris, Rn. 9; OVG Bautzen, Beschl. v. 05.09.2014 – 3 A 722/12 –, juris: „… durch den zuständigen Behördenmitarbeiter zu dokumentierenden Zeitpunkt der Aufgabe zur Post …“; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.3012 – 23 K 5262 –, juris, Rn. 23; zu § 37 Abs. 2 SGB X VG Trier, Urt. v. 14.04.2011 – 2 K 1082/10.TR –, juris; OVG Münster, Beschl. v. 07.03.3001 – 19 A 4216/99 –, NVwZ 2001, 1171 – zitiert nach juris).

48

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes steht die Aufgabe bzw. der Tag der Aufgabe der streitgegenständlichen Bescheide zur Post nicht fest (insoweit liegt der Fall insbesondere anders als im Verfahren Az. 1 O 46/06, Beschl. v. 11.04.2006); folglich greift die Fiktion des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO nicht ein.

49

Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts, was der Vermerk „PA 12.12.2008“ zu bedeuten habe, hat die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt: „Ja, ich mache immer so einen Vermerk auf die Bescheide. PA heißt im Prinzip ich hab den Bescheid gefertigt, hab ihn zur Unterschrift vorgelegt und dann gebe ich den Bescheid zur Poststelle in unserem Haus in die Kanzlei und da gehört es dann zum Tagesgeschäft, dass diese an dem gleichen Tag abgeschickt werden, PA heißt zur Poststelle am 12.12.2008“. Bei dem Vermerk „PA 12.12.2008“ handelt es sich hiervon ausgehend also um einen bloßen Abgangsvermerk der sachbearbeitenden Stelle beim Beklagten, die die Bescheide an die Postausgangsstelle weitergeleitet hat. Der anschließend regelmäßig erforderliche Absendevermerk der Postausgangsstelle fehlt hingegen. Der Erklärung der Sachbearbeiterin lässt sich auch nicht die Versicherung eines bestimmten Absendedatums entnehmen; sie teilt nur das Datum der Übergabe an die Poststelle mit.

50

Ein solcher Absendevermerk lässt sich auch nicht den beim Beklagten – nach Maßgabe einer Dienstanweisung vom 30. Oktober 2001 – geführten Postein- und -ausgangsbüchern entnehmen. Auf die gerichtliche Nachfrage, ob im Zeitpunkt der vom Beklagten behaupteten Versendung der streitgegenständlichen Bescheide auf der Poststelle ein Postausgangsbuch (vgl. dazu, ob und inwieweit der notwendige Nachweis mit einem Postausgangsbuch geführt werden kann, VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169) geführt worden sei oder ob auf sonstige Weise der Nachweis geführt werden könne, dass die Bescheide die Poststelle verlassen haben, hat der Beklagte mitgeteilt, die Postein- und Ausgangsbücher würden in der Poststelle/Sekretariat handschriftlich geführt. Leider seien die Postein- und Ausgangsbücher des streitgegenständlichen Zeitraumes bei der Beräumung des Archivs aufgrund der abgelaufenen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Damit hat sich der Beklagte der für an sich ohne Weiteres bestehenden Möglichkeit, die Absendung zu beweisen, selbst beraubt.

51

Der Vortrag, es gehöre in der Kanzlei zum Tagesgeschäft, dass die die dorthin gebrachten Bescheide am gleichen Tag abgeschickt werden, ist zu pauschal und unkonkret, um mit hinreichender Gewissheit annehmen zu können, die streitgegenständlichen Bescheide seien tatsächlich am 12. Dezember 2008 an den beauftragten Postdienstleister übergeben worden. Dazu ist anzumerken, dass insoweit z. B. offen geblieben ist, wie die Absendung am selben Tag bewerkstelligt wird, wenn die zu versendenden Bescheide erst am Ende des Arbeitstages („Dienstschluss“) auf der Kanzlei eingehen.

52

Im Hinblick auf die in Erledigung der erwähnten gerichtlichen Verfügung ferner übersandte – handschriftliche – Aufstellung zu sämtlichen am 02. Dezember 2008 vom Beklagten erstellten Straßenbaubeitragsbescheiden in Bezug auf den beauftragten Zustelldienst, den Postausgang (PA), Widersprüche, Stundungsanträge und Bezahlungen ist schon nicht ersichtlich, wann, von wem und zu welchem Zweck die Aufstellung gefertigt worden ist. Insbesondere sind die darin dokumentierten „Postausgangsdaten“ nicht nachvollziehbar. Gemeint sind hier offensichtlich wieder die Daten, unter denen die Bescheide an die Postausgangsstelle übergeben worden sind, also nicht etwa die tatsächlichen Absendedaten.

53

Zudem kann der Vortrag des Beklagten, auch die an die Klägerin gerichteten Bescheide seien am 03. Dezember 2008 zum ersten Mal in den Postlauf gelangt, aufgrund einer dem Katasterverzeichnis entnommenen falschen Anschrift seien die Bescheide als nicht zustellbar zurückgekommen und mit korrigierter Anschrift am 11. Dezember 2008 neu erstellt und am 12. Dezember 2008 erneut in den Postlauf gegeben worden, dahingehend bewertet werden, dass gerade in Ansehung dieser Bescheide nicht alles „normal“ gelaufen ist. Der Umstand für sich allein gesehen, dass es keinen Rücklauf seitens des beauftragten Postunternehmens gab, ist offensichtlich kein hinreichendes Indiz für eine erfolgte Absendung: Auch im Falle der unterbliebenen Absendung hätte es keinen Rücklauf geben können.

54

Weitere Beweismittel für eine Absendung sind vom Beklagten weder benannt worden noch wären solche ersichtlich. Schließlich handelte es sich bei der Beitragserhebung anlässlich der Ausbaumaßnahme nicht um ein Massenverfahren, das ggf. möglicherweise eine weniger strenge Betrachtung erforderte.

55

Nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten stehen demnach auch die Aufgabe der Bescheide zur Post und das behauptete Absendedatum nicht fest bzw. ist es dem insoweit materiell beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen, den entsprechenden Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 1. Halbsatz Nr. 1 AO bzw. der Zugangsvermutung zu erbringen. Auch dies wirkt sich unter Zugrundelegung des „Günstigkeitsprinzips“ zu Lasten des Beklagten aus.

56

Fehlt es damit bereits an den Voraussetzungen für das Eingreifen der Zugangsfiktion, kommt es auf die nachrangige Frage, ob eine Ausnahme von der Zugangsvermutung anzunehmen ist, weil es der Klägerin gelungen wäre, mit ihrem Vorbringen Zweifel an einem Zugang zu wecken, nicht mehr an.

57

Der nach alledem zugrunde zu legenden Bekanntgabemangel ist auch nicht durch den Erlass und die Zustellung der Widerspruchsbescheide vom 19. August 2009 geheilt worden, weil der Widerspruchsbescheid die Widersprüche der Klägerin ausschließlich als unzulässig zurückwies, sich daher nicht mit dem Inhalt der Beitragsbescheide befasst hat und jegliche inhaltliche Bezugnahme auf die nicht wirksam gewordene Beitragsfestsetzung, ggf. deren inhaltliche Wiederholung etc. vermissen lässt (vgl. VGH München, Urt. v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 –, NVwZ-RR 2013, 169 – zitiert nach juris; FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris; BFH, Urt. v. vom 25.01.1994 – VIII R 45/92 –, BFHE 173, 213 – zitiert nach juris). Insoweit kann der erforderliche Bekanntgabewillen nicht festgestellt werden. Die Annahme eines solchen scheidet auch deshalb aus, weil der Beklagte ausweislich der Begründung der Beitragsbescheide (endgültige Herstellung der Anlage in 2004) und der Verwaltungsvorgänge (Eingang der letzten Unternehmerrechnung in 2004) offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Zustellung der Widerspruchsbescheide könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens gerade aus seiner Sicht keinen Sinn.

58

Eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Abgabenbescheide kann auch nicht in der Übersendung von Kopien der Bescheide an die Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 23. Februar 2009 erblickt werden (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris). Auch insoweit gilt, dass ein ohne Bekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt keine Wirksamkeit erlangt (vgl. hierzu näher BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 – 8 C 43.95 –, BVerwGE 104, 310; Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Der Bekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll (vgl. BFH, Urt. v. 04.10.1989 – V R 39/84 – BFH/NV 1990, 409 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 25.04.2013 – 3 C 19.12 –, ZOV 2013, 128 – jeweils zitiert nach juris). Ob die nochmalige Bekanntgabe einer behördlichen Verfügung als anfechtbarer Verwaltungsakt oder nur als Übersendung einer Zweitschrift ohne selbständig anfechtbare Regelung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH, Beschl. v. 24.11.1999 – V B 137/99 –, BFH/NV 2000, 550 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen FG Hamburg, Urt. v. 29.03.2007 – 1 K 258/06 –, juris).

59

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei den übersandten Bescheidkopien weder um gesondert anfechtbare Verwaltungsakte noch sollte mit ihnen eine Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide nachgeholt bzw. ein Bekanntgabemangel geheilt werden. Der Beklagte hat dies schon äußerlich dadurch dokumentiert, dass er die Ablichtungen der Klägerin mit dem Begleitschreiben vom 23. Februar 2009 ausdrücklich als "Kopie" übersandte. Er hat insbesondere das Datum der Bescheide nicht auf den Tag der nochmaligen Versendung geändert. Zudem hat er zum Ausdruck gebracht, er gehe davon aus, dass die Bescheide der Klägerin bereits zuvor „zugestellt“ worden seien. Auch inhaltlich hat der Beklagte durch sein weiteres Vorgehen im Verwaltungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung der Kopien nicht zur Auslösung der an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen diente. Insbesondere wollte er keine neue Rechtsbehelfsfrist in Gang setzen, wie sich aus der nachfolgenden Widerspruchszurückweisung ergibt. Wären die mit Schreiben vom 23. Februar 2009 übersandten Bescheidkopien mit Bekanntgabewillen erfolgt, wäre der jeweils am 23. März 2009 offensichtlich binnen Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhobene Widerspruch fristgerecht eingegangen und die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig hätte nicht erfolgen dürfen/können. Die Annahme eines solchen Bekanntgabewillens scheidet auch in diesem Zusammenhang deshalb aus, weil der Beklagte wie ausgeführt ersichtlich selbst davon ausgegangen ist, eine Bekanntgabe im Zeitpunkt der Übersendung der Bescheidkopien könne eine inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr beseitigen; folglich machte die Annahme eines Bekanntgabewillens wiederum schon aus seiner eigenen Sicht keinen Sinn.

60

Materiell-rechtliche Fragen, insbesondere ob tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten ist, sind nicht zu erörtern.

61

Da die Klägerin bereits mit ihrem Hauptantrag voll obsiegt hat und keine wirksamen und damit aufhebbaren Bescheide existieren, bedarf es keiner Entscheidung des Senats über den gestellten Hilfsantrag.

III.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, § 167 Abs. 2 analog VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

64

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Gründe

1

Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Zwar rechtfertigt das Beschwerdevorbringen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (1.). Jedoch hat die Verfahrensrüge mit dem Ergebnis Erfolg (2.), dass der Rechtsstreit in dem im Tenor bezeichneten Umfang zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 6 VwGO).

2

1. Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>, vom 23. April 1996 - BVerwG 11 B 96.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10 S. 15, vom 30. März 2005 - BVerwG 1 B 11.05 - NVwZ 2005, 709 und vom 2. August 2006 - BVerwG 9 B 9.06 - NVwZ 2006, 1290). Daran fehlt es.

3

a) Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft,

"Ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem aus Art. 3 GG folgenden Willkürverbot vereinbar, wenn § 3 Abs. 3 KAG NRW dahingehend ausgelegt wird, dass es als zwingende Voraussetzung für die Prognoseentscheidung der Gemeinde bezüglich zu erhebender Vorauszahlungen keiner Steuerfestsetzung aus dem Vorjahr bedarf?",

wendet sie sich gegen die Auslegung von Landesrecht (§ 3 Abs. 3 KAG NRW), die vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann. Abweichendes folgt nicht daraus, dass die Frage die Vereinbarkeit der vom Oberverwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung mit Bestimmungen des Bundesverfassungsrechts thematisiert. Revisibilität könnte sie nur erlangen, wenn die angeführten bundesrechtlichen Maßstabsnormen, an denen die Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Vorschrift zu messen sind, ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwerfen würden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7). Das ist nicht ansatzweise dargetan.

4

b) Zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führt ebenfalls nicht die Frage,

"Wie ist § 139 BGB analog in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem aus Art. 3 GG folgenden Willkürverbot auszulegen, wenn eine Gemeinde in einer Satzung bewusst ein zweigleisiges Festsetzungssystem dergestalt geschaffen hat, dass dem Steuerschuldner zwei Festsetzungs- und Zahlungsmodalitäten eröffnet werden."

5

Bei sachgerechter Auslegung dieser Frage will die Beschwerde die Voraussetzungen einer Teil- oder Gesamtnichtigkeit von Satzungen mit den genannten Regelungen geklärt wissen. Dazu bedarf es jedoch keiner revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die abstrakt-generellen, von der entsprechenden Anwendung des § 139 BGB ausgehenden Fragen der Gesamt- oder bloßen Teilnichtigkeit von Satzungen sind höchstrichterlich bereits geklärt. Danach steht fest, dass die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, davon abhängt, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. August 1991 - BVerwG 4 NB 3.91 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 59 S. 81 ff. und vom 28. August 2008 - BVerwG 9 B 40.08 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 56 Rn. 13). Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Im Übrigen hängt die Beantwortung der Frage maßgeblich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, die einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich sind.

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2. Mit der Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) macht die Klägerin geltend, das Oberverwaltungsgericht habe ihr Klagebegehren unter Verstoß gegen § 88 VwGO unzutreffend ausgelegt und deshalb über einen Teil der Klage entgegen dem Klageantrag nicht in der Sache entschieden. Es habe zu Unrecht angenommen, das Verwaltungsgericht sei - seinerseits unter Verstoß gegen § 88 VwGO - mit der Aufhebung der Vorauszahlungsfestsetzungen für 2009 und die Folgejahre über das Klagebegehren hinausgegangen. Demgegenüber ergebe sich aus der Klagebegründung vom 7. Mai 2009, wie auch aus der Interessenlage der Klägerin, dass das Verwaltungsgericht das Klageziel zutreffend erkannt habe. Diese Rüge greift durch.

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Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtschutzbegehren zu ermitteln (Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 S. 4 f.; Beschlüsse vom 5. Februar 1998 - BVerwG 2 B 56.97 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25 und vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 6 B 30.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 38 Rn. 3). Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (stRspr; Urteil vom 3. Juli 1992 a.a.O.; Beschluss vom 25. Juni 2009 - BVerwG 9 B 20.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 37 Rn. 2). Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück (Urteil vom 27. April 1990 - BVerwG 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5; Beschluss vom 19. Juni 2010 - BVerwG 6 B 12.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 55 Rn. 4). Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. Urteil vom 18. November 1982 - BVerwG 1 C 62.81 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 11 S. 5 f.; Beschlüsse vom 17. Dezember 2009 a.a.O. und vom 19. Juni 2010 a.a.O.).

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Ist aber der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht.

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Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht das Klagebegehren nicht zutreffend ausgelegt. Es ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass nach dem Klageantrag die Aufhebung des Bescheides vom 12. Dezember 2008 nur hinsichtlich der Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr 2007 und der Festsetzung von Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 2008, nicht aber für das Kalenderjahr 2009 beantragt war. Dagegen hat es die Klagebegründung unberücksichtigt gelassen, die im Zusammenhang mit der Interessenlage der Klägerin deutlich erkennen lässt, dass Klageziel die Aufhebung der Festsetzung von Vorausleistungen insgesamt war. In der Klagebegründung hat die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren auf die Rechtsauffassung gestützt, die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten sei nichtig. Diese Satzung bildete die Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Vorausleistungen nicht nur für das Jahr 2008, sondern in gleicher Weise für die Folgejahre. Indem die Klagebegründung daraus den Schluss gezogen hat, "die angefochtene Festsetzung von Vorausleistungen (sei) ebenfalls unwirksam", hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass diese Festsetzung uneingeschränkt angegriffen werden sollte. Gestützt wird dieses Auslegungsergebnis durch die Interessenlage. Die Klägerin wurde durch die Festsetzung von Vorausleistungen insgesamt belastet. Ein sachlicher Grund, warum sie gegen diese Belastung nur teilweise hätte vorgehen sollen, ist nicht erkennbar.

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Das Urteil beruht auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel. Denn das Oberverwaltungsgericht hat den Teil des erstinstanzlichen Urteils, der die Festsetzung der Vergnügungssteuervorauszahlung für das Jahr 2009 betrifft, wegen Verstoßes gegen § 88 VwGO aufgehoben, aber nicht in der Sache entschieden.

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Da weitere Zulassungsgründe nicht eingreifen, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, auf die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil im Umfang des Verfahrensfehlers aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt, soweit über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden war, aus § 154 Abs. 2 VwGO. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsteht eine Gerichtsgebühr nur, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Die sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens, namentlich die außergerichtlichen Kosten, waren verhältnismäßig zu teilen, und zwar in der Weise, dass die Klägerin die Kosten im Maße ihres Unterliegens trägt und die Entscheidung über diejenigen Kosten, die dem Anteil der erfolgreichen Beschwerde am gesamten Beschwerdeverfahren entsprechen, der Kostenentscheidung in der Hauptsache folgt.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.